Am Sonntag nach Frühlingsanfang wird Berlin um eine Idee reicher sein, wobei die Zahlenfolge 2-4-3 nicht nur im Datum eine Rolle spielt.
Dafür wurde in den letzten Jahren mancher Tag mit der Suche nach einem schönen Weg zugebracht, der mit regelmäßigen Blicken auf den Fernsehturm aus verschiedensten Himmelsrichtungen aufwarten kann und dabei manche Endstation der S-Bahn mitnimmt.
Hauptkriterien für die Wegfindung waren Abwechslung, Schönheit und eine gewisse Nähe zur Berliner Außenkante, quasi dem Gürtel der Stadt.
Eine bebilderte Beschreibung zwischen Buchdeckeln ist beim BeBra Verlag bereits in Arbeit.
Der Winter feiert sich selbst, schon seit ewig, hat der Sonne mit ernstem Strichmund Hausverbot erteilt. Immerhin sieht er über gelegentliche Verstöße gnädig hinweg, solange es nicht aus dem Ruder läuft. Meist passiert das an Arbeitstagen, sodass an freien Tagen wieder das kriechkalte Klammgrau verlässlich auf der Matte steht.
Selbst wer zu den Leuten zählt, die bevorzugt zu jeder Jahreszeit rausgehen, muss nun in dieser Hinsicht hartgesotten sein. Dazu gesellten sich jüngst noch spitzfindige Spielarten wie zu Blitzeis gefrierender Sprühnebel, der sich dem Radar und somit der Wetterwarnbarkeit vollständig entzog. So mancher dürfte sich an diesem Tag auf allen Vieren wiedergefunden haben, im besten Fall auf Augenhöhe mit einem der allerersten Schneeglöckchen.
Tristes Wetter und glatter Boden sind nichts, was die winterfeste Vogelwelt groß interessieren dürfte, und so sind wie gewohnt all die bekannten Kehlen in der Höhe zu vernehmen. Sowohl Gänsen als auch Kranichen ist es dabei halbwegs schnuppe, ob sie über der großen Stadt von da nach dort fliegen oder überm farbfahlen Land, denn Schlaf- und Futtergründe finden sich da wie dort. Via Hörkanal ermutigend für die krisenwunde und unwirsche menschliche Seele sind im kleineren Register die selbstbewussten Wintermeisen und die truppweise auftretenden Finken, fast schon knallig bunt wirken in diesem Januar die Rotkehlchen mit ihrer klaren Farbcodierung.
Hier auf der Seite war ja in den letzten Monaten nicht eben viel Betrieb, zuletzt die Bergtour im September, wo die Natur noch saftig bunt und voller Volumen war. Ab Oktober begann dann die endlose Zeit mit wenig Licht und viel Wasser von oben, die manches Gemüt stark herausforderte, im Gegenzug jedoch immerhin einen Boden hinterließ, der auch jenseits der oberen Schicht ganz passabel gesättigt ist. Das war lange nicht der Fall.
Neben dem Umstand, dass all diese Wochen wenig fotogen waren, gab es während des reichlichen Vierteljahres unter anderem eine zeitfordernde Nebenaufgabe mit Bezug zum Berliner Stadtgürtel, welche im Frühjahr konkrete Formen annehmen soll. Erzeugter Text floss vor allem dorthin und ließ sich deswegen hier vermissen.
Schildow
Nennenswert farbkräftig hinsichtlich blauem Himmel oder gelber Sonne ging es auch im neuen Jahr noch nicht zu, nur in einzelnen Stunden an einzelnen Tagen. Die Lust auf draußen ist trotzdem da, wenn auch etwas schwächer auf der Brust oder behutsam hinterfragt, und bewegt sich in mehreren Hinsichten in Graustufen. Doch sollte man sich von miserablem Wetter nicht ins Bockshorn jagen bzw. ans Haus fesseln lassen und als Ausgleichsmaßnahme die Touren etwas kürzer bzw. optionsreicher halten und mit gemütlichen Pausenorten anreichern, sofern das möglich ist.
Aktuell sind bezüglich Anreise neben einem abschwellenden Bahnstreik noch Blockaden von Autobahnauffahrten durch schweres Landgerät zu beachten. Also besser kurz halten und am besten innerhalb von Bahn- und Autobahnring bleiben. Schon lange auf dem Zettel stehen die Teiche bei Mönchmühle und der dortige Abschnitt des Tegeler Fließes kurz vor dem Eintritt ins Berliner Stadtgebiet.
Die erwähnte Glätte ist gerade so vergangen, der Boden noch gefroren, was sich in dieser Kombination als gut für die heutigen Wege erweisen soll. Die erste Portion Behaglichkeit gibt es beim Handwerksbäcker in Schildow, wo neben köstlichem Backwerk und heißem Kaffee gerade eine schöne Portion echten Lebens serviert wird. Ein älterer Herr kommt rein, nicht gänzlich symmetrisch in allem, und startet wortreich und immer wieder abschweifend seinen Bestellvorgang, war wohl länger nicht mehr hier. Er kommt gerade aus der Reha, ist geflohen bzw. hat sich nach drei Tagen selbst entlassen vom Knüpfen, Fädeln und Körbeflechten mit irgendwelchen Leuten, mit denen er gefühlt nichts gemeinsam hatte außer der Diagnose.
Das Schlimmste an dem ganzen Mist, sagt er, ist im Nachhinein, dass er beim Autofahren nicht mehr rauchen kann. Weil er die Zigarette nicht mehr sicher im Griff hat. Naja, und wenn die beim Fahn irgendwo hin flutscht und ihr Ding macht, könnsesjavorstelln, dittis keen Spaß. Na und denn wolltense mia sohn Nikotinflasta fapassn. Nüscht! Aus der kurzen Warteschlange kommen sofort die heiteren Hinweise, dass man die Dinger so schlecht angezündet bekommt oder dass die keine zwei Minuten halten, wenn man sie sich auf den Mund klebt. Er dreht sich halb, schaut erstaunt, Sie ham wohl jelauscht? Der Laden ist etwa so groß wie ein großer Teppich und sein Organ recht präsent. So isset, gelauscht, allemiteinander.
Am nördlichen Bahnübergang in Schildow sind die Straßen nach Musikern benannt. Darunter haben sich irgendwie Schiller, Lessing und Fritz-Reuter gemengt, die aus dem benachbarten Schreiberlingsviertel mehr oder weniger hinüberragen. Auch einige der Musiker haben es im Gegenzug bis ins genannte Viertel geschafft und stehen also für eine offengeistige Verzahnung der beiden Künste an diesem Ort.
Ein kleiner Wiesenschleich führt von Reuter zu Lessing und bald zum Tor des schönen Strandbades am Kiessee, das im heutigen Fahlgrau auch nur trist daliegen kann. Selbst die Farbkleckse von Leuchtturm und Rettungsschwimmergerüst knallen farblich nicht so richtig rein. Anders in kommenden Jahreszeiten, wo dieser Ort mit dem umrundbaren See und den Stränden idyllisch und überaus einladend ist.
Rechts am Zaun verläuft ein Pfad, der sogleich an einem hüfthohen Gletscher vorbeiführt. Ein aufgestockter Gulli gibt tröpfchenweise Wasser ab, das zu einem kieshaufengroßen Eisding gewachsen ist – wie Tropfstein von unten. Er kalbt bis über den Pfad und lässt nur einen winzigen Streifen zwischen Zaun und Gletscherrand, auf dem sich auch ohne Spikes an den Sohlen die Bodenhaftung behalten lässt.
Gleich darauf folgt eine leicht verwunschene und sogar beim heutigen Licht romantische Passage entlang des Tegeler Fließes, hinter dem am anderen Ufer privilegierte Gärten liegen. Die flachen Uferzonen sind von Halbgefrorenem bedeckt, in der fließenden Mitte spielt sich einiger Ententumult ab, inklusive der typisch winterlichen Geräuschkulisse solcher Zusammenkünfte. Die Ufer borden über und wirken wild, das Fließ naturbelassen. Möglichweise steht das Wasser ein paar Zentimeter höher als gewöhnlich, den regenreichen Zeiten geschuldet. Das reichliche Laub am Boden verheißt schattigen Uferwald in anderen Jahreszeiten.
Löwenzahnpfad
Nach der Bahnbrücke am S-Bahnhof Mühlenbeck-Mönchmühle, dessen Name für mich als Jugendlicher ein moderater Zungenbrecher war, ist neben dem Mühlenwanderweg schon der Löwenzahnpfad ausgewiesen. Klingt beides schön und verheißungsvoll, doch heute wird es der letztere. Noch wissen wir nicht, dass die kleine Tour für eine gute Stunde bester Unterhaltung steht, denn diese überschaubare Runde ist vollkommen ausreichend als Tagesziel, eignet sich zudem bestens zum Anfüttern von kleinen oder größeren Kindern und lässt sich überhaupt nicht davon beeindrucken, dass der namensgebende Pfad zwischen zwei stark befahrenen Außenringen und unweit des höchsten Deponieberges weit und breit liegt. Je nach Windrichtung dürfte entweder die Bahn oder die Autobahn akustisch gegenwärtiger sein. Der Berg hingegen liegt gänzlich still.
Den Genuss stört das nur in Maßen, da die Landschaft besonders ist und der Weg so zauberhaft schön, es zudem so viel zu gucken und entdecken gibt. Kurz gefasst erinnert es ein bisschen an eine Mischung aus der nahen Hobrechtsfelder Waldweide und den weiter entfernten Teichen an der Blumberger Mühle bei Angermünde – auch beides besondere Ausflugsziele, zu denen man immer gerne wiederkommt. Das dürfte auch für die Löwenzahn-Runde um die Schönerlinde Teiche gelten, denn hier wird wohl eine jede Jahreszeit Markantes hinzufügen und charakterprägend sein. Gleich hinterm Rand der Millionenstadt.
Zunächst geht es zwischen einem Baumstreifen und Feldern auf die Kammlinie der Arkenberge zu, eine durchaus eindrucksvolle Bildmischung, insbesondere mit dem Gedanken, dass man grad noch in der S-Bahn saß. Im kahlen Geäst huscht es überall, ist grad noch flattrig und dann still. Bei den ersten Weidezäunen beginnt das Feuchtland, sogleich gefolgt vom ersten der zahllosen Teiche. Dass es sich einmal um Rieselfelder handelte, später dann um Karpfenteiche, bezeugen noch zahlreiche gut erkennbare Dämme, insbesondere später, wenn der Weg etwas erhöht verläuft und Draufsicht gestattet.
Schönerlinder Teiche
Hier steht auch die ersten von zahlreichen Tafeln, die farbkräftig und ansprechend gestaltet sind. Viel Information in möglichst wenig Text und jeweils etwas schöne Spielerei, die ohne Strom auskommt. Rechts oben sausen in kurzen Abständen S-Bahnen und Regionalzüge vorbei. Die Böschung zum Bahndamm ist recht steil und gibt unter anderem einer sagenhaften Weide Halt, die einen nach klassischen Senkrechtstamm hat, darüber hinaus über Ausleger verfügt, die über Dutzende Meter in die Breite gehen. Auch nach tieferem Blick scheint all das auf denselben Ursprung in der Mitte zurückzugehen.
Der Weg drängelt sich vorbei am großen Teich, dessen wässriger Eisspiegel das Erlenwäldchen am Gegenufer verwaschen spiegelt. Danach folgt eine Szene ohne Spuren von Infrastruktur, die entlegen und fast ein bisschen skandinavisch wirkt, vielleicht auch dank der lose verteilten Schneeflecken. Ein kurviger Weg mit Gebäum in Tundrahöhe strebt zu einer flachen Berglinie von klarer Form. Der Blick nach links fällt, hier nun mit allerhand Leitungen und Masten ganz im Hintergrund, auf vereinzelte Wasserflächen. Umgeben sind sie von buschigem Krautland, das hier und dort mit Schilfgürteln verschmilzt.
Mittelgroße, dennoch alte Birken säumen den Weg zur Rechten, am linken Rand zeigen ältere Obstbäume blattlos ihre Posen. Große Pfützen fordern winzige Umweg ein. Und erstmals kommen jetzt auch die sanften Riesen ins Spiel, mit denen man in solchen Landschaften rund um Berlin fast schon fest rechnen kann. Tiefschwarz erscheinen die Leiber der mächtigen, ganzjahrestauglichen Wasserbüffel, die so herrlich neugierig irgendwo herausschauen können.
Bald beginnt der eigentliche Löwenzahnpfad, nun wirklich in Gesässbreite, und verläuft weithin sichtbar im ausladenden Bogen, äußerst reizvoll zwischen dem knorrigen Weidezaun und einer schutzgebenden Reihe jungen Gebäums. Es ist kalt, es ist klamm, das graue Wetter wirklich ungemütlich und der Wind fast etwas garstig. Und trotzdem begegnen wir vier Familien mit ihrem Nachwuchs. Keiner davon schaut angeödet oder ähnlich, vielmehr wird vereinzelt gelacht und gekichert – und dieser gemeinsame Tag in der Gewalt der Elemente vermutlich niemals vergessen.
Die Ruhe ausstrahlenden Hornviecher sind nun nähergerückt, haben auch die bunten Zweibeiner entdeckt und zeigen mäßige Neugier. Einem ist der viele Trubel wohl zu blöde und er tritt mit getragenen Schritten den Rückzug ins hufnasse Schilfland an, welches sich den Blicken der Zaungäste nahezu entzieht. Vom Aussichtsturm, der zugleich eine Brücke ist und von einem hölzernen Löwenzahn gekrönt wird, wird nun sichtbar, wie groß die Zahl der Teiche wirklich ist. Der Blick fällt zudem auf die weiß überpuderten Flanken der Arkenberge, und mit den schwarzen Büffeln im Vordergrund sieht es jetzt wirklich etwas nordschwedisch oder isländisch aus.
Der Pfad geht in einen kleinen, gewundenen Abstieg durch eine Buchenhecke, an der sich das goldbraune Laub noch gehalten hat und somit Schutz gegen den bissigen Wind bietet, der gerade aufkommt. Gleich danach folgt ein Wegstück, das ohne gefrorenen Boden so eine Sache wäre bzw. ein klarer Fall für Gummistiefel. Doch so kann man einfach über den zähen Matsch spazieren und steht bald vor einem Brücklein mit schlichter Schranke. Das überbrückte, gut vernehmbare Wasser schafft eine Verbindung zur Bogenseekette am Rand der Hobrechtsfelder Waldweide, vielleicht sogar die einzige direkte.
Sieben Stufen führen aus der Bodenmatschzone, danach setzt sich der Pfad genauso anmutig fort, wie er bisher verlief, kommt sogar etwas ins Schwingen. Trotz der höheren Lage ist auch hier manche Pfütze zu umschiffen, bevor sogar etwas Wiesengrün ins Bild tritt. Eine Rastbank ist in den Buschstreifen eingerückt und steht ein wenig windgeschützt – gemütlicher werden wir es hier und jetzt wohl nicht bekommen mit unserem heißen Tee. Noch dazu haben sich unten auf einer der größeren Teichflächen unzählige Enten versammelt, die eine mittige Eisscholle nutzen und sich dort angeregt, doch leise austauschen.
Ein Silberreiher fliegt im typischen Stil, vergleichbar dem Gang eines Elches, von links nach rechts, bald dann wieder nach links zurück. Hoch oben im Himmel sind zwei Kraniche, drüben in einem anderen Teich unzählige Gänse zu hören. Für gewöhnlich ist hier auch die Ecke, wo sich gern die Wildpferde sehen lassen, doch die sind entweder nicht ganz so kälterobust wie die Schwarzen oder haben sich gut versteckt. Ihr Farbton jedenfalls würde es hergeben.
Ein weiteres Mal ist ein Brücklein und mit ihm das Weidegebiet zu überqueren. Danach geht es kurz steil hinauf zum nächsten Buschstreifen, der schön dicht ist und den selbstbewussten Wind kurz auf Abstand hält. Erneut fällt ins Auge, wie schön und groß diese kleine Landschaft ist, und das trotz der heutigen Bedingungen von Licht und Witterung.
Auf einem breiteren Weg kommt man bald zum Rastplatz an einem kleinen Teich, dessen Bankrund von losen, noch berindeten Stammpalisaden umspielt wird. Bald darauf schließt sich die Runde und legt den Rückweg zum schnell erreichten S-Bahnhof nahe. Wer noch Lust auf etwas Dorfbild und einen Nachschlag in Sachen Tegeler Fließ hat, kann vorbei am leicht spröden Campus des Berufsförderungswerkes einen Bogen über Woltersdorf und Mühlenbeck schlagen, der sich gut mit einer Einkehr oder einem schnellen Imbiss verbinden lässt.
Anfahrt ÖPNV (von Berlin): ab Ostkreuz mit der S-Bahn bis Mühlenbeck-Mönchmühle (ca. 35 Min.)
Das neue Jahr läuft nach den ersten Wochen schon erstaunlich rund, etwas Winter gab es schon und auch ein paar milde Tage. Nur die Sonne zeigt noch immer Berührungsängste, obwohl sie nach vielen grauen Wochen sicherlich überall mit applaudierenden Blicken und aufgehellten Gesichtern begrüßt würde.
Die Wahl der Kleider beim Verlassen der Wohnung ist noch immer Glückssache, meist ist man deutlich zu warm eingepackt, manchmal aber doch zu dünn und dann droht schnell irgendein Infektgeschehen, dessen Geräusche in dieser Zeit ja umgehend den stillen Argwohn der verunsicherten Umwelt hervorrufen.
Ohne Irritationen hingegen ist die Natur in Sachen Kraut, Huf und Schnabel. Wer es darauf anlegt und entsprechende Landschaften ansteuert, wird mit großen Mengen von voluminösen Zugvögeln belohnt, die dem Tag eine nie ganz abreißende Klangkulisse hinterlegen. Manchmal darf sich diese fortwährende Tonspur im Traum sogar noch fortsetzen. Auch die ganz zeitigen Blüten des Januars strecken ihr Gelb schon ins Licht, wenn es dann mal kurz da ist. Am Boden sind das die allerersten Winterlinge, die mit gewisser Vorsicht auch beim höchsten Sonnenstand noch ihre Blüten kugelig lassen, in Buschhöhe dann die diffus verteilten Sternchen des Winterjasmins, die der Farbe teils schon Fläche geben.
