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Zossen: Grüne Spitzen, Buckelrinder und der versilberte Juri

Es duftet schon hier und da nach dem kruschligen Laub, das der immerwährende Wind mehr oder weniger behende durch die Landschaft oder die Straßenfluchten scheucht, in sonnenheißen Parks auch gern als kleine Wirbel, die scheinbar vom Fleck kommen wollen, es aber nicht hinbekommen. Letztlich liegt das Laub dann wieder da, wo es vorher auch lag, nur die einzelnen Blätter wurden vertauscht.

Zossener Alpenhang

Viele wird das leicht wehmütig stimmen nach diesem Prachtstück von einem Sommer, über den bis hierher eigentlich niemand so richtig meckern kann. Nach einigen Startschwierigkeiten traf er schon bald den richtigen Ton und verwöhnte alle Sonnenanbeter mit reichlich Licht und Wärme auf der Haut, andere mit dem stets präsenten Wind, dank dem man es an schattigen Plätzchen oder unter selbstbewusst getragenen Hüten von Sombrero-Format auch an den heißesten Tagen gut aushalten konnte unter freiem Himmel.

Zebus auf der Weide

Neben den säuselnden Blätterscharen am Boden und ersten bunten Blättern oben in den Baumkronen gibt der ausgehende August wie in jedem Jahr wieder eine schöne Vorschau auf dieses warme, leicht nostalgische Licht des späten Nachmittags, welches die leichte Temperaturabkühlung zum Abend ankündigt. Die ist jetzt an einzelnen Tagen tatsächlich schon zu merken.

Auf dem langen Kamm, bei Zossen

Die verschiedenen Schwarmvögel mit Zugabsichten sind noch unentschlossen, verhalten sich meistenteils zurückhaltend. Die Schwarzen mit den großen Schnäbeln hingegen sehen ihre Zeit nahen und krächzen ihre klagenden Misstöne schon etwas lauter heraus. Mancher Apfelbaum schiebt neben prallen Früchten noch eine spätsommerliche Blütengeneration heraus, deren Klassenstärke jedoch eher winzig ausfällt. Ähnliches lässt sich beim Wein beobachten, was von den Bienen dankbar quittiert wird.

Hochbunker bei Wünsdorf

Auf dem Land und auch in der Stadt ist es noch vergleichsweise leer, viele Einheimische sind ausgeflogen und kosten die schönen Tage bis zuallerallerletzt aus, unter zeitweiliger Ausblendung aller globalen Sorgenfalten. Ab und an dröhnt eine Demonstration mit Freude an tiefen Schallfrequenzen und 12-Tonnern im Schritttempo durch die große Stadt an der Spree, mal der alten Trasse der Love Parade folgend, mal dem Namen nach deren Ursprungsidee aufgreifend.

Ausläufer der Wünsdorfer Waldstadt

Zossen

Zossen ist ein beschauliches Städtchen, das es seinen Besuchern leicht macht – es gibt einen vergleichsweise prächtigen Bahnhof in Innenstadtnähe, großzügige Parkplatzangebote und eine unversperrte Toilette gleich am hübschen Marktplatz. Dazu diverse Gastronomie und ein paar hübsche Cafés, auch ein paar Geschäfte. Ein kleiner, feiner Stadtpark mit Wasserspielen, umrankter Burgruine und einem kleinen Rosengarten liegt zwischen dem Stadtkern und dem verträumten Nottekanal, welcher breit, kajakgeeignet und vermutlich durchwatbar ist.

Vorgeblicher Einzelbaum auf der Wiese

Wer sich Zossen näher, fährt eigentlich von allen Richtungen durch ebenes Land, teils blickfrei, teils von Wäldchen durchbrochen. Die Umgebung des Städtchens ist großflächig von feuchtem Land geprägt und auf den zweiten Blick vielgestaltiger, als man zunächst denken sollte. Es lohnt sich also, immer mal wieder und auch zu verschiedenen Jahreszeiten nach Zossen zu reisen, nicht zuletzt wegen des Nottekanals mit seiner ganz besonderen Stimmung.

Verträumter Nottekanal in Zossen

Neben weiten Schilfflächen spielen auch Weinberge und eine Streuobstwiese eine Rolle, welche zugleich Hutelandschaft mit einem eigentümlichen, bezaubernden Antlitz ist. Doch eins nach dem anderen. Wer mit der Bahn anreist, die von Berlin bzw. Baruth aus stündlich fährt, landet nur eine Minute vom Bahnhofsvorplatz entfernt im Stadtpark und steht sechs Minuten später bereits am Markt – falls man sich nicht unterwegs in Details der Parkanlage verliert.

Rosengarten im Stadtpark, Zossen

Der Marktplatz mit seinem schlängelnden Wasserlauf, den großen Blumenampeln und kleinen Hecken sowie einem tiefen, tiefen Brunnen wird am anderen Ende zur Baruther Straße, streift dann kurz nach der Spielhalle den Dreiecksplatz am Kietz mit der urigen Gaststätte. Beim Blick auf die langen Hinterhöfe ahnt man hinten den Wasserlauf des Schweingrabens, überquert dann den in üppiges Grün romantisch eingekuschelten, stillen Müllergraben und biegt schon bald ab gen Scheunenviertel, das ganz klassisch vor den Toren der Stadt liegt.

Marktplatz in Zosssen

Auf der Straße Weinberge zieht es durchaus leicht in den Waden, vom Spielplatz geht es noch weiter aufwärts bis hin zu einer spannenden kleinen Siedlung aus verschachtelten hochgezogenen Spitzdächern. Zwischen den Häusern ziehen sich erkundungsfreudig Schleichwege und führen alle zu einem Spielplatz.

Müllergraben in der Zossener Vorstadt

Am Ende des Asphalts winkt ein Ortsausgangsschild umgehend in einladende Landschaft, mit Wiesen, Weitblicken und einem Waldeinschlupf voraus. Hinter einer markanten Eiche beginnt eine verspielt wirkende Waldweide mit lose verteilten Waldbäumen, weiter hinten kommen auch die Obstbäume ins Spiel. Diese verweisen auf eine einstige Streuobstwiese, welche sich noch in den Karten finden lässt.

Schöner Ortsausgang, Zossen

Weidetiere sind noch nicht zu entdecken, dafür kommt uns ein hochgewachsener junger Papa mit seinem kniehohen Töchterchen entgegen, das schon eine Weile laufen kann, doch im zuckrigen Sand dennoch zu tun hat. Ein ausgetauschter und erwiderter Gruß per Handwink führt zur neugierigen Körperdrehung, das Gleichgewicht macht sein Ding und das leichte Kind purzelt in den moosgrasweichen Wegesrand. Der Blick bleibt erstaunt und die Augen groß, nichts entgleist, keine Unterlippe kommt ins Zittern. Und dann aufgestanden, gesammelt und weitergestapft, voraus warten schon die nächsten Entdeckungen und ganz hinten auch der wild abgeparkte Sportbuggy.

Streuobstwiese

Die Weidelandschaft öffnet sich, und zwischen klobig eingehausten Obstbäumchen sehen wir sie dann – eine ganze kleine Herde von Buckelrindern, auch Zebu genannt, wie man sie sicher schon in irgendeinem Tierpark gesehen hat. Äußerst entspannte Leute in Farbtönen zwischen champagnerweiß und dunklem Hellbraun. Die meisten pausieren gerade vom Grasen, zeigen sich neugierig genug zum Kopfdrehen, nicht jedoch zum Wechsel in den Stand. Und sehen gleich noch viel entspannter aus. Hinter ihnen erhebt sich ein Höhenzug, was irgendwie passt, da man exotisch anmutende Kuhtiere irgendwie gern einer Bergregion zuordnet.

Zebus auf der Waldweide

Der längliche Bergrücken ist der kleinere von zweien, die relativ unerwartet nebeneinander in der Landschaft stehen. Beide verfügen über Kammpfade und sind so angeordnet, dass man von einem Kamm bestens zum benachbarten rüberwinken kann. Für ein Echo hingegen dürfte es nicht reichen, ein Jodeln wird vermutlich akustisch trocken im märkischen Sand stranden.

Der sanfte Wiesengrund zwischen den länglichen Erhebungen wurde kürzlich gemäht, doch auf den urwüchsig anmutenden Höhenrücken wächst herrlich buntes Kraut in Höhen von knöchelhoch bis hüfthoch. Vielfältig und außerordentlich ungeordnet und gern auch etwas borstig steht hier alles nebeneinander, vieles noch mit Blüten bestückt, und sorgt so für eine erstaunliche Vielfalt und Fülle von Schmetterlingen.

Zossener Alpen, Westkamm

Mit Sandalen an den Füßen und kurzen Hosen wird der Aufstieg so zum Wahrnehmungserlebnis. Der struppige Pfad ist oftmals nicht breiter als ein Bergsteigerknie und jegliches Kraut besteht auf sein Hausrecht, sodass einige Beinarbeit erforderlich wird. Es ist herrlich und schafft direkt etwas mittelgebirgliche Atmosphäre. Unterstützt wird diese noch von der wirklich schönen Aussicht, die sich nach dem Erreichen der Kammhöhe öffnet. Wirklich breit und äußerst weit. Hinter flächigem Wald lassen sich jeweils andere Anhöhen ausmachen, links in der Nähe auch die zwei verschiedenen Siedlungen, deren übereinstimmendes Merkmal die weit hinabgezogenen Dachflächen sind. Und selbstverständlich der Wasserturm und etwas weiter hinten die Kirchturmspitze von Zossen. Erstaunlich, wie weit weg die zu sein scheint.

Aufstiegspfad zum kurzen Kamm (Westkamm)

Die sanft ansteigende Flanke hin zur Waldweide ist anmutig und muss zur höchsten Wiesenblütenzeit nochmal ein Genuss für sich sein. Leider naht schon nach ein paar Minuten der Abstieg, doch es gibt ja noch die etwas größer ausfallende Nachbarhöhe. Zwei Mädels, die heute schon geraume Zeit vor dem Spiegel beschäftigt waren, machen die Runde mit ihren wie gestaucht aussehenden Hunden und sollten mit ihrem eleganten Hosenwerk unbedingt Abstand zu jedem der Pfade hier halten. Was sie auch tun.

Blick hinab in die Ebene nach Zossen

Gleich gegenüber steigt ein urwüchsiger Pfad vergleichweise steil hinauf zu der schönsten Aussichtsbank weit und breit, die gerade frei ist. Die Wiese auf diesem Höhenzug ist weniger anhänglich, geht doch eher so in Richtung Gras und weiche Blumenstengel. Der Himmel da ganz oben ist mit dichten Wolken bezogen, die an ein Steppbett erinnern und dunkler ausfallen, als es das derzeitige Tageslicht vermuten lässt. Weiter oben wird es wieder dichter und die allgegenwärtige Goldrute steht mit gleichhohen Distelgebilden in strauchgroßen Büscheln kurz unterm Kamm. Beider Blütenwerk wird rege angeflogen von kleinen und größeren Bienen und Fliegchen, auch eine Hornisse hat den Weg hierher gefunden, scheint aber noch zu unschlüssig.

Auf dem langen Kamm (Ostkamm)

Direkt am Kammweg ruht ein großer Findling, ein paar Meter weiter findet sich ein weiterer, unterirdischer, von dem nur eine schallplattengroße Glatze herausschaut, als völlig überzogener, vereinzelter Pflasterstein hier oben in den Bergen. Man stellt sich kurz einen polternden Eselskarren vor, hoch beladen mit weichen Ballen und harten Säcken.

Mischbepflanzung am Hinterfeld

Etwas weiter hinten gibt es noch einen weiteren Rastplatz, von dort wieder einen krautigen Abstiegspfad zu einem kleinen Gemenge einladender Wege. Überhaupt sieht man oben von den Spornen in allen Richtungen eine Menge Wege, und alle sind sie einladend und gehenswert. Nur einer ist seit Kurzem etwas breiter gebügelt worden und erscheint darum vergleichsweise sachlich.

Weidevieh in rustikaler Kulisse

Vorbei an einigen leise fauchenden Windrädern wird eine große Weide abgeschritten, vorbei an einer Landschaft aus wogenden Binsen und kugeligen Kiefern, dann durch ein Wäldchen und bald an einem weiteren Verband von Buckelrindern. Die scharen sich hier einen rustikalen Bretterverschlag, der einen Bauwagen umhüllt.

Gefälliger Weg am Hinterfeld

Kurz vor einem ansehnlichen Birkenwäldchen geht man besser nach rechts, denn die reizvolle Erweiterung ein Stück nach Osten birgt auf den entscheidenden Metern vor Erreichen des breiten Töpchiner Weges einige Tücken. Vorher ist zudem ab einer formidablen Wildschweinsuhle, die auch für heranwachsende Saurier ausreichen sollte, ein an sich reizvolles Waldstück zu durchqueren. Doch leider hat sich hier über die letzten drei Jahrzehnte schwer verrottbarer Wendemüll in Form von Margarinebechern und Flaschen verschiedenster Form in großer Breite verteilt, wie das an manchen Stellen in Brandenburg auch nach all den Jahren noch anzutreffen ist. Erstaunlich, welche Größenordnungen an Quark und Margarine die Besatzer anscheinend verputzt oder über Jahre den Müll nicht runtergebracht haben …

Farbe am Wegesrand

Das wäre doch mal ein schöner Anlass für eine via Social Media gestartete Competition, welches Team in 111 Minuten die meisten Müllsäcke prall füllt und bis zum Fahrweg bugsiert. Dem Gewinnerteam winkt eine elfstündige Happy Hour auf Soft- und Supersoftdrinks in der Zossener Spielhalle. Oder so. Und den Zweit- und Drittplatzierten jeweils ein Kasten Bier aus der nächsten regionalen Handwerksbrauerei.

Breiter Töpchiner Weg

Bald nach dem Rechtsabbiegen gibt es willkommenen Waldschatten. Nach dem Überqueren der breiten Trasse beginnt hinter einer Schranke ein grasiger Weg, der von mittelalten Eichen begleitet wird und auf den nächsten Kilometern eine sympathische Vielfalt entwickelt.

Durch den Wald Richtung Wünsdorf

Teilweise verteilen sich die stammdunklen Eichen lose im wegnahen Wald und sind in einer Art Ausdruckstanz erstarrt, teils stehen sie brav in in kurzen Alleepassagen an beiden Wegrändern. Später gibt es Birken und Ginster, hier und da am Boden blüht das Heidekraut und gegenüber ein kleines Feld gelber Blüten. Alles sehr entspannend.

Ginster am Wegesrand

Nach der abschließenden Schranke quert eine verlorene Asphaltstraße, deren südliches Ende in der Waldstadt liegen soll. Ein paar Wohnstraßen später kann die Straße verlassen werden in einen verspielten Pfad, der das Gelände des Bunkerparks umrundet und dabei zunächst an streetartbunten Mauerresten entlangführt, dann als niedriger Hohlweg unter jungem Gebäum verläuft. Immer urwüchsiger wird es, nach Wald folgt hochgewachsenes Wiesengrün, auch hier wieder großzügig mit Goldrute durchsetzt.

Bunte Mauer am Bunkerpark

Nach zaghaften Pflasterspuren ragt am Wiesenrand ein eigenartiges Gebilde auf, einer zu Beton erstarrten Rakete gleichend. Das überhaushohe, spitze Ding hat seinen abweisenden Charakter verloren, denn zum einen ragt es zwischen heranwachsenden Bäumen hervor, zum anderen wird das Betongrau mehr und mehr von dichten grünen Ranken überwuchert.

Markanter Hochbunker bei Wünsdorf

Wünsdorf/Fontanestraße

Gleich danach beginnt ein nördliches Sprengsel der Wünsdorfer Waldstadt. Zwischen den hübschen Häusern stehen lose verstreut die Kiefern, mal einzeln, mal in kleinen Büscheln und selten dicker, als dass man sie nicht allein umfassen könnte. Vor einem zentral wirkenden Gebäude steht etwa lebensgroß die aufgesockelte Statue von Juri Gagarin, dem ersten Typen im Weltraum.

Kerniger Gagarin am China-Restaurant

Der sah eigentlich eher verschmitzt aus, die versilberte Plastik hingegen wirkt wie eine leichte Parodien auf Superheldenfiguren. Die gemeißelten Gesichtszüge und die forsche, verrutschfest gelegte Tolle lassen eine markige Männerstimme vermuten, der ausgeprägte Knackarsch wirkt irgendwie fehl am Platze – so hauteng kann kein Raumanzug gewesen sein – und lässt eher an die Village People denken. Vielleicht aus gutem Grunde fehlt irgendein kommentierendes Schildchen oder ein Name.

Feldweg zur Bahntrasse

Beim Chinesen gleich um die Ecke gibt es nun ein schattiges Plätzchen mit sanftem Wind, dazu was Kühles im Glas und was Heißes auf dem Teller. Der Koch sitzt draußen und ist mit seinem mobilen Endgerät beschäftigt, ohne Lautsprecher an, doch im Dialog mit jemand, der lange Spracheinheiten ohne erwartbaren Satzpunkt bildet. Jede Lücke wird umgehend genutzt, sodass es ab und an und jeweils unerwartet zu gebellten Hauptsätzen vom Nebentisch kommt.

Zwischen Kiefern und Schilf

Weitere Gäste treffen nach betulichem Einparkvorgang ein und bestellen zwei Essen, die mit jeweils mehreren Sonderwünschen bis zur Unkenntlichkeit umgeformt werden. Die Kellnerin bleibt freundlich, lächelt in sich hinein und strahlt dabei chinesische oder vielleicht mongolische Weisheit aus. Wer sich übrigens noch weitere Spitzbunker oder auch den Wasserturm ankieken möchte, wird ganz in der Nähe ohne viel Suchen fündig.

Schilfmeer mit Blüten

Auf der B 96 ist nicht viel los, die Fußgängerampel ist dennoch willkommen. Nach dem Tierheim quert ein ruhiger Feldweg, doch auch der kaum sichtbare Pfad quer über die frisch abgemähte, würzig duftende Wiese ist einladend. Doch auf dem Weg gibt es erfrischenden Wind von vorn, denn der Tag hat mittlerweile doch hochgeheizt und in der Siedlung stand die Luft fast still. Die Landschaft setzt sich aus kleinen und größeren Waldstücken, freiem Feld und weiten Wiesen zusammen und erscheint abgeschieden und ruhig. Daher erstaunt es, als hundert Meter voraus aus dem Nichts ein Regionalzug vorbeitrödelt, fast ohne Geräusch.

Wiese nach der Mahd

Nach einem Bogen ist die Wiese dann satt grün und voll mit den krautigen Blumen des Spätsommers, welche von Bienen und Schmetterlingen jetzt besonders gern besucht werden. Zur Linken erstreckt sich eine große, wild-verwunschene Schilffläche, über und über gesprenkelt von den weißen Blüten der Winden, während gleich rechts des Weges wieder kugelige Kiefern stehen. Nach einem Wiesenpfad folgt ein bodenklammes Waldstück mit kunstvollen Altweibernetzen im Unterholz, dann ein kurviger Weg über die Wiesen und Weiden.

Schnellzug nach Prag

Ein rundkroniger, markanter Einzelbaum, der wahrscheinlich doch eher drei Bäume ist, lädt zur Wiederkehr zu den anderen drei Jahreszeiten ein und hinten in der Wiesenbucht beim Schilf, wo gerade drei verschwiegene Kraniche abheben, hat eine Herde Heurollen ihren Platz für die nächsten Wochen gefunden. Ebenfalls hinten passiert jetzt im selben Trödeltempo ein wunderschön blauer Zug, dass muss wohl der Intercity von Prag nach Hamburg sein. Nur wenig später folgt noch der von Hamburg nach Prag, auch im Lindenbergmodus.

Pfad am Nottekanal

Beim querenden Weg zum Siedlungsprengsel Schäferei besteht theoretisch eine Option nach links, doch leider fehlt an der entscheidenden Stelle ein halbwegs offizieller Bahnübergang. Sollte man einmal aus Richtung Mellensee an diese Stelle kommen, lässt sich von dort einem wettergegerbten Plattenweg durch die Wiese folgen, dann im Baumschatten ein uriges Feuchtgebiet mit kleinem Weiher durchqueren und zuletzt am Nottekanal einem hübschen Pfad folgen, der bis zum kleinen Paddlerhafen kurz vor dem Zossener Stadtpark reicht. Am besten gleich eine Notiz hinterm Ohr anbringen!

Kleiner Paddlerhafen in Zossen

Schäferei

Wer Schafe sucht, wird Pferde finden, denn ein gutes Maß der Bewegung in der Siedlung rührt vom Reiterhof bzw. der Pferdepension her. Dementsprechend sind fast immer irgendwo Zöpfe oder manchmal auch die Farbe Rosa zu entdecken, doch auch ernst dreinblickende Damen in festen Stiefeln.

Rosengarten im Stadtpark

Die lose bebaumte Allee nach Zossen ist mäßig befahren und wird von Grundstücken begleitet. Bürgersteige gibt es auf beiden Seiten, sodass für die fünfhundert Meter bis zum dreieckigen Kietz wahlweise die Schatten- oder Sonnenseite gewählt werden kann. Vom Kietz sind es nur Minuten zum Markt, ein paar mehr zum Stadtpark und nochmal zwei zum kleinen Steg am Nottekanal. Allesamt schöne Orte, um ein angenehmes Plätzchen zu finden, den Tag ausklingen zu lassen und dann zu horchen, welche Zeit der nächste Schlag der Kirchturmuhr verkündet.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
Regionalbahn von Hauptbahnhof oder Südkreuz (ca. 45 Min.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über Landstraße oder Autobahn (ca. 1-1,25 Std.)

Länge der Tour: ca. 15 km, Abkürzungen mehrfach möglich


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

 

Links:

(folgt in Kürze)

 

Einkehr: div. Möglichkeiten in Zossen
Peking-Garten im nördlichen Wünsdorf (direkt am Weg)

Bad Freienwalde: Rote Kronen, pfundige Blüten und der Kamin im Schafstall

Der Sommer war nass, der Sommer war kalt, der Sommer war auch heiß und trocken und lang, doch jetzt schleichen sich nach und nach die alten Weiber in die Szenerie. Wehende Weben segeln durch den Wald, die man erst sieht, wenn man sie schon fühlen durfte. Allerhand Früchte wie Eicheln, Bucheckern und erste Kastanien liegen schon am Boden und verleiten Verspielte zum Zickzackgang, um ein paar davon per Sohle aufzuknacken.

Nicht der schlechteste Platz – am Papenteich in Bad Freienwalde

Die Bahn der Sonne hängt insgesamt schon tiefer, in der Folge sieht man in den gemäßigten Randzeiten des Tages dieses unvergleichliche Licht, das zu den Grundqualifikationen des September-Monats zählt. Warm, wohlig, auch etwas nostalgisch – und mit der Bekräftigung der soliden Tatsache, dass die Gluthitze nach heißen Tagen schon etwas früher gebremst wird. Bedauerlich für Sonnenanbeter, besänftigend für Leute, die Spätsommer und Frühherbst genießerisch entgegenblicken.

Waldgaststätte an der Alten Köhlerei

Die Botanik ist allerorten noch in ihrer Üppigkeit zu bestaunen, Vögel hingegen sind kaum noch zu hören. Nur hier und dort wittern schon Eichelhäher und gefiederte Schwarzkittel etwas Morgenluft und krächzen ihren Anspruch auf übernächste Monate in die Waldesstille. An vielen dieser brütend heißen Tage steht die Luft unbewegt, doch zwischendurch gibt es immer wieder solche, wo ein leichter, wohltuender Wind durch Sonnenblumen-Felder oder Waldbäume streicht und jegliches Laub leise rauschen lässt. Mehr und mehr finden sich bunte Flecken in den Kronen, einiges Laub sammelt sich auch schon am Boden und kruschelt unter den Sohlen.

Vor den östlichen Bergen bei Altranft

Wer an solchen Tagen den Halbschatten sucht und zugleich die Seele streicheln will, weil das Leben manchmal ganz schön teigig sein kann, ist rund um Bad Freienwalde gut aufgehoben. Zwar kommt man hier an vielen Stellen durch attraktiv servierte Höhenmeter ebenso ins Schwitzen, doch das ist selbstgewählt und per Aufstiegstempo regulierbar. Die beiden Höhenzüge, östlich nach Falkenberg, westlich nach Altranft, lösen ohne Kompromisse die Versprechungen von Mittelgebirgsstimmung ein, welche der Märkische Bergwanderpark vielerorts verheißt.

