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Altlandsberg: Goldene Zacken, spätes Tassenglück und das erkannte Blümchen

Dieser Herbst spielt auf der ganz großen Orgel, mit vollem Registerwerk. Nicht laut, aber vollmundig, nicht plakativ, doch aus vollem Herzen. Es ist ein Fest für die meisten der Sinne, die dem Menschen gegeben wurden, und man kommt mit dem Genießen dieser wochenlangen Darbietung kaum hinterher. Wer hier schon öfter las wird wissen, dass der Herbst ein hohes Ansehen genießt und womöglich auf bereits bekannte Strophen eines Hoheliedes treffen. Gegebenenfalls sind also nur ein paar Absätze zu überspringen – genauso gut kann jedoch lauthals eingestimmt werden.

Kurz vor dem Erpewald

Erstaunlich ist in diesem Jahr, wie allgegenwärtig noch die Farbe Grün ist. Im Unterschied zu den vorangegangenen Herbsten waren zudem nur wenige Zugformationen am Himmel zu beobachten – entweder die großen Flügelschwinger haben sich schon vorher im Stillen auf die Reise begeben oder sie wissen, dass noch ausreichend Zeit bleibt vor dem Wechsel in die wärmeren Gefilde.

An der Kirche

Überall auf dem Boden finden sich nun reichlich Materialien für farbenfrohe Basteleien, lassen sich auf einem kurzen Spaziergang ganze Händevoll gefallener Blätter sammeln, deren nicht ein einziges die Farbe eines anderen haben muss. Dazu eher Dreidimensionales, das nach dem Holzbohrer verlangt, dem denkbar unschuldigsten und allerersten aller Werkzeuge, das sogar den Weg in kleinste Kinderhände findet. Eicheln lassen sich hervorragend mit Bucheckerhüllen in Schale schmeißen, Kastanien verleihen ausgedienten Streichhölzern einen längerfristigen Sinn und die Bucheckern selbst ergeben in der leergewohnten Streichholzschachtel ein schönes Zeug zum Rasseln. Als letzter Schliff lässt sich die Schachtel selbst mit ledrigem Laub tapezieren und an die nächstliegende Oma verschenken, die dann versonnen rasseln kann, wenn wieder Stille herrscht im Hause.

Allee zum Reiterhof

Auf den Feldern und im Wald huschen neben ein paar bummelletzten Lerchen noch hier und da die Finken herum und steuern die verbliebenen niedlichen Geräusche aus der Vogelecke bei. Was sonst aus Schnäbeln tönt, ist eher holzig, klagend oder leicht rabiat und übernimmt von Woche zu Woche mehr die Geräuschkulisse unter freiem Himmel. In bestimmten Gegenden dominieren natürlich die Gänse- und Kranichscharen, die dem Fernreisen abgeschworen haben und so die winterliche Stille untergraben.

Marktplatz Altlandsberg

Die gerne indianisch benannte Mischung aus Altweibersommer und Goldenem Herbst findet also in diesem Jahre sehr genüsslich statt, und so läuft dauerstaunend durch die Gegend, wer einen Sinn dafür hat und in die richtige Landschaft gereist ist. Die größten Spektakel zwischen kupferbraun und golden, leuchtendgelb und dem Rot von Blutorangen finden entgegen mancher Erwartung nicht im Walde statt, sowohl im Mittelgebirge als auch hier im flachen Land. Linden, Ahorne und Eichen lassen sich ebenso gut in offenen Landschaften mit langen Alleen bewundern, die zum Teil kilometerweit zu sehen sind und unter den wandernden Lichtflecken der perforierten Wolkendecke regelrecht zum Leben erwachen. Was eben noch nach nichts aussah, kann im nächsten Augenblick zur Göttlichkeit erstrahlen und bis zum Zücken der Linse längst wieder im grauen Jäckchen überm Boden hocken. Es heißt also wortwörtlich, den Augenblick zu genießen.

Schlossgut Altlandsberg mit Schlosskirche

Alleen haben häufig mit Ortschaften und offenem Land zu tun, und solches findet sich oft schon in geringer Entfernung von der nächsten Stadt, sogar wenn diese ziemlich groß ist. Solche Stadtrandtouren tragen meist einen besonderen Charme, weil die Natur mit spröden Elementen und eher pragmatischen Bauwerken der Infrastruktur durchmischt ist, häufig auch mit punktuellem Lärm oder Gestank. Umso erstaunlicher war es am beschriebenen Tag, dass laute Schnellstraßen und große Gewerbehallen, rauchende Schlote und riesige Strommasten kaum im Gedächtnis blieben, da es so viel im Kleinen zu entdecken gab. Überraschend waren auch die Menge an schönen Pfaden und der geringe Anteil an hartem Belag unter der Sohle.

An der östlichen Stadtmauer

Altlandsberg

Das schöne Ackerbürgerstädtchen wurde schon vor einigen Jahren besungen, fast zur selben Zeit im Jahr, doch eher allgemein. Das regelmäßige Wiederkehren ist in diesen Jahren auch deswegen spannend, weil das Schlossgut rund um die Kirche nicht in einer Hauruck-Aktion saniert wird, sondern behutsam Schritt für Schritt. Die Veränderungen und Fortschritte lassen sich daher bestens verfolgen, und dank guter Planung und Geschmack wird das Ensemble mit jedem vorbeigewehten Jahr etwas schöner, findet nach und nach zur Vollständigkeit zurück. Vom Markt ausgehend ist das verschiedenartig gepflasterte Gelände in ein paar Minuten erreicht, und es sollte stets ein Extra-Viertelstündchen eingeplant werden, um die Veränderungen zu beschauen oder Bekanntes neu zu entdecken.

In diesem Jahr ist es die Parkanlage westlich von Schlosskirche und Brennerei, vor Kurzem noch eine wilde und krautige Fläche ohne erkennbare Struktur. Jetzt sorgen zwei Alleechen und die erkennbare Form des Bassins für erste Gestaltbildung, die Phantasie kann in dichterischer Freiheit ergänzen, wie es am Ende einmal aussehen könnte. Vielleicht ja schon im nächsten Jahr?

Am Obstgarten

Für eine Umrundung der Altstadt entlang der Stadtmauer sollte eigentlich bei jedem Besuch des Städtchens Zeit bleiben, zumal hier jede Jahreszeit ihren Reiz hat und die halbe Stunde schon aufgrund ihrer Kürze kaum langweilig werden kann, von der Schönheit des stillen Weges gar nicht zu reden. Goldene Teppiche von kollektiv abgestürztem Laub wechseln ab mit spiegelglatten Pfützen, die den durchwachsenen Himmel zerrfrei auf den Boden holen.

Weg am Erpebruch

Bei jeder Umrundung lockte unweit des Berliner Torturmes ein Weg, der nun endlich entdeckt werden darf. Die urige Erweiterung entlang der wilden Erpe bietet wonnige Pfade, eine begehbare Streuobstwiese und den durchfeuchteten Bruchwald des Baches, der nach dem wiederholten Regen der letzten Wochen recht lebendig fließt. Ein rührendes Rastbänkchen wird von rotem Weinlaub eingerahmt, ein anderes setzt sich im warmen Licht einer Wegkurve in Szene und ein bunter Schilderbaum bietet Bausteine für den Tag an. Im dichten nassen Wald flattert es stimmlos hin und her. Quer über die Wiese oder wenige Meter hoch zu den Garagen verbinden Schleichwege die Naturkulisse mit jener der Stadt.

Fahrradhof

Die Erpe sorgt für einen kleinen wilden Streifen entlang ihrer Uferlinie, den auch die Landstraße nicht unterbrechen kann. Nach dem Warten auf eine Verkehrslücke und ein paar Straßenschildern ist man gleich wieder in der satten Natur und trotzdem meternah am Rande der Bebauung, das schließt sich hier nicht aus. Der Blick wird frei für eine der dramatischsten Fallstufen der Erpe, die hier über mehrere Meter regelrecht ins Strudeln kommt, dahinter dann in einem Teich mit Insel kurz verschnaufen kann von so viel Aufregung.

Pfad hinter der Kaufhalle

Hier quert ein Weg, der einmal Bahndamm war, ganz unverkennbar. Läuft bald zum Pfad ein und schleicht direkt hinter den Zäunen lang. Selbst Durchfahrenden dürfte in Altlandsberg die hohe Brandmauer voller Fahrräder aufgefallen sein, die zu einem Fahrradladen gehört, der auch aus der Vogelperspektive bestens zu erkennen ist. Unten wird gerade gefachsimpelt, Räder werden hin- und hergeschoben, Termine und Optionen verhandelt, mit einem Ton von leiser Wichtigkeit im hinteren Teil des Satzes. Mädels und Jungs in Blaumännern oder freizeitlicher Wochenendgarderobe tummeln sich zwischen stinknormalen, hochtechnischen und saucoolen Zweirädern, mit dem Merkmal erforderlicher Pedalkraft als kleinstem gemeinsamen Nenner.

Entlang der Erpewiesen nach Süden

Wer nicht nach links schaut und damit vorbei an Baubrachen und Gewerbe-Parkplätzen, kann sich tief in der Botanik wähnen, die sich gen Süden hin erstreckt. Dafür sorgt maßgeblich der Wiesengrund, eine fein umgesetzte Mischung aus Bruchwald, Wiesengrund und Erpewasser. Eine Handvoll Schritte erlauben den Wechsel vom Weg direkt zur Wiese, auf der noch manches Blümchen seine knickrige Blüte in den Himmel reckt und damit manche Biene aus der späten Reserve lockt. Vorn bei den Häusern ist jemand tüchtig mit einem nölenden Gartengerät beschäftigt.

Ziegen am anderen Ufer

Hinter den letzten Gärten beginnt dann ein stets leicht geschwungener Weg, der den Bachgrund der Erpe im Blick behält. Die schon bekannten Ziegen am jenseitigen Ufer ragen auch heute wieder mit der oberen Hälfte aus dem Grase, blicken eine Zeitlang fast synchron in unsere Richtung, beenden das ebenso synchron und rupfen weiter an den struppigen Grasbüscheln zu ihren Hufen.

Bank auf dem Kamm

Etwa auf dieser Höhe steht rechts des Weges ein Bäumchen, das eigentlich ein aus dem Ruder gelaufener Busch ist. Das Pfaffenhütchen hat nicht nur lustig umhüllte Früchte von markanter Form, sondern fährt im Herbst mit seiner Laubfärbung ein kleines Spektakel auf, das erst nach kurzem Augenausschütteln klar zwischen Laub, Früchten und deren Hüllen unterscheiden lässt. Orange, karminrosa, ein Spektrum an Rottönen – alles dabei. Verbunden durch ein besonders zähes Holz, das ein wenig den fast vergessenen Namen Spindelstrauch erklärt. Auch hochwertige Holzkohle lässt sich daraus herstellen. Und der ganze Stolz des männlichen Teilnehmers der Tour war es natürlich, diese hochgewachsene Blume wiedererkannt zu haben.

Reiterinnen und Farbtöne

Kurz vor dem Unterqueren der schnellen Landstraße sorgt erneut das Schild des Fernwanderweges E 11 für Erstaunen, denn die Vorstellung, gerade ein Stück des Weges vom südholländischen Nordseestrand zu den polnischen Masuren zurückzulegen, lässt einen für ein kurzes Stück eher schreiten als schlurfen. Gleich dahinter sorgt eine Rastbank für eine ganz andere Körperhaltung, liegt sie doch auf einer steil zu erklimmenden Anhöhe am Rand eines weiten Ackers. Umtost vom Lärm der Straße und frei von jeglichem Windschutz ist sie zwar nur bedingt gemütlich, dennoch verlockt schlicht die kühne Lage zu einer Pause. Noch weniger lässig gerät die Körperhaltung dann beim Abstieg, denn das kurze Gefälle ist steil und die offene Erde noch leicht klamm vom letzten Regen. Diese Pause wird im Gedächtnis bleiben.

Licht durch Laub

Auf dem abgeschiedenen Feldweg mit seinen Schlaglöchern und Pfützen passieren in kurzem Abstand zwei muskelbepackte Fahrzeuge mit Fokus auf dem Timbre hinterm Endschalldämpfer, was an dieser Stelle leicht surreal wirkt. Erst ein breitschultriger Pickup mit grollendem Vielzylinder, dann ein im selben Mattschwarz gehaltener Chopper mit sonorem Klang, obenauf ein einschlägig in Leder eingeschlagener Bauchpfleger mit Stahlhelm, die schweren Arme an den Lenkerenden festgehakt. Vielleicht zahlen ja beide Beiträge beim selben Verein, der mit der Ladefläche holt gerade neues Bier und der mit dem Sozius freut sich schon bald drüber.

Pfad nach Fredersdorf

Wiesengrund

Bei den Häusern von Wiesengrund strömt Duft aus einem kleinen Bruch, das wiederum von der Erpe gespeist wird. Die schlägt hier einen hübschen Bogen durch die Wiese, an dessen Ende fast schon Elisenhof erreicht ist.

Grünstreifen in Fredersdorf Nord

Elisenhof

Jetzt nimmt der Verkehr mit einem Male zu, fast alle zwei Minuten kommt ein Auto von vorn oder von hinten, und jedes davon ist eindeutig rot. Vielleicht ja ein anderer Verein, vielleicht das, was von den traditionsreichen Elisenhofer Rotkutschern übrig geblieben ist. Weitere Gedanken in dieser Richtung werden von extrawürziger Stallluft verweht, die dem Rückenwind geschuldet auch nach Verlassen des Weilers noch erhalten bleibt. Die Enten waren gerade die Kühe besuchen, dem Anschein nach ausgedehnter, während die Schweine sich visuell im Hintergrund halten, duftlich hingegen die Wahrnehmung bestimmen.

Grünstreifen in Fredersdorf Nord

Das folgende Wäldchen zeigt sich talentiert im Darstellen großen und vielfältigen Waldes – gemischter Bestand, verschiedene Landschaftsformen und sogar randständiger Ginster sind nur einige der dargebotenen Disziplinen. Den nächsten breiten Weg teilen wir uns kurz mit zwei Mädels zu Pferde, die Mädels in mehreren Grau-Schattierungen, die Pferde in braun-weiß und beide Paare jeweils verschieden hoch. Es passt in diesen farbenfrohen Tag. In der anderen Blickrichtung hat sich ein Sonnenstrahl bis zum Waldboden durchgearbeitet und bringt kurz vor dem Ziel gerade einen Zweig gezackten Eichenlaubs zum Leuchten.

Kleiner Stadtpark

Entlang eines winzigen Erpezuflusses zieht sich ein Pfad am Rand der weiten Wiese entlang, setzt sich bald fort im efeudurchrankten Wald, der ein wenig an einen vergessenen Schlosspark erinnert. Ein paar umgemorschte Bäume sind zu übersteigen, auch zeugt eine gut ausgebaute, hüfthohe Asthütte von den zurückliegenden Ferienwochen und kleinen Abenteuern auch ohne lange Reise.

Zwischen den Wohnvierteln wurde ein breiter Wiesenstreifen gelassen, der vor ein paar Wochen sicherlich noch vom Gezirpe später Grillen beschallt wurde. Jetzt liegt er warm im tiefen Licht der Sonne, wenn die Wolken sich kurz öffnen, und hier und da ziehen auf den entstandenen Trampelpfaden Spaziergänger von da nach dort oder der Länge nach hindurch. Vom benachbarten Schilfteich hört man bestens unterhaltene Enten, oben am Himmel kreisen ein paar gelangweilte Raben.

Feldweg nach Wolfshagen

Fredersdorf-Nord

Der schnurgerade Weg entlang der Hauptstraße hält eine goldene Brezel fest im Blick, weiter hinten den Preisaushang einer erleuchteten Tankstelle. Ein Käffchen wäre schön, doch der Bäcker hat schon zu, die Tanke ist zu weit weg, also wird das auf später vertagt. Das war gut entschieden, denn bald schon queren wir einen kleinen Platz, der lose mit Bäumen bestanden ist und viel luftige Fläche für schöne Freizeitsachen anbietet. Darunter auch eine Menge Rastbänke, auf denen wir jetzt den Rucksack leerfuttern und den letzten Tee vor dem Erkalten bewahren.

Grün und Braun

Hinter dem letzten Haus beginnen unmittelbar die fein gekämmten Felder, getrennt nur durch einen tänzelnden Pfad. Voraus hängen schwer Hochspannungsleitungen zwischen ihren Masten und ganz hinten werden die aufgebauschten Kronen einer Allee in regelmäßigen Abständen an- und ausgeknipst, in der vorhin beschriebenen Art. Zwei Piepmätze stieben vom Wegesrand auf, jagen kurz umeinander und wittern Gefahr durch die zwei aufrecht gehenden Gestalten. Lassen sich fallen in die braune Ackerkrume und verschmelzen umgehend mit den ersten zarten Halmen der Wintersaat. Grünfinkentarnung vom Feinsten – erdbrauner Rücken, grüne Vorderseite.

Rübenhaupt

Hinter dem nächsten Querweg wächst anderes im Boden. Beim letzten Besuch vor ein paar Jahren lag frisch geerntet ein kleines Gebirgsmassiv aus steinharten und bleischweren Zuckerrüben am Wegesrand, hoch wie ein Haus und vermutlich ebenso schwer. Heute stecken die massigen Früchte noch im Boden, mit reichlich Blattwerk obendran, und jeder, der Geschichten mag, wird wissen, wie schwer es ist, solch Rübchen zu entwurzeln. Also versuchen wir es gar nicht erst und staunen nur darüber, was im Erdreich so wachsen und gedeihen kann.

Altlandsberg in naher Ferne

Beim Blick nach Westen setzt sich alles von Altlandsberg in Szene, was oben rausguckt, davor tun dies auf Augenhöhe die bunten Wipfel einer dieser oktoberbunten Alleen, die der Stadt zustreben. Diese hier hat sogar einen Radweg nebenbei, auf dem uns in den nächsten Minuten ausschließlich griesgrämige Gesichter entgegenkommen, vielleicht dem mittelforschen Gegenwind geschuldet. Nach dem Abbiegen in Wolfshagen findet das Leid ein Ende. Der Weg führt nach Waldkante, so zumindest meint ein Schild.

Altbekannte alte Weiden bei Waldkante

Wolfshagen

Bei den sagenhaften Kopfweiden, die dreistellige Jahreszahlen auf dem Buckel haben müssen und zum Teil schon mehrfach auseinandergerissen sind, laufen vor uns zwei Leute mit einem Hund, der ähnlich alt sein muss. Mit zusammengebissenen Kiefern läuft er immer einen Rübenwurf weit, lässt dann schwer den Hintern auf den Boden sacken, leicht verschränkt, da nicht ein Hinterbein wie’s andere läuft. Macht kurz Pause, bevor er das massige Hinterteil ebenso verschränkt wieder auf Reisehöhe hievt. Das geht nur noch mit Hilfe des Schwanzes, der mittlerweile ähnlich kräftig wie ein vollwertiges Drittbein ist. Wehzutun scheint ihm nichts, nur anstrengend ist es eben, und er kennt die Runde und ihre unabänderliche Länge. Der kleine Treck aus Frau- und Herrchen und noch einem zweiten Hund schlurft wohl genau im richtigen Tempo. Und wie auch immer: man möchte den Hut ziehen vor dem tapferen Kerl.

Allee zum Reiterhof

Vor einem länglichen Geteich, dessen Durchfluss die Landschaft hier geprägt hat, lässt sich mit einem Doppelschwenk die Einsamkeit wiedererlangen. Von der urigen Allee mit ganz großen und ganz kleinen Bäumen und allerhand Strauchwerk als Füllwerk wird im Norden wieder wechselndes Allee-Licht geboten, im Süden eine dunkle Wolkenfront, die einiges später noch etwas Regen bringen soll. Und jetzt einen herrlich pastellblauen Kontrast zur sonnenwarmen Landschaft abgibt. Fast ein halbes Stündchen lässt sich dieser Weg genießen, mit viel Laub am Baum und auch schon raschelfreudig auf dem Boden.

Schönes Fahrzeug im Vordergrund

Beim Reiterhof ist grad nix los. Die paar Pferde, die draußen stehen, stehen einfach nur draußen, alle parallel ausgerichtet und etwas abwesend, wie Bluesfans bei einem übergeholfenen Kurs für Formationstanz. Warten vermutlich auf rosa Pferdemädchen, toughe Stadtfrauen in eleganten Reiterstiefeln oder sonstige Klischees, vielleicht aber einfach nur auf etwas Zuwendung vom hiesigen Hegepersonal.

