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Sperenberg: Nasse Schafe, Gebirgsseen und das volle Jahrzehnt

Der Mai ist mit Schwung in die Vollen gegangen, ist zu einem sensationellen Festival der Farbe Grün herangereift, wie das scheinbar lange nicht mehr der Fall war. Geholfen dabei haben ungleichmäßige Verteilungen von Wärme und Kälte, Sonne, Trockenheit und punktuellem Wasser von oben. Ein fieser Nachfrost kam nicht so früh wie letztes Jahr, erst im ersten Drittel des Mai, und richtete daher weit weniger Schaden bei Obstblüten und anderen Schönheiten an. Dennoch sind in Büschen und Bäumen so einige Opfer klar sichtbar.

Krummer See in Sperenberg

Da bisherige Hitzeepisoden wohlplatziert und jeweils von kurzer Dauer waren, hielten sich im üppigen Blühwerk dieses Monats zahlreiche Blütenstände und sorgen nun dafür, dass zur gleichen Zeit Flieder und Rhododendron, Holunder und Weißdorn sowie auch die Kastanien und Robinien blühen. Dazu gesellen sich auf Fußhöhe noch lieblich duftende Maiglöckchen in manchem Waldstück sowie der bunte Farbenkanon aus rot, blau und weiß an den Feldrändern.

Der Raps wird nur langsam gelb, dafür stehen so gut wie alle Laubbäume großzügig im dichtem Laub. Dementsprechend hervorragend ist die Luft, was in den Monaten zuvor so gar nicht der Fall war. Alles in allem also ein prächtiger Mai, der mal wieder kurz die Freuden des Sommers verhieß, dann bald schon in Richtung einstelliger Temperaturen zurückwich.

Stichteich bei Rehagen

Ähnlich sah der Wonnemonat vor zehn Jahren aus, wo sich die Eisheiligen auch mehr als wörtlich nahmen, obendrein in beide Richtung um jeweils eine Woche verlängert wurden und unverhandelbar dafür sorgten, dass die Mütze noch lange nicht im Winterschrank verschwinden durfte.

10 Jahre Reportagen aus Brandenburg und Berlin –
10 Jahre voll gesammelter Wege

Damals begab es sich, dass jemand gänzlich ohne Erfahrung einen Reportagen-Blog ins Leben rief, ihn Wegesammler Brandenburg nannte und schaute, was wohl passieren würde. Der erste Beitrag spielte an der Spree und nannte sich „Kossenblatt, die Spree und der verschollene Räuberberg“. Die dreiteilige Gestaltung des Titels blieb, hat sich über die Jahre gehalten. Die Texte hingegen trauten sich mit den Jahren, blumiger und ausführlicher zu werden. Bilder spielten anfangs eine untergeordnete Rolle, was sich jedoch schnell änderte. Die grundlegende Gestalt der Beiträge, welche sich letztlich ausformte, ist bis heute zu erkennen.

Pfad in den Klausdorfer Tongruben

Da ja niemand vom Wegesammler Brandenburg wissen konnte, gab es zunächst kaum Besucher. Doch nach und nach sprach es sich herum, so dass aus einstelligen bald zweistellige Zugriffszahlen wurden, punktuell und an besonderen Tagen soll es auch schon dreistellige Werte gegeben haben. Vor Ort wurden bald kleine, orangene Schilder hinterlassen – erst noch per Reißzwecke, bald schon geklebt-, die per QR-Code direkt zur Webseite führen. Später kamen hübsche Bierdeckel hinzu, die seitdem an Rastplätzen ganz praktisch zum Schonen der Tischplatten beitragen.

Insel im Gipsbruchteich

Neben der Verbreitung von Mund zu Mund halfen beim Sichtbarwerden Beiträge in der Presse, später auch im Radio, einmal auch im Fernsehen. Der erste Radiobeitrag ließ erfreulicherweise einen in Berlin ansässigen Buchverlag neugierig werden. Man war sich bald einig, einen Auszug aus dem Blog in ansprechende Buchform zu bringen und nannte das Buch „Unterwegs in Brandenburg“ (2019). Drei Jahre später folgte mit der Auftragsarbeit „Wild Brandenburg“ (2022) ein geballtes Überblickswerk über fünfzig wenig bekannte Landschafts-Schönheiten in Brandenburg, reich an Herzblut. Besondere Herausforderung waren hier die auf jeweils eine Seite beschränkten Textparts.

Backofen am Strandbad Sperenberg

Ein drittes Buch widmet sich seit letztem Frühjahr dem Übergangsbereich zwischen Berlin und Brandenburg und beschreibt unter dem Namen „Rund um Berlin“ einen Fernwanderweg, der sich abwechselnd in beiden Bundesländern bewegt – die Berliner Gürtellinie. Der schöne und gleichsam unterhaltsame Rundweg einmal um die ganze Stadt ist ein Herzensprojekt von meiner Frau und mir und wurde mittlerweile schon von vielen Leuten komplett begangen. Andere entdecken ihn nach und nach oder sogar über Jahre verteilt, wieder andere begnügen sich mit sporadischen Stichproben oder gemütlichen Feierabend-Schnipseln. Mit das Schönste dabei: der Wunsch, Spaziergänger und Leute mit Wanderbeinen neugierig zu machen, scheint geglückt!

Ortsmitte von Sperenberg

Beim Wegesammler Brandenburg sind über die Jahre Dutzende Beiträge zusammengekommen, die einen schönen Überblick über die Regionen des abwechslungsreichen Bundeslandes geben und ebenso dazu taugen, neugierig zu machen auf bekannte und weniger bekannte Regionen in Brandenburg sowie ferner auf lange und teils verspielt-verkringelte Spaziergänge durch das so vielgesichtige Berlin. In den letzten Jahren lange oft große Abstände zwischen den Beiträgen, war die Zeit immer wieder knapp oder die Muße gerade woanders. Beabsichtigt ist, dass es wieder mehr Beiträge im Jahr werden.

Draisinenstrecke unweit des alten Bahnhofs, Sperenberg

Sperenberg

Wenn man heute so durch Sperenberg geht, kann man sich überhaupt nicht vorstellen, dass der Ort vor dreißig Jahren einer der heißen Kandidaten für den Hauptstadt-Flughafen war, neben Jüterbog und Schönefeld einer der drei Bewerber. Es ist still, beschaulich und idyllisch. Den Flughafen nebenan gibt es nach wie vor, doch eher als historischen Ort, der ein oder ein paarmal im Jahr im Rahmen von Führungen beschaut werden kann. Rundherum und auch in vielen Beton-Fugen üppiges Grün, dazu viel Stacheldraht und zahlreiche Waldwege, die als Sackgasse enden. Alles ein bisschen geheimnisvoll, zugeknöpft – was den Mythos ganz gut nährt und vielleicht genau so sein soll. Weitere Details lassen sich im Archiv nachlesen.

Zuwachsendes Gleis in Sperenberg

Der Ort wird zum guten Teil gestaltet von zahlreichen Seen, zwei bzw. drei eher klassischen in Wasserfarbe und drei farbkräftigen, welche eine still-spektakuläre Tagebau-Folgelandschaft mit unzähligen Pfaden prägen. Die drei letzteren können ein sagenhaftes Türkis an den Tag legen, wenn der Tag mit Sonne prahlt. Ist es hingegen wolkig oder diesig, erscheint das tiefe Wasser unter seinen Felswänden trüb und dunkel und ist dem des Krummen Sees gar nicht so unähnlich.

Rückblick zur Sperenberger Kirche

Zum Freibad am Krummen See gehört einer der wohl anmutigsten Parkplätze in Brandenburg, mit gezackelten Bordsteinkanten und grünem Wiesenteppich sowie hübschen Fächern für die Gefährte. Der Tag ist eher zurückhaltend vom Wetter und so ist nicht viel los am Bad. Ein Hänger, von dem sonst Gegrilltes und Bier über den Tresen geht, wird auf- oder abgebaut, die weite Wiese ist frei und dient mehreren Gänsefamilien als unbeschwerter Tummelplatz.

Begrenzungsmauer der Ruinenstadt Kummersdorf

Vom winzigen Strand jenseits des Zaunes bietet sich vorbei an frischem Schilf ein schöner erster Blick auf die Sperenberger Kirche mit ihrer klaren Form. Der zuständige Haubentaucher lässt sich kurz sehen und veschwindet augenblicklich unter der Wasseroberfläche. Im kleinen Schneidegraben strömt es sichtlich bewegt vom See in Richtung Mellensee. Dort trifft sein Bachwasser unter anderem auf das der Wünsdorfer Fließe und verlässt gemeinsam mit jenen im Nottekanal den großen See.