Hoch über all dem wölbt sich ein Himmel, der mehr oder weniger farblos daherkommt, auch formlos. Undurchbrochene Schleier ohne Struktur, die den Tag darunter vor allem grau und das Wohnzimmer besonders einladend wirken lassen. In dieser Grundstimmung ist es dann ein regelrechtes Fest, und sei es nur für Minuten, wenn der Wind den faden Teig da oben auseinandertreibt und den Blick auf die Sonne und den klaren Himmel freigibt. Was diese sogleich mit der Erdoberfläche anstellt, ist weit mehr als hohe Kunst und berührt umgehend alle Sinne, das Herz und auch die Seele. Aus landschaftlichem Einheitsbrei wird sinnenfreudiger Bildzauber, und kaum jemand wird die Finger vom Auslöser lassen können, und sei es nur des klaren Lichtes wegen.
Im Aufbruchsmonat Januar ist die Weite schön, die keinen Fitzel möglichen Lichtes verschenkt. Darüber hinaus haben sich mannigfaltige Uferkanten als passend erwiesen, um die naturellen Bedürfnisse zu stillen und den erholsamen Ausgleich zur Arbeitswoche zu schaffen, allumfassend abzuschalten und vielleicht ein paar mehr Glückshormone zu verschütten. Zwischen Potsdam und Brandenburg gibt es reichlich davon, meist gut gemischt mit besonderer Architektur und wildromantischen Uferlinien, die stets ein wenig undurchschaubar bleiben.
Ketzin
Zwischen Potsdam und Brandenburg fließt die Havel am beschaulichen Städtchen Ketzin vorbei, das mehr Dimensionen aufweist, als man beim Durchfahren oder einem Kurzbesuch denken sollte. Sind die Wasserlandschaften hier von Hause aus schon ohnegleichen, wird das bei Ketzin noch auf die Spitze getrieben. Neben der weit verzweigten und oft seenweiten Havel selbst gibt es mitten in dieser eine Reihe großer Inseln und nördlich davon ein verwirrendes und scheinbar endloses System von Stichteichen, die als Erdelöcher Ketzin in einen Begriff gefasst werden. Ähnliches gibt es in kleinerer Ausprägung auch südlich der Havel bei Deetz oder unweit von Paretz.
Bei so viel umgebendem Wasser kann an der Uferpromenade der Stadt durchaus der Eindruck aufkommen, sich auf einer Insel zu befinden. In den blattlosen Zweigen von Büschen und Gebäum hat der Morgennebel viel Wasser zurückgelassen, das jetzt in Form halbgefrorener Tropfen auf den ersten Windstoß wartet und im Gegenlicht für zahllose Glanzpunkte sorgt. Gepflasterte Altstadtgassen verlieren von der Kirchhöhe ein paar Meter, bis sie schließlich am oder im Wasser enden. An der mittleren Promenade ist der Steg des Dampferanlegers pavillonartig überdacht, und diese Stelle samt ihrem versunkenen Ausblick erinnert an eine kleinere Ausgabe des Steges, der sich am Ostrand der Stadt Brandenburg befindet.
Bereits hier auf der Promenade mischt sich der Rundweg Ketzin-Paretz unter die eigenen Schritte, sucht sich mit sicherem Gespür die allerschönsten Wege, Pfade und Schleichwege und verliert dabei selten das Wasser aus dem Blick. An der Fischerei südlich der Altstadt verbreitet ein kleiner Sticharm kurzzeitig Spreewald-Stimmung, bevor der Weg entlang einer Reihe jüngerer Kopfweiden in Richtung Strandbad abdreht.
Neben den Tönen weit entfernter Kraniche und Gänse oder vereinzelter Reiher gehört auch nahes Möwengeschrei zur Klangkulisse und schafft unbedingt Urlaubsgefühle. Ohnehin fühlt sich dieser lichte Tag am offenen Wasser nach einer langen Periode in grau nach Urlaub an, wozu natürlich auch die Altstadtgassen mit ihren Sichtlinien und nicht zuletzt die Fähre beitragen, deren niedertouriges Bullern bald schon zu erahnen ist. Vorher liegen noch breite Schilfgürtel und kleine Bruchwälder am Weg.
Fähranleger Ketzin
Noch vor dem Fähranleger lockt neben einem Strändchen eine Rastbank mit Blick aufs kielbasierte Verkehrsgeschehen. Die Bank steht leicht erhöht, zu ihren Füßen schlagen kleine Wellen ans teilgefasste Ufer und trüben trotz der Wasserbewegung nicht den glasklaren Blick zum sandigen Grund. Muschelsplitter reflektieren teils irisierend die Sonnenstrahlen, die jetzt ungehindert vom Himmel fluten und der Flusslandschaft etwas verleihen, das einen tief und zufrieden durchatmen lässt. Das Wasser ist unfassbar kalt.
Kaum dass die Fähre angelegt hat, ist sie auch schon wieder auf dem Weg ans andere Ufer. Das geschieht vermutlich hastiger als in der Regel, denn von rechts stampft gegen den Strom ein Schubboot heran, im Laderaum eine Bergkette aus Splitt. Unerwartet lässt das Horn einen markdurchdringenden Ton los, der das Zwerchfell nicht unberührt lässt und eines Hochseedampfer würdig ist.
Am anderen Ufer rollen sofort die nächsten Passagiere auf das Deck und dürfen sich noch in Geduld üben, denn kaum dass der Splitt hinter der nächsten Kurve verschwindet, kommt ein anderer Schuber aus der anderen Richtung – flussabwärts und übervoll mit feinstem Schrott. Der lange Kahn bewegt sich vergleichsweise gelöst, da die Strömung mit ihm ist. Keine wulstige Bugwelle also, da das tonnenschwere Aggregat unter Deck eher plaudert als wettert.
Bald darauf fällt der Blick landeinwärts über Schaf- und Pferdeweiden sowie sozialen Wohnungsbau für Schwalben, weiter hinten ist als östlicher Außenposten von Ketzin der markante Turm einer Villa zu sehen, die auch gut ins Potsdamer Umland passen würde und irgendwie nach Schinkelschüler aussieht. Ein Gegenstück dazu bildet als Vorbote von Paretz die Windmühle, deren Flügel sich wintermüde in den Himmel recken.
In einem Wegknick werden wir augenzwinkernd-derb in die aktuelle Zeit zurückgerufen, deren Sinn für den Genuss und das Schöne manchmal seltsame Früchte trägt. Auf einem Trafohäuschen steht eine schwere und bunte Getränkedose, darin versammeln sich ein Patent, auf das die Welt wohl lange schon gewartet hatte, und ein Gemisch aus Zucker, Gewürzen, Wasser und Zucker. „Selbsterhitzender Glühwein to go“ verspricht nach einem speziellen Knick-Knack im Dosenboden binnen drei Minuten dampfenden Glühwein in angemessener Temperatur und erforderlichenfalls auch fern aller Zivilisation. Glaubt man den Erfahrungen verschiedener Nutzer, liegt die Erfolgsquote immerhin bei sechzig Prozent. Bei den anderen gibt es dann zwar allenfalls lauwarme Würzplempe, doch für den Lacher zwischendurch dürfte es allemal reichen. Als klimatischer Ausgleich für die Juxsekunden sollte man jedoch einmal weniger in die Karibik fliegen.
Paretz
Schnell landet also unsere Aufmerksamkeit wieder bei der Havel, die sich zwar hinter einem breiten Schilfgürtel versteckt, jedoch trotzdem zu sehen ist, da die Schritte nun auf der Krone eines kleinen Deiches verlaufen. Weiter vorn sind schon die Häuser von Paretz zu sehen, einem Dorf der Sonderklasse. Mit dem Schloss und allem was dazu gehört diente es vor gut zweihundert Jahren dem Preußenkönig und seiner weithin geschätzten und bezaubernden Luise als Sommerfrische, fein und vergleichsweise klein. Hier genossen sie eine Normalität fern von allem Höfischen und legten damit wegweisende Schritte vor.
Schöne und geliebte Häuser reihen sich entlang der gepflasterten Weidendammstraße, die sich im sanften Bogen zum Schlosspark hin zieht. Vor einer der Mauern, die von der Sonnenstunde verwöhnt werden, haben sich wahrhaftig die allerersten Winterlinge breit gemacht. Ganz dicht an der Mauer sind mit der Lupe auch schon zarteste Schneeglöckchen auszumachen, deren Stengel noch so dünn sind, dass sie keinem groben Windstoß standhalten dürften.
Hinter den ersten Nebengebäuden des Schlosses fällt der Blick im kleinen Hügelpark auf die süße Dorfkirche, eine offene Kirche. Drinnen gibt es viele Reliefgestaltungen, doch ein Großteil davon erweist sich als gekonnte Handhabung des Pinsels und raffiniertes Gedankenspiel von Licht und Schatten, nicht zuletzt am hohen Tonnengewölbe der Decke. Freundlicherweise ist die Sonne gerade noch draußen, so dass auch die bunten Fenster ihre Wirkung zeigen können.
So klein der Dorfpark auch ist, in seinem leichten Hügelland ergeben sich mehrfach reizvolle Sichtachsen und Blickarrangements. Die locken wie beabsichtigt hin zum Schloss, wo es in der Remise und im Schloss selbst sehenswerte Ausstellungen gibt. Das Schloss selbst wurde nach dem Auszug der letzten hohenzollerschen Bewohner nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen verschiedenster pragmatischer Nutzungen mehr und mehr entstellt und erinnert zum Teil eher an ein Kreiskrankenhaus oder preiswert gebautes Kulturhaus. Ein Flügel des Schlosses sieht bis heute geschunden aus, und der Park lässt nur erahnen, dass er einmal gestaltet war.
Hoffnung macht weiter hinten im Park die wieder errichtete und schön bepflanzte Grotte mit ihren Aussichtsplattformen, von denen der Blick weiter über nassen Wiesen mit Havelahnung reicht. Das einst übergebügelte Park-Accessoire wurde weitgehend neu errichtet, dank Ausgrabungsfunden konnte hier manches Originalteil verbaut werden. Die Höhe lässt sich durch eine enge Treppe aus grobem Gestein verlassen und sorgt bestimmt für manches Grinsen bei jenen, die unten mit eingezogenem Hals aus dem Portal treten.
Beim Gasthaus Gotisches Haus, das auch zum Gesamtensemble gehört, kommt man zum Parkring, auf dem sich das Dorf gut verlassen lässt. Hinter dem letzten Haus wird es dann mehr und mehr wildromantisch, mit einem guten Grad an Rumpligkeit insbesondere in der laublosen Jahreszeit, wo alles blasse Gehälm noch so zerzaust liegt und ragt, wie es die Wetter hinterlassen haben.
Kleine Brücken und Dämme ermöglichen den Weg mitten durch ein Wasserlabyrinth, das im Süden verwunschen, im Norden weit ist und mehr oder weniger zum Paretzer Polder gehört. Überall ruht das Wasser unberührt, darin koboldige Grasinseln und moosbedeckte Baumruinen, die dem endgültigen Versinken entgegenmodern. Ein entscheidendes Pfadstück schafft die Verbindung zum Ufer des geradlinigen Nauen-Paretzer Kanals, und auch er liegt spiegelglatt.
Rechts in den nassen Wiesen tragen ein paar exotische Gänse lautstark einen Revierkampf aus. Der ansässige Graureiher trollt sich bei dem Lärm und weiter hinten sprinten am Himmel vier Schwäne gen Nauen, mit diesem eindringlichen und rätselhaften Geräusch, das es nur beim Flug der Schwäne gibt. Schon erstaunlich, wenn man bedenkt, dass so ein Vogel weit mehr als zehn Kilo in die Luft bringt, etwa doppelt so viel wie ein ausgewachsener Kranich.
Schleuse Paretz
Kurz vor der blauen Bogenbrücke schwenkt der Weg vom Kanalufer in die Wiese, die von großen Pfützen durchzogen ist und quasi schon ein bisschen herumpoldert. Voraus sind die Gebäude der Schleuse zu sehen, die von nahem eher an ein Wehr denken lässt. Alles zusammen erinnert ein bisschen an friesische Szenen, was den Urlaubsgedanken gerade noch etwas verfeinert.
Ein Treppchen führt hinunter zum Schleusenbecken, wo sich unsere Wege nun mit denen zweier Familien und eines gassigehenden Paares kreuzen. Ein Zaunpfad schafft vorbei am kleinen Bootshafen die direkte Verbindung zu jener Stelle, wo der eine Kanal auf den anderen trifft, kurz bevor jener wiederum sein Havelwasser mit dem eigentlichen Lauf der Havel vermischt.
Göttinsee am anderen Ufer
Gleich hinter dem jenseitigen Ufer liegt wie eine weitere Laune des verspielten Flusses der weite Göttinsee, ein See von besonderer Art. Besonders deshalb, weil er zum einen mit Havelwasser gefüllt ist und dennoch von der dammschmalen Uferlinie der Insel Töplitz umgeben wird – abgesehen von einer winzigen Lücke. Wer im Norden der Insel dem Dammpfad bis ganz nach Westen folgt und sich nicht scheut, auf demselben Weg zurückzugehen, steht schließlich auf einer schmalen Spitze inmitten der Havel, wie das nirgends woanders möglich ist.
In Sichtweite zu dieser Stelle wird der breite Weg am Paretzer Ufer zum urigen Pfad, der sich eine Weile am hohen Schilf entlangschlägt. Kurz hinter einem Strändchen mit Rastplatz beginnt die Biege nach Paretz, wo jetzt geprüft werden kann, ob die Blümchen bei verhangenem Himmel noch immer geöffnet haben. Kurz hinter der Kirche beginnt ein einladender Fußweg, der vorbei am Eiskeller des Dorfes zur Landstraße führt. Dank der Bockwindmühle, der Pferdewiesen und der Villa von vorhin ist deren gerade Linie kein Problem.
Die Ketziner Bergstraße bereitet nun auf die finalen Höhenmeter der Runde vor. Hinter den letzten Häusern kommt dann auch der ziegelsteinerne Wasserturm in den Blick, der am Rand eines wiesenbedeckten Hügels steht. Hier kann man herrlich Kinder freilassen – rennend und hopsend, blumenpflückend oder auch purzelnd und rollend. Bei letzterem beiden ist nur vereinzelt Vorsicht geboten, weil an manchen Stellen prächtige Disteln wurzeln.
Der Turm ist von schlichter Eleganz und wirkt am besten aus naher Ferne, aus der Nähe ist er eher zweckdienlich und eingezäunt. Gleich danach löst sich dann das Rätsel des letzten Turmes, der früher am Tag schon aus verschiedenen Richtungen gesichtet wurde und sich der Zuordnung entzog. Keine Kirche, kein Rathaus und keine Villa, sondern pragmatisch und trotzdem wunderschön der Turm, in dem die Feuerwehr ihre Schläuche zum Trocken aufhing oder heute noch aufhängt. Weit oben am Himmel zieht eine lange Gänse-Eins entlang und sieht nach großer Reise aus, trotz fortgeschrittenen Winters.
Zum schönen Tagesabschluss schlendern wir noch eine der Altstadtgassen hinab zum Wasser und schauen von der Havelpromenade ins schwindende Licht des Tages, das den ersten Staßenlaternen schon den Impuls gegeben hat. Drüben im Schilf huscht es da und dort. Das zarte Schlagen der Kirchturmuhr geht über in die patschenden Flossentritte zweier startender Schwäne, die schon bald nicht mehr zu hören sind.
Anfahrt ÖPNV (von Berlin): S-Bahn bzw. Regionalbahn nach Potsdam, dann weiter mit dem Bus (1,5-2 Std.)
Viel Regen kam runter in den letzten zwei Wochen. Mittendrin gab es eine Handvoll hoch- bis höchstsommerlicher Tage hart an der Dreißig-Grad-Marke, und im Gefolge sind Knall auf Fall alle Baumkronen so grün geworden, dass kaum noch Astwerk durchschaut. Die Obstblüte reicht in diesem Jahr bis Mitte Mai, auch einige Frühblüher stehen noch gänzlich unwelk in den Wäldern, während ein paar Ecken weiter schon die Blumen des Sommers ihre Startlöcher verlassen haben, die zeitliche Langstrecke im Blick.
All das Grün, die satten Düfte und der getränkte Boden sorgen für diesen Duft, für den man den Mai so liebt. Dazu kommt noch die Geräuschvielfalt, der bei jedem Ausflug weitere Klänge hinzugefügt werden. Während die Lerchen schon seit Februar ihre Begeisterung ins Land schreien und auch die Nachtigallen seit Wochen gewohnt virtuos trällern, kommen nach und nach weitere Charaktertypen und Spaßvögel wie Kuckuck und Pirol dazu – mit hohem Wiederkennungswert auch für Leute ohne viel Vogelahnung. In Dorfnähe gibt es neben stillen Weihern auch solche mit tausend Froschkehlen, und wer gut hinhört, kann hier und dort aus der Ferne die entrückten Bassflöten der liebestollen Rotbauchunken erahnen.
Zwar treiben Temperaturen und Wetterkarten weiterhin ihr Spiel mit den Menschen, die schon längst Wärme und Sonne und leichte Klamotten herbeisehnen nach dieser ewigen Kälte. Doch immerhin hat sich in Sachen Infektionsgeschehen eine gewisse Zuversicht eingestellt, was kleine Schritte zurück in Richtung Normalität angeht. Beständig verfolgte Zahlen tendieren in erstrebte Richtungen, und so soll es zu Pfingsten mit etwas Glück und Vorbereitung möglich sein, sich ein frisch gezapftes Getränk an den Tisch bringen zu lassen.