Auch uns ist nach etwas Zuwendung, und so streben wir mit leicht erhöhter Schrittzahl in Richtung Einkehr an der Stadtmauer, zu Füßen des Strausberger Torturms. Unterwegs bringt ein kleiner Kutschwagen mit stämmigem Zugpferd davor den übersichtlichen Verkehr der Kaffeestunde in halbminutenlangen Verzug. Doch alle lächeln, keiner ist genervt, zuallerletzt das Pferd mit seinen extracoolen Schlaghosen.

Stadtmauer Ost im schönsten Licht

Bald folgt der Abzweig zu diesem Weg entlang der Stadtmauer, einem der schönsten aller Wege, den man sich gern mal ins Gedächtnis ruft, wenn gerade irgendein Ärger stattgefunden hat. Der kann hervorragend mit dem Sonnenstand spielen, mit den Farben und den Schatten. Und dann gibt es Kürbissuppe mit Kürbiskernen und auch anderes, was nicht partout zum Thema Herbst passen muss. Den Kaffee lassen wir auch hier aus – der soll uns auf dem Heimweg finden oder eben nicht.

Stadtmauerweg am Bächlein

Ein bisschen Mauerrunde ist noch übrig, perfekt als Verdauungströdelei. Alte Bäume stehen am Dammweg zwischen Mauerbächlein und den klammen Wiesen, jeweils flüchtend vom Weg in den kleinen Böschungen des Dammes. Weiter hinten mussten viele davon weichen, zum Teil ist der Grund ersichtlich im verbliebenen Stumpf, zum Teil nicht, zumindest nicht für Laien. Bis zuletzt setzt sich das Licht im Blätterwerk in Szene.

Am Torturm riskieren wir einen raschen Blick nach links und sehen wahrhaftig, dass die Eisdiele noch offen hat, noch kein Saisonschluss war. Hier nun findet uns der Kaffee, ergänzt um eine Kugel Eis. Die Schlange ist rasch abgearbeitet, jegliches Trinkgeld wird wie immer mit einem trötenden Quietscheschwein quittiert, was eine geniale Idee ist.

Die legendäre Vorstadteisdiele ein paar Tage vor Saisonschluss

In den Gassen der Altstadt strahlt noch manches Rot aus den Gärten. Wieder fallen die schlau ins Pflaster verbauten Abflussrinnen aus glasierter Keramik auf, die typisch sind für dieses Städtchen. Von der Kirche übern Marktplatz zieht eine Handvoll Leute zum Italiener, dem mit dem Gewölbe, hinter ihnen lange Schatten.

Auf dem hübschen Platz mit Plätscher-Brunnen und Laternen und kleiner Stadtinformation im Telefonzellen-Format werden altbekannte Lebensweisheiten und neueste Neuigkeiten ausgetauscht, nicht hinter vorgehaltener Hand und auch nicht eben leise. Der Wind hält sanft dagegen, fegt lakenbreites loses Laub zusammen und jagt es raschelnd übers sonnengoldne Pflaster.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin): mit der S-Bahn bis Hoppegarten, dann weiter mit dem Bus (ca. 1 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): auf der Landsberger Allee stadtauswärts über Hönow (ca. 0,75 Std.)

Länge der Tour: ca. 16,5 km (Abkürzungen sehr gut möglich)


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(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Tourismus Altlandsberg

Seite des Heimatvereins mit vielfältigen Informationen zur Stadt

Schlossgut und Tourist-Information (auch Brauerei/Brennerei)

Traditionsreiche Eisdiele Altlandsberg (geöffnet Mitte März-Mitte Okt.)

Einkehr:
Armenhaus Altlandsberg (am Storchenturm; gute Küche, gemütliches Gewölbe)
Mühle Altlandsberg (an der Umfahrungsstraße; gute Küche, gemütlich)
La Dolce Vita (italienische Küche im Kellergewölbe; bisher nicht besucht)

Grobskizziert – Beeskow: Inselgassen, Türme und der Flug des Medizinballs

Zweieinhalb Millionen Menschen leben in Brandenburg – etwa halbsoviele wie in Norwegen oder auch Finnland. Nur ein Drittel davon verteilt sich auf die unzähligen Dörfer, deren Antlitz mal naturromantisch, mal spröde oder einfach ganz lebensnah aussieht. Neben all diesen Dörfern gibt es gut hundertelf Städte und Städtchen in Brandenburg, die den restlichen zwei Dritteln Unterschlupf bieten.

Nördliche Stadtmauer

Ungefähr jede vierte verfügt über einem ganz ordentlich erhaltenen historischen Stadtkern. In einigen dieser gut dreißig Städte steht noch der größte Teil der mittelalterlichen Stadtmauer, die sich meist im Rahmen einer genießerischen Runde erkunden und erleben lässt. Davon abgesehen finden sich auch solche mit intakter Stadtmauer, deren Inneres jedoch vom letzten Weltkrieg stark gebeutelt wurde und nun bauzeitlich gesprenkelt oder mit sprödem Charme erstrahlt. Den schönen Spaziergang gibt es jedoch auch hier, und wer offenen Auges unterwegs ist, kann auch hier noch allerhand Historisches finden. Wenn auch die Vorstellung des bedeutsam ausschreitenden Nachtwächters mit langem Mantel, Hellebarde und Fackel in solchen Fällen ein wenig Anstups benötigt.

Westliche Stadtmauer

Anfang der letzten Neunziger Jahre war an der historischen Bausubstanz überall im Land vieles am Bröckeln, schaute grau aus seinen Fugen oder schien kaum noch zu retten. In drei Jahrzehnten ließen sich einige Wunden heilen, wurde vieles wiederhergestellt und nachgebildet, und heute ist jede dieser Städte umso mehr einen Besuch wert. Vier von ihnen liegen übrigens direkt vor den Toren von Berlin, eine sogar noch im C-Bereich der S-Bahn.

Blick durch das Luckauer Tor auf die Berliner Straße

Beeskow

Etwas weiter ist es in die Spreestadt Beeskow, die sowohl Laien als auch Kenner ihr Leben lang gern mit Beelitz oder auch Belzig durcheinanderhauen. Etwas Linderung verschafft, dass Belzig mittlerweile ein Bad vorangestellt wurde und Beelitz irgendwie ganz klar mit Spargel assoziiert ist. Eine nur mäßig hilfreiche Eselsbrücke zu Beeskow ist das doppelte e, das auch die durchfließende Spree in sich trägt. Wer Eisen auf Eisen dorthin reist, steigt in Königs Wusterhausen um oder wahlweise auch in Frankfurt an der Oder.

Der Stadtkern innerhalb der Mauerlinie misst im Durchmesser gut fünfhundert Meter, das Durchlaufen der äußeren Stadt vom Bahnhof bis zum südlichen Rand füllt gut zwanzig Minuten, und doch kann man hier problemlos und gut unterhalten die Länge eines winterlichen Tageslichts verbringen, wenn das Wegenetz in der Art eines Schneckengehäuses aufgerollt wird.

Kirchgasse hinterm Markt

Spreeinsel und Kietz

Am schönsten einsetzen lässt sich, alternativ zum Bahnhof, am Flößerplatz unterhalb der Burg – falls also vom Bahnhof in Kürze der 400er Bus abfährt, ist man schon nach wenigen Minuten am Ostkreuz, unweit der Spreebrücke, die zur Insel übersetzt. Die Burg erhebt sich eindrücklich auf dieser Flussinsel, die breit zwischen den Wassern der Spree ruht. Diese spannt hier im Osten der Stadt eine weite und schilfreiche Wasserlandschaft auf, die der Insel ausreichend Platz bietet und zugleich der Burg die Schutzfunktion über ihre Stadt erleichterte, ein paar Jahrhunderte zuvor.

Spreepromenade zwischen Festland und Kietz

So klein die Insel ist, so vielseitig und vollgepackt zeigt sich ihr sanft gewölbter Buckel. Die nördliche Hälfte bleibt recht sachlich vor allem dem Hafen und allerlei Zweckbauten vorbehalten. Die von einem Grüngürtel umgebene Burg, teils Ruine und mit ihren Flügeln und dem Burgfried manchen Detail-Blick wert, bestimmt die Mitte der Insel, die zur Stadt hin von einem durchgehenden Spazierweg am Nebenkanal begleitet wird. Innerhalb der alten Mauern gibt es Kultur in vielen Ausprägungen, ferner ein Museum sowie eine Freilichtbühne – und natürlich etwas Gastronomie. Zu Füßen der Burg können Flöße ausgeliehen werden, um die Spreelandschaft mit ihren Seen und Altarmen auf besonders entspannte Art zu erkunden. Zum Freischalten wird bislang kein mobiles Endgerät benötigt.

Blick auf die südliche Stadtmauer

Wahrhaftige Inselatmosphäre verströmt dann der Kietz, der trotz seiner geringen Ausdehnung mit einer ganzen Reihe von Gassen aufwarten kann. Keine einzige von ihnen sollte man sich entgehen lassen – wenn man schon mal hier ist. Selbst im vergleichsweise farbleeren Januar zeigen sie ihren Charme, und ganz im Süden lädt noch eine schöne Liegewiese ein – mit freier Sicht aufs Wasserreich rund um den oder die Bahrensdorfer See.

Rehgehege am Luchgraben

Vom jeweils einen Ende der Querstraße sieht man die Laternenköpfe am anderen Ufer. Auch eine der allerschönsten Stadtansichten findet sich hier – am Ende der Fischerstraße – und an der Brücke über die Spree ein schönes Gasthaus direkt am breiten Wasser. Ein Fußgängersteg verbindet die Inselmitte auf kürzestem Wege mit der Stadtmauer, die noch knapp drei Viertel von Beeskows Innerem umgibt.

Steg über den Luchgraben

Historischer Ortskern

Die Mauer ist zum Teil so niedrig, dass man einen Medizinball hinüberwerfen könnte, an anderen Stellen hingegen so hoch, dass man mit der längsten Leiter kaum hinüberkäme. Ausgebessert wurde sie dem Anschein nach immer bei Bedarf mit dem, was gerade verfügbar war. Mal verläuft der Weg innerhalb, dann wieder außerhalb, stellenweise besteht die Wahl. Die westliche und teils auch südliche Mauer begleitet ein breiter Grünstreifen, der Platz lässt für Spielplätze und Parkwiesen. Wer möchte, kann unterwegs die Türme mit ihren einschlägigen Namen zählen – oder gleich alle turmartigen Bauwerke, die sich längs der gepflasterten Spur finden, seien sie nun achteckig, viereckig oder rund.

Uferweg an der Spree

Von jedem Turm sind es nur ein paar Minuten bis zum Markt, der von der benachbarten Kirche bestimmt wird. Das weite Rechteck präsentiert neben den regelmäßigen Markttagen einen Brunnen mit blaulastigem Humor in Backstein und einer schönen Spree-Madame. Darüber hinaus bekommt man an den vier Seiten des Platzes fast alles, was man so brauchen könnte.

Burg Beeskow auf der Inselmitte

Die wuchtige Marienkirche hat ganz klar den höchsten aller Türme hier. Dessen Spitze zeigt sich jedem schon frühzeitig, der sich von irgendwoher auf Beeskow zu bewegt. Den Kirchvorplatz verbinden allerhand extraschmale Gassen mit dem befahrbaren Wegenetz, und so lässt sich vermuten, dass die Stadt ausgehend von hier in die Breite ging. Besonders pittoresk und ebenso kurz ist die Pfarrgasse, eine der wichtigsten Direktverbindungen von damals und auch heute – von der Kirche zum Markt und umgekehrt. Dass auch Beeskow zu den Städten zählt, die der Krieg gehörig durchgeschüttelt hat, fällt auf den ersten und auch zweiten Blick kaum auf.

Stadtansicht vom Kietz aus

Außerhalb der Stadtmauer

Wer vom Kirchplatz die richtige Gasse trifft, gelangt über eine unauffällige Toreinfahrt zur Spreepromenade, die sich jenseits einer saftigen Uferwiese entlangzieht. Sämtliche Enten der Innenstadt sind hier unweit der Brücke anzutreffen. Vom südlichsten Turm der Stadtmauer, der mit der Herstellung von Bier zu tun hatte, gelangt man über eine hügelige Parkanlage zum südlichen Stadtwald, der im Stadtplan als Irrgarten ausgewiesen ist und in der Tat über ein gewisses Wegenetz verfügt. Parallel verläuft in Richtung Badeanstalt eine unauffällige Straße, die von verschiedensten Straßenlaternen begleitet wird. Überhaupt fällt im gesamten Stadtgebiet eine große Laternen-Vielfalt auf.

Inselgassen auf dem Kietz

Kurz vor der Badeanstalt, die bis heute so heißt, führt ein Durchschlupf für Fußgänger zum Freizeitpark mit dem alten Kulturhaus. Gleich gegenüber des großen Parkplatzes beginnt nun der Einstieg in den äußeren Stadtring für Spaziergänger. Der zeigt sich zunächst recht urwüchsig und überrascht ein paar Schritte später mit einem ausgedehnten Rehgehege. Die zutraulichen Fellträger machen hinreißende kleine Geräusche und lassen sich aus nächster Nähe bestaunen. Ein kleiner Ruderboothafen markiert das Ende eines schmalen Wasserlaufes, der sich als Luchgraben im weiten Bogen um die halbe Stadt zieht, im nördlichen Teil sogar in Begleitung eines Uferweges.

Breite Spreelandschaft in Beeskow

In Hörweite zum Bahnhof weitet sich die Landschaft und spannt unweit der Bahnhofsanlagen eine Wiese auf, die nun erstmals den Blick freilässt. Beim Ende des Luchgrabens beginnt zwischen Kleingärten und Spreeufer ein zauberhafter Pfad, der sich entlang des breiten Flusses als Parkweg in Richtung Inselhafen fortsetzt. Wahlweise bleibt man einfach drauf oder wechselt schon bei der ersten Möglichkeit auf die Insel, von der sich Ausblicke auf den ruhig dahinströmenden Fluss und die jenseitgen Spreewiesen öffnen.

Blick aus der Oegelner Ferne auf die Stadtsilhouette

Ganz gleich, ob nun der Hunger ruft oder der nächstbeste Zug nach Hause – weder zum Markt noch zum Bahnhof ist es weit. Wenn jetzt hingegen nach dem ganzen Schlendern mit ständigem Stehenbleiben, Gucken und Bilder machen noch etwas ungebremster Auslauf gut täte, etwas schnelle Luft um die Nase und in den Lungen, geht das ganz einfach – mit einem Wechsel ans andere Spreeufer.

Abendlicher Marktplatz

Spreewiesen oder mehr

Je nach Lust und Beinkraft kann man hier eine gut halbstündige Runde über die Spreewiesen drehen oder weiter ausschweifend noch ein unregelmäßiges Viereck aus zumeist geraden Wegen anhängen, das die Wahrnehmungskanäle mit Wald, Feld und Dorf sowie einem einzigartigen Konzentrat aus landwirtschaftlichen Geruchssensationen versorgt. Letzteres am südlichen Rand von Oegeln, auf halbem Weg zum Bahnübergang. Sowohl von den Spreewiesen als auch von den geraden Wegen ist die Marienkirche oder die Spitze ihres Turmes zu sehen, und egal von wo, so richtig weit weg scheint sie nie zu sein.














Anfahrt ÖPNV (von Berlin): von Berlin-Ostkreuz Regionalbahn über Frankfurt/Oder (ca. 1,25-1,75 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): Autobahn bis Fürstenwalde Ost, dann über Land; wahlweise auch Autobahn bis Abfahrt Mittenwalde, dann länger über Land (B 246)(ca. 1,25-1,75 Std.)

Länge der Tour: komplett ca. 16,5 km; nur Mauerstadt ca. 3 km; nur westlich der Spree 8 km (Abkürzungen vielfach möglich)


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Links:

Internetauftritt der Stadt Beeskow

Historische Stadtkerne – Beeskow

Einkehr: div. Angebote im Stadtgebiet
Kirchenklause, zwischen Markt und Kirche
Sportlerklause, auf dem Freizeitgelände südlich der Stadt

Brandenburg: Havelinseln, alte Gemäuer und die Spur der Mopse

Die Stadt Brandenburg liegt ein wenig abgeschlagen im Westen des gleichnamigen Landes, und so kommt es vor, dass selbst Leute, die sich in den Landschaften Brandenburgs gut auskennen und in Regelmäßigkeit dorthin ausschwärmen, nur vereinzelte Bilder der alten Stadt an der Havel aufrufen können. Vielleicht den Dom oder die Jahrtausendbrücke, einen der vielen Marktplätze oder einen schattigen Uferweg. Viele haben schon häufig Potsdam, Cottbus oder Frankfurt besucht, sind tief vertraut mit den Landschaften von Barnim und Prignitz, der des Flämings oder dem Land zwischen Oder und Spree.

Die Brandenburger Jahrtausendbrücke und der Turm auf dem Marienberg

Ob das daran liegt, dass Brandenburg schon näher am altmärkischen Genthin liegt als an Potsdam oder an längst überholten Gedächtnis-Szenen mit bröckelndem Putz und kleinstädtischer Tristesse zwischen Bahnhof und Innenstadt, ist ungewiss. Tatsache ist, dass es in keiner Weise übertrieben ist, sich einen kompletten Tag für das erste Vertrautmachen zu genehmigen, um sich bei späteren Besuchen gezielt einzelnen Details zu widmen. Danach wird man ein Stück seines Herzens an diese Stadt verloren haben und sich fragen, warum man nicht schon längst und auch viel öfter hier war.

Blick vom Marienberg zum Haveltal und den südlichen Wäldern

Eine überaus geschätzte Kollegin hat ihre ersten Lebensjahrzehnte in der Stadt Brandenburg verbracht, weiß also bestens, wie geschunden und abgewirtschaftet es zum Teil zwischen den Havelarmen und drumherum aussah. Nach der politischen Wende passierte erst einmal nicht viel, doch in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten ist so viel angepackt worden, dass man nach dem Stadt-Spaziergang der Meinung ist, die erste Renovierungs-Runde sei nun abgeschlossen, was Verkehrswege, Häuser und öffentliche Flächen betrifft und noch so vieles andere. Allen Verantwortlichen und Beteiligten sei an dieser Stelle symbolisch ein faustsprengender Blumenstrauß überreicht, ehrfürchtig und mit herzlichem Dank.

Jedes Mal, wenn die erwähnte Kollegin ihre Stadt besucht, staunt sie aufs Neue und ist regelrecht erfüllt von der gelungenen und langlebigen Form der Anerkennung gegenüber dieser geschichtsträchtigen Stadt, über neues und wiedererwachtes Leben an vertrauten Orten, die stillstanden oder verfielen. Ihre anschaulichen Schilderungen bewirken, dass ich sie während der Tour immer mal wieder vorbeihuschen sehe, trödelnd zu Fuß mit dem Schulranzen auf dem Rücken, einen Kopf größer und ein paar Lenze später mit der Umhängetasche auf dem Rad, eine Haarsträhne aus der Stirn pustend, oder schnell und behende auf der Havel, in einem muskelbetriebenen Boot mit schmalem Rumpf.

Der Domstreng zwischen Mühlendamm und Dom

Auffällig im Stadtgebiet ist, dass allem, was in neuer Schönheit erstrahlt, ausreichend Pflege zukommt, nichts ungeliebt erscheint. Alles ist gepflegt, doch nichts geschniegelt, sodass es stets einladend und gemütlich bleibt – auch das eine Form der Achtung gegenüber dem Geschaffenen. In der Folge rangiert die Stadt ohne Zweifel auf Augenhöhe mit Namen wie Potsdam und Templin, Rheinsberg oder Lübbenau. Zu vergleichen ist sie mit keinem dieser Plätze, denn charakterlich steht sie ganz für sich alleine.

Wie auch Potsdam wird Brandenburg auf besonders schöne Weise vom Wasser der Havel bestimmt, und obwohl streng genommen nur ein Haupt- und ein Nebenarm die Inseln von Neustadt und Dom schaffen, gewinnt man den Eindruck eines verflochtenen Wassernetzes mit zahlreichen Nebenkanälen und Hafenbuchten. Dementsprechend vergeht keine Viertelstunde bis zum nächsten Blick aufs Wasser und auf das zugehörige Treiben, das gemäß der Jahreszeit geschäftig oder übersichtlich ist. Setzt man sich im Sommer auf eine der vielen Bänke am Ufer, wird ein unterhaltsames Hin und Her der Größenordnungen geboten, angefangen vom tragbaren Paddelboot bis hin zum großen Dampfer Sirius, der irgendwie immer unterwegs ist zwischen Mühlendamm und den großen Seeflächen gen Westen. Dazwischen gibt es kleine Motorboote, die von da nach dort wollen, und mitteldicke Motorjachten, bei denen es eher ums Gesehenwerden geht, sowie eine ganze Zahl von solchen, die am ehesten einem überdachten Floß mit Außenborder ähneln.