Die netten Leute von Kummersdorf

Schön und gemütlich ist die Dorfstraße. Der Bürgersteig läuft leicht erhöht und wird von erwachsenen Linden begleitet. Die großen, für den Fläming typischen Toreinfahrten lassen sich bestaunen, verfügen teils über kunstvolle Türstöcke. Im alten Krug steht die große Flügeltür zum Saal offen und lockt zu einem kurzen Blick in den stattlichen Raum. Gen Ortsrand werden unweit des einstigen Bahnhofs die Gleise überquert, auf denen einst die Königlich Preußische Militär-Eisenbahn entlangratterte. Eine von Hand bedienbare Schranke weist auf den heutigen Gebrauch als Draisinen-Strecke hin.

Am Ortsrand von Kummersdorf

Gleich hinter dem Gleis biegt der Wiesenweg ab, welcher direkt neben dem alten Gleis seinen weiten Bogen zieht. Ein Mädchen ist mit dem Fahrrad unterwegs, am Lenker eine riesige Tüte. Stellt das Rad immer wieder ab und schwärmt in die Wiese aus, bückt sich dort und lässt den Blick abtauchen. Die Gräser, Rispen und alles stehen schon hoch, und so ist ist nicht zu erspähen, ob sie einfach Futter für die Karnickel sammelt. Doch sie scheint kundig und sucht jeweils länger, und so könnten es auch Kräuter oder dergleichen sein, worauf sie aus ist. Beim querenden Schneidegraben ergibt sich vorbei an einer abenteuerlichen Brücken-Gleis-Konstruktion nochmal ein Blick zurück zur Kirche, die schon erstaunlich klein ist.

Heidelandschaft in der Schneise der Stromtrasse

Nach dem letzten Haus wird es nun richtig grün und still, das gerade so noch wahrnehmbare Gleisbett verschwindet bald hinter einem verrammelten Tor. Hier beginnt das erwähnte Gelände, das nahezu lückenlos von einer Mauer bzw. einem stabilen Zaun umgeben ist, zugleich nicht unbedingt die Neugier weckt. Die Idylle wird kaum gestört, da der Blick ohnehin eher nach rechts über die Wiesen gelockt wird, wo der Schwendegraben im Verborgenen seine Bögen zieht. Der Wald ist üppig und grün, der Weg angenehm schattig, die Bäume hochgewachsen. Dann und wann schwirrt, unerwartet an diesem kühl-klammen Tag, ein Maikäfer vorbei, so zielstrebig und koordiniert, wie das nur Maikäfer können.

Stille Stichteiche bei Rehagen

Kummersdorf

Kurz vor dem nächsten Dorf wird aus dem blattdichten Laubwald nun märkischer Kiefernwald mit seinem lichten Boden aus Wiese und Moos. Ein Weg zweigt ab vom Hauptweg und lädt ein, von diesem zweigen bald wieder Pfade ab, von denen bald darauf Pfade abzweigen. Falsche Entscheidungen sind kaum möglich, solange die Grundrichtung halbwegs beibehalten wird, und so landet man auf dem Jugendheimweg, der Schumkastraße oder dem Waldweg bald im Herzen von Kummersdorf, das am heutigen Tag insgesamt einen reservierten Eindruck hinterlässt. Davon ausgenommen sind zwei Handvoll grundverschiedener Schafe, die uns höchst kommunikativ begegnen und es auf einem weitläufigen Grundstück zwischen beachtlichen Findlingen und einem selbstgemauerten Ruinchen wohl recht gut haben.

Ehemaliger Steg am Stichteich

Ganz am Ende des Dorfes, am östlichen Ausgang, ist noch ein alter Bahndamm zu erahnen, welcher beiderseits von hübschen Wegen begleitet wird. Als Ausgleich zur missglückten Einkehr steht nun hier die schönste Bank weit und breit, am Beginn eines buschigen Streifens aus herrlichen Klettereichen, umgeben von weiten, im Wind wogenden Wiesen und mit einer Rückenlehne, welche vor der frischen Brise schützt. Voraus am Waldrand erhebt sich ein sagenhafter Baum, fängt sofort den Blick. Von ganz hinten naht eine Reiterin, kostet den weiten Bogen des Trampelpfades genießerisch aus und belässt das große Tier auf kleinstem Tempo.

Schattengasse bei den Rehagener Teichen

Unser Rucksack ist am Ende um einiges leichter. Beim Losgehen tauschen wir einen kurzen Blick mit der Dame im Sattel aus. Voraus kündigen hohe Masten die dreisträngige Stromtrasse an, unter der sich in schönster Ausfertigung diese typische Natur aus jungen Bäumen, mittelalten Birken und flächigem Heidekraut gestaltet hat. Der niemals gänzlich gerade Weg trägt seinen Teil zum schönen Bild bei.

Verlassener Blechschuppen am Stichteich

Nach ein paar Minuten Radweg entlang der stillen Landstraße beginnt bald die erste von dreien dieser Landschaften, welche grob betrachtet als Bergbau-Folgelandschaft bezeichnet werden können. Aus einer ehemaligen Tongrube wurde ein See, der weiter unten über eine schöne Strandstelle verfügt. Eine kleines Rudel mannshoher Pfähle kündet davon, dass hier einst mehr Wasser drin war.

Pfad am Stichteich

Tongruben bei Rehagen

Der Weg setzt sich als geschlossene Gasse mit dichtem Blätterdach fort, gerade kommt jetzt die Sonne kurz raus und zaubert mit den Lichtpunkten. Bald beginnt ein enorm verspielter Pfad, dessen Eingang etwas im Unklaren lässt, ob das hier wirklich langgeht. Wie durch einen Dschungel schlängelt sich die winzige Spur, kurvt zwischen umrankten Baumstämmen. Auf Fußhöhe ist alles großflächig von Efeu bedeckt. In der Luft liegt hier eine Mischung aus feuchtem Waldboden, frischen Blüten und saftigem Grün und lässt einen sofort tiefer atmen. Immer wieder muss man sich bücken oder über gefallenes Stammholz steigen. Da steht ein rostiger Metallschuppen, kurz dahinter steigt, nicht viel breiter als zwei Schuhsohlen, eine heimliche Stiege hinab zu einem überwucherten Raum. Ein fensterloser Keller ohne Haus darüber. Ohne Zweifel ein geheimnisvoller Ort.

Weg zu den Klausdorfer Tongruben

Bei einigen Gärten mit Bauwagen oder kleinen Lauben beginnt ein Fahrweg, der bald an einem Draisinen-Haltepunkt endet. Links beginnt die Ortschaft Rehagen, nach rechts wird die einstige Bahntrasse überquert. Weitere Bruchteiche liegen unter dichtem Grün, sind eher zu erahnen als zu entdecken. Vom Weg am Waldrand kann der Blick herrlich schweifen über weite Wiesen. Hier lassen sich nun endlich, wenn auch nur vereinzelt, die erhofften Mohnblumen und Margariten entdecken. Und ein paar Minuten weiter wahrhaftig auch die ersten drei Kornblumen dieses Jahres. Eine Kinderhand hat die drei Farben schon in einem dünnen Sträußchen versammelt, es dann doch am Wegesrand liegen lassen.

Unterer Weg durch die Tongruben

Klausdorfer Tongruben

Voraus wird die Wiese von dichtem Laubwald begrenzt, aus dem einzelne Gruppen von Menschen kommen. Nach dem Abbiegen wird bald eingetaucht in die zweite dieser Landschaften, die nun weit dramatischer daherkommt in Sachen bewegtem Relief. Wie ein kleines Gebirge. Wer die Glindower Alpen unweit von Werder an der Havel kennt, hat eine ungefähre Vorstellung. Die Sache mit dem Relief zeigt sich schon direkt nach dem Abbiegen beim tiefen Blick hinab zum ersten Teich. Ein abenteuerlicher Sandpfad führt zu einer potentiellen Uferstelle, doch ob man den – selbst auf allen vieren – so einfach wieder hochkäme, bleibt fraglich. Bald besteht die Wahl zwischen einem breiten, gediegenen Weg, der sich auf gleicher Höhe durch die teils steilen Hanglagen zieht, und einem munter kraxelnden Gebirgspfad.