Fürstlich Drehna
Zum Himmelfahrtswochenende steht ein Ziel auf dem Plan, das weit entfernt ist, gefühlt kurz vor Sachsen liegt. Der Name Fürstlich Drehna verheißt schon Besonderes, und das findet sich dort in der Tat. Nicht allein dadurch, dass hier ein mittelalterliches Wasserschloss steht, benachbart zu einem Lenné-Park, darin ein gusseiserner Pavillon mit bunten Fenstern. Kurios ist vielmehr die Lage des Dorfes, das die Niederlausitz ganz klar im Gesicht trägt.
Schaut man von Nahem auf die Karte, sieht man den gemütlichen Dorfplatz, der umgeben ist von allerhand historischen Gebäuden wie der Kirche und den Gasthöfen, weiter hinten dem Brauhof und der Schlossanlage. All das steht so konzentriert beieinander und der Raum dazwischen ist komplett gepflastert, dass man sich in einer Filmkulisse wähnt. Tritt man dann etwas zurück, zeigt die Karte, dass das Dorf von ehemaligen Tagebauen umgeben ist, wie eine Halbinsel hineinragt.
Heute ist das in der Landschaft kaum noch zu erkennen, da viele Restlöcher zu großen Seen geworden sind, auf vielen Brachflächen junger Wald herangewachsen ist und die von unten nach oben gekehrte Erdoberfläche langsam von der Natur zurückgenommen wird. Schaut man auf Karten oder Luftbilder, die älter als zwei Jahrzehnte sind, ist die Halbinsellage noch deutlich zu erkennen. Auch die dringlichen Warnschilder im Randbereich der englischen Parkanlage erinnern an einigen Stellen recht konkret daran. Unter diesem Blickwinkel erscheint die Beschaulichkeit der Filmkulisse im Herzen des Dorfes noch kurioser.
Am Rand des Dorfes steht auf einer kleinen Erhebung eine originalgetreu nachgebaute Bockwindmühle. Von dort ist es nicht weit bis zum Ufer des Drehnaer Sees, der weit größer aussieht als er eigentlich ist. Unweit seiner Uferlinie findet sich in der Heidelandschaft nordöstlich des Dorfes der umgezogene Grundriss einer alten Kirche, ohne dritte Dimension. Die wurde seinerzeit im Rahmen des Tagebaues gesprengt und hinterließ dabei einige offene Fragen. Insgesamt ist Fürstlich Drehna also ein klassisches Ausflugsziel, das viele Interessen vereint.
Wem dabei die Natur zu kurz kommt, der kann die Wälder rund um das Nachbardorf Groß Mehßow erkunden. Diese bieten eine faszinierende Besonderheit, wie sie im Land Brandenburg nicht noch einmal zu finden sein dürfte. Dabei ist etwas Mut zu nassen Füßen und plötzlich endenden Wegen sowie auch eine Prise Humor gefragt, denn nicht immer ist alles so, wie es die Karten verheißen. Ans Ziel kommt man letztlich immer – manchmal eben mit kleinem Umweg.
Bedingt durch den an Quellen reichen Höhenzug der Babbener Berge und eine ausgedehnte unterirdische Tonplatte findet sich in diesen Wäldern Wasser an der Oberfläche, das sich tiefenentspannt in weit verzweigten Netzen durch den Wald des Tannenbuschs verteilt. So trifft man überall auf kleine Gräben von eher natürlicher Gestalt, in denen goldbraunes Wasser seinen Weg zum nächsten Teich oder ins Tal der Dobra antritt, sehr gemächlich, doch fast immer bewegt.
Eben diese geringe Fließgeschwindigkeit ist es, die dafür sorgt, dass der Wald auf großer Fläche durchfeuchtet bleibt. Die Gestalt erinnert ein bisschen an die Grabensysteme im Harz, westlich vom Brocken bei Torfhaus, wo die großen Hochmoore liegen. Die Optik ist für Brandenburg ungewohnt und hinterlässt einen bleibenden Eindruck.
Groß Mehßow
Auch die Fischteiche bei Groß Mehßow gehören zu diesem Wassersystem. Der größte von ihnen, der Große Teich, lässt sich umrunden. Im Bereich seines Nordufers ist dabei guter Gleichgewichtssinn und etwas guter Wille erforderlich, denn der eher provisorische Weg liegt an mehreren Stellen unter Wasser. Daher muss über hölzerne Eisenbahnschwellen balanciert werden, die zwar ortsfixiert, doch halbwegs schwebend im Wasser liegen. Zumindest ein nasser Schuh ist dabei wahrscheinlich.
Doch auch ohne Umrundung lässt sich tief in das Teich- und Waldreich des Naturschutzgebietes vordringen, wobei die Wege aus verschiedenen guten Gründen keinesfalls verlassen werden sollten. Zwischen den Babbener Bergen im Westen, dem Schulmeisterberg im Süden und dem Weißenberg im Osten lassen sich jedoch genug Wege finden, die einen weiten Bogen durch dieses besondere Waldgebiet gestatten.
Tugam
Vom Weißen Berg führt ein idyllischer Weg zum Gutshaus Groß Mehßow, und auch der Weg aus dem Dorf hinaus gestaltet sich sehr anmutig – wie fast den ganzen Tag entlang eines Wasserlaufes, später über ein Brücklein. Kurz hinter dem Brasenteich liegt das Dörfchen Tugam mit manch schönem Haus, und ein paar Minuten später ist man schon am steilen Ufer des Drehnaer Sees, der vollständig von einem Radweg umrundet wird, nach der komfortablen Art, wie sie in der transformierenden Tagebau-Lausitz häufig anzutreffen ist. Der Radweg weiß gerade nicht so richtig, wo er eigentlich langführt, und so ist etwas Interpretation gefragt. Wer auf Nummer Sicher gehen will, folgt bei Tugam der Linkskurve der Straße nach Fürstlich Drehna, die jedoch nur punktuell Blicke auf den Drehnaer See gestattet.
Wenn der Tag dann langsam zu Ende geht, kann man sich am Drehnaer Dorfplatz einem der Biergärten anvertrauen oder einfach nur eine Bank im Park suchen, versonnen auf den Schlossteich stieren. Und sich dann freuen, dass der Tagebau auf Abstand blieb und diese Filmkulisse aussieht, wie sie schon immer aussah – nicht ganz von dieser Welt.
Anfahrt ÖPNV (von Berlin): Regionalbahn bis Finsterwalde, von dort Bus nach Fürstlich Drehna (Bus nur Mo-Fr, nicht gleichmäßig verteilt)(2-2,5 Std.)
Anfahrt Pkw (von Berlin): Autobahn bis Abf. Calau, dann Landstraße (ca. 1,5-2 Std.)
Länge der Tour: ca. 19, 5 km (Abkürzungen vielfätlig möglich)
Die Adventszeit ist schon erstaunlich fortgeschritten – wie es immer so ist, wenn die vermeintlich beschaulichen Dezembertage unvermittelt ins Rennen geraten. Vereinzelten Leuten ist es gelungen, noch nicht ein einziges Mal einen Weihnachts-Klassiker aus den Achtzigern oder das ebenfalls gern abgespielte „Bimmelt, Ihr Schellen“ aufs Ohr zu bekommen, das in der Tat noch viel weniger Bezug zum Weihnachtsfest mitbringt und eigentlich von Pferdeschlittenrennen erzählt.
Die Plattenbauten der großen Stadt sind zu riesenhaften Regalen der bunten Lichtkunst geworden, und auch auf dem Land wurden Schwibbögen und Lichterketten aus dem Keller geholt und in minuten- oder tagelanger Arbeit in Form gebracht. Schönstes Ziel für ländliche Ausflugstage ist es daher, im Dämmerlichte am Tagesziel einzutreffen und sich bei den letzten Schritten von den vielfältigen Lichtpunkten leiten zu lassen. Viele Dörfer haben zudem einen weithin sichtbaren Nadelbaum in der Ortsmitte zu stehen, stets durchwirkt von einem Sternenmeer.
Der Dezember schaltet nun allmählich von Herbst auf Winter um. Die Temperaturen sinken nachts schon mal unter Null und die dünnen Mützen und Handschuhe sind längst den dickeren gewichen. Immer wieder gibt es Regen, gern auch herzhaft und schon recht frostig, und viele Gesichter auf den Gehwegen tragen grimmige Züge. Die Luft scheint manchmal schon Schnee anzukündigen, auch manche Wolke gibt sich so, doch geworden ist es bisher nichts mit irgendwelchen Flocken.
Wer frische Luft sehr schätzt und daher nicht von selbst auf den naheliegenden Gedanken kommt, es sich an freien Tagen drinnen gemütlich zu machen und sinnvollen oder unnötigen Tätigkeiten hinzugeben, kann an solchen Tagen draußen das Privileg genießen, jegliche Gegend fast für sich allein zu haben. Hilfreich kann es dabei sein, wenn man sich etwas windgeschützt bewegt – dann lassen sich mit Regenklamotten und Schirm ganz gut ein paar schöne Stunden draußen zubringen.
Finowfurt
Wenn Eberswalde selbst und auch sein Umland schon einiges zu bieten haben, kann das benachbarte kleine Finowfurt auf seine Weise sehr gut mithalten. Zwei Dorfänger mit Kirchen werden wohlwollend getrennt vom beschaulichen Finowkanal, der hier mittels Schleusenbecken einen beachtlichen Höhenunterschied hinlegt. Umschmeichelt wird das von schönster Industrieromantik der Alten Mühle und der verlockenden Einladung des Mühlenbistros, das gerade an solchen sauwettermäßigen Tagen mit einer fast unanständigen Gemütlichkeit lockt. Wenn es denn schon offen hat.
Ein Brandenburgischer Superlativ dürften auch die fünf Einkehrmöglichkeiten sein, die scheinbar durch die Reihe ganz gut klarkommen, obwohl keineswegs alle das vermeintliche Ideal des Wasserblicks bieten. Für Verdauungsspaziergänge vielfältiger Portionierbarkeit stehen liebliche Treidelwege zur Verfügung, denen man bis zum nächsten Fußgängersteg in einem Kilometer oder auch bis nach Niederfinow folgen kann.
Finowfurt ist nicht nur Kanalort, sondern auch Flößerort. Etwas südlich gibt es zudem noch den alten Flugplatz, der für verschiedenste Veranstaltungen überregional bekannt ist und wo an einzelnen Tagen einiges geboten wird, was mit ungezähmten Motoren zu tun hat oder klappengesteuertem Auspuffgebrüll. Der nördliche Teil von Finowfurt reicht fast bis ins benachbarte Finow und befindet sich in einer Art Zweistromland zwischen dem eher historischen Finowkanal und seinem Verwandten und ausgewachsenen Nachfolger, dem Oder-Havel-Kanal. Während der kleinere sich vor allem Ruhe und Erholung verschrieben hat, werden auf dem anderen in erheblichem Maße Waren bewegt.
Angesagt für heute war erheblicher Regen von elf bis drei, was ziemlich genau eingehalten wurde. Die Zeit der bewegten Füße fiel auf denselben Zeitraum, was wie erwähnt kein Problem war, denn bis auf die letzte halbe Stunde spielte Wind gar keine Rolle und alle Häute und Membranen hielten dicht. Am nördlichen Anger ist kaum was los, während bei der Alten Mühle schon einiges im Gange ist. Der Weg vorbei am Mühlenbistro stellt keinerlei Herausforderung dar, da es noch nicht offen ist. Dasselbe gilt für die schweren, tief hängenden Wolken, die sich gerade noch zurückhalten.
Direkt an der Schleuse führt ein unauffälliger Wiesenweg vor zur breiten Kanalbucht mit ihrem ausgeprägtem Schilfgürtel, in dem es ständig hin- und herhuscht. Weiter oben besorgen das die Wintermeisen. Der Wasserspiegel liegt glatt und grau. Ein schmaler Damm, grad breit genug für einen Pfad und etwas Uferkraut, endet an einer Brücke mit steilen Treppen, dahinter liegt der weitläufige Flößerhafen mit seiner wuchtigen Plattform. Alles Holz ist bis zur Schwärze regenwassergetränkt. Gegenüber sind hinter dem schönen Gebäude der Alten Mühle schon die Aufbauarbeiten für den eintägigen Weihnachtsmarkt im Gange.
Ein Blick von der am Ufer vertäuten Plattform für den Floßbau ist nicht ohne Risiko, denn das klobige Holz ist überfroren. Nun ist es Zeit für Regenhosen und Schirme, fürs Umziehen lässt sich ein Unterstand nutzen, der sonst als Werkstatt dient. Vom relativ neuen Wohnviertel, in dessen Straßen mal wieder die Bäume vergessen wurden, führt ein charmanter Schleichweg vor zur Hauptstraße und vorbei an der südlichsten der Gaststätten, die einen vergleichsweise exotischen Namen trägt.
Dahinter lässt sich gut der dreieckige Friedhof durchqueren, was für das Robinienwäldchen ein paar Minuten später nicht mehr gilt – das wurde komplett gerodet, und alle Bäume liegen kreuz und quer. Mit Unter-, Haupt- und Überkleidern an den Beinen sind Storchenschritte so eine Sache, Hängenbleiben keine Kunst. Doch keiner geht in die Waagerechte.
Durch ältere Wohnviertel kommen wir zum Schöpfurter Ring. Vor einem Grundstück ist der unbefestigte Streifen zwischen Bordstein und Gehwegpflaster frisch, präzis und parallel geharkt. Ein unartiger Windstoß hat mehrere Laubblätter auf das Cordmuster verteilt, so dass der Künstler erneut ausrückt, mit Schubkarre, Schaufel und Laubbesen, die Störenfriede bückfrei aufliest und gekonnt den lückenlosen Anschluss ans Streifenmuster rekonstruiert.
Der Schöpfurter Ring spannt ein regelrechtes Tentakelwerk auf, dem sich hin zur Bundesstraße auf einem kleinen Fußweg gut entkommen lässt. Voraus prangt in der Höhe als gelber Akzent im grauen Tag das doppelbögige Logo einer amerikanischen Hackfleischbratküche. Kurz dahinter hält der Straßenname Schloßgutsiedlung nichts von dem, was er verspricht, doch wenig später, jenseits des ersten Eindrucks, ist das Schlossgut ganz klar zu erkennen. Geplagt von Launen der Geschichte und sehr liebesbedürftig, doch keineswegs unrettbar – zumindest aus dem Blickwinkel des Laien.
Finowkanal
Ein paar Haken münden an einer kleinen Wiese, wo nun jenseits von Gewerbe und Wohnblocks eine andere Welt beginnt und gleich drei zauberhafte Wiesenwege um die Gunst des Spaziergängers werben. Schwungvoll wird der Finowkanal erreicht, hinüber führt eine massiv gebaute Holzbrücke, deren Unterholz ans Flößerhandwerk denken lässt. Der prasselnde Niederschlag hat mittlerweile zu Stabilität und Volumen gefunden, und so empfiehlt sich das Gebälk unter der Brücke als weitgehend trockene Rastbank mit Wasserblick. Zwei ältere Radfahrer sausen vorbei, gut eingepackt und fröhlich schnatternd.
Das waren dann auch die einzigen Menschenmassen des gesamten Weges. Das glänzende Asphaltband verläuft zunächst als Dammweg zwischen dem breiten Kanal und einem weiten Schilfland, bevor auf der linken Seite verwunschene Gärten und gut gelegene Grundstücke übernehmen, später exklusive Kleingärten. Auf dem Wasser ist einiges Ententreiben im Gange, hier wird geschnattert, dort aufgeflattert und da nur still palavert. Ein wetternder Grünspecht verschwindet links in den Wipfeln. Schwäne lassen sich heute nicht sehen, doch der allseits treue Graureiher fliegt einmal vorbei, geradeso an der Grenze zur Wahrnehmbarkeit in diesem ebenso gekleideten Tag.
Auf der Höhe des Holzsteges über den breiten Verbinder zum Mäckersee kommt erstmals der markante Wasserturm der Finower Messingsiedlung ins Blickfeld. Vor knapp zehn Jahren wurde hier einiges hübsch gemacht und in diesem Rahmen ein Generationen-Spielplatz in den Parkhang eingebunden, was damals noch relativ neu war. Die Geräte sind alle im besten Zustand, doch heute entschieden zu nass zum Benutzen. Unten am Kanal überspannt die filigrane historische Brücke den Zugang zum Hafenbecken, als reines Accessoire zu des Betrachters Freude. Zweimal ist sie bereits umgezogen und wartet hier nun schon länger auf eine günstige Gelegenheit, die ihr zu einem zweiten Leben in Funktion verhilft.
Finow Messingsiedlung
Anderen Bauwerken geht es ähnlich, doch der Großteil ist gut in Schuss und der Charme der Siedlung ganz klar vorhanden. Wechselt man von der Uferhöhe durch den Park hinauf zur Siedlung mit dem Brückenhaus, scheint man erneut in eine andere Welt zu geraten. Wie eine ausgefeilte Babelsberger Filmkulisse sieht es aus oder wie in einem Stadtviertel einer größeren Stadt wie Frankfurt oder Dresden. Auch im nahen Eberswalde gibt es Straßenzüge von ähnlicher Gestalt, und ein bisschen denkt man auch an Nowawes, den Norden vom eigentlichen Dorfe Babelsberg.
Rückzu fällt der Blick über Pflaster und entlang schöner Laternen auf das Torhaus. In die andere Richtung ist bald das leuchtende Schloss erreicht, in dem das Eichamt residiert, das womöglich auf direktem Weg mit dem Messing zu tun hatte. Kurz dahinter übernehmen wieder die Kleingärten, zumeist in erhabener Aussichtslage über dem Kanal und mit teils herrlichen Bretterbuden als Domizil für die Gartentage.