Fußgängerbrücke auf die Neustadt-Insel mit Pauli-Kirche

Was alle Wege hier begleitet, sind zum einen ausreichend Bänke, jeweils mit Blick auf irgendetwas Schönes oder Beruhigendes. Ferner ist die Stadt durchzogen von Schilderbäumchen, die über Wegrichtungen und Sehenswertes informieren. Als drittes lässt sich an vielen Stellen der Altstadt sowie auf den Inseln der Erfolg eines Auswilderungsprojektes antreffen, wobei nicht bekannt ist, ob der NABU, eine staatliche Behörde oder die Stadt selbst dafür verantwortlich zeichnen. Zahlreiche Sichtungen in stabiler Zahl bürgen für den nachhaltigen Erfolg der Maßnahme. Wer die Stadt aufmerksam durchstreift, kann mit guter Erfolgsaussicht auf ein Exemplar des Waldmopses treffen. Die Tiere gelten als Einzelgänger, auf kleine Gruppen oder gar Rudel sollte man also nicht hoffen. Da sich die kleinen Reviere in Rufweite befinden, stehen nach einer Erstbegegnung die Chancen gut auf eine weitere Sichtung.

Steinstraße und Steintorturm in der Neustadt

Brandenburg an der Havel

Nach der erste Sichtung eines Waldmopses kann durchaus der photographische Jagdinstinkt erwachen, und so verleiht es einem ausgedehnten Spaziergang durch Brandenburg zusätzliche Würze, die Augen nicht nur über Türme und Fassaden, Straßenfluchten und Flussszenen schweifen zu lassen, sondern auch die direkte Bodennähe mit einzubeziehen. Wer mit einem wenig linearen Streckenverlauf leben kann, kommt am Ende vielleicht auf mehr als ein Dutzend Sichtungen. Zu diesem Wegverlauf verhalf mir die genannte Kollegin. Sie sandte mir zwei GPS-Tracks zu, die für leuchtende Augen sorgten. Wegen Entscheidungsproblemen wurden beide durcheinandergewürfelt und zu einer Tour ohne nennenswerte Doppelungen entworren. Sicherlich wird niemand dieser Knäuellinie folgen, dennoch empfehle ich genau das – nicht nur des guten Dutzends wegen.

Urlaubsimpression am Historischen Hafen

Neustadt-Insel

Noch vor wenigen Jahren war der Brandenburger Hauptbahnhof ein wenig einladender Ort, jetzt macht es Spaß hier auszusteigen. Zwischen Frankfurt/Oder und Brandenburg verkehrt jede halbe Stunde ein Zug, und so ist es eine kurze und auch kurzweilige Anreise hierher, die auch besondere Flussschwestern wie Potsdam und Werder streift. Vom Bahnhof kommend führt bereits nach ein paar Minuten ein Steg über den südlichen Wasserarm auf die Neustadt-Insel, die man zunächst gut und gerne für die Altstadt halten kann. Entlang des Wassers gibt es auf beiden Seiten einladende Spazierwege mit alten Bäumen, doch wir folgen zielstrebig und doppelt aufmerksam dem verknäulten Track auf dem GPS-Empfänger. Und haben schon am St.-Pauli-Kloster die erste Waldmops-Sichtung. Da noch ohne Kenntnis vom Auswilderungs-Projekt, betrachten wir das Tier behutsam und mit kindlicher Freude.

Die sonntäglich verträumte Hauptstraße

Die Steinstraße, mit ihren vielen Geschäften so etwas wie der Puls der Neustadt, endet am Molkenmarkt. Kurz darauf beginnt am markanten Mühlentorturm ein verträumter Uferweg. Zwischen einem stillen Binnenhafen und der Jahrtausendbrücke spaziert man wie durch einen weitläufigen Park, vorbei an einem schlafenden Schankgarten und dem historischen Hafen der Stadt. Gegenüber liegen Kleingärten, deren Lage einem Lottogewinn vergleichbar ist. Auf dem breiten Weg bringen Familienväter ihren Kindern das Skaten bei, während an kleinen Kiesstränden Kajaks und ähnliche Kaliber ins Wasser gelassen werden. Bei den Havelmetern zwischen Brücke und Hafen öffnen sich Stadtansichten, die zur Verzückung führen und hoffentlich ausreichend oft gemalt wurden. Freunden einer jeden Technik muss es hier in den Händen kribbeln, nach Pinsel oder Stift zu greifen. Die Stimmung dieses Sommertages tut ihr Übriges.

Historischer Hafen an der ehemaligen Werft

Nicht nur, dass nirgends Papierkörbe überquellen oder irgendwas rumliegt, was nicht dazu gedacht ist, sind trotz der extremen Hitzeperiode der letzten Wochen alle Parks und Grünanlagen in bestem Zustand, es ist wirklich ein Genuss für die Wahrnehmungskanäle. An der Böschung zwischen Jahrtausendbrücke und Ufer wogen bunte Meere von Gräsern und Blumen, und oben bietet sich dann dieser fast schon klassische Blick auf die Hauptstraße. Übers Wasser spannt sie ihren sanften Bogen vorbei an den gekachelten Brückenhäuschen, und in Richtung Markt erlaubt sich die Straße samt Mittelspurgleisen charmante Abweichungen von der geraden Linie. Zwischen bunten Altbaufassaden stehen die allgegenwärtigen Straßenlaternen mit bunten Blumenampeln, dazwischen räkelt sich die glatt gepflasterte Straße, frei von Autos und lose bevölkert von Radfahrern. Die Ansicht scheint fast etwas irreal – als würden Dreharbeiten für einen historischen Film anstehen.

Hauptstraße ohne Kühlergrille und Auspüffe

Dominsel

An der Katharinenkirche führt die Hammerstraße links zum Wasser zurück. Im Rückblick ergibt sich ein faszinierender Blick auf die Flucht der Gasse, über der sich das gewaltige Dach der Kirche aufspannt. Am Stichkanal führt eine rote Holzbrücke übers Wasser und rückt voraus unauffällig den Dom ins Bild, auf dessen Insel man sich jetzt befindet. Links bevölkern Kleingärten die Westspitze der Insel, und wer an dieser Stelle bereits Hunger verspürt, sollte den Abstecher in die Sackgasse wagen. Allein die verspielten und bunten Gärten sind den Weg wert. Ganz am Ende warten eine große Essenluke und ein schöner Platz am Wasser.

An der Näthewinde

Wer an den Kleingärten vorbei geht, steht nach einigen Haken und historischen Gebäuden unvermittelt im Vorhof des Doms St. Peter und Paul. Jetzt gerade wird ein Konzert vorbereitet, zwischen Dom-Café und Domflanke stehen mehr Schirme als sonst und sogar ein paar Buden. In den Dom selbst kann man deswegen nur noch eine halbe Stunde. Für einen ersten Eindruck sollte das reichen, so dass wir das Kirchenschiff, die Gewölbe und zahlreichen Nebenräume und –gänge ehrfürchtig, doch nicht unnötig langsam durchschleichen. Selbst in diesem dicken Gemäuer hat die laufende Hitzeperiode nichts mehr übriggelassen von der kalten Kirchenluft, es ist fast schon warm.

In den Gewölben des Doms

Auf einer weiteren Fußgängerbrücke verlassen wir die Dominsel und schlagen einen kleinen Bogen hin zum Mühlendamm, vorbei an einer eindrucksvollen Reihe meterdicker Sumpfzypressen, die wir zunächst für unglaubliche Exemplare von Lebensbäumen hielten. Was neben dem stilvoll renovierten Backstein-Gemäuer der Mühle noch an deren eigentliche Tätigkeit erinnert, ist ein Rest von sichtbarem Havelgefälle, dem artgerecht etwas Schnellenoptik verpasst wurde.

Mühlendamm am Ende des Domstrengs

Kurz darauf stehen wir zum dritten Mal am kleinen Binnenhafen beim Mühlentorturm und staunen nun an dessen Ostseite, wie unmittelbar sich hier die wilde Weite der kurvigen Havel und ihres ausgedehnten Ufersumpflandes öffnet und dabei grenzenlos erscheint. Mitten in der Bucht steht am Endes eines Steges ein Pavillon im Havelwasser, von dem aus die märkische Landschaft fast greifbar nahe liegt.

Blick vom Mühlendamm auf die Dominsel

Nach ein paar Haken weg vom Wasser verläuft der Weg nun erstmals entlang eines der Stadtmauer-Reste. Wo keine Mauer mehr steht, wird ihr Verlauf durch eine Doppelreihe Backsteine im Boden zitiert, was mehr zur Anschaulichkeit verhilft als vermutet. Nach ein paar Metern Stadtnormalität treffen wir bei St. Pauli erneut auf den Waldmops vom Anfang und nach dem stillen Bogen der Neustädtischen Heidestraße auf den zweiten der Stadttürme, der mit einem gewölbeartigen Durchgang zum Uferweg lockt. Doch wir streben in den Schatten des Parkstreifens gegenüber, vorbei am Russenfriedhof und dann weiter entlang alter Baumriesen. Nach zwei versunkenen Wasserarmen beginnt eine Wohnstraße, an deren Ende der nächste Uferstreifen einen baumschattigen Spazierweg anbietet. Links befindet sich der wuchtige Gebäudekomplex von Schwimmbad und Turnhalle, der wohl in absehbarer Zeit einer neuen Wohnanlage weichen soll.

Leute im Plauer Torturm

Über die Luckenberger Brücke wechseln wir ans gegenüberliegende Ufer und staunen erneut über diese entspannte Atmosphäre auf dem Wasser und an dessen Rändern. Hinterm Slawendorf beginnt der schmale Humboldthain mit seinen alten Bäumen, und vorn an der Straße markiert der runde und derzeit storchenlose Plauer Torturm den Beginn des Aufstieges auf die markanteste Höhe der Stadt, zugleich auch die einzige und damit quasi den Hausberg. Der Fuß des Turmes verdient unbedingte Aufmerksamkeit, denn hier wird eine wohlgefällige kleine Tiergeschichte erzählt, die jeder etwas anders lesen wird – gekrönt von sieben ganz besonderen Gesichtsausdrücken, die den Kopf im Nacken einfordern.

Terrassen am Marienberg

Marienberg

Der Anstieg zum Marienberg beginnt mit ein paar netten Stufen, wechselt jedoch kurz darauf zu einer knackigen Steigung, die wahlweise direkt links vorbei oder gestuft durch die gediegenen Parkanlagen genommen werden kann. Der Fuß des Aussichtsturmes markiert noch nicht den höchsten Punkt der Erhebung, doch sind es von hier nur noch ein paar Stufen zu den baumschattigen Biergartenterrassen. Das erscheint heute erfrischender und geeigneter als das Besteigen der Friedenswarte. Die Rundumsicht vom jung gebliebenen Siebziger-Jahre-Turm bleibt als schöner Anreiz fürs nächste Mal.

Von den Terrassen liegt einem die Stadt mit dem Haveltal zu Füßen und der Blick reicht weit bis hin zu vermeintlichen Höhenzügen im Südsüdwesten. Oberhalb der Restaurants ist der gesamte Gipfel seit drei Jahren dicht mit Weinstöcken bepflanzt, die in der kurzen Zeit richtiggehend erwachsen geworden sind. Rundherum zweigen Wege und Pfade ab und jeder von ihnen macht neugierig, doch auch das muss warten. Zu tun hat diese Wegevielfalt und auch die heutige Gestalt des Marienberges mit der Bundesgartenschau, die vor einigen Jahren das Wagnis einging, sich großräumig entlang der Havel zu zerteilen. Einer der Standorte war neben Rathenow und Stölln auch Brandenburg, und hier am Berg sind die Spuren noch am gegenwärtigsten.

Der Fuß der Friedenswarte auf dem Marienberg

Das Plateau des knapp vierzig Meter über der Stadt liegenden Gipfels erreicht man wahlweise über eine Wendel oder eine direkte Treppe. Einen indirekten Strich durch die Rechnung macht uns das gute Weinjahr. Die Reben hängen mit prallen Trauben, und aus diesem Grund ist der gesamte Weinberg abgezäunt, um Diebstahl vorzubeugen. Gibt es wirklich Leute, die massenweise Trauben von einem winzigen Weinberg mopsen?

Gärten am Marienberg

Begnügen wir uns also mit der breiten Aussicht am Fuß des Turms, die wenig von der Stadt zeigt, dafür umso mehr von den weiten Wäldern in der nahen Ferne. Das müssen die sein, die sich rund um die weiten Havelseen vor den Toren der Stadt erstrecken und das sumpfreiche und zugeknöpfte Naturschutzgebiet des Gränert verstecken, das zugleich abweisend und anziehend ist und daher weitgehend unbekannt.

Wildnis am Plauer Torturm

Altstadt

Nach dem Abstieg grinsen wir noch einmal über die Tiere am Plauer Torturm, die im veränderten Licht jetzt schon etwas anders gucken. Hier beginnt jetzt der Weg durch die Altstadt, deren kompakte Form auf der Karte gut das eigentliche Städtchen erkennen lässt und zeigt, wie übersichtlich die Wiege der Mark einmal war. Der Humboldthain schafft erneut die angenehme Verbindung zwischen Turm und Havel, wo man sofort wieder von der Uferstimmung eingefangen wird, an der auch die Wasserluft und der verlässliche Wind ihren Anteil haben. Kurz hinter der Jahrtausendbrücke führt ein Durchgang ins Gässchen mit dem schönen Namen Kommunikation, das alsbald zu einem weiteren dieser herrlichen Uferwege wird, an dem sich die vertrauten Elemente versammeln – klassische Straßenlaternen, Bänke und große Schattenbäume. Gegenüber ist weitgehend verblasst das zweite Buga-Areal zu sehen, das am historischen Hafen und dem Werftgebäude, und ein paar Schritte weiter am Ende des Weges ist gegenüber die Essenluke von vorhin zu sehen.

Ufer an der Jahrtausendbrücke

Ein überschaubares Netz aus verschwiegenen Gässchen und kleinen Straßen mit Geschäften durchzieht den alten Stadtkern, und führt uns zunächst zur Kirche St. Gotthard, einem weiteren dieser zahlreichen Gotteshäuser mit ihren großen Dachflächen. Die Tür steht offen und lockt herein. Etwas kühler ist es hier als im Dom, doch die Hitze steckt auch schon tief in den dicken Mauern. Eine Ausstellung widmet sich aktuell der Reformation, noch im Gefolge des ausgehenden Lutherjahres. Verschiedene Farben machen neugierig, durch Türen zu gehen, ebenso eine sonore Erzählstimme, die von der Konserve kommt, aber nicht so klingt. Selbst der Turmaufgang steht offen, doch sollten sich breitschultrige oder durchtrainierte Personen mit dem Blick die Stufen hinauf begnügen, denn für solche besteht klare Verkeilungsgefahr in der extraschmalen Wendel. Wer es geschafft hat, darf ein Stockwerk höher durch eine Scharte auf den Vorplatz gucken, wo hin und wieder ein Waldmops seinen Schatten jagt.

Rathaus mit großen Männern

Ein paar Ecken später steht das Rathaus, und mit diesem in Zusammenhang der allererste Roland, an den ich mich erinnern kann – abgesehen von meinem Vater. Seither komme ich durcheinander mit Rolanden und Rathäusern, denn als Kind ging ich davon aus, dass es nur einen Roland vor einem Rathaus gibt und bin daher immer wieder irritiert, wenn ich in Berlin am Märkischen Museum vorbeikomme oder sonstwo im Land an einem unerwarteten oder vergessenen Roland. Der einzig gültige wird für mich immer der hier bleiben, und vor dem stehen wir jetzt.

Brückenhäuser an der Jahrtausendbrücke

Der steinerne Ritter mit dem Schwert ist seit einiger Zeit in bester Gesellschaft. Schräg gegenüber sitzt ein weiterer Herr auf einer Bank, der im ganzen Land bekannt ist und die meisten Menschen hier für ihr Leben geprägt hat. Obwohl er seit einigen Jahren nicht mehr lebt, wird er wohl eben deshalb niemals sterben. Wenn Brandenburg als Wiege der Mark bekannt ist, ist es ebenso bekannt für den hier geborenen Humoristen Loriot. Auch wenn er nur ein paar Jahre seiner Kindheit in der Havelstadt verbrachte, ist er ihr immer verbunden geblieben. Im Gegenzug hat die Stadt ein paar liebenswerte Spuren gelegt, die sicherlich nach seinem Geschmack geraten sind.

Johanniskirche mit Durchblick

So gibt es also rund um den Brunnen vor dem alten Rathaus immer eine kleine, ungewöhnliche Versammlung aus großen Leuten, kleinen Tieren und einer Handvoll Touristen, welche einzelne davon oder alle abzubilden versuchen. Damit nehmen sie eine Garantie für ein stets wiederholbares Schmunzeln mit nach Hause, ganz gleich wo das ist und unabhängig davon, wie das Bild geraten ist.

Am Stadtkanal

Was irgendwie zum Besuch von Brandenburg dazugehört, ist das Überqueren der Havel auf der einzigartigen Jahrtausendbrücke, die schon mehrfach am Wege lag. Jetzt endlich ist es soweit. Nach unzähligen Schleifen und Kringeln, die scheinbar das Vermeiden des direkten Weges als oberstes Gebot hatten, queren wir den Fluss und schreiten vorbei an den lichten Brückenhäuschen mit ihren Cafés, denen sich einfach nicht widerstehen lässt. Vor der letzten Viertelstunde Weges, der ab hier meist Ufern folgt und daher kaum noch Haken schlagen wird, sitzen wir im warmen Licht der nur widerborstig sinkenden Sonne auf den großen Stufen hin zum Fluss, genießen den leichten Windzug mit dem Duft der Havel und wissen nun sicher, dass wir umgeben sind von kleinen Geweihen.

 

 

 

 

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): mit der Regionalbahn (halbstündlich, ca. 1 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über Autobahn oder Landstraße B 1 (ca. 1,5-2 Std.)

Länge der Tour: ca. 16 km, Abkürzungen sehr gut möglich

 

Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

 

Links:

Reiseführer der Stadt

Internetpräsenz der Stadt

 

Einkehr: zahlreiche Möglichkeiten im Stadtgebiet

 

Görlsdorf: Schwanengeplauder, absolute Stille und der Mond am anderen Ufer

Wie es seit einigen Jahren üblich ist, schleicht sich die erste Frühlingsahnung bereits im ausgehenden Januar dezent in die Gehörgänge, ins tägliche Blickfeld und über die Atemwege auch direkt ins Herz und die Seele – wenn man denn einen gewissen Sinn dafür hat und zudem diesem Prozess keinen Riegel vorschiebt. Das mit dem Riegel dürfte gar nicht so einfach sein, denn es würde viel Weghören, Weggucken und einen effizienten Filter in der Nase erfordern.

Fjordbucht am Schlabendorfer See, bei Wanninchen

Neben dem hoffnungsfrohen Gepiepe der Wintermeisen, die schon immer die allerersten waren, sind hier und da bereits abendliche Amselliedchen zu hören, wenn auch nur zaghaft, wie aus weiter Entfernung. So als stünde das genetisch verordnete Handeln der Schnabelmusik in ständiger Hinterfrage kalendarischer Anzeichen wie Tageslicht und Temperatur. Dazwischen krächzen immer noch die schwarzen Räuber mit den wuchtigen Schnäbeln, doch selbst die wirken verunsichert darüber, ob wirklich noch ihre Zeit ist und so viel Selbstbewusstsein angebracht.

Zu weiterem Zweifel beitragen könnten auch die flächigen Heere der ersten Winterlinge, die ihre gelben Satellitenschüsseln dorthin ausrichten, wo sie die Sonne vermuten. Dazwischen stemmen sich mit blütenweißem Geläute buschige Inseln von Schneeglöckchen aus der schneeplatten Wiese. Ob nun Sing- oder auch Krächzvögel irgendwelche Aufmerksamkeit auf zeitige Blümchen verwenden, ist nicht bekannt, doch vielleicht werden sie ja im Gesamteindruck als Kundschafter des Frühlings wahrgenommen.

Neben den erwähnten Vögeln, die ganz bequem auf Balkongeländern oder Fahrradlenkern sitzen können, sind jetzt im Januar noch immer oder schon wieder solche unterwegs, die eher das Volumen eines Fahrradanhängers ausfüllen würden und sich zumeist in flachem Wasser am wohlsten fühlen. Während Kraniche und Gänse in immer größeren Scharen in den Wasserlandschaften Brandenburgs überwintern, halten es die seltener zu sehenden Singschwäne eher noch mit althergebrachten Reisegepflogenheiten. Von Süden kommend, legen Sie auf dem Weg zu ihren Brutquartieren gern längere Pausen ein, und mit etwas Glück kann man sie im Januar und Februar an der Oder oder, was weniger bekannt ist, auch im südlichen Brandenburg finden.