Oberer Weg durch die Tongruben

Beide sind wunderschön und laden nachdrücklich ein, doch der zweitere ist ganz klar zu empfehlen, trägt er doch quasi konzentriert die DNA dieser Landschaft in sich. Bis auf den Pfad ist hier fast alles von Grün bedeckt, denn selbst kräftige Baumstämme sind dicht umrankt und lassen kaum Rinde durchschauen. Es ist sagenhaft – ein Pfad so schön, dass er fast schon übertrieben wirkt. Doch es ist alles echt, und es ist auch nicht nach 100 Metern schon vorbei. Nach links fällt die Flanke steil ab und lässt hinabblicken auf eine Senke, wobei nicht klar ist, ob das Grün- oder Wasserfläche ist da unten.

Gebirgspfad über den Tongruben

Auch zur Rechten liegt unten eine Senke, doch die ist weitaus zerfurchter und abenteuerlicher, fast noch üppiger im Grün. Es ist wirklich alles sehr fett, sehr reichlich, ein bisschen wie ohne Maß am Rechner modelliert. Eine kleine Hohlgasse lässt Höhenmeter verlieren, die gleich darauf wieder auszugleichen sind. Zarte Wurzeln sorgen für Halt im sandigen Wegboden. Unvermindert verspielt windet sich der Pfad und umrundet dabei die Senke, gestattet ab und an Blicke bis zu deren Grund und lässt auch hier das Fragezeichen groß, ob da unten Wasser oder fester Grund den Boden bedeckt.

Treffpunkt der beiden Wege

Schließlich finden der Gebirgspfad und der untere Weg wieder zusammen, kurz vorher bieten sich für ungeduldige Halsbrecher immer wieder winzige Alpinpfadpassagen an. Es ist wirklich eine großartige kleine Landschaft hier. Gut und gern auf Augenhöhe mit den etwas weitläufigeren Glindower Alpen. An einem riesigen, kunstvoll abgestuften Schornstein und einem alten Lokschuppen wird diese besondere Welt verlassen, Nachschläge sind noch hier und dort möglich, hier mit einem alten Ringofen, dort mit einer kurzen, steilen Stiege.

Am Rand der Klausdorfer Tongruben

Klausdorf

Recht sachlich geht es hinein nach Klausdorf, wobei man immer wieder auf verstaubte alte Gleise trifft. Im Ort gibt es immer wieder hübsche Schleichpfade zwischen den Straßen, und mit einem Mal zeigt sich klar, dass dieser Tag nicht trocken bleiben wird. Schnell hat sich voraus eine dunkle Wand aufgebaut und bringt in Erinnerung, dass da im Wetterbericht irgendwas von Regen oder sogar Gewitter erzählt wurde. Regen ist gut, und dann soll er jetzt bitte auch mal liefern. Und das tut er, und zwar schneller, als wir die Schirme aufspannen können. Mit einem Mal wird es dunkel im Dorf und fängt an zu pladdern, kräftig, doch zunächst noch unentschlossen. Zwischen den Häusern zweigen wir ab in den aufsteigenden Weg, der bald ganz herrlich über die Wiesen führt. Kommen vorbei an einem kleinen Kessel aus schönstem Dünensand, in dessen Grund ein paar junge Bäume ein Wäldchen eröffnet haben.

Schornstein bei Klausdorf

Die Landschaft öffnet sich und der Regen erwischt uns nun kalt, denn die Regenhosen hatten wir heute zu Hause gelassen. Dazu gesellt sich von Norden her noch ein Gewitter, das es jedoch bei allem blechernen Radau bei einem einzigen Blitz belässt. Wir sehen zu, dass wir zum nächsten Waldstück kommen und werden vorn bei den Häusern von nassen Schafen angestiert, die sich nur zum Teil unter Überdachungen retten wollen. Als wir den schützenden Wald erreicht haben, bricht der Regen richtig los, während voraus im Süden schon wieder erstes Licht zu sehen ist. Vor dem Kontrast des blau-weiß-schwarzen Himmels setzt sich eine einzelstehende Kronen-Kiefer eindrucksvoll in Szene und beweist einmal mehr, was diese Baumart anstellen kann, wenn genügend Platz da ist.

Dorfschleich in Klausdr

Hinter dem Baum in seiner großen Geste öffnen sich nun wieder die Felder, den nächsten Schutz vor dem waagerechten Regen gibt es erst oben am Waldrand. Dorthin führt als herrlicher Wiesenweg der Kalkscheuengrundweg. Gegen nasse Hosen und kalte Luft hilft es am Besten, in Bewegung zu bleiben, und so werfen wir oben am schützenden Buschstreifen kurz etwas Energie ein und kürzen dann quer übers Feld ab. Ganz rechts ist der Sperenberger Aussichtsturm zu sehen, der auch dieses Mal wieder stark an einen Sendemast erinnert.

Waldrand vor Sperenberg

Der bald erreichte Waldrand wird von einem schnuckeligen Pfad begleitet und bringt uns in wenigen Minuten zur dritten und letzten Tagebau-Folgelandschaft mit Gebirgsanleihen, den Sperenberger Gipsbrüchen. Die sind nicht minder einzigartig wie die Tonbrüche bei Klausdorf, und es ist immer wieder ein Vernügen, dass sich die beiden verschiedenartigen Areale in einer Tour von moderater Länge vereinen lassen.

Feldweg in Richtung Sperenberg

Sperenberger Gipsbrüche

Zahlreiche Aussichtspunkte und –plattformen gibt es in den hohen Lagen, von denen die erste gleich erreicht ist, die mit Blick auf den Vierten Tiefbau. Die vier Seen sind ganz pragmatisch durchnummeriert, von West nach Ost. Drei von ihnen tragen viel von Gebirgsseen in sich, zum ersten steigt sogar eine felsige Stiege ab, die auch in einem gängigen Mittelgebirge liegen könnte. Erstmals probieren wir heute den Absteig zwischen dem Dritten und Vierten Tiefbau, wobei es zu beiden Seen hin jeweils ein Aussichtsplateau gibt.

Pfad zur Oberkante der Gipsbrüche

Heute ziemlich nass, doch um so wildromantischer. Ein Wandersmann mit Zipfel-Regenumhang kommt uns im Aufstieg entgegen, schaut zugleich grimmig und zufrieden beim Grußwechsel und strebt weiter zum höchsten Punkte. Der Weg dort oben wird von teils uralten Kirschbäumen begleitet und irgendwann sollte man es einmal schaffen, zur Zeit der Kirschblüte im April diesen sagenhaft schönen Höhenpfad zu besuchen.

Blick auf den Gipsteich No. 4

Am Ende des Abstieges wirft einen der Wald auf einen sachlichen Fahrweg aus, der entlang von teils brachliegenden Betriebsflächen führt, vermutlich denen der Fischerei. Auch dort endet ein Gleis und verweist damit auf die Zeit des Gips-Abbaus, die noch kein Menschenalter lang zurückliegt. Wind und Wetter wollen uns nahelegen, den Rest der Tour abzukürzen. Doch so oft ist man nun auch nicht in dieser Ecke und schon gar nicht im vollen Grün, und nass sind wir ja ohnehin, können also viel nasser kaum werden. Also schwenken wir wieder ein und statten noch jedem der Teiche einen Besuch ab. Der dritte Gipsbruch fasziniert mit seiner felsigen Uferstelle, dem unmittelbar tiefen Wasser und der steil ansteigenden Wand, der zweite durch den liebreizenden Weg entlang eines Geländers.

Aussichtskanzel auf Teich No. 3

Zwischen beiden lässt sich ohne Aufwand noch die Stelle der seinerzeit tiefsten Bohrung der Welt besuchen, womit das Jahr 1867 gemeint ist. Gleich benachbart bietet bei richtig fiesem Wetter ein überdachter Rastplatz effektiven Schutz. Zwei Leute mit einem Hund sind dort gerade untergekommen und haben viel Spaß daran, ganz laut eine Menge Inhalte ohne viel Inhalt auszutauschen, was in der Tat einigen Unterhaltungswert hat.

Schluchthang Sperenberg

Dennoch lassen wir uns nicht aufhalten und streben zum Teich Nr. 1, dessen Alleinstellungsmerkmal eine hübsche kleine Insel mit Birken ist, die in zartgrünem Laub stehen und trotz Regens gerade von einem Sonnenstrahl getroffen werden. Ein regelrechtes Portal am Westrand des Höhenzuges ergibt sich in einer Art Durchbruch zwischen steil ansteigenden Flanken, in denen sich mit teils abenteuerlich frisiertem Wurzelwerk die Bäume festkrallen.