An der Brücke über den Mäckerseekanal, den von vorhin, gehen kurz Bilder vom erknernahen Neu-Venedig oder auch dem Spreewald auf – auch die hiesigen Gärtchen dürften heiß begehrt sein. Der Mäckersee übrigens dient als Stellschraube zwischen dem Oder-Havel-Kanal und dem einiges tiefer gelegenen Finowkanal und ermöglicht den Wasseraustausch vom einen zum anderen. Der namensgebende Herr Mäcker besaß leider keinen Ziegenhof, dafür aber wenigstens eine Ziegelei, was ja so ähnlich klingt.
Kurz vor dem Ortseingangsschild biegt nun nach rechts ein Weg in ein wahres Reich von Teichen ab, das von öffentlichen Wegen durchzogen wird. Die ehemaligen Tongruben tragen bis auf die Barschgrube keine Namen, obwohl einige von ihnen weitaus größer als ein kleinstädtischer Marktplatz sind. Auch die Barschgrube entwässert lebendig in den Mäckersee und speist ganz nebenbei eine Forellenzucht mit frischem Wasser.
Das mit den wohlgelegenen Gärten setzt sich auch hier fort, da die meisten direkt am Wasser liegen oder zumindest darauf schauen können. Im Sommer dürfte hier einiges Hin und Her sein, heute gibt es nur einzwei Leute, die per Auto nach dem Rechten sehen. Auch staubt heute rein gar nichts. Einige schöne Uferstellen bieten sich zur Rast an, doch beim beständigen Regen sollte die Pause unter Kiefern genossen werden, die wider Erwarten sehr wenig Wasser durchlassen, trotz ihres offenen Nadelkleides.
In der schilfigen Westbucht der Barschgrube lohnt es durchaus, sich auf die ufernahen Pfade zu wagen, die einen scheinbar rodeogleich abwerfen wollen. Hierbei lässt sich auch ein Blick in das glasklare Wasser werfen, welches in warmen Zeiten sicherlich zum beherzten Sprung verführt. Heute ganz klar nicht, es sei denn, jemand würde eine Sauna im Fass herbeirollen. Vom westlichsten Stichteich führen verschiedene Wege zum Ufer des gleichmäßig breiten Oder-Havel-Kanals, auf dem regelmäßig schwer beladene Schubverbände von Ost nach West oder entgegengesetzt fahren.
Die für den Tourausklang vorgesehene romantische Uferpassage wird uns von einer unfassbar großen Großbaustelle verhagelt, so in etwa die Größenordnung Potsdamer Platz, falls sich daran noch jemand erinnert. Auf einem enormen Wall von Sand stehen im Abstand eines Pfeilschusses enorme gelbe Bagger in der Wochenendpause, ihre Extremitäten gierig und herausfordernd ausgestreckt, und stecken mit diesem Anblick unverhandelbar ihr Revier ab. Selbst wildes Queren würde einen irgendwann im tiefen Sand endgültig ausbremsen.
Also umrunden wir brav ein lichtes Waldstück mit einer eindrücklichen Einzeleiche und landen schließlich wieder am Teich von eben. Der Rückweg nach Finowfurt ist dennoch reizvoll, zumal in der Dauerdämmerung des trüben Tages bereits viele Lichter aus den Gärten leuchten. Nach dem zweiten Abschreiten des nördlichen Angers sehen wir nun vor uns schon die Menschen strömen, denn der Adventsmarkt läuft bereits seit einer knappen Stunde. Als liebenswerte Geste von oben gibt der Himmel jetzt Ruhe und beschert dem Marktreiben eine ganze Weile ohne Regen.
Die massigen Schwedenfeuer, die als Reihe zum Platz vor der Alten Mühle leiten, sind vom ausdauernden Regen ordentlich durchweicht und qualmen erstmal eine gute Viertelstunde. Doch dann ergeben sie ein umso erhebenderes Entree und schlagen niemanden mehr fuchtelnd in die Flucht. In der Mitte des Erzbergerplatzes lodert es in einer großen Feuerschale aus meterlangen Scheiten, und auf der Bühne läuft ein buntes Programm, an dem vermutlich alle Kinder aus dem Ort und der Umgebung beteiligt sind. Hinreißende ungeschliffene Stimmen und ein herrlich knarziger Weihnachtsmann werden von einer sympathischen Moderation begleitet, und nach und nach füllt sich der Erzbergerplatz und das Licht zieht sich zurück. Zugleich reißt der Himmel für einen kurzen Moment auf und spendiert ein paar Minuten Abendglut im Westen.
Anfahrt ÖPNV (von Berlin): Regionalbahn bis Eberswalde, von dort Bus nach Finowfurt (ca. 1,5 Std.)
Anfahrt Pkw (von Berlin): Autobahn Ausfahrt Finowfurt, alternativ B 109 bis Zerpenschleuse, dann B 167 nach Finowfurt (ca. 1 Std.)
Länge der Tour: ca. 13 km (Abkürzungen gut möglich)
Ein grundehrlicher November hat seinen Dienst angetreten, unaufgeregt ungemütlich mit fast täglichem Niederschlag und erstem Potential für morgendliche Handschuhe. In diese Tage mit beschlagenen Brillengläsern und gezückten Schirmen werden immer mal wieder ein paar knallige Sonnenstunden eingestreut, die selbst hartgesottenen Trübwetterliebhabern kurz das Herze höher schlagen lassen, ob sie wollen oder nicht.
Die Vogelwelt ist sich noch nicht ganz einig, ob sie den handfest dargebotenen Spätherbst wirklich ernst nehmen soll, und so halten sich die Krächzenden in ihren dunklen Kutten noch zurück, während weitaus kleinere Kaliber behende durch die Wipfel huschen und dort zum Teil aufgebrachte Zwitscher-Diskurse vom Zaune brechen. Auch bei den Zugvögeln herrscht noch Unentschlossenheit, so dass sich eher von Hin und Her als einer Richtung sprechen lässt.
Während die Mittelgebirgsregionen weiter südlich ihre bunteste Zeit schon vor Wochen hinter sich gelassen haben, geben hier und jetzt im Brandenburgischen vor allem die Birken und Ahorne kleine Spektakel zum Besten, die insbesondere an trübgrauen Tagen ein Licht in die Wälder bringen, wie es das nur im November geben kann.
Eine drängende Sehnsucht nach dem Nottekanal will schon seit Längerem bedient werden, denn neben allen anderen Jahreszeiten passt dieser doch besonders gut zum bunten Herbst. Dazwischen drängelt sich ein abgelegter Gedanke aus dem Hinterkopf, verursacht im Sommer vom geschätzten Berliner Wanderschuh, ließ den Finger auf der Karte immer mehr nach Westen rutschen – und den Nottekanal weiterhin auf dem Zettel. Während das Kartenbild nicht viel mehr als eine solide und menschenleere Runde ohne viel Aufregung verhieß, zeigte sich vor Ort ein stattliches Netz von schönen Wanderwegen, mit vielen Pfadpassagen und fast durchgängig trittsympathischen Böden.
Mellensee
Der Nottekanal beruht auf dem Bett des Flüsschens Notte und wurde schon vor langer Zeit zur Schiffbarkeit ausgebaut. Über den Mellensee, die Notte und die Dahme war so schon früh ein reger Güterverkehr mit kleinen Kähnen Richtung Norden möglich. Anzutreffen ist der zumeist verträumte Kanal unter anderem in Königs Wusterhausen, Mittenwalde oder Zossen. Wie viele Kanäle im Berliner Umland trug er zum Wachstum der Hauptstadt bei, ermöglichte den effizienten Transport von Baustoffen, vor allem von den Sperenberger Gipsbrüchen, die ja thematisch bis nach Klausdorf im Süden des Mellensees reichen. Und wie viele Kanäle erlitt auch er das Schicksal, von der Bahn in Sachen Effizienz überholt zu werden. Doch das Schicksal liebt die Ironie, und so ging es der Bahnstrecke knapp hundert Jahre später nicht viel anders.
Bahnhof Saalow-Mellensee
Wer dem Kanal also in Richtung Süden folgt, was zu großen und reizvollen Teilen auch auf dem Landweg möglich ist, steht ein paar Minuten nach der letzten Schleuse vor dem weiten Mellensee, dessen südliches Ufer immerhin drei Kilometer entfernt ist. Den exklusivsten Blick auf diese Seelänge genießt wohl eine gepflegte Fachwerk-Villa, die unweit des alten Bahnhofs ein offenes Wassergrundstück ergänzt.
Der backsteinrote Bahnhof am Mellensee scheint zu schlafen. Zum festen Inventar gehört ein dauerhaft vertäuter S-Bahn-Doppelwagen, dessen Bauform vielen noch vertraut sein dürfte. In der Tat fahren seit mehr als zwanzig Jahren keine Züge mehr zwischen Zossen und Jüterbog, S-Bahnen schon gar nicht, obwohl der Gedanke fast schon wieder visionär erscheint. Von stumpfem Rost überzogen sind die Scheitel der Gleise dennoch nicht, denn regelmäßig rumpeln hier weitgehend zeozweineutral betriebene Ultrakurzzüge entlang, zumindest zwischen Zossen und Jänickendorf, das auf halbem Weg nach Jüterbog liegt, nicht weit von Luckenwalde.
Der Bahnhof allein taugt schon als Ausflugsziel, denn neben der Draisinen-Option gibt es noch eine Minigolf-Anlage, eine farbenfrohe nostalgische Erfrischungshalle mit Biergarten sowie schöne alte Bahnhofsgebäude zum Bestaunen, davor noch drei wirklich edle Stellen für ausgewachsene Lagerfeuer. Fürs Minigolf-Spiel stehen übrigens Kinderschläger und Erwachsenenschläger zur Auswahl. Davon abgesehen lässt sich in wenigen Minuten entlang des Sees ein breit aufgestellter Fischimbiss erreichen, gleich hinter der Brücke über den Nottekanal. Nicht viel weiter gibt es dann noch ein Eiscafé.
Der Bahnhof also liegt im Winterschlaf, und so folgen wir dem Drang der Wälder und versuchen gut eingepackt mit dem trüben Dunst zu verschmelzen, der die stille Landschaft überlagert. Schon nach wenigen Schritten gesellt sich der Saalower Mühlenweg hinzu und winkt gleich darauf von rechts mit einem schemenhaften Zaunpfahl – in Richtung Saalow schwebt, an der Grenze der Erkennbarkeit, eine Bockwindmühle 2.0 über dem Acker, eine sogenannte Paltrock-Windmühle. Die wird in der nächsten Stunde immer wieder ins Blickfeld rücken, später dann nochmal.
Nach einem kurzen Stück entlang der Straße biegt der Mühlenweg unvermittelt in einen zauberhaften Waldpfad ab, in dessen hochstämmigem Kiefernwald das gesamte Erdgeschoss erleuchtet wird von jungem Laubgebäum. Einer fächerförmigen Kleingartenkolonie geht es wie dem Bahnhof, nur hier und dort arbeiten rosa, gelb oder pink gekleidete Leute im Garten, vielleicht um in der laufenden Jagdsaison auf Nummer Sicher zu gehen, hier tief im Wald. Der milchige Herbstwald dämpft alles Laute, fast wie frisch gefallener Schnee, und so geht selbst der Umgang mit dem kratzigen Laubbesen geräuschneutral vonstatten. Das wirkt ähnlich komisch, als wenn man bei kontroversen Fernseh-Diskussionen den Ton auf stumm schaltet und das raumgreifende Gestikulieren und die überzogene Mimik für sich sprechen lässt.
Vom Waldrand zieht der Weg durch schokoladenschwarze Ackerschollen, deren gleichmäßig gefurchte Fläche die Birken im Hintergrund zu euphorischen Lichtgestalten erhebt. Hinter den Ställen, wo die mittlerweile namhaften Saalower Kräuterschweine ausgesuchtes Grünzeug in feinen Schinken umsetzen, kommt durch einen Garten eine ponyhohe Dogge angeschlenkert, die langen Beine kommen gerade so hinterher. Der Wachdienst hinter dem eher niedrigen Zaun wird in einer Mischung zwischen lustlos und augenzwinkernd versehen, wohl in dem Wissen, dass allein die Schulterhöhe einer Dogge ihren Eindruck macht und ebenso das grollende Timbre, ganz gleich welchen Inhalts oder wie einsilbig das Gebellte ist.
Der Schwenk nach links zu den Teichen führt weg vom Lärm und bald in breiten schwarzen Modder, wie man ihn lange nicht unter den Sohlen hatte. Die gleitfreudige Erdpaste reicht über die gesamte Wegbreite, selbst ganz am Rand ist gutes Balancieren gefragt, und das Queren könnte leicht mit einem schwarzen Hosenboden quittiert werden. Doch das Risiko lohnt, denn gegenüber quetscht sich zwischen den Angelteichen ein kaum sichtbarer Pfad hindurch. Auch der balanciert, und zwar in Schlangenlinien auf einem schmalen Damm voller Gesträuch, geht gern auf Tuchfühlung und dürfte in der Vegetationsphase ein sehr naturnahes Erlebnis sein. Auf dem größeren der Teiche platziert sich gekonnt ein einzelner Schwan in die Szenerie rostgoldener Spiegelbilder, als einziger weißer Akzent und umgeben von erdfarbenen Enten.
Südlich der Teiche quert ein Plattenweg. Begleitet wird er von einem Graben, in dem das Wasser sichtbar fließt, und lässt kurz an den Unterspreewald denken. Der von Laubwald begleitete Schneidegraben ist gewissermaßen Verwandtschaft der eigentlichen Notte, kommt wie sie auch von Sperenberg daher und lässt sein Wasser schließlich im Mellensee.
Der nächste nadelweiche Weg quert nun ein Wäldchen, der Boden ist bedeckt von Blaubeerkraut, und zwischen den Kiefernstämmen leuchten auch hier wieder die kleinen Bäume in ihrem allerletzten Laub. Der ganze Tag schon sieht nach Abenddämmerung aus.
Saalower Berg
Drüben steht am Waldrand eine einladende Rastbank mit weitem Blick, direkt am Fuß des Saalower Berges. Am Waldrand lauern leicht geduckt regelrechte Kronenkiefern. Der sandige Weg verschwindet bald im Wald und schindet ein paar Höhenmeter. Oben quert ein Sträßlein, das einst zum Pflegeheim „Freundschaft“ führte. Die weitläufige Anlage, ihrerzeit fast eine kleine eigene Stadt, verfällt seit über einem Jahrzehnt, wie viele andere auch, die schlicht zu groß für eine neue Nutzung sind. Kopfsteinpflaster verbindet sie mit einer hübschen Reihe von Siedlungshäusern, die einst vielleicht dem Personal vorbehalten waren. Ein paar Autos nutzen die Straße, um auf kürzestem Wege von Saalow nach Gadsdorf zu kommen.
Vor einer dreifachen Stromtrasse, die den weiten Talgrund zwischen zwei Höhenzügen nutzt, bleiben wir rechts am Waldrand und nähern uns langsam dem fast schon sagenumwobenen Saalower Höllenberg, der scheinbar gerne ein Geheimnis um sich macht. Das führt soweit, dass das bestehende Netz ausgeschilderter Wege einen weiten Bogen um sein Gipfelplateau schlägt und die hier und dort aufgestellten Wanderkarten die schönen Pfade verschweigen, die es umrunden. Auch die freie Karte im Internet schaut hier beiläufig zur Seite. Passend zu einem halbwegs dramatischen Zustieg schlägt das Wetter allmählich in eine härtere Gangart um, so dass wir die Schirme schon mal freilegen.
Saalower Höllenberg
Der südliche Aufstieg ist vergleichsweise moderat, und vom Hauptweg lässt sich bei guter Sicht ein Tierpfad erkennen, dem wir folgen. Der Blick zurück lässt einmal mehr das flimmernde Leuchten der Birkenwipfel zwischen den dunklen Stämmen hindurchfallen. Hinter dem unauffälligen höchsten Punkt, an dem sich einiges Bruchholz versammelt hat, quert noch ein schöner Pfad. Von hier lässt sich gut sehen, dass wir uns einiges über dem Niveau der Felder da unten befinden, erst hier wird der Berg als solcher erkennbar, dessen Flanke nach Westen vergleichsweise steil abfällt. Wir vertrauen uns dem Pfad an, der die Höhe umrundet und bald zurück zum breiten Weg führt. Nach Norden geht es nun steil hinab, wobei der weiche Boden die stukenden Schritte harmonisch abfängt.
Der sanfte Höhenzug des Höllenberges setzt sich fast bis Saalow fort und verliert dabei unmerklich an Höhe. Immer wieder locken direkt ansteigende Pfade oder Wege hinauf in den Wald, der an manchen Stellen das goldene Birkenleuchten zur Hochform bringt. Es ist wirklich besonders.
Auf der ersten freien Passage schlägt uns nun die Nässe ins Gesicht und es ist Zeit aufzuspannen. Windschutz spendet der Höhenzug, der vielleicht zugleich verursacht, dass es gerade hier regnet. Von vorne trotten, vom Wetter unbeeindruckt, zwei stämmige Pferde heran, begleitet von einer in sich ruhenden Dame. Überhaupt scheint das hier eine Pferdegegend zu sein, denn die vom Wetter geplätteten Pferdeäpfel sind allgegenwärtig.
Saalow
Der alte Dorfkern ist ein schöner, wenn auch nicht klassischer Rundling. Das verweist beiläufig auf die Nähe zum Fläming, wo diese reizvolle Dorfform häufig zu finden ist. Mitten auf dem runden Dorfplatz findet sich nun die zweite der Saalower Mühlen. Die ist nicht auf den ersten Blick als Mühle erkennbar, und eigentlich auch nicht auf den zweiten. Allein ihre Lage mitten im Ort zeigt schon, dass es sich um eine Besonderheit handeln muss. In der Tat steht hier ein weltweit einzigartiges Mühlenbauwerk, eine sogenannte Scheunenwindmühle, bei der Rotorblätter nach zwei Seiten fest in den Wänden verbaut sind. Bei Bedarf werden die großen Tore geöffnet, und der Wind kann einströmen. Aus heutiger Sicht lässt der Anblick an Turbinen denken. Sehen kann man diese Rarität zweimal im Monat, wofür ein rühriger Verein sorgt. Direkt neben der Mühle steht das kulturell genutzte Bürgerhaus, ebenfalls liebevoll renoviert, und macht das pittoreske Dorfbild komplett.
