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Sperenberg: Nasse Schafe, Gebirgsseen und das volle Jahrzehnt

Der Mai ist mit Schwung in die Vollen gegangen, ist zu einem sensationellen Festival der Farbe Grün herangereift, wie das scheinbar lange nicht mehr der Fall war. Geholfen dabei haben ungleichmäßige Verteilungen von Wärme und Kälte, Sonne, Trockenheit und punktuellem Wasser von oben. Ein fieser Nachfrost kam nicht so früh wie letztes Jahr, erst im ersten Drittel des Mai, und richtete daher weit weniger Schaden bei Obstblüten und anderen Schönheiten an. Dennoch sind in Büschen und Bäumen so einige Opfer klar sichtbar.

Krummer See in Sperenberg

Da bisherige Hitzeepisoden wohlplatziert und jeweils von kurzer Dauer waren, hielten sich im üppigen Blühwerk dieses Monats zahlreiche Blütenstände und sorgen nun dafür, dass zur gleichen Zeit Flieder und Rhododendron, Holunder und Weißdorn sowie auch die Kastanien und Robinien blühen. Dazu gesellen sich auf Fußhöhe noch lieblich duftende Maiglöckchen in manchem Waldstück sowie der bunte Farbenkanon aus rot, blau und weiß an den Feldrändern.

Der Raps wird nur langsam gelb, dafür stehen so gut wie alle Laubbäume großzügig im dichtem Laub. Dementsprechend hervorragend ist die Luft, was in den Monaten zuvor so gar nicht der Fall war. Alles in allem also ein prächtiger Mai, der mal wieder kurz die Freuden des Sommers verhieß, dann bald schon in Richtung einstelliger Temperaturen zurückwich.

Stichteich bei Rehagen

Ähnlich sah der Wonnemonat vor zehn Jahren aus, wo sich die Eisheiligen auch mehr als wörtlich nahmen, obendrein in beide Richtung um jeweils eine Woche verlängert wurden und unverhandelbar dafür sorgten, dass die Mütze noch lange nicht im Winterschrank verschwinden durfte.

10 Jahre Reportagen aus Brandenburg und Berlin –
10 Jahre voll gesammelter Wege

Damals begab es sich, dass jemand gänzlich ohne Erfahrung einen Reportagen-Blog ins Leben rief, ihn Wegesammler Brandenburg nannte und schaute, was wohl passieren würde. Der erste Beitrag spielte an der Spree und nannte sich „Kossenblatt, die Spree und der verschollene Räuberberg“. Die dreiteilige Gestaltung des Titels blieb, hat sich über die Jahre gehalten. Die Texte hingegen trauten sich mit den Jahren, blumiger und ausführlicher zu werden. Bilder spielten anfangs eine untergeordnete Rolle, was sich jedoch schnell änderte. Die grundlegende Gestalt der Beiträge, welche sich letztlich ausformte, ist bis heute zu erkennen.

Pfad in den Klausdorfer Tongruben

Da ja niemand vom Wegesammler Brandenburg wissen konnte, gab es zunächst kaum Besucher. Doch nach und nach sprach es sich herum, so dass aus einstelligen bald zweistellige Zugriffszahlen wurden, punktuell und an besonderen Tagen soll es auch schon dreistellige Werte gegeben haben. Vor Ort wurden bald kleine, orangene Schilder hinterlassen – erst noch per Reißzwecke, bald schon geklebt-, die per QR-Code direkt zur Webseite führen. Später kamen hübsche Bierdeckel hinzu, die seitdem an Rastplätzen ganz praktisch zum Schonen der Tischplatten beitragen.

Insel im Gipsbruchteich

Neben der Verbreitung von Mund zu Mund halfen beim Sichtbarwerden Beiträge in der Presse, später auch im Radio, einmal auch im Fernsehen. Der erste Radiobeitrag ließ erfreulicherweise einen in Berlin ansässigen Buchverlag neugierig werden. Man war sich bald einig, einen Auszug aus dem Blog in ansprechende Buchform zu bringen und nannte das Buch „Unterwegs in Brandenburg“ (2019). Drei Jahre später folgte mit der Auftragsarbeit „Wild Brandenburg“ (2022) ein geballtes Überblickswerk über fünfzig wenig bekannte Landschafts-Schönheiten in Brandenburg, reich an Herzblut. Besondere Herausforderung waren hier die auf jeweils eine Seite beschränkten Textparts.

Backofen am Strandbad Sperenberg

Ein drittes Buch widmet sich seit letztem Frühjahr dem Übergangsbereich zwischen Berlin und Brandenburg und beschreibt unter dem Namen „Rund um Berlin“ einen Fernwanderweg, der sich abwechselnd in beiden Bundesländern bewegt – die Berliner Gürtellinie. Der schöne und gleichsam unterhaltsame Rundweg einmal um die ganze Stadt ist ein Herzensprojekt von meiner Frau und mir und wurde mittlerweile schon von vielen Leuten komplett begangen. Andere entdecken ihn nach und nach oder sogar über Jahre verteilt, wieder andere begnügen sich mit sporadischen Stichproben oder gemütlichen Feierabend-Schnipseln. Mit das Schönste dabei: der Wunsch, Spaziergänger und Leute mit Wanderbeinen neugierig zu machen, scheint geglückt!

Ortsmitte von Sperenberg

Beim Wegesammler Brandenburg sind über die Jahre Dutzende Beiträge zusammengekommen, die einen schönen Überblick über die Regionen des abwechslungsreichen Bundeslandes geben und ebenso dazu taugen, neugierig zu machen auf bekannte und weniger bekannte Regionen in Brandenburg sowie ferner auf lange und teils verspielt-verkringelte Spaziergänge durch das so vielgesichtige Berlin. In den letzten Jahren lange oft große Abstände zwischen den Beiträgen, war die Zeit immer wieder knapp oder die Muße gerade woanders. Beabsichtigt ist, dass es wieder mehr Beiträge im Jahr werden.