Maiwetter am Krummen See

Sperenberg

Beim Erreichen der Gipsstraße bricht der Regen nun wieder richtig los, und an diesem Punkt ist es schön zu wissen, dass es bald wärmer und trockener wird als es gerade ist. Ein Damm führt zwischen östlichem und westlichem Krummen See zur Endhaltestelle der Draisine, wo sich gegenüber von Süsselbecks Eisbutze drei eins-a Eisleckbänke finden. Der kleine Kiosk steht noch da, doch ob er tatsächlich noch in Betrieb ist – in dichter Nachbarschaft zum Eiscafé im Strandbad – lässt sich heute nicht herausfinden.

Ein hübscher Pfad folgt dem Seeufer, vorbei an einer weiteren schönen Badestelle mit Bank und Ruderkahn. Der Wasserspiegel des Sees ist gerade so gar kein Wasserspiegel, lässt bestens erkennen, wie stark es regnet, wie dicht die Tropfen fallen. Wenn man das nicht ohnehin schon wüsste. Fast eine Stunde nach dem letzten Donnerschlag grollt es jetzt erneut vom Himmel. Draußen vom See schnattert es empört und voraus auf der Wiese sehen die Gänse mit ihren zahllosen Küken zu, dass sie schnellstens in den See kommen.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
per Regionalbahn nach Zossen, dann weiter mit Bus bzw. Rufbus (1,25-1,75 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über Landstraße (wahlweise B96 oder B101)(ca. 1,5 Std.)

Länge der Tour: ca. 16 km (Abkürzungen mehrfach gut möglich)



Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

 

Links:

Gipsabbau in Sperenberg

Klausdorfer Tongruben

Informationen zum ehemaligen Flughafen Sperenberg

 

Einkehr: Eiscafé (Mo-Fr auch Mittagstisch) und benachbarter Imbiss im Strandbad Sperenberg
Zum alten Krug, Sperenberg (am Wochenende ab spätem Nachmittag)
Tiamo Pizzaservice (zum Abholen), Sperenberg
Einkehrmöglichkeit im Ort, Kummersdorf
Trattoria Due Fratelli, Klausdorf

 

 

Sperenberg: Märkischer Fels, blaues Rattern und der zugeknöpfte Flugplatz

Still ist es heute durchaus nicht im beschaulichen Sperenberg. Doch das liegt nicht am Flughafen Berlin Brandenburg International SXP (der wartet ja nun doch woanders auf das breite Band und die übergroße Schere), sondern am herumtobenden Wind, der begeistert durchs Laub der hochgeschossenen Pappeln am Ortsrand drängt. Wie befreit von der niederdrückenden Hitze der letzten Wochen scheint die schnelle Luft, die selbst die Altvorderen unter den Baumwipfeln zum Wogen bringt. Das tun sie in einer bedächtigen Art und Weise, wie man es mit dem schönen alten Wort Schwoofen verbinden würde, dazu den Bildern eines Ballhauses mit bester Patina.

Aussichtsplattform über den Gipsteichen

Vor sechsundzwanzig Jahren ging das Raumordnungsverfahren für den geplanten Großflughafen Berlin Brandenburg in die heiße Phase, das Antwort geben sollte auf die Frage nach Schönefeld, Jüterbog oder eben Sperenberg. Für mich persönlich war damals das Einarbeiten der eingehenden Zuschriften ein ordentlich bezahlter Ferienjob in einem richtigen Ministerium mitten im historischen Potsdam, der spannende Einblicke in eine Art von Vorgang gab, die man bis dahin noch nie zur Kenntnis genommen hatte.

Auf dem Weg zum Gipsberg

Das verdiente Geld dieses bewegten Quartals wurde im Herbst umgehend in einem Spreewalddorf verprasst, im Gegenwert gab es einen Lkw-Motor mit sechs Zylindern, verpackt in eine betagte weinrote Schrankwand aus schwedischer Produktion. Jene Dame, Lotte war ihr Name, vollführte nach dem Fahren über Bodenwellen ein hinreißendes Nachgeben mit dem Heck, eine Bewegung, die man bis dahin allenfalls alten Jaguaren zugetraut hatte. Ihre Rückbank war im Übrigen mindestens so bequem und umschmiegend wie Omas altes Sofa und hatte zur Folge, dass die liebsten Menschen beim Mitfahren in den Fond verwiesen wurden. Jede Rückfahrt nach einem Ausflugstag hatte schon ein bisschen Vorgeschmack aufs abendliche Abhängsofa.

Über dem Hochufer der Gipsteiche

Für Sperenberg hingegen ergab sich, dass die im selben Jahr eingeleitete Flugpause von Dauer sein würde. Vorher hoben hier über Jahrzehnte und Tag für Tag große und noch größere Maschinen mit kyrillischen Aufschriften ab, denn bis zum Abzug der sowjetischen Besatzungstruppen im Herbst war der gar nicht so kleine, gut fünfunddreißig Jahre alte Flughafen für Zehntausende so etwas wie das „Tor in die Heimat“, nach Moskau.

Kurz nach dem verbaselten Eröffnungstermin No. 1 in Schönefeld wurde Sperenberg noch einmal ins Gespräch gebracht – als stille Reserve, wenn Schönefeld gemäß aktueller Zahlen schon bald an seine Grenzen stoßen sollte. Getan hat sich seither kaum etwas – die Natur holt sich das Gelände langsam zurück und ein weitgefasster Ring von Warnschildern rät neben einigen verstreuten Stacheldrahtsträhnen halbwegs überzeugend vom Betreten des Geländes ab, das als Brandenburgs größtes Flächendenkmal gilt.

Felsenstiege von der hohen Kante auf Teichniveau

Sperenberg

Östlich des Flughafens dagegen trifft man in und um Sperenberg auf eine ganze Reihe von Einladungen, und so ist der Ort für verschiedene Interessengruppen unbedingt die Anreise wert. Die Eisenbahn von Berlin über Zossen nach Jüterbog hält hier leider nicht mehr, auch nicht woanders – die Strecke zwischen Zossen und Jüterbog wurde Stück für Stück eingestellt, endgültig dann kurz vor der Jahrtausendwende. Auf der Schiene nach Sperenberg anreisen lässt es sich trotzdem – leuchtend blau lackiert und ganz einfach per Muskelkraft.

Einer von vier Gipsteichen

Von Mellensee, wahlweise auch von Zossen, kann man per Draisine nach Sperenberg rattern, wo es dann vom Eiskiosk nur noch ein paar Schritte zum weitläufigen Strandbad sind. Vor dem breiten Strand ankern drei Inseln zum Darbieten von Sprungkönnen, dahinter gibt es auf der großen Terrasse Abhilfe gegen Hunger und Durst. Wer dann doch eher aß und saß als haaresklamm schwamm, kann auf kurzen oder noch kürzeren Spaziergängen eine besondere kleine Landschaft erkunden – oder einfach nur auf den Aussichtsturm klettern. Natürlich sind auch größere Ausschweifungen möglich, gut beschildert und thematisch verwandt bis hoch nach Klausdorf am Mellensee.

Erika im Walde

Der August jedenfalls hat sich alle Mühe gegeben, auch diesem Jahr noch eine längere Zeit mit schweißtreibenden Temperaturen und tropischen Nächten nachzuliefern. Seit dem Frühling gab es weitgehend moderate Werte und sogar hier und da nennenswerte Mengen von Regen. Die konnten zwar die beiden Sommer davor kaum ausgleichen, doch genehmigten sie der gebeutelten Botanik hier und da eine kleine Trink- und Atempause, in Folge auch der Tierwelt.

Aufstieg von der Sperenberger Kirche

Dennoch liegt schon reichlich Laub am Boden und sorgt dafür, dass sich die verspielte Luft mit frühen Vorahnungen des Herbstes mischt. Das wird für die Stimmungslage von Sonnenanbetern und Feierern des Sommers die drei Blues-Akkorde gedämpft in eine Dauerschleife schicken. Bei Anhängern des würzig-sinnesfreudigen Herbstes könnte es hingegen ein kleines inneres Juchzen der Vorfreude hervorrufen auf die Wochen und Monate mit den Farben, Düften und Lichtspielen der tiefstehenden Sonne, mit den zahllosen Früchten am Wegesrand und der vielfältigen Materialauswahl für Basteleien aller Art, seien sie nun kind- oder erwachsenengerecht. Wo eigentlich lag noch der Kastanienbohrer?

Blick hinab nach Sperenberg

Perfekt zu dieser Atmosphäre passt der Weg, der von der Kirche sanft auf die Höhen steigt. Vorher lohnt noch ein Abstecher zum Friedhof, wo auf den zweiten Blick ein gewaltiger Maulbeerbaum zu finden ist, in dessen hohlen Stamm eine kleine Familie passen würde. Am Ortsrand dagegen stehen hinterm vorletzten Zaun zwei winzige Bäumchen, voll mit Äpfeln, die als perfekt gelten dürfen. Ein Griff über den Zaun wäre kein Problem, doch zum einen wird ein Auge wachen, zum anderen kann kaum schmecken, wer so schön ist und so makellos. Von weiter hinten tönen Kraniche und bewahren vor weiteren Denkschleifen in dieser Sache.