Deichweg am Freienwalder Landgraben

Diese noch recht junge Geschichte ist nicht nur bloßes Marketing, um dem Bad vor Freienwalde eine weitere Berechtigung zu liefern. Vielmehr stecken neben beständigem Mobiliar und bester Ausschilderung viel Herzblut, Ideenreichtum und auch eine Prise Humor darin. Dass man neben all den Pfaden, Talscharten und Aussichtspunkten, den steilen Stiegen, Aussichtstürmen und abgeschiedenen Kammwegen auch eine zünftige Baude nicht missen muss, war am heutigen Tag eine willkommene Erkenntnis, ein wunderbarer Neuzugang in der inneren Datenbank der Einkehrorte.

Bad Freienwalde

Bad Freienwalde ist auch so ein Ort, wo altgediente Wegesammler meinen, die meisten Wege schon gegangen zu sein, zumal einer, wo es einen immer wieder hinzieht, und nicht zuletzt eines der Kronjuwelen unter den märkischen Landschaften. Auch an dieser Stelle wieder einen innigen Dank an die letzte Eiszeit!

Im Villenviertel, Bad Freienwalde

Keine zehn Kilometer liegen zwischen Falkenberg und Altranft. Doch in diesem kleinen Waldgebiet von teils dramatischem Relief lassen sich, insbesondere unter Einbindung des flachen, oderzugewandten Vorlandes und des immer wieder überraschenden Stadtgebiets, so viele Spaziertage der besonderen Art finden, dass häufiges Wiederkehren kein Problem ist.

Vom Bahnhof aus fällt vor dem Hang schon die Kirche in den Blick, von der es wiederum nicht weit ist zum Schlosspark. Der ist wegen mitgenommenen Baumbestandes immer noch zu großen Teilen abgesperrt, doch vorbei an der Schlosshöhe ist in wenigen Minuten der Sowjetische Soldatenfriedhof an der Berliner Straße erreicht.

Zaunpfähle in der August-Heese-Straße

Schräg gegenüber links kommt man vom großen Stadtparkplatz zu einer steilen Treppe, landet kurz darauf am höchsten Punkt bei einem eindrucksvollen Mahnmal und steigt sogleich wieder ab zu den Wohnhäusern. Wer sich im Angesicht zahlreicher zu erwartender Aufstiege noch etwas schonen möchte, geht schräg gegenüber rechts zur August-Heese-Straße, die von bemerkenswerten und bemerkenswert schönen Villen und Grundstücken gesäumt ist. Der wilde Wein leuchtet schon in seinem deftigen Rot.

Auch hier ist der Aufstieg spürbar, zugleich gibt es viel zu gucken und eine Ahnung, wie mondän es hier einmal zuging. Unvermittelt endet die Straße, kurz hängt ein Fragezeichen über der Stirn, doch tatsächlich geht es hier weiter. Erst ganz zuletzt zeigt sich der Einschlupf in einen dieser guten alten Abstiegswege, die entlang wettergegerbter Eisengeländer durch eine Geländescharte führen. Erst auf langen, dann steiler auf kurzen Stufen geht es schnell tiefer.

Stiege hinab zum Kurpark

Kurpark

Eine weitere Stiege stößt von rechts hinzu, und kurz darauf steht man vor dem winzig kleinen Kurpark, der bei nahezu jedem Besuch sehr stimmungsvoll ist. So auch heute. Rechts steht das mondäne Gebäude des Kurmittelhauses, auf der anderen Seite wie immer im rechten Licht die ebenso mondäne Villa Papenmühle. Die bräuchte für ihre einzigartige Ausstrahlung nicht den spiegelnden Weiher und die wehenden Vorhänge der Trauerweide, doch sind sie nun einmal da und werden wohl jeden mit einer Art von Kamera zum Zücken veranlassen.

Auch das gefällige Gebäude direkt vor dem modernen Klinikbau passt in diese Kategorie, mit großer Terrasse und einem schnieken Park mit Theatermuschel im Hinterhof. Rechts liegt jemand Jüngeres lang ausgestreckt auf der Wiese und zählt das Blau am Himmel, links lümmelt jemand Älteres auf seinem Rollator und beweist damit, dass das geht.

Septemberlicht im Kurpark

Beim Umrunden des Kurparks kommt man von der Brücke am Papenteich zum Fürstensteig. Direkt am Waldrand wird dieser von einem Bächlein begleitet, das hier noch keine 500 Meter alt ist. Eine erste Stiege lockt mit steilen Stufen hinauf, in Richtung Siebenhügelweg. Doch wir wollen das schöne Brunnental, das seit jeher ohne Bach auskommt, zumindest kurz berühren.

Haus Papenmühle hinterm Papenteich

Brunnental

Auch gilt es zu prüfen, ob wir es schaffen, den schönen Talweg zu verlassen, dem man über Stunden folgen könnte – erst vor Rädikow verlässt er an einem Rastplatz den Wald. Kurz gesagt: es klappt. Vorher bleiben wir gegenüber der Kurfürstenquelle noch kurz am Barfußpfad und dem Spielplatz für Erwachsene hängen, freilich ohne uns in eine der wetterfesten Stallagen zu hängen und das Duracell-Häschen zu geben. Es ist schlichtweg zu heiß, wir sind ganz klar zu träge, und verbrannt wird ja heute im Auf und Ab noch genug.

Märkischer Bergwanderpark – Aufstieg zur Kapelle

Nach nur wenigen Metern weisen Schilder nach links, wo auch gleich eine sagenhafte Stiege beginnt. Steile Stufen, von klobigen Bohlen gehalten, führen in immer neuen Windungen in die Höhe, Halt für die rechte Hand bietet bis zuletzt ein extradickes Tau, das unterwegs nach links wechselt.

Kapelle überm Brunnental

Kapelle

Nach der letzten Stufe erreicht man eine einwandige Kapelle, die auch als pittoreske Ruine irgendwo oberhalb von Sanssouci rumstehen könnte. In den Mauersteinen, welche die Aussicht nach Norden rahmen, finden sich unzählige eingeritzte Namen – mal mit eiligem Nagel und ohne Fingerkraft hingekritzelt, mal fast schon professionell gesteinmetzt. Dieser Ort ist ein schöner, direkter Lohn für den knackigen Aufstieg aus dem Brunnental.

Schattiger Höhenweg überm Brunnental

Ein weiterer Lohn ist der anschließende Höhenweg, der ein schönes Stück oberhalb des Tales läuft, ohne dabei viel von der erklommenen Höhe herzugeben. Links stehen seltsamerweise mitten im Wald vereinzelte Menschen herum, was sich kurz darauf durch den Waldfriedhof Eichenhain erklärt. Der wäre ohne die Schilder kaum zu bemerken, markant sind ferner die Pausenbänke mit winzigem Unterstelldach daneben. Ob das wirklich als notdürftiger Regenschutz gedacht ist, sei dahingestellt. Zur Rechten steigt der Hang steil an, der Weg wird nun gediegener.

An der Alten Köhlerei

Alte Köhlerei

Am nächsten Abzweig wagen wir einen kleinen Abstecher zur Alten Köhlerei, wo einen umgehend der herrliche große Spielplatz mit tollen Gerätschaften und hinreißenden Holzfiguren gefangen nimmt. Doch weiter hinten gibt es, was noch willkommener ist, ein Blockhaus mit großer Essenluke, wo rund ums Jahr wohlschmeckende und ansehnliche Energie sowohl für großes Besteck als auch für Kuchengabeln durchgereicht wird, nur montags und dienstags bleibt die Luke dicht. Den Service betreiben die Stephanus-Werkstätten, und so erfolgt die freundliche Bedienung hier keinesfalls von der Stange.

In der Waldgaststätte Alte Köhlerei

Für wärmere Monate gibt es sehr schöne Außenanlagen, dabei neben mehreren gemütlichen Holz-Pavillonen auch einen großen überdachten Bereich in Gestalt eines Schafstalls, der nach zwei Seiten winddicht ist und sogar über einen wuchtigen Kamin verfügt.

Für kältere Zeiten findet sich direkt neben der Küche ein großer Raum, der sich kaum hinter einer gemütlichen Baude im nächstgelegenen Mittelgebirge verstecken muss – groß und rustikal, mit Wagenrad-Kronenleuchtern und auch hier einem angemessen dimensionierten Kamin. Da freut man sich jetzt schon auf einen Besuch Ende November!

Oben in den Wäldern

Wir sind gerade die einzigen Gäste und genießen die Waldesstille in der hohen Lage. Während des Nachtisches füllt es sich dann langsam und liefert im gut vernehmbaren Theken-Schnack gleich noch die Erklärung, warum es heute so leer ist: unten im Tal ist Altstadtfest, seit gestern schon und zum ersten Mal nach dreijähriger Pause. Und das wird so richtig gefeiert, mit Fahrgeschäften, Live-Musik und allerhand anderem Lärm, mit unterschiedlichen Märkten, Theater und zweitaktknatternder Parade der Simson-Freunde als Ouvertüre des Spektakels.

Weg über die Hügel

Schon nach zwei Minuten biegen wir an einer Sechsfachkreuzung rechts ab, dem „Weg über die Berge nach Altranft“ folgend. Der führt durch vielfältigen Wald, ist wunderschön und wogt in der Tat in ständigem, sanften Auf-und-Ab auf der Höhe entlang. Das Septemberlicht gibt im lichten Wald alles, zugleich merken wir auch dank der steten Brise nichts von der Affenhitze, die jenseits der Wipfel stattfindet.

Höhenweg nahe der Juliusecke

Der Weg ist wirklich hinreißend schön, schlägt enge Kurven, quert Senken und passiert Abzweige, die durch Scharten gen Tal locken. Manchmal staunt man, wie steil der Hang nach rechts hin abfällt, dann wieder geht es durch ein Stück ausgeprägten Hohlweges. Die unterhaltsame Partie endet an einem Querweg, dem wir kurz nach rechts folgen und darauf hoffen, dass an der nächsten Ecke ein links abzweigender Pfad noch sichtbar ist.

Am Kammpfad vor dem Abstieg

Das ist er gerade so, doch bereits nach wenigen Schritten zeigt er sich ausgeprägter. Mehr und mehr wird er dann zum Kammpfad, wenn auch der Kamm recht platt ist. Zwischendurch verschwindet die Spur mal kurz im Kraut und auch ganz am Ende ist ein wadenhohes Brombeergestrüpp zu durchdringen, doch wieder nur für ein paar Meter.

Zusammentreffen am Waldrand

Links wird der Waldrand sichtbar, zugleich der Rand der hiesigen Berge, und ein paar Hütten begleiten den Pfad. Dahinter treten wir hinaus aufs freie Feld und erhalten nun endlich den weiten Nordblick zur Neuenhagener Oderinsel, der im Wald schon hier und da durchblitzte. Im nahen Vordergrund sorgen ziegelrote Dächer für stimmige Farbakzente. Das war ein herrliches Stück Weg in dieser ersten Tageshälfte. Was jetzt noch kommt, wird sich dahinter nicht verstecken müssen.

Katen in Altranft

Bald wird der schattige Waldrand gesäumt von einem überreifen Sonnenblumen-Feld. Viele der gelbgekränzten Blüten sind mustergültig, jede dritte hat grad Besuch von einer Hummel, deren sich keine von irgendeinem Paparazzo irritieren lässt. An einzelnen, übermannshohen Stämmen hängen mit Blick zum Boden riesige Blüten, prall voller Körner, doch ohne ein einziges gelbes Blatt. Geschätzte fünf Pfund wiegt die schwerste von ihnen.

Lindenbank an der Kirchwiese, Altranft

Im Spiel von Waldhang, Wegkurve und Feld voller Köpfe ergeben sich immer wieder Rückblicke solcher Art, wie man sie im September sehen möchte. Die Sonne schon tiefer, die nachmittägliche Luft leicht dunstig und die Farbkomposition aus allem einfach nur wonnig und augenschmeichelnd.

Schlossparkmauer und Brücke über den Landgraben

Altranft

Kurz vor dem nächsten Dorf verschwindet einer der Gablungswege im Wald und erreicht bald in einer schönen Hohlgasse die ersten Häuser. Eine sonnige Abendbank für langer Tage müde Knochen steht bereit. Vorn saust mit wiederkehrendem Hornprusten einer der kleinen Züge vorbei, eilig auf dem Weg nach Wriezen.

Schloss Altranft

Der große Parkplatz zum Oderbruchmuseum ist fast leer, naja, Altstadtfest in Bad Freienwalde, oder es ist einfach schon zu spät. Entlang der fürs Oderbruch charakteristischer Katen streben wir dem Spitzhelmchen der Kirche zu und genießen die Steigungsfreiheit dieser Tageshälfte.

Deichweg am Landgraben

Auf dem wiesengrünen Dorfplatz bei der Kirche steht eine betagte Linde mit hoher Krone und schattiger Halbrundbank am Stamm. Doch das nächste Päuschen soll am Wasser sein, also noch weiter. Auch den schönen Schlosspark lassen wir heute da, wo er ist, und schlurfen auf dem urgemütlichen Schleichweg entlang der Parkmauer bis zum Brücklein über den Freienwalde Landgraben. Das Wasser ruht unter lückenloser Entengrütze.

Ebereschenallee auf dem Deich

Die Schafe vom Schlosspark haben heute frei oder sind sehr gut im Verstecken, doch der Blick auf die Rückseite des Schlosses ist selbst ohne sie ein schöner. Jenseits der Landstraße beginnt nun ein anmutiger Deichweg, dem auch der ferne Lärm der nahen Landstraße nicht viel von seinem Reiz nehmen kann. Schattig von kleinen Bäumen bestanden, hinter denen schon bald der Schilfgürtel des Landgrabens sichtbar wird und es teilweise bis hoch zur Wegspur schafft. Das Vernügen ist von längerer Dauer und erfüllt ebendiesen Wunsch.

Freienwalder Landgraben am Stadtrand

Bei der ersten Brücke ergibt sich endlich der erhoffte Platz für die letzte kleine Rast, Schwindelfreie können ganz gut auf dem Geländer hocken. Hier beginnen nun auch die Wochenendgärten, deren jeder einzelne ein Glücksgriff ist von seiner Lage. Apfel- und Birnenbäume hängen ächzend voll, hier und da halten sich auch noch ein paar vollreife Pflaumen.

Deich über den Kleingärten, Bad Freienwalde

Auf den letzten Metern liegen unten am Ufer große Kürbisse und erwecken den Anschein, dass jeder am nächsten Morgen ein bisschen woanders liegen könnte. Irgendwo von ferne lässt sich wieder mal ein Kranichpaar hören, das war lange nicht und macht schon Vorfreude auf die Geräuschkulisse der Gänseschwärme, die abends von ihren Futterplätzen zum Nachtquartier wechseln.

Ufergemüse

Herrliche Ansichten und Lichtspiele ergeben sich und es ist wahrhaft ein rechtes Schwelgen, hier entlangzugehen. Das Wasser selbst ist nur ganz selten mal zu sehen, doch es fehlt nichts. Wenn man den Schritt nur etwas drosselt, lässt sich der Genuss auf eine volle Stunde ausdehnen. Und wenn man den besonderen Bäumen am Rand jeweils etwas Aufmerksamkeit schenkt, bedürfte es nicht mal dieser Drosselung. Durch regelrechte Hohlgassen geht es, später auch entlang einer kurzen Allee von Ebereschen, die gerade voller roter Beeren hängen. So etwas haben wir noch nicht gesehen.

Kurz vor Bad Freienwalde

Bad Freienwalde

Die große Baustelle, die schon seit Längerem für allerhand Einschränkungen sorgt, besteht noch immer. Nach dem Unterqueren einer neuen Brücke ist bald die Ladestraße hinterm Bahnhof erreicht, das Fest tönt fern herüber und man meint schon Popcorn und Langos von den Festbuden zu riechen. Vom Bahnübergang ziehen die Massen gen Markt, wo tüchtig die Post abgeht. Die Blumenampeln am Platz sind so großzügig bemessen, dass sie in all der Buntheit und Ablenkung keinesfalls untergehen.

Altstadtfest Bad Freienwalde

Wir bahnen uns den Weg durch die Menge und freuen uns nach ein paar Denkschleifen darüber, dass man wieder einfach so dicht aneinander vorbeigeht, dass viele Menschen ein Fest besuchen können, dass das einfach so geht. Aufs Verweilen, Schnabulieren und Stöbern an sonen und solchen Ständen haben wir heute keine Lust, dazu ist der Kontrast zum bisherigen Tag irgendwie zu markant. Doch es ist schön, dass das Fest gut besucht ist, wieder stattfinden kann und dass das hübsche Bergstädtchen von buntem Leben erfüllt ist.

Freienwalder Schloss

Ein letzter Anstieg steht noch aus, Bad Freienwalde kann so was ja auch bestens im Stadtgebiet. Also biegen wir an der hübschen Fachwerkkirche, die heute eine Konzerthalle ist, ab und erklimmen vorbei am schönen Hof des Kindergartens der „Gartenkinder“ die Schlosshöhe. In dem hübschen Bau, der wie ein feines Stück Torte dasteht, heiratet heute irgendwer oder feiert sonstwas. Alle die rauskommen oder reingehen, sind in Schale geworfen, ungeachtet der Temperatur respektive Schwitzgefahr. Man kann sich ja extrem langsam bewegen und so Gröberem vorbeugen.

Vorbei am Teehäuschen ist gegenüber schon die erwähnte steile Treppe vom Anfang zu sehen, darüber durchaus eindrucksvoll der ansehnliche Turm auf dem Galgenberg, in seiner Halskrause ein paar Anwärter auf das hiesige Turm-Diplom. Dank der hohen Lage des Schlosses verschwindet mit jedem Schritt hinab ein Dezibel vom Festtreiben, bis unten an der Straße nichts mehr übrig ist.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
von Berlin-Gesundbrunnen mit Regionalbahn, umsteigen in Eberswalde (ca. 1-1,25 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): B 158 nach Bad Freienwalde (ca. 1-1,25 Std.)

Länge der Tour: ca. 16 km (Abkürzungen vielfach möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Bad Freienwalde

Turm-Diplom

Alte Köhlerei

Einkehr: Waldgaststätte Alte Köhlerei, oberhalb von Bad Freienwalde
Gaststätte Kolberg, Altranft
Schloss-Café, Altranft
China-Restaurant Sachsenhof, Altranft
zahlreiche Möglichkeiten im Bad Freienwalder Stadtgebiet

Blankensee: Sand im Kamm, der Bunte Markt und die Doppel-Bärchen

Mit einem Mal ist es so, als wär’s nie anders gewesen – am Boden, im Buschwerk und in den Baumkronen ist es füllig grün, Gräser wogen im Wind und überall wo Platz ist zirpen die Grillen. Das Grün ist dieses ganz frisch gewachsene, welches in seiner Anfangsphase das Licht im Wald ein wenig flirren lässt, die Gräser waren vor ein paar Tagen noch nicht mal zu erahnen und die Grillen agieren schon derart souverän, als ginge nächsten Montag der Sommer in die Spur.

Ausdruckstanz auf dem Kamm der Glauer Berge

Eine Farbe der Maientage ist ganz klar das Gelb, das sich mit den großzügig verstreuten Butterblumen dotterkräftig ins saftige Gras mischt oder licht und flächig mit den Rapsflächen das Blickfeld ausfüllt und dabei nahezu unfotografierbar ist. Der etwas neonspröde und zugleich tiefgesättigte Gelbton scheint auch fortgeschrittene Sensoren auszutricksen und möchte am liebsten im Original und also unter freiem Himmel bestaunt werden.

Rastplatz auf dem Fuchsberg

Während Nase und Auge mit dem Wahrnehmen kaum hinterherkommen, gibt es auch für die Ohren schon erhoffte Neuzugänge, die alle klingen, als wären sie gesegnet mit Humor. Der Kuckuck, wohl der Vogel mit dem unverhandelbarsten Wiedererkennungswert, bringt allein durch seine beharrliche Variantenfreiheit die Mundwinkel etwas nach oben oder lässt für einen Augenblick an unbeschwerte Kindertage denken. Ist eben noch hier, gleich darauf dort und tönt einem fünf Sekunden später direkt vom nächsten Baum ins Ohr.

Lindenhof in der Friedensstadt Weißenberg

Zu den regelrechten Spaßvögeln und Plaudertaschen gehört hoch im Wipfelwald der gelbe Pirol mit seinem Gedudel aus schnell gespielten Versatzstücken des Freejazz. Drunten im Schilfgürtel märkischer Seen findet er einen Partner auf narrativer Augenhöhe mit dem Drosselrohrsänger, der auf verschmitzte Weise plaudert, schimpft und berichtet und für den Zuhörer meist mit dem Duft von offenem Wasser und Schilfgeraschel verbunden sein wird. Die Schwalben sind zwar schon eine Weile da, verhalten sich fürs Erste aber noch still. Und die Mauersegler lassen auf sich warten.

Pfad am Wildgehege Glauer Tal

Davon abgesehen ist Anfang Mai für viele Menschen eine Zeit fürs Gedenken, das Gedenken an die Toten, die in einem unfassbaren Krieg umkamen. Ein Krieg, so unvorstellbar, dass er selbst durch die vielen vorhandenen Bild- und Filmdokumente für Nachkriegsgenerationen nicht an Abstraktheit verliert. Hierzulande fand er an einem 8. Mai sein amtliches Ende.

Weitgehend losgelöst von den Nationalitäten der Gefallenen, Ermordeten und Umgekommenen besuchen in diesen Tagen traditionell viele Menschen verschiedenste Orte und Stätten, die an diese Ereignisse erinnern. In diesem Jahr ist das mit Spannungen unberechenbarer Art verbunden, Gedenken und Ruhe werden nur bedingt zusammen gehen.

Achtbeiner am Naturparkzentrum Glauer Tal

Wer sich trotzdem nicht völlig rausnehmen möchte, kann rund um Berlin oder auch in der Stadt selbst verschiedenste Orte finden, die klein und entlegen sind und dieselbe Art von Gedenken ermöglichen. Einer davon ist die Friedensstadt am Fuß der Glauer Berge, die vor gut 100 Jahren gebaut wurde, bereits nach 15 Jahren in missbräuchliche Nutzung geriet und deren Bild dann fast sechzig Jahre von militärischen Uniformen bestimmt wurde. Erst Mitte der Neunziger Jahre ließ sich wieder an die ursprünglichen Ideen des Gründers anknüpfen.

Friedensstadt Weißenberg

Das Ortsbild versteckt keine der Riefen der Geschichte. An den vielen Stellen, wo sicherlich jedem zweiten Besucher eine Frage erwächst, steht meist ein paar Meter weiter eine kleine Schautafel, die informativ, anschaulich und ohne schlauen Zeigefinder die geraffte Antwort liefert. Auf den ersten Blick oder bei bloßer Durchfahrt wirkt die Siedlung spröde und abweisend, doch ein Rundgang ist lohnend. An fast jeder nächsten Ecke ergibt sich ein neuer Kontrast, viele Orte strahlen Friedlichkeit aus. Werdendes steht neben Vergehendem, staubige Brachen grenzen an hübsch gestaltete Parkstreifen oder fantasievoll bunte, zaunlose Hintergärten.

Dorfmitte von Blankensee

Davon losgelöst kann man auch den Mai als Monat feiern, insbesondere nach den sechs Monaten mehr oder weniger Kälte und Frieren, und so lässt sich der Besuch der besonderen Siedlung in eine besondere Runde einbinden. Vier Orte liegen auf dieser Tour, die jeder einzeln schon als Ausflugsziel taugen würden und allesamt grundverschieden sind. Mit dabei sind einige Höhenmeter samt Bergkamm und Gipfelkreuz sowie eine ganze Reihe zauberhafter Pfade, die uns zum Teil der Zufall in die Karten spielte.

Nieplitz im Schlosspark Blankensee

Blankensee

Der sagenhafte Dorfladen wurde schon in einem früheren Dezember besungen, und er hätte es auch heute wieder verdient. Wer hier sitzt, fühlt sich wie im Urlaub. Kreuzung, Häuser und Geschehen wirken ein wenig wie in einem Dorf im Hinterland der Ostseeküste. Blankensee als Dorf scheint zusammengebaut aus einem gut bestückten Premium-Dörfer-Baukasten, der Grundriss ist unregelmäßig und keine Ecke gleicht einer anderen. Es gibt verschiedene Gastronomie, einen Feuerwehrturm mit Besuchertoilette und einen Imkerladen mit schickem Automaten. Hier kann man sich auch nach Ladenschluss verschiedenste Sorten Honig oder auch eine Tüte Honig-Doppelbärchen ziehen, die in ausgewogener Mischung fruchtig und nach Honig duften.