Nördliche Luckauer Stadtmauer

Der Lauf der Oder ist insbesondere im Bereich des Oderbruchs vom Menschen beeinflusst, was bekanntermaßen ein hohenzollerscher Fritz zu verantworten hatte. Der hob damit in der Mitte des 18. Jahrhunderts und mit den damaligen technischen Mitteln einen komplett neuen Landstrich aus der Taufe und lockte mit gutem Marketing und etwas Trickserei zahlreiche Siedler aus ganz Mitteleuropa auf die neu gewonnene und fruchtbare Krume.

Was das südliche Brandenburg betrifft, legt gut zweihundert Jahre später abermals der Mensch Hand und allerschwerstes Gerät an eine vormals unauffällige Landschaft, einen leicht hügeligen Flickenteppich aus Wäldern, Feldern und Dörfern unweit von Luckau. Unter gut zwanzig Metern Erde lagerte hier großflächig ein Braunkohle-Schatz, der nach und nach gehoben wurde. Die freigelegte Kohle wurde ein paar Städte weiter in Energie umgewandelt. Bitter ist dabei, dass für lediglich fünfzehn Jahre Kohleförderung fünf Dörfer weichen mussten – ein Schicksal, das im gesamten Lausitzer Braunkohle-Revier weit über hundert Dörfer und zehntausende Menschen betraf.

Am Markt in Luckau

Eins dieser Dörfer trug den knuffigen Namen Wanninchen. Ein einziges Haus dieses Ortes steht noch, dicht an der Kante, vor der die riesigen Bagger einst stoppten. Rund um das verwinkelte Gebäude entstand ein Ausflugsziel besonderer Art, das den Namen Wanninchen am Leben hält, gemeinsam mit einem Gedenkfindling gleich nebenan. Dieser geschundenen Landschaft angenommen hat sich die Heinz-Sielmann-Stiftung, was auch für andere Landschafen vor den westlichen Toren Berlins, bei Storkow oder unweit von Rheinsberg gilt. Wenn es beim Namen Sielmann nicht gleich klingeln sollte, tut es das vielleicht bei „Expeditionen ins Tierreich“ – die Sendung des Tierfilmers lief mit ihm bis Anfang der Neunziger Jahre – mehr als 25 Jahre lang – und war eine der ersten ihrer Art. Da schließt sich jetzt ein ganz klein wenig der weit geschlagene Bogen von und zu den Singschwänen, auf die man hier hoffen darf zu gewissen Zeiten.

Das überschaubare Gelände des Natur-Erlebniszentrums ist gleichermaßen spannend für Kinder und Erwachsene und darüber hinaus gut geeignet für eine Wander- oder Radelpause. Auch ein Abendhimmel über der gewaltigen Landschaft des fjordartigen Schlabendorfer Sees lässt sich von einem der Aussichtsplätze in Vollendung genießen. Entlang der gemütlichen Wege finden sich weiche und weniger weiche Tiere, Kräuter-, Nasch und Findlingsgärten sowie ein ausgewachsenes Steinlabyrinth, in das sich auch die Ängstlichsten hineinwagen werden.

Blick auf die Dächer der Luckauer Altstadt

Wer diesen Ort mit gewisser Regelmäßigkeit, doch in größeren Abständen besucht, kann eindrucksvoll das Neuerwachen einer kompletten Landschaft beobachten – oder besser: langzeitbeobachten. Die Flutung des riesigen Sees gilt seit Jahren als abgeschlossen, und die bizarren Formationen des Abraums werden langsam, doch stetig von Pflanzen erobert, die knallhart sind und ihre Ansprüche ganz weit unten ansiedeln. Im ausgedehnten Totalreservat südlich des Sees stehen sie noch relativ vereinzelt, so dass zwischen ihnen viel Platz ist für zahllose Fährten verschiedenster Tiere, die schon mal ihre Reviere abstecken.

Luckau

Es hat einen gewissen Charme, wenn man sich so einem eindrucksvollen Gewässer wie dem Schlabendorfer See mit gewisser Ehrfurcht oder auch Vorfreude nähert. Das gilt für die großen Flüsse wie Elbe und Oder ebenso wie für diese unnahbaren Gewässer vergangener Tagebaue, die durchaus Assoziationen an Skandinavien wecken. In geeigneter Entfernung zum See liegt Görlsdorf, eins von dreien in Brandenburg. Der Weg dorthin führt über das Städtchen Luckau, an dem man keinesfalls vorbeifahren sollte. Rund um die Stadt zieht sich ein hübscher Stadtgraben, der von der Gehrener Berste gespeist und von einladenden Spazierwegen begleitet wird, auf voller Länge und teils beidseitig. Spaziert man dort entlang, sieht es zum Teil nach Spreewald aus, zum Teil schon nach Sachsen.

Gut Görlsdorf

Der Stadtgraben folgt der Stadtmauer, die zum größten Teil erhalten ist und gemeinsam mit den wuchtigen Kirchenschiff und den gemauerten Türmen der Stadt pittoreske Sichtfenster ergibt. Innerhalb der Mauern wetteifern in den Straßen und Gassen Dutzende Fassaden und Giebel darum, wer von ihnen am schönsten oder originellsten ist, insbesondere am verwinkelten Marktplatz. Und draußen vor der Stadt liegt im Süden der Stadtpark, dem man noch immer die gestalterischen Feinheiten der Landesgartenschau ansieht, die jetzt bald zwei Jahrzehnte zurückliegt. Nicht wundern also, wenn der Aufenthalt in Luckau länger ausfällt als geplant.

Kirchlein in Görlsdorf

Görlsdorf

Ein paar Dörfer südlich von Luckau liegt dann Görlsdorf, ein schönes und aufgeräumtes Dorf mit großen Backsteingebäuden, das schon ganz klar nach Lausitz aussieht. Zu sehen gibt es hier einen Schlosspark im Schneewittchenschlummer, in seinem Herzen ein verfallendes Backstein-Schloss, das an ein Forsthaus erinnert. Weiterhin einen Gutshof, der sich an einer schönen Sichtachse ausrichtet und mit edlen Pferden zu tun hat. Vorbei an der kleinen Kirche läuft die gediegene Görlsdorfer Dorfstraße, mit schönen Häusern zu beiden Seiten und Vorgärten in früher Blüte.

Glatt gepflasterte Landstraße nach Beesdau

Am Ende des Dorfes quert die Landstraße nach Beesdau, meisterhaft gepflastert aus den klassischen Steinen von der Größe einer Bauarbeiterfaust. Solche Straßen sind in der Regel alle längst dem Asphalt gewichen. Doch dafür fehlen hier die Argumente, so astrein und glatt sind die Steine verlegt. Vor dem nächsten Haus zweigt links ein schattiger Weg in den Görlsdorfer Wald ab. Der zeigt sich vielfältig – neben alten Eichen gibt es hier dunkle Fichtenwälder und nach der ersten Lichtung sogar einen schönen Lärchenforst, der passend zur Jahreszeit gerade abgedeckt ist.

Wanninchen

Hinterm Wald ist rechts kurz eine Wasserfläche zu ahnen, doch bei der Ahnung bleibt es. Hier und da sind aus der Ferne ein paar Kraniche zu hören, ein paarmal auch Gänse, doch auch dabei bleibt es. Voraus liegt nun das erwähnte letzte Haus von Wanninchen und beherbergt heute das Erlebniszentrum der Sielmann-Naturlandschaft Wanninchen. Gegenüber hockt zwischen weiten Streuobstwiesen ein rustikaler Schafstall, der samt Wiese auch in Märchenfilmen mitwirken könnte. Der Himmel ist gerade bedeckt, doch leicht kann man sich sommerlich herumtollende Lämmchen vorstellen, die unter blühenden Obstbäumen an Butterblumen zupfen, erst spielerisch, dann auf den Geschmack gekommen.

Aussichtsbank am Gedenkstein für Wanninchen

Das Sielmann-Gelände ist an Winter-Wochenenden geschlossen – die Öffnungszeiten sind zwischen dem Zurück- und Vorstellen der Uhren eher auf Schulklassen zugeschnitten. Das ist schade, da wir nicht aufs Gelände können und auch nicht zu den Schildkröten oder auf die Aussichtstürme. Es ist aber auch schön, da wir den berauschenden Blick von der Rastbank beim Gedenkstein und diese ganze riesige Landschaft rundherum exklusiv genießen dürfen. Wie exklusiv es in der Tat ist, merken wir erst, als wir eine Weile sitzen, ein Tässchen Tee geschlürft und fürs erste ausgeplappert haben, schließlich still werden angesichts dieser Dimension, die unbewegt zu unseren Füßen liegt.

Mondlandschaft am jenseitigen Ufer, Wanninchen

Hunderte Vögel sind auf dem See, die ihre Töne machen könnten. Der Wind könnte leise säuseln oder brüllend in die Gehörgänge donnern, denn das kann er gut an diesem See. In den Wipfeln rauschen. Doch nichts ist zu hören, keine fernen Kraniche, nicht eins der wenigen Flugzeuge, die den Korridor am Tag überqueren, auch nicht Herr und Frau Krüger aus Beesdau, die ihre nachmittägliche Ausfahrt auf dem Rad machen, wortlos, doch mit Kiesknirschen unterm Reifen. Es ist absolut still. Dicht dran an dieser Stille, wo man das eigene Blut in den Adern rauschen hört – was eigentlich nur in abgelegensten, halbmetertief verschneiten Winterwäldern geht.

In Faszination erstarrt staunen wir auf den See hinaus, suchen mit dem Fernglas die mannigfaltigen Horizonte ab, um vielleicht die Stelle zu erwischen, wo ein paar rastende Singschwäne im flachen Wasser stehen. Das erste Geräusch in der Stille sind scheinbar weit entfernte klassische Enten, die sich über einen derben Witz zerreißen. Kurz darauf irgendwo ein Kranichpaar. Dann wieder die Stille. Unvermindert eindrucksvoll. Das nächste Schnattern kommt erst nach einer Weile, auch dieses von weit her.

Beobachtungsplattform beim Natur-Erlebniszentrum

Erst nach dem zweiten Tee haken wir den Gedanken noch einmal nach und erinnern uns an eine Reportage, schon lange her, über Singschwäne. Dieses andere Schnattern, das müssen sie gewesen sein. Denn die großen Vögel singen ja nicht immerzu, wenn sie den Schnabel öffnen, sondern pflegen wohl tagsüber auch gemäßigte, normale Unterhaltung. Das Fernglas bringt schließlich die Bestätigung, hart am Rand seiner Reichweite. Sie sind es. Wir haben sie gefunden, ganz hinten in der Bucht, zwei Kilometer weg im Westen. Als greifbare Ahnung.

Man könnte hier noch ewig verharren, den Rücken angenehm gekrümmt, doch ist zum einen noch allerhand Rückweg übrig, zum anderen folgt jetzt eine schöne Passage entlang der noch nicht allzu alten Uferlinie. Genau jetzt kommt die erste Sonne des Tages heraus, verhilft dem See zu etwas Blau und schärft der Mondlandschaft gegenüber die Charakterzüge noch etwas nach. Der Blick reicht ewig weit nach Süden, und gemeinsam mit dem Dunst der Ferne erwacht nun wirklich der Eindruck einer Fjordlandschaft, wie man es schon länger vom Senftenberger See kennt. Mit jedem Rückblick von der kurvigen Straße erschaffen sich neue Gemälde der Naturromantik, gewinnt die Landschaft immer noch an Weite.

Blick über den glatten See nach Schlabendorf

Die scharfen Kontraste unterm klaren Sonnenlicht sind fast etwas irritierend nach einer grauen Woche mit irgendwie verschwommenem Wetter, stetem Griesel und Niesel und unentschlossenen Temperaturen. Es knallt regelrecht. Als wäre der Asphalt des Radweges gestern erst erstarrt, die Nadeln an den Bäumen frisch gewachsen und der gesamte See frisch überlackiert. Denn passend zur großen Stille für die Ohren fällt jetzt jene für die Augen in den Blick – diese große Wasserfläche liegt vollkommen glatt, nicht eine Kräuselung, und man hat den Eindruck, kein Vogeltier würde es wagen, im Flug etwas fallen zu lassen oder auf dem Wasser eine Spur zu provozieren.

Uferschilf am Schlabendorfer See

Es ist fast ein wenig unwirklich, so dass man sich jetzt und hier nicht über ein riesiges Seeungeheuer mit üblem Atem wundern würde, das mit einem Schlag des langen Schweifes den ganzen See zum Wogen bringt. Das könnte schon ein Größeres sein, denn der See ist im Schnitt knapp zehn Meter tief, im Maximum wohl über dreißig. Doch das Spektakel bleibt aus. Der See liegt weiterhin so glatt, dass jeder herausragende Zweig versunkener Bäume eins zu eins gespiegelt wird. Dementsprechend deutlich ist hinter einer winzigen Insel von der Größe eines Spreewaldkahns die Schlabendorfer Kirche klar erkennbar, wohlgemerkt mit Hilfe des Fernglases.

Rad- und Fußweg unweit des Ufers

Jetzt kommen die ersten Menschen ins Spiel, die hier Freizeit und Bewegung genießen, sei es mit Rollen unterm Fuß, Fifi an der Leine oder ganz einfach auf dem Rad, ganz ohne Gegenwind. Jetzt endlich kommen auch Frau und Herr Krüger, die demnach eher Schlabendorf zuzuordnen sind als Beesdau. Und nicht mal knirschen unterm Reifen, sondern lautlos über Asphalt rollen entlang einer jungen Allee. Die Ufer sind nicht mehr kahl, an vielen Stellen hat sich buschiges Schilf angesiedelt und befreit die künstliche Uferkante mehr und mehr von ihrer Sprödigkeit. Am Knick mit Blick auf Schlabendorf steht ein dreikantiger Unterstand, der vor allen Windrichtungen Schutz bieten kann. Gen See auch komfortabel mit Bank, gen Wegkurve informativ mit allerlei Tafeln. Hier treffen sich jetzt fast alle, die gerade unterwegs sind. Der See liegt stahlblau und glatt.

Skandinavische Impression im Osten

Schlabendorf am See

Ein Abstecher nach Schlabendorf ist bei ausreichend Zeit eine Option. Das Dorf, das es länger gibt als Berlin, ist im Rahmen der Wende um ein Haar der Abbaggerung entkommen. Ein hübsches Kirchlein steht dort, und seit einiger Zeit gibt es auch einen kleinen Seglerhafen.

Schutzhütte auf halbem Weg nach Schlabendorf

Wir wollen zur Dämmerstunde noch zum Kranichturm im benachbarten Freesdorf und drehen landeinwärts ab. Schon nach wenigen Minuten ist nichts mehr zu sehen vom großen See und seinen Landschaften, dafür kommt auf der schnurgeraden Straße nach Görlsdorf in einer Baumlücke das Görlsdorfer Kirchlein in Sicht. Das hätte man ihm auf die Entfernung gar nicht zugetraut. Ein tiefergelegter altrosa Golf rast in gewisser Inkonsequenz vorbei – weit schneller als notwendig, doch lange nicht schnell genug, um Interessierte zu beeindrucken. Rechts voraus vom nassen Borcheltsbusch sind jetzt schon die Kraniche zu hören, die man zu Hunderten auch am See hätte haben können, an einem anderen Tag.

Genau dort steht auch der Kranichturm, der bereits an der Landstraße ausgeschrieben war. Von hier lassen sich zur Zeit des Sonnenuntergangs ganze Scharen von Kranichen und Gänsen beschauen, die zunächst auf dem benachbarten Acker den Tag auswerten, dann aufwändig die Verteilung der Schlafplätze diskutieren und schließlich mit noch größerm Theater in die sichere Obhut des großen Moores umziehen. Der Turm bietet dafür einen komfortablen Logenplatz. Wer dazu neigt, in schönen Momenten die Zeit zu vergessen, sollte für den Weg hinab eine Taschenlampe dabei haben oder zumindest noch einen Akku-Balken übrig am drahtlosen Draht in die Welt.

Blick über die Felder nach Görlsdorf

Auf dem Rückweg nach Luckau treffen wir am Straßenrand auf eine Schafherde, ebenfalls sehr groß, doch abendlich verschwiegen. Der Schäfer macht gerade Feierabend und überlässt seine Schäfchen der Gesellschaft einer Handvoll kleiner Schwäne, die weiter hinten auf der Wiese stehen und leise schnattern, auf besondere Art. Ab heute mit Wiedererkennungswert.

 

 

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): am Wochenende nicht praktikabel, auch in der Woche 2-3,5 Std. (über Lübben und Luckau)

Anfahrt Pkw (von Berlin): 1,5-2 Std. (Autobahn Ausfahrt Duben)

Länge der Tour: ca. 13,5 km, Abkürzungen möglich (wahlweise kann man direkt zum Natur-Erlebniszentrum fahren, Parkplatz für Autos und Fahrräder vorhanden); bitte beachten: fast die ganze Tour verläuft auf harten Belägen, dämpfende Sohlen empfehlen sich

Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Luckau

Heinz Sielmann Natur-Erlebniszentrum Wanninchen

Hauptseite der Sielmann-Stiftung

Schlabendorfer See

Kranichturm am Borcheltsbusch

Einkehr:

Landgasthof Zum Auerochsen, Freesdorf
zahlreiche Gastronomie in Luckau

Bernau: Die gerahmte Stadt, zwei Pilgerzüge und der charmante Ziegenbock

Seit Jahresbeginn spielen sich die Temperaturen außerhalb beheizter Räume rund um den Gefrierpunkt ab, und so ist jeglicher Brandenburger Boden knochenhart und durchzogen von mildem Permafrost. Alles Kalte, was auf diesem Boden liegt, hat somit einen langen Bestand. Die großen und kleinen Schneemengen, die es gab, hat der allgegenwärtige Wind zu feinem Pulver gesiebt und irgendwo hin verblasen, nur ein paar flache Wehen hier und da zeugen noch von ihrem Dasein. Was jedoch auf harten Wegen immer wieder taute, anschmolz und über Nacht erneut gefror, wuchs zu einem buckligen Eispanzer von sagenhafter Härte. Wer zurückdenkt an den langatmigen Winter 2010, erinnert sich vielleicht noch an Szenen, wie Ladeninhaber unorthodox versuchten, den Bürgersteig vor ihrem Geschäft mit dem 10-Kilo-Hammer oder der Lötlampe freizulegen oder Autoeigner daran gingen, den kleinen Eisgebirgen rund ums eingekesselte Fahrzeug mit der Spitzhacke beizukommen, ohne dabei dessen Fassade zu zerlegen.

Stadt Bernau im Holz-Rahmen, Börnicke

Um also draußen unterwegs zu sein, sind nach wie vor Wege angeraten, die auch im Winter gangbar sind, frei von Eisglätte und Tiefschnee. Kurzgefasst: kein Wald, bevorzugt feste Beläge und große winde Weite. Dazu unbedingt regelmäßige Abwechslung fürs Auge, gern farbenkräftig bei so viel monochromer Wahrnehmung. Auch etwas Stadtnähe hilft, denn alle Spazierwege rund um Stadtgebiete sind meist frei und gut begehbar. So zum Beispiel das von Bernau.

Bernau (b Berlin)

Als Kind habe ich mich immer gewundert. Bernau war genau so eine S-Bahn-Endstation wie Oranienburg oder Erkner oder Strausberg. Doch wenn es in den Urlaub ging und der Zug über Bernau fuhr, stand dort auf den Bahnhofstafeln „Bernau (b. Berlin)“. Dass es noch andere Bernaus geben könnte, kam mir damals nicht in den Sinn, ganz und gar nicht. Schon gar nicht eins im unmittelbaren Vorland des gewaltigen, doch seinerzeit absolut uninteressanten Gebirges, das immerhin für den weltweit genutzten Begriff „alpin“ verantwortlich ist.

Südliche Bernauer Stadtmauer im Winter

Bernau ist eins von bereits andernorts erwähnten Städtchen in Berlin-Nähe, die über eine intakte Stadtmauer verfügen. Nahezu lückenlos erhalten ist sie hier und ermöglicht Einwohnern wie Besuchern, die Stadt auf stillen Wegen komplett zu umrunden. Entweder direkt innen entlang der Mauer oder – abgesehen vom Südbogen – auch im verzweigten Wegegeflecht, das den einladenden und verspielten Parkgürtel rund um die Stadt durchzieht. Hier ist neben schönen Spielplätzen und großen Wiesen viel Wasser im Spiel, so dass man auf erhabenen Dämmen spazieren kann oder entlang akkurater Teiche, bei deren Anlage Sichtachsen nicht gänzlich außer Acht gelassen wurden. Kleine und große Tore gestatten in dichten Abständen den Wechsel von innen nach außen, und der Altstadtkern mit dem Markt und der eindrucksvollen Marienkirche und ihren Gassen ist immer nur einen Katzensprung entfernt.