Abzweig zum Aussichtsturm auf dem Gipsberg

Oben liegen die Felder nun teilweise schon in brauner Krume, während rechts des Weges noch alles grüne Kraut an stiernackigen Stängeln steht. Genießerisch reiht der pulssenkende Weg Kurve an Kurve und verleitet immer wieder dazu, sich umzudrehen und auf Sperenberg hinabzuschauen, das immer weiter unten liegt und von immer mehr Seen umgeben scheint. Zuletzt ragt nur noch das Dreieck der Kirchspitze über den Acker, und kurz darauf geht es rechts zum drahtigen Aussichtsturm. Auf dem Weg dorthin riecht es nach Pappellaub und ersten reifen Früchten, die größtenteils noch fest am Baum hängen, teilweise jedoch schon unten liegen und von windfesten Wespen durchgecheckt werden.

Am Faulen Luch

Gipsberg

Schon die wenigen Höhenmeter zum Fuß des Turmes lassen den Wind anschwellen, ihn sich in einer Richtung sammeln. Erstaunlich wenig schwankt dann der kleine Turm auf dem Gipsberg, von dessen gittriger Plattform sich ein ungetrübter Rundumblick öffnet. Die Sicht reicht weit, viel Wald liegt da unten und flache Höhenzüge strecken sich im fernen Süden, vielleicht ja Hoher Fläming. Vom Ort her drängen nun kleine Trupps von Turmwilligen zur Höhe, bunt und plaudrig und ein bisschen wie auf einem Gemälde ohne zuviel Ernst. Damit es im offenen Treppenhaus keine Abstandsprobleme gibt, gewinnen wir den festen Boden zurück und etwas Fassung in der Frise. Unten werden ein paar Grinser ausgetauscht, alle scheinen bester Laune, jeder will und keiner muss.

Wurzelhang zum östlichen Gipsteich

Der schöne Weg läuft etwas ein und geht dann langsam in den Abstieg Richtung Faules Luch – das klingt irgendwie so richtig gut am freien Tag. Vorher will noch ein ausgedehnter Bogen in die Klausdorfer Schweiz zu mehr Aktivität verlocken, doch man muss es ja nicht gleich übertreiben am Tag 1 nach der großen Hitze. Noch vor dem Faulen Luch treffen wir auf ein Geländer mit einer Art Stollenzugang für Wichte, der jedoch keine Öffnung hat. Eine benachbarte Schautafel verrät, worum es sich hier handelt. Ein klangvoller und einprägsamer Begriff mit K und später auch O bezeichnet demnach ein Stück offenes Erdreich, wo verschiedene Gesteins- oder Bodenschichten wie in einem Schaufenster zu betrachten sind. Auch am Turm vorhin gab es schon so eine Öffnung ohne Öffnung. Das wohlklingende Wort wurde natürlich längst wieder vergessen. Doch Cocktail-Parties stehen ohnehin keine an.

Aussichtsplateau über den türkisen Teichen

Faules Luch

Der Luchsee liegt etwas tiefer und ist in einen breiten Schilfgürtel verpackt, sodass zunächst kaum Wasser zu sehen ist. Erfreulicherweise liegt das nicht an der Trockenheit der Jahre, wie der erste richtige Zugang mit Wasserblick verrät. Der Spiegel liegt ruhig, ein paar Enten dümpeln drüben umeinander, mit abweichenden Vorhaben. Das aktivste sind da noch ein paar Angler, die hin und wieder an den ausgestellten Ruten zupfen und Kneifauge etwas regulieren. Viele Stellen bieten sich, wo man die Beine mal ins Wasser stellen und heiße Sohlen etwas runterkühlen kann. Der 66-Seen-Weg und der Sperenberger Geopfad fremdeln ein bisschen, einer hält Kontakt zum Ufer, der andere will mit ansprechend aufgetafeltem Wissen in den Wald locken.

Hochuferweg

Der Boden-Geo-Pfad war einer der ersten Wege in Brandenburg, die mit eigener Beschilderung als fertige Tages- oder Halbtagestour aufbereitet und den Besuchern angeboten wurden, um diese nach Sperenberg zu locken. Zu bieten hat er neben seinem Variantenreichtum und der guten Infrastruktur nicht nur schöne und spezielle Wege und Pfade, sondern eine ganze Reihe von Besonderheiten, die man im Detail und so geballt nur selten trifft. Dazu zählen ein paar steile Anstiege und ein Hochuferweg, eine ganze Handvoll Aussichtskanzeln und spektakuläre Stiegen durch markanten Fels, schließlich noch ein türkisfarbener Felsensee mit Steilwand und gewissem Tauchappeal sowie eine superlative Bohrung, die noch vor Gründung des Deutschen Kaiserreiches gesetzt wurde. Mehr als einen Kilometer tief, dementsprechend mit den Mitteln von damals und aufschlussreich für die Wissenschaft.

Größter der vier Gipsteiche

Sperenberger Gipsbrüche

Kurz hinterm Faulen Luch also beginnt der kurze, steile Aufstieg, der uns durchaus ins Schnaufen bringt. Unterwegs gibt es bereits den ersten tiefen Wasserblick über einen wurzeldurchflochtenen Dünenhang. Das satte Türkis wird heute auf keinem der vier Teiche geboten, dem zugezogenen Himmel geschuldet, doch das geht in Ordnung. Türkiser als Grau sieht es allemal aus, und in der Phantasie geht alles, wie schon Helge Schneider wusste.

Abwärts auf der Felsenstiege

Oben verlässt der Pfad den Wald und windet sich nun auf das Schönste über den steilen Hängen entlang, deren Umrisse er dabei zitiert. Macht mit seinem ersten Blätterbunt Vorfreude auf herbstliche Hochuferwege an der sächsischen Elbe und lässt staunen über dicke alte Kirschbäume, die in erstaunliche Höhen gewachsen sind. Das muss am Boden liegen. Rechts über die stoppeligen Felder ist ganz winzig der Aussichtsturm auf dem Gipsberg zu sehen, links blitzt durch das dichte Buschwerk hin und wieder großes Wasser durch – oder sind es doch die großen Werkhallendächer?

Von einem Teich zum nächsten

Dem lässt sich an jeder der Aussichtskanzeln auf den Grund gehen, die nach und nach Blicke auf jeden der vier Bruchteiche gestatten, teils mit Bänken zu genießerischen Pausen einladen. Wir lassen keine davon aus und können in durchbrochenen Kapiteln verfolgen, wie sich ein per Motorroller angereister nach dem Bade im tiefen Felsensee wieder anpellt. Scheinbar tut er das in loser Verbindung mit Übungseinheiten aus Bewegungsformen, die ein Chi im Namen tragen. Die Angelegenheit braucht alle Zeit und ist mit tiefen Blicken in Richtung der zehn Zehen verbunden. Oder aber er hat sich in einem spannenden Kapitel eines auf Bauchhöhe gehaltenen Buches festgelesen.

Steilwand und Felsstrand

Kurz wird der Pfad zur dichten Gasse im Sinne eines jungen Weidendoms, dann führt links unvermittelt ein kleiner Weg hinab. Geht über in eine Reihe langer Stufen und schaltet nach ein paar Schritten spektakulär um in eine steile Stiege direkt am Fels. Die könnte so auch in der Sächsischen Schweiz stattfinden, selbst die scharfkantige Felsformation auf Augenhöhe fasst sich an wie Sandstein.

Draisinensackbahnhof am Krummen See

Unten geht es von Teich zu Teich weiter auf wiesigen Pfaden, deren hochgeschossenes Randkraut zum Teil auf Tuchfühlung geht. Unweit einer steilen Felsflanke liegt am Ufer die erwähnte Bohrung, knapp kommentiert von einer Metalltafel. Am größten der vier Wasserlöcher treffen wir nun auf den sich Ankleidenden, der jetzt im Wesentlichen fertig ist und sich daran macht, den Roller abzubocken. Ein paar Meter weiter ist eindrucksvoll die Uferkante zu sehen – purer, gratiger Fels, der direkt und tief ins türkise Dunkel abfällt und Kennern gewagte Kopfsprünge erlaubt. Auf das erwartete Anlassen des Rollermotors mit zugehörigem Zweitaktnebel warten wir vergeblich, doch auch das geht absolut in Ordnung.