Aufstieg zum Kamm der Glauer Berge

Der Dorfladen ist legendär, das Café Fritz gehört dazu. Vorn an der Ladentür geht es zwischen spontanen Ruhephasen hoch her, Einheimische wechseln mit trödeligen Spaziergängern oder Radlern verschiedener Tempo-Klassen. Während auf den umgebenden Straßen die maierwachten Biker ihre Ringmuskulatur auf dem Tank ablegen und ihren urigen Gasthof im Walde ansteuern, haben hier weitaus ältere Radsport-Herren ihre drahtigen Gliedmaßen in synthetische Pellen verpackt, deren Farbkombinationen teils sehr laut fürs Auge sind. Unklar bleibt oftmals auch, was jetzt eingesetztes Polster ist und was nicht.

Kammpfad mit Flieder

Auf jeden Fall haben sich alle einen guten Appetit angeradelt und lassen den Füllstand der Theke rasch sinken – belegte Brötchen, Kuchenstücke und Schmalzstullen gehen gut weg. Manche Frohnatur spickt den Prozess mit einem originellen Spruch, den wohl jeder im Raum schon öfters gehört hat. Wem all das alles doch zu trubelig ist, der kann sich hinten in den Hof verkrümeln oder noch eine Pforte weiter in den idyllischen Wiesengarten, der saftig grün ist vom jüngsten Schauer.

Dünenrücken der Glauer Berge

Wir wollen nichts verpassen von dieser herrlichen Atmosphäre vor dem Laden und finden einen freien Tisch. Sitzen gut und plaudern, die Unterhaltung stimmt, und so verlängern wir um eine zweite Tasse. Vielleicht auch, weil der Aufstieg zum Bergkamm gleich bevorsteht. Holen noch ein Kuchenstück für die verdiente Rast am Gipfelkreuz, bevor endlich die Loslösung erfolgt, schweren Herzens. Und voller Neugier auf die ganzen kaum bekannten Stationen dieser Runde.

Am Anfang steht die Nieplitz, von deren Brücke sich eine pittoreske Vorschau auf den hochherrschaftlichen Abschluss der Runde ergibt – ein ansehnlicher weißer Parksteg, der sich mit noblem Spiegelbild über den Fluss krümmt. Im benachbarten Park steht ein Bauwerk von angenehmer Dekadenz, wohl nur dafür geschaffen, nach dem Erklimmen einer Stiege recht herrschaftlich von oben in den Park hinabschauen zu können.

Wiese auf den Glauer Bergen

Glauer Berge

Nach kurzem Verfransen in den bunten Nieplitzwiesen beginnt direkt an der Landstraße der Aufstieg, der nicht lange fackelt. Der Höhenrücken verleugnet nicht seine Dünenständigkeit, je weiter man an Höhe gewinnt, desto flächiger zeigt sich der Sandrücken. Immer schmaler wird der Weg, bis schließlich auf dem Kamm nur noch ein hinreißender Pfad übrig ist, der hakenschlagend und teils gitterhaft ausfransend seinen Weg nach Osten geht. Untypisch, erstaunlich und sehr passend für diese Woche im Jahr ist das reiche Vorkommen von Fliederbüschen hier auf der sandigen Höhe. Kleine gelbe Blütensterne kontrastieren schön dazu, dazwischen liegt der Weg.

Aussicht zum Blankensee

Der geht dann wieder in die Breite, in voller Sandigkeit und durchzogen von knorrigen Wurzelarmen, und streift eine größere Fläche offener Düne. Dahinter schwindet kurz die Klarheit, wo der Fontane-Weg nun geblieben ist, ungewollter bzw. verfrühter Höhenverlust droht. Doch bald ist die Markierung wieder da und ein späterer Zufallspfad erlaubt sogar eine sinnvolle Abkürzung, die einen in Kauf genommenen Höhenverlust vermeidet.

Aussichtsbank am Fuchsberg

Fuchsberg

So gelangen wir vorbei an markanten Geländescharten, die ähnlich prägnant ausfallen wie bachgeschaffene Nebentäler, fast direkt zum großen Wegweiser auf einer Trockenwiese, über der die Wolken mittlerweile sehr plastisch den blauen Himmel bevölkern. Gleich um die Ecke liegt nun ein herrlicher Aussichtspunkt, mit Rastraufe und Gipfelkreuz. Der Panoramablick reicht über den benachbarten Löwenberg, gut erkennbar am Aussichtsturm, über den glitzernden Blankensee bis weit ins Land und über die offenen und bewaldeten Weiten der Nuthe-Nieplitz-Niederung. Ganz im Westen ist bei guter Sicht eine ferne Höhe auszumachen.

Stüfchen unweit des großen Wegweiser, Glauer Berge

Friedensstadt Weißenberg

Der sanfte Abstieg verläuft über einen Wiesenweg, umrundet dann die Tier- und Pflanzenwarte und erreicht die Friedensstadt über eine abenteuerliche Treppe, die einst zum riesigen Terrassen-Café gehörte. Unten bei den Häusern herrscht buntes Treiben, aus einem Findlingsblock sprudelt Wasser, dicht drum herum hocken kommunikative Bänke. Über all dem steht am Giebel ein ausführliches Zitat von Herrn Weißenberg, dem visionären Initiator der Friedensstadt und Gründer der Johannischen Kirche, die sowohl hier als auch bei Blankensee eine Rolle spielt.

Tiergehege am Abstieg

Die Siedlung ist wie beschrieben eindrucksvoll uneinheitlich, hier und da sind noch gut die Grundstrukturen zu erkennen, insbesondere am angerähnlichen Lindenhof, der hier mit seinen Siedlungshäusern wie ein eigenes kleines Dorf wirkt. Viele bunt gemischte Kinder sind zu zweit oder in Trupps unterwegs beim Spielen und schlitternden Staubaufwirbeln, Wettrennen und Fangen oder beim gemeinsamen Bestimmen, wer das nächste Spiel bestimmt. Begegnen uns immer wieder, an den allen möglichen Ecken der vielfach verschränkten Siedlung, Wald, Wiese, Kieshaufen. Es ist hinreißend und echt, fast wie ein Bild aus der eigenen Kindheit, wo Strom keinerlei Rolle spielte oder man ihn allenfalls für die kleine Taschenlampe in der Hosentasche brauchte. Wo die Eltern derweil sind, klärt sich schon bald.

Vergehendes Terrassenlokal über der Friedensstadt Weißenberg

Der Staub wurde eben erwähnt, da ist es nicht weit zum Durst. Vorhin sahen wir einen schönen Pavillon mit Biergarten, die Läden hochgeklappt. Doch obwohl die Spülbecken gefüllt sind und die Gläser frisch tropfen, gibt es hier nichts für die Kehle, erst nächste Woche beginnt die Saison, für die gerade alles klargemacht wird. Doch wenigstens einen Hinweis, da lang, noch vorbei an der Ladenzeile, da is schon zu, und noch hinterm Café Tassé in der Markthalle, die is bis dreie offen, da könnse sich was rausholen. Markthalle, echt?

Giebelschrift am Frieda-Müller-Haus

Bunter Markt

Unterwegs treffen wir noch auf einen weiteren Trupp Kinder, die sich allesamt im ausladenden Unterrock einer riesigen Konifere ihre Höhle erfunden haben und einander Geflüstertes zuraunen. Hinter der nächsten Wiese steht schon die Markthalle, die wahrhaftig so heißt und noch weit mehr so ist, als wir uns hätten vorstellen können. Gut, dass der Kiosk noch nicht offen war, sonst wären wir hier womöglich vorbeigelaufen.

Siedlungshäuser am Lindenhof, Friedensstadt Weißenberg

Drinnen sind zich Stände aufgebaut, von Handwerk, Kunst und Handarbeit über Kitsch und Antikes bis zu schönstem Trödel, natürlich auch Verschiedenes zum Sattwerden und Durstlöschen. Die Atmosphäre ist herrlich, es ist gut gefüllt und Bunter Markt ist tatsächlich der passende Begriff. Beim Hinterausgang gibt es auch noch einen Grillstand und sogar kleine Livemusik. Einmal im Monat findet das hier statt, und wenn uns heute auch die Muße fehlt, ist einer der nächsten Termine gesetzt für den ausführlichen Besuch, der sicherlich mit zwei vollen Beuteln enden wird und die Sorge um herzige Weihnachtsgeschenke in Luft auflöst. Wer schon einmal den Weihnachtsmarkt der Johannischen Kirche in Blankensee besucht hat – so ähnlich kann man sich das vorstellen, nur eben ohne Schal und Handschuh.

Ladenzeile am Festplatz, Friedensstadt Weißenberg

Eine staubige Brache später folgt das nächste faszinierende Gebäude, weder Ruine noch verfallend, irgendwie zwischen allem. Vom etwas erhöhten Weg fällt der Blick hinab in die Niederung, wo eine kleine Tribüne über einen großen Sportplatz wacht. Es dürfte spannend sein, dieses Ort hin und wieder aufzusuchen und jeweils auf die Pirsch zu gehen nach Stellen, wo sich was verändert hat.

Parkweg zur Markthalle

Unterhalb des Hanges der Glauer Berge ist es vielleicht eine Viertelstunde bis zum Friedhof, der nicht nur seiner Fachwerk-Kapelle wegen eine besondere Wirkung ausstrahlt. Den Lehren der Johannischen Kirche folgend sieht hier jeder Grabstein aus wie der daneben, wie ein Ruhekissen in aufgeklopfter Echtgröße. Weiter hinten gibt es noch eine Wiese mit Holzkreuzen, unter denen vielleicht auch die polnischen Zwangsarbeiter ruhen, die hier in der NS-Zeit ihren Tod fanden. Auf dem Friedhof ist richtig Betrieb, überall wird gehackt und gefegt und gejätet, viele sitzen auch einfach gemeinsam auf dem Boden und erzählen miteinander.

Friedhof der Johanneschen Kirche bei Glau

Glau

Auf dem Weg nach Glau fallen die ersten Tropfen, das ist jetzt wohltuend und nimmt den Staub etwas aus der Luft. Rechts des Weges steht ein kleines Dreigestüf, um ohne Peinlichkeiten auf einen Pferderücken zu gelangen, links dahinter folgt ein winziger Friedhof mit ehrwürdigen Familiengräbern an der rechten Seite. Kurz darauf stehen wir vor der Dorfaue, die mit ihrem halben Rundling und den großen abgerundeten Toren daran erinnert, dass man im Fläming ist.

Dorfaue im Dorf Glau

Das Dorf liegt im Glauer Tal, aus dem es jetzt wieder einige Höhenmeter hinauf geht. Der Wald ist übervoll von Maigrün mit kleinen gelben Punkten links und rechts des Weges. Es duftet süß und aromatisch, auch wenn nirgendwo Waldmeister zu entdecken ist, dann noch lieblich, und bald zeigen sich kleine Felder blühender Maiglöckchen als Erklärung. Waldstücken wechseln mit Feldern und Wiesen, hier und dort liegen frischgefallene Pferdeäpfel, die hier unbedingt hingehören. Bald ist weiter vorn auch der passende Hintern zu sehen, bevor er im nächsten Wald verschwindet.

Glauer Tal am Ravensberg

Am Fuß des Ravensberges, dessen Gipfel wir umgangen haben, beginnt nun die flache Niederung des Glauer Tals, die sich entlang des Faulen Grabens bis nach Glau zieht. Eine andere Welt, mit weitem Blick zum betürmten Löwenberg und das Tal hinab in Richtung Blankensee. Entlang des Plattenweges gibt es einen Wassergraben, dahinter dichtes struppiges Buschgebäum, dessen Stämmchen dem Anschein nach alle im Wasser stehen.

Bald nach dem Einsetzen des nächsten Niesels verdichtet sich dieser zu einem richtigen Regen. Kiefern halten einiges ab, und so stellen wir uns ein Weilchen unter und holen die abhanden gekommene zweite Rast notdürftig im Stehen nach, während es draußen kühler wird und würzig duftet von überall her. Zwei Autos passieren derweil, ohne Staub aufzuwirbeln.

Birkenwald im Wildgehege

Wildgehege Glauer Tal

Hinter dem nächsten Wäldchen sind Kinderstimmen und zugehörige Familiengeräusche zu hören, kurz darauf sehen wir auch schon eine Rastraufe und den filigranen Zaun, der das große Wildgehege umgibt. Stattliche Hirsche in Rot und Dam soll es hier geben, auch Muffelwild, das ja durch die Schönower Heide als Großmeister im Verstecken bekannt ist. Damwild können wir später kurz sichten, darunter zwischen den Birkenstämmen auch eins in weiß, sodass bis zuletzt ein kleines Fragezeichen bleibt.

Nach dem ersten Zaunkontakt verfransen wir uns kurz, den alten Weg gibt es nicht mehr, doch wenn man vom Raufeblick einfach dem Zaun folgt, kommt man ohne ziepende Ästchen und eingezogenen Kopf auf einen der schönsten Pfade weit und breit. Die liegengebliebene Klappbrücke irgendeiner Armee reicht hier noch über ein austrocknendes Fließ, bevor dieses zauberhafte Stück Weges beginnt. Erst öffnet sich der Blick über eine saftige Wiese, die voll ist von pludrigen Butterblumen, dann geht es als Gasse durchs Buschwerk. Links begleitet den Weg eine lange Reihe von Bäumen.

Pfad zum Naturparkzentrum

Hinter dem feuchten Teil  der Wiese grasen Kühe auf viel Platz, weiter hinten stehen andere knöcheltief im Stroh oder haben ihren Kopf schon in eine Strohrolle hineingefuttert. Zwischen beiden Lagern rennt und karjohlt mit der Energie eines kleinen Kindes ein Kälbchen, im unregelmäßigen Hopserlauf und hochvergnügt. Ein Gleichaltriges versucht mitzuhalten und schafft es eine Weile, doch dreht irgendwann ab und holt sich etwas Kuhwärme von der Mutter.

Abendbrot unweit von Glau

Naturparkzentrum am Wildgehege Glauer Tal

Nach etwas Straße geht es am Parkplatz auf schönen Pfaden mit allerlei Stationen und Tafeln in ein verspieltes Gelände mit großen Wiesen, einem weiten Schafgatter sowie der schönsten Riesenspinne, die man je gesehen hat. Sie hockt über einem Netz zwischen den Hügeln der Spielplätze und sieht zwar eindrucksvoll, doch gar nicht angsteinflößend aus, sodass man ihr auch als Spinnenvermeider gern näherkommt.

Hinterm Schafgehege ist eine kleine Arena aus Strohrollen aufgebaut, in der man herrlich herumklettern, toben und springen kann, ohne dass sich irgendwer um irgendwas Sorgen machen muss. Das Stroh am Boden ist so dick, dass man weich einsinkt, doch nicht bis zum Boden kommt, ein herrliches Gefühl. Und damit verbunden die seltene Option, sich einfach mal an Ort und Stelle umplumpsen zu lassen.

Spielpark beim Naturparkzentrum Glauer Tal

Gerade noch freut sich ein Bengel über die Effekte selbst gepumpten Wassers in den Rinnen des Wasserspielplatzes und ruft seinen Kumpel zum Mitstaunen und schaumalwasichhierundso, da fängt es richtig an zu pladdern. Wir werfen noch einen kurzen Blick ins verglaste Naturparkzentrum, wo sich die Wärme des Tages gesammelt hat. Für den Nachmittagskaffee ist es leider zu spät. Auf frischem, hellen Holzmulch verlassen wir das Gelände durch wasserreichen, üppig grünen Wald.

Auf dem Weg zum Wildgehege haben sich Pfützen gebildet. Ein drittes Mal geht es über den Faulen Graben, bevor dann ein gemütlicher Alleeweg unterhalb des kaum wahrnehmbaren Mühlenberges auf Blankensee zuführt. Trotz des anhaltenden Regens ist dieser von der sinkenden Sonne warm durchleuchtet. Zu beiden Seiten steht das Korn schon fast kniehoch, das ging jetzt schnell. Vorhin gab es sogar schon den würzigen-kräuterigen Duft einer ersten Wiesenmahd.

Weg nach Blankensee

Blankensee

Einmal schräg über die Straße bietet sich überraschend ein kleiner Schleichweg an, der nun über Wiesen- und Waldpfade direkt zur Seepromenade verbindet. Rechts liegen unter schweren Wolken weite Wiesen, bis hin zum nächsten Schilfgürtel. Erwartungsgemäß wird es jetzt hier recht voll, denn selbst lauffaule Besucher von Blankensee werden den bekannten Holzsteg überm See aufsuchen, auch wenn der bald mal etwas Zuwendung bräuchte.

Blankensee mit Wetterwolken

Vorn auf der einzelstehenden Aussichtsbank am See haben sich zwei Mädels eingerichtet, genießen lose plaudernd das Schauspiel von ölig glitzerndem See unter dramatisch aufgebautem Wolkenhimmel, während unten Schwäne ihre aufwändigen Starts hinlegen, ganz oben die Kraniche mit der Thermik spielen und eine Ecke weiter scharenweise Gänse und Enten versuchen, die Sprachbarriere zu überwinden.

Auf dem Steg haben sich Vogelkieker versammelt, mit kleiner und größerer Optik. Die mit den ganz großen Rohren saßen heute zu Beginn des Tages beim Dorfladen am Nebentisch und plansimpelten über den Verlauf des Tages und die erhoffte Ausbeute, die sind hier schon längst durch und jetzt an irgendeinem wenig bekannten Platz mit vielen Vögeln und noch mehr Abendstimmung.

Uferweg an der Nieplitz zum Schlosspark

Dann gibt es noch die akademischen Betrachter mit hohen Brauen über beflissenen Augen, dabei den Kopf im selbstbestätigenden, weichen Nicken, natürlich auch die Heranwachsenden im schwierigen Alter, die mitmussten, auch wenn der Steg kein Welahn hat, und schließlich die geduldigen Genießer, die ein paar Minuten oder eine Viertelstunde auf ihre Bank gelauert haben und jetzt ihren verdienten Platz genießen. Die Stimmung ist friedlich, die Menschen nicht lauter als die Vögel auf dem See oder das Rauschen des Windes im griffnahen Schilf.

Brücklein im Schlosspark Blankensee

Noch vor der Brücke über die Nieplitz beginnt ein Uferpfad, der perfekt zur letzten Viertelstunde passt. Links eilt das gerade ein wenig hinabgestürzte Flüsschen vorbei, rechts liegen Teiche mit breiten Schilfgürteln, und über den Weg hängen wie gewachsene Vorhänge die Äste von Weiden. Wäre die Tageskraft nicht schon am Ende, würde man diesen Weg vermutlich noch ewig in die Länge ziehen. Links in den Wiesen sind große Teppiche schlohweißer Blümchen zu sehen.

Hinterm Bruch geht es nun links durch den Schlosspark, der klein, fein und verspielt ist. Auch wenn es vielleicht nur fünf Brücklein sind, scheinen bei jedem Blickschwenk immer neue hinzuzukommen. Ein herrschaftliches Portal entlässt aus dem Park. Direkt dahinter sollte man unbedingt ein paar Schritte nach links gehen, denn hier ist der erwähnte Bienenladen. Selbst wenn geschlossen ist – der Honig-Automat hat rund um die Uhr geöffnet, vermutlich sogar an jedem Tag des Dezembers.

Imkerladen mit Allzeit-Automat

Sollte man also wirklich einmal in eine Honig-Not geraten, ganz gleich ob un- oder verschuldet, und keinerlei Aufwand scheuen wollen, finden sich hier zu jeder Zeit Lösungen. Die Doppel-Bärchen übrigens, die man hier auch bekommt, sind immer Hand in Hand bzw. Tatz in Tatz und taugen damit gut als Botschafter des Friedens. Vielleicht sollte man sie einmal pauschal in alle Hauptstädte der Erde verschicken.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
Regionalbahn von Berlin-Hbf. oder -Südkreuz nach Trebbin, dann Rufbus Kranich Express (ca. 0,75-1 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): B 101 über Berlin-Marienfelde und Trebbin (ca. 1-1,5 Std.)

Länge der Tour: ca. 17,5 km (Abkürzungen gut möglich)


Download der Wegpunkte
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Links:

Informationen zu Blankensee

Faltblatt Glauer Berge (PDF)

Friedensstadt Weißenberg

Glauer Tal – Wildgehege

Naturparkzentrum Glauer Tal

Einkehr: div. Möglichkeiten in Blankensee
div. (Imbiss-)Möglichkeiten in der Friedensstadt
Kleines Café im Naturparkzentrum

Ketzin: Fahrende Berge, platte Reliefs und die Spitze für Später

Das neue Jahr läuft nach den ersten Wochen schon erstaunlich rund, etwas Winter gab es schon und auch ein paar milde Tage. Nur die Sonne zeigt noch immer Berührungsängste, obwohl sie nach vielen grauen Wochen sicherlich überall mit applaudierenden Blicken und aufgehellten Gesichtern begrüßt würde.

Dampferanleger an der Havelpromenade in Ketzin

Die Wahl der Kleider beim Verlassen der Wohnung ist noch immer Glückssache, meist ist man deutlich zu warm eingepackt, manchmal aber doch zu dünn und dann droht schnell irgendein Infektgeschehen, dessen Geräusche in dieser Zeit ja umgehend den stillen Argwohn der verunsicherten Umwelt hervorrufen.

Altstadtgasse in Ketzin

Ohne Irritationen hingegen ist die Natur in Sachen Kraut, Huf und Schnabel. Wer es darauf anlegt und entsprechende Landschaften ansteuert, wird mit großen Mengen von voluminösen Zugvögeln belohnt, die dem Tag eine nie ganz abreißende Klangkulisse hinterlegen. Manchmal darf sich diese fortwährende Tonspur im Traum sogar noch fortsetzen. Auch die ganz zeitigen Blüten des Januars strecken ihr Gelb schon ins Licht, wenn es dann mal kurz da ist. Am Boden sind das die allerersten Winterlinge, die mit gewisser Vorsicht auch beim höchsten Sonnenstand noch ihre Blüten kugelig lassen, in Buschhöhe dann die diffus verteilten Sternchen des Winterjasmins, die der Farbe teils schon Fläche geben.

In der Paretzer Dorfkirche

Hoch über all dem wölbt sich ein Himmel, der mehr oder weniger farblos daherkommt, auch formlos. Undurchbrochene Schleier ohne Struktur, die den Tag darunter vor allem grau und das Wohnzimmer besonders einladend wirken lassen. In dieser Grundstimmung ist es dann ein regelrechtes Fest, und sei es nur für Minuten, wenn der Wind den faden Teig da oben auseinandertreibt und den Blick auf die Sonne und den klaren Himmel freigibt. Was diese sogleich mit der Erdoberfläche anstellt, ist weit mehr als hohe Kunst und berührt umgehend alle Sinne, das Herz und auch die Seele. Aus landschaftlichem Einheitsbrei wird sinnenfreudiger Bildzauber, und kaum jemand wird die Finger vom Auslöser lassen können, und sei es nur des klaren Lichtes wegen.

In der Grotte im Schlosspark Paretz

Im Aufbruchsmonat Januar ist die Weite schön, die keinen Fitzel möglichen Lichtes verschenkt. Darüber hinaus haben sich mannigfaltige Uferkanten als passend erwiesen, um die naturellen Bedürfnisse zu stillen und den erholsamen Ausgleich zur Arbeitswoche zu schaffen, allumfassend abzuschalten und vielleicht ein paar mehr Glückshormone zu verschütten. Zwischen Potsdam und Brandenburg gibt es reichlich davon, meist gut gemischt mit besonderer Architektur und wildromantischen Uferlinien, die stets ein wenig undurchschaubar bleiben.

In den Paretzer Erdelöchern

Ketzin

Zwischen Potsdam und Brandenburg fließt die Havel am beschaulichen Städtchen Ketzin vorbei, das mehr Dimensionen aufweist, als man beim Durchfahren oder einem Kurzbesuch denken sollte. Sind die Wasserlandschaften hier von Hause aus schon ohnegleichen, wird das bei Ketzin noch auf die Spitze getrieben. Neben der weit verzweigten und oft seenweiten Havel selbst gibt es mitten in dieser eine Reihe großer Inseln und nördlich davon ein verwirrendes und scheinbar endloses System von Stichteichen, die als Erdelöcher Ketzin in einen Begriff gefasst werden. Ähnliches gibt es in kleinerer Ausprägung auch südlich der Havel bei Deetz oder unweit von Paretz.