Ein Stein des neuen Mühlentores, Bernau

Im Parkstreifen draußen vor der Stadt herrscht in diesen Tagen der Eispanzer und hat alle Gräben und Teiche zu theoretischen Schlittschuhbahnen fixiert. Sogar die Parkwiesen zwischen dem alten Pulverturm und dem neu gemauerten Mühlentor sind großteils von Eis überzogen. Auf den Wegen schlägt das Eis harte kleine Wellen, trotzdem sind Leute allen Alters unterwegs, unbeeindruckt und vergnügt, selbst wenn keine Spikes versichernd zwischen Sohle und Weg vermitteln. Irgendwo ist zwischen zwei Schritten immer noch eine bierdeckelgroße Stelle ohne Eis, und das reicht – wenn man das will. Wer irgendwann doch genug hat, wechselt einfach nach innerhalb der Mauer und freut sich über die gute Haftung auf dem groben Straßenpflaster.

Wege-, Wasser- und Dammgeflecht unter Eis, nördlicher Mauerpark ohne Laub und Sonne

Kurz hinterm Elysiumsteich, der beiläufig auf die zweite große Kirche der Stadt ausgerichtet ist, kann man beim Hungerturm ein paar Züge Mittelalteratmosphäre atmen. Am besten in dem kleinen überdachten Gang am Steintor mit seinem groben Gebälk, der gleichzeitig Durchgang zum Külzpark ist. Wer an dieser Stelle genug vom winterlichen Spazieren hat, bleibt einfach innerhalb der Mauern, streift noch ein wenig durch die Gassen und trinkt irgendwo was Wärmendes.

Während nördlich von Bernau der große Wald beginnt und mit den herrlichen Landschaften zwischen Biesenthal und Wandlitz samt ihren glasklaren Seen lockt, empfiehlt sich jetzt im Winter eher ein südliches Ausschwärmen. Denn abgesehen von ihrer Wintertauglichkeit präsentiert die Barnimer Feldmark hier eine wohltuende Landschaft mit viel Platz und zahlreichen Gestaltungselementen, die der Wald nicht bieten kann.

Blick über den Elysiumteich auf die Herz-Jesu-Kirche, Bernau

Gleich hinterm Bahnhof überquert man die kleine Panke, die hier noch keine Seemeile alt ist. Der Spazierweg führt zwischen dem neuzeitlichen Einkaufszentrum und aus der Zeit gefallenen Gartenlauben hinüber in die kleine Plattenbauvorstadt jenseits der Panke, deren Straßen nach Göttern aus der griechischen Mytholgie benannt wurden, Venus zum Beispiel, und Pollux. Das ist insofern stimmiger als es zunächst scheint, da gleich nördlich das Nibelungen-Wohnviertel anschließt, dessen eher nordische Namen wie Hagen, Kriemhild und Wieland dort im Sinne der Windrose passend verortet sind. Etwas verloren wirkt dazwischen die Fafnirstraße – denn Fafnir gehört, wie nachzulesen ist, zur isländischen Edda. Eine angelehnte Figur namens Fafner erscheint zumindest auch im wagnerschen „Ring der Nibelungen“.

Ob zudem die Nähe des Teufelspfuhls bei der Anlage dieser Stadtviertel eine Rolle spielte und wer überhaupt zuerst da war, sei dahingestellt. Falls sich spätestens jetzt Mythologie-Experten alle Haare sträuben, bitte ich in diesem Sinne alle tiefer Interessierten um einen Gang zur Bibliothek.

Dachgang am Steintor

Am talzugewandten Rand der Siedlung liegt auf einem erhöhten Plateau ein Spielplatz,  der einen herrlichen Blick auf die Skyline von Bernau bietet – oder je nach Lichtverhältnissen und Jahreszeit auf den Scherenschnitt der Stadt kurz vor dem Ende des Tageslichts. Ganz am Rand der Siedlung öffnet sich, nun zwischen Einfamilienhäusern, am Ende eines winzigen Durchgangspfades fast unvermittelt die Landschaft mit dem schönen Namen Börnicker Feldmark, kurz darauf quert ein Jakobsweg. Der kommt von Frankfurt an der Oder und ist hier quasi auf der Zielgeraden. Das kräftige  Blau der Markierung ist wohltuend zwischen den blassen Farbtönen des diesigen Tages.

Mosaik und Details am Portal der Herz-Jesu-Kirche

Über sanft gewellte Landschaft führt der schnurgerade Weg auf eine Anhöhe, kurz dringen sogar ein paar Sonnenstrahlen durch die Wolken. Es sind nur ein paar Höhenmeter, doch erst vom höchsten Punkt ist rückblickend das Stadtbild mit seinen Türmen zu sehen. Das ist durchaus erhebend. Die Wegplatten sind zum Großteil vereist und fordern das Schlagen einiger Haken und ein waches Gleichgewicht. Wer Geradlinigkeit der langsamen Variante der Hasengangart vorzieht, kann auch auf dem harten Acker ganz gut laufen. Von vorne naht, zeitig schon zu sehen, eine Handvoll Leute mit einem Kinderwagen, was bei diesen Wegebedingungen wirklich Respekt verdient. Beim Zusammentreffen sind die Blicke entsprechend düster, zumal manche Jacke eindeutig zu dünn ist für den gnadenlosen Ostwind. Da die Begegnung auf dem Pilgerweg geschieht, wirkt es nicht abwegig, dass dieser Gang vielleicht ein Bußgang ist.

Börnicker Feldmark mit leichten Schneewehen

Börnicke

Der Weg erreicht Börnicke als hochgewachsene Pappelgasse. Am Dorfeingang bietet sich der erhoffte Rastplatz, der mit einem großen Bilderrahmen effektiv Bernau in Szene setzt, das weit hinter den Feldern kauert. Auch hier ist eine Gruppe Pilger unterwegs, als Scherenschnitt und schon vom langen Weg erschöpft, und schlägt den Bogen zu vorhin. Gleich danach stehen links allerlei Tiere, deren Gehege den Rand eines verwilderten Schlossparks bilden. Gleich vorn wohnen vier enorm große Schweine, die bester Laune ihren vollen Trog bevölkern und dem benachbarten Ziegenbock nur ein bewegungsloses Kopfschütteln abringen. Wir trauen uns durch die kleine, unverschlossene Pforte und sind froh, anhand von Spendenbehältern zu sehen, dass ein Rundgang hier erlaubt ist. Überall im äußeren Grenzbereich des Sichtfeldes huscht es, und schaut man schnell genug, sieht man jeweils einen Katzenschwanz verschwinden – immer einen anderen.

Der tagesbegleitende Funkturm von Birkholzaue

Der Ziegerich springt schließlich über den Zaun seines Gatters und übernimmt unsere Führung, was wir durchaus als Kompliment nehmen. Zeigt uns zunächst den wuchtigen schottischen Hochlandzottel, dessen respektgebietendes Gehörn mit seinem einzigartigen Schwung für das Wort „formvollendet“ verantwortlich sein könnte. Wie das seit fünfzig Jahren angestrebte und nie wirklich erreichte Ideal eines Chopper-Lenkers. Dann vorbei an den Kaninchen-Ställen, quasi Mucki-Buden, zu den Ponys. Und endlich ganz hinten zu dem einen von zwei Schafen, das nicht nach uns blökt, sondern klar und deutlich „Mäh“ sagt, mehrfach und mit Nachdruck, bis wir endlich kommen. Dann ist die Führung beendet, der Gehörnte zieht sich zurück.

Viele Gatter sind jetzt leer, aufgrund der Winterkälte, und weder Wollschwein noch Lachshuhn lassen sich blicken, auch nicht das Vorwerkhuhn. In nur wenigen Wochen wird es wieder lebhaft zugehen auf dem Kinderbauernhof. Umso schöner, dass das Gelände trotzdem offen ist. Nicht zuletzt dank der charmanten Begleitung wirft man sehr gerne schwere Münzen in eine der gelben Kannen.

Pilgerzug am Rand von Börnicke

Ein Pfad führt vom letzten Gatter direkt in den Schlosspark mit seinen alten Bäumen und dieser einzigartigen Atmosphäre, die solchen Parks eigen ist. Efeudurchzogen und wild, krautig und echt und mit viel Potential für historisch angehauchte Phantasien. Die werden unterstützt durch das in sich ruhende Schloss, welches eine ähnliche Ausstrahlung hat wie sein Park. Das Bauwerk ist belebt, nicht viel, doch spürbar. Rauch steigt aus dem Schornstein, Dach und Fenster wirken intakt. Hier dürfte ein Blick in naher Zukunft interessant sein, vielleicht so in fünf Jahren. Der Weg durch den Park nimmt noch eine Insel samt zwei Brücken mit. Jenseits des Sees liegt die Gutsanlage von Börnicke mit ihren langen Backsteingebäuden, die auf ihre Weise von schlichter Noblesse sind.

Vier Schweinebuckel und eine Ziege, Kinderbauernhof Börnicke

Auf jeden Fall lohnt das Schlagen eines Hakens bis zum Dorfteich, den ein wenig Angeratmosphäre umspielt. Die meisten Häuser im Dorf sind schön und sehenswert, und auch hier versammelt sich eine bunte Mischung von ihnen. Am Rand steht das in warmes Ocker getünchte Feuerwehrhäuschen, in dem nunmehr das Feuerwehr-Haustheater ein schönes Zuhause gefunden hat. Noch einen kräftigen, wenn auch diffuseren Farbtupfer steuert eine im Saft stehende Hängeweide ab, direkt am Uferweg. Der Dorfbackofen hält Winterruhe.

Born to horn, Kinderbauernhof Börnicke

Die Häuser entlang der Hauptstraße stehen baulich in Verwandtschaft zum Gutsensemble. Es ist wirklich ein besonderes Ortsbild hier in Börnicke, das die Kirche noch komplettiert. Mit einem letzten Blick auf die graue Eminenz des Schlosses und die zahlreichen neuen Bäume rundherum verlassen wir Börnicke auf einem gemütlichen und schwarzen Sandweg, der großflächig vereist ist. Ein Mädchen kommt entgegen auf dem Rad, souverän und frei von Angst. Und in der Tat hat das Oberflächeneis mit dem feinen schwarzen Sand fusioniert und ist stumpf und griffig. Schön.

Schloss Börnicke

Elisenau

Schon den ganzen Tag werden wir begleitet vom gelben Wanderweg, der uns bis fast zuletzt die Treue halten wird. Entlang der schnurgeraden Straße durch Elisenau zeigt sich ein schöner Querschnitt durch die Wohnarchitektur der letzten sechs Jahrzehnte. Die Straße fällt sanft ab, läuft sich angenehm und führt genau auf den markanten Turm zu, der schon den ganzen Tag diesig im Hintergrund stand und aussieht wie ein Fernsehturm mit abgebissener Spitze. In der Tat diente der sogenannte „Dezimeterturm“ seit Ende der 1950er Jahre der Fernsehübertragung in der DDR, war sogar von landesweiter Relevanz für den guten Empfang der beiden Sender, die sinnigerweise DDR 1 und DDR 2 hießen. Der eigenartige Name des Turms hat mit der Länge der elektromagnetischen Wellen zu tun, die charakteristisch sind für den sogenannten Richtfunk.

Birkholzaue

Eine Kuriosität in Elisenau zeigt sich am Ortseingang. Dort stehen zwei Ortseingangsschilder, beiderseits der Straße. Östlich liegt Elisenau, das zu Blumberg und damit zur Gemeinde Ahrensfelde gehört, westlich hingegen das zu Bernau zählende Birkholzaue, die Grenze verläuft auf dem westlichen Rand der Fahrbahn. Was das für administrative Komplikationen bei der Bushaltestelle an der Straße hervorruft, möchte man sich gar nicht ausmalen.

Feuerwehr-Theater am Dorfteich, Börnicke

Gegenüber führt der Weg direkt in einen mäßig  feuchten Bruchwald, der von einem größeren See gewässert wird. Erstmals heute sind die Spikes unumgänglich, und wieder ist es eine herrliche Erfahrung, wie entspannt man sich doch auf glattem Eis bewegen kann. Das kleine Stückchen Wald tritt wirksam den Beweis an, dass es schlau ist, den Wald zu meiden in diesen Wochen. Hinterm Wald fällt der Blick dann wieder auf braune Erde, dunklen Sand und blassgrüne Wiese.

Birkenhöhe

Entlang einer Obstwiese geht es hinauf nach Birkenhöhe, vorbei an ein paar Schweinen, Ziegen und Laufenten. Hier und da hängt noch Weihnachtsschmuck in den Gärten, den jetzt wirklich keiner mehr sehen möchte. Dagegen an piepen und singen neben Meisen und Amseln jetzt auch schon irgendwelche anderen Vögel, die aus gängigen Volksliedern bekannt sind.

Weg nach Lindow mit Blick auf die Türme von Bernau

Lindow

Nach etwas Zickzack durch die Siedlung kommt nach einer Waldrand-Kurve voraus Bernau in Sicht, wirkungs- und verheißungsvoll, denn der Magen knurrt so langsam, die Vorräte sind längst schon aufgebraucht. Gefällig geht es über eine kleine Anhöhe nach Lindow, und Lindow ist schon so gut wie Bernau. Nach etwas Gewerbegebiet führt der letzte Kilometer in einer Stimmung von wunderbarer Abendruhe um die südlichen Vorstadtwiesen herum, entlang verschiedener Wasserläufchen. Einige der kleinen Panke-Zuflüsse sind zugefroren, andere offen. Auf letzteren parken auffallend brav allerhand Enten, dicht unterm Ufer und gut geschützt vor dem scharfen Wind.

Ein dem verwandter und doch seltener Anblick wird jetzt am Himmel geboten. Während die Züge der Kraniche oder die der Gänse zu den Zeiten von spätem Herbst und zeitigem Frühjahr ein stets erhebender, doch gewohnter Anblick sind, ist es selten, dass man Formationen von Enten sieht am Himmel. Jetzt jagen sie dort oben durch die Lüfte, wirken leichtfüßig und unbeschwert und sind auch sicherlich nicht auf der Durchreise, sondern der Stadt Bernau verbunden und den Pankewassern.

Der Rad- und Fußweg durch die Pankewiesen, südlich von Bernau

Auf Durchreisende hingegen trafen wir auf der Fahrt nach Bernau. Sie standen auf dem Acker, hier zwei Kraniche und kurz darauf zwei Gänse. Und trafen damit ihre Aussage. Auch der Deutsche Wetterdienst teilt diese Ansicht und stellt für die nächsten Tage Grade deutlich über Null, dazu noch manche Sonne und infolge die ersten knallenden Knospen in Aussicht. Das ist der Startschuss für die Zeit der ersten zarten Düfte.

 

 

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): mit der Regionalbahn ab Lichtenberg (halbstündlich) oder mit U- und S-Bahn (jeweils knapp 45 Min.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): Autobahn A 10 und A 11 oder über die B 2 (jeweils ca. 35 Min.)

Länge der Tour: komplett ca. 17 km (Abkürzungen gut möglich) oder
nur einmal um die Stadt herum (2-3 km) oder
einmal um die Stadt, dann nach Börnicke und auf selbem Weg zurück (ca. 11,5 km)

 

Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Tourismus-Seite von Bernau

Informationen zum neu gebauten Mühlentor

Zeitungs-Artikel zu den Pilgern von Börnicke

Informationen zu Börnicke

Informationen zum Gutshof und Schloss Börnicke (2003)

Der Dezimeterturm von Birkholzaue

 

 

Einkehr: zahlreiche Möglichkeiten innerhalb der Stadtmauer

 

 

Was vom Jahre übrig blieb – Sechzehner Spätlese

Wenn das Jahr auf die markanten und mit buntem Schwarzpulver-Radau verbundenen Initialen 3112 zusteuert, stellt sich dieser ewige Widerspruch ein: einerseits sind die Monate und Jahreszeiten mitsamt den verlinkten Ritualen vorbeigerauscht wie ein Regional-Express an einer parallel fahrenden S-Bahn, die eben noch beschleunigte und in Sichtweite zum nächsten Bahnhof schon wieder an Fahrt verliert. Andererseits scheinen einzelne Tage bereits ewig her zu sein, eher schon so, dass das Wort „damals“ mitschwingen möchte.

Kurzes Männergespräch zwischen Dirk und Gonzo, Falknerei Rabenstein

Unergründbar ist in dieser Hinsicht, warum eine ärmellose Berlin-Tour vom Sommer erheblich länger her scheint als das frostige Zerpenschleuser Kanalufer mit seinem metallisch blauen Eisvogel, der Anfang Januar im Ufergebüsch saß. Die Jahreszeiten sollten eigentlich bei der Zuordnung helfen, doch die Ärmellosigkeit wird zeitlich ganz einfach einen Sommer zuvor verankert.

Eine ganze Reihe von Empfehlungen wären gern ausgesprochen worden, landeten jedoch im Nähkästchen. Eine Handvoll hole ich nochmal heraus, wenigstens für ein paar Worte.

Gemütlicher Marktplatz mit Schmalspurgleisen, Cottbus

Cottbus

Cottbus hat mit Berlin unter anderem gemeinsam, dass es kurvenreich von der Spree durchflossen wird. Zudem gibt es ein Stück Stadtmauer, das Aug in Aug mit der Klosterkirche steht. Und auch hier sorgt der Fluss für eine Museumsinsel, welche direkt an die Altstadt grenzt. Im Unterschied zu Berlin steht auf der Insel jedoch nur ein Museum, während sich das andere halbe Dutzend über die Altstadt verteilt, gemeinsam mit dem Schloss, dem weithin bekannten Staatstheater und diversen anderen Spielstätten.

Branitzer Park im späten Winter, Cottbus

Ein ganz entscheidender Unterschied zu Berlin ist der, dass man ziemlich schnell ins Grüne kommt, wenn man das möchte. In Richtung Spreequelle führen schöne Parkwege und allerlei Brücklein vorbei am durchaus eindrucksvollen Stadion der Freundschaft, hin zu den ausgedehnten Parklandschaften von Spreeauenpark und Branitzer Park. Dieser ist natürlich am schönsten, wenn alle Bäume eingekleidet sind und auf dem Boden die Blümchen sprießen. Doch das weitläufige und verspielte Gelände mit seinen durchdachten Sichtachsen ist selbst im November oder Februar charmant, wenn man hier fast alleine ist und die Enten auf dem Wasser eher zusammenrücken.

Nach dem Herumstreifen im Park ist es um so schöner, zurück zum Markt zu streben, sich reinzusetzen irgendwo und zu genießen. Ganz gleich ob herzhaft oder süß.

Eine der Pyramiden im Branitzer Park, Cottbus

Wer anstatt der gefälligen Parklandschaften oder einer gemütlichen Einkehr lieber noch mehr vom Lauf der Spree und etwas zahme Wildnis sehen möchte, kann sich bei den Parks einfach dem Europaweg E 10 anvertrauen und noch um zwei drei Stunden bis nach Neuhausen verlängern, wo jede Stunde ein Zug zurück nach Cottbus fährt.

Kleiner Park zwischen Hafen und Kirche, Wustrau

Wustrau-Altfriesack

Wustrau und Altfriesack liegen am selben See wie Alt- und Neuruppin, nur am anderen Ende. Zwischen dem flächigen und gediegenen Wustrau und dem von Wasser durchzogenen Altfriesack liegt eine Halbinsel, die von zwei Armen des Rhins geschaffen wird. Der Wustrauer Rhin ist ohne viele Umschweife unterwegs in Richtung Fehrbellin, wo er besonders lieblich dem Rhinkanal zufließt. In Wustrau selbst ist er am schönsten an der alten Wassermühle zu erleben. Der Bützrhin hingegen, der bald schon Alter Rhin heißt, schlägt einen weit ausholenden Bogen zum selben Ziel und nimmt dabei das Linumer Teichland und die Hakenberger Schleuse mit, mitsamt ihren wunderbaren Landschaften. Unterwegs kommt ihm noch der Kremmener Rhin abhanden und macht den Wasserarmsalat perfekt.

Antiquitäten-Mühle am Tag der offenen Mühle, Wustrau

Sowohl das überaus pittoreske Wustrau als auch Altfriesack mit seinem kleinen „Rhindelta“ und der schönen Zugbrücke zählen zu den Brandenburger Orten, die etwas Einzigartiges haben. Verbunden sind beide nicht nur durch einen Bindestrich, sondern auch durch einen Wanderweg, der den Wald der erwähnten Halbinsel quert. Auch hier ist das – wie eben schon bei Cottbus – der E 10, was ein ganz klein wenig kurios ist und von seiner Vielfalt zeugt.