Saalow Ost
Vom Dorfrund führt die Straße vorbei an der Alten Schule und zwischen Pferdekoppeln hinüber zum benachbarten Ortsteil, wo nun ganz kurz wieder die herkömmliche Windmühle ins Bild rückt. Nördlich der Hechtseestraße liegt eine urwüchsige Ansammlung von unregelmäßig geformten Teichen, die von Pfaden durchzogen sind und einen kleinen Abstecher auf jeden Fall wert. Allerlei Bänke oder Hocker stehen an den Ufern, die sich für eine Rast anbieten – wenn nicht ein Angler mit Gewohnheitsrecht schneller war.
Hinter der ruhigen Siedlung beginnt bald ein undurchdringlicher Streifen Natur, der in Zeiten mit durchschnittlichen Niederschlägen stark durchfeuchtet sein dürfte. Die einstige Uferlinie des gewundenen Hechtsees lässt sich auf der Karte noch erahnen. Mitten durch diese Weiten aus Schilf und dichtem Gestrüpp führt leicht erhaben ein Damm mit einem hinreißenden Stück Weg, teilweise bestanden von stattlichen Eichen. Diese fünfhundert Meter sollte man am besten im Schlurfschritt zurücklegen und ausgiebig genießen, was so kurz vor dem Ende der Tour ja durchaus in Ordnung geht.
Wie nah das Ziel bereits ist, zeigt sich direkt am Ende des Dammweges, wo schon das Gleis der Draisinenstrecke quert. Heute rumpelt hier nichts, vielmehr liegt noch immer die gedämpfte Stille des Novembertages über der Landschaft. Neben der Bahntrasse lagern halbvergessen allerhand Accessoires mit Bahnbezug, die wahrscheinlich längst Beine bekommen hätten, wenn sie nicht allesamt so schwer und unhandlich wären.
Am Ende setzt der ruhende Bahnhof mit allem, was dort steht, noch einige Farbakzente in Richtung Rot, gleich in mehrfacher Ausfertigung. Zurückhaltend die flächige Backsteinfarbe der historischen Gebäude, vertraut und unauffällig die Bauchbinde der beiden S-Bahn-Wagen und knallig die Lackierung der Draisinenhebel, glänzend wie der Lippenstift einer lasziven Chansonette, die noch einen Koffer in Berlin hat.
Anfahrt ÖPNV (von Berlin): Regionalbahn bis Zossen, dann weiter mit Bus (ca. 1,25-1,5 Std.)
Anfahrt Pkw (von Berlin): B 96 bis Zossen, dann nach Mellensee abbiegen (ca. 1-1,25 Std.)
Länge der Tour: ca. 15 km (Abkürzungen gut möglich)
Der diesjährige Winter kam im Großen und Ganzen recht winterlich daher und frei von Eskapaden, kühl und grau und manchmal etwas weißgepudert. In den ersten Wochen des neuen Jahres verlieh er sich selbst etwas Nachdruck, indem er Berlin und Brandenburg mehrmals spontan in ein mitteldramatisches Schneechaos stürzte. Das war jeweils in Kürze angerichtet und von langer Nachwirkung. Aktuell scheint er Ruhe zu suchen oder neue Kraft zu sammeln. Liegt etwas lustlos auf den märkischen Äckern und Wiesen herum, gerade noch weiß genug, um nicht übersehen zu werden. Tiefer in den Wäldern sieht es da schon anders aus, denn hier ist das Kältegedächtnis besser ausgeprägt.
Darin liegt auch das Problem in diesen Wochen zwischen Neuschnee und Schmelze, zwischen Nullpunkt und klirrender Kälte. Es ist fast unmöglich einzuschätzen, wie es auf den Wegen aussieht. Ob es rutschig ist, glatt oder spiegelglatt, pfützennass, glitschig oder matschig oder einfach so wie immer. Ob Skier zu empfehlen sind oder Schneeschuhe, Spikes an den Sohlen oder einfach der ganz normale Schuh für stundenlanges Draußensein. Je tiefer in der Botanik, desto langsamer reagiert der Aggregatzustand des Niederschlages samt seiner Grauzonen, was ja durchaus doppeldeutig sein kann in Hinsicht auf den Farbton. Ganz gute Chancen gibt es dort, wo Asphalt liegt, bevorzugt dunkler. Zum einen, da hier meist etwas Verkehr bleibt, der zumindest einen schmalen Streifen des Straßenbelags freihält, zum anderen, da dieser scheinbar schneller auf höhere Temperaturen und Wärmereize reagiert.
Am besten geeignet scheint also eine Mischung aus stillen Straßen in freier Landschaft und schön geführten Radwegen. Idealerweise solche, wo es viel zu sehen gibt, denn wenn sowohl Himmel als auch Boden zwischen hell- und mittelgrau changieren, ist jede Abwechslung willkommen und jedes Fleckchen Farbe. Willkommen wäre auch eine Einkehr unterwegs, doch das ist nun Problem Nr. 2 in den erwähnten Wochen. Viele Betriebe haben Urlaub bevorzugt im Januar und Februar, was sinnvoll ist und nachvollziehbar, denn jetzt ist kaum wer unterwegs. Gut, wenn man zumindest für den Abend eine sichere Bank im Hinterkopf hat, wo es warm ist, trocken und gemütlich. Denn die schönste Einkehr und die verdienteste ist doch die nach einem langem grauen Wintertag oder einem erheblichen Aufstieg.
Zehdenick
Zehdenick ist ein Städtchen mit hübschem Kern und verfügt wie auch Storkow über eine markante Zugbrücke unmittelbar am Rande der lauschigen Altstadt. Wie in Storkow ist diese nicht nur hübscher Zierrat, sondern überbrückt eine viel und gern genutzte Wasserverbindung für Freizeitschiffer. Eine Verbindung, die vor nicht allzu langer Zeit gar nichts mit Freizeit zu tun hatte und dafür sorgte, dass große Teile Berlins so aussehen wie sie heut noch aussehen.
Vor etwa 120 Jahren wurde eine Bahnverbindung von Löwenberg nach Templin gebaut. Bei den Bauarbeiten offenbarten sich Tonvorkommen, komplett unerwartet und direkt unter den Uferwiesen der Havel. Das erklärt die dichte Nachbarschaft des Flusses zu den heutigen Stichteichen, die sich in großer Zahl zwischen Zehdenick und Marienthal hinziehen. Die Vorkommen galten selbst im europäischen Vergleich als riesig und waren so umfassend, dass noch vor gut 25 Jahren aktiv abgebaut wurde. Praktisch war dabei, dass die Ziegel in den zahlreichen Ziegeleien gleich vor Ort gebrannt und über die Havel unkompliziert verschifft werden konnten – bis vor die Berliner Haustür. Es gibt dazu das zutreffende Zitat „Berlin ist aus dem Kahn erbaut“ – auch damals wuchs die Stadt rasend schnell, dehnte sich nach außen aus und schloss in ihrem Innern manche Baulücke. Unter anderem dank der havelnahen Tonvorkommen zählte Berlin in den Dreißiger Jahren zu den fünf größten Städten weltweit.
Zehdenick samt seiner Nachbarorte ist das ganze Jahr über einen Ausflug wert, und heute erfüllt es uns zudem die gewünschte Mischung für einen grauen Wintertag mit Temperaturen um den Nullpunkt. Maßgeblich ist das dem Fernradweg zu verdanken, der die Hauptstädte von Dänemark und Deutschland verbindet. Der einzige Nachteil ist der, dass die Tour ohne Reißleine auskommen muss – es gibt keinerlei Möglichkeit irgendwo abzukürzen, falls gar kein Vorankommen sein sollte. Insgesamt geht der Plan ganz gut auf, wenn auch auf einigen Passagen eine eigenartige Gangart angesagt sein wird, die eher an Schwimmbewegungen erinnert und in keinerlei Zusammenhang steht mit Coolness.
Nach Verlassen der gefälligen Altstadt wirkt nun die nördliche Vorstadt entlang der Bundesstraße 109 stark kontrastierend. Sieht aus, als sei sie stark verkatert, schon jahrzehntelang. Der graue Himmel unterstützt noch diesen Eindruck. Kaum merkt man den Übergang zu den brachliegenden Gewerbeflächen bis hin zum Hafengelände, die mit ihren Ausmaßen und schwerer Maschinerie von lebhaften Zeiten zeugen. Die ersten Wasserflächen scheinen durch, nicht schwarz und spiegelnd, sondern lückenlos vereist mit leichtem Harsch darauf.
Hier ist der spröde Ausstieg geschafft und man findet sich direkt im Anglerparadies, das diesen Namen wirklich trägt. Über Kilometer liegen weite Teiche links und rechts, einstige Tonstiche, aufgefüllt mit Havelwasser. An vielen Stellen gibt es Parkbuchten, umgrenzt von hüfthohen Palisaden mit einladenden Durchgängen, die im Sommer mit dieser Optik einen Strand verheißen könnten. Zwischendurch zeigen sich immer wieder die spanigen Spuren der hiesigen Bibergang, die so manches Bäumchen umgelegt hat. Die Stümpfe verschwinden unter weich nachgebenden Raspelholzbergen, groß wie Ameisenhügel, die entweder davon zeugen, wie der Mensch dem Biber die Harke zeigt oder mit ihm Zahn in Hand arbeitet.
Links der stillen Straße lungert untätig ein Gleis, so wie der ganze Tag durchzogen ist von pensionierten Gleisen und der Vorstellung etwas auf die Sprünge hilft, was hier für ein Treiben herrschte zur besten Zeit des Tonabbaus. Das Wasser zu beiden Seiten, der Damm dazwischen und das Gleis darauf lassen kurz eine finnische Impression aufblitzen, zumal gerade hier noch ein paar Birken stehen.
Ein Pensionär auf seinem Rad zieht vorbei, nur unwesentlich schneller und den Fokus streng nach vorn gerichtet. Vorn am querenden Gleis treffen wir ihn wieder, wie er vor dem Bahnübergang stoisch seine Runden dreht, ohne den Sattel zu verlassen oder einen Fuß auf den Boden zu setzen. Dieses Gleis übrigens ist aktiv, wie wir gleich hören, denn es naht ein Zug, der unterwegs ist nach Templin. Die erste kräftige Farbe an diesem Tag ist diese tiefblaue Breitseite der Oderlandbahn, sogar mit etwas Türen-Gelb. Als der Zug durch ist und das Farbspektakel verklungen, beendet der auf dem Rad die aktuelle Runde und fährt zurück gen Stadt. Das ist dann wohl ein liebes Ritual und beschäftigt uns für die nächsten Minuten mit Spekulationen in verschiedenste Richtungen.
Nur noch ein schmaler Damm führt jetzt hindurch zwischen Bröselstich und Neuhofer Stich, gerade breit genug für Gleis und Straße und noch etwas Uferkante. Die Landschaft mit ihrem Flickenteppich aus Teichen ist so speziell und fast etwas entrückt, dass es verwundert, immer wieder auf so etwas Sachliches wie Bushaltestellen zu treffen. Eine von ihnen markiert den Zugang zum Vorort Neuhof, wo es seinerzeit auch eine Handvoll Ziegeleien gab. Das eigenwillige Buswartehäuschen am Abzweig verfügt neben reichlich Patina über ein unverglastes Panorama-Fenster zur Wasserfläche des Neitzelstiches und sollte von Rechts wegen unter Denkmalschutz gestellt werden. Es war auch schon im Kino zu sehen, später dann im Fernsehen.
Wer nicht tiefer in das Reich der Stiche vordringen möchte und die Landstraße nach Burgwall im Sinn hat, findet hier die vorletzte Möglichkeit zum Abbiegen. Es gibt nach dem folgenden Abzweig zwar noch zwei Verbindungen weiter nördlich, doch sind diese mittlerweile nicht mehr zugänglich. Ein längeres Stück Straße ist also nicht vermeidbar ist, was auch die allgegenwärtige Beschilderung des Laufparks Stechlin bestätigt. Doch das passt heute eher gut, wie sich bald zeigen wird.
Am Eichlerstich liegen kleine Ruderboote, meistenteils aus Metall und lackiert in zurückhaltenden Farbtönen. Von hier reicht der Blick weit über den größten der Teiche, der auch ein paar Inseln im Herzen trägt. An einem kleinen Hochufer steht sie endlich, die erhoffte Bank mit freiem Wasserblick. Heute blickt sie übers Eis, das überzogen ist von Spuren aller Größenordnungen, quer hinüber bis zum jenseitigen Schilfgürtel.
Neuhof
Noch vor den ersten Häusern der Siedlung mit dem süßen Kaiserbahnhof führt ein kleiner Weg links um den See herum und bald hinein in einen verspielten Wald aus kleinen Fichten, in dem man über eine Schar huschender Kobolde kaum staunen würde. So klein der Wald ist, so tief herrscht hier der Winter mit fast lückenloser Schneedecke und fahlen Kontrasten zum tiefdunklen Grün der Nadelarme.
Die Straße ist schon zu hören, bald darauf zu sehen. Sie verläuft direkt vor dem Waldrand des ausgedehnten Forstes Zehdenick, der schon zur Kleinen Schorfheide gerechnet werden kann. Die Straße ist von tiefdunklem Asphalt, und wenn die Autos auch zügig unterwegs sind, ist ihre Zahl übersichtlich. Von links stößt die erwähnte letzte Ausfahrt hinzu. Sie trägt den Namen „Hoch- und Staplerweg“, und so war es vielleicht eine gute Entscheidung, schon eine vorher abzubiegen.
Nichts könnte der Schuhsohle heute so viel Traktion bieten wie diese schnurgerade Straße, die nun gute drei Kilometer den Weg bestimmt. Langweilig ist das zum einen nicht, da man die Griffigkeit genießt und das Hinterteil entspannen kann, zum anderen gibt es nach links immer einen schönen und weiten Blick, hin zur Havel und ihren Spielereien. Ein kurzer Ausweichversuch im Wald verläuft fruchtlos, denn dort ist es entweder glatt, matschig oder sehr uneben. Also eher eine Option für andere Jahreszeiten, dann jedoch lässt sich dort fast die ganze Straßenpassage schattig umgehen.
Das letzte Stück kürzen wir über die stoppelige Wiese ab, als Zielpunkt eine Stelle, wo gerade das Postauto aus dem Wald kam. Das ist uns heute schon mehrfach an entlegensten Stellen zwischen den Teichen begegnet, und auch jetzt ist nicht das letzte Mal. Vermutlich hat es hervorragende Winterreifen an, denn jetzt folgt das balanceträchtigste Stück des ganzen Tages. Selbst der Wegrand taugt kaum zum Ausweichen, da er schmal, nachgiebig und leicht ansteigend ist und man dort genauso ins Straucheln gerät wie auf der eisglitschigen Waldstraße. Nebenher verläuft wieder ein betagtes Schmalspurgleis und weckt einen kleinen Neid, da es von der glatten Straße so völlig unbeeindruckt sein kann. Sein Bett verläuft mitten durchs Kraut, doch wachsen zwischen den Schienen keine Bäumchen oder Sträucher – als wenn hier dann und wann was führe.
Der reichliche Kilometer auf dem Wasser-Eis-Mix sorgt unfreiwillig für die Entdeckung der Langsamkeit und die Gedanken schweifen für ein paar schmerzliche Augenblicke zu den viereinhalb Paar Spikes, die in der Wohnung genau dort liegen, wo man sie auch nach einem Jahr schnell findet. Letztlich erreichen wir mit trockenem Hosenboden und unversehrten Handgelenken die Straße und genießen die Errungenschaft des aufrechten Ganges, die man Tag für Tag als viel zu selbstverständlich hinnimmt.
Burgwall
Das Havelörtchen Burgwall markiert in etwa das nördliche Ende der Tonstiche, die Havel schwenkt hier klar nach Osten ab und taucht damit in eine Landschaft ein, die bestimmt wird von Wäldern. Eine Brücke führt über die Havel und bietet schöne Blicke über das Dorf. Noch vor der Brückenauffahrt steht ein Bahnhofsschild an einem winzigen Bahnsteig und nährt die Vermutung, dass über die Schmalspurgleise dann und wann ein Züglein rattert. Von Fürstenberg kommend stößt der Radweg Kopenhagen-Berlin hinzu, bis kurz vor Zehdenick unser Begleiter. Parallel läuft der Havel-Radweg. Stellt man sich vor eine der zahlreichen Karten am Wegesrand, ist es ein kurioses Bild, wie sich der Fluss mit lebhaften Schlingen eng zwischen all den Stichteichen hindurchwindet, zwischen den Ufern beider manchmal nur ein schmaler Damm übrigbleibt, gerade breit genug für einen Pfad und etwas Polstermaterial.
An einer Rasthütte kommt es zum letzten Sichtkontakt mit Christel von der Post, die hier souverän ihren Transporter wendet, gefährlich dicht am Straßengraben. Ab und zu kommt ein Radfahrer vorbei, eher Eingeborener als Tourist, und macht Hoffnung auf gute Gangbarkeit der nächsten Kilometer. Eine ältere Dame mit älterem Damenrad und Hausrecht folgt stur und unbeirrbar ihrer schmalen Bahn durch den Eismatsch und zwingt ein altersgerechtes Allrad-Fahrzeug vorübergehend an den Randbereich.