Bei so viel umgebendem Wasser kann an der Uferpromenade der Stadt durchaus der Eindruck aufkommen, sich auf einer Insel zu befinden. In den blattlosen Zweigen von Büschen und Gebäum hat der Morgennebel viel Wasser zurückgelassen, das jetzt in Form halbgefrorener Tropfen auf den ersten Windstoß wartet und im Gegenlicht für zahllose Glanzpunkte sorgt. Gepflasterte Altstadtgassen verlieren von der Kirchhöhe ein paar Meter, bis sie schließlich am oder im Wasser enden. An der mittleren Promenade ist der Steg des Dampferanlegers pavillonartig überdacht, und diese Stelle samt ihrem versunkenen Ausblick erinnert an eine kleinere Ausgabe des Steges, der sich am Ostrand der Stadt Brandenburg befindet.

Am Stadtufer in Ketzin

Bereits hier auf der Promenade mischt sich der Rundweg Ketzin-Paretz unter die eigenen Schritte, sucht sich mit sicherem Gespür die allerschönsten Wege, Pfade und Schleichwege und verliert dabei selten das Wasser aus dem Blick. An der Fischerei südlich der Altstadt verbreitet ein kleiner Sticharm kurzzeitig Spreewald-Stimmung, bevor der Weg entlang einer Reihe jüngerer Kopfweiden in Richtung Strandbad abdreht.

Havelpromenade in Ketzin

Neben den Tönen weit entfernter Kraniche und Gänse oder vereinzelter Reiher gehört auch nahes Möwengeschrei zur Klangkulisse und schafft unbedingt Urlaubsgefühle. Ohnehin fühlt sich dieser lichte Tag am offenen Wasser nach einer langen Periode in grau nach Urlaub an, wozu natürlich auch die Altstadtgassen mit ihren Sichtlinien und nicht zuletzt die Fähre beitragen, deren niedertouriges Bullern bald schon zu erahnen ist. Vorher liegen noch breite Schilfgürtel und kleine Bruchwälder am Weg.

Fischergasse in der Altstadt, Ketzin

Fähranleger Ketzin

Noch vor dem Fähranleger lockt neben einem Strändchen eine Rastbank mit Blick aufs kielbasierte Verkehrsgeschehen. Die Bank steht leicht erhöht, zu ihren Füßen schlagen kleine Wellen ans teilgefasste Ufer und trüben trotz der Wasserbewegung nicht den glasklaren Blick zum sandigen Grund. Muschelsplitter reflektieren teils irisierend die Sonnenstrahlen, die jetzt ungehindert vom Himmel fluten und der Flusslandschaft etwas verleihen, das einen tief und zufrieden durchatmen lässt. Das Wasser ist unfassbar kalt.

An der Fischerei, Ketzin

Kaum dass die Fähre angelegt hat, ist sie auch schon wieder auf dem Weg ans andere Ufer. Das geschieht vermutlich hastiger als in der Regel, denn von rechts stampft gegen den Strom ein Schubboot heran, im Laderaum eine Bergkette aus Splitt. Unerwartet lässt das Horn einen markdurchdringenden Ton los, der das Zwerchfell nicht unberührt lässt und eines Hochseedampfer würdig ist.

Weidenweg zum Strandbad

Am anderen Ufer rollen sofort die nächsten Passagiere auf das Deck und dürfen sich noch in Geduld üben, denn kaum dass der Splitt hinter der nächsten Kurve verschwindet, kommt ein anderer Schuber aus der anderen Richtung – flussabwärts und übervoll mit feinstem Schrott. Der lange Kahn bewegt sich vergleichsweise gelöst, da die Strömung mit ihm ist. Keine wulstige Bugwelle also, da das tonnenschwere Aggregat unter Deck eher plaudert als wettert.

Havelufer kurz vor der Fähre

Bald darauf fällt der Blick landeinwärts über Schaf- und Pferdeweiden sowie sozialen Wohnungsbau für Schwalben, weiter hinten ist als östlicher Außenposten von Ketzin der markante Turm einer Villa zu sehen, die auch gut ins Potsdamer Umland passen würde und irgendwie nach Schinkelschüler aussieht. Ein Gegenstück dazu bildet als Vorbote von Paretz die Windmühle, deren Flügel sich wintermüde in den Himmel recken.

Havelfähre mit kleiner Notfähre daneben

In einem Wegknick werden wir augenzwinkernd-derb in die aktuelle Zeit zurückgerufen, deren Sinn für den Genuss und das Schöne manchmal seltsame Früchte trägt. Auf einem Trafohäuschen steht eine schwere und bunte Getränkedose, darin versammeln sich ein Patent, auf das die Welt wohl lange schon gewartet hatte, und ein Gemisch aus Zucker, Gewürzen, Wasser und Zucker. „Selbsterhitzender Glühwein to go“ verspricht nach einem speziellen Knick-Knack im Dosenboden binnen drei Minuten dampfenden Glühwein in angemessener Temperatur und erforderlichenfalls auch fern aller Zivilisation. Glaubt man den Erfahrungen verschiedener Nutzer, liegt die Erfolgsquote immerhin bei sechzig Prozent. Bei den anderen gibt es dann zwar allenfalls lauwarme Würzplempe, doch für den Lacher zwischendurch dürfte es allemal reichen. Als klimatischer Ausgleich für die Juxsekunden sollte man jedoch einmal weniger in die Karibik fliegen.

Villa am Ketziner Stadtrand

Paretz

Schnell landet also unsere Aufmerksamkeit wieder bei der Havel, die sich zwar hinter einem breiten Schilfgürtel versteckt, jedoch trotzdem zu sehen ist, da die Schritte nun auf der Krone eines kleinen Deiches verlaufen. Weiter vorn sind schon die Häuser von Paretz zu sehen, einem Dorf der Sonderklasse. Mit dem Schloss und allem was dazu gehört diente es vor gut zweihundert Jahren dem Preußenkönig und seiner weithin geschätzten und bezaubernden Luise als Sommerfrische, fein und vergleichsweise klein. Hier genossen sie eine Normalität fern von allem Höfischen und legten damit wegweisende Schritte vor.

Die Havel unter aufziehenden Wolken

Schöne und geliebte Häuser reihen sich entlang der gepflasterten Weidendammstraße, die sich im sanften Bogen zum Schlosspark hin zieht. Vor einer der Mauern, die von der Sonnenstunde verwöhnt werden, haben sich wahrhaftig die allerersten Winterlinge breit gemacht. Ganz dicht an der Mauer sind mit der Lupe auch schon zarteste Schneeglöckchen auszumachen, deren Stengel noch so dünn sind, dass sie keinem groben Windstoß standhalten dürften.

Allererste Frühblüher vor der warmen Mauer

Hinter den ersten Nebengebäuden des Schlosses fällt der Blick im kleinen Hügelpark auf die süße Dorfkirche, eine offene Kirche. Drinnen gibt es viele Reliefgestaltungen, doch ein Großteil davon erweist sich als gekonnte Handhabung des Pinsels und raffiniertes Gedankenspiel von Licht und Schatten, nicht zuletzt am hohen Tonnengewölbe der Decke. Freundlicherweise ist die Sonne gerade noch draußen, so dass auch die bunten Fenster ihre Wirkung zeigen können.

Paretzer Dorfstraße

So klein der Dorfpark auch ist, in seinem leichten Hügelland ergeben sich mehrfach reizvolle Sichtachsen und Blickarrangements. Die locken wie beabsichtigt hin zum Schloss, wo es in der Remise und im Schloss selbst sehenswerte Ausstellungen gibt. Das Schloss selbst wurde nach dem Auszug der letzten hohenzollerschen Bewohner nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen verschiedenster pragmatischer Nutzungen mehr und mehr entstellt und erinnert zum Teil eher an ein Kreiskrankenhaus oder preiswert gebautes Kulturhaus. Ein Flügel des Schlosses sieht bis heute geschunden aus, und der Park lässt nur erahnen, dass er einmal gestaltet war.

Neue Grotte im Schlosspark Paretz

Hoffnung macht weiter hinten im Park die wieder errichtete und schön bepflanzte Grotte mit ihren Aussichtsplattformen, von denen der Blick weiter über nassen Wiesen mit Havelahnung reicht. Das einst übergebügelte Park-Accessoire wurde weitgehend neu errichtet, dank Ausgrabungsfunden konnte hier manches Originalteil verbaut werden. Die Höhe lässt sich durch eine enge Treppe aus grobem Gestein verlassen und sorgt bestimmt für manches Grinsen bei jenen, die unten mit eingezogenem Hals aus dem Portal treten.

Dorfkirche Paretz im kleinen Park

Beim Gasthaus Gotisches Haus, das auch zum Gesamtensemble gehört, kommt man zum Parkring, auf dem sich das Dorf gut verlassen lässt. Hinter dem letzten Haus wird es dann mehr und mehr wildromantisch, mit einem guten Grad an Rumpligkeit insbesondere in der laublosen Jahreszeit, wo alles blasse Gehälm noch so zerzaust liegt und ragt, wie es die Wetter hinterlassen haben.

Pfad zwischen den Erdelöchern

Kleine Brücken und Dämme ermöglichen den Weg mitten durch ein Wasserlabyrinth, das im Süden verwunschen, im Norden weit ist und mehr oder weniger zum Paretzer Polder gehört. Überall ruht das Wasser unberührt, darin koboldige Grasinseln und moosbedeckte Baumruinen, die dem endgültigen Versinken entgegenmodern. Ein entscheidendes Pfadstück schafft die Verbindung zum Ufer des geradlinigen Nauen-Paretzer Kanals, und auch er liegt spiegelglatt.

Uferweg am Nauener Kanal

Rechts in den nassen Wiesen tragen ein paar exotische Gänse lautstark einen Revierkampf aus. Der ansässige Graureiher trollt sich bei dem Lärm und weiter hinten sprinten am Himmel vier Schwäne gen Nauen, mit diesem eindringlichen und rätselhaften Geräusch, das es nur beim Flug der Schwäne gibt. Schon erstaunlich, wenn man bedenkt, dass so ein Vogel weit mehr als zehn Kilo in die Luft bringt, etwa doppelt so viel wie ein ausgewachsener Kranich.

Nordische Impression kurz vor der Schleuse

Schleuse Paretz

Kurz vor der blauen Bogenbrücke schwenkt der Weg vom Kanalufer in die Wiese, die von großen Pfützen durchzogen ist und quasi schon ein bisschen herumpoldert. Voraus sind die Gebäude der Schleuse zu sehen, die von nahem eher an ein Wehr denken lässt. Alles zusammen erinnert ein bisschen an friesische Szenen, was den Urlaubsgedanken gerade noch etwas verfeinert.

Paretzer Schleuse

Ein Treppchen führt hinunter zum Schleusenbecken, wo sich unsere Wege nun mit denen zweier Familien und eines gassigehenden Paares kreuzen. Ein Zaunpfad schafft vorbei am kleinen Bootshafen die direkte Verbindung zu jener Stelle, wo der eine Kanal auf den anderen trifft, kurz bevor jener wiederum sein Havelwasser mit dem eigentlichen Lauf der Havel vermischt.

Sacrow-Paretzer Kanal vor dem größten See der Insel Töplitz

Göttinsee am anderen Ufer

Gleich hinter dem jenseitigen Ufer liegt wie eine weitere Laune des verspielten Flusses der weite Göttinsee, ein See von besonderer Art. Besonders deshalb, weil er zum einen mit Havelwasser gefüllt ist und dennoch von der dammschmalen Uferlinie der Insel Töplitz umgeben wird – abgesehen von einer winzigen Lücke. Wer im Norden der Insel dem Dammpfad bis ganz nach Westen folgt und sich nicht scheut, auf demselben Weg zurückzugehen, steht schließlich auf einer schmalen Spitze inmitten der Havel, wie das nirgends woanders möglich ist.

Uferweg gegenüber der Töplitzer Havelspitze

In Sichtweite zu dieser Stelle wird der breite Weg am Paretzer Ufer zum urigen Pfad, der sich eine Weile am hohen Schilf entlangschlägt. Kurz hinter einem Strändchen mit Rastplatz beginnt die Biege nach Paretz, wo jetzt geprüft werden kann, ob die Blümchen bei verhangenem Himmel noch immer geöffnet haben. Kurz hinter der Kirche beginnt ein einladender Fußweg, der vorbei am Eiskeller des Dorfes zur Landstraße führt. Dank der Bockwindmühle, der Pferdewiesen und der Villa von vorhin ist deren gerade Linie kein Problem.

Schläfrige Windmühle am Rand von Paretz

Die Ketziner Bergstraße bereitet nun auf die finalen Höhenmeter der Runde vor. Hinter den letzten Häusern kommt dann auch der ziegelsteinerne Wasserturm in den Blick, der am Rand eines wiesenbedeckten Hügels steht. Hier kann man herrlich Kinder freilassen – rennend und hopsend, blumenpflückend oder auch purzelnd und rollend. Bei letzterem beiden ist nur vereinzelt Vorsicht geboten, weil an manchen Stellen prächtige Disteln wurzeln.

Ketziner Wasserturm mit Wiesenhügel

Der Turm ist von schlichter Eleganz und wirkt am besten aus naher Ferne, aus der Nähe ist er eher zweckdienlich und eingezäunt. Gleich danach löst sich dann das Rätsel des letzten Turmes, der früher am Tag schon aus verschiedenen Richtungen gesichtet wurde und sich der Zuordnung entzog. Keine Kirche, kein Rathaus und keine Villa, sondern pragmatisch und trotzdem wunderschön der Turm, in dem die Feuerwehr ihre Schläuche zum Trocken aufhing oder heute noch aufhängt. Weit oben am Himmel zieht eine lange Gänse-Eins entlang und sieht nach großer Reise aus, trotz fortgeschrittenen Winters.

Zum schönen Tagesabschluss schlendern wir noch eine der Altstadtgassen hinab zum Wasser und schauen von der Havelpromenade ins schwindende Licht des Tages, das den ersten Staßenlaternen schon den Impuls gegeben hat. Drüben im Schilf huscht es da und dort. Das zarte Schlagen der Kirchturmuhr geht über in die patschenden Flossentritte zweier startender Schwäne, die schon bald nicht mehr zu hören sind.











Anfahrt ÖPNV (von Berlin): S-Bahn bzw. Regionalbahn nach Potsdam, dann weiter mit dem Bus (1,5-2 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): Landstraße (ca. 1-1,25 Std.)

Länge der Tour: ca. 14 km (Abkürzungen gut möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Tourismus-Seite Ketzin

Touristische Information zu Ketzin

Information zu Paretz

Schloss und Park Paretz

Fähre Paretz

Einkehr: div. Gastronomie in Ketzin
An der Fähre, am Fähranleger
Gotisches Haus, Paretz

Wilmersdorf: Tanzende Laken, müde Rüssel und der Duft des jungen Sommers

Nach einem bemerkenswert kühlen Mai mit regelmäßigem Nass von oben hat der Juni direkt auf Sommer umgestellt und spielt sich seitdem in den Zwanzigern der Thermometerskala ab, sogar eine längere Vorschau auf den Hochsommer war schon dabei. Das ist durchaus willkommen, ermutigt zum endgültigen Weghängen der Übergangs- und Winterpellen und passt auch viel besser zum bunten Geschehen, dass sich selbstbewusst zum allgegenwärtigen Grün des Mai gesellt hat.

Sumpfwald am Madlitzer See

Was die Tonkulisse angeht, ist auch im sechsten Monat des Jahres treu dabei die Meise und darf damit als hartgesotten und äußerst universell gelten. Alle schon vom Mai bekannten Kehlen sind nach wie vor zu hören, dazu diverse neue Feinheiten, für die jedoch das landläufige Wald-und-Wiesen-Wissen gewöhnlicher Spaziergänger zu knapp ist.

Mohn am Wegesrand, von sich selbst berauscht

Erfüllend ist er, der Klang dieser großen Vielfalt, die an der Schwelle zwischen Frühling und Sommer ihren Höhepunkt erreicht. Wenn dann alle Partner gefunden, alle Nester gebaut sind, das Brutgeschäft erledigt und alle Eier aus dem Gröbsten raus, schmilzt diese Klangvielfalt irgendwann zur vergleichsweise Stille des hohen Sommers zusammen, wo eher das Grillenzirpen dominiert und das Rauschen des Windes in den hohen Gräsern.

Schlosspark Alt Madlitz

Endlich hört man auch wieder das Klirren von Geschirr und Besteck in den Gaststätten, sieht Kellner wieseln und entspannt zurückgelehnte Leute in den Biergärten sitzen, inklusive froher Gesichter und leisem Kichern. Ein gutes Stück Normalität findet wieder statt und erlaubt unterwegs besondere Vorfreude auf die Einkehr am Wege oder die faule Abrundung des Tages hinterher.

Dorfteich und Kirche in Wilmersdorf

Wilmersdorf

Davon abgesehen verlangt die tief eingekerbte Gewohnheit des eigenartigen Jahres noch immer nach einsamen Wegen, auf denen lediglich in den Weg ragende Blätter, herabhängende Blüten und querkriechende Schnecken zum Ausweichen veranlassen. Dazu kommt noch eine große Sehnsucht nach bunten Kornrändern, die neulich in der Uckermark nicht zu finden waren. Und dann ein paar verlässliche märkische Zutaten wie alter Laubwald, gewundene Seen und vielleicht noch sowas wie eine Mühle oder ein Schlosspark. Notfalls auch beides.

Auf halber Strecke zwischen der Spreestadt Fürstenwalde und Frankfurt an der Oder gibt es in mildhügeliger Landschaft eine ganze Reihe Dörfer, gleichmäßig verstreut und dennoch selten in Sichtweite zueinander. Einige davon haben Schloss und Park, andere wiederum liegen an einer Seenkette, die von Seelow im Norden bis hinab zur Spree reicht. Wilmersdorf ist eins davon und hat neben einem schönen Teich mit großblütigen Seerosen eine anmutige Kirche, zu der man wahlweise über ein kleines Brücklein gelangt.

Apfelallee bei Wilmersdorf

Vom letzten Haus am südlichen Dorfrand führt eine mitteljunge Apfelbaumallee zum dichten Laubwald, der saftig grün sowie mit einigen feuchten Stellen durchsetzt ist und schon bald an einen überwachsenen Schlosspark erinnert. Das liegt zum einen an einer gewissen fahrigen Strukturiertheit mit Hügeln und Pfadgassen, die in softwarefreier Realitätserweiterung Ruinenteile sehen lässt, wo gar keine stehen.

Im Wald zwischen Wilmersdorf und Alt Madlitz

Zum anderen sorgt neben verspielten Wegwindungen ein System von Gräben, Schilf und Weihern für den Eindruck einer weitläufigen Anlage aus Menschenhand, auch wenn vieles davon trocken liegt. Dies bestätigend kommen bald ein paar Brücklein zu Hilfe, die nun konkret sind und vorhanden, teils auch etwas morsch.

Im äußeren Schlosspark Alt Madlitz

Zuletzt ist es der markante Bestand an Bäumen und Büschen, der sich vielfältig zeigt und walduntypisch mit seinen großgewachsenen Büschungen aus Lebensbaum und Buchs und den alten Stämmen verschiedenster Baumarten dazwischen. Später ist zu lesen, dass hier vor zweihundertfünfzig Jahren der erste Landschaftspark im englischen Stil auf Brandenburger Boden gestaltet wurde. Lenné übrigens hatte mit dem noch nichts zu tun, nicht zuletzt da er erst einiges später auf der Bildfläche erschien.

Pavillon namens Monopteros im Schlosspark

Wer mit der charmanten Rumpligkeit der wilden Außenbereiche des Parks nicht viel anfangen kann, dem hilft es vielleicht zu wissen, dass hier seinerzeit kluge Köpfe wie der Bildungsspezi Wilhelm von Humboldt oder die Romantiker Clemens Brentano, Johann Ludwig Tieck und Achim von Arnim lustwandelten – sicherlich mal scharfsinnig aktiv, dann wieder weinselig entspannt und viellelicht sogar herumalbernd.

Schattiger Waldpfad nahe des Schlosses

Hier gibt es nun schon einen leisen Vorgeschmack auf 2021 als ergiebiges Mückenjahr. Tröstlich dabei ist nicht allein die Tatsache, dass die lieben Vögel reichlich Futter finden für all die krakeelenden Nachwuchsschnäbel, sondern zudem die Beobachtung, dass die frische Generation der Plagegeister noch unerfahren oder eben nicht allzu helle ist und daher nicht sofort nach dem Landen zusticht. Diese Unentschlossenheit erlaubt häufig die Vermeidung des Zugriffs, mit oder ohne harte Konsequenzen.

Das Schloss ganz hinten

Landschaftspark Alt Madlitz

Jenseits der Reviere der sirrenden Sauger gewinnt der Schlosspark an Konkretheit, vorher gab es schon einzelne Wegweiser, die einen Rundweg erwähnen. Bald öffnet sich der Wald nach links und stellt am Ende einer langen Wiese einen hübschen Pavillon ins Bild, auf winzigem Hügel. Bald folgt noch mehr Offenheit mit einer kunstvollen Riesenwurzel in Weiß, und tatsächlich zeigt sich kurz darauf eine distanzierte Schlossfassade von schlichter Eleganz.

Wiesenpfad am Ausgang zur Dorfstraße

Die Distanziertheit wird zur Tatsache, als Durchgangsschilder und grollende Hunde im Zwinger folgen, also wenden wir und verschwinden in einer einladenden Pfadgasse, die bei einer anmutigen Bank beginnt. Durch üppige Natur schlängelt sich der Pfad, zu Füßen hoher Stämme und in Tuchfühlung mit ausgeuferten Büschen voller Blüten. Jetzt wird auch die Duftmischung ganz bewusst, die bereits den ganzen Tag begleitet. Robinien und Linden, Jasmin und Holunder und immer wieder die wilden Rosen, dazu die Gräser und das Korn – ganz gleich ob man im Wald ist oder im Park, zwischen Wiesen oder am offenen Feldrand, dieser Juni-Tag ist ein absoluter Tag der Düfte.

Kirche Alt Madlitz, von Blühbüschen gerahmt

Kurz vor den ersten Häusern weist ein hölzernes Schild nach links zum Ausgang des Rundwegs und leitet zauberhafte Minuten der Landlust ein. Ein Wiesenpfad reiht Kurve an Kurve, umrundet dabei ein lose abgegrenztes Gärtchen, das an eine gemütliche Feldsteinfassade grenzt. Kindshohe Wiesen voll wogender Dolden und Rispen werden von einem Weidezaun notdürftig im Zaume gehalten, bis der Weg schließlich in drei nostalgischen Stufen an der stillen Dorfstraße endet.

Rastbank am Weg zur Seenkette

Alt Madlitz

Gleich gegenüber stehen hübsche Fassaden, links zeigt sich das schmiedeeiserne Tor zur Schlossanlage, hoch genug, um Löwen abzuhalten. Gleich daneben schlüpft übrigens der Rundweg durch den Park in einen lauschigen Pfad und liefert das letzte Puzzleteil für den Zusammenhang der angedachten Wegelenkung. Das Schlosscafé liegt noch im Schlaf, nicht ersichtlich ob dauerhaft oder bis hin zur endgültigen Öffnung auch gastronomischer Innenräume. Ein Stück die Straße runter steht auf einer sanft erhöhten Wieseninsel die putzgraue Kirche, oben am Turm leuchten farbkräftig die Ziffernblätter, während die Haupttür von Rosenbüschen eingerahmt wird. Hier finden wir nun die erhoffte freistehende Rastbank im Winde.

Bienenweide mit Elfentanz

Während die Beine ausgestreckt werden und der Rucksack leichter wird, spielt sich ein Großteil des Tagesverkehrs ab. Mit einem Mal strömen von überall kleine Herden von Radfahrern und kurbeln in Hühnermanier kopflos umher, bis die Richtung klar scheint. Ein Bursche mit weit überhängendem Rucksack läuft erst hin, dann her und wieder hin, bevor ihn ein aufgepumpter Pickup mit synthetisch getuntem Motorklang schließlich einsackt. Und nachdem eine klassische Oma in Kittelschürze ihr Rad mit dem typischen Lenkerwackeln gen Norden gelenkt hat, zweitakten wirklich noch zwei Stück Dorfjugend auf der Schwalbe vorbei. Weiter hinten kommt der Handwerkerbulli von der Arbeit und parkt rückwärts in den wohlverdienten Feierabend.