Draisinenstrecke unweit des alten Bahnhofs, Sperenberg

Sperenberg

Wenn man heute so durch Sperenberg geht, kann man sich überhaupt nicht vorstellen, dass der Ort vor dreißig Jahren einer der heißen Kandidaten für den Hauptstadt-Flughafen war, neben Jüterbog und Schönefeld einer der drei Bewerber. Es ist still, beschaulich und idyllisch. Den Flughafen nebenan gibt es nach wie vor, doch eher als historischen Ort, der ein oder ein paarmal im Jahr im Rahmen von Führungen beschaut werden kann. Rundherum und auch in vielen Beton-Fugen üppiges Grün, dazu viel Stacheldraht und zahlreiche Waldwege, die als Sackgasse enden. Alles ein bisschen geheimnisvoll, zugeknöpft – was den Mythos ganz gut nährt und vielleicht genau so sein soll. Weitere Details lassen sich im Archiv nachlesen.

Zuwachsendes Gleis in Sperenberg

Der Ort wird zum guten Teil gestaltet von zahlreichen Seen, zwei bzw. drei eher klassischen in Wasserfarbe und drei farbkräftigen, welche eine still-spektakuläre Tagebau-Folgelandschaft mit unzähligen Pfaden prägen. Die drei letzteren können ein sagenhaftes Türkis an den Tag legen, wenn der Tag mit Sonne prahlt. Ist es hingegen wolkig oder diesig, erscheint das tiefe Wasser unter seinen Felswänden trüb und dunkel und ist dem des Krummen Sees gar nicht so unähnlich.

Rückblick zur Sperenberger Kirche

Zum Freibad am Krummen See gehört einer der wohl anmutigsten Parkplätze in Brandenburg, mit gezackelten Bordsteinkanten und grünem Wiesenteppich sowie hübschen Fächern für die Gefährte. Der Tag ist eher zurückhaltend vom Wetter und so ist nicht viel los am Bad. Ein Hänger, von dem sonst Gegrilltes und Bier über den Tresen geht, wird auf- oder abgebaut, die weite Wiese ist frei und dient mehreren Gänsefamilien als unbeschwerter Tummelplatz.

Begrenzungsmauer der Ruinenstadt Kummersdorf

Vom winzigen Strand jenseits des Zaunes bietet sich vorbei an frischem Schilf ein schöner erster Blick auf die Sperenberger Kirche mit ihrer klaren Form. Der zuständige Haubentaucher lässt sich kurz sehen und veschwindet augenblicklich unter der Wasseroberfläche. Im kleinen Schneidegraben strömt es sichtlich bewegt vom See in Richtung Mellensee. Dort trifft sein Bachwasser unter anderem auf das der Wünsdorfer Fließe und verlässt gemeinsam mit jenen im Nottekanal den großen See.

Die netten Leute von Kummersdorf

Schön und gemütlich ist die Dorfstraße. Der Bürgersteig läuft leicht erhöht und wird von erwachsenen Linden begleitet. Die großen, für den Fläming typischen Toreinfahrten lassen sich bestaunen, verfügen teils über kunstvolle Türstöcke. Im alten Krug steht die große Flügeltür zum Saal offen und lockt zu einem kurzen Blick in den stattlichen Raum. Gen Ortsrand werden unweit des einstigen Bahnhofs die Gleise überquert, auf denen einst die Königlich Preußische Militär-Eisenbahn entlangratterte. Eine von Hand bedienbare Schranke weist auf den heutigen Gebrauch als Draisinen-Strecke hin.

Am Ortsrand von Kummersdorf

Gleich hinter dem Gleis biegt der Wiesenweg ab, welcher direkt neben dem alten Gleis seinen weiten Bogen zieht. Ein Mädchen ist mit dem Fahrrad unterwegs, am Lenker eine riesige Tüte. Stellt das Rad immer wieder ab und schwärmt in die Wiese aus, bückt sich dort und lässt den Blick abtauchen. Die Gräser, Rispen und alles stehen schon hoch, und so ist ist nicht zu erspähen, ob sie einfach Futter für die Karnickel sammelt. Doch sie scheint kundig und sucht jeweils länger, und so könnten es auch Kräuter oder dergleichen sein, worauf sie aus ist. Beim querenden Schneidegraben ergibt sich vorbei an einer abenteuerlichen Brücken-Gleis-Konstruktion nochmal ein Blick zurück zur Kirche, die schon erstaunlich klein ist.

Heidelandschaft in der Schneise der Stromtrasse

Nach dem letzten Haus wird es nun richtig grün und still, das gerade so noch wahrnehmbare Gleisbett verschwindet bald hinter einem verrammelten Tor. Hier beginnt das erwähnte Gelände, das nahezu lückenlos von einer Mauer bzw. einem stabilen Zaun umgeben ist, zugleich nicht unbedingt die Neugier weckt. Die Idylle wird kaum gestört, da der Blick ohnehin eher nach rechts über die Wiesen gelockt wird, wo der Schwendegraben im Verborgenen seine Bögen zieht. Der Wald ist üppig und grün, der Weg angenehm schattig, die Bäume hochgewachsen. Dann und wann schwirrt, unerwartet an diesem kühl-klammen Tag, ein Maikäfer vorbei, so zielstrebig und koordiniert, wie das nur Maikäfer können.

Stille Stichteiche bei Rehagen

Kummersdorf

Kurz vor dem nächsten Dorf wird aus dem blattdichten Laubwald nun märkischer Kiefernwald mit seinem lichten Boden aus Wiese und Moos. Ein Weg zweigt ab vom Hauptweg und lädt ein, von diesem zweigen bald wieder Pfade ab, von denen bald darauf Pfade abzweigen. Falsche Entscheidungen sind kaum möglich, solange die Grundrichtung halbwegs beibehalten wird, und so landet man auf dem Jugendheimweg, der Schumkastraße oder dem Waldweg bald im Herzen von Kummersdorf, das am heutigen Tag insgesamt einen reservierten Eindruck hinterlässt. Davon ausgenommen sind zwei Handvoll grundverschiedener Schafe, die uns höchst kommunikativ begegnen und es auf einem weitläufigen Grundstück zwischen beachtlichen Findlingen und einem selbstgemauerten Ruinchen wohl recht gut haben.