Ziegeleipark Mildenberg
Die Schornsteine kündigen schon den Ziegeleipark Mildenberg an, ein lohnendes Ausflugs-Paradies zu Zeiten mit mehr Tageslicht, und bald schon verdichten sich die Gleise bis hin zu losen Knäulen. Wo es während der mitteleuropäischen Sommerzeit kein Problem ist, auf dem weitläufigen Gelände oder auch nur in seinem havelnahen Herzen einen ganzen Tag zu verbringen, ist jetzt eindeutig Winterpause. Nicht ein Mensch ist zu sehen und keine Kinderscharen wuseln zwischen der Marina und dem imposanten Ringofen. Die Züge mit den umgebauten Loren stehen still und halten Winterschlaf, ein wenig wehleidig. Auch die Flotte von mietbaren Hausbooten, Motor-Jachten und motorisierten Wohnwagenpontons verharrt in Stille, teils auf dem Lande, teils im Wasser. Gleich hinter der Radler-Einkehr beginnt nun wieder eine Fahrradstraße und führt auf schmalem Dämmlein zwischen Stäckebrandts Pappelstich und Döbertstich hindurch. Stäckebrandts Pappelstich – das könnte doch auch eine mittellange Erzählung sein von Theodor Fontane oder Storm. Ein Eisangler sitzt auf der angetauten Fläche und hat ein Loch geschlagen, dicht beim Schilf. Vom Schilfrand hat ihn eine Katze fest im Blick, die scheinbar keine kalten Pfoten scheut für etwas Silberschmaus.
Hinterm Wäldchen geht es links entlang am erstarrten Bruch des Welsengrabens, der bei den nächsten Häusern überquert wird, an einer durchaus pittoresken Stelle. In den Bäumen vertreiben sich die Krähen etwas Langeweile und warten auf Gelegenheiten, wem anderen was abzujagen. Davon abgesehen ist es schweigsam heut am Himmel, nur ein paar Gänse zogen durch vorhin, doch auch diese eher wortkarg. Aus einem Weg, den man verkehrstechnisch für hinfällig erklärt hätte, kommt ein Auto angewackelt, mit kurzem Radstand und daher nachgerade aufgebracht im Takt der tiefen Pfützengründe. Wie überhaupt heute an den seltsamsten Stellen Autos hergefahren kommen, aus kleinen und auch kleinsten Wegen und aus entlegenen Sackgassen.
An der nächsten Kreuzung weist eins von den vielen Schildern zur Einkehr im nahen Mildenberg, doch unser Ziel ist nun schon greifbar und wir biegen ab zum Bruchwald. Auf dem Weg dorthin kommt uns ein freundliches Männlein auf einem grünen Trecker entgegen. Hat eine leuchtend gelbe Warnweste an und schenkt uns damit die hellste Wahrnehmung des gesamten Tages, obendrauf noch einen freundlichen Gruß. Am Bahndamm erwischen wir dann nochmals den Zeitpunkt einer Zugdurchfahrt, diesmal in Richtung Süden und als Heidekrautbahn. Wieder eine Dosis kräftiges Blau. Doch wirkt sie jetzt fast blass, nach dieser jüngsten Impression in gelb.
Die Überquerung der Havel ist auf der Eisenbahnbrücke nicht vorgesehen, denn die ist gerade schmal genug fürs Schotterbett. Das trifft sich gut, denn jetzt folgt am diesseitigen Flussufer eine „Stadteinfahrt“ von besonderer Einzigartigkeit. Hautnah darf auf diesem kleinen Pfad miterlebt werden, wie wenig Platz zwischen der Havel und ihren Stichen bleibt. Es ist, als spazierte man auf einer Landbrücke durch einen großen See, durch den auch noch die Havel fließt. Für die Stabilität dieses schmalen Bandes bürgt anfangs eine stattliche Reihe alter Linden, später besorgen das dichte Schilfgürtel. Wenn das an einem trüben Januar-Tag schon fasziniert, wie muss es dann erst sein bei Sonnenschein und dicht belaubten Bäumen?
Während auch hier alle Wasserflächen weiß vereist sind, ist die Havel offen und fließt spiegelglatt und schwarz. Alle bisher nicht gehörten Wasservögel treffen sich auf dem Fluss, und so ist ein ständiges Schnattern und Flattern, ein reger Austausch und scheinbar Platz für jeden Schnabel. Ein Stück weiter sind gegenüber am Hafen zahllose alte Ton-Loren über Kopf gestapelt, ein kurioses Bild. Daneben Boote auf dem Trockendock. Als einzige im Wasser liegt eine hübsche Barkasse gut vertäut, die noch einmal etwas satte Farbe sehen lässt.
Links öffnet sich jetzt der urwüchsige Bruchwald der Klienitz, während voraus schon die Türme der Zehdenicker Altstadt in Sicht kommen. Das passt gut jetzt, denn die Tour war lang und der Magen hängt schon durch. Über zwei steile Fußgängerbrücken führt der Uferweg zur Stelle, wo die Schleuse einen beeindruckenden Höhenunterschied überwindet. Rechts öffnet sich ein großes Vorbecken, tiefliegend. Hier ankert publikumswirksam ein passendes Museumsschiff in der Bucht, an dem niemand vorbeikommt, der ein Objektiv am Leibe trägt. Dasselbe dürfte für die benachbarte Zugbrücke gelten.
Wer die Altstadt nicht schon vorhin erkundet hat, kann das auch jetzt noch tun, denn gleichermaßen schön ist sie, wenn die Laternen brennen. Für den allerletzten Ausklang empfehlen sich ein paar stille Minuten am Ufer bei der Zugbrücke. Wenn man sich dort so aufs Geländer lehnt in seiner dicken Jacke und ein Bein hochstellt, die Augen etwas schlitzt und die Gedanken treiben lässt, können sich schöne Bilder öffnen. Von Jahreszeiten, in denen das Eis eine andere Rolle spielt und eher in die Hand gehört, in bunten Farben. Das ist jetzt gar nicht mehr so lange hin.
Anfahrt ÖPNV (von Berlin): Regionalbahn in Richtung Templin (stünd. ab Berlin-Ostkreuz; ca. 1-1,25 Std.)
Anfahrt Pkw (von Berlin): über Land (B 109 bzw. kleinere Straßen über Wensickendorf/Liebenwalde)(ca. 1-1,25 Std.)
Länge der Tour: ca. 21 km (keine Abkürzung möglich); Option: mit dem Bus nach Burgwall (verkehrt stündlich, guter Anschluss an Zug von Berlin) und dort in die Tour einsteigen (dann ca. 10 km); Straßenumgehung außerhalb von Schneezeiten Wegpunkte A-F
Einkehr:
Hotel Klement (gute Küche, gemütlich, freundlich)
Neues Haus Vaterland (etwas modernisierte Küche)
Stadtgarten an der Zugbrücke (gute Küche, gemütlich, freundlich)
Ratskeller und Neuer Ratskeller am Markt (keine eigene Erfahrung)
Vereinsgaststätte des Wassersport-Clubs (an der Fußgängerbrücke ans westliche Havelufer)(keine eigene Erfahrung)
Burgwall:
Gasthaus Zur Fähre (keine eigene Erfahrung)
Ziegeleipark Mildenberg:
Gasthaus Alter Hafen (direkt an der Hafenkante, etwas teurer) und Bernis Café am südlichen Ausgang
Wenn das Jahr auf die markanten und mit buntem Schwarzpulver-Radau verbundenen Initialen 3112 zusteuert, stellt sich dieser ewige Widerspruch ein: einerseits sind die Monate und Jahreszeiten mitsamt den verlinkten Ritualen vorbeigerauscht wie ein Regional-Express an einer parallel fahrenden S-Bahn, die eben noch beschleunigte und in Sichtweite zum nächsten Bahnhof schon wieder an Fahrt verliert. Andererseits scheinen einzelne Tage bereits ewig her zu sein, eher schon so, dass das Wort „damals“ mitschwingen möchte.
Unergründbar ist in dieser Hinsicht, warum eine ärmellose Berlin-Tour vom Sommer erheblich länger her scheint als das frostige Zerpenschleuser Kanalufer mit seinem metallisch blauen Eisvogel, der Anfang Januar im Ufergebüsch saß. Die Jahreszeiten sollten eigentlich bei der Zuordnung helfen, doch die Ärmellosigkeit wird zeitlich ganz einfach einen Sommer zuvor verankert.
Eine ganze Reihe von Empfehlungen wären gern ausgesprochen worden, landeten jedoch im Nähkästchen. Eine Handvoll hole ich nochmal heraus, wenigstens für ein paar Worte.
Cottbus
Cottbus hat mit Berlin unter anderem gemeinsam, dass es kurvenreich von der Spree durchflossen wird. Zudem gibt es ein Stück Stadtmauer, das Aug in Aug mit der Klosterkirche steht. Und auch hier sorgt der Fluss für eine Museumsinsel, welche direkt an die Altstadt grenzt. Im Unterschied zu Berlin steht auf der Insel jedoch nur ein Museum, während sich das andere halbe Dutzend über die Altstadt verteilt, gemeinsam mit dem Schloss, dem weithin bekannten Staatstheater und diversen anderen Spielstätten.
Ein ganz entscheidender Unterschied zu Berlin ist der, dass man ziemlich schnell ins Grüne kommt, wenn man das möchte. In Richtung Spreequelle führen schöne Parkwege und allerlei Brücklein vorbei am durchaus eindrucksvollen Stadion der Freundschaft, hin zu den ausgedehnten Parklandschaften von Spreeauenpark und Branitzer Park. Dieser ist natürlich am schönsten, wenn alle Bäume eingekleidet sind und auf dem Boden die Blümchen sprießen. Doch das weitläufige und verspielte Gelände mit seinen durchdachten Sichtachsen ist selbst im November oder Februar charmant, wenn man hier fast alleine ist und die Enten auf dem Wasser eher zusammenrücken.
Nach dem Herumstreifen im Park ist es um so schöner, zurück zum Markt zu streben, sich reinzusetzen irgendwo und zu genießen. Ganz gleich ob herzhaft oder süß.
Wer anstatt der gefälligen Parklandschaften oder einer gemütlichen Einkehr lieber noch mehr vom Lauf der Spree und etwas zahme Wildnis sehen möchte, kann sich bei den Parks einfach dem Europaweg E 10 anvertrauen und noch um zwei drei Stunden bis nach Neuhausen verlängern, wo jede Stunde ein Zug zurück nach Cottbus fährt.
Wustrau-Altfriesack
Wustrau und Altfriesack liegen am selben See wie Alt- und Neuruppin, nur am anderen Ende. Zwischen dem flächigen und gediegenen Wustrau und dem von Wasser durchzogenen Altfriesack liegt eine Halbinsel, die von zwei Armen des Rhins geschaffen wird. Der Wustrauer Rhin ist ohne viele Umschweife unterwegs in Richtung Fehrbellin, wo er besonders lieblich dem Rhinkanal zufließt. In Wustrau selbst ist er am schönsten an der alten Wassermühle zu erleben. Der Bützrhin hingegen, der bald schon Alter Rhin heißt, schlägt einen weit ausholenden Bogen zum selben Ziel und nimmt dabei das Linumer Teichland und die Hakenberger Schleuse mit, mitsamt ihren wunderbaren Landschaften. Unterwegs kommt ihm noch der Kremmener Rhin abhanden und macht den Wasserarmsalat perfekt.
Sowohl das überaus pittoreske Wustrau als auch Altfriesack mit seinem kleinen „Rhindelta“ und der schönen Zugbrücke zählen zu den Brandenburger Orten, die etwas Einzigartiges haben. Verbunden sind beide nicht nur durch einen Bindestrich, sondern auch durch einen Wanderweg, der den Wald der erwähnten Halbinsel quert. Auch hier ist das – wie eben schon bei Cottbus – der E 10, was ein ganz klein wenig kurios ist und von seiner Vielfalt zeugt.
Wer nicht gern denselben Weg zurückgeht, kann von Altfriesack auf dem verlängerten Triftweg einen südlichen Bogen zurück nach Wustrau schlagen. Und wer vielleicht in Altfriesack bei einer der zwei Fischerhütten eingekehrt ist und bereits am letzten Loch im Gürtel angelangt, hat die Option, diesen Bogen nach Belieben in die blickoffenen Weiten des Wustrauer Luchs zu verlängern und dann über Langen und Buskow den Weg zurück anzutreten, oft unter dem Schatten prächtiger Alleen. Das sind zwar teilweise öffentliche Straßen, doch sind die Autos zählbar. Und speziell die letzte Allee zur Südspitze des Ruppiner Sees ist eine Offenbarung der Gemütlichkeit.
Die zwanzig grünen Hauptwege von Berlin: Nr. 3 – Heiligenseer Weg
Wer hier und da zu Fuß durch das Stadtgebiet von Berlin streift, trifft in Grünanlagen und auch dazwischen auf Wandermarkierungen, die aus einem blauen Balken und einer Zahl bestehen. Ist beim Erst- und Zweitkontakt vielleicht überrascht, hier im dicht bebauten Dörferverbund von Berlin, aus dem die Stadt gewachsen ist. Dahinter steckt Methode, und der erste Gedanke dafür ist erstaunlicherweise schon mehr als hundert Jahre alt.
Diese Wege können einem nahezu überall in der Stadt begegnen, denn legt man alle zwanzig als Linien über eine Karte von Berlin, sieht das aus wie ein voll bepacktes Einkaufsnetz mit recht gleichmäßiger Maschenverteilung. Wer jetzt keine Vorstellung davon hat, was ein Einkaufsnetz ist und wie es aussieht, fragt beim nächsten Familienfest einfach mal die erste Tante oder Oma, die einem über den Weg läuft. Und darf je nachdem mit ausholenden Beschreibungen und Anekdoten rechnen, was für beide Seiten sehr schön sein kann.
Dass Berlin immer noch vielfältiger ist, als man ohnehin schon denkt, ist nichts Neues. Doch das Phänomen, dass man auf vielen Hundert Kilometern grüner Wege durch die Stein- und Asphaltwelten spazieren kann und die Stadt immer wieder von neuen Seiten entdecken, ist bei jedem dieser Wege aufs Neue markant.
Die von offensichtlichen Berlin-Kennern gefundenen und konzipierten Wege tragen so schöne Namen wie Humboldt-Spur oder Nord-Süd-Weg, Lindenberger Korridor oder Barnimer Dörferweg. Sie verlieren selten den Kontakt zum Grün und zur Natur in jedweder Ausprägung, was in vielen Fällen auch mit reichlich Wasser einhergeht. Optional lässt sich etwas Würze hinzufügen, wenn man stellenweise ausbüchst und Abstecher oder Ausflüge in spezielle Viertel oder charakteristische Stadtlandschaften macht, nach denen es dann umso schöner ist, wieder ins Grüne einzutauchen.
Einige Wege führen bis an die Stadtgrenze – und keinen Meter weiter. Viele von ihnen hatten wir schon unter den Sohlen, quer durch die Jahreszeiten. Jeder hätte einen eigenen Text verdient, wirklich.
In diesem Sommer war auf einem Stück des Heiligenseer Weges viel Neuland dabei. Steigt man in Tegel zu, bietet sich vorher noch ein Abstecher zum Tegeler Schloss an, von dem ich bis dahin nicht einmal wusste, dass es existiert. Die längliche Anlage gibt sich etwas zugeknöpft und belohnt den Beharrlichen mit einer sagenhaft schönen Lindenallee und der letzten Ruhestätte der Brüder Humboldt. Dahinter liegt urwüchsiger Wald mit schönen Pfaden, die man besser Pfade sein lässt, denn dort leben extrem sportliche Wildschweine. Zum See gibt es – entgegen einzelnen Legenden – ohnehin keinen Durchgang.
Vom Stadthafen Tegel mit seinem stählernen Walfisch lässt es sich herrlich die Uferpromenade entlangtrödeln, bis vor zur roten Brücke an den Häfen, wo gleichermaßen kleine Ruderboote und baumeslange Ausflugsdampfer angeknotet liegen. Wer einen luftigen Hochsommertag erwischt, kann ohne viel Zutun glauben, er säße irgendwo am Tegernsee anstatt an einer ausgeprägten Bucht der Havel, die so ähnlich heißt. An solchen Tagen drückt der Wind vom Wasser her wie echter Seewind und schmeißt schonmal die Torte auf dem Teller um, auch wenn das Stück rechte breite Schultern hat. Die turbulenten Wellen und die gut vertäuten weißen Dampfer an der gediegenen Platanen-Promenade machen es sehr leicht, Voralpenzüge hinter sich zu wähnen und sich ein wenig mondän zu fühlen dabei.
Wer es hier nicht schafft sich loszureißen, zeigt in keiner Weise Schwäche, sondern trifft vielmehr eine sinnvolle Entscheidung mit Augenmaß, denn hier lässt sich gut ein ganzer Nachmittag vertrödeln. Wen hingegen doch die Neugier umtreibt, der wird belohnt mit einem städtischen Kontrastprogramm von außen nach innen. Im Flughafensee lässt sich wunderbar ein Bad einschieben. Möchte man danach die Locken trocken haben, braucht man sich nur etwas weiter in die Tegeler Einflugschneise zu stellen, wo alle paar Minuten ein Turbinenwind passiert, ganz frisch gepresst und scheitelnah.
Nur etwas später in den schattenreichen Rehbergen gibt es Berge, Rehe und auch andere Tiere sowie am Plötzensee die nächste Möglichkeit zum Baden. Noch etwas weiter liegt in sich ruhend und unter Kastanien ein Biergarten á la Bayern, der den Faden aufnimmt von vorhin, mit Leberkäs und Weißbier. Hier trifft der Weg auf ein Ufer, das nun verschiedenen Kanälen folgt, bis hin zur Pankemündung. Und noch weiter bis zum Hauptbahnhof, wo man sich an einer der Uferbars ganz herrlich in einen Liegestuhl hängen kann.
Burg Rabenstein im Hohen Fläming
Für luftige Sommertage, doch auch für andere Jahreszeiten gut geeignet ist ein Ausflug zur Burg Rabenstein im Hohen Fläming, wohl der klassischsten Märchenburg auf dem Gebiet Brandenburgs. Einsam im Wald, auf einem Sporn und mit hohem Rapunzelturm. Dabei überschaubar groß und richtig schön mittelalterlich. Wer diese kleine Höhenburg als Filmkulisse nutzen will, muss nicht allzu viel umbauen, kaschieren oder abschrauben, bevor die erste Klappe fallen kann.