Mit dem Füßen im Strandsand

Krummer See

Das Verlassen des Naturschutzgebietes mit seinen vielen Besonderheiten wird hinterm gelben Kauzschild spröde abgelöst von einem Betriebsgelände, das allein seinem Zwecke dient. Jemand Letztes macht noch nötige Handgriffe vor dem Feierabend, schließt dann das stachelbewehrte Haupttor ab und fährt von dannen. Von der Wespentaille des Krummen Sees bietet sich ein friedlicher Blick auf die Ortsmitte.

Schienen eines Nebengleises zeugen noch von der Zeit des Gipsabbaus. Der wurde vor knapp hundert Jahren erstmals eingestellt, weil die Grund- und Trinkwassersituation für Sperenberg bedrohlich geworden war. Das Gleis stammt aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als noch einmal für gut zehn Jahre Gips abgebaut wurde, schlichtweg weil er für den Wiederaufbau allerorten dringend gebraucht wurde. Nach der endgültigen Stillegung füllten sich die Gipslöcher von allein mit Wasser. Die besonderen Böden bedeckten sich im Alleingang mit seltenen Pflanzen, welche Botaniker hier ganze Tage verbringen lassen.

Schleichgang im Ortszentrum

Strandbad Sperenberg

Ebendieses Gleis aus den späten Vierzigern ist es, auf dem die blauen Draisinen von Norden her den Sperenberger Strand erreichen und dabei doch von Süden die Blauen ausrollen lassen. Das Ende der Fahrt markiert ein massiger Findling, direkt gegenüber des Seeufers. Keine fünf Minuten sind es zum Strandbad, wo jetzt Mineralien in hohen Gläsern nachgelegt werden können. Oder gleich richtig eingekehrt, bevor der westliche Kringel der heutigen Acht ansteht.

Wiesengrund beim Heegesee

Während wir auf gefüllte Teller warten, streben zielbewusst drei gemütliche ältere Damen mit Handtaschen zu einer ganz bestimmten Uferstelle. Und hängen nicht etwa ihre Beine ins Wasser beim Plausch, sondern lassen die äußeren Hüllen über die bereits angelegten Badeanzüge rutschen, gehen schnurstracks ins Wasser und beginnen nach kurzer Akklimatisierung ein Herumgeschwimme, das so bald nicht endet. Knapp einen Kilometer ist er lang, der hiesige Krummensee, in der Tat so krumm, wie er heißt und damit ein Badeparadies für schwimmfreudige Damen mit Kondition. Luft- und Wassertemperatur liegen dicht beeinander, und somit gibt es keinen rechten Grund, bald wieder aus dem See zu steigen. Die Küche hat noch lange offen.

Kuhherde auf der Waldweide

Sperenberg

Nach kurzem Berühren des Ortskernes, wo es ein paar Geschäfte und ein paar noble Häuser gibt, nehmen wir den kleinen Mauerschleich zwischen der vorderen und hinteren Straße, wo gerade jemand verstohlen Mirabellen hinterm Zaun hervornascht. Nach der halbwilden Querung des Draisinengleises und einem Wäldchen geht nun beim Sportplatz die saftige Botanik los, die gestärkt vom jüngsten Regen in kräftigem Grün daliegt und die nächste Stunde begleiten soll. Der Waldboden ist durchgetränkt und schmatzt bei jedem Schritt leise nach, teilweise sorgen große Pfützen für etwas Slalom im Kleinen. Das gab es lange nicht.

Eine Möglichkeit der Abgrenzung zum Flugplatzgelände

Nach kurzem Berühren des unzugänglichen Heegesees fällt auf, dass weder Mücken noch Bremsen quengeln. Vielleicht liegt das an den vergangenen Hitzewochen, vielleicht aber auch an mehreren auf Waldweiden verteilten Kuhherden, die sich jeweils dicht gedrängt in der Pausenecke rumdrücken. Wortwörtlich, es ist fast ein lautloses Geschubse, als wäre Mangel an Platz oder Schatten oder verkappter Bedarf an Hautkontakt.

Waldstücke aller Baumart werden von Dünen durchbrochen oder wechseln ab mit winddurchfegten Weideflächen, Düfte von saftigen Wiesen mit den fruchtigen der Pappeln oder prallreifen Hagebutten, douglasiensüße Nadelluft mit der würzigen von getränkter schwarzer Erde. Mitten im Kiefernwald steht unvermitelt eine bettlakengroße Schilfinsel, ein paar Ecken weiter zeigen sich auf tief eindrückbaren Moospolstern die ersten offenen Erikablüten, wie immer winzig und im Rispenrudel. Alles ein bisschen quer durcheinander. Ein grundlegender Waldduft liegt jedoch überall dahinter, gut gemischt vom allgegenwärtigen Wind.

Windige Weide zwischen Wald und Bruch

Nach der nächsten großen Kuhherde, die offenkundig keinen Besuch erwartet hatte und sich mit leichter Entrüstung zerstreut, beginnt eine Kleinserie von unerwarteten Sackgassen. Mehrfach werden wir ausgebremst beim Versuch, uns dem Gelände des Flughafens zu nähern. Die Schilder werden nach und nach grimmiger, klingen zuletzt nach dem Wort Freundchen und würfelschüttelnd geschwungenen Fäusten bei leicht geneigtem Kopf. Manchmal hilft es ja, ein wenig außen herum zu gehen, doch auch das greift heute nicht und irgendwann sind zwei von drei Richtungen tabu. Ein bisschen war das zu erwarten, doch die Hartnäckigkeit beeindruckt.

Pappelallee nach Sperenberg

Glücklicherweise sind Plan B und C dabei. Doch auch der auf allen verfügbaren Karten breit und durchgehend eingetragene Waldweg wird irgendwann zum Pfad und versiegt kurz hinter dem nächsten Hochstand in borstigem Kraut. Jetzt also ist einzusehen, dass es heute nicht weiter gehen soll, und so wählen wir die beste Mischung aus schönen Wegen und wenig Doppelungen, um auf kürzestem Wege zurück nach Sperenberg zu kommen – auf Nummer Sicher. Das klappt, wird begleitet von pittoresken Weidezäunen, rauschenden Pappelreihen und zwei Schwänen, die in der Luft bereits ihr Reisetempo erreicht haben.

Altes Wirtshaus an der Kirche

Ein schöner Ausgleich für den entgangenen Flughafen und die erhofften Erika-Flächen ist jetzt nochmal der Abstecher zum Eiskiosk am Draisinenfindling, der von herrlichen Eisleckbänken umgeben ist und jetzt auch offen hat. Der Sommer hat den Tag zurückgewonnen, der Himmel ist blauweiß und die Gipsteiche tragen sicherlich ihr schönstes Türkis zur Schau. Doch sind die Beine träge, säuselt der Wind im Uferschilf und legen die Schwäne von vorhin auf dem Krummen See eine filmreife Landung hin. Bei so viel gebotenem Spektakel obsiegt doch die Option auf ein zweites Eis mit ausgestreckten Beinen.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
Regionalbahn bis Zossen, dann mit dem Bus (1,75-2,5 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): B 96 bis Zossen, dann über Mellensee nach Sperenberg; großer Parkplatz am Strandbad

Länge der Tour: 17 km (Abkürzungen vielfach möglich; selbst kurze Varianten sind abwechslungsreich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Boden-Geo-Pfad

Klausdorfer Rundweg (PDF)

Informationen zu Sperenberg

Allerhand zum Flugplatz Sperenberg

Ein Blickwinkel von benachbarter Seite

Einkehr: Strandbad Sperenberg (mit großer Terrasse)
Phulkari Thai-Imbiss, Sperenberg (Nähe Kirche)
Bäcker Kirchner (Trebbiner Str.)

Mellensee: Leise Gleise, Rotortore und das entrückte Wipfelgold

Ein grundehrlicher November hat seinen Dienst angetreten, unaufgeregt ungemütlich mit fast täglichem Niederschlag und erstem Potential für morgendliche Handschuhe. In diese Tage mit beschlagenen Brillengläsern und gezückten Schirmen werden immer mal wieder ein paar knallige Sonnenstunden eingestreut, die selbst hartgesottenen Trübwetterliebhabern kurz das Herze höher schlagen lassen, ob sie wollen oder nicht.

Draisinenbahnhof Saalow-Mellensee

Die Vogelwelt ist sich noch nicht ganz einig, ob sie den handfest dargebotenen Spätherbst wirklich ernst nehmen soll, und so halten sich die Krächzenden in ihren dunklen Kutten noch zurück, während weitaus kleinere Kaliber behende durch die Wipfel huschen und dort zum Teil aufgebrachte Zwitscher-Diskurse vom Zaune brechen. Auch bei den Zugvögeln herrscht noch Unentschlossenheit, so dass sich eher von Hin und Her als einer Richtung sprechen lässt.