Ehemaliger Steg am Stichteich

Ganz am Ende des Dorfes, am östlichen Ausgang, ist noch ein alter Bahndamm zu erahnen, welcher beiderseits von hübschen Wegen begleitet wird. Als Ausgleich zur missglückten Einkehr steht nun hier die schönste Bank weit und breit, am Beginn eines buschigen Streifens aus herrlichen Klettereichen, umgeben von weiten, im Wind wogenden Wiesen und mit einer Rückenlehne, welche vor der frischen Brise schützt. Voraus am Waldrand erhebt sich ein sagenhafter Baum, fängt sofort den Blick. Von ganz hinten naht eine Reiterin, kostet den weiten Bogen des Trampelpfades genießerisch aus und belässt das große Tier auf kleinstem Tempo.

Schattengasse bei den Rehagener Teichen

Unser Rucksack ist am Ende um einiges leichter. Beim Losgehen tauschen wir einen kurzen Blick mit der Dame im Sattel aus. Voraus kündigen hohe Masten die dreisträngige Stromtrasse an, unter der sich in schönster Ausfertigung diese typische Natur aus jungen Bäumen, mittelalten Birken und flächigem Heidekraut gestaltet hat. Der niemals gänzlich gerade Weg trägt seinen Teil zum schönen Bild bei.

Verlassener Blechschuppen am Stichteich

Nach ein paar Minuten Radweg entlang der stillen Landstraße beginnt bald die erste von dreien dieser Landschaften, welche grob betrachtet als Bergbau-Folgelandschaft bezeichnet werden können. Aus einer ehemaligen Tongrube wurde ein See, der weiter unten über eine schöne Strandstelle verfügt. Eine kleines Rudel mannshoher Pfähle kündet davon, dass hier einst mehr Wasser drin war.

Pfad am Stichteich

Tongruben bei Rehagen

Der Weg setzt sich als geschlossene Gasse mit dichtem Blätterdach fort, gerade kommt jetzt die Sonne kurz raus und zaubert mit den Lichtpunkten. Bald beginnt ein enorm verspielter Pfad, dessen Eingang etwas im Unklaren lässt, ob das hier wirklich langgeht. Wie durch einen Dschungel schlängelt sich die winzige Spur, kurvt zwischen umrankten Baumstämmen. Auf Fußhöhe ist alles großflächig von Efeu bedeckt. In der Luft liegt hier eine Mischung aus feuchtem Waldboden, frischen Blüten und saftigem Grün und lässt einen sofort tiefer atmen. Immer wieder muss man sich bücken oder über gefallenes Stammholz steigen. Da steht ein rostiger Metallschuppen, kurz dahinter steigt, nicht viel breiter als zwei Schuhsohlen, eine heimliche Stiege hinab zu einem überwucherten Raum. Ein fensterloser Keller ohne Haus darüber. Ohne Zweifel ein geheimnisvoller Ort.

Weg zu den Klausdorfer Tongruben

Bei einigen Gärten mit Bauwagen oder kleinen Lauben beginnt ein Fahrweg, der bald an einem Draisinen-Haltepunkt endet. Links beginnt die Ortschaft Rehagen, nach rechts wird die einstige Bahntrasse überquert. Weitere Bruchteiche liegen unter dichtem Grün, sind eher zu erahnen als zu entdecken. Vom Weg am Waldrand kann der Blick herrlich schweifen über weite Wiesen. Hier lassen sich nun endlich, wenn auch nur vereinzelt, die erhofften Mohnblumen und Margariten entdecken. Und ein paar Minuten weiter wahrhaftig auch die ersten drei Kornblumen dieses Jahres. Eine Kinderhand hat die drei Farben schon in einem dünnen Sträußchen versammelt, es dann doch am Wegesrand liegen lassen.

Unterer Weg durch die Tongruben

Klausdorfer Tongruben

Voraus wird die Wiese von dichtem Laubwald begrenzt, aus dem einzelne Gruppen von Menschen kommen. Nach dem Abbiegen wird bald eingetaucht in die zweite dieser Landschaften, die nun weit dramatischer daherkommt in Sachen bewegtem Relief. Wie ein kleines Gebirge. Wer die Glindower Alpen unweit von Werder an der Havel kennt, hat eine ungefähre Vorstellung. Die Sache mit dem Relief zeigt sich schon direkt nach dem Abbiegen beim tiefen Blick hinab zum ersten Teich. Ein abenteuerlicher Sandpfad führt zu einer potentiellen Uferstelle, doch ob man den – selbst auf allen vieren – so einfach wieder hochkäme, bleibt fraglich. Bald besteht die Wahl zwischen einem breiten, gediegenen Weg, der sich auf gleicher Höhe durch die teils steilen Hanglagen zieht, und einem munter kraxelnden Gebirgspfad.

Oberer Weg durch die Tongruben

Beide sind wunderschön und laden nachdrücklich ein, doch der zweitere ist ganz klar zu empfehlen, trägt er doch quasi konzentriert die DNA dieser Landschaft in sich. Bis auf den Pfad ist hier fast alles von Grün bedeckt, denn selbst kräftige Baumstämme sind dicht umrankt und lassen kaum Rinde durchschauen. Es ist sagenhaft – ein Pfad so schön, dass er fast schon übertrieben wirkt. Doch es ist alles echt, und es ist auch nicht nach 100 Metern schon vorbei. Nach links fällt die Flanke steil ab und lässt hinabblicken auf eine Senke, wobei nicht klar ist, ob das Grün- oder Wasserfläche ist da unten.

Gebirgspfad über den Tongruben

Auch zur Rechten liegt unten eine Senke, doch die ist weitaus zerfurchter und abenteuerlicher, fast noch üppiger im Grün. Es ist wirklich alles sehr fett, sehr reichlich, ein bisschen wie ohne Maß am Rechner modelliert. Eine kleine Hohlgasse lässt Höhenmeter verlieren, die gleich darauf wieder auszugleichen sind. Zarte Wurzeln sorgen für Halt im sandigen Wegboden. Unvermindert verspielt windet sich der Pfad und umrundet dabei die Senke, gestattet ab und an Blicke bis zu deren Grund und lässt auch hier das Fragezeichen groß, ob da unten Wasser oder fester Grund den Boden bedeckt.

Treffpunkt der beiden Wege

Schließlich finden der Gebirgspfad und der untere Weg wieder zusammen, kurz vorher bieten sich für ungeduldige Halsbrecher immer wieder winzige Alpinpfadpassagen an. Es ist wirklich eine großartige kleine Landschaft hier. Gut und gern auf Augenhöhe mit den etwas weitläufigeren Glindower Alpen. An einem riesigen, kunstvoll abgestuften Schornstein und einem alten Lokschuppen wird diese besondere Welt verlassen, Nachschläge sind noch hier und dort möglich, hier mit einem alten Ringofen, dort mit einer kurzen, steilen Stiege.