Alte Allee nach Süden ins Luch, Wustrau

Wer nicht gern denselben Weg zurückgeht, kann von Altfriesack auf dem verlängerten Triftweg einen südlichen Bogen zurück nach Wustrau schlagen. Und wer vielleicht in Altfriesack bei einer der zwei Fischerhütten eingekehrt ist und bereits am letzten Loch im Gürtel angelangt, hat die Option, diesen Bogen nach Belieben in die blickoffenen Weiten des Wustrauer Luchs zu verlängern und dann über Langen und Buskow den Weg zurück anzutreten, oft unter dem Schatten prächtiger Alleen. Das sind zwar teilweise öffentliche Straßen, doch sind die Autos zählbar. Und speziell die letzte Allee zur Südspitze des Ruppiner Sees ist eine Offenbarung der Gemütlichkeit.

Gemütliche Allee nach Wustrau-Nord

Die zwanzig grünen Hauptwege von Berlin: Nr. 3 – Heiligenseer Weg

Wer hier und da zu Fuß durch das Stadtgebiet von Berlin streift, trifft in Grünanlagen und auch dazwischen auf Wandermarkierungen, die aus einem blauen Balken und einer Zahl bestehen. Ist beim Erst- und Zweitkontakt vielleicht überrascht, hier im dicht bebauten Dörferverbund von Berlin, aus dem die Stadt gewachsen ist. Dahinter steckt Methode, und der erste Gedanke dafür ist erstaunlicherweise schon mehr als hundert Jahre alt.

Diese Wege können einem nahezu überall in der Stadt begegnen, denn legt man alle zwanzig als Linien über eine Karte von Berlin, sieht das aus wie ein voll bepacktes Einkaufsnetz mit recht gleichmäßiger Maschenverteilung. Wer jetzt keine Vorstellung davon hat, was ein Einkaufsnetz ist und wie es aussieht, fragt beim nächsten Familienfest einfach mal die erste Tante oder Oma, die einem über den Weg läuft. Und darf je nachdem mit ausholenden Beschreibungen und Anekdoten rechnen, was für beide Seiten sehr schön sein kann.

Gemütliches Alt-Tegel, am U-Bahn-Ausgang

Dass Berlin immer noch vielfältiger ist, als man ohnehin schon denkt, ist nichts Neues. Doch das Phänomen, dass man auf vielen Hundert Kilometern grüner Wege durch die Stein- und Asphaltwelten spazieren kann und die Stadt immer wieder von neuen Seiten entdecken, ist bei jedem dieser Wege aufs Neue markant.

Binnenhafen mit Wal, Tegel

Die von offensichtlichen Berlin-Kennern gefundenen und konzipierten Wege tragen so schöne Namen wie Humboldt-Spur oder Nord-Süd-Weg, Lindenberger Korridor oder Barnimer Dörferweg. Sie verlieren selten den Kontakt zum Grün und zur Natur in jedweder Ausprägung, was in vielen Fällen auch mit reichlich Wasser einhergeht. Optional lässt sich etwas Würze hinzufügen, wenn man stellenweise ausbüchst und Abstecher oder Ausflüge in spezielle Viertel oder charakteristische Stadtlandschaften macht, nach denen es dann umso schöner ist, wieder ins Grüne einzutauchen.

Mondäne Platanen-Allee der Uferpromende mit Gänsen, Tegeler See

Einige Wege führen bis an die Stadtgrenze – und keinen Meter weiter. Viele von ihnen hatten wir schon unter den Sohlen, quer durch die Jahreszeiten. Jeder hätte einen eigenen Text verdient, wirklich.

In diesem Sommer war auf einem Stück des Heiligenseer Weges viel Neuland dabei. Steigt man in Tegel zu, bietet sich vorher noch ein Abstecher zum Tegeler Schloss an, von dem ich bis dahin nicht einmal wusste, dass es existiert. Die längliche Anlage gibt sich etwas zugeknöpft und belohnt den Beharrlichen mit einer sagenhaft schönen Lindenallee und der letzten Ruhestätte der Brüder Humboldt. Dahinter liegt urwüchsiger Wald mit schönen Pfaden, die man besser Pfade sein lässt, denn dort leben extrem sportliche Wildschweine. Zum See gibt es – entgegen einzelnen Legenden – ohnehin keinen Durchgang.

Am Rand des Flughafensees, nahe des Flughafens Tegel

Vom Stadthafen Tegel mit seinem stählernen Walfisch lässt es sich herrlich die Uferpromenade entlangtrödeln, bis vor zur roten Brücke an den Häfen, wo gleichermaßen kleine Ruderboote und baumeslange Ausflugsdampfer angeknotet liegen. Wer einen luftigen Hochsommertag erwischt, kann ohne viel Zutun glauben, er säße irgendwo am Tegernsee anstatt an einer ausgeprägten Bucht der Havel, die so ähnlich heißt. An solchen Tagen drückt der Wind vom Wasser her wie echter Seewind und schmeißt schonmal die Torte auf dem Teller um, auch wenn das Stück rechte breite Schultern hat. Die turbulenten Wellen und die gut vertäuten weißen Dampfer an der gediegenen Platanen-Promenade machen es sehr leicht, Voralpenzüge hinter sich zu wähnen und sich ein wenig mondän zu fühlen dabei.

In den Rehbergen, Wedding

Wer es hier nicht schafft sich loszureißen, zeigt in keiner Weise Schwäche, sondern trifft vielmehr eine sinnvolle Entscheidung mit Augenmaß, denn hier lässt sich gut ein ganzer Nachmittag vertrödeln. Wen hingegen doch die Neugier umtreibt, der wird belohnt mit einem städtischen Kontrastprogramm von außen nach innen. Im Flughafensee lässt sich wunderbar ein Bad einschieben. Möchte man danach die Locken trocken haben, braucht man sich nur etwas weiter in die Tegeler Einflugschneise zu stellen, wo alle paar Minuten ein Turbinenwind passiert, ganz frisch gepresst und scheitelnah.

Alternativmündung der Panke beim Invaliden-Friedhof, Berlin Mitte

Nur etwas später in den schattenreichen Rehbergen gibt es Berge, Rehe und auch andere Tiere sowie am Plötzensee die nächste Möglichkeit zum Baden. Noch etwas weiter liegt in sich ruhend und unter Kastanien ein Biergarten á la Bayern, der den Faden aufnimmt von vorhin, mit Leberkäs und Weißbier. Hier trifft der Weg auf ein Ufer, das nun verschiedenen Kanälen folgt, bis hin zur Pankemündung. Und noch weiter bis zum Hauptbahnhof, wo man sich an einer der Uferbars ganz herrlich in einen Liegestuhl hängen kann.

Rotweißer Einheits-Dampfer auf der Spree am Hauptbahnhof

Burg Rabenstein im Hohen Fläming

Für luftige Sommertage, doch auch für andere Jahreszeiten gut geeignet ist ein Ausflug zur Burg Rabenstein im Hohen Fläming, wohl der klassischsten Märchenburg auf dem Gebiet Brandenburgs. Einsam im Wald, auf einem Sporn und mit hohem Rapunzelturm. Dabei überschaubar groß und richtig schön mittelalterlich. Wer diese kleine Höhenburg als Filmkulisse nutzen will, muss nicht allzu viel umbauen, kaschieren oder abschrauben, bevor die erste Klappe fallen kann.

Zugegeben – die Anfahrt ist weit. Doch sie lohnt sich. Insbesondere auch für Familien mit Kindern beliebigen Alters, die hier einen runden Tag verleben können. Schon unten im Dorf wird es schwer, in die Gänge zu kommen, denn sobald man den Burgenbus oder das Auto verlassen hat, übt ein geräumiger Spielplatz seine ganze Anziehungskraft aus, nicht nur auf Kinder und direkt gegenüber des Naturparkzentrums. Dieses unmittelbare Gegenüber ist ein schönes Angebot für eine halbstündige Aufteilung von Groß und Klein, bevor es an den Aufstieg gehen soll.

Sibirischer Uhu Fussel in seinen Gemächern, Fläming-Falknerei Rabenstein

Der gibt den Auftakt zu einem kleinen, allerliebsten Rundweg. Führt vom Spielplatz hoch zur Burg, von dort über endlose Stiegen und hügelige Pfade wieder talwärts und ist dabei kompatibel auch für die kürzesten Beinchen. Auf nicht einmal zwei Kilometern lassen sich hier gemeinsam Abenteuerwelten entdecken, und wem das Talent des Geschichten-Ausdenkens geschenkt wurde, der kann mit ein paar Gedankenstupsern die Phantasie aller anwesenden Kinder befeuern und dafür sorgen, dass der Tag allein deswegen niemals das Gedächtnis der jüngsten Verwandtschaft verlassen wird.

Seeadler Graf Luckner, Fläming-Falknerei Rabenstein

Die Burg spricht am besten für sich selbst, lässt sich gut umstreifen und entdecken. In ihrem unmittelbaren Umfeld gibt es gleich noch zwei Erlebnisspender ganz unterschiedlicher Natur. Wer nach dem minutenlangen Aufstieg zu neuen Kräften finden muss, wird gern noch die vier Stufen zum brotduftenden Innenraum des Backhauses erklimmen, wo es am Wochenende neben köstlichen Schmalzstullen auch Kuchen, kalte Getränke und Bockwurst gibt. Jeglicher Kauf erfolgt angesichts der großen Ofentür des Holzbackofens, hinter der die verlockenden Duftschwaden entstehen. Frisches Brot ohne Geheimnisse. Und ein Backofen, genügend groß für ein ganzes Dutzend großer Brotlaibe.

Gänsegeier im Tiefflug, Fläming-Falknerei Rabenstein

Das zweite Erlebnis wartet nur hundert Meter weiter, zu Füßen des denkbar unromantischen Pendants zum Burgturm. Hier befindet sich mit der Fläming-Falknerei eine der wenigen Falknereien Brandenburgs. Zu Füßen des wuchtigen Betongebildes gibt es in den Monaten der Sommerzeit jeden Nachmittag um halb drei eine Flugvorführung, nur montags nicht.

Vielleicht besteht die Frage, warum man einem und noch einem Vogel und noch anderen dabei zusehen soll, wie sie fliegen. Ähnlich wie bei der Burg lässt sich das am besten vor Ort herausfinden. Der hiesige Falkner stellt in einer Dreiviertelstunde eine ganze Reihe eigenwilliger Charaktere vor, die man in einer Entfernung von wenigen Metern erleben darf. Begleitet wird das von einer charmanten und unterhaltsamen Moderation, die über eine diskret platzierte und hervorragende Tonanlage erfolgt und die Zeit recht schnell vergessen lässt.

Gänsegeier Gonzo in der allerersten Reihe, Flugvorführung Falknerei Rabenstein

Danach ist man ein ganz klein wenig bekannt mit dem Steppenadler Xena, der ebenso gern zu Fuß unterwegs ist wie er fliegt. Und Gonzo, dem sympathischen Gänsegeier, der allen Leuten den Kopf geraderückt, die Geier bislang unsympathisch fanden. Sich freut wie drei kleine Kinder zusammen, wenn er merkt, dass er gleich dran ist und dann majestätisch mit voller Spannweite kurz über dem Boden entlanggleitet. Oder mit Fussel, dem sibirischen Uhu mit den unwiderstehlichen Bernsteinaugen, der eigentlich gar nichts machen muss und trotzdem schwer zu vergessen ist. Einprägsam sind auch die kleineren Kaliber, die Milane, Falken und Habichte, die schnell und wendig sind und Flugmanöver hinlegen, die nur mit wachen Augen zu verfolgen sind.

Falkner Grabow mit Fussel, Fläming-Falknerei Rabenstein

Dabei kann es schon mal vorkommen, dass einem einer der Vögel kurz auf den Fuß tritt, wenn er sich in seiner Neugier in den Reihen des Publikums verfranst hat. Oder man den unmittelbaren Windzug einer ausholenden Schwinge auf der eigenen Haut fühlt. Der Eindruck, den das Ganze beim Einzelnen hinterlässt, wird von Mensch zu Mensch verschieden sein, doch vergessen wird man diese knappe Stunde sicherlich nicht. Und künftig ein wenig anders in die Lüfte stieren, wenn von ganz oben ein pfeifender Laut kommt und ebendort jemand ohne viel Flügelschlag seine Kreise dreht oder in der Luft an einer Stelle verharrt, ein potentielles Mäuschen im Visier.

Wer Raben besucht und vordergründig auf lange Spaziergänge aus ist, kann den speziellen Zauber des idyllischen und flachen Plane-Tals mit den unvermittelt antretenden Höhen des kernigen Miniatur-Gebirgszuges verbinden, auf dessen Mittelpunkt die alte Feste hockt. Der Besuch der Burg lässt sich damit bestens verbinden, dasselbe gilt für die Flugvorführung – wenn man unterwegs die Uhr etwas im Auge behält. Und übrigens: der Wappenvogel Brandenburgs ist hier selbstverständlich auch vertreten. Fragen Sie bei Interesse Ihren Falkner!

Blumberger Mühle

Wer Kinder hat und mit ihnen mehrmals im Jahr ins Land jenseits der Stadtgrenze aufbricht, weiß mit Sicherheit, wie schön es an der Blumberger Mühle ist, was für runde, stressfreie und unvergessliche Tage sich hier verleben lassen. Das gilt gleichermaßen für die weitflächige Teichlandschaft als auch für das an ihrem Rande gelegene Informationszentrum, das einer Kombination aus riesiger Bienenwabe und slawischer Burganlage gleicht. Hier gibt es die schönsten Angebote, um das zu entdecken, was unter freiem Himmel so geboten wird von der guten alten Natur, die sich hier gleichermaßen als Erzählerin und Zauberin zeigt.

Weg zwischen den Fischteichen der Blumberger Mühle, bei Angermünde

Am Südrand der Teichlandschaft liegt die eigentliche Blumberger Mühle. Ein Mühlrad ist hier nicht zu finden, doch ein Gefälle zwischen zwei Teichen ist bei den Gebäuden durchaus erkennbar. Direkt dahinter beginnt ein schnurgerade Weg, der mitten durch den glänzenden Flickenteppich führt, der insgesamt doch immerhin so groß ist wie der Mündesee beim Städtchen um die Ecke. Für Wassernachschub sorgt die Welse, die von Süden wildromantisch daherkommt.

Mit der Blumberger Mühle ist es ähnlich wie mit der Burg Rabenstein – man kann sich bestens auf das Gebiet beim Informationszentrum beschränken, wobei sowohl Bewegung als auch Erlebnisse nicht zu kurz kommen werden. Die Natur kann hier in großer Vielfalt erlebt werden, was mit Sicherheit pädagogisch wertvoll ist und mit ebenso großer Sicherheit gewaltigen Spaß macht. Falls den Kindern die Energie dabei partout nicht ausgehen will, können sich die lieben Erwachsenen für einen Augenblick ins Innere der Wabe zurückziehen und dort stärken – das Essen ist hervorragend, der Kuchen selbstgebacken und die Kakaotassen groß.

Tiefschwarze Angus-Rinder auf der winterlichen Weide, Blumberger Mühle

Ausschwärmen lässt sich von der slawischen Info-Wabe wahlweise ein bisschen oder eben etwas mehr. Für wen „ein bisschen“ reizvoller klingt, der ist mit einem Spaziergang zur eigentlichen Blumberger Mühle und dem Damm zwischen den Teichen gut bedient. Falls gerade der Sommer läuft, ist es von dort durch den Wald nur eine gute halbe Stunde bis zum Strandbad am Wolletzsee – die Schilder zum Campingplatz weisen den Weg.

Und wer noch etwas mehr Bewegungsdrang verspürt oder unterwegs von der Landschaft überredet wird, kann von diesem Strand ein paar Kilometer dem Uckermärkischen Landweg gen Angermünde folgen. Zurück zum Ausgangspunkt besteht die Auswahl zwischen einem zauberhaft uckermärkischen Hügelweg oder der wiesigen Spur, die entlang der Bahn verläuft. Rechnen Sie auf der benachbarten Weide mit tiefschwarzen Rindviechern, deren Rasse nach einem australischen Gitarristen benannt wurde, sowie auf allen Wegen mit plötzlich aufstiebenden, farbenfrohen Fasanen!

Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken, dann „Speichern unter…“)

Cottbus (optional Verlängerung auf dem E 11 nach Neuhausen)

Wustrau-Altfriesack (optional Verlängerung ins Luch)

Heiligenseer Weg (Tegel-Hbf.)

Burg Rabenstein

Blumberger Mühle (optional Verlängerungen Wolletzsee etc.)

Links:

Cottbus

Informationen zum Branitzer Park

Tourismus-Informationen Cottbus

Wanderweg E 10

Wustrau-Altfriesack

Ortsinformationen zu Wustrau

Wassermühle Wustrau

Ortsinformationen zu Altfriesack

Von Alt-Tegel zum Berliner Hauptbahnhof

Informationen zum Grünen Hauptweg Nr. 3 „Heiligenseer Weg“

Familien-Information zur Promenade am Tegeler See

Flughafensee am Flughafen Tegel

Invaliden-Friedhof Berlin-Mitte

Burg Rabenstein

(das Backhaus vor der Burg gibt es leider nicht mehr)

Fläming-Falknerei nahe der Burg

Naturpark-Zentrum Hoher Fläming in Raben

Blumberger Mühle

Naturerlebniszentrum Blumberger Mühle

Fischteiche Blumberger Mühle

Biberbus zur Blumberger Mühle

Grobskizziert – Altlandsberg: Zwei Türme, vier Fließe und die Vorstadt-Eisdiele

Der Oktoberherbst hat es nun auf einmal eilig, trägt scheinbar schon die Novemberbrille auf der knollig-roten Nase. Wenn es nicht gerade regnet, zaubert er hier und da mit dem, was so rumsteht in der märkischen Landschaft. Die dunstige Luft pinselt Stille über die brachliegenden Ackerweiten, ein eben noch sangloser Chaussee-Baum in der Ferne wird durch einen wohlgezielten Sonnenstrahl zur goldgelben Sensation und die ungleichmäßig verstreuten Pferde auf den vielen Weiden des Berliner Umlandes tragen den letzten Schrei in Sachen Pferdejacken, vermutlich aus Paris. Horse couture gewissermaßen.

Herbstlicher Mauerweg am Storchenturm
Herbstlicher Mauerweg am Storchenturm, Altlandsberg

In der Berliner Innenstadt sieht die Sache etwas anders aus. Da braucht es oft hartgesottene Schöngeister oder naturromantische Ultras, um die Schönheiten dieser zeitlichen Jahresregion unter freiem Himmel ausfindig zu machen und zu genießen. Wenn auf grauem Asphalt nasses Laub und weitere Elemente erdtönerne Liaisonen voller Rätsel eingehen. Und genervt zur Stadtgrenze flüchtende Feierabendautos Bordsteinpfützen in dramatischen Wogen auf dem Bürgersteig verteilen, im unklaren Restlicht der klammen Dämmerung. In Bussen und Bahnen kein Blick nach draußen möglich ist, weil die Scheiben dauerbeschlagen sind von all den nassen Jacken. Viele bevorzugen da eher die täglich wachsende Behaglichkeit der eigenen Gemächer, rauschende Heizkörper und großzügig verteilte Teelichte.

Kirche und ???
Stadtkirche und Schlosskirche

Zwei Straßen gibt es in dieser Stadt, die überreich an Haus-Nummern sind – und die beide in starkem Maße ihre einstige Stadthälfte widerspiegeln. Das ist im Westen Berlins die Heerstraße, im Osten ist es die Landsberger Allee. Würden beide um Superlative auf dem Stadtgebiet heischen, käme es bei schneller Betrachtung zu einem klaren 1:1. Denn wo die Heerstraße auf zehneinhalb Kilometern weit über 650 Hausnummern kommt, muss die Landsberger Allee zwar mit 100 weniger auskommen, doch dafür ist sie unter gleichem Namen elf Kilometer lang. Das sind beeindruckende Werte und Umstände, die Berufsanfänger unter den Postboten sicherlich in ausufernde Verlegenheiten bringen können, zumindest in den ersten Dienstwochen.

Mauerweg westlich der Stadt bei den Pferdeweiden
Mauerweg westlich der Stadt bei den Pferdeweiden

Warum die Heerstraße ihren Namen trägt, wurde bereits vor ein paar Monaten kurz unter die Lupe genommen. Die Landsberger Allee nun ist für die meisten Leute, die sie regelmäßig benutzen wollen oder müssen, wohl einfach nur die Landsberger, so wie Einweck-Gläser eben Einweck-Gläser sind oder eine Molle eine Molle, ob mit oder ohne Korn.