Auf dem Gipfelplateau des Saalower Höllenberges

Während die Mittelgebirgsregionen weiter südlich ihre bunteste Zeit schon vor Wochen hinter sich gelassen haben, geben hier und jetzt im Brandenburgischen vor allem die Birken und Ahorne kleine Spektakel zum Besten, die insbesondere an trübgrauen Tagen ein Licht in die Wälder bringen, wie es das nur im November geben kann.

Eine drängende Sehnsucht nach dem Nottekanal will schon seit Längerem bedient werden, denn neben allen anderen Jahreszeiten passt dieser doch besonders gut zum bunten Herbst. Dazwischen drängelt sich ein abgelegter Gedanke aus dem Hinterkopf, verursacht im Sommer vom geschätzten Berliner Wanderschuh, ließ den Finger auf der Karte immer mehr nach Westen rutschen – und den Nottekanal weiterhin auf dem Zettel. Während das Kartenbild nicht viel mehr als eine solide und menschenleere Runde ohne viel Aufregung verhieß, zeigte sich vor Ort ein stattliches Netz von schönen Wanderwegen, mit vielen Pfadpassagen und fast durchgängig trittsympathischen Böden.

Saalower Mühlenweg am Rand von Saalow

Mellensee

Der Nottekanal beruht auf dem Bett des Flüsschens Notte und wurde schon vor langer Zeit zur Schiffbarkeit ausgebaut. Über den Mellensee, die Notte und die Dahme war so schon früh ein reger Güterverkehr mit kleinen Kähnen Richtung Norden möglich. Anzutreffen ist der zumeist verträumte Kanal unter anderem in Königs Wusterhausen, Mittenwalde oder Zossen. Wie viele Kanäle im Berliner Umland trug er zum Wachstum der Hauptstadt bei, ermöglichte den effizienten Transport von Baustoffen, vor allem von den Sperenberger Gipsbrüchen, die ja thematisch bis nach Klausdorf im Süden des Mellensees reichen. Und wie viele Kanäle erlitt auch er das Schicksal, von der Bahn in Sachen Effizienz überholt zu werden. Doch das Schicksal liebt die Ironie, und so ging es der Bahnstrecke knapp hundert Jahre später nicht viel anders.

Bahnhof Saalow-Mellensee

Wer dem Kanal also in Richtung Süden folgt, was zu großen und reizvollen Teilen auch auf dem Landweg möglich ist, steht ein paar Minuten nach der letzten Schleuse vor dem weiten Mellensee, dessen südliches Ufer immerhin drei Kilometer entfernt ist. Den exklusivsten Blick auf diese Seelänge genießt wohl eine gepflegte Fachwerk-Villa, die unweit des alten Bahnhofs ein offenes Wassergrundstück ergänzt.

Paltrock-Windmühle im Novemberdunst

Der backsteinrote Bahnhof am Mellensee scheint zu schlafen. Zum festen Inventar gehört ein dauerhaft vertäuter S-Bahn-Doppelwagen, dessen Bauform vielen noch vertraut sein dürfte. In der Tat fahren seit mehr als zwanzig Jahren keine Züge mehr zwischen Zossen und Jüterbog, S-Bahnen schon gar nicht, obwohl der Gedanke fast schon wieder visionär erscheint. Von stumpfem Rost überzogen sind die Scheitel der Gleise dennoch nicht, denn regelmäßig rumpeln hier weitgehend zeozweineutral betriebene Ultrakurzzüge entlang, zumindest zwischen Zossen und Jänickendorf, das auf halbem Weg nach Jüterbog liegt, nicht weit von Luckenwalde.

Vor den Teichen

Der Bahnhof allein taugt schon als Ausflugsziel, denn neben der Draisinen-Option gibt es noch eine Minigolf-Anlage, eine farbenfrohe nostalgische Erfrischungshalle mit Biergarten sowie schöne alte Bahnhofsgebäude zum Bestaunen, davor noch drei wirklich edle Stellen für ausgewachsene Lagerfeuer. Fürs Minigolf-Spiel stehen übrigens Kinderschläger und Erwachsenenschläger zur Auswahl. Davon abgesehen lässt sich in wenigen Minuten entlang des Sees ein breit aufgestellter Fischimbiss erreichen, gleich hinter der Brücke über den Nottekanal. Nicht viel weiter gibt es dann noch ein Eiscafé.

Teiche am Schneidegraben

Der Bahnhof also liegt im Winterschlaf, und so folgen wir dem Drang der Wälder und versuchen gut eingepackt mit dem trüben Dunst zu verschmelzen, der die stille Landschaft überlagert. Schon nach wenigen Schritten gesellt sich der Saalower Mühlenweg hinzu und winkt gleich darauf von rechts mit einem schemenhaften Zaunpfahl – in Richtung Saalow schwebt, an der Grenze der Erkennbarkeit, eine Bockwindmühle 2.0 über dem Acker, eine sogenannte Paltrock-Windmühle. Die wird in der nächsten Stunde immer wieder ins Blickfeld rücken, später dann nochmal.

Quer durch den Wald

Nach einem kurzen Stück entlang der Straße biegt der Mühlenweg unvermittelt in einen zauberhaften Waldpfad ab, in dessen hochstämmigem Kiefernwald das gesamte Erdgeschoss erleuchtet wird von jungem Laubgebäum. Einer fächerförmigen Kleingartenkolonie geht es wie dem Bahnhof, nur hier und dort arbeiten rosa, gelb oder pink gekleidete Leute im Garten, vielleicht um in der laufenden Jagdsaison auf Nummer Sicher zu gehen, hier tief im Wald. Der milchige Herbstwald dämpft alles Laute, fast wie frisch gefallener Schnee, und so geht selbst der Umgang mit dem kratzigen Laubbesen geräuschneutral vonstatten. Das wirkt ähnlich komisch, als wenn man bei kontroversen Fernseh-Diskussionen den Ton auf stumm schaltet und das raumgreifende Gestikulieren und die überzogene Mimik für sich sprechen lässt.

Am Fuß der Saalower Berge

Vom Waldrand zieht der Weg durch schokoladenschwarze Ackerschollen, deren gleichmäßig gefurchte Fläche die Birken im Hintergrund zu euphorischen Lichtgestalten erhebt. Hinter den Ställen, wo die mittlerweile namhaften Saalower Kräuterschweine ausgesuchtes Grünzeug in feinen Schinken umsetzen, kommt durch einen Garten eine ponyhohe Dogge angeschlenkert, die langen Beine kommen gerade so hinterher. Der Wachdienst hinter dem eher niedrigen Zaun wird in einer Mischung zwischen lustlos und augenzwinkernd versehen, wohl in dem Wissen, dass allein die Schulterhöhe einer Dogge ihren Eindruck macht und ebenso das grollende Timbre, ganz gleich welchen Inhalts oder wie einsilbig das Gebellte ist.

Siedlungshäuser unweit des einstigen Pflegeheims

Der Schwenk nach links zu den Teichen führt weg vom Lärm und bald in breiten schwarzen Modder, wie man ihn lange nicht unter den Sohlen hatte. Die gleitfreudige Erdpaste reicht über die gesamte Wegbreite, selbst ganz am Rand ist gutes Balancieren gefragt, und das Queren könnte leicht mit einem schwarzen Hosenboden quittiert werden. Doch das Risiko lohnt, denn gegenüber quetscht sich zwischen den Angelteichen ein kaum sichtbarer Pfad hindurch. Auch der balanciert, und zwar in Schlangenlinien auf einem schmalen Damm voller Gesträuch, geht gern auf Tuchfühlung und dürfte in der Vegetationsphase ein sehr naturnahes Erlebnis sein. Auf dem größeren der Teiche platziert sich gekonnt ein einzelner Schwan in die Szenerie rostgoldener Spiegelbilder, als einziger weißer Akzent und umgeben von erdfarbenen Enten.

Breiter Talgrund mit Stromtrassen

Südlich der Teiche quert ein Plattenweg. Begleitet wird er von einem Graben, in dem das Wasser sichtbar fließt, und lässt kurz an den Unterspreewald denken. Der von Laubwald begleitete Schneidegraben ist gewissermaßen Verwandtschaft der eigentlichen Notte, kommt wie sie auch von Sperenberg daher und lässt sein Wasser schließlich im Mellensee.