Am Rand der Klausdorfer Tongruben

Klausdorf

Recht sachlich geht es hinein nach Klausdorf, wobei man immer wieder auf verstaubte alte Gleise trifft. Im Ort gibt es immer wieder hübsche Schleichpfade zwischen den Straßen, und mit einem Mal zeigt sich klar, dass dieser Tag nicht trocken bleiben wird. Schnell hat sich voraus eine dunkle Wand aufgebaut und bringt in Erinnerung, dass da im Wetterbericht irgendwas von Regen oder sogar Gewitter erzählt wurde. Regen ist gut, und dann soll er jetzt bitte auch mal liefern. Und das tut er, und zwar schneller, als wir die Schirme aufspannen können. Mit einem Mal wird es dunkel im Dorf und fängt an zu pladdern, kräftig, doch zunächst noch unentschlossen. Zwischen den Häusern zweigen wir ab in den aufsteigenden Weg, der bald ganz herrlich über die Wiesen führt. Kommen vorbei an einem kleinen Kessel aus schönstem Dünensand, in dessen Grund ein paar junge Bäume ein Wäldchen eröffnet haben.

Schornstein bei Klausdorf

Die Landschaft öffnet sich und der Regen erwischt uns nun kalt, denn die Regenhosen hatten wir heute zu Hause gelassen. Dazu gesellt sich von Norden her noch ein Gewitter, das es jedoch bei allem blechernen Radau bei einem einzigen Blitz belässt. Wir sehen zu, dass wir zum nächsten Waldstück kommen und werden vorn bei den Häusern von nassen Schafen angestiert, die sich nur zum Teil unter Überdachungen retten wollen. Als wir den schützenden Wald erreicht haben, bricht der Regen richtig los, während voraus im Süden schon wieder erstes Licht zu sehen ist. Vor dem Kontrast des blau-weiß-schwarzen Himmels setzt sich eine einzelstehende Kronen-Kiefer eindrucksvoll in Szene und beweist einmal mehr, was diese Baumart anstellen kann, wenn genügend Platz da ist.

Dorfschleich in Klausdr

Hinter dem Baum in seiner großen Geste öffnen sich nun wieder die Felder, den nächsten Schutz vor dem waagerechten Regen gibt es erst oben am Waldrand. Dorthin führt als herrlicher Wiesenweg der Kalkscheuengrundweg. Gegen nasse Hosen und kalte Luft hilft es am Besten, in Bewegung zu bleiben, und so werfen wir oben am schützenden Buschstreifen kurz etwas Energie ein und kürzen dann quer übers Feld ab. Ganz rechts ist der Sperenberger Aussichtsturm zu sehen, der auch dieses Mal wieder stark an einen Sendemast erinnert.

Waldrand vor Sperenberg

Der bald erreichte Waldrand wird von einem schnuckeligen Pfad begleitet und bringt uns in wenigen Minuten zur dritten und letzten Tagebau-Folgelandschaft mit Gebirgsanleihen, den Sperenberger Gipsbrüchen. Die sind nicht minder einzigartig wie die Tonbrüche bei Klausdorf, und es ist immer wieder ein Vernügen, dass sich die beiden verschiedenartigen Areale in einer Tour von moderater Länge vereinen lassen.

Feldweg in Richtung Sperenberg

Sperenberger Gipsbrüche

Zahlreiche Aussichtspunkte und –plattformen gibt es in den hohen Lagen, von denen die erste gleich erreicht ist, die mit Blick auf den Vierten Tiefbau. Die vier Seen sind ganz pragmatisch durchnummeriert, von West nach Ost. Drei von ihnen tragen viel von Gebirgsseen in sich, zum ersten steigt sogar eine felsige Stiege ab, die auch in einem gängigen Mittelgebirge liegen könnte. Erstmals probieren wir heute den Absteig zwischen dem Dritten und Vierten Tiefbau, wobei es zu beiden Seen hin jeweils ein Aussichtsplateau gibt.

Pfad zur Oberkante der Gipsbrüche

Heute ziemlich nass, doch um so wildromantischer. Ein Wandersmann mit Zipfel-Regenumhang kommt uns im Aufstieg entgegen, schaut zugleich grimmig und zufrieden beim Grußwechsel und strebt weiter zum höchsten Punkte. Der Weg dort oben wird von teils uralten Kirschbäumen begleitet und irgendwann sollte man es einmal schaffen, zur Zeit der Kirschblüte im April diesen sagenhaft schönen Höhenpfad zu besuchen.

Blick auf den Gipsteich No. 4

Am Ende des Abstieges wirft einen der Wald auf einen sachlichen Fahrweg aus, der entlang von teils brachliegenden Betriebsflächen führt, vermutlich denen der Fischerei. Auch dort endet ein Gleis und verweist damit auf die Zeit des Gips-Abbaus, die noch kein Menschenalter lang zurückliegt. Wind und Wetter wollen uns nahelegen, den Rest der Tour abzukürzen. Doch so oft ist man nun auch nicht in dieser Ecke und schon gar nicht im vollen Grün, und nass sind wir ja ohnehin, können also viel nasser kaum werden. Also schwenken wir wieder ein und statten noch jedem der Teiche einen Besuch ab. Der dritte Gipsbruch fasziniert mit seiner felsigen Uferstelle, dem unmittelbar tiefen Wasser und der steil ansteigenden Wand, der zweite durch den liebreizenden Weg entlang eines Geländers.

Aussichtskanzel auf Teich No. 3

Zwischen beiden lässt sich ohne Aufwand noch die Stelle der seinerzeit tiefsten Bohrung der Welt besuchen, womit das Jahr 1867 gemeint ist. Gleich benachbart bietet bei richtig fiesem Wetter ein überdachter Rastplatz effektiven Schutz. Zwei Leute mit einem Hund sind dort gerade untergekommen und haben viel Spaß daran, ganz laut eine Menge Inhalte ohne viel Inhalt auszutauschen, was in der Tat einigen Unterhaltungswert hat.