Schankterrasse am Gut Klostermühle

Wir lassen all den Trubel hinter uns und schlurfen in Richtung der erwähnten Seenkette aus dem Dorf. Rechts zwischen den Büschen leuchtet mit einem Mal das ersehnte Mohnrot hindurch, bei einer kleinen Bank gibt es schließlich einen Durchschlupf und die Kameras werden verzückt gezückt. Extra bunt ist diese Wiese, die wohl zu jenen zählt, welche immer öfter den Bienen zu Diensten angelegt werden. Über weißen Margeriten und dem blassvioletten Bienenfreund tanzen die zarten roten Laken der entknüllten Mohnblüten ihren Elfenreigen und trotzen in Anbetracht dieses dünnen langen Stängels jeder Vorstellung von physikalisch Möglichem. Es ist jedes Jahr aufs Neue ein kleines großes Schauspiel.

Klostermühle mit fallfrischem Regenwasser im Mühlbach

Am Friedhöfchen nutzen wir die Wasserhähne, um nach der kleinen Sause die Hände abzuspülen. Das hätten wir uns sparen können, denn unvermittelt bricht der Himmel auf und lässt uns erst die Schirme öffnen, dann umständlich die Regenpelle überziehen. Noch zwei Minuten vorher hatten uns zwei beschwingte Dam- und Herrschaften späteren Alters nach der korrekten Richtung und den verbleibenden Gehminuten bis nach Alt Madlitz befragt, beide sahen eher nach unterhaltsamen Schnurren, geistreichen Bonmots und Sommerspaziergang aus als nach Regenschutzvorsorgemaßnahmen und Praktischem. Gut, dass der Tag kein allzu kalter ist und ein teurer Panama-Hut auch rasch wieder getrocknet ist.

Madlitzer See

Madlitzer Mühle

Auch wenn der Schauer keine zwanzig Minuten dauert, kommt doch einiges runter und sammelt auf der abschüssigen Asphaltspur kleine Bäche, auf denen selbstgeschnitzte Borkenboote gut in Fahrt kommen könnten. Der Wald sorgt für Windschutz von der Seite und verhindert komplett nasse Hosen. Dennoch sehen wir stilistisch eher fragwürdig als nach Vier-Sterne-Gastronomie aus, als wir am tiefsten Punkt die Gebäude der Madlitzer Mühle erreichen. Auf der halbnassen Außenterrasse am See sitzen jedoch schon ein paar andere unserer Kategorie, so dass wir uns für ein Tässchen Heißen dort niederlassen.

Im Park des Gutes Klostermühle

Das stattliche Preisniveau rechtfertigt sich nicht nur durch Art und Qualität der Anlage, den Charme der Baulichkeiten und natürlich die oberschnieke Lage direkt an der Seebucht, sondern auch durch die zauberhafte Umgebung, die vieldimensional an das nördliche Südschweden denken lässt. Zum weitläufigen Gelände der Gastlichkeiten mit seinen kleidsamen Höhenunterschieden gehören zwischen allerlei Liegewiesen auch ein langer Steg in den See sowie eine der schönstgelegenen Tischtennisplatten zwischen dem 14. und 15. Längengrad. Nicht zuletzt schafft auch das lebhaft fließende Wasser am bemoosten Mühlrad einen Platz von Poesie.

Östlicher Uferweg am Madlitzer See

Madlitzer See

So richtig exklusiv für Leute mit Lust am Draußensein ist jedoch der überschaubar lange Rundweg um den fjordisch gewundenen See, der vermutlich vom Hotel initiiert und umgesetzt wurde. Denn dieser oftmals pfadschmale Uferweg ist, selbst für märkische Verhältnisse, wirklich besonders und verschlägt einen etwa auf der Mitte des Madlitzer Sees vom Skandinavischen an die Schwelle zwischen Mittel- und Hochgebirge. Das Gefühl eines Bergsees dürfte maßgeblich durch den steilen, teils gerodeten Hang oberhalb des Weges entstehen, doch auch durch die Ruhe, mit der das Wasser tief in seiner Eiszeitrinne liegt.

Wegspur durch den Bruchwald

Wie zum Unterstreichen kauert über dem jenseitigen Ufer weithin sichtbar ein einsames Holzhäuschen mit Boot und Steg, das gleichermaßen als schwedische Stuga oder gipfelnahes Berghüttlein durchgehen könnte. Das Boot hat auf der Genießer-Rückbank eine Extralehne, die zu romantischen Ruderpartien einfach dazugehört. Vielleicht ist all das gar nicht echt, wurde nur für den Katalog dort hinprojiziert und ist dann einfach geblieben.

Entscheidende Querungsmöglichkeit nördlich des Madlitzer Sees

Am Nordende des Sees übernimmt ein breiter Waldstreifen, der komplett durchfeuchtet ist. Immer schmaler wird die Wegspur durch das dichte Grün der Jahreszeit, immer dichter rückt das spiegelnde Wasser an den Weg und befindet sich schließlich auf Sohlenhöhe. Dennoch geht es noch etwas tiefer, getränkte Holzbohlen halten den schmatzenden Pfad im Zaum und enden an der entscheidenden kleinen Brücke, die zur anderen Seite des sumpfigen Bruchwaldes übersetzen lässt.

Stilles Wasser im Bruchwald

Genau hier ist eine dieser besonderen Wasserwelten, die absolute Ruhe ausstrahlen, tiefste Natur und wenig Eingriff. Die Stämme streben direkt zum Himmel, das Wasser ist weithin bedeckt von matter, leicht fluoreszierender Grütze. Einen Stockwurf entfernt reguliert ein kunstvoll geflochtener Biberdamm den Wasserspiegel.

Westlicher Uferweg am Madlitzer See

Schwelgerisches Verweilen wäre jetzt angemessen, ist jedoch leider keine Option. Die Mücken sind zwar nicht sehr aufgeweckt, doch dafür reichlich und somit statistisch hin und wieder erfolgreich. Das macht unentspannt und fuchtelnd, und letztlich könnte irgendwas oder man selbst im Nassen landen. Also schnell genossen, hastig einige Eindrücke in Nullen und Einsen gegossen und daheim noch mal in Ruhe angeschaut.

Madlitzer See

Ein stiefelbreiter Pfad führt zurück zum Seeufer und wir sehen gegenüber nochmal die steil ansteigende Hangflanke. Der nadelige Weg verläuft kurz über Uferhöhe und dürfte an warmen Tagen zum Baden locken. Einzelne kräftige Baumäste ragen weit in Richtung Seemitte.

Im Wald zwischen See und Schlosspark

Am Katalog-Hüttchen verlassen wir den See und steigen kurz hinauf in den dichten Wald. Viele Wege gibt es, einige sind vom hohen Gras verwachsen. Der mit dem höchsten Gras ist unserer. In jedem Halm hängen Hunderte Tropfen, und so sind die Schuhe bald mit grünen Samenkörnchen übersät und quatschen bei jedem Schritt vor Nässe. Bald besteht die Option für einen Weg am Waldrand, doch der ist mittlerweile übergepflügt. Auch hier gibt es einen Blühstreifen für Insekten, an dessen Rand wir weglos zum nächsten Anschlussweg gelangen. Der ist jetzt gut gangbar.

Blick vom Dorfrand zur Alt Madlitzer Kirchturmspitze

Kurz hinter dem Sträßchen zwischen Alt Madlitz und Vorwerk Madlitz erreichen wir den östlichen Einschlupf ins Wegesystem des Schlossparks, nach links ragt die Kirchturmspitze über die Wiese. Doch der Waldrand rechts ist jetzt willkommen, offen im Wind und mit lockendem Mohnblumenrot. Ein Reh steht im rehhohen Gras, wird durchs Ohrenspitzen sichtbar und ist mit einem Sprung im Erlenwald verschwunden.

Waldrandweg nach Waldhof

Rechts der Wald ist dunkelgrün, links die bunte Wiese eher hell, und darüber türmt sich mehr und mehr ein düsterer Himmel auf, der den nächsten großen Guss in Aussicht stellt. Der Weg knickt in Richtung Westen ab und führt in mehreren Bodenwellen durch eine mittelalte Allee von Apfelbäumen, die so dicht in Reihe stehen, dass sie ineinander verzahnt fast schon eine Hecke ergeben. Gut für uns, denn als der Regen losbricht, haben wir fürs Erste etwas Schutz von der Seite.

Apfelallee vor Waldhof

Und dann saut es richtig los, von oben, von der Seite, mit Verwirbelungen und teils auch von unten. Mit verzahnten Schirmen und schützenden Bäumen sitzen wir in einem Gehölz die zehn Minuten aus, ohne größere Einweichungen. Von dem kleinen Wasserreich eines ringförmigen Weihers bekommen wir aufgrund der verhangenen Sicht nichts mit.

Nasse Trockenwiesen vor Wilmersdorf

Waldhof

Den Weg voller Pfützen sind bald die Häuser von Waldhof erreicht, wo es einen schweigenden schwarzen Hund zum raschen Weitergehen und einen kleinen Skulpturengarten zum kurzen Verweilen gibt. Dahinter öffnet sich die Landschaft und über den von Erdtönen bunten nassen Trockenrasen ist schon die Kirche von Wilmersdorf zu sehen. Die Aussicht auf Stärkung und Behaglichkeit geht absolut in Ordnung. Wir drosseln die Schrittfrequenz, genießen klamm und mückenfrei die letzte Viertelstunde. Mit dabei ist noch immer der sagenhafte Duft des Tages.

Sinistre Gestalt am Wegrand

Zurück in Wilmersdorf sind noch ein paar besondere Häuser zu bestaunen, die ans Baltikum denken lassen, dabei ein äußerst pittoresker Bauerngarten. Am wespentaillierten Dorfteich werfen wir der Kirche einen verdienten Blick zu, überschreiten an der Schmalstelle das blumengeschmückte Brücklein und gönnen den Schuhen in der Uferwiese noch ein wenig Bodennässe, denn wer braucht schon halbe Sachen. Der aktuelle Sommer gilt nun als getauft.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
Regionalbahn bis Berkenbrück, dann weiter mit dem Bus (Mo-Fr regelmäßig bis Nachmittag, Sa/So keine Verbindung)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über Land B1/B5 (ca. 1,25 Std.)

Länge der Tour: ca. 12,5 km (Abkürzungen gut möglich)(Darstellung ist von Problemwegen bereinigt)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Information zu Wilmersdorf

Schlossgut Alt Madlitz (mit Kurzvideos)

Informationen Alt Madlitz

Informationen Gut Klostermühle

Einkehr: Parkcafé im Schlossgut Madlitz
Gut Klostermühle, Madlitzer Mühle (gehobene Gastronomie)

Grobskizziert – Fürstlich Drehna: Goldenes Plätschern, grüner Mai und die verschonte Filmkulisse

Viel Regen kam runter in den letzten zwei Wochen. Mittendrin gab es eine Handvoll hoch- bis höchstsommerlicher Tage hart an der Dreißig-Grad-Marke, und im Gefolge sind Knall auf Fall alle Baumkronen so grün geworden, dass kaum noch Astwerk durchschaut. Die Obstblüte reicht in diesem Jahr bis Mitte Mai, auch einige Frühblüher stehen noch gänzlich unwelk in den Wäldern, während ein paar Ecken weiter schon die Blumen des Sommers ihre Startlöcher verlassen haben, die zeitliche Langstrecke im Blick.

Blick auf Fürstlich Drehna

All das Grün, die satten Düfte und der getränkte Boden sorgen für diesen Duft, für den man den Mai so liebt. Dazu kommt noch die Geräuschvielfalt, der bei jedem Ausflug weitere Klänge hinzugefügt werden. Während die Lerchen schon seit Februar ihre Begeisterung ins Land schreien und auch die Nachtigallen seit Wochen gewohnt virtuos trällern, kommen nach und nach weitere Charaktertypen und Spaßvögel wie Kuckuck und Pirol dazu – mit hohem Wiederkennungswert auch für Leute ohne viel Vogelahnung. In Dorfnähe gibt es neben stillen Weihern auch solche mit tausend Froschkehlen, und wer gut hinhört, kann hier und dort aus der Ferne die entrückten Bassflöten der liebestollen Rotbauchunken erahnen.

Schlosspark Fürstlich Drehna mit Pavillon

Zwar treiben Temperaturen und Wetterkarten weiterhin ihr Spiel mit den Menschen, die schon längst Wärme und Sonne und leichte Klamotten herbeisehnen nach dieser ewigen Kälte. Doch immerhin hat sich in Sachen Infektionsgeschehen eine gewisse Zuversicht eingestellt, was kleine Schritte zurück in Richtung Normalität angeht. Beständig verfolgte Zahlen tendieren in erstrebte Richtungen, und so soll es zu Pfingsten mit etwas Glück und Vorbereitung möglich sein, sich ein frisch gezapftes Getränk an den Tisch bringen zu lassen.

Schloss Fürstlich Drehna

Fürstlich Drehna

Zum Himmelfahrtswochenende steht ein Ziel auf dem Plan, das weit entfernt ist, gefühlt kurz vor Sachsen liegt. Der Name Fürstlich Drehna verheißt schon Besonderes, und das findet sich dort in der Tat. Nicht allein dadurch, dass hier ein mittelalterliches Wasserschloss steht, benachbart zu einem Lenné-Park, darin ein gusseiserner Pavillon mit bunten Fenstern. Kurios ist vielmehr die Lage des Dorfes, das die Niederlausitz ganz klar im Gesicht trägt.

In Groß Mehßow

Schaut man von Nahem auf die Karte, sieht man den gemütlichen Dorfplatz, der umgeben ist von allerhand historischen Gebäuden wie der Kirche und den Gasthöfen, weiter hinten dem Brauhof und der Schlossanlage. All das steht so konzentriert beieinander und der Raum dazwischen ist komplett gepflastert, dass man sich in einer Filmkulisse wähnt. Tritt man dann etwas zurück, zeigt die Karte, dass das Dorf von ehemaligen Tagebauen umgeben ist, wie eine Halbinsel hineinragt.

Teichrundweg Nord in Groß Mehßow

Heute ist das in der Landschaft kaum noch zu erkennen, da viele Restlöcher zu großen Seen geworden sind, auf vielen Brachflächen junger Wald herangewachsen ist und die von unten nach oben gekehrte Erdoberfläche langsam von der Natur zurückgenommen wird. Schaut man auf Karten oder Luftbilder, die älter als zwei Jahrzehnte sind, ist die Halbinsellage noch deutlich zu erkennen. Auch die dringlichen Warnschilder im Randbereich der englischen Parkanlage erinnern an einigen Stellen recht konkret daran. Unter diesem Blickwinkel erscheint die Beschaulichkeit der Filmkulisse im Herzen des Dorfes noch kurioser.

Zwischen den Fischteichen bei Groß Mehßow

Am Rand des Dorfes steht auf einer kleinen Erhebung eine originalgetreu nachgebaute Bockwindmühle. Von dort ist es nicht weit bis zum Ufer des Drehnaer Sees, der weit größer aussieht als er eigentlich ist. Unweit seiner Uferlinie findet sich in der Heidelandschaft nordöstlich des Dorfes der umgezogene Grundriss einer alten Kirche, ohne dritte Dimension. Die wurde seinerzeit im Rahmen des Tagebaues gesprengt und hinterließ dabei einige offene Fragen. Insgesamt ist Fürstlich Drehna also ein klassisches Ausflugsziel, das viele Interessen vereint.

Im nassen Wald des Tannenbuschs

Wem dabei die Natur zu kurz kommt, der kann die Wälder rund um das Nachbardorf Groß Mehßow erkunden. Diese bieten eine faszinierende Besonderheit, wie sie im Land Brandenburg nicht noch einmal zu finden sein dürfte. Dabei ist etwas Mut zu nassen Füßen und plötzlich endenden Wegen sowie auch eine Prise Humor gefragt, denn nicht immer ist alles so, wie es die Karten verheißen. Ans Ziel kommt man letztlich immer – manchmal eben mit kleinem Umweg.

Im durchflossenen Wald des Tannenbuschs

Bedingt durch den an Quellen reichen Höhenzug der Babbener Berge und eine ausgedehnte unterirdische Tonplatte findet sich in diesen Wäldern Wasser an der Oberfläche, das sich tiefenentspannt in weit verzweigten Netzen durch den Wald des Tannenbuschs verteilt. So trifft man überall auf kleine Gräben von eher natürlicher Gestalt, in denen goldbraunes Wasser seinen Weg zum nächsten Teich oder ins Tal der Dobra antritt, sehr gemächlich, doch fast immer bewegt.

Vor Groß Mehßow, von Süden kommend

Eben diese geringe Fließgeschwindigkeit ist es, die dafür sorgt, dass der Wald auf großer Fläche durchfeuchtet bleibt. Die Gestalt erinnert ein bisschen an die Grabensysteme im Harz, westlich vom Brocken bei Torfhaus, wo die großen Hochmoore liegen. Die Optik ist für Brandenburg ungewohnt und hinterlässt einen bleibenden Eindruck.

Fischteich bei Tugam

Groß Mehßow

Auch die Fischteiche bei Groß Mehßow gehören zu diesem Wassersystem. Der größte von ihnen, der Große Teich, lässt sich umrunden. Im Bereich seines Nordufers ist dabei guter Gleichgewichtssinn und etwas guter Wille erforderlich, denn der eher provisorische Weg liegt an mehreren Stellen unter Wasser. Daher muss über hölzerne Eisenbahnschwellen balanciert werden, die zwar ortsfixiert, doch halbwegs schwebend im Wasser liegen. Zumindest ein nasser Schuh ist dabei wahrscheinlich.

In Tugam

Doch auch ohne Umrundung lässt sich tief in das Teich- und Waldreich des Naturschutzgebietes vordringen, wobei die Wege aus verschiedenen guten Gründen keinesfalls verlassen werden sollten. Zwischen den Babbener Bergen im Westen, dem Schulmeisterberg im Süden und dem Weißenberg im Osten lassen sich jedoch genug Wege finden, die einen weiten Bogen durch dieses besondere Waldgebiet gestatten.

Radweg Drehnaer See

Tugam

Vom Weißen Berg führt ein idyllischer Weg zum Gutshaus Groß Mehßow, und auch der Weg aus dem Dorf hinaus gestaltet sich sehr anmutig – wie fast den ganzen Tag entlang eines Wasserlaufes, später über ein Brücklein. Kurz hinter dem Brasenteich liegt das Dörfchen Tugam mit manch schönem Haus, und ein paar Minuten später ist man schon am steilen Ufer des Drehnaer Sees, der vollständig von einem Radweg umrundet wird, nach der komfortablen Art, wie sie in der transformierenden Tagebau-Lausitz häufig anzutreffen ist. Der Radweg weiß gerade nicht so richtig, wo er eigentlich langführt, und so ist etwas Interpretation gefragt. Wer auf Nummer Sicher gehen will, folgt bei Tugam der Linkskurve der Straße nach Fürstlich Drehna, die jedoch nur punktuell Blicke auf den Drehnaer See gestattet.

Drehnaer See

Wenn der Tag dann langsam zu Ende geht, kann man sich am Drehnaer Dorfplatz einem der Biergärten anvertrauen oder einfach nur eine Bank im Park suchen, versonnen auf den Schlossteich stieren. Und sich dann freuen, dass der Tagebau auf Abstand blieb und diese Filmkulisse aussieht, wie sie schon immer aussah – nicht ganz von dieser Welt.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
Regionalbahn bis Finsterwalde, von dort Bus nach Fürstlich Drehna (Bus nur Mo-Fr, nicht gleichmäßig verteilt)(2-2,5 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): Autobahn bis Abf. Calau, dann Landstraße (ca. 1,5-2 Std.)

Länge der Tour: ca. 19, 5 km (Abkürzungen vielfätlig möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Kulturlandschaft Fürstlich Drehna

Groß Mehßower Teiche

Wüste Kirche Drehna

Einkehr: Gasthof Zum Hirsch, Fürstlich Drehna
Pferdestall, Fürstlich Drehna
Café Alte Schule, Fürstlich Drehna
Schlossrestaurant, Fürstlich Drehna
Gasthof Kasprick, Groß Mehßow

Stadtrandtour Wannsee – Blattgoldrausch, Inselkapellen und ein Raum für Sehnsucht

Wenn dieses verquaste Jahr irgendetwas besonders gut kann, dann ist es Herbst. Für gute Laune reicht das nicht bei jedem, dennoch zieht es viele Menschen ins Freie, mehr als sonst üblich. Und in der Tat geht es besonders golden zu, sei es nun auf dem Lande oder mitten in der Stadt oder auch dazwischen. Novemberwetter gab es diesmal eher im Oktober, und das reichliche Gold im November lässt einen Tauschhandel vermuten, der vielleicht taktisch ausgeklügelter ist als man meinen sollte. Denn es gilt, die allgemeine Trübnesse etwas aufzuhellen.

Goldener Teppich am Griebnitzsee

Trüb ist dieser November also weniger vom Wetter her, vielmehr ist er trüb für alle Häuser, bei denen eine Bühne oder eine Küche im Zentrum steht. Die Türen müssen zu bleiben und Optionen zur Vermeidung des völligen Stillstands verlangen nicht nur Phantasie, sondern auch noch irgendetwas in der Hinterhand. Und am besten etwas Platz unter freiem Himmel. Wer also noch entsprechende Reserven hat, etwas aus dem Ärmel zu zaubern oder aus dem Boden zu stampfen, kann meistenteils auf dankbare Gesichter und etwas weiter geöffnete Portemonnaies hoffen. Passend dazu hat die zentrale Tourismusstelle des Landes Brandenburg eine Webseite auf die Beine gestellt, wo sich herausfinden lässt, wer zum Beispiel Essen zum Mitnehmen anbietet.

Ungewöhnlicher Potsdam-Blick vom Berliner Gipfel

Ganz unabhängig von all dem macht das Tageslicht sein Ding und bietet der Natur damit eine verlässliche Größe. Grün wird zu bunt, herabgefallen dann zu leuchtend. Farbakzente liefert nur der Zufall hier und da. Es duftet nach Eicheln, nach Pappellaub und Pilzen, nach werdender und währender Erde. Pilzsammler kamen überraschend, weil später als gewohnt auf ihre Kosten und konnten schließlich noch gut gefüllte Körbe durchs Unterholz schleppen. Etwas höher im Wald wird es immer stiller, obwohl zwischen dem Gekrächze der schwarzen Einsilbigen nach wie vor dieses niedliche Finkengezwitscher zu vernehmen ist, manchmal auch schon ein paar frühe Wintermeisen.

Versammelte Sehnsuchten

Wannsee

Rund um Potsdam lassen sich, das ist nichts Neues, herrliche und besondere Tage verbringen. Viel Wasser und lebhafte Uferverläufe gibt es hier, Hügelländer voller Wald und dazwischen unzählige Accessoires für Historienfilme, so dicht gesät wie selten irgendwo im Lande. Noch dazu sind diese großen und kleineren Bauwerke meist in herrschaftliche Parkanlagen gefasst, die jeweils für sich schon als Tagesziel taugen.

Abendliche Wannsee-Ausfahrt

Wem nun selbst Potsdam zu weit weg ist, der findet all das bereits auf einer großen Insel, noch auf Berliner Stadtgebiet. Der Inselwerdung wurde einst von Menschenhand etwas nachgeholfen, nichtsdestotrotz gibt es nur eine Handvoll Brücken, auf denen sich die Insel Wannsee trockenen Fußes verlassen lässt.

Pergola-Gang an der Bismarckstraße in Wannsee

Der Uferweg vom Wannseer Hafen vorbei an der Pfaueninsel zur Glienicker Brücke ist quasi ein Klassiker, nicht zuletzt deswegen, weil sich die Tour an mehreren Stellen per Bus verkürzen lässt. Falls der Bus gerade weg ist, geht man einfach ins jeweilige Wirtshaus und lässt dort vielleicht gleich noch den nächsten Bus fahren.

Auch recht bekannt ist das bezaubernde Wege-Pendant am Südufer. Auch wenn hier die Ausflugsziele nicht Schlag auf Schlag folgen, sorgen die verspielte Uferlinie und der Verlauf dicht am Ufer für gutgehend Betrieb, nicht nur an sonnigen Tagen. Neonbunte Laufschuhe wollen amortisiert sein, Hunde ausgeleert oder Gedanken freigelassen. Will man nun die Insel einen ganzen Tag durchstreifen und trotzdem nicht zu viele Menschen treffen, ist auch das möglich – dank einem dichten Wege- und Pfadenetz.