Zugegeben – die Anfahrt ist weit. Doch sie lohnt sich. Insbesondere auch für Familien mit Kindern beliebigen Alters, die hier einen runden Tag verleben können. Schon unten im Dorf wird es schwer, in die Gänge zu kommen, denn sobald man den Burgenbus oder das Auto verlassen hat, übt ein geräumiger Spielplatz seine ganze Anziehungskraft aus, nicht nur auf Kinder und direkt gegenüber des Naturparkzentrums. Dieses unmittelbare Gegenüber ist ein schönes Angebot für eine halbstündige Aufteilung von Groß und Klein, bevor es an den Aufstieg gehen soll.
Der gibt den Auftakt zu einem kleinen, allerliebsten Rundweg. Führt vom Spielplatz hoch zur Burg, von dort über endlose Stiegen und hügelige Pfade wieder talwärts und ist dabei kompatibel auch für die kürzesten Beinchen. Auf nicht einmal zwei Kilometern lassen sich hier gemeinsam Abenteuerwelten entdecken, und wem das Talent des Geschichten-Ausdenkens geschenkt wurde, der kann mit ein paar Gedankenstupsern die Phantasie aller anwesenden Kinder befeuern und dafür sorgen, dass der Tag allein deswegen niemals das Gedächtnis der jüngsten Verwandtschaft verlassen wird.
Die Burg spricht am besten für sich selbst, lässt sich gut umstreifen und entdecken. In ihrem unmittelbaren Umfeld gibt es gleich noch zwei Erlebnisspender ganz unterschiedlicher Natur. Wer nach dem minutenlangen Aufstieg zu neuen Kräften finden muss, wird gern noch die vier Stufen zum brotduftenden Innenraum des Backhauses erklimmen, wo es am Wochenende neben köstlichen Schmalzstullen auch Kuchen, kalte Getränke und Bockwurst gibt. Jeglicher Kauf erfolgt angesichts der großen Ofentür des Holzbackofens, hinter der die verlockenden Duftschwaden entstehen. Frisches Brot ohne Geheimnisse. Und ein Backofen, genügend groß für ein ganzes Dutzend großer Brotlaibe.
Das zweite Erlebnis wartet nur hundert Meter weiter, zu Füßen des denkbar unromantischen Pendants zum Burgturm. Hier befindet sich mit der Fläming-Falknerei eine der wenigen Falknereien Brandenburgs. Zu Füßen des wuchtigen Betongebildes gibt es in den Monaten der Sommerzeit jeden Nachmittag um halb drei eine Flugvorführung, nur montags nicht.
Vielleicht besteht die Frage, warum man einem und noch einem Vogel und noch anderen dabei zusehen soll, wie sie fliegen. Ähnlich wie bei der Burg lässt sich das am besten vor Ort herausfinden. Der hiesige Falkner stellt in einer Dreiviertelstunde eine ganze Reihe eigenwilliger Charaktere vor, die man in einer Entfernung von wenigen Metern erleben darf. Begleitet wird das von einer charmanten und unterhaltsamen Moderation, die über eine diskret platzierte und hervorragende Tonanlage erfolgt und die Zeit recht schnell vergessen lässt.
Danach ist man ein ganz klein wenig bekannt mit dem Steppenadler Xena, der ebenso gern zu Fuß unterwegs ist wie er fliegt. Und Gonzo, dem sympathischen Gänsegeier, der allen Leuten den Kopf geraderückt, die Geier bislang unsympathisch fanden. Sich freut wie drei kleine Kinder zusammen, wenn er merkt, dass er gleich dran ist und dann majestätisch mit voller Spannweite kurz über dem Boden entlanggleitet. Oder mit Fussel, dem sibirischen Uhu mit den unwiderstehlichen Bernsteinaugen, der eigentlich gar nichts machen muss und trotzdem schwer zu vergessen ist. Einprägsam sind auch die kleineren Kaliber, die Milane, Falken und Habichte, die schnell und wendig sind und Flugmanöver hinlegen, die nur mit wachen Augen zu verfolgen sind.
Dabei kann es schon mal vorkommen, dass einem einer der Vögel kurz auf den Fuß tritt, wenn er sich in seiner Neugier in den Reihen des Publikums verfranst hat. Oder man den unmittelbaren Windzug einer ausholenden Schwinge auf der eigenen Haut fühlt. Der Eindruck, den das Ganze beim Einzelnen hinterlässt, wird von Mensch zu Mensch verschieden sein, doch vergessen wird man diese knappe Stunde sicherlich nicht. Und künftig ein wenig anders in die Lüfte stieren, wenn von ganz oben ein pfeifender Laut kommt und ebendort jemand ohne viel Flügelschlag seine Kreise dreht oder in der Luft an einer Stelle verharrt, ein potentielles Mäuschen im Visier.
Wer Raben besucht und vordergründig auf lange Spaziergänge aus ist, kann den speziellen Zauber des idyllischen und flachen Plane-Tals mit den unvermittelt antretenden Höhen des kernigen Miniatur-Gebirgszuges verbinden, auf dessen Mittelpunkt die alte Feste hockt. Der Besuch der Burg lässt sich damit bestens verbinden, dasselbe gilt für die Flugvorführung – wenn man unterwegs die Uhr etwas im Auge behält. Und übrigens: der Wappenvogel Brandenburgs ist hier selbstverständlich auch vertreten. Fragen Sie bei Interesse Ihren Falkner!
Blumberger Mühle
Wer Kinder hat und mit ihnen mehrmals im Jahr ins Land jenseits der Stadtgrenze aufbricht, weiß mit Sicherheit, wie schön es an der Blumberger Mühle ist, was für runde, stressfreie und unvergessliche Tage sich hier verleben lassen. Das gilt gleichermaßen für die weitflächige Teichlandschaft als auch für das an ihrem Rande gelegene Informationszentrum, das einer Kombination aus riesiger Bienenwabe und slawischer Burganlage gleicht. Hier gibt es die schönsten Angebote, um das zu entdecken, was unter freiem Himmel so geboten wird von der guten alten Natur, die sich hier gleichermaßen als Erzählerin und Zauberin zeigt.
Am Südrand der Teichlandschaft liegt die eigentliche Blumberger Mühle. Ein Mühlrad ist hier nicht zu finden, doch ein Gefälle zwischen zwei Teichen ist bei den Gebäuden durchaus erkennbar. Direkt dahinter beginnt ein schnurgerade Weg, der mitten durch den glänzenden Flickenteppich führt, der insgesamt doch immerhin so groß ist wie der Mündesee beim Städtchen um die Ecke. Für Wassernachschub sorgt die Welse, die von Süden wildromantisch daherkommt.
Mit der Blumberger Mühle ist es ähnlich wie mit der Burg Rabenstein – man kann sich bestens auf das Gebiet beim Informationszentrum beschränken, wobei sowohl Bewegung als auch Erlebnisse nicht zu kurz kommen werden. Die Natur kann hier in großer Vielfalt erlebt werden, was mit Sicherheit pädagogisch wertvoll ist und mit ebenso großer Sicherheit gewaltigen Spaß macht. Falls den Kindern die Energie dabei partout nicht ausgehen will, können sich die lieben Erwachsenen für einen Augenblick ins Innere der Wabe zurückziehen und dort stärken – das Essen ist hervorragend, der Kuchen selbstgebacken und die Kakaotassen groß.
Ausschwärmen lässt sich von der slawischen Info-Wabe wahlweise ein bisschen oder eben etwas mehr. Für wen „ein bisschen“ reizvoller klingt, der ist mit einem Spaziergang zur eigentlichen Blumberger Mühle und dem Damm zwischen den Teichen gut bedient. Falls gerade der Sommer läuft, ist es von dort durch den Wald nur eine gute halbe Stunde bis zum Strandbad am Wolletzsee – die Schilder zum Campingplatz weisen den Weg.
Und wer noch etwas mehr Bewegungsdrang verspürt oder unterwegs von der Landschaft überredet wird, kann von diesem Strand ein paar Kilometer dem Uckermärkischen Landweg gen Angermünde folgen. Zurück zum Ausgangspunkt besteht die Auswahl zwischen einem zauberhaft uckermärkischen Hügelweg oder der wiesigen Spur, die entlang der Bahn verläuft. Rechnen Sie auf der benachbarten Weide mit tiefschwarzen Rindviechern, deren Rasse nach einem australischen Gitarristen benannt wurde, sowie auf allen Wegen mit plötzlich aufstiebenden, farbenfrohen Fasanen!
Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken, dann „Speichern unter…“)
Die Panke ist ein kleiner Fluss, vielleicht auch ein großer Bach, und wird von Anfang bis Ende treu von der Berliner S-Bahn begleitet. Wer den Lauf dieses kristallklaren Gewässers erkunden will, kann das zu Fuß an einem knackigen Tag erledigen oder die einzelnen Entdeckungen passend portioniert auf zehn S-Bahn-Stationen verteilen, die sich auf drei Linien abspielen. Wahlweise lässt sich auch etwas U-Bahn untermischen – bevorzugt natürlich der Bahnhof Pankstraße, der so betrachtet also nichts mit rebellischer Jugendkultur, zentrischen Frisuren und effizienter Drei-Akkord-Musik zu tun hat.
Die ursprüngliche Panke-Quelle soll etwas nördlich des Bernauer Bahnhofs liegen, auf Höhe der Siedlung Pankeborn, ihre ursprüngliche Mündung knapp 30 Flusskilometer später in Sichtweite zum S-Bahnhof Friedrichstraße. Beide sind zutiefst unromantisch. Was sich jedoch dazwischen abspielt, ist an den meisten Stellen verspielt, charmant und zauberhaft zu nennen und lässt einen effektiv abkoppeln vom Tempo und der baulichen Dichte der Stadt, durch die man sich bewegt.
Berlin hat zwar schon ganz klar den September erreicht, doch die Stadt ist nach drei kurzen Tagen unterhalb der 25-Grad-Marke schon lange wieder großflächig aufgeheizt und versucht sich Tag für Tag im Erreichen und Übertreffen der 30. Dank des tiefen Sonnenstandes bringen die Nächte etwas Linderung, doch die tageswarme Bausubstanz kann dazu nur kalt lächeln. Zum Ende der Woche ist einmal aufs Neue das allerletzte Sommer-Wochenende des Jahres angesagt, und die Ufer der Spree werden überall in der Stadt dementsprechend entspannte Impressionen bieten, bevölkert von verschiedensten Konstellationen von Menschen.
Wer eine geringe Bevölkerungsdichte unmittelbar um sich herum ersehnt, kann auch zwischen der Panke und dem Seegraben, einem ihrer Zuflüsse, nach warmen Tagen und einer kurzen S-Bahn-Fahrt oder ein paar Fahrrad-Kilometern angenehm Zuflucht finden. Für letzteres steht ab dem inselgelagerten Berliner Dom der Fernradweg Berlin-Usedom zur Verfügung, und allein das Wort Usedom klingt ja schon erfrischend, denkt man an den weit mehr als pankelangen Sandstrand, der zugleich die Mutgrenze zur immer etwas zu kalten Ostsee bildet.
Reinspringen und ein paar Züge schwimmen kann man an Panke und Seegraben zwar nicht, doch einer Erfrischung im Liegen steht dem nicht im Wege, der sich der beachtlichen Kälte des flach fließenden Wassers gewachsen fühlt. Und den erstaunten Blicken von etwaigen Passanten – je nachdem, welche Körperhälfte mit der nötigen Diskretion gerade gewässert wird.
Auch zu Fuß lässt es sich hier gut aushalten an Tagen, wo die Sonne gnadenlos brezelt und die Luft flirrt beim Blick in nahe Fernen. Die meisten Wege lassen vergessen, wie heiß es draußen ist, und die Luft scheint immer etwas bewegt zu sein. Das liegt an den vielen Bäumen, die lose genug gestreut sind, um bei fast jedem Blick nach oben freie Sicht zum Himmel zu gestatten, jedoch auch nah genug beisammen und am Weg stehen, um wohltuenden Schatten zu liefern.
Da einiges in dieser Landschaft noch relativ neu ist, trifft man hier auf kuriose kleine Wälder, die allesamt noch etwas niedrig sind. Dazwischen stehen unvermittelt betagte Baumriesen wie zum Beispiel eine enorme Buche. Eingebunden in das Ganze sind ausgedehnte Waldweiden, eingezäunte Gebiete, die durch Tore betreten werden dürfen. Innerhalb dieser Tore vertreiben sich englische Parkrinder und osteuropäische Konikpferde ihre Tage, ferner schottische Hochlandrinder sowie doppelt befellte Galloways. Auch wenn die Chance recht gering ausfällt, den internationalen Wiesenrupfern direkt zu begegnen, sollte man auf ein entsprechendes Treffen vorbereitet sein. Am wichtigsten dabei sind Respekt und Abstand, beides in ausreichendem Maße.
Buch
Unweit des Bahnhofs Buch locken gleich zwei Uferwege an die grasigen Bettkanten der eingesenkten Panke, die hier schon circa einen Meter breit ist und beeindruckend glasklar über ihren sandigen Grund eilt. Der fühlt sich so weich an, als wäre er aus märkisch eingefärbtem Sahara-Sand gelegt worden. Wer einmal so mutig war, seinen Zeigefinger in die unheimlich pulsierende Kochquelle bei Kunsterspring nördlich von Neuruppin zu halten, kennt ein ähnliches Sandgefühl.
Alles, was hier wächst im Bach, sieht so appetitlich aus, frisch und knackig grün, dass es wohl kein Salatfreund von seinem Teller weisen würde. Am rechten Ufer verläuft der Pankeweg, biegt aber schnellstens ab, als es geradeaus kaum erkennbar durch die hohe Wiese pfadet. Wer dennoch geradeaus geht, sollte lange Hosen tragen oder unempfindliche Unterschenkel haben, doch lohnend und schön ist es. Ein pensionierter und zahnloser Bahndamm hilft hinüber ans linke Ufer, wo zwischen hohen Brennesseln ein klitzekleiner Pfad direkt entlang des urwüchsigen Ufers führt, ein paar Minuten nur. Die Panke tut hier ein winziges Bisschen, als flösse sie gerade im Mittelgebirge.
An der Brücke stößt von links der Pankeweg hinzu, der für kurze Hosen, und voraus ist das rege Speichentreiben auf dem beliebten Radweg nicht zu übersehen. Noch davor beendet die Feuerwehr gerade eine Übung, auf einem eigens dafür vorgesehenen Übungsgelände, und macht langsam Feierabend. In den Fahrerhäusern erleichterte Gesichter der alltäglichen Helden, die hoffentlich gleich ihre schweren und warmen Monturen verlassen können.
Direkt hinter der Bahnunterführung lockt ein herrlicher Pfad über die Wiesen vorbei an einer einzelstehenden Prachteiche, vielleicht ist es auch eine Linde. Doch wir wollen ein Stück Richtung Stadt und schwenken auf den Radweg ein. Vor der Autobahn lockt noch so ein Pfad, danach wird der Weg etwas schmaler und ein gegenseitiges Ausweichen mit den Radfahrern bleibt nicht aus. Fast alle fahren in Richtung Stadtgrenze, so dass man sich Sorgen machen muss, ob in Berlin überhaupt noch ein paar Radler übrigbleiben. Alle sind zügig unterwegs, die einen wirken dabei sportlich verspannt, die meisten anderen genießerisch entspannt. Das ständige Ausweichen macht irgendwann etwas quengelig, doch die großen und kleinen Pedal-Verbände bringen zumindest regelmäßige Windschwälle mit sich, die ähnlich erfrischend sind wie der Anblick der etwas tiefer fließenden Panke.
Nachdem auch mal zwei Räder von hinten kamen, verlassen wir den Weg an einer Gruppe von größeren Kindern, die von zwei Erwachsenen gerade etwas Spannendes hören, was hier mit den Teichen zu tun hat. Ein angenehm halbschattiger Damm mit einigen größeren Bäumen führt zwischen Ententeich und Schilfteich hindurch, beides einstige Fischteiche, die auf blubbernde Weise in fließender Verbindung stehen. An drei Stellen gibt es leicht erhöhte Aussichtsplattformen, von denen sich das behäbige Teichtreiben des heißen Nachmittags beobachten lässt. Beteiligt sind neben sympathietragenden Schwänen und Enten auch ein paar Kormorane, die auf zwei ehemaligen Bäumen mitten im Teich wohnen.
Vor der Landstraße biegt ein schöner Weg entlang eines Wiesenstreifens ab, mit einem schier endlosen knorrigen Holzgeländer entlang von Rosen- und Holunderbüschen. Am Ende stehen wir jenseits der Straße vor einer Unklarheit des Wegeverlaufes und infolgedessen mit einem Fuß im Schlamm eines strömungsarmen Froschparadieses. Doch die Beschilderung führt schließlich auf den rechten Weg und auf der richtigen Seite des Wassers unter der Autobahn hindurch.
Passende Rastbänke waren bisher keine, und gerade als es höchste Zeit für eine Pause ist, sehen wir links eine aus klobigen Steinquadern gebaute Fischtreppe, die flossenlahmen oder dehydrierten Fischen dabei hilft, mehrere Zentimeter Gefälle zu überwinden und dabei vom fast schon eisigen Wasser des Lietzengrabens durchrannt wird. Das klingt erfrischend, liegt halbwegs schattig, und die Uferböschung ist sogar mit frischem Schilfstroh ausgelegt. Die vierstufige Treppe ist noch neu, so sagt die Tafel nebenan, doch ihre groben Stufen sind schon herrlich ausgelatscht. Das Wasser hier so tief, dass ein mehr als knöcheltiefes Fußbad bestens möglich ist. Das ist perfekt jetzt.