Schluchthang Sperenberg

Dennoch lassen wir uns nicht aufhalten und streben zum Teich Nr. 1, dessen Alleinstellungsmerkmal eine hübsche kleine Insel mit Birken ist, die in zartgrünem Laub stehen und trotz Regens gerade von einem Sonnenstrahl getroffen werden. Ein regelrechtes Portal am Westrand des Höhenzuges ergibt sich in einer Art Durchbruch zwischen steil ansteigenden Flanken, in denen sich mit teils abenteuerlich frisiertem Wurzelwerk die Bäume festkrallen.

Maiwetter am Krummen See

Sperenberg

Beim Erreichen der Gipsstraße bricht der Regen nun wieder richtig los, und an diesem Punkt ist es schön zu wissen, dass es bald wärmer und trockener wird als es gerade ist. Ein Damm führt zwischen östlichem und westlichem Krummen See zur Endhaltestelle der Draisine, wo sich gegenüber von Süsselbecks Eisbutze drei eins-a Eisleckbänke finden. Der kleine Kiosk steht noch da, doch ob er tatsächlich noch in Betrieb ist – in dichter Nachbarschaft zum Eiscafé im Strandbad – lässt sich heute nicht herausfinden.

Ein hübscher Pfad folgt dem Seeufer, vorbei an einer weiteren schönen Badestelle mit Bank und Ruderkahn. Der Wasserspiegel des Sees ist gerade so gar kein Wasserspiegel, lässt bestens erkennen, wie stark es regnet, wie dicht die Tropfen fallen. Wenn man das nicht ohnehin schon wüsste. Fast eine Stunde nach dem letzten Donnerschlag grollt es jetzt erneut vom Himmel. Draußen vom See schnattert es empört und voraus auf der Wiese sehen die Gänse mit ihren zahllosen Küken zu, dass sie schnellstens in den See kommen.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
per Regionalbahn nach Zossen, dann weiter mit Bus bzw. Rufbus (1,25-1,75 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über Landstraße (wahlweise B96 oder B101)(ca. 1,5 Std.)

Länge der Tour: ca. 16 km (Abkürzungen mehrfach gut möglich)



Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

 

Links:

Gipsabbau in Sperenberg

Klausdorfer Tongruben

Informationen zum ehemaligen Flughafen Sperenberg

 

Einkehr: Eiscafé (Mo-Fr auch Mittagstisch) und benachbarter Imbiss im Strandbad Sperenberg
Zum alten Krug, Sperenberg (am Wochenende ab spätem Nachmittag)
Tiamo Pizzaservice (zum Abholen), Sperenberg
Einkehrmöglichkeit im Ort, Kummersdorf
Trattoria Due Fratelli, Klausdorf

 

 

Zossen: Grüne Spitzen, Buckelrinder und der versilberte Juri

Es duftet schon hier und da nach dem kruschligen Laub, das der immerwährende Wind mehr oder weniger behende durch die Landschaft oder die Straßenfluchten scheucht, in sonnenheißen Parks auch gern als kleine Wirbel, die scheinbar vom Fleck kommen wollen, es aber nicht hinbekommen. Letztlich liegt das Laub dann wieder da, wo es vorher auch lag, nur die einzelnen Blätter wurden vertauscht.

Zossener Alpenhang

Viele wird das leicht wehmütig stimmen nach diesem Prachtstück von einem Sommer, über den bis hierher eigentlich niemand so richtig meckern kann. Nach einigen Startschwierigkeiten traf er schon bald den richtigen Ton und verwöhnte alle Sonnenanbeter mit reichlich Licht und Wärme auf der Haut, andere mit dem stets präsenten Wind, dank dem man es an schattigen Plätzchen oder unter selbstbewusst getragenen Hüten von Sombrero-Format auch an den heißesten Tagen gut aushalten konnte unter freiem Himmel.

Zebus auf der Weide

Neben den säuselnden Blätterscharen am Boden und ersten bunten Blättern oben in den Baumkronen gibt der ausgehende August wie in jedem Jahr wieder eine schöne Vorschau auf dieses warme, leicht nostalgische Licht des späten Nachmittags, welches die leichte Temperaturabkühlung zum Abend ankündigt. Die ist jetzt an einzelnen Tagen tatsächlich schon zu merken.

Auf dem langen Kamm, bei Zossen

Die verschiedenen Schwarmvögel mit Zugabsichten sind noch unentschlossen, verhalten sich meistenteils zurückhaltend. Die Schwarzen mit den großen Schnäbeln hingegen sehen ihre Zeit nahen und krächzen ihre klagenden Misstöne schon etwas lauter heraus. Mancher Apfelbaum schiebt neben prallen Früchten noch eine spätsommerliche Blütengeneration heraus, deren Klassenstärke jedoch eher winzig ausfällt. Ähnliches lässt sich beim Wein beobachten, was von den Bienen dankbar quittiert wird.

Hochbunker bei Wünsdorf

Auf dem Land und auch in der Stadt ist es noch vergleichsweise leer, viele Einheimische sind ausgeflogen und kosten die schönen Tage bis zuallerallerletzt aus, unter zeitweiliger Ausblendung aller globalen Sorgenfalten. Ab und an dröhnt eine Demonstration mit Freude an tiefen Schallfrequenzen und 12-Tonnern im Schritttempo durch die große Stadt an der Spree, mal der alten Trasse der Love Parade folgend, mal dem Namen nach deren Ursprungsidee aufgreifend.

Ausläufer der Wünsdorfer Waldstadt

Zossen

Zossen ist ein beschauliches Städtchen, das es seinen Besuchern leicht macht – es gibt einen vergleichsweise prächtigen Bahnhof in Innenstadtnähe, großzügige Parkplatzangebote und eine unversperrte Toilette gleich am hübschen Marktplatz. Dazu diverse Gastronomie und ein paar hübsche Cafés, auch ein paar Geschäfte. Ein kleiner, feiner Stadtpark mit Wasserspielen, umrankter Burgruine und einem kleinen Rosengarten liegt zwischen dem Stadtkern und dem verträumten Nottekanal, welcher breit, kajakgeeignet und vermutlich durchwatbar ist.