Taille vom Kleinen Wannsee zum Pohlesee

Bhf. Wannsee

Vom Bahnhof ist es nur ein Katzensprung zum Gasthaus und Biergarten Loretta mit einem der schönsten Blicke auf den Wannsee. Auf der anderen Seite der Königsstraße kommt man durch einen kleinen Park zur Bismarckstraße, ein paar Minuten später schon zum ersten Kulturbeitrag am Weg: in einem kleinen Stückchen Grün oberhalb des Kleinen Wannsees steht das Kleistgrab mit seinem korpulenten Stein. Hier liegt der Dramatiker neben seiner Freundin Henriette Vogel, mutmaßlich an der Stelle, wo sich beide gemeinsam und wohlüberlegt von dieser Welt verabschiedeten.

Uferweg am Griebnitz-Kanal

Entlang der kleinen Pflasterstraße gibt es teure Anwesen, auch schöne und geschmackvolle, jeweils entsprechend die Gärten. Manche sind zugeknöpft, andere wirken historisch wertvoll und einige sind regelrecht verspielt. Im Gedächtnis bleibt ein langer Pergola-Gang aus rotem Gebälk, auf dem sich ein dichtes Dach aus Glyzinien räkelt. Hier und da blitzt unten die Wasserfläche durch.

Blick auf die Marina am Pohlesee und Turm auf dem Schäferberg

Unvermittelt endet die Straße am Wald und lässt die Auswahl zwischen zwei Wegen. Wer Muße hat oder ans Wasser will, geht rechts und kommt durch leuchtendgelben Laubwald bald zur Seentaille, wo der Kleine Wannsee zum Pohlesee wird. Neben vielen kleinen Stränden gibt es schöne Blicke hinüber zur Marina, edlen Bootshaus-Ensembles oder den Türmen auf dem Schäferberg. Die Topographie des Uferwaldes erinnert durchaus an namhafte Seekaliber wie den Wutzsee bei Lindow oder das schöne Geschwisterpaar von Liepnitz- und Hellsee.

Am Stölpchensee

Vor der Brücke zum Stölpchensee wird der Weg zum Kanal hin schmaler, dahinter steigt er etwas höher übers Ufer und gibt den Blick frei auf einen markanten Kirchturm. Der sieht irgendwie nach Schinkel oder Schülerschaft aus, der fehlende Turmspitz lässt sich von vier kleinen Eckzacken vertreten. Der Wald wird jünger und dichter, der Laubteppich zunehmend lückenlos. Bald darauf wiederholt sich am Ende des Sees die Geschichte mit dem Kanal und der Brücke, und jetzt endlich wechseln wir hinüber auf die Insel, die den restlichen Tag superb gestalten wird.

Am Ufer des Griebnitzsees

Hubertusbrücke

Drüben liegt unterhalb der Brücke ein herrlicher Biergarten, darin sehr einladend die hölzerne Hubertusbaude. Dass hier keinerlei Bewegung ist, liegt nicht an der Virenproblematik – die Anlage ist seit einigen Jahren geschlossen und sucht einen neuen Besitzer. Der sich hoffentlich finden wird, für diesen schönen Ort direkt am Griebnitzkanal.

Selten gesehenes Panorama über Potsdam

Am Ufer des gleichnamigen Sees kommt die Sonne heraus und adelt das Goldbraun, das Wege und Hänge bedeckt. So lückenlos ist der waldweite Teppich, dass der kleine Pfad kaum zu erkennen ist, der den Aufstieg auf den Moritzberg einläutet. Rutschig ist das Laub, sodass die ersten steilen Meter nicht nur auf den Füßen zurückgelegt werden. Schließlich greifen die Sohlen wieder, der Gang bleibt aufrecht. Das passt gut, denn wir renken uns die Blicke aus nach den fünfzig Kranichen, die direkt über uns sein müssen und doch nicht zu sehen sind.

Rennsteig-Impression auf der Deponie Wannsee

Moritzberg

Nach etwas Wegewirrwarr und einigen querenden Joggern und Mountainbikern geht der Aufstieg erneut zur Sache, nun breit und knirschend. Auf dem Gipfel suchen wir vergebens nach einem Pausenplätzchen oder einer Aussicht irgendwohin, finden jedoch anhängliches Dornengestrüpp und verworrene Wildpfade. Etwas unterhalb dann schließlich ein Holzschild, das einen Moritzberg benennt. Nur ein paar Schritte weiter kann das Auge über die entlaubten Zweige weit in die Landschaft schauen, nach Südwesten hin zu den Hochhäusern der Potsdamer Waldstadt und dem fernen Turm auf dem Ravensberg dahinter. Direkt nach Süden reicht der Blick weit ins Brandenburgische.

An der Waldmüllerstraße, Klein Glienicke

Abseits des Weges hören wir etwas rechts vergnügtes Geschnatter, ein Pfad führt dort hin und beides zusammen macht neugierig. Zwei Damen kommen uns entgegen und geben kichernd einen Aussichtsplatz der Sonderklasse frei, insofern, dass Potsdam von dort betrachtet aussieht, als läge es irgendwo ins Thüringische Bergland einschmiegt. Das Stadtpanorama reicht vom Rand der Waldstadt und dem Telegraphenberg bis zur markanten Kuppel der Nikolai-Kirche, davor St. Smafo resp. Heilig Geist. Und noch weiter bis zur vergleichsweise nahen Sternwarte Babelsberg.

In Klein Glienicke

Der seltene Blickwinkel macht klar, dass die Stadt nicht nur von der Havel durchzogen ist, sondern auch von zahlreichen Höhenzügen umgeben. Die sind zwar insgesamt nicht allzu hoch, doch eben einiges höher als die Wasserflächen und zumeist bewaldet. Alles zusammen ergibt diesen Eindruck, der noch den ganzen Tag nachhallt.

Beim Schloss Klein Glienicke

Der Thüringer Gedanke wird vom bald folgenden Kammweg weitergesponnen, der prompt ein wenig an den Rennsteig denken lässt. Ein steiler Abstieg bringt wieder die Sohlen auf dem glatten Laub ins Rutschen, bis am idyllischen und gut bevölkerten Uferweg am Griebnitzsee die Bergepisode ihr Ende findet. Dennoch ist der letzte Höhenmeter noch lange nicht gesammelt … Unten am Ufer sitzt in sich versunken ein Angler, oben im Hang turnt ein Junge zwischen den liegenden Stämmen herum. Müde sein werden sie am Abend beide.

Oft gesehene Brücke zwischen den Ländern Brandenburg und Berlin

Klein Glienicke

Schon die ersten Häuser von Klein Glienicke strahlen Mondänes aus, prompt fühlt man sich ganz woanders. So ganz falsch ist das nicht, denn der nächste Kilometer wird im Land Brandenburg verbracht. Passend dazu fachsimpeln gerade zwei Herren in aufwändiger Garderobe um ein weißes Mercedes-Cabrio aus den Fünfzigern herum. Der Motor läuft, schnurrt sonor und entlässt hinten nostalgisch aromatische Abgase. Es wird eingestiegen, fünfzig Meter gefahren, wieder ausgestiegen und erneut um das Auto herumgelaufen. Das wiederholt sich noch einmal, bis schließlich die passende Kulisse der geräumigen Waldmüllerstraße erreicht ist, die auch geeignetes Publikum bereithält fürs Verlassen der Szenerie.

Im Volkspark Klein-Glienicke

Neben der Straße liegt still ein kleiner Wasserlauf, begleitet von einem winzigen Graspfad, von dem sich schön die besonderen Holzhäuser am anderen Ufer bestaunen lassen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wird eine kleine Hoffnung wahr: das Eiscafé hat eine Luke offen, draußen einen kleinen Grillstand eingerichtet, und wir können uns was Kleines zu naschen rausholen. Außer den Schlangestehenden bleiben alle Gäste auf dem zugehörigen Gelände stets leicht in Bewegung, damit nicht der Verdacht des Aufhaltens entsteht. Drumherum ist ordentlich Betrieb, kein Wunder, denn hier ist die Hauptschnittstelle zum Park Babelsberg, zudem kreuzen sich hier zahlreiche Rad- und Wanderwege.

Vollblütige Live-Musik in Abstandszeiten, Gasthaus Moorlake

Nur ein paar Minuten sind es zum Schlosspark Klein Glienicke, der nun wieder in Berlin liegt oder doch so absolut nach Potsdam aussieht. Auf dem Weg dorthin liegen ein süßes Kirchlein und der Friedhof in einer eigenartigen Nische des Grenzverlaufes, die sicherlich genau damit zu tun hat. Das direkt benachbarte Jagdschloss ist seinerseits von einem Ausleger der Berliner Grenzlinie umschlungen.

Höhenweg unweit der Moorlake

Der weitläufige Park ist zur Straße hin abgesperrt, was sich in der Trockenheit der letzten Sommer begründet und dem Bestreben, dass keinem Parkbesucher etwas zu Großes auf den Kopf fällt. Die Absperrungen setzen sich in Richtung Moorlake noch fort. Stellenweise bleibt Interpretations-Spielraum offen, welcher Weg zu benutzen ist und welcher nicht. Und zuletzt gibt es ja auch noch den gesunden Menschenverstand.

Blick von der Terrasse am Blockhaus Nikolskoe

Das ist insgesamt wenig tragisch, denn reizvoll sind beide Varianten. Der Hochuferweg sammelt dabei unter alten Laubbäumen so einige Höhenmeter und verwöhnt mit überraschenden Aussichtsfenstern auf die Glienicker Brücke, die Heilandskirche am anderen Ufer oder das markante Bauwerk auf der Pfaueninsel, zwischendurch öffnen sich immer wieder die weiten Wasserflächen der Havel. Begleitet wird der Weg von dicken Holzgeländern, die an Hochuferwege auf Rügen oder Usedom denken lassen, welche sich ähnlich auf und ab gebärden. Unten der Uferweg hingegen gibt sich ruhig und gleichmäßig, und der Besucherverkehr hält sich gerade auch in Grenzen, so dass man keinen Ausweich-Slalom laufen muss.

Blockhaus Nikolskoe

Moorlake

Die Bucht der Moorlake wird in einem langen Rechtsbogen erreicht, und so gleicht es zunächst eher einer Erscheinung, wird erst nach Minutenfrist deutlich und schließlich zur Gewissheit, dass vom Herzen der Bucht Musik erklingt, direkt vom Instrument. Das ist in diesem Jahr auf seine Weise besonderes schön und leitet eine ausgedehnte Viertelstunde ein, die so anmutig wird, dass man gern die Zeit anhalten würde. Auch hier wurden ein paar Ladentische rausgestellt und man bekommt Süßes zum Kaffee oder Herzhaftes zum Sattwerden.

Kirche am Blockhaus Nikolskoe

Die zwei virtuosen Musiker spielen sich beiläufig und ohne Theatralik die Seele aus dem Leib und laden die Luft mit Emotionen auf, was die Kombi aus Fidel, Quetschkommode und herzergreifenden Zigeunerweisen ja sehr gut drauf hat. Zwischendurch gibt es ein paar sauber servierte Gassenhauer der ernsten Musik, die jeder wiedererkennt. Alles in allem sorgt dafür, dass jeder gern was von Gewicht in die Mütze fallen lässt und am Abend das verdiente Feierabendbier kein nennenswertes Loch in die Kasse reißen wird. Ein perfekter Platz, gute Wahl der Instrumente und ein Vorgang, von dem alle Beteiligten am Ende viel mit nach Hause nehmen dürfen.

Fähre zur Pfaueninsel

Blockhaus Nikolskoe

Kurz hinter Moorlake darf nun ganz legal der Höhenweg erklommen werden. Lange Stufen führen hinauf in den Küstenwald und spinnen im Reich der Goldnuancen den Ostsee-Faden fort. Nach der nächsten Abbiegung wähnt man sich dann auf einmal einiges südlicher, oberhalb des Elbtals da irgendwo bei Dresden, und am Ende der nächsten Treppe ist man wieder völlig woanders, eher so direkt im Baltikum. Das tiefschwarze Blockhaus Nikolskoe bietet zwar keine russische Küche an, doch die Optik und die benachbarte Kirche mit ihrer kleinen Zwiebel entführen kurz in den fremden Kulturkreis. Den großen Havel-Blick und Gelegenheit zur Rast bieten beide.

Essenausgabe am Gasthaus Pfaueninsel

Fähranleger Pfaueninsel

Ein sanfter Abstieg endet kurz vor dem Fähranleger zur Pfaueninsel. Auch hier stehen zwei kleine Stände vor dem Gasthaus, auf der Karte neben dem Imbissangebot auch Waffeln. Eine frischgebackene Waffel an der Fähre – allein das ist schon ein kleiner Urlaub. Etwas Wartezeit haben wir dabei, denn das grazile Waffeleisen ziert sich ein bisschen. Der Duft von Bratwurst und Kaffee, Glühwein und Waffeln tröstet ein bisschen über die Adventsmärkte hinweg, die es in diesem Jahr vielleicht nicht geben wird.

Spiegelschnitt vor der Pfaueninsel

Zum Kommen und Gehen der Fährpassagiere gesellen sich noch palavernde Enten, ein paar Ruderer und die erste Ankündigung der tiefstehenden Sonne, die bereits jetzt für nordische Lichtstimmungen auf dem Wasser sorgt. Wasserfläche und Insel, Paddler und Bootshäuser – in der Tat landen die Gedanken kurz in Skandinavien und wir müssen uns ein weiteres Mal bewusst machen, dass sich dieser ganze Tag in Berlin abspielt, bis auf den erwähnten Kilometer.

Versammelte Sehnsuchten

Vom Uferweg wirft sich nun die Insel in Positur, im edlen Abendlicht. Eine zügige Dame paddelt ihr pfeilschmales Kajak so ruhig, dass der Wasserspiegel kaum gestört wird. Weit oben am Himmel strebt eine Gänse-Eins gen Süden, vielleicht zum nassen Land bei Blankensee oder auch zu den Nuthe-Wiesen. Kurz darauf wechseln wir wieder auf den hohen Pfad und können zugleich einer stehenden Wolke von schwerem Duftwasser ausweichen, die schon seit Minuten den ganzen Weg ausfüllt, auf voller Breite.

Sehnsuchts-Beratungsstelle zwischen Birkenstämmen

Nur per Zufall nehmen wir rechts im Wald eine Rasthütte wahr, die nicht direkt einladend aussieht. Doch es lohnt sich, befindet sich doch hier die einzige Sehnsuchtsberatungsstelle weit und breit. Wir nehmen einen kurzfristigen Termin wahr, müssen uns dann jedoch beschränken, da das Licht allmählich knapp wird und noch eine halbe Stunde Wald vorausliegt.

Blick auf das glimmende Strandbad Wannsee

Das Licht wird in der Tat schnell knapp, schon sind an den anderen Ufern die Lichter deutlich heller als alles andere. Doch der Spiegel der Havel verdoppelt das vorhandene Dämmerlicht und schenkt uns damit die verlorenen Minuten zurück. An einer breiten Strandstelle sehen wir gegenüber das Strandbad Wannsee mit seinem endlosen Strand rot erglühen und nehmen erst jetzt wahr, dass der Tag mit dem schönsten Abendrot ausklingt, das der November zu bieten hat. Nach der nächsten Kurve dreht der Weg nach Süden, und nun sehen wir über der Böschung den ganzen Wald in fahlem Rot. Viele Leute sind noch mit uns und sehen zu, dass sie die nächste Straßenlaterne erreichen.

Flensburger Löwe über dem Wannsee

Flensburger Löwe

Wer uns dort empfängt, ist der wohl größte Löwe von Berlin. Der steht auf einer Aussichtsterrasse am Ende der Uferpromenade, von der sich die ganze Uferlinie des Wannsees bis hin zum hell erleuchteten Hafen sehen lässt. Um ihn herum herrscht fröhliches Treiben, nicht zuletzt dank der warm erleuchteten Imbiss-Bude mit ihrem breit gefächerten Angebot. Noch einmal kleiner Budenzaubertrost. Es braucht ja gar nicht viel dafür.

Abend am Hafen Wannsee

Auf dem laternenbeleuchteten Weg vorbei am Haus der Wannsee-Konferenz, der Liebermann-Villa und zahlreichen Boots-Clubs werden jetzt mit einem Mal die Beine bleischwer, kurz vor dem Ziel. Es war so viel in diesem Tag, so viel Neues entlang der bekannten Wege, so viel Besonderes und Schönes.

Als wir endlich den Hafen erreichen, entfernt sich gerade ein kleiner Dampfer, hell erleuchtet, wie eine Traumvision in diesen Zeiten. Zu leise denken wir, um echt zu sein und drehen uns nochmal um, nach dem Erklimmen der allerletzten Treppe. Das stille Licht ist fern, doch noch zu sehen.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
mit der S-Bahn oder Regionalbahn zum S-Bhf. Wannsee (0,5-0,75 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): nicht praktikabel (falls doch: B 1 nach Wannsee (0,75-1,25 Std.))

Länge der Tour: ca. 20 km, Abkürzungen vielfach möglich (auch per ÖPNV)


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Links:

Insel Wannsee

Ehemalige Deponie Wannsee 

Einkehr (Auswahl): Hubertusbaude, am Stölpchenweg/Hubertusbrücke
Wartmanns Eiscafé, Klein Glienicke
Forsthaus Moorlake, Moorlakeweg
Blockhaus Nikolskoe, Nikolskoer Weg
Wirtshaus Zur Pfaueninsel, Pfaueninselchausee
Imbiss am Flensburger Löwen, Tiefhornweg
Bolles Bootshaus, Tiefhornweg

Seefeld: Kamillenseife, Maschinenlärm und der Weg nach Berlin

Dieser Sommer gibt sich symphonisch in vielen Dingen und bietet eine beherzte Mischung von Düften dar, die vor allem würzig sind und intensiv, daneben viel bewegt und daher ständig neu gemischt. Zugleich ist er außerordentlich launisch und jagt die Thermometerskala rauf und runter, bietet Kostproben der Höllenglut auf und kurz darauf dramatische Wolken, präsentiert wüstenheiße Tage mit stehender Luft oder kühle Sommerwinde, die temporeich um jede Ecke gescheucht werden.

Rundweg am Haussee, Löhme

Viel ist noch übrig vom Frühling, was Vogelkehlen und Wiesenblumen betrifft. Selbst der Holunder, der mancherorts schon längst Früchte bildet, präsentiert seine weißen Blütenteller, die ihren strengen, eigenen Duft verströmen. Ihre Dolden sind zum Teil groß wie eine Handwerkerpranke, die weit geöffnet zum nächsten Werkzeug greift.

Regen gab es immer mal wieder, hier und da auch stürmische Winde und sogar ein paar Unwetter. Zugleich hielt manch brennende Heide mit potentieller Munition im Boden Tausende Helfer und Bewohner in Aufregung, die auf rettenden Regen und abflauende Winde hofften.

Wanderweg von Blumberg nach Ahrensfelde

Der Juli ging schließlich nach einem Temperatursturz von 38 auf 18 Grad an den Start und schustert nun so ein bisschen rum mit frischem Wind und grobmaschig gestrickten Teppichen aus dichten grauen Wolken, die jede Stunde ein per Quote bestimmtes Fensterchen für blauen Himmel lupfen, manchmal sogar ein paar Minuten Sonnenschein durchwinken. Die allgemeine Verwirrung im Hin und Her des Wetters lässt sich am besten an der Bekleidung der Leute auf der Straße ablesen – neben hastig tippelnden dicken Anoraks mit Pelzkragen über hochgezogenen Schultern schlendern entspannt kurzbehoste Schulterfreie in flappenden Badelatschen. Und alle Touristen machen das Beste aus dem, was sie jeweils mehr oder weniger maßlos in ihre Rollkoffer gestopft hatten.

Nach verschiedenen Erlebnissen in der näheren Ferne oder auch etwas dahinter heißt es nun wieder, sich in Berlin und Brandenburg einzuleben, und dazu ist es am schönsten und effizientesten, von der Stadtgrenze her ins Brandenburgische auszuschwärmen oder eben von einem benachbarten Dorf auf die Stadt zuzulaufen, bis irgendwann der Fernsehturm ins Bild rückt.

Aufwändig eingerahmtes Landschaftsbild, Ahrensfelde

Berlins Umsteigebahnhof Nr. 1 ist nun schon über ein halbes Jahr fertig, und nach vielen Jahrzehnten mit ausschließlich S-Bahnen fahren wieder Regionalzüge von hier ab. Wie jedes Kind der Stadt habe ich gemischte Gefühle zu diesem bewegten Bahnhof – wie possierlich scheint doch das Westkreuz dagegen – , den ich zeitweise gefürchtet, lange gern vermieden und über die Jahre doch schätzen gelernt habe. Dass er eines Tages tatsächlich mal fertig wird, schien unwahrscheinlich, doch nun ist es so. Das erste Mal von dort nach außerhalb abzufahren, ist dann tatsächlich ein besonderes Gefühl.

Haussee bei Seefeld

Seefeld

Züge fahren von hier nach Magdeburg an der Elbe, Cottbus an der Spree oder Küstrin an der Oder, auch nach Wismar an der Ostsee und sogar nach Norddeich, puffergenau an den Gezeitenstrand der Nordsee. Derzeit ist sogar das schwäbische Hauptgebiet per Fernzug erreichbar, von wo sich über den Neckar namhafte Weinlagen erreichen lassen.

Etwas weniger spektakulär und ohne Reben oder großes Wasser kommt die Linie nach Werneuchen aus, deren vorletzter Halt in Seefeld liegt. Während der kleine Zug im Stadtgebiet noch gemächlich dahintuckelt, wird hinter dem letzten Bahnhof von Ahrensfelde freudig beschleunigt, so dass die wolkenschattigen Feldlandschaften regelrecht vorbeisausen. An Bahnübergängen locken bereits die ersten Wege und lassen die Sprunggelenke leicht wackeln, und schon bald hält der Zug in Seefeld, das sich mit dem benachbarten Löhme einen Haussee teilt. Der Bahnhof liegt am Rand des Ortes.

Rundweg um den Haussee, Seefeld

Es ist Sonntag, gerade noch vor zwölf, und so können wir uns im gemütlichen Gasthaus am Anger ohne lange Wartezeit stärken, währenddessen die Gäste strömen und Tisch um Tisch besetzt wird. Bei der Wahl des besten Tisches gibt es unterhaltsames Gebrabbel und viel Hin und Her, bis schließlich jeder einverstanden ist. Die Kellnerin moderiert freundlich und bestimmt an den reservierten Tischen vorbei oder von diesen weg. Die wuchtige Feldsteinkirche steht still daneben, schon immer, und auf dem Anger wurde ein winziger „Stadtpark“ eingerichtet, mit allem, was dazugehört.

Blick auf die verschilfte Westbucht des Haussees

Vorbei am Biergarten der fast benachbarten Seeterrasse kommt man nach wenigen Schritten zum Rundweg um den Haussee, der vor ein paar Jahren eingerichtet wurde, liebevoll und fachkundig, und mit gut einem Stündchen Länge von verschiedensten Leuten gern zum Spazieren genutzt wird, insbesondere sonntags um die Mittagszeit. Der See selbst hält sich visuell meist im Hintergrund, ist jedoch zugleich präsent durch Schilfrascheln, Wasserduft und das Klicken der Blesshühner.

Wanderweg nach Löhme

Der Verlauf des meterbreiten Pfades ist verspielt, in dichten Abständen gibt es schöne Rastplätze und bunte Informationstafeln. Aktuell sind die Wegränder bunt gesäumt von allem, was so blüht zwischen spätem Frühling und hohem Sommer – blau, weiß, rot und gelb und noch manche Zwischentöne. Dazwischen die hohen Gräser und kurzen Ähren, denen der Wind durch die Grannen geht, und all das in kräftigen Farbtönen, die nach Sepia-Filter aussehen.

Großdimensionierte Hochspannungsleitungen erinnern zwischendurch daran, dass man sich im unmittelbaren Umkreis einer großen Stadt befindet, doch die Sinne werden schnell wieder nach unten gelenkt vom Rauschen in den Bäumen, dem Huschen im Gebüsch oder dem Summen und Flattern in den Blüten, die jeden Schritt begleiten. Nach einem schönen Pfadgeschlängel setzt sich die Löhmer Kirche in den Blick, deren Helmfirst von einem weithin erkennbaren Hahn gekrönt wird.