Landsberg am Lech ist viel zu weit weg und zudem in völlig anderer Richtung, gleiches gilt für Landsberg bei Halle. Und das an der Warthe dürfte wohl vorrangig älteren Semestern, Geografen oder Heimatforschern geläufig sein. Hier zumindest würde die Richtung stimmen, und zwar ziemlich präzise.

Blick auf die Vorstadt am Berliner Turm
Blick auf die Vorstadt am Berliner Turm

In der Tat ist die Sache viel einfacher und mit einer kurzen Wanderschaft des Zeigefingers auf der Landkarte ergründet – folgt dieser der Landsberger Allee weiter stadtauswärts, landet er auf halbem Weg nach Strausberg schon bald im Städtchen Altlandsberg, das ähnlich nah am Berliner Stadtzentrum liegt wie Bernau oder die Glienicker Brücke.

Mit Bernau verbindet es auch die weitgehend erhaltene Stadtmauer, die sonst im näheren Umkreis Berlins selten zu finden ist. Hauptstadtnahe Stadtmauerreste finden sich noch in Potsdam und auch in Strausberg sowie im ähnlich weit entfernten Nauen, und ein paar Restmeter gibt es auch nördlich der Altstadt von Spandau. Das war’s dann aber auch.

Mauerpfad im Süden der Stadt
Mauerpfad im Süden der Stadt

Altlandsberg

Auf natürliche Weise geschützt war das Städtchen in früheren Zeiten durch sein durchfeuchtetes Umland, was bis heute nachvollziehbar geblieben ist. Da gibt es das Mühlenfließ und das Elsenfließ, das Wederfließ und das Teufelsfließ. Die kommen alle noch recht jung aus dem Dunstkreis der Nachbardörfer herbeigeschlendert und sorgen dafür, dass es nicht nur westlich und östlich der Stadt nach wie vor recht sumpfig aussieht, was sich auch in einem üppigen und vielfältigen Grüngürtel zeigt.

Im Wiesengrund
Im Wiesengrund

Bevor es die Stadtmauer gab, stand ganz am Anfang eine Burg. In deren Schatten wuchs mit der Zeit die Stadt heran, die dann vor mehr als zwanzig Generationen ihre Mauer erhielt. Wie viele andere Städte brannte auch sie von Zeit zu Zeit nieder, mal wegen personeller Unstimmigkeiten, mal aufgrund von Ungeschicken, und auch die Pest zog mehrmals hier durch und hinterließ ihre Schneise der Vernichtung. Der Burg folgten verschiedene Schlösser, derweilen Fürsten und Könige kamen und gingen. Und noch einiges später ließen beide Weltkriege die Stadt weitgehend verschont. Ein Schloss gibt es mittlerweile nicht mehr, dafür ein wiedererstehendes Gut mit schönem Gutshaus.

Obst der Saison
Obst der Saison

Heute ist Altlandsberg ein charmantes und stilles Städtchen, das zwischen seinen beiden Stadttürmen ein angenehmes Maß von Patina trägt und bestens geeignet ist für wiederholte Ausflüge. Rund um das Gutshaus und die Schlosskirche ist allerlei Schönes am Entstehen, vieles auch schon fertig. Für Freunde zünftiger Gaumenbefeuchtung sind seit Kurzem auch Brauer und Brenner an der Arbeit, verkostet werden kann mit Blick auf hölzerne Fässer oder kupferne Kessel. Das Gutsensemble soll in absehbarer Zeit durch einen barocken und wasserreichen Lustgarten komplettiert werden.

Blick über die Felder Richtung Hoppegarten
Blick über die Felder Richtung Hoppegarten

Die Stadtmauer steckt wie im Schraubstock zwischen zwei länglichen Naturschutzgebieten, die sich von Neuenhagen im Süden bis nach Werneuchen im Norden räkeln. Ihre Grenzverläufe muten an wie abstrakte Skulpturen. Das Ausschwärmen zu Fuß ist entlang der Fließe in alle Richtungen möglich und vor allem lohnend, und das eigentlich zu allen Jahreszeiten. Von Nord nach Süd und auch in Richtung Osten wird es vom Fernwanderweg E11 begleitet, der im Süden ein paar Chancen am Wiesengrund verschenkt. Reizvoll ist das Gedankenspiel, dass dieser von der niederländischen Nordsee kommende Weg in Polen über längere Passagen unweit der erwähnten Warthe verläuft – allerdings ca. 25 Kilometer südlich vorbei am dortigen Landsberg.

Stadtansicht aus dem Süden
Stadtansicht aus dem Süden

Die Natur entlang der Fließe ist üppig und vielfältig, zwischendurch gibt es viel Platz und große Weite. So kann man entlang des Langen Elsenfließes nach Steinau und weiter nach Wegendorf spazieren, wobei robustes Schuhwerk nicht schaden kann, für den Rückweg gibt es schöne Wege entlang des Mühlenfließes und vorbei an den Häusern von Neuhönow.

Steinharte Futterrüben
Steinharte Futterrüben

Oder entlang des E11 auf einer alten Allee zum Stauteich und der steinigen Fischtreppe bei Wolfshagen, wobei es viele Pferde zu sehen gibt. Der zugehörige Rückweg auf dem Radweg entlang der Landstraße führt in diesem Fall am Scheunenviertel vorbei zum rundbemützten Storchenturm, wo es eine schöne Einkehrmöglichkeit gibt mit kalkweißen Gewölben, direkt an der Stadtmauer und einer einladenden Allee.

Am Grund des Wederfließes
Am Grund des Wederfließes

Nach Süden schließlich lockt der breite Wiesengrund mit seinen alten Bäumen, der vom Mauerrund auf einem alten Bahndamm zu erreichen ist, auch hier mit einer prächtigen Allee. Wer mehr Auslauf benötigt, kann sich treiben lassen und einen weiten Bogen über das nördliche Fredersdorf schlagen, der von der Geschäftigkeit der Umgehungsstraße kaum gestört wird.

Knorrige Weidenopas auf der Pferdewiese
Knorrige Weidenopas auf der Pferdewiese

Der Weg um die Stadtmauer passt gewissermaßen in eine Hosentasche. Wer mit Kindern nach Altlandsberg kommt, ist bestens bedient mit diesem kleinen Oval, was auch für sonstige Genießer oder temporäre Faultiere gilt. Hier gibt es Pferdeweiden und ein plätscherndes Bächlein, Zauberwälder und reichlich Stoff für ausgedachte Geschichten über die vielen Pforten in der Stadtmauer. Sowie ganz im Norden und ganz im Süden des Mauerverlaufs zwei schöne Spielplätze, einer an einem Teich und einer in einer Senke des Mauergrabens. In diesem Zusammenhang gut zu wissen ist auch, dass es in Sichtweite des eckigen Berliner Turms eine Eisdiele gibt, eine richtig gute alte Eisdiele mit viel Potential für Jugenderinnerungen. Und Waffeln in Muschelform.

Herbstliche Pferde am Reiterhof nördlich der Stadt
Herbstliche Pferde am Reiterhof nördlich der Stadt

Das übrigens ist – zumindest in den Tagen des Sommers – auch die Empfehlung für solche, denen selbst das Umrunden der Stadtmauer noch zu aufreibend im Ohre klingt: einfach ein Eis holen, sich auf eine der vielen Bänke setzen und gucken, wer so guckt. Daran kann nichts Falsches sein.

 

 

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): mit der S-Bahn bis Hoppegarten, dann weiter mit dem Bus (ca. 1 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): auf der Landsberger Allee stadtauswärts über Hönow (ca. 0,75 Std.)

Länge der Tour: ca. 12,5 km (Abkürzungen sehr gut möglich)

Download der Wegpunkte

Links:

Tourismus Altlandsberg

Seite des Heimatvereins mit vielfältigen Informationen zur Stadt

Schlossgut und Tourist-Information (auch Brauerei/Brennerei)

Traditionsreiche Eisdiele Altlandsberg (geöffnet Mitte März-Mitte Okt.)

Einkehr:
Armenhaus Altlandsberg (am Storchenturm; gute Küche, gemütliches Gewölbe)
Mühle Altlandsberg (an der Umfahrungsstraße; bisher nicht besucht)
Wirtshaus Alt-Berg (südlich des Berliner Turms)
La Dolce Vita (italienische Küche im Kellergewölbe; bisher nicht besucht)

Stadtspaziergang Prenzlau: Roter Stein, blaues Glas und etwas Ucker-Wildnis

Von einem Tag auf den anderen ist es Frühling geworden, nachdem zunächst krauchkalte und himmelgraue Wochen die zweite Märzhälfte fest in Schach hielten und sich einen Teufel um den Termin des Frühlingsanfangs scherten. All die Knospen und schüchternenen ersten Blüten knallen unter der kräftigen Sonne ungeduldig auf, schon am Morgen, und entknittern ihre geschickt verpackten Blätter zu einer Schönheit, deren Anblick tief und glücklich einatmen  lässt. Der Tag verlangt nach reichlich freiem Himmel, einen großen See und vielen kleinen Gärten.

Stadtmauer und Steinturm
Stadtmauer und Steinturm

Ganz im Norden Brandenburgs liegt die Stadt Prenzlau. Sie hat noch einen ganzen Teil ihrer Stadtmauer und auch in diesem Rahmen zahlreiche Wolkenkratzer aus historischem Backstein. Im Mittelalter zählte Prenzlau zu den bedeutendsten Städten der Mark Brandenburg. Heute ist es noch die größte Stadt da oben und verfügt standesgemäß über einen schönen Bahnhof, an dem es durchaus lohnt, den Zug zu verlassen oder das Auto abzustellen und ein paar Viertel- oder Dreiviertelstunden durch die Stadt zu streifen oder vielleicht gleich übers Wochenende zu bleiben.

Prenzlau liegt an der Nordspitze des langgezogenen Unteruckersees, und diese Lage prägt die Stadt entscheidend mit. Das alte Prenzlau, also das, was von der mittelalterlichen Stadtmauer und ihren Lücken umschlossen wird, liegt sanft erhaben über der Weite des Sees, zum Ufer hin und auch nach Süd und Ost fällt ein kleiner Hang ab, direkt vom Fuß der Mauer. Zwischen Steintorturm und Wasserpforte, wo dieser Hang direkt nach Süden ausgerichtet ist, gab es über lange Zeit einen kleinen Weinberg. Nach weiteren Jahrhunderten Pause kam vor ein paar Jahren die Idee auf, die Weinbautradition neu zu beleben. Und so geideihen nun im Rahmen der Landesgartenschau von 2013, die im Stadtgebiet an vielen Stellen erfreuliche Spuren hinterließ, seit über fünf Jahren wieder Rebstöcke am Prenzlauer Südhang. Unterstützung deutsch-deutscher Art gibt es dabei aus der Weinregion Rheinhessen.

Verbraucher und Erzeuger
Stillgelegte Verbraucher und tätige Erzeuger

Dass die Stadt einmal sehr bedeutsam war, davon zeugt neben den vielgestaltigen Türmen der Stadtmauer auch die gewaltige und weithin sichtbare Marienkirche, die in den nächsten Jahren grundlegend in Schuss gebracht werden soll und in diesem Rahmen sogar eine neue Orgel erhalten könnte. Vor der Kirche wurde auf dem Marktberg ein einladender Stadtplatz mit Terrassen und allerlei Wasserspielen geschaffen, an dem sich ganz wunderbar beliebige Mengen an Zeit vertrödeln lassen, bevorzugt natürlich in der mützenlosen Zeit. Vom Bahnhof erreicht man die Innenstadt mit ihrer Bummelmeile in ein paar Minuten, in dem man einfach auf den ersten Turm zuläuft, der zu sehen ist.

Wer vorher noch etwas gezähmte Wildnis um sich haben möchte, kann einen kleinen Ausflug zur Ucker einschieben. Nach etwas Stadtrand-Gewerbe zweigt ein Feldweg Richtung Fluss ab, in Richtung Norden türmen sich hinter einer Mauer bunte Stapel von Autowracks vor entfernten Windrädern und lassen den Geist nach einem wortgewandten Sinnbild suchen.

Die Ucker nördlich von Prenzlau
Die Ucker nördlich von Prenzlau

Hinter einem Gleis, auf dem bis zur Jahrtausendwende noch Züge nach Templin ratterten, sind wir mittendrin in der Ucker-Landschaft. Ein kleiner Steg führt übers Flüsschen, dessen klares Wasser zügig fließt, fast eilig, als wär noch Schnee geschmolzen etwas weiter südlich. Noch liegt das blassblonde Gras in seinen Büscheln winterplatt und saftlos hier auf dem feuchten Grund, was auch fürs Schilf gilt, doch schon in wenigen Wochen wird es hier dicht und üppig grünen und mit satten Düften nur so um sich werfen. Mittendrin stehen ein paar Ponys und scheinen wild zu leben hier, wie Vagabunden.

Von der Ucker Richtung Vossberg
Von der Ucker Richtung Voßberg

Voraus liegt weites Wiesenland, begrenzt durch einen sanften Hang, der vor der Erhebung des Voßberges liegt. Ein weit entfernter Wanderschäfer schickt scheinbar seinen Hund los, die Herde zu sortieren. Er selbst befindet sich im Kampf mit einem aufgerollten Zaun in leuchtendem Orange. Aus gleicher Richtung tönt ein Modellflugzeug. Und: es ist kein Hund zu sehen noch zu hören, dennoch rennt die Herde hin- und wieder her – ist das nun bloß der Stand der Technik in der Schäferei – ein Schäferflugzeug mit hochaufgelöster Bildübertragung in Echtzeit? Oder vielleicht der nächste neue Youtube-Star? Und ist das eigentlich steuerfrei, zumal als Nebenerwerb?

Fort von dieser Schar von Fragen führt der Weg über die recht breite Quillow, die mit reizvoll umständlichem Windungen aus dem Mecklenburgischen kommt, am erwähnten Voßberg vorbeischrammt und nur einen Flusskilometer später in die Ucker mündet, deren Dimension mehr als verdoppelnd. Dann ist der angenommene Schnee doch eher in Mecklenburg geschmolzen.

Laubenpfad zur Uckerbrücke
Laubenpfad zur Uckerbrücke

Kurz hinter der Brücke ruht reich an Uferschilf ein Teich, der ein beliebter Treffpunkt für den Abend sein dürfte. Hinterm Bahndamm liegen Kleingärten, und wenn dort die Tore offen stehen, lässt sich ein hübscher mopedbreiter Pfad direkt entlang der Ucker nutzen, die hier ursprünglich durch ihr flaches Bett schleicht. Sind keine Tore offen, kommt man trotzdem zum Pfad, nur etwas später. Eine kleine Brücke führt ans andere Ufer, und dort ist man sofort in Prenzlau. Jenseits der ersten großen Straße wird die Spur der Stadtmauer aufgenommen. Fast direkt vor der Mauer steht die kleine Kirche St.-Maria-Magdalena. Zu ihrer Bauzeit vor reichlich hundert Jahren hieß die heutige Neubrandenburger Straße noch Kuhdamm, und die verbliebene Stadtbefestigung nahm langsam ihre touristische Funktion auf.

Innerhalb der Stadtmauern hat das letzte Kriegsjahr 1945 fast nichts verschont, kaum Altes stehenlassen. Doch da das Neue nicht zu hoch gebaut wurde, wirkt die Stadt nicht unterkühlt, bringt leise Ihren schon nördlichen Charme zum Spielen. Dabei helfen maßgeblich die meist backsteinernen Bauten aus vergangenen Jahrhunderten, die fast überall im Stadtbild präsent sind, meistens hochkant von Gestalt. Von nahezu jeder Stelle ist einer der vielen Mauertürme zu sehen, die Mauer selbst oder ein Kirchturm.

Friedrichstraße Richtung Norden
Friedrichstraße Richtung Norden

Etwas Zickzack führt zur Friedrichstraße, der gemütlichen Laden- und Bummelzeile der Stadt, die in etwa zwischen Stettiner Torturm und Steinturm verläuft, ein Stück davon als Fußgängerzone. Im Zentrum des Mauerrings wurde hier auf dem Marktberg der erwähnte Stadtplatz mit den Wasserspielen geschaffen, der Modernes und Altes recht gelungen verbindet. Um ein Haar hätte hier ein Einkaufszentrum gestanden, doch die dazu befragten Prenzlauer entschieden zweifelsfrei dagegen – und damit für ihre einladende Friedrichstraße sowie für einen klaren Charakterzug in der Stadtmitte.

Vielfältiger Blick vom Marktberg
Blick vom oberen Plateau des Marktberges

Vom oberen Plateau des kaum drei Jahre alten Platzes bietet sich ein eindrucksvoller Panorama-Blick, bestehend aus der wuchtigen Ostfassade der Marienkirche, den Türmen von Heilgeistkirche und Mitteltor und den Fontänen des unteren Plateaus, die immer in Bewegung sind und scheinbar gut gelaunt. Bleibt der Blick am Turm des Mitteltores hängen, kann es sein, dass ein Groschen fallen will und nicht gleich fällt – eben dieser war Inspiration für beide Türme auf Berlins schönster Spree-Brücke, wo ehemals der Oberbaum der Stadt kurz überm Wasser hing und dafür sorgte, dass kein Wegezoll durch städtische Lappen ging.

Turm-Ruine mit Durchblick
Turm-Ruine mit gut gelauntem Durchblick

In der Steinstraße, der Verlängerung der Friedrichstraße nach Süden, wird der Blick mehrfach abgelenkt, zuerst vom schifflos dastehenden Ruinen-Turm der einstigen Nicolaikirche mit seinem kleidsamen Bullauge. Von dort tönt diffus Musik wie von einem großen Glockenspiel und lockt hinein in den Hof. Bis zuletzt ist unklar, ob die Klänge oben vom Turm her kommen oder dahinter ein bepackter Straßenmusiker steht und spielt an diesem Platz – es ist keine Melodie, dennoch uneingeschränkt melodisch und passt ganz wunderbar zur Atmosphäre dieses Ortes. Wir treten durch das hohe Portal und sehen dahinter ein Mädchen still begeistert hin- und herspringen, unter ihr neun Stahlplatten mit neun Tönen, angeordnet im Quadrat.

Pfad entlang der Stadtmauer

Zurück auf der Straße zieht der Steinturm den Blick wieder nach vorne, doch kurz darauf schweift er erneut nach rechts, diesmal zum ruhigen Hof des Dominikaner-Klosters, auf dem ein lebensgroßer bunter Harlekin sein Schalkwerk treibt. Von hier ist die Stadtmauer zu sehen, in ihr eine Pforte, und auch diese lockt. Das tut sie ganz zu Recht – direkt dahinter beginnt unmittelbar vor der Mauer ein zauberhafter Gang, erst schmal, doch wenig später schon zwei Leute breit. Zu Füßen dieses leicht erhabenen Mauerpfades liegen die kreisrunden Gärten der Landesgartenschau, der junge Weinberg mit seiner steilen Treppe zu den Gärten und die Freiluftbühne. Durch alles zieht sich markant eine Spur aus blau-weiß-gläsernen Beeten, in denen die Sonne ihre Spiele treibt, sowohl von Nahem als auch von hier oben. Ein kleiner Vorgriff auf den Unteruckersee, dessen weite Fläche sich mit gewisser Sogkraft voraus erstreckt.

Seepromenade am Unteruckersee
Seepromenade am Unteruckersee

An der Wassertorpforte führt ein Weg von der Stadtmauer hin zur Uferpromenade mit dem neuen Stadthafen, wo sich schon ärmellos die Leute tummeln und das Gras plattliegen, an diesem lang ersehnten ersten Tag mit reichlich Frühlingssonne. Selbst griesgrämigen Menschen zieht es heute die Mundwinkel eher nach oben als nach unten, ob sie es wollen oder nicht.

Kussgarten und Weinberg
Kussgarten und Weinberg vor der Stadtmauer

In die andere Richtung führt die breite Promenade als alte Allee zum Bade hin, vorbei am unteren Tor zum LaGa-Park mit seinen Gärten. Wer dort nur mal kurz reinschauen will, läuft Gefahr, am Ende doch alle Gärten besucht zu haben, denn ein Garten macht neugierig auf den nächsten. Das jedoch ist selbst in Familie und mit verschiedenen Interessen kein Problem, da man sich nahezu von überall gegenseitig entdecken und zuwinken kann. Das gilt auch für den fantasievollen Spielplatz dicht am Ufer.