Durch ein metallenes Tor betreten wir die erste Waldweide. Zugegeben, der Puls erhöht sich um zwei Schläge pro Minute, ungefähr. Gleich danach geht es zutiefst romantisch zwischen zwei weiteren Teichen hindurch, der eine mit einer stattlichen Schilfinsel, der andere mit flächigen Blumenteppichen, durch die sich Enten ungerade Wege bahnen. Unter den Sohlen knacken frische und auch abgelagerte Eicheln, denn hohe Eichen stehen stattlich hier im Uferschatten und bilden einen gefälligen Kontrast zum lichten Birkenwäldchen, das als nächstes kommt, mit frischem Wiesenteppich drunter. Ein paar Minuten später liegt links des Weges ein zappendunkles Fichtenstück, ähnlich jung wie die Birken und so komplett anders vom Erscheinungsbild.
Der Hauptweg ist zuletzt eine ausgewachsene Allee von borkenstämmigen Linden. Mit etwas gutem Willen sieht es aus wie hier und dort auf dem Gebiet der weiten Streusiedlung Burg im Spreewald. Am Auslasstor zur Straße kommt ein Rennrad zum Stehen. Es ist zu sehen, dass er nicht friert, der Fahrer. Gekleidet ist er in ein ziemlich schniekes Wams aus Neopren, das schnellen Fahrtwind sicher abhält, doch auch die Rumpf- und Herzenswärme eher drinlässt. Fragt nach dem See, von dem wir gerade kommen. Doch der ist eher zum Schlammwaten geeignet und zum tragischen Versinken, und wir empfehlen ihm anstatt, sich analog zur Panke von vorhin ausgestreckt in den kalten Seegraben zu legen, nur ein paar Meter weiter.
Er lehnt ab und fragt nach Seen in der Nähe. Als mir der Gorinsee nicht einfallen will, hat er schon voraus die Arkenberge gesichtet, die jüngst den Teufelsberg im Grunewald in die Schranken verwiesen haben und seit Kurzem als Berlins höchste Gipfel gelten. Soweit ich weiß, liegt unterhalb des Osthangs ebenfalls ein See. Das gefällt ihm, liegt auch eher in seiner Richtung, also saust er los nach schnellem Dank und hängt sich eiligst in den würzigen Windschatten eines kreuzenden Treckers.
Der Seegraben bildet hier die Außengrenze eines ausgedehnten Bruchwaldes und erinnert nochmals an den Spreewald, jetzt durchaus den inneren. Eine Familie hat ihr Picknick ausgepackt an einem Rastplatz und genießt den kühlen Platz im Schatten, der erstaunlicherweise nicht von Mücken bevölkert ist. Ein seltsames Phänomen schon diesen ganzen Sommer. Vielleicht sind auch die Vögel effizienter diese Jahr und schnappen sich immer genau so viele Mücken wie gerade ausgewachsen sind.
An der erwähnten Riesenbuche geht es wieder in den Schattenwald hinein. Am großen Hauptweg, der schnurgerade ist und scheinbar keine Enden hat, lockt bald ein Schild zum Hobrechtsfelder Speicher, der schon Erwähnung fand vor etwa einem Jahr, Stichwort Energy Balls. Doch die Hitze dieses Tages hockt bestärkend auf dem inneren Schweinehund, und so wunderbar ein Kaffee wäre in absehbarer Zeit an diesem schönen Ort, so sehr lockt auch das faule Herumsitzen in einem schattigen Biergarten. Also kürzen wir ein wenig ab und gehen weiter geradeaus. Der Weg führt leicht verwachsen vorbei an üppiger Goldroute und an riesigen Stößen gründlich abgelagerten Laubholzes. Dazu der Duft von Laub der Pappeln, der unweigerlich und sehnsuchtsvoll in diesen Monat gehört.
Entlang der Schönerlinder Straße verläuft ein Rad- und Fußweg, der ebenso breit ist wie die Straße selbst, doch etwas tiefer liegt und fast wie ein Parkweg wirkt, nicht langweilig. Autos kommen nur selten, auch wenn die großzügige Breite anderes befürchten lässt. Es läuft sich hervorragend jetzt, nachdem zuletzt die Beine etwas storchengängig waren.
Zepernick
Direkt hinter dem Gelände des Seniorenheims führt unauffällig ein kleiner Schleichpfad in den Wald, der wie erhofft an der Buchenallee endet, in einem Wohngebiet mit einigen schönen Villen. Am Ende geht es wieder in den Wald hinein, den feuchten und ganz besonders schattigen. Noch vorher lockt eine Bank zum Beinestrecken. Ein Schäferhund an einer Leine kommt von links und schlägt Krawall. Der am anderen Ende der Leine sagt, dass er sich aufregt, weil dort, wo wir jetzt sitzen, gestern niemand saß. Ob der alt werden wird, der Hund, wenn er sich über Dinge dieser Größenordnung jedesmal ernsthaft aufregt?
Röntgental
Nach dem zweiten Unterqueren der S-Bahn-Gleise unweit des Bahnhofs Röntgental darf man direkt geradeaus und spaziert bald auf einem urgemütlichen Dammweg über die Wiesen der Panke. Mitten im saftigen Grase sitzen Leute und genießen die schon spürbar nahende Abendluft des Bachtales. Der Tag atmet aus, kühl und beruhigend, was vom frischen Heu der jüngsten Mahd noch bekräftigt wird. Auf dem Weg nach Usedom dreht sich kaum noch ein Rad, die Panke plätschert friedlich nebenher und die Sonne steht schon tief. Auch darauf ist Verlass jetzt im September, da kann sie heizen wie sie will den ganzen Tag, die liebe Sonne.
Zum schönen Abschluss biegen wir links ab in den Schlosspark Buch, der uns neben einladenden Wegen und schattigem Baumbestand mit weiteren Spreewald-Impressionen versorgt, inklusive Laub und Enten auf dem stillen Wasser der verzweigten Pankearme – und so mancher Brücke. Was jetzt noch fehlt, ist nur ein Tisch unter Kastanien, darauf ein frisch gezapftes Eis. Es soll sich finden, direkt hinter dem Süd-Portal des Parkes.
Anfahrt ÖPNV (von Berlin): mit der S-Bahn bis Buch (ca. 30 Min. ab Zentrum)
Anfahrt Pkw (von Berlin): ca. 40 Min. (über Autobahn oder über die Dörfer)
Länge der Tour: ca. 14,5 km, Abkürzungen gut möglich
Einkehr: in Buch verschiedene gastronomische Angebote (meist Imbiss),
Ristorante Il Castelle mit schönem Kastanien-Biergarten (am östlichen Schlosspark-Portal)
Die Tage werden bunter, die Nächte kühler, und jeweils dazwischen gibt es nun wieder die Dämmerungsnebel, die scheinbar und allmählich das Tempo aus den Tagen nehmen. Darunter liegen dunkle Äcker, vor kurzem noch Felder, begrenzt von Baumreihen mit erstem Gelb im Gefieder. Ein paar standhafte Grillen kommentieren noch die sonnigen Passagen dieser schönen Altweibersommer-Tage, doch die Schwalben haben endgültig das Weite gesucht. Dafür werden Spaziergänge unweit entlegener Wasserflächen und abgeernteter Maisfelder vom Tönen der letzten Saurier begleitet, auf angenehme, beruhigende Weise. Die Verbünde der Kraniche sind noch klein, doch das Sammeln ist bereits zu ahnen, auch wenn sich mittlerweile viele von ihnen zum Bleiben versammeln. Leuchtende Apfelbacken und knallrot lackierte Hagebutten bringen sanfte Euphorie in die Wegränder, an denen noch immer eine beachtlich bunte Vielfalt von Blumigem steht.
Die halbe deutschsprachige Welt kennt Ribbeck, das Ribbeck im Havelland, doch gibt es noch ein anderes, was weitaus direkter mit der Havel zu tun hat. Benachbart ist der recht bekannte Ziegeleipark Mildenberg, der direkt am Fluss liegt und auf diesem Wasserwege das schnelle Wachsen der Stadt Berlin vor guten hundert Jahren möglich machte. Davon geblieben sind unter anderem eine ganze Reihe verschieden großer Stichteiche direkt am Fluss und auch hier etwas abseits. Daraus ist in den letzten Jahrzehnten eine berührend schöne, stille Landschaft gewachsen, die sich gut zu Fuß durchkämmen lässt, zumindest hier und da.
Die Straßenränder auf der Hinfahrt fordern zum Wiederkehren an fast jedem der folgenden Wochenenden auf – irgendwo findet immer ein schönes Fest statt, die Themen sind mal ganz süddeutsch-zünftig Oktober, oft auch Erntedank oder ganz einfach Herbst. Und das geht durch bis Anfang des Novembers.
Ribbeck
Kurz hinter Zehdenick geht es nach Mildenberg, das nächste Dorf ist dann schon Ribbeck. Das Licht und auch die Luft sind so klar, wie sie es nur im September sein können, vielleicht auch noch im März, und auch die Düfte dieses Monats sind alle hier versammelt. Frisches Laub und Eicheln, reifes Obst und erste Pilze und wieder dieser zarte Duft des Pappellaubs, das noch am Baum ausharrt. Die kleine Kirche auf dem Anger scheint ihr Schattendasein zu genießen, das Dorf strahlt Frieden aus. Auf dem Weg hinaus peesen drei Bengels auf ihren Rädern durch das Dorf und wirken damit sehr beschäftigt. Der letzte Garten geht direkt in die erste Weide über, auf der die Kühe lümmeln, herrlich faul die Euter ausgebreitet. Nur jede zweite hat den Kopf noch oben, jede von ihnen genießt die Sonne auf dem luftgekühlten Lederpelz, das kann man sehen.
Für uns stehen jetzt die ersten drei Verkostungen an, drei Apfelsorten, jede grundverschieden. Die dritte dann bekommt den Zuschlag, kräftig aromatisch, saftig und leicht sauer. So dass es an den Zähnen quietscht, ein bisschen. Hinter dem Gehöft bei Rieckesthal wird der Weg noch etwas gemütlicher und sieht aus wie schon vor hundert Jahren. Die Büsche dichter und die Früchte wilder. Von oben kontrastiert der Himmel blau wie selten.
Ein paar Angler laden gerade ihre Ausstattung aus, erwidern unseren stillen Gruß mit lautlosem Brummeln – warum müssen jetzt hier Leute langlatschen und den Fisch verschrecken? An dieser Stelle wird erstmals eine Wasserfläche sichtbar, sonnenglitzernd und umbuchtet. Dahinter dann beginnt ein Pfad, der mitten durch die wilde Landschaft führt, mit unergründlich dicht gewachsener Botanik links und rechts und immer wieder neuen Wasserflächen, mal teich-, mal seengroß. Manchmal führt ein Stichweg bis ans Ufer, manchmal liegt dort ein halb ersoffenes Boot an einem schiefen Steg. Im flachen Wasser der einst trockenen Fläche stehen stabig Reste kleiner Wälder, ein Bild von düsterer Romantik und gespenstisch schön. Auf diesem schmalen Band des Pfades nehmen wir die unsichtbare Spur der alten Werkbahn auf, deren Schienen hier vor ein paar Jahren noch vereinzelt schimmerten. Bis hinter Mildenberg wird uns die Spur begleiten.
Neben den üppigen Wiesen mit all ihren Gräsern und den dichten Schilfflächen, in denen es ständig raschelt, wird der Pfad begleitet von Hopfen und Holunder. Letzterer ist absolut erntereif, die Beeren durchgängig tiefschwarz und groß und prall. Überall sonst sieht er noch ziemlich dürftig aus, doch mit dem vielen Wasser hier, da scheint er prächtig zu gedeihen. In diesem Sinne ist es schade, dass die Tour fast noch am Anfang steht, sonst könnte man gleich ernten.
Immer wieder sorgt der Kranichlärm für angehobene Köpfe, und bei der Suche nach den Vögeln sehen wir bunte Punkte aus den dichten weißen Wolken fallen. Und kurz darauf entfalten zu mehr Fläche, zunächst noch planlos trudelnd, dann kontrollierter einer Richtung folgend. Stimmt – ein paar Kilometer Richtung Gransee gibt es ja die Möglichkeit für einen Fallschirmsprung, allein oder als Tandem, und der Tag ist heut perfekt dafür. Alle Viertelstunde geht der Flieger hoch und schraubt sich langsam in die Höhe, um dann im Halbminuten-Abstand die bunten Willigen herauszuwerfen. Das muss erhebend sein, trotz freiem Fall, wenn sich nach ein paar Sekunden blindweißem Sturz durch die Wolken der Flickenteppich aus Feldern und Teichen öffnet, so klar, wie heut die Sicht ist. Und kurz darauf der Fallschirm.
Pro Flug sind das um die zehn bunte Punkte, das Ganze viermal in der Stunde – da dürften heute recht viele Leute zu Fall kommen, erst frei und dann gebremst. Wer es geschafft hat, auf den warten unten Strandkörbe mit absoluter Bodenhaftung und Kaffeepötte mit derselben Eigenschaft. Oder ein Kurzer und gleich noch einer hinterher.
Ziegelscheunen
Auch hier am Boden gibt es nichts zu vermissen, selbst wenn der sagenhafte, scheinbar stundenlange Pfad die Teichlandschaft verlässt und doppelt breit voraus zum Weiler Ziegelscheunen führt. Die wenigen Häuser hier greifen das Thema Ziegel in vielen Variationen auf. Der weitere Weg ist jetzt etwas ungewiss, und eine Stunde später ist klar, dass man ihn meiden sollte zwischen Mai und Mitte September. Doch wenn nichts wächst oder Gewachsenes abgemäht wurde, kommt man hier bestens lang, auf schönen Wegen und mit freiem Blick. Immer wieder queren Tierpfade, vom Acker rüber bis zum Ufer. Manchmal führt dorthin auch ein Stichweg und gestattet einen Blick über die weite Wasserfläche bis zum nächsten Kirchturm und den Mildenberger Schloten. Die alte Bahntrasse läuft bald wieder nebenher, ist mittlerweile undurchdringbar zugebuscht.
Vorbei an Mahnhorst, auch mit eigenen Teichen und einem schönen Steg, führt der Weg nach ein paar grasigen Knicken übers freie Feld, mit freiem Blick und direkt auf der alten Trasse der genannten Bahn. Ein Gleis war bisher nicht zu sehen.
Mildenberg
Das Gleis gibt es in Mildenberg, quer über die Straße laufen hier die Schienen. Rund um die angerständige Kirche ruht eine breite Mauer, die gut geeignet ist für eine Rast. Währenddessen fährt ein BMW vorbei, an der Antenne einen Fuchsschwanz. Dass es das noch gibt – vielleicht steht alles als Gesamt-Ensemble unter Artenschutz, Fahrer, Schweif und Fahrzeug. Gemeinsam die Jahrzehnte überdauert, die Epochen. Wir sind gerührt. Der Schweif geföhnt, wie’s scheint. Es geht ja auf das Wochenende.
Ein herrlicher Weg lockt direkt von der Kirche Richtung Ziegelei-Gelände. Die kleine Anhöhe und der hohe Mais zur Rechten wecken kurz Erinnerungen an Höhenwege durch den Wein. Was von der Stimmung her zum Herbst ja bestens passt. War auch ein Weinfest ausgeschrieben an der Straße, auf der Hinfahrt? Wo es doch seit den letzten Jahren überall lauter nördlichste Weinberge Deutschlands gibt. Bestimmt existiert er irgendwo, der Havelwinzer.
Ein kleines, doch stabiles Brücklein lässt uns über den breiten Welsengraben, der ganz sachte fließt, glasklar. Jedes dahintreibende Blättlein Entengrütze wirft seinen scharfen Schatten bis zum Grund mit seinem dunkelgrünen Blätterwald. Das folgende Stück Straße führt vorbei an mächtig alten Weiden, die im besten Safte stehen, egal ob ganz oder geborsten. Vorn, wo der Wald beginnt, gabelt sich der Weg, und wir verlassen die Straße nach links. Hier im lichten Kiefernwald gedeihen nahezu perfekte große Schirmpilze mit ihren kuriosen Krausen in der Halsregion, der angenommenen. Ansonsten sieht es noch recht mau mit Pilzen aus, zu trocken war die letzte Zeit. Rechts aus dem Wald tönt Live-Musik von echten Instrumenten, irgendwas Größeres wird dort gefeiert. Eine Allee von ausgewachsenen Eichen zieht sich links des Weges durch den Nadelwald – und behält den Grund dafür für sich.
Am Waldrand geht es links nach Ribbeck. Diese Allee, schon älteren Datums und dementsprechend schattig, wäre durchaus brauchbar für ein Kalender-Titelblatt. An ihrem Ende kommt das Dorf in Sicht, etwas vorher schon der kleine Kirchturm. Obwohl der Tag noch stundenlang so weitergehen könnte, ist es jetzt schön, am Ziel zu sein.
Wir wollen zum ausgeschilderten Oktoberfest in Zehdenick, doch erfahren vor Ort, dass es erst um acht beginnt – da wären wir verhungert. Unweit vom Markt werden wir fündig und können daher nach dem Essen noch einmal zur schönen Zugbrücke und dem Becken vor der Havelschleuse schlendern. Noch ist Leben an der Eisdiele, bevor bald Wärmeres begehrter sein wird. Der erste Grog, er kommt bestimmt.
Anreise ÖPNV: mit der Regionalbahn nach Zehdenick oder Fürstenberg, von dort mit dem Bus nach Ribbeck (1,5-2 Std.)
Anreise Pkw: Landstraße über Liebenwalde nach Zehdenick, von dort Richtung Mildenberg bis Ribbeck (kleiner Parkplatz nahe der Kirche)(ca. 1,25 Std.)
Tourdaten: ca. 16 km, Abkürzung möglich (von Mahnhorst direkt zurück nach Ribbeck)
Einkehr: in Zehdenick mehrere Einkehrmöglichkeiten (Empfehlung: Hotel Klement, zwischen Markt und Zugbrücke, gemütlich, gute Küche);
direkt am Weg in Mildenberg Gaststätte „Zum deutschen Krug“ (keine eigene Erfahrung)