Langer Alleeweg nach Westen

Wenn die vielfältige Runde um den Haussee nicht ausreicht, schwenkt man am besten auf Höhe der Kirche ins Dorf und wendet sich dort nach links. Spätestens hier wird es nun einsam. Am Ortsende versiegt der Asphalt und es beginnt auf knirschendem Untergrund einer dieser schönen Alleewege, die zwischen Buschwerk und alten Baumstämmen von einem Dorf zum nächsten führen, niemals schnurgerade sind und dabei halbschattig und etwas windgeschützt.

Letzteres kommt heute weniger zum Tragen, denn unter der dichten, fast etwas barocken Wolkendecke scheint der Wind nach einem Ausgang zu suchen und ist dabei unwirsch und ohne Richtungstreue. Eine Mütze wäre durchaus sinnvoll, doch widerstrebt einem das in dieser Jahreszeit mit Namen Sommer. Somit wird alles, was an Bord ist und sich formen lässt, am Kopf befestigt – Kapuzen, Tücher, Hüte, manches auch zusammen. Würde man das in Berlin ganz selbstverständlich so tragen, wäre wohl ein neuer Trend gepflanzt, am nächsten Tag das Resultat zu sehen. Und sicherlich wären umgehend auch erste Tutorials in den SoMed verfügbar, selbstverständlich mit Shop-Verlinkung. Doch wir belassen es exklusiv und gänzlich unveröffentlicht.

Weg an den Teichen bei Birkholzaue

Robinien, Eichen und Holunder sorgen für einen Wechsel von Licht und Duft, in größeren Lücken dampft es warm vom abgemähten Acker herüber, und voraus ist ganz weit hinten nun zum ersten Mal der Fernsehturm zu sehen, so etwa streichholzgroß. Auf Höhe des Waldes fällt der Weg ein paar Dezimeter ab, und wer hier nach so viel Geradeaus mit dem Abbiegen nicht bis zur nächsten Kreuzung warten möchte, kann bei abgemähtem Feld weglos in Richtung Schilfgürtel schwenken, der einen Teich zwischen den Feldern umgibt. Ist dieser erreicht, beginnt auch wieder ein grasiger Weg, der in schönen Kurven der Uferlinie folgt. An seinem Ende biegt rechts ein Weg durch üppiges Grün ab, der Kletten an der Hose ermöglicht und bald auf einen breiten Fahrweg stößt. Voraus sind bereits die ersten Häuser von Blumberg zu sehen, und alle halbe Stunde saust mit zaghaftem Getute ein Zug durchs ferne Korn.

Blumberg

Im Blumberger Lenné-Park

Die Kornfelder beiderseits des Weges sind zum Teil abgeerntet und stoppelkurz, teils stehen die Ähren fast kindeshoch. Beide Seiten verströmen den sommerlichen Kornfeldduft, der noch immer gut und gründlich verteilt wird. Hinterm Bahnübergang und der Beerenselbstpflücke quert die Landstraße, traditionell mit leichtem Verkehrsgestocke vor der Autobahnauffahrt. Schräg gegenüber lässt sich dann gleich abtauchen in die gediegene Atmosphäre des lennéschen Schlossparks.

Dem geht es ein bisschen wie den Grünanlagen in der benachbarten Spree-Metropole, die scheinbar unabhängig von plausiblen Einstufungen oder Prioritäten mal bestens gepflegt sind, mal auf Erhaltungsmodus oder auch völlig sich selbst überlassen. Der zu jeder Jahreszeit schöne und weitläufige Park mit seinen alten Bäumen und zaghaften Blickachsen kommt etwas wild frisiert daher, was brütenden Vögeln und tüchtigen Insekten sehr entgegen kommt. Hier und da werden neue Wege angelegt, auch ein Brücklein wird erneuert.

Drum herum stehen in Gruppen oder betont als Solitär erhabene Baumriesen, die noch aus der Zeit stammen, wo Lenné hier seine Arbeit tat. Dazwischen weite Wiesen, durch die zurückhaltend kleine Wasserläufe führen. Infolge des letzten Sommers liegen einige davon noch immer trocken, doch der große Teich ist voll klaren Wassers, bedeckt von den Blätterflokatis des Teichrosenlaubes und gesäumt von Schilfgürteln mit hunderten prallsamtiger Rohrkolben. Durch den Park schlendern Hunde mit ihren Leinenhaltern, auch stakst jemand mit einem Metalldetektor durchs hohe Gras, und ein paar Damen scheinen auf der Suche nach gewissen Kräutlein und haben dabei den botanischen Blick aufgesetzt.

Zuweg zur Autobahnbrücke, Blumberg

Über ein Brücklein aus massiven Feldsteinen kommen wir von der Gärtnerei ins Dorf, vorbei an bunten Bauerngärten und den großzügigen Auslaufflächen der Schule, die etwas oberhalb des Parkes liegt. Weiter hinten spielen Kinder etwas ohne Akkubalken und lassen versonnen an einschlägige impressionistische Gemälde denken. Den lohnenden Kringel um den Dorfteich und zum verwunschenen Kirchhof sparen wir heute aus, da wir vor kurzem erst dort waren und noch einiges an Weg übrig ist, ebender hauptausschlaggebend für die heutige Tour war.

Wanderweg zum Ahrensfelder Stadtrand

Hinter Blumberg vollzieht sich ein besonderes Kontrastprogramm aus dem notwendigen Gebrüll lebenspraktischer Verkehrswege, einem wonnigem Weg über die Felder und dem erhebenden Erblicken der noch fernen Stadt. Eine der schönsten Möglichkeiten, auf den Stadtrand zuzugehen. Bei den letzten Häusern von Blumberg machen die Gärten Platz für eine üppig grüne Feuchtlandschaft, zugleich steigt mit jeder Minute der Schallpegel des Autobahnringes an, da helfen bei entsprechender Windrichtung auch die Schallschutzwände wenig. Oben drüber nimmt an manchen Tagen alle paar Minuten ein Langstreckenflieger die große weite Kurve aus Berlin und brüllt allen im weiteren Umkreis ungefragt die Ohren voll. Doch das gehört zur Stadt und auch zu jeder Tour am Stadtrand.

Weg durch die Kornfelder

Wären die Ohren stummgeschaltet, würde der Anstieg hinauf zur Autobahnbrücke fast bis zuletzt so scheinen, als ginge es irgendwo tief in der Provinz über ein größeres Gewässer oder einfach zwischen den Feldern auf eine Anhöhe. Zwei rote Geländer sichern das Überbrücken der schnellen Straße, die bald aus dem Blick ist, doch länger noch im Ohr. Zugleich wächst auf Höhe des Geländers die Silhouette der Hochhäuser empor, gleich neben dem grünen Ahrensfelder Berg und nur für einen Augenblick. Erstaunlich weit rechts steht ein bisschen verloren der Fernsehturm, noch immer ziemlich klein.

Nach dieser Vorschau auf den Stadtrand fängt ein herrlicher Feldweg den Blick ein, während in den Ohren nach und nach der Pistenlärm verklingt. Links und rechts wachsen Rosen- und Holunderbüsche, saftige Gräser und üppiges Gestrüpp. Auch der bucklige Feldweg nach Ahrensfelde hält es charmant mit seiner eigentlichen Geradlinigkeit, die stets abgelenkt wird von leichten Hakenschlägen, bunten Feldrändern oder gut angewachsenen kleinen Alleebäumen. Links des Weges steht bestens gediehen und goldblond der Weizen, und bis zum allerletzten Ende des Weges ließen sich vier verschiedene Fruchtstände von Getreiden sammeln.

Radfahrerpärchen im märkischen Sand

Von vorn kommt ein älteres Paar ohne Gewichtsprobleme, beide sind attraktiv ergraut und sehen tendenziell nach Schreibmaschine, Töpferstube und Kräuterseifensiederei aus und saßen wohl länger nicht auf einem Fahrrad. Sie hätten besser den etwas längeren, wenn auch profaneren Radweg genommen, denn der märkische Zuckersand lässt die nostalgischen Räder hier ordentlich am Lenker ziehen. So wird mehr gehalten als gefahren, doch das naheliegende Schieben scheint nicht in Frage zu kommen. Mit einem leichten Anstieg naht ein weiteres Problem, dessen Lösung wir nicht mehr verfolgen.

Eine der Besonderheiten dieses Weges ist die zauberhafte Art, wie man denkbar unromantisch am äußersten Rand von Ahrensfelde das Dorf verlässt – zwischen einem Handel für hochmotorisierte Ami-Schladen mit Police-Beschriftung sowie Untertitel „to protect and to serve“ und einer in die Jahre gekommenen Tankstelle, zu deren Luftpumpsäulen immerhin drei urige Holzstiegen hinaufführen. Und dann eintaucht, bevorzugt im Monat Mai oder Juni, in hochstehendes Korn, das wie kaum woanders gesäumt ist von Mohn- und Kornblumen sowie Margeriten, zu deren Füßen wiederum weite Teppiche duftender echter Kamille heranwachsen. Die man natürlich hervorragend in selbst gesiedeter Seife verarbeiten und mit einem liebenswerten Logo mit großmütterlicher Handschrift versehen kann. Diese Richtung ist dann schlüssigerweise eine der schönsten Möglichkeiten, sich vom Rand der Stadt zu entfernen, hin zum Blumberger Park.

Weiher inmitten der Felder

Etwa auf der Hälfte des Weges liegt etwas tiefer und von Schilf umgeben ein Weiher, dessen Fläche oft tiefdunkel ist in ihrem Blau und vor Unwettern eine eindrucksvolle Dramatik entwickeln kann. Heute liegt der Spiegel silbergrau und leicht gekräuselt, und einem parkenden Auto nach muss irgendwo im Schilfgürtel ein Angler nisten. Kurz nach dem See kommt wieder Berlin in Sicht, und dabei bleibt es nun.

Ein Kaffee wäre dringend nötig jetzt, das zeigt auch der Kilometerstand, ferner fordern Kälte und Wind ihren Tribut. Der italienische Mineralölausschank mit dem feuerspeienden Hund im gelben Logo serviert zwar exzellenten starken Kaffee aus dickem Porzellan, doch wäre das ein Umweg übers holprige Feld, bei dem wir zudem noch zwei Störche stören würden, die Nachlese betreiben auf dem abgeernteten Stoppelacker. Also kehren wir beim Franzosen ein, der direkt am Weg liegt, der mit den drei Holzstiegen. Der Blick durch die knappe Autowaschstraße zeigt unerwartet ein Landschaftsgemälde, das von den technischen Wässerungsanlagen eingerahmt wird. Das ist exklusiv, der Kaffee drinnen dann heiß wenn auch in Pappe, und obendrein retten wir zum halben Preis noch ein aufgewärmtes Mehretagen-Brötchen, bei dessen Kauf sich eine andere Kundin verkalkuliert hatte, als es schon im Ofen lag. Und das jetzt erstaunlich gut passt und ein drohendes Energieloch verhindert.

Romantische Holzstufen zur Kaffeetränke

In den Beinen ist noch Kraft für Schritte übrig, Lust aufs Weitergehen ohnehin, und so setzen wir den Weg fort und überholen im Spazierschritt die aufgestauten Autos, die nach Berlin reinwollen. An der winzigen Wuhle, die in abgezählten Tropfen durch ihr Bettchen sickert, biegen wir ein in den Wuhletal-Wanderweg, ein gut ausgeschildertes Weglein, das die S-Bahnhöfe Ahrensfelde und Köpenick verbindet. Damit erweist sich eine Legende aus meiner Kinderzeit nun endgültig als falsch, nach der die Wuhle im Bahnhofsklo von Strausberg entspringt. Eine hübsche Parkanlage mit Spielplätzen, Brücklein und Weihern begleitet das klamme Bett der Wuhle in Richtung Bahnhof Ahrensfelde Friedhof.

Direkt hinter dem Bahnhof, am Zugang zum großen Ostkirchhof mit seinen parkartigen Anlagen, gab es ein schönes Gasthaus mit grünem Biergarten, doch leider ist dieser Ort Geschichte, wie wir mit dürstender Kehle feststellen. Nächste Möglichkeit für Durst-Abhilfe wäre eine Tankstelle, das wäre zwar irgendwie konsequent, aber das Wahre eben nicht, auch wenn es zum Stadtrand passt.

Wanderweg an der blutjungen Wuhle, Ahrensfelde

Lust zum Weitergehen ist auch am S-Bahnhof Ahrensfelde vorhanden, so dass wir noch ein Stück verlängern – nun schon auf Berliner Stadtgebiet. Parallel zur Bahntrasse und ohne Wahrnehmung dieser wurde hier vor dem Wohngebiet ein Parkstreifen angelegt, der mit etwas gutem Willen an ein Kurörtchen denken lässt, vielleicht Bad Ahrensen. Mit geschwungenen Wegen, verschieden gestalteten Nischen zum Sitzen und Treffen, Rodel- und Tobehügeln und allerlei schönen Rabatten. Alles in geliebtem Zustand und locker durchstreut mit Menschen allen Alters. Gegenüber auf dem Sportplatz spielen Ferienkinder und haben sich einen brauchbaren Lautsprecher mitgebracht, der fluffige Beats freigibt. Die ganze Szenerie strahlt einen angenehmen Frieden aus.

Kurpromenade von Bad Ahrensen

Nach einem Schwenk beginnt vor einer oberirdischen dicken Rohrleitung, einem mittlerweile eingängigen Charakterzug für diesen Bezirk, ein wirklich besonderer Parkstreifen. Im Kern eine mitteljunge Allee, vermutlich Ahornbäume, und drumherum naturbelassene Wiesen für die Sumsen, später weite Wiesenflächen, begleitet vom eingesenkten Lauf der einstmals breiten Neuen Wuhle.

Ebenfalls wird die Allee begleitet von verschiedensten Spiel- und Trimmgeräten, die verschiedenste Menschen in skurril anmutende Bewegungsmuster bringen. Die Bewegung trimmt dich sicherlich sehr gut, doch würde man sicherlich ungern von Bekannten oder Kollegen dabei beobachtet werden. Es ist wohl in etwa so, dass man aus sich selbst herausschlüpft, wie es auch Leute tun, die im Auto im Stau minutenlang an ihrer Nase herumkneten oder mimische Gymnastik extremer Natur treiben, weil sie ja dort keiner sehen kann – obwohl in Meterentfernung zwei Glasscheiben weiter schon der nächste Nachbar sitzt. Es ist drollig und dabei das Normalste überhaupt, eben menschlich.

Trimm-Dich-Allee im Tal der Neuen Wuhle, Ahrensfelde

Einige auf den Gymnastikgeräten vollziehen dieselbe Bewegung schon mehrere Minuten, rufen dabei das gute alte Duracell-Häschen ins Gedächtnis und werden sicherlich nach dem Verlassen der robusten Metallstallagen zirkelnd in die nächstbeste Richtung umtorkeln. Als hätten sie als gestandene Landratte gerade einen handfesten Sturm durchsegelt und würden nun den ersten festen Fuß an Land setzen. Ganz egal, sie werden weich fallen, denn alles rundum ist entweder Wiese, Sand oder Mulch. Und rücklings umgeplumpst auf der Wiese liegen und glücklich in die Wolken stieren ist ja auch was Schönes, bis sie dann irgendwann wieder mit dem Strudeln aufhören, die Wolken.

Hornochsen zum Abend, Falkenberg

Falkenberg

Vom aufgeblühten Riesen-Sonnenhut in schönstem Mosaik bis zum abendlich geschlossenen Blütenkopf reicht dieser Teil der Allee, und mit kleinem Schwenk setzt sie sich in einer Pflasterstraße fort, hinter den Gärten des Dorfes Falkenberg, wo umgehend die einstigen Rieselfelder losgehen, durchzogen von schönen Wegen, bunter Flora und jungen Obstbaumalleen. Nun endlich soll es gut sein mit den Schritten, und wir überlassen den letzten Kilometer bis zum Anschluss ans Straßenbahnnetz der BVG, die aktuell wieder schöne Anzeigen auszuhängen hat.

Unter dem westlichen Sonnenhut, Falkenberg

Der Bus ist gut gebucht, die Straßenbahn dann auch. Hier wird getwittert, da geschnattert und dort mit ausladenden Gesten lautlos gebärdet – vielleicht, damit es beim Gewackel der eiligen Bahn auch gut verständlich ist. Auf dem Platz schräg gegenüber sitzt ein Mädchen, sommerlich gekleidet, mit einem versonnen-sanften Lächeln im Gesicht und zwei bunten Torten-Vierteln in der Schatulle, die sie jetzt ins Herz der Stadt ausliefert. Der Sonntag ist noch lange nicht zu Ende.











Anfahrt ÖPNV (von Berlin): per Regionalbahn von Berlin-Ostkreuz (ca. 0,5 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): auf der Landstraße über Ahrensfelde (ca. 0,5 Std.)

Länge der Tour: ca. 20 Kilometer (Abkürzungen möglich)


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Links:

Rundweg Löhmer Haussee

Lenné-Park Blumberg

Wuhletalweg

Einkehr: Fischerhütte, Seefeld
Hotel Aragon, Blumberg
Ahrensfelde Dorf div. Möglichkeiten

Baumgarten: Fünf Seen, der beredte Hungerturm und ein Schloss hinter Gittern

Der Monat, der seine alljährlichen Tage wie kein anderer mit Gelb- und Goldtönen zelebriert, ist so gut wie da. Der September hat ihm den Weg geebnet, auch wenn alles ein wenig mit heißer Nadel gestrickt war – nur wenige Augenblicke vor dem kalendarischen Herbstanfang fand die monatelange Sonnenglut mit kurzem, doch effektreichem Krawall ihr Ende und bewirkte einen Temperaturrutsch von 30 auf 14 Grad binnen einer Spielfilmlänge.

Am Südufer des Huwenowssees

Aus tropischen Nächten wurden frostige, während luftige Strohhütchen dünnen Kopfstrümpfen wichen, die jede Unebenheit des Schädels ehrlich abbilden oder jeglichen  Spiegelaufwand des zeitigen Tages zunichte machen. Die Bekleidungsszenarien von frühem Morgen und spätem Nachmittag bieten massive Kontraste, lassen die eine morgens frieren und den anderen nach der Arbeit schwitzen und liefern aufmerksamen Beobachtern manchen Anlass zum Grinsen. Erkältungen und volle Wartezimmer sind vorprogrammiert, so dass die tägliche Dosis Tee aus guten Kräutern oder scharfen Knollen ab jetzt eine Überlegung wert ist.

Auch tagsüber ist die Luft stellenweise schon so frisch, dass sogar die Sonnenmüden bereits wieder den Schatten meiden und den Simultankontrast aus kalter Luft und warmen Strahlen aufrichtig genießen. Hinzu kommen die Farben und Düfte von Laub und erdigen Äckern sowie den reichlich gefallenen Früchten von Obst- und Waldbäumen. Damit nichts vom Beschriebenen zu kurz kommt, empfiehlt sich für diese Tage eine runde Mischung aus sanfthügeligen Feldern, laublastigem Wald und klassischen Brandenburger Seen.

In Meseberg zwischen Schlossparkmauer und Obstwiesenzaun

Eine besonders reiche Auswahl findet sich im Ruppiner Land oder grob gesagt zwischen Neuruppin, Rheinsberg und dem immer wieder besonders schönen Städtchen Lindow, das von zwei edlen Seen kontaktfreudig umworben wird. Von dort ragt über den Wutzsee hinaus noch ein inoffizieller und vollwertiger Ausleger dieser Landschaft bis hinüber nach Gransee, das landschaftlich schon eher havellastig ist.

Waldrandweg östlich von Meseberg

Wer in Lindow eine Pause einlegt, läuft Gefahr in dem pittoresken Erholungsort hängenzubleiben. Gut verteilt gibt es hier viel zu Entdecken, dazwischen finden sich zur Genüge gastronomische Angebote an schönen Orten, und der etwa zweistündige, in keiner Weise eintönige Weg um den Wutzsee ist ein Klassiker im besten Sinne. Zudem bedarf er keinerlei Vorbereitung und verspricht gemeinsam mit dem Besuch des Städtchens fast garantiert einen schönen Tag.

Kirche in Baumgarten

Baumgarten

Wer es geschafft hat, Lindow mit seiner gütig-schelmischen Nonne im See zu verlassen, kommt durch Keller nach Baumgarten. Zwischen fünf Seen liegt das Dörfchen und bietet mehr als eine Handvoll Varianten, die gewünschten Sinneseindrücke in einem Zeitraum zwischen dreißig Minuten oder mehreren Stunden zu genießen. Die Minimalvariante wäre es, dem urigen Waldweg entlang eines Bächleins hinab zur Badewiese zu folgen und dort beliebig lange von einer der Bänke oder einer Picknickdecke aufs Wasser zu schauen. Vielleicht mit frischem Brot, Käse und Heißem oder Kaltem in der Flasche. Am anderen Ende der Messlatte lockt der Gedanke, keinen der fünf Seen unberührt zu lassen und dafür am Abend entsprechend breiter gefächerte Impressionen mit nach Hause zu nehmen. Sollten unterwegs doch Bedenken erwachen, gibt es ausreichend Möglichkeiten zum Abkürzen, und jedes Segment für sich hat ausreichend Schönes zu bieten.

Zwischen den Seen bei Baumgarten

Die Gaststätte in Baumgarten gibt es schon seit ein paar Jahren nicht mehr, dafür schräg gegenüber den Hungerturm. Durch die Essenluke werden Kaffee und Kuchen gereicht oder wahlweise auch ein kleiner Mittagstisch, dazu bei Wunsch etwas Schnack mit den Wirtsleuten. Offen ist, wenn offen ist, und am Wochenende stehen die Chancen meist gut. Zum Kaffee gibt es noch ein paar Empfehlungen für Ganztagesfußgänger, und gleich nach dem Queren des genannten Bächleins geht der Weg schon in die Vollen. Begleitet wird er von schwarzlastigem Bruchwald, der trotz der endlosen Dürre noch etwas Matsch und Wasser hat und also etwas Morgenkühle übrig. Das begleitende Dölschfließ findet im nahen Seenpaar seinen Anfang und steht nach Information von Einheimischen über den Rhin in direkter Verbindung mit der Hansestadt Hamburg, von wo es ja auch nicht mehr weit ist zu den Weltmeeren.

Am Talgrund des Lindower Rhins

Zwischen den Seen sitzt also ausreichend Wasser im Boden und lässt alles, was hier wächst, besonderes saftig aussehen und entsprechend duften. Nach rechts glitzert zwischen den Stämmen der Kirchsee hindurch, der als Baumgartener Haussee gelten kann und in der Tat direkt unterhalb der Kirche liegt. Von Norden kommend sollte sich so ein besonders gefälliges Dorfbild ergeben. Der Salchowsee ist mit seinem breiten Ufergürtel nur zu erahnen, doch dafür hat er eine kleine Insel, die der erforderlichen Phantasie etwas Spielraum gibt. Die Erlen übergeben an Robinien und diese bald darauf ans offene Feld, das am alleedurchbrochenen Horizont so einige Kirchtürme erahnen lässt.

Wiesiger Talgrund des Lindower Rhins

Nach etwas stiller Landstraße beginnt eine urige Allee, die gesäumt ist von windschützendem Buschwerk und teils uralten Robinien mit einer Rinde, in deren tiefen Furchen man Schokoladentafeln verstecken könnte. Hinter der Landstraße übernimmt dann flächiger Wald, mal mit Fichten, dann wieder mit Robinien und zuletzt mit Eichendominanz. Überhaupt ist an Waldesstille noch immer nicht zu denken, denn alle paar Sekunden knallt oder huscht es im Unterholz. Eine Weile dauert es, bis große oder kleine Tiere sowie Vögel aus dem Verdacht geraten und man darauf kommt, dass es die Eicheln sind, die nach mehreren Sekunden freien Falls auf grüne glatte Blätter am Ast oder braune kruschlige am Boden knallen, teils über Bande.

Bruchwald kurz vor dem Huwenowsee

Entlang des Lindower Rhins hat sich hier im dichten Wald der Baumgartener Heide ein saftiger Wiesengrund geöffnet, der ein wenig an den des Stobberbaches in der Märkischen Schweiz erinnert, östlich der Pritzhagener Mühle. Mal ist er breiter, dann wieder tailliert, und fast immer ragen vom Waldrand her ausladende Eichenarme hinein soweit es geht und fischen dort nach Licht, so scheint es.