Vorgeblicher Einzelbaum auf der Wiese

Wer sich Zossen näher, fährt eigentlich von allen Richtungen durch ebenes Land, teils blickfrei, teils von Wäldchen durchbrochen. Die Umgebung des Städtchens ist großflächig von feuchtem Land geprägt und auf den zweiten Blick vielgestaltiger, als man zunächst denken sollte. Es lohnt sich also, immer mal wieder und auch zu verschiedenen Jahreszeiten nach Zossen zu reisen, nicht zuletzt wegen des Nottekanals mit seiner ganz besonderen Stimmung.

Verträumter Nottekanal in Zossen

Neben weiten Schilfflächen spielen auch Weinberge und eine Streuobstwiese eine Rolle, welche zugleich Hutelandschaft mit einem eigentümlichen, bezaubernden Antlitz ist. Doch eins nach dem anderen. Wer mit der Bahn anreist, die von Berlin bzw. Baruth aus stündlich fährt, landet nur eine Minute vom Bahnhofsvorplatz entfernt im Stadtpark und steht sechs Minuten später bereits am Markt – falls man sich nicht unterwegs in Details der Parkanlage verliert.

Rosengarten im Stadtpark, Zossen

Der Marktplatz mit seinem schlängelnden Wasserlauf, den großen Blumenampeln und kleinen Hecken sowie einem tiefen, tiefen Brunnen wird am anderen Ende zur Baruther Straße, streift dann kurz nach der Spielhalle den Dreiecksplatz am Kietz mit der urigen Gaststätte. Beim Blick auf die langen Hinterhöfe ahnt man hinten den Wasserlauf des Schweingrabens, überquert dann den in üppiges Grün romantisch eingekuschelten, stillen Müllergraben und biegt schon bald ab gen Scheunenviertel, das ganz klassisch vor den Toren der Stadt liegt.

Marktplatz in Zosssen

Auf der Straße Weinberge zieht es durchaus leicht in den Waden, vom Spielplatz geht es noch weiter aufwärts bis hin zu einer spannenden kleinen Siedlung aus verschachtelten hochgezogenen Spitzdächern. Zwischen den Häusern ziehen sich erkundungsfreudig Schleichwege und führen alle zu einem Spielplatz.

Müllergraben in der Zossener Vorstadt

Am Ende des Asphalts winkt ein Ortsausgangsschild umgehend in einladende Landschaft, mit Wiesen, Weitblicken und einem Waldeinschlupf voraus. Hinter einer markanten Eiche beginnt eine verspielt wirkende Waldweide mit lose verteilten Waldbäumen, weiter hinten kommen auch die Obstbäume ins Spiel. Diese verweisen auf eine einstige Streuobstwiese, welche sich noch in den Karten finden lässt.

Schöner Ortsausgang, Zossen

Weidetiere sind noch nicht zu entdecken, dafür kommt uns ein hochgewachsener junger Papa mit seinem kniehohen Töchterchen entgegen, das schon eine Weile laufen kann, doch im zuckrigen Sand dennoch zu tun hat. Ein ausgetauschter und erwiderter Gruß per Handwink führt zur neugierigen Körperdrehung, das Gleichgewicht macht sein Ding und das leichte Kind purzelt in den moosgrasweichen Wegesrand. Der Blick bleibt erstaunt und die Augen groß, nichts entgleist, keine Unterlippe kommt ins Zittern. Und dann aufgestanden, gesammelt und weitergestapft, voraus warten schon die nächsten Entdeckungen und ganz hinten auch der wild abgeparkte Sportbuggy.

Streuobstwiese

Die Weidelandschaft öffnet sich, und zwischen klobig eingehausten Obstbäumchen sehen wir sie dann – eine ganze kleine Herde von Buckelrindern, auch Zebu genannt, wie man sie sicher schon in irgendeinem Tierpark gesehen hat. Äußerst entspannte Leute in Farbtönen zwischen champagnerweiß und dunklem Hellbraun. Die meisten pausieren gerade vom Grasen, zeigen sich neugierig genug zum Kopfdrehen, nicht jedoch zum Wechsel in den Stand. Und sehen gleich noch viel entspannter aus. Hinter ihnen erhebt sich ein Höhenzug, was irgendwie passt, da man exotisch anmutende Kuhtiere irgendwie gern einer Bergregion zuordnet.

Zebus auf der Waldweide

Der längliche Bergrücken ist der kleinere von zweien, die relativ unerwartet nebeneinander in der Landschaft stehen. Beide verfügen über Kammpfade und sind so angeordnet, dass man von einem Kamm bestens zum benachbarten rüberwinken kann. Für ein Echo hingegen dürfte es nicht reichen, ein Jodeln wird vermutlich akustisch trocken im märkischen Sand stranden.

Der sanfte Wiesengrund zwischen den länglichen Erhebungen wurde kürzlich gemäht, doch auf den urwüchsig anmutenden Höhenrücken wächst herrlich buntes Kraut in Höhen von knöchelhoch bis hüfthoch. Vielfältig und außerordentlich ungeordnet und gern auch etwas borstig steht hier alles nebeneinander, vieles noch mit Blüten bestückt, und sorgt so für eine erstaunliche Vielfalt und Fülle von Schmetterlingen.

Zossener Alpen, Westkamm

Mit Sandalen an den Füßen und kurzen Hosen wird der Aufstieg so zum Wahrnehmungserlebnis. Der struppige Pfad ist oftmals nicht breiter als ein Bergsteigerknie und jegliches Kraut besteht auf sein Hausrecht, sodass einige Beinarbeit erforderlich wird. Es ist herrlich und schafft direkt etwas mittelgebirgliche Atmosphäre. Unterstützt wird diese noch von der wirklich schönen Aussicht, die sich nach dem Erreichen der Kammhöhe öffnet. Wirklich breit und äußerst weit. Hinter flächigem Wald lassen sich jeweils andere Anhöhen ausmachen, links in der Nähe auch die zwei verschiedenen Siedlungen, deren übereinstimmendes Merkmal die weit hinabgezogenen Dachflächen sind. Und selbstverständlich der Wasserturm und etwas weiter hinten die Kirchturmspitze von Zossen. Erstaunlich, wie weit weg die zu sein scheint.