Der nächste nadelweiche Weg quert nun ein Wäldchen, der Boden ist bedeckt von Blaubeerkraut, und zwischen den Kiefernstämmen leuchten auch hier wieder die kleinen Bäume in ihrem allerletzten Laub. Der ganze Tag schon sieht nach Abenddämmerung aus.

Kaum erkennbarer Tierpfad zum Gipfelplateau des Saalower Höllenberges

Saalower Berg

Drüben steht am Waldrand eine einladende Rastbank mit weitem Blick, direkt am Fuß des Saalower Berges. Am Waldrand lauern leicht geduckt regelrechte Kronenkiefern. Der sandige Weg verschwindet bald im Wald und schindet ein paar Höhenmeter. Oben quert ein Sträßlein, das einst zum Pflegeheim „Freundschaft“ führte. Die weitläufige Anlage, ihrerzeit fast eine kleine eigene Stadt, verfällt seit über einem Jahrzehnt, wie viele andere auch, die schlicht zu groß für eine neue Nutzung sind. Kopfsteinpflaster verbindet sie mit einer hübschen Reihe von Siedlungshäusern, die einst vielleicht dem Personal vorbehalten waren. Ein paar Autos nutzen die Straße, um auf kürzestem Wege von Saalow nach Gadsdorf zu kommen.

Regendichter Unterstand für kleine und kleinste Leute

Vor einer dreifachen Stromtrasse, die den weiten Talgrund zwischen zwei Höhenzügen nutzt, bleiben wir rechts am Waldrand und nähern uns langsam dem fast schon sagenumwobenen Saalower Höllenberg, der scheinbar gerne ein Geheimnis um sich macht. Das führt soweit, dass das bestehende Netz ausgeschilderter Wege einen weiten Bogen um sein Gipfelplateau schlägt und die hier und dort aufgestellten Wanderkarten die schönen Pfade verschweigen, die es umrunden. Auch die freie Karte im Internet schaut hier beiläufig zur Seite. Passend zu einem halbwegs dramatischen Zustieg schlägt das Wetter allmählich in eine härtere Gangart um, so dass wir die Schirme schon mal freilegen.

Birkenleuchten auf dem Saalower Höhenzug

Saalower Höllenberg

Der südliche Aufstieg ist vergleichsweise moderat, und vom Hauptweg lässt sich bei guter Sicht ein Tierpfad erkennen, dem wir folgen. Der Blick zurück lässt einmal mehr das flimmernde Leuchten der Birkenwipfel zwischen den dunklen Stämmen hindurchfallen. Hinter dem unauffälligen höchsten Punkt, an dem sich einiges Bruchholz versammelt hat, quert noch ein schöner Pfad. Von hier lässt sich gut sehen, dass wir uns einiges über dem Niveau der Felder da unten befinden, erst hier wird der Berg als solcher erkennbar, dessen Flanke nach Westen vergleichsweise steil abfällt. Wir vertrauen uns dem Pfad an, der die Höhe umrundet und bald zurück zum breiten Weg führt. Nach Norden geht es nun steil hinab, wobei der weiche Boden die stukenden Schritte harmonisch abfängt.

Blick zum Saalowgraben

Der sanfte Höhenzug des Höllenberges setzt sich fast bis Saalow fort und verliert dabei unmerklich an Höhe. Immer wieder locken direkt ansteigende Pfade oder Wege hinauf in den Wald, der an manchen Stellen das goldene Birkenleuchten zur Hochform bringt. Es ist wirklich besonders.

Pferde mit Dame bei Saalow Dorf

Auf der ersten freien Passage schlägt uns nun die Nässe ins Gesicht und es ist Zeit aufzuspannen. Windschutz spendet der Höhenzug, der vielleicht zugleich verursacht, dass es gerade hier regnet. Von vorne trotten, vom Wetter unbeeindruckt, zwei stämmige Pferde heran, begleitet von einer in sich ruhenden Dame. Überhaupt scheint das hier eine Pferdegegend zu sein, denn die vom Wetter geplätteten Pferdeäpfel sind allgegenwärtig.

Dorfmitte von Saalow mit Scheunenwindmühle und Bürgerhaus

Saalow

Der alte Dorfkern ist ein schöner, wenn auch nicht klassischer Rundling. Das verweist beiläufig auf die Nähe zum Fläming, wo diese reizvolle Dorfform häufig zu finden ist. Mitten auf dem runden Dorfplatz findet sich nun die zweite der Saalower Mühlen. Die ist nicht auf den ersten Blick als Mühle erkennbar, und eigentlich auch nicht auf den zweiten. Allein ihre Lage mitten im Ort zeigt schon, dass es sich um eine Besonderheit handeln muss. In der Tat steht hier ein weltweit einzigartiges Mühlenbauwerk, eine sogenannte Scheunenwindmühle, bei der Rotorblätter nach zwei Seiten fest in den Wänden verbaut sind. Bei Bedarf werden die großen Tore geöffnet, und der Wind kann einströmen. Aus heutiger Sicht lässt der Anblick an Turbinen denken. Sehen kann man diese Rarität zweimal im Monat, wofür ein rühriger Verein sorgt. Direkt neben der Mühle steht das kulturell genutzte Bürgerhaus, ebenfalls liebevoll renoviert, und macht das pittoreske Dorfbild komplett.

Saalow Ost

Teiche nahe der Hechtseestraße, Saalow Ost

Vom Dorfrund führt die Straße vorbei an der Alten Schule und zwischen Pferdekoppeln hinüber zum benachbarten Ortsteil, wo nun ganz kurz wieder die herkömmliche Windmühle ins Bild rückt. Nördlich der Hechtseestraße liegt eine urwüchsige Ansammlung von unregelmäßig geformten Teichen, die von Pfaden durchzogen sind und einen kleinen Abstecher auf jeden Fall wert. Allerlei Bänke oder Hocker stehen an den Ufern, die sich für eine Rast anbieten – wenn nicht ein Angler mit Gewohnheitsrecht schneller war.

Hinter der ruhigen Siedlung beginnt bald ein undurchdringlicher Streifen Natur, der in Zeiten mit durchschnittlichen Niederschlägen stark durchfeuchtet sein dürfte. Die einstige Uferlinie des gewundenen Hechtsees lässt sich auf der Karte noch erahnen. Mitten durch diese Weiten aus Schilf und dichtem Gestrüpp führt leicht erhaben ein Damm mit einem hinreißenden Stück Weg, teilweise bestanden von stattlichen Eichen. Diese fünfhundert Meter sollte man am besten im Schlurfschritt zurücklegen und ausgiebig genießen, was so kurz vor dem Ende der Tour ja durchaus in Ordnung geht.

Dammweg durch den einstigen Hechtsee

Wie nah das Ziel bereits ist, zeigt sich direkt am Ende des Dammweges, wo schon das Gleis der Draisinenstrecke quert. Heute rumpelt hier nichts, vielmehr liegt noch immer die gedämpfte Stille des Novembertages über der Landschaft. Neben der Bahntrasse lagern halbvergessen allerhand Accessoires mit Bahnbezug, die wahrscheinlich längst Beine bekommen hätten, wenn sie nicht allesamt so schwer und unhandlich wären.

Draisinenstrecke kurz vor dem Bahnhof

Am Ende setzt der ruhende Bahnhof mit allem, was dort steht, noch einige Farbakzente in Richtung Rot, gleich in mehrfacher Ausfertigung. Zurückhaltend die flächige Backsteinfarbe der historischen Gebäude, vertraut und unauffällig die Bauchbinde der beiden S-Bahn-Wagen und knallig die Lackierung der Draisinenhebel, glänzend wie der Lippenstift einer lasziven Chansonette, die noch einen Koffer in Berlin hat.










Anfahrt ÖPNV (von Berlin): Regionalbahn bis Zossen, dann weiter mit Bus (ca. 1,25-1,5 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): B 96 bis Zossen, dann nach Mellensee abbiegen (ca. 1-1,25 Std.)

Länge der Tour: ca. 15 km (Abkürzungen gut möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Artikel zu Museen in Saalow

Artikel zum Mühlendorf Saalow

Informationen zur Bahnstrecke Zossen-Jüterbog

Saalower Kräuterschwein

Erlebnisbahn Zossen-Mellensee

Ehemaliges Pflegeheim am Saalower Berg

Einkehr: 

Erfrischungshalle am Bahnhof, Mellensee
Fischhof am Mellensee, Mellensee (am Nottekanal)
Eiscafé Angela, Mellensee (kleiner Imbiss)
Restaurant Wildpark am Mellensee, Mellensee (etwas Richtung Klausdorf)