Buchenreicher Uferweg am Huwenowsee

An einer besonders offenen Stelle steht am sanften Hang ein großkroniger Apfelbaum und hat scheinbar im Affekt all seine Früchte abgeworfen. Groß und rund und gelb liegen sie dicht an dicht in der Wiese und sind kaum angebissen oder faulig. In der Tat schmeckt dieser Apfel extrem sauer und zugleich bitter, wie man es selten unterm Gaumen hatte. Nix zum Runterschlucken, doch gut geeignet für Grimassen, und so sehen es wohl auch die Tiere auf ein bis zwei Beinpaaren und selbst die Würmchen.

Blick auf den Huwenowsee

Die Waldstraße von Baumgarten quert den langsam fließenden und glasklaren Lindower Rhin, gegenüber führt ein schmaler Pfad durch dichtes Kraut und hohe Hopfenskulpturen. Am Hang des feuchten Grundes deutet sich schon der Buchenwald an, der die nächste Stunde Weges spektakulär begleiten soll. Nach dem Abzweig zur Baumgartener Badewiese gewinnt er an Deutlichkeit und lässt oben ein helles, weites Land erahnen, direkt hinterm oberen Rand. Gleich darauf beginnt der im Wald eingesenkte Huwenowsee, der offenbar Freude an gekrümmten Uferlinien hat und fast rundum von steilen Waldhängen umgeben ist. Ausnahmen bilden hier nur der Austritt des Lindower Rhins und nach Süden hin ein flacher Wiesengrund, der ebenso saftig grün ist wie der vorhin und weit ins angrenzende Land vernetzt.

In Meseberg am Schloss

Der gediegene und großzügige Uferweg umschifft im Spielraum seiner Breite so manchen dicken Buchenstamm oder aufgeworfenes Wurzelwerk vom letzten Sturm und hat alle paar Minuten eine gute Stelle für einen Wassergang zu bieten. Fast schilffrei ist das Ufer, das Wasser klar und der Boden unter Wasser meist von diesem weichen, kühlen Sand, wie er für die Gegend charakteristisch ist. Das Gegenufer ist nur zweihundert Meter entfernt, und so wird es in warmen Zeiten manchen locken, ohne viel Aufwand und Heldenmut einen See zu durchschwimmen.

Für die zwei Kilometer sollte man ruhig einen Gang runterschalten und genießen, denn es ist eine von diesen Passagen, wie sie diese Gegend zwar vielerorts zu bieten hat, die jedoch immer ganz besonders bleiben. Niemals gewöhnlich und nie normal, auch wenn es für märkische Verhältnisse Stubekammerküche ist. Touristen aus Übersee könnte man diese Passage sicherlich als den sagenumwobenen Stechlin verkaufen, mit dessen Ufern sie locker mithalten kann.

Zwischen Mauer und Zaun im Meseberg

Die Buchenfüße sind bisweilen so gewaltig und nachgerade modelliert und ausgeformt, dass sich zwischen ihren Zehen kleine Vogeltränken bzw. –badewannen befinden. Zwischen den Stämmen treten hin und wieder Rinnsale aus, teils eisenhaltig, die es zwischen Quelle und Mündung kaum auf 15 Meter bringen. Doch der Bezug zu Hamburg und dem Ozean gilt auch für sie – falls das von Belang ist für so ein kurzes, sorgenfreies Sal, das dem See ja ebenso taufrisches Wasser zuführt wie jedes Bächlein von größerem Format.

Eichenruine am Rand von Meseberg

Hier und da sitzen Angler am Ufer, die dank ihrer Kleidung fast im Ufergrün verschwinden und deren versteinerte Buckel ausdrücklich um Ruhe bitten, wenn Plappervolk mit Rucksack passiert. Kurz vor Meseberg dann zieht am Hang ein groß angelegtes Rondell aus jungen Bäumen den Blick an. Dezentral steht darin kleinlaut und unfertig ein kleiner Tempel, ein Mausoleum für zwei historische Leute mit Bezug zu Meseberg.

Oben dann ist endlich der Blick von der oberen Hangkante möglich, der zum Wasser hin eine ordentlichen Seesicht bietet, ins Land hingegen eine kürzlich angelegte Streuobstwiese. Umgeben ist sie von einem dieser schönen Zäune, die scheinbar aus handgeschnitzten Stecken und Draht zusammengeknibbelt wurden und an denen nichts gerade, einheitlich oder wiederholend ist. Das eben macht sie so charmant, und der Kenner weiß, dass das auch seinen Preis hat. Gut angelegtes Geld, denn bei jedem Anblick wird man sich aufs Neue freuen.

Schloss Meseberg

Meseberg

Ferner sind Augenschmeichler hier besonders willkommen, denn direkt gegenüber die Mauer und der stabile, elegante Eisenzaun hegen das Schloss Meseberg ein. Das exklusiv überm See gelegene Anwesen mit seinen französisch geprägten Parkanlagen ist gewissermaßen eine der guten Stuben der Bundesregierung und die ländliche Alternative zum Schloss Bellevue, das im Herzen Berlins direkt an einem Spreenbogen liegt. Wenn es in Meseberg den größten Teil des Jahres ganz besonders still ist, so gibt es auch Zeiten, wo großer Bahnhof und Hochsicherheit für Unwägbarkeiten und Helikopterlärm sorgen und man das Dorf umgehen sollte, möglichst großräumig. Ein aktueller Blick in die Zeitung kann also nicht schaden, wenn eine Tour in dieser Gegend ansteht.

Heute ist einer von den überwiegenden Tagen, den stillen. Die kräftige Septembersonne wird von eindrucksvollen und ausufernden Wolkengebilden in unregelmäßigen Abständen in die Schranken gewiesen und taucht das Dorf in wechselnde Szenenbilder aus Licht und Schatten. Gegenüber des Friedhofs werden musikalische Vorbereitungen auf die anstehende Jagdsaison getroffen, die mit vielkehligem Gesang und goldglänzendem, wetterfesten Blech zu tun haben. Vorn im Dorf hält jemand Fleißiges mit seiner Kreissäge dagegen, was manchmal zufällig zu Harmonien führt. Ein musikfühliger Hofhund protestiert kurz mit überschlagender Stimme, und kurz darauf kehrt wahrhaftig Ruhe ein von allen Seiten. Ist es vielleicht Punkt eins?

Waldrandweg östlich von Meseberg

Die Flucht der gemütlichen Dorfstraße führt den Blick direkt mittig auf das Schloss, während die Straße selbst sich etwas sträubt und lieber der kleinen Dorfkirche einen sanften Schwenk zubilligt. Hinter der Kirche liegt der Dorfkrug, sehr willkommen jetzt. Die beiden Schirme sind so groß, dass sie vermutlich nur einmal im Jahr aufgespannt und im späten Herbst wieder zugemacht werden, denn dafür muss das rustikale Mobilar komplett weg. Stabil genug für jeden Sturm dazwischen sehen sie aus. Hier ist jetzt ein herrlicher Platz für eine ausgedehnte Pause, mit Blick zu Kirche und Schloss und allem, was so auf der Straße vor sich geht. Die Hälfte aller vorbeitrottenden Autos tragen ferne Kennzeichen, viele von ihnen sind geliebte Oldtimer auf tiefenentspannter Schönwetter-Ausfahrt.

Gegenüber fällt zwischen Dächern und großen Lindenkronen ein intensiver Sonnenfleck auf die Wiese, über dem sich hunderte kleine Flügler tummeln, solange die Wärme da ist. Sorgt eine Wolke für Schattenwurf, ist gar kein Schwirren mehr, um beim nächsten Strahl wieder in Gänze und alter Form da zu sein. Leute kommen und gehen, je nach Altersklasse wählen sie den gut geheizten Innenraum oder die Bänke an der frischen Luft und lassen sich das hervorragende Essen schmecken.

Waldrandweg mit Mittelgebirgsblick

Eine kleine Runde ums Dorf belohnt neben einer mühelosen Handvoll Walnüsse mit einem Wiesenblick auf das Schloss und seine nicht minder schönen Nebengebäude, führt dann vorbei an einer Eichenruine, die sicherlich gut ist für verschiedenste Geschichten. Nach höllisch lautem Gänsegeschnatter verlassen wir das Dorf auf einer ansteigenden Pflasterstraße. Nach dem letzten Haus beginnt rechts ein zauberhafter Weg über die wogenden Felder, der sich in einigen Schwüngen zum Waldrand hinüberhangelt. Von dort schaut man auf Meseberg hinab und hat danach einen der schönsten Waldrand-Kilometer vor sich, die Brandenburg zu bieten hat. Wie über den Wäldern eines Mittelgebirges nimmt der Weg mehrere Wellen mit, und auch hier bilden wieder gewaltige Eichen mit ausladenden Armen die Wächter des Waldes, der im Innern allerlei Kiefern untermischt. Auch hier sollte man langsam gehen und ausgiebig genießen.

Unten quert ein stilles Sträßchen. Zwei Radfahrer mit daumendicker Bereifung biegen auf den Asphalt ab und sind sichtlich froh, wieder unverkniffen fahren zu können. Bis zur Badestelle ist der Weg noch breit und führt dicht am tiefen Bruchwald entlang, der eine Umrundung des Großen Dölschsees etwas größer ausfallen ließe. Ab hier wird der Uferpfad verspielt und vielfältig und erklärt nun die Freude der Radler über glatten Untergrund. Zu Fuß ist es ein Traum, wenn auch sich nur selten ein Blick auf den See öffnet, ebenso rar sind Badestellen. Die Wasserfläche liegt schon abendlich geglättet und jede ziehende Ente hinterlässt eine langwährende, meditative Spur. Aus der Ferne ist ein Kranichpaar zu hören, nicht das erste Mal heute. Ansonsten ist hier absolute Ruhe, keine Eichen hier im Wald.

Am Großen Dölschsee

Ein Brücklein erlaubt den Durchgang zwischen den beiden Dölschseen, und am kleineren von ihnen beginnt nun der abschließende Kilometer des Tages. Durch einen letzten Bruchwald erreichen wir den Rand von Baumgarten, das ganz klassisch über „das Hochhaus am Rande der Stadt“ verfügt, so klein, wie es ist. Gleich dahinter an der Kirche lockt ein kleiner Stichweg zum Ufer des Kirchsees. Doch heute ist den Schönheiten des Tages wirklich nichts mehr hinzuzufügen. Nicht einmal in Lindow.

 

 

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): von Berlin-Gesundbrunnen Regionalbahn nach Gransee, dann mit dem Bus nach Baumgarten oder Meseberg (nur Mo-Fr, ca. stündlich)

Anfahrt Pkw (von Berlin): Landstraße über Löwenberg (B 96), wahlweise kleinere Straßen über Lindow (Mark)

Länge der Tour: ca. 16 km (Abkürzungen vielfach möglich)

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Links:

Rundwanderweg Huwenowsee

Faltblatt Meseberg-Gransee (PDF)

Geschichte des Schlosses Meseberg

Einkehr: Imbiss am Trafoturm in Baumgarten (schräg ggbr. der alten Waage), keine festgelegten Öffnungszeiten, ggf. an der Glocke läuten

Dorfkrug Meseberg (sehr gute Küche, gemütlich, freundlich)

Schlosswirt, Meseberg (gehobene Gastronomie)

Grunow: Das Sophienfließ, der See in türkis und die senkrechten Schachbretter

Endlich kam der Regen. Nach endlosen Wochen von Trockenheit und extremer Hitze gab es nun wirklich ein erlösendes Gewitter, das sich von Frankreich aus auf den Weg machte und als langgezogener Süd-Nord-Riegel einmal übers ganze Land zog. Während es im Südwesten marodierte und einigen Schaden anrichtete, erreichte es den Nordosten bereits ermattet und zeigte sich hier unentschlossen und effektheischend. Stand irgendwann wieder auf festen Beinen und gab dann endlich dem staubigen, teils knochentrockenen Land einige kurze, doch hilfreiche Güsse. Alles mit Wurzeln im Boden erhielt eine umfassende Erfrischung und die Hoffnung auf etwas mehr in der folgenden Woche. Auch alle wurzellosen Lebewesen konnten nun aufatmen und ein paar kreislaufschonenden Tagen entgegensehen mit Temperaturen in den Zwanzigern, nachts schon fast darunter.

Im Tal des Sophienfließes

Abgesehen von der normalisierten Temperatur ist auch sonst zu spüren, dass die Jahreszeit mit den längsten Tagen ihren Zenit überschritten hat. Jedes Jahr aufs Neue gibt es dann wieder dieses besondere Licht, das geschaffen wird von schnellziehenden Wolkenbergen vor kräftiger Sonne und den ersten Lücken im Laub der hohen Bäume. Schon am Nachmittag sorgt der deutlich tiefere Sonnenstand für dieses warme Gold, die langen Schatten für mehr Lebendigkeit in allen Gestalten der Landschaft.

Während die bunten Blumen und Gewächse des späten Sommers sich stille Gefechte liefern um schönste Farbenpracht und maximale Sättigung, mischen sich zwischen die würzigen Düfte des ersten gefallenen Pappellaubs schon die fruchtigen, leicht beschwipsten aller Früchte, die vom Wind oder von den Bäumen selbst abgeworfen wurden. Kleines wildes Murkelobst mit pflaumengroßen Birnen und kirschengroßen Pfläumlein, doch das Aroma dieser Früchtchen strahlt aus mit der Kraft eines Konzentrats. Als drittes im Bunde mischen sich noch die knallblonden Strohrollen dazu, die gut verteilt auf den stoppeligen Feldern parken. Die Duftmischung im Ganzen vermag es, bei manchen sehnliche Vorfreude auf den nähergerückten Herbst zu wecken.

Im Schlosspark Buckow

Gut geeignet für diese Zeit um Spätsommer und Frühherbst ist die bezaubernde Gebirgslandschaft der Märkischen Schweiz mitsamt den Dörfern drumherum – so zumindest zeigt es die Erfahrung. Argumente und Begründung bleibe ich schuldig, dem Textvolumen zuliebe. So gesehen trifft es sich gut, dass Buckow mindestens einmal im Jahr lautstark im Gedächtnis anklopft und sich bemerkbar macht, bestimmt und kaum verhandelbar. Dieses scheinbar gemalte Städtchen zwischen dem türkisesten aller märkischen Bergseen und einer der gelungensten Reliefeuphorien im Land Brandenburg. Beim Spaziergang durch die Stadt trifft man auf viele Bilder und Stimmungen, die eigentlich nur von romantisch übertriebenen Gemälden unglücklich verliebter oder naturversessener Pinselkünstler stammen können. Doch alles ist echt, und man darf es sich anschauen zu jeder Zeit und so oft man kann und möchte. Wenn es Text wäre und nicht Bild, wäre es an einem Tag wie heute wohl komplett fettgedruckt.

Grunow

Grunow ist eines der genannten Dörfer und liegt fünfzig Meter über dem Schermützelsee. Es wird umwogt von langfrequenten Landschaftswellen, die für ein regelmäßiges Auf- und Ab sorgen und mit sanftem Fingerzeig betonen, dass es ins Gebirge geht. Das Dorf liegt mittagsstill und scheint den ersten hitzefreien Tag dankbar aufzusaugen. Eine Katze muss nun keinen kühlen Stein mehr suchen, heut tut es auch ein simpler Schattenplatz am Fuß des Apfelbaums. Weiter hinten bewegen sich drei Ferienmädchen Richtung Dorfrand, wahrscheinlich zu den Pferden hin. Offen bleibt, ob sie rosa Schleifen im Gepäck führen oder Zuckerwürfel, doch sie bewegen sich bogenreich und etwas ruckhaft, da ein drittes Fahrrad fehlt. In irgendeinem Garten kommt viel zu spät ein klobiger Köter ans Gittertor gerannt, scheinbar noch mit der Hitze der letzten Tage im Gehirn. Am Dorfausgang ist dann alles still, und so hört man von Ferne das Schnauben der Pferde. Etwa genauso laut sind die nahen Hummeln auf der bunten Wiese hinterm letzten Haus.

Dorfstraße in Grunow

Dann öffnet sich die große Weite mit ihren sanften Hängen, angenehm durchbrochen von kleinen Waldstücken, hochgewachsenen Pappelreihen und feuchten Senken, in denen alles grün oder noch etwas grüner ist. Von links nähert sich ein kleiner Wasserlauf, der trotz der zähen Dürre etwas Wasser führt. Das Fließvolumen reicht von daumendick bis beinlängenbreit, doch niemals steht es still, das Sophienfließ. Dass es etwas versteht von Naturromantik, beweist das Bächlein bereits ein Dorf stromaufwärts in Prädikow. Wie sich auf dem Rückweg zeigen wird, baut es dieses Talent bis zu seiner Mündung in den Schermützelsee eindrucksvoll aus.

Hügelwiesen am Sophienfließ bei Grunow

Ein gutes Viertelstündchen hält uns das Fließ die Treue, doch im ersten längeren Anstieg plätschert es weiter seiner Wege Richtung Osten, bleibt lieber unten. Eine gute Entscheidung, insbesondere wenn so wenig Wasser zur Verfügung steht wie in diesem Sommer. Oben quert ein verträumter, breiter Weg. Links in den Büschen ist ein stattlicher Haufen Feldsteine mit Größen von Apfel bis Kürbis am Zuwachsen. Den sollte man sich merken, falls Muttern mal wieder ihre Beete umgestalten will.

Am Wiesenpfad vor Bollersdorf

Beide Richtungen des Weges locken, doch geradeaus der Weg nach Bollersdorf ist frisch gemäht und heute gut zu gehen, daher mehr als einladend. Der Weg läuft bald zu einem Pfad ein und kann zeitweise ziemlich krautig sein, notfalls lässt sich die Passage einfach westlich umgehen. Doch dieser knappe Kilometer ist lohnend. Zum Dorf hin und zum alten Wirtschaftshof gibt ein verlandeter Weiher mit Feuchtgebiet allen in der Nachbarschaft von seinem Safte ab und sorgt damit für einen breiten Schilfgürtel mit lautstarkem Leben. Bis zum Pfad hin reicht sein Einfluss, und so hat sich hier im Sommer ein farbenfroher und stengeldicker Blührand entwickelt, in dem es goldgelb strahlt von den hochgewachsenen Goldruten, hell- und dunkelviolett von Kletten und Disteln und in seven shades of white von allem möglichen Gewächs.

Dorfteich in Bollersdorf

Ob all jene, die summen, brummen und flattern, nicht mehr so wählerisch sein können wie im späten Frühling oder es sich wirklich um Blüten handelt, die wohlgelitten sind unter Insekten, oder ob diese Nektarspender einfach das Obst der Saison sind für Leute, die es regional bevorzugen – hier ist richtig Betrieb. Nicht nur die Zahl der Schmetterlinge ist groß, sondern auch ihre Vielfalt, und dazwischen tummeln sich die Hummeln, auch noch Bienen und basslastige Hornissen sowie allerhand kleinere Teilnehmer wie Käfer und Fliegchen. Angesichts des verstörenden Problems der schwindenden Insekten lässt sich nicht aufatmen, auch wenn man gerne würde. Doch es stimmt zuversichtlich, wenn man direkt sieht, was so ein stehengelassener Meter Feldrand bewirken kann. Insbesondere in diesem insektenarmen Sommer, wo man die Wespen eher am Wasserhahn antrifft als auf der Himbeertorte.

Hinter Bollersdorf

Bollersdorf

Allein dieser Kilometer wäre die Anreise wert gewesen, und so ist es schade, dass er trotz allen Herauszögerns irgendwann endet. Doch auch Bollersdorf hat dem Auge viel zu bieten, zumal man mitten durch den großen Dreieinhalbseit-Hof gehen darf und mitverfolgen, wie aus verfallenden Scheunenhäusern wieder Prachtstücke werden oder stattliche Sonnenblumen aus betagten Backsteinfugen wachsen, im schönsten Kontrast. Vorn an der Kirche machen gerade zwei Jungs mit Rädern eine Tourbesprechung, kurz darauf bei der Pause am Dorfteich fragt uns von hinten jemand aus seinem Pickup heraus, ob er hier zur Pritzhagener Mühle kommt. Auf dem Teich wechseln die Enten besonnen von hier nach da, ein dicker Fisch prahlt mit seiner Rückenflosse, bis wir endlich hinschauen, und sogar eine ganze Reihe Schwalben sausen noch dicht überm Wasser herum, ohne Laut und voller Anmut.

Obstallee hinter Bollersdorf

Ein paar Meter weiter schmeißt eine grantige Hexe jeden aus dem Dorf, der zu lange auf ihr Häuschen stiert, und so finden wir uns gleich darauf vor der absteigenden Straße, die hinab zum größten Bergsee der Märkischen Schweiz führt. Doch rechts steht eine sehr anziehende Reihe von Apfelbäumen auf der Höhe und ist stärker. Mit herrlichem Blick auf die bewegten Wälder der Höhen und Täler gegenüber lassen sich hier verschiedene Apfelsorten verkosten, die teils schon rotbackig sind. Nach dem Abbeißen bleibt eher eher ein schiefes Grinsen als ein genießerisches Ah – einzwei Wochen sollten sie noch reifen. Zwischen den Bäumen ragen unverwüstlich die wuchtigen Ventilstutzen der alten Bewässerung aus dem hohen Gras. Auf der zweiten Hälfte der Obstallee geht es weiter mit Pflaumen, die fast schon blauschwarz sind, groß und durchaus aromatisch, doch etwas Reife und Saft fehlen auch hier noch. Für die tägliche Dosis Vitamin C und ein paar andere empfohlene Tagesrationen sollte es jedenfalls gereicht haben. Untermalt wird die Sause von einem hintergründigen Chor zirpender Grillen.

Uferweg am Schermützelsee

Nach der Weite und dem freien Blick verschwindet der Weg abrupt im dunklen Wald, gut gemischt aus Laub und Nadel, damit würzig duftend und von diffusem Schatten. Das Gefühl von offenen Augen ohne Dunkelbrille ist nach der wochenlangen Dauersonne ähnlich weit weg wie das eines festen Schuhes am Fuß – und beides wohltuend. Schnell verliert der Weg an Höhe und lässt dabei auf ein paar Metern eine historische Pflasterstraße aus enormen Steinen sehen, wie man sie auch von der Sächsischen Schweiz kennt. Überhaupt läuft uns heute ständig die Oberbarnimer Feldsteinroute über den Weg, und bis zum Ende werden die Feldsteine häufiger als üblich Präsenz zeigen. Als Lesesteinhaufen am Feldrand oder im Gebüsch, als Straßenbelag oder als Bauklötzer für Häuser und Kirchen. Und natürlich ganz klassisch als imposanter Findling am Wegesrand.

Die Scherri vor Anker, am Badestrand von Buckow

Immer steiler wird nun das Gefälle, immer direkter der Abstieg, bis irgendwann die Wasserfläche durch die Stämme glitzert. Dieser schöne, ganz besondere See, der nur zwei Kilometer lang ist und dennoch zwei schöne weiße Dampfer beschäftigt, einen klassisch zu nennenden Badestrand anbietet und ein ganz passables Segelrevier. Unten beginnt der Uferpfad, der sich auf ganzer Linie so wild gebärdet, als wollte er einen abwerfen. Schön und wild ist er, reich an Treppen und steilem Auf und Ab. Zwischendurch lässt er den Spaziergänger spontan durch ein Bollersdorfer Bergdörfchen spazieren, das mit seinen steilen Stiegen, Streuobsthängen und Terrassengärten an die sächsische Elbe denken lässt.

Keramikscheune mit Biergarten, Buckow

Der Rundweg um den Schermützelsee darf als Legende und Klassiker im besten Sinne gelten, was pittoreske Bilder, umfassende Vielfalt und Naturromantik betrifft. Bei aller Kürze spendiert er eine der abwechslungsreichsten Seeumrundungen in ganz Brandenburg und konzentriert mit allen möglichen Variationen das Erlebnis- und Erholungspotential einer ganzen Urlaubswoche in sich. Am Gasthaus wird es wieder schattig, und wie auch am Stienitzsee zwei Täler weiter trifft man alle paar Minuten auf Quellwasser, das unterhalb des Hanges aus dem Boden sickert. Dieses frische Wasser landet neben dem des Sophienfließes im See und ist vielleicht ein Teil des Geheimnisses um sein kräftiges Türkis.

Wochenend-Idyll in Buckow

Buckow

Hinter einer Reihe geradezu hinreißender Ufergrundstücke oder solcher mit Seeblick steht als letztes das zuwachsende Haus Tirol und ruft Bilder auf, wie es hier im schönen Kurort mit eigener Bahnanbindung einmal zugegangen