Aufstiegspfad zum kurzen Kamm (Westkamm)

Die sanft ansteigende Flanke hin zur Waldweide ist anmutig und muss zur höchsten Wiesenblütenzeit nochmal ein Genuss für sich sein. Leider naht schon nach ein paar Minuten der Abstieg, doch es gibt ja noch die etwas größer ausfallende Nachbarhöhe. Zwei Mädels, die heute schon geraume Zeit vor dem Spiegel beschäftigt waren, machen die Runde mit ihren wie gestaucht aussehenden Hunden und sollten mit ihrem eleganten Hosenwerk unbedingt Abstand zu jedem der Pfade hier halten. Was sie auch tun.

Blick hinab in die Ebene nach Zossen

Gleich gegenüber steigt ein urwüchsiger Pfad vergleichweise steil hinauf zu der schönsten Aussichtsbank weit und breit, die gerade frei ist. Die Wiese auf diesem Höhenzug ist weniger anhänglich, geht doch eher so in Richtung Gras und weiche Blumenstengel. Der Himmel da ganz oben ist mit dichten Wolken bezogen, die an ein Steppbett erinnern und dunkler ausfallen, als es das derzeitige Tageslicht vermuten lässt. Weiter oben wird es wieder dichter und die allgegenwärtige Goldrute steht mit gleichhohen Distelgebilden in strauchgroßen Büscheln kurz unterm Kamm. Beider Blütenwerk wird rege angeflogen von kleinen und größeren Bienen und Fliegchen, auch eine Hornisse hat den Weg hierher gefunden, scheint aber noch zu unschlüssig.

Auf dem langen Kamm (Ostkamm)

Direkt am Kammweg ruht ein großer Findling, ein paar Meter weiter findet sich ein weiterer, unterirdischer, von dem nur eine schallplattengroße Glatze herausschaut, als völlig überzogener, vereinzelter Pflasterstein hier oben in den Bergen. Man stellt sich kurz einen polternden Eselskarren vor, hoch beladen mit weichen Ballen und harten Säcken.

Mischbepflanzung am Hinterfeld

Etwas weiter hinten gibt es noch einen weiteren Rastplatz, von dort wieder einen krautigen Abstiegspfad zu einem kleinen Gemenge einladender Wege. Überhaupt sieht man oben von den Spornen in allen Richtungen eine Menge Wege, und alle sind sie einladend und gehenswert. Nur einer ist seit Kurzem etwas breiter gebügelt worden und erscheint darum vergleichsweise sachlich.

Weidevieh in rustikaler Kulisse

Vorbei an einigen leise fauchenden Windrädern wird eine große Weide abgeschritten, vorbei an einer Landschaft aus wogenden Binsen und kugeligen Kiefern, dann durch ein Wäldchen und bald an einem weiteren Verband von Buckelrindern. Die scharen sich hier einen rustikalen Bretterverschlag, der einen Bauwagen umhüllt.

Gefälliger Weg am Hinterfeld

Kurz vor einem ansehnlichen Birkenwäldchen geht man besser nach rechts, denn die reizvolle Erweiterung ein Stück nach Osten birgt auf den entscheidenden Metern vor Erreichen des breiten Töpchiner Weges einige Tücken. Vorher ist zudem ab einer formidablen Wildschweinsuhle, die auch für heranwachsende Saurier ausreichen sollte, ein an sich reizvolles Waldstück zu durchqueren. Doch leider hat sich hier über die letzten drei Jahrzehnte schwer verrottbarer Wendemüll in Form von Margarinebechern und Flaschen verschiedenster Form in großer Breite verteilt, wie das an manchen Stellen in Brandenburg auch nach all den Jahren noch anzutreffen ist. Erstaunlich, welche Größenordnungen an Quark und Margarine die Besatzer anscheinend verputzt oder über Jahre den Müll nicht runtergebracht haben …

Farbe am Wegesrand

Das wäre doch mal ein schöner Anlass für eine via Social Media gestartete Competition, welches Team in 111 Minuten die meisten Müllsäcke prall füllt und bis zum Fahrweg bugsiert. Dem Gewinnerteam winkt eine elfstündige Happy Hour auf Soft- und Supersoftdrinks in der Zossener Spielhalle. Oder so. Und den Zweit- und Drittplatzierten jeweils ein Kasten Bier aus der nächsten regionalen Handwerksbrauerei.

Breiter Töpchiner Weg

Bald nach dem Rechtsabbiegen gibt es willkommenen Waldschatten. Nach dem Überqueren der breiten Trasse beginnt hinter einer Schranke ein grasiger Weg, der von mittelalten Eichen begleitet wird und auf den nächsten Kilometern eine sympathische Vielfalt entwickelt.

Durch den Wald Richtung Wünsdorf

Teilweise verteilen sich die stammdunklen Eichen lose im wegnahen Wald und sind in einer Art Ausdruckstanz erstarrt, teils stehen sie brav in in kurzen Alleepassagen an beiden Wegrändern. Später gibt es Birken und Ginster, hier und da am Boden blüht das Heidekraut und gegenüber ein kleines Feld gelber Blüten. Alles sehr entspannend.

Ginster am Wegesrand

Nach der abschließenden Schranke quert eine verlorene Asphaltstraße, deren südliches Ende in der Waldstadt liegen soll. Ein paar Wohnstraßen später kann die Straße verlassen werden in einen verspielten Pfad, der das Gelände des Bunkerparks umrundet und dabei zunächst an streetartbunten Mauerresten entlangführt, dann als niedriger Hohlweg unter jungem Gebäum verläuft. Immer urwüchsiger wird es, nach Wald folgt hochgewachsenes Wiesengrün, auch hier wieder großzügig mit Goldrute durchsetzt.

Bunte Mauer am Bunkerpark

Nach zaghaften Pflasterspuren ragt am Wiesenrand ein eigenartiges Gebilde auf, einer zu Beton erstarrten Rakete gleichend. Das überhaushohe, spitze Ding hat seinen abweisenden Charakter verloren, denn zum einen ragt es zwischen heranwachsenden Bäumen hervor, zum anderen wird das Betongrau mehr und mehr von dichten grünen Ranken überwuchert.

Markanter Hochbunker bei Wünsdorf

Wünsdorf/Fontanestraße

Gleich danach beginnt ein nördliches Sprengsel der Wünsdorfer Waldstadt. Zwischen den hübschen Häusern stehen lose verstreut die Kiefern, mal einzeln, mal in kleinen Büscheln und selten dicker, als dass man sie nicht allein umfassen könnte. Vor einem zentral wirkenden Gebäude steht etwa lebensgroß die aufgesockelte Statue von Juri Gagarin, dem ersten Typen im Weltraum.