Blauweißer Glasmulch auf den Beeten
Blauweißer Glasmulch auf den Beeten

Hinter dem Kreisverkehr am Bad neigen sich die Stämme der Allee landeinwärts – ein ganz spezieller Fall von Windflüchtern, da sie in langer Doppelreihe stehen und baumeshoch gewachsen sind. Wie ein im Tanz erstarrtes Ballett von meterdicken Ballerinas – oder doch eher Ballerinos. Zwischen den zurückweichenden Platanen strömen jetzt neben den schlendernden Spaziergängern etwas hastiger kleine Scharen von großen Jungs und Mädchen. Den Strom zieht es zum Sportplatz, denn dort ist irgendwas im Gange, ein Fest oder ein Spiel.

Betagte Windflüchter an der Uferstraße
Gestandene Windflüchter an der Uferstraße

Noch vorher lockt die Option zur Abgeschiedenheit, ein Wiesenpfad folgt dem Lauf eines Rinnsals zu den Gärten in der zugehörigen Senke. Früher oder später führen die Wege über den Städtischen Friedhof zurück in die Stadt, die außerhalb der Mauer. Vorbei an einer neuen Schule und einem knuffigen Imbiss mit Biergarten ist man bald im langgezogenen Stadtpark, der mit seinen hochgewachsenen Bäumen unterhalb der Mauer liegt. Er wirkt ein wenig wie ein Refugium der Einheimischen, wenn sich an Südmauer und See die Stadtbesucher drängen. Auch hier stehen Türme auf der Mauerlinie, und die lichten Wiesen tief unter den teils krähenbewohnten Wipfeln sind hier und da überzogen von Frühblühern, solchen der ersten Stunde.

Im Stadtpark an der Ostmauer
Im Stadtpark an der Ostmauer mit dem Hexenturm

Vorbei an einem letzten kleinen Park, von vorn kommt auf dem Rad ein Junge mit dem Lenker in der einen und zwei Pizzen in der anderen Hand, die Krönung dieses Tages dicht voraus. Von hier sind es nur noch ein paar Schritte bis zum Bahnhof, wo der facettenreiche Kreis sich schließt. Das Tageslicht hingegen ist lang noch nicht am Ende.

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): regelmäßig mit der Regionalbahn (ca. 1,5 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): entweder über Land (B 109, ca. 1,75 Std.) oder über die Autobahn (A 11, ca. 1,25 Std.)

Länge der Tour: max. 11 km (Abkürzungen sehr gut möglich)

Download der Wegpunkte

Links:

Tourismus-Informationen zu Prenzlau

Informationen zur Landesgartenschau 2013

Weinbau in Brandenburg (PDF)

Marktberg – Prenzlaus neue Mitte

Oberbaumbrücke in Berlin

Dominikaner-Kloster Prenzlau

Einkehr: zahlreiche Möglichkeiten im Stadtgebiet, konzentriert in der Friedrichstraße

Müncheberg: Stadtmauern, Sackgassen und die Spur der Schafe

Manchmal hat man schlichtweg Pech, und das, was bei der Planung einer Tour so schön aussah, verträgt sich ab einem bestimmten Punkt so schlecht mit den Gegebenheiten vor Ort, dass die Runde notdürftig beendet werden muss. Was kurz gefasst meistens bedeutet: arm an Abwechslung und reich an Verkehr.

Manchmal hat man dabei Glück, kann das Steuer noch rechtzeitig rumreißen und die Tour live und vor Ort mit glutheißer Nadel zu einer völlig anderen, doch ebenfalls harmonischen umstricken. Oder hat bei Unwägbarkeiten von vornherein Plan B im Ärmel. Nützt jedoch gar nichts, wenn der Tag so heiß ist, dass keine Ärmel mit dabei sind.

Ebendiese Hitze des Tages fällte die Entscheidung für die luftige Landschaft rund ums Städtchen Müncheberg, einem der Tore zur Märkischen Schweiz. Durchreisende werden sich an zwei Kreisverkehre erinnern, zwischen denen sich das Leben des Ortes abspielt, etwas genauer Hinschauende an zwei Stadttürme, einer rund, einer eckig, zwischen denen die eigentliche Stadt liegt. Bleibt also eher wenig übrig, das man einem, der fragt, berichten könnte. So auch im eigenen Kopf, doch das sollte die Stadt an diesem Tage ändern. Und zwar erheblich.

Kirche auf dem Hügel über der Stadt
Kirche auf dem Hügel über der Stadt

Nach kurzem Kaffeehalt am Kaufhallenbäcker vor dem Stadtturm gen Frankfurt vor zur Kirche mit ihrem faszinierend hohen Durchgang und dort abgestellt. Ein kniehohes Buchsbaum-Labyrinth entlang der Treppen sorgt nicht für Verwirrung, doch für einen schönen Duft von Kirchhof, auf dessen kleinem Wiesenplateau auch eine herrlich schattige Bank steht. Aus heutiger Sicht durchaus ein Platz, diesen Tag in Gänze, intakt und sinnvoll zu verbringen, denn von hier lässt sich aus kühler Lage jegliches Geschehen da unten schön beschauen. Machen wir trotzdem nicht, sondern steigen hinab, flanieren kurz entlang der kleinen Reihe von Geschäften und zurück und biegen direkt unterhalb der Kirche ab, nach „draußen vor der Stadt“. Jemand macht fleißig, doch nicht nützlich klingenden Lärm mit einer Motorsense und wir sehen zu, dass wir Land gewinnen.

„Draußen vor der Stadt“ wird sogleich anschaulich, als am Ufer eines schilfumstandenen Sees die nächste schattige Bank unterm bewegten, bodenlangen Vorhang einer Trauerweide steht und das Geheul des Sensenmannes schon weit weg erscheint. Der See kurz vor der Stadtmauer heißt Waschbanksee, und bestens formt sich die Vorstellung, wie die wirklich fleißigen Waschweiber mit den schweren Körben voller Wäsche nach draußen vor die Stadt ziehen und dort ihr schweißtreibendes Handwerk verrichten. Dass diese Vorstellung nur von Filmausschnitten und nicht von eigenem Erleben befeuert wird, nimmt ihr nichts an Wirksamkeit.

Vorbei an einem langgestreckten Garten, unter den Armen seiner Streuobstbäume ein großes, dichtes Feld von strahlend weißen Margeriten, das jeden Apfel unauffindbar schlucken würde, wäre jetzt schon Fallobstzeit. Kurz dahinter sitzt ein gemütlicher Angler am besten Uferplatz und strahlt den schönsten Frieden aus. Der wird heute Abend auch auf einen schönen Tag zurückblicken können.

Blick über den Waschbanksee auf die Stadt
Blick über den Waschbanksee auf die Stadt

Den See im Rücken führt der Weg nun unerwartet quer durch eine leicht gewellte Wiesenlandschaft mit wirklich bemerkenswerten Weiden, scheinbar lebende Skulpturen eines angenehm durchgeknallten Künstlers, extraknorrig mit schon sagenhaftem Alter und weitreichendem Wurzelwerk, das niemals über Wassermangel klagt. Denn alles Land rund um die Stadt ist feucht bis nass, was wenig später dafür sorgen wird, dass wir für eine halbe Stunde etwas ratlos sind.

Das mit dem allgegenwärtigen Wasser ist insofern ein wenig kurios, als dass die Stadt leicht tälern liegt und all das Nasse ein paar Meter höher. Dass das so ist, wird uns durch den Umstand klar, dass wir während der Tour nicht wie erwartet immer wieder als Konstante der Umrundung den Kirchturm durchlugen sehen, sondern dieses nur ein einziges Mal. Die Erkenntnis: die Stadt liegt im Tal. Da nützt es auch nichts, dass die Kirche wirklich einen beachtlich hohen Turm hat und obendrein noch einiges erhöht im Städtchen thront. Und von der Landstraße überall zu sehen ist. Das nasse Umland bringt auch mit sich, dass viele Wege und auch Straßen nach Kurzem enden, auch wenn der Grund dafür nur überspringbar schmal ist. Theoretisch überspringbar.

In dieser Landschaft stoßen wir nun erstmals auf die Spur der Schafe, die bis vor ein paar Augenblicken doch noch hier gewesen sein müssen – ihre Präsenz lässt sich noch förmlich spüren. Die an Schlupfwinkeln reiche Wiese ist professionell von Schafesmäulern kurzgerupft, was als Geräusch übrigens erstaunlich laut ist, wenn man nicht weit davon entfernt ein Mittagsschläfchen halten will. Der Blick auf diese Landschaft hier verleitet zu ausgiebigem Schwärmen.

Doch es sind keine Schafe hier. Am Abzweig zum abseits liegenden Gehöft Landhof kurz auf Kopfsteinpflaster und dann gleich wieder rechts auf einen Weg, der wieder wiesig und gleich noch ein bisschen schöner ist, die Weiden hier nicht minder eindrucksvoll und noch dazu in großer Zahl. Umgestürzte Riesen schicken einfach gänzlich neue Stämmchen Richtung Himmel und schaffen für ganze Schafherden die herrlichsten Plätze für die Rupfpause, zugleich Schattenspender und Rückenlehne. Eine größere Kuhle in den Armen eines solchen Baumes ist mit platinblondem Stroh ausgepolstert und macht neugierig darauf, sich selbst mal drin zusammenzurollen. Jetzt ist sie wieder greifbar, diese Schafpräsenz, und doch ist keiner da.

Schafweidewiesen mit alten Weiden
Schafweidewiesen mit alten Weiden

Hinten hin zum See zeigt sich die Botanik förmlich überbordend in all Ihren Stockwerken vom Schilf bis zu den Baumwipfeln, dasselbe auch links rund um die Weiher von Augustenaue. In einem der Gärten vor der Stadt sind alle Pfingstrosen zur selben Zeit aufgeknallt, verströmen hier ein Konzentrat von ihrem Duft und sind dabei schon wieder am Vergehen.

Der äußere Weg entlang der Mauer ist schattig, fast ein bisschen kühl noch, während draußen die Sonne brettert, nicht gnadenlos, doch mit Nachdruck. Über einen entenbegrützten Graben voll zahlloser Grüntöne wechseln wir in eine kleine zauberhafte Welt phantasievoller Kleingärten. Eine trapezförmige Restecke, etwa so groß wie drei größere Stranddecken, ließ sich wohl nirgends zuordnen und wird nun frei von Beeten als lauschiges Wiesenzimmer genutzt, ausgestattet mit einer Pforte, zwei meist schattigen Stühlen samt Tisch sowie außenherum einer hohen und dichten Hecke zu den anliegenden Parzellen. Ein paar entgegenkommende Mädchen werfen uns einen entspannten Gruß zu, was heute noch öfter passieren wird.

Links der Landstraße, die kaum sichtbar bedeckt ist von Spuren einer Schafherde, verläuft leicht unterhalb ein schöner Pfad, vorbei an einem froschtönenden länglichen Teich. Obwohl man sich einen Teich auf jeden Fall immer etwas mehr rund vorstellen würde, als es dieser ist. Vorbei am Jahn-Denkmal (gemeint ist tatsächlich der Turnvater), das vor über hundert Jahren von knapp zwei Dutzend Turnverbänden der Umgebung hier errichtet wurde, wechseln wir in den gegenüber verlaufenden Waldpfad entlang des Wohnviertels.

Das Straßenzickzack durch die locker bebaute Siedlung ist fast schattenlos, umso schöner, als der von Pfaden und Wegen durchzogene Wald erreicht ist. Das leise Schnaufen nach dem winzigen Anstieg hinterm Diebsgraben ruft in Erinnerung, wie heiß es heute ist. Obwohl wir schon den Schlurf eingelegt haben. Also noch etwas kleinere Drehzahl.

Wie zu Beginn kurz erwähnt, lauert jenseits der Straße zwischen Müncheberg und seinem weit außerhalb liegenden Bahnhof ein Problem. Lange war kein Hindernis mehr so unumschiffbar, wie jetzt das Gelände des Instituts, das sich mit Agrarlandschaftsforschung und Insektenkunde befasst. Zwei wissenschaftliche Forschungsrichtungen, die für den Moment stark an Sympathiewert einbüßen, da das Gelände komplett eingezäunt ist und alle zur Umgehung taugenden Wege an irgendetwas Nassem enden. Das wäre jetzt so schön gewesen, sich beim Flanieren durch die wogenden Felder luftiger Agrarlandschaften Bienen und Käfer vom Winde am Ohr vorbeipusten zu lassen, gern auch eine Libelle, die ja ebenfalls zu den Insekten zählt. Aber Pustekuchen, wie der Berliner manchmal sagt.

Nach Müncheberg zurückzukommen, ist absolut kein Problem, immer geradeaus entlang einer verkehrsreichen Straße, mit eigenem Fußweg und anfangs sogar schattig. Etwas bockig wagen wir dennoch am Schwarzen Weg einen Ausbrech-Versuch auf gut Glück, doch landen entweder an Zäunen oder in weglosen und vegetationsreichen Regionen, gut geeignet für die Mückenaufzucht. Zugegeben, hier muss ja nun auch niemand dringend lang.

Also zurück und die längst fällige Rast im leidlich windigen Buswartehäuschen eingelegt. Ein Bus aus Hohenwestedt hält, lässt ein paar Leute aussteigen und uns aufhorchen. Vor einer halben Stunde kamen wir am winzigen Straßenstummel der Hohenwestedter Straße entlang, die umgeben war von landläufigen Namen wie Flora-, Garten- und Waldstraße. Hohenwestedt liegt weit nördlich in Schleswig Holstein – ist das ein kurioser Zufall? In der Tat handelt es sich um eine Städtepartnerschaft, die uns hier geschickt serviert wurde. Und dort in Hohenwestedt, da im Norden, dort gibt es einen Straßenstummel namens Müncheberg.

Fuß des Frankfurter Turms (der mit dem Storch)
Fuß des Frankfurter Turms (der mit dem Storch)

Auf dem Fahrrad fährt jemand mit einem fast noch vollständigen Eis vorbei, von der Stadt kommend. Das wäre es jetzt. Ein Eis. Unbewusst legen wir einen Schritt zu. Und am nördlichen Kreisverkehr von Müncheberg, da wohnt es, das Eis – standesgemäß im Ristorante. Ab jetzt wird alles gut – und die leicht verschlungene Quintessenz der Runde am Ende zwar kurz, doch so formvollendet schön, dass ich sie allerbesten Gewissens unten in der Karte anbieten kann.

Mit dem Eis auf der Faust verlassen wir die Stadt erneut, durch ein Gewerbegebiet der ganz alten Schule, bestimmt hieß sowas früher anders. Der Weg dorthin führt vorbei an vier weiteren dieser Wege, die wegen Wassers abrupt enden, so zumindest meint die Karte. Erneut über den Diebsgraben, dann entlässt die Straße kurz in die ursprünglich angestrebte luftige Weite der Wiesen und Felder. Nach zwei Minuten geht es rechts in einen sandigen Feldweg, begleitet von Nachtigallen, gut bei Stimme, und einer Duftmischung aus wilden Rosen und Holunder in seiner Hochblüte. Das dichte Grün links und rechts dampft schwüle Luft heraus an diesen Stellen, wo der Wind keine Chance hat. Geradeaus führt ein Trampelpfad entlang eines kleinen Wassergrabens und widerlegt dabei zwei der eben erwähnten Sackgassen, eine zu befahren, die andere definitiv nur zu Fuß begehbar. Und das auch nicht mit breitkrempigen Hüten, wirklich, dazu ist dieser Pfad zu schmal.

Auf einmal, vorbei an einem Hügelchen mit Gipfelbank, steht man wieder vor der Stadtmauer und staunt, wieviel davon doch noch zu stehen scheint. Denkt kurz an Städte wie Altlandsberg und Bernau, auch an Templin natürlich, wo sie noch die ganze Stadt umschließt.

Dicht am nicht allzu hohen Gemäuer gibt es jetzt schon Schatten, der willkommen ist. Der Weg ist zauberhaft, mit alten Bäumen, und auch hier im Norden gibt es die vorgelagerten Gärtchen. Drei Kerle decken ein kleines Laubendach mit roten Pappschindeln, mitten in der prallen Sonne. Fluchen und reißen Witze dabei, was beides zu verstehen ist.

Nach Westen und auch nach Norden ist die Stadtmauer noch vollständig, teils erhalten, teils gekonnt nachgebaut. Hier und da ein Loch mit Pforte drin und mal auch ohne, ein paar der Pforten unverschlossen und als Durchgang nutzbar. Beim großen Parkplatz mit eigenen Stiegen hinauf zum Kirchhügel steht unter einer großkronigen Rotbuche in tageslangem Schatten eine Bank, wo es sich gut entspannen lässt.

Östlich der Stadt wird die fehlende Mauer durch eine lose Reihe stattlicher Baumstämme fortgeführt, bis hin zum stämmigen Fuß des runden Frankfurter Turms, aus gutem Grund auch Storchenturm genannt, und das wortwörtlich zu verstehen schon seit Kaisers Zeiten. Der diensthabende Storch ist da und zeigt sich so aufrecht stehend und ausführlich, als bezöge er von der Stadt ein festes Honorar.

Kurz darauf übernimmt bis um die Ecke eine Backsteinmauer, bald abgelöst von einem gelungenen Zitat aufs Original. Dieses ist baumesdick und errichtet aus verschiedensten Feldsteinen, deren durchweg skandinavische Herkunft hier und da im Detail beschriftet wurde. Von Mittel- und Südschweden kommen sie sowie auch aus der Gegend um Oslo und von den Åland-Inseln, die zwischen Finnland und Schweden verstreut als Schären in der Ostsee liegen. Danke für den Gruß!

Nördliche Stadtmauer
Nördliche Stadtmauer

Nach einem Abstecher zur schönen Rundbank am Waschbanksee und dem sachlichen Anblick eines Parkhauses, dass zur Entspannung des Stadtbildes beitragen dürfte, setzt sich die echte Mauer wieder fort, nun fast schon vertraut begleitet von alten Laubbäumen und schönen Gärtchen. Kurz die eigenen Wege gekreuzt, dann dem Bogen der Mauer gefolgt und zum zweiten Mal zum Ristorante. Am Kreisverkehr zeigen sich ein letztes Mal klare Spuren einer durchziehenden Schafherde, was sich bei der Einkehr thematisch aufgreifen lässt – zum heißen Tag passt neben etwas großem Kühlen gut ein Salat nach Art des Schäfers.

Der Wind streicht angenehm zwischen den Tischen hindurch, und am Kreisverkehr lassen sich zwar keine Schafe, doch kleine Herden umherziehender Kinder beobachten sowie zahlreiche Autos mit Anhänger, die hintendrauf jeweils zwei Strohrollen zu liegen haben – sollte es heute wirklich etwas werden mit dem Regen, dem lang ersehnten? Werden hier die Schäfchen ins Trockene gebracht?

Gut, dass jetzt sofort noch Gelegenheit zu tausend Schritten ist – vom eckigen Berliner Torturm weiterhin entlang der Mauer. Nochmal vorbei an den drei Dachdeckern, die jetzt fertig sind und verwundert schauen: sind die da nicht vorhin schon mal vorbeigekommen – oder war die Sonne doch zu heiß? Bis zur Rotbuche mit der Schattenbank. Von hier führen wie schon erwähnt die schönen Stiegen hoch zur Kirche, vorbei an einem überlebensgroßen, verschmitzten Zisterziensermönch aus Holz und mit Bezug zum Namen Müncheberg. Die Wolken werden dichter und auch grauer, der Wind frischt auf, und wenig später bricht der Regen los und nimmt mit sich die Spannung aus dem Tag.

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): Regionalbahn von Berlin-Lichtenberg, dann von Müncheberg Bhf. mit dem Bus in die Stadt (ca. 1 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): auf der B 1 Richtung Osten bis Müncheberg (gut 1 Std.), parken lässt sich auf dem großen Parkplatz nördlich der Kirche vor der Stadtmauer und auch im Stadtgebiet

Tourdaten: bereinigte Tour ca. 6,5 km (1-2 Std., da es viel zu gucken gibt); Empfehlung (mit kurzer Doppelung): von der Kirche südlich aus der Stadt und über die Wiesen wieder zurück, dann innerhalb der Stadtmauer zum Berliner Turm; von dort außerhalb der Stadtmauer fast einmal rund herum entlang der Mauer; vor dem Berliner Turm links zum Kreisverkehr, dort nördlich aus der Stadt heraus und wieder zurück zur Mauer, dieser folgend bis zur Kirche

 

Download der Wegpunkte

 

Links:

http://www.stadt-muencheberg.de

http://www.zalf.de (Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung)

http://www.steinofen-baeckerei.de (Hennigs Backstube, Hauptsitz Hennickendorf)

Einkehr:

Ristorante Il Siciliano, Eberswalder Str. 1 (am westlichen Kreisverkehr, Nähe Berliner Tor)
(gute Küche, rote Fassbrause, freundliche Bedienung, elegante Einrichtung)