Kerniger Gagarin am China-Restaurant

Der sah eigentlich eher verschmitzt aus, die versilberte Plastik hingegen wirkt wie eine leichte Parodien auf Superheldenfiguren. Die gemeißelten Gesichtszüge und die forsche, verrutschfest gelegte Tolle lassen eine markige Männerstimme vermuten, der ausgeprägte Knackarsch wirkt irgendwie fehl am Platze – so hauteng kann kein Raumanzug gewesen sein – und lässt eher an die Village People denken. Vielleicht aus gutem Grunde fehlt irgendein kommentierendes Schildchen oder ein Name.

Feldweg zur Bahntrasse

Beim Chinesen gleich um die Ecke gibt es nun ein schattiges Plätzchen mit sanftem Wind, dazu was Kühles im Glas und was Heißes auf dem Teller. Der Koch sitzt draußen und ist mit seinem mobilen Endgerät beschäftigt, ohne Lautsprecher an, doch im Dialog mit jemand, der lange Spracheinheiten ohne erwartbaren Satzpunkt bildet. Jede Lücke wird umgehend genutzt, sodass es ab und an und jeweils unerwartet zu gebellten Hauptsätzen vom Nebentisch kommt.

Zwischen Kiefern und Schilf

Weitere Gäste treffen nach betulichem Einparkvorgang ein und bestellen zwei Essen, die mit jeweils mehreren Sonderwünschen bis zur Unkenntlichkeit umgeformt werden. Die Kellnerin bleibt freundlich, lächelt in sich hinein und strahlt dabei chinesische oder vielleicht mongolische Weisheit aus. Wer sich übrigens noch weitere Spitzbunker oder auch den Wasserturm ankieken möchte, wird ganz in der Nähe ohne viel Suchen fündig.

Schilfmeer mit Blüten

Auf der B 96 ist nicht viel los, die Fußgängerampel ist dennoch willkommen. Nach dem Tierheim quert ein ruhiger Feldweg, doch auch der kaum sichtbare Pfad quer über die frisch abgemähte, würzig duftende Wiese ist einladend. Doch auf dem Weg gibt es erfrischenden Wind von vorn, denn der Tag hat mittlerweile doch hochgeheizt und in der Siedlung stand die Luft fast still. Die Landschaft setzt sich aus kleinen und größeren Waldstücken, freiem Feld und weiten Wiesen zusammen und erscheint abgeschieden und ruhig. Daher erstaunt es, als hundert Meter voraus aus dem Nichts ein Regionalzug vorbeitrödelt, fast ohne Geräusch.

Wiese nach der Mahd

Nach einem Bogen ist die Wiese dann satt grün und voll mit den krautigen Blumen des Spätsommers, welche von Bienen und Schmetterlingen jetzt besonders gern besucht werden. Zur Linken erstreckt sich eine große, wild-verwunschene Schilffläche, über und über gesprenkelt von den weißen Blüten der Winden, während gleich rechts des Weges wieder kugelige Kiefern stehen. Nach einem Wiesenpfad folgt ein bodenklammes Waldstück mit kunstvollen Altweibernetzen im Unterholz, dann ein kurviger Weg über die Wiesen und Weiden.

Schnellzug nach Prag

Ein rundkroniger, markanter Einzelbaum, der wahrscheinlich doch eher drei Bäume ist, lädt zur Wiederkehr zu den anderen drei Jahreszeiten ein und hinten in der Wiesenbucht beim Schilf, wo gerade drei verschwiegene Kraniche abheben, hat eine Herde Heurollen ihren Platz für die nächsten Wochen gefunden. Ebenfalls hinten passiert jetzt im selben Trödeltempo ein wunderschön blauer Zug, dass muss wohl der Intercity von Prag nach Hamburg sein. Nur wenig später folgt noch der von Hamburg nach Prag, auch im Lindenbergmodus.

Pfad am Nottekanal

Beim querenden Weg zum Siedlungsprengsel Schäferei besteht theoretisch eine Option nach links, doch leider fehlt an der entscheidenden Stelle ein halbwegs offizieller Bahnübergang. Sollte man einmal aus Richtung Mellensee an diese Stelle kommen, lässt sich von dort einem wettergegerbten Plattenweg durch die Wiese folgen, dann im Baumschatten ein uriges Feuchtgebiet mit kleinem Weiher durchqueren und zuletzt am Nottekanal einem hübschen Pfad folgen, der bis zum kleinen Paddlerhafen kurz vor dem Zossener Stadtpark reicht. Am besten gleich eine Notiz hinterm Ohr anbringen!

Kleiner Paddlerhafen in Zossen

Schäferei

Wer Schafe sucht, wird Pferde finden, denn ein gutes Maß der Bewegung in der Siedlung rührt vom Reiterhof bzw. der Pferdepension her. Dementsprechend sind fast immer irgendwo Zöpfe oder manchmal auch die Farbe Rosa zu entdecken, doch auch ernst dreinblickende Damen in festen Stiefeln.

Rosengarten im Stadtpark

Die lose bebaumte Allee nach Zossen ist mäßig befahren und wird von Grundstücken begleitet. Bürgersteige gibt es auf beiden Seiten, sodass für die fünfhundert Meter bis zum dreieckigen Kietz wahlweise die Schatten- oder Sonnenseite gewählt werden kann. Vom Kietz sind es nur Minuten zum Markt, ein paar mehr zum Stadtpark und nochmal zwei zum kleinen Steg am Nottekanal. Allesamt schöne Orte, um ein angenehmes Plätzchen zu finden, den Tag ausklingen zu lassen und dann zu horchen, welche Zeit der nächste Schlag der Kirchturmuhr verkündet.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
Regionalbahn von Hauptbahnhof oder Südkreuz (ca. 45 Min.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über Landstraße oder Autobahn (ca. 1-1,25 Std.)

Länge der Tour: ca. 15 km, Abkürzungen mehrfach möglich


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

 

Links:

(folgt in Kürze)

 

Einkehr: div. Möglichkeiten in Zossen
Peking-Garten im nördlichen Wünsdorf (direkt am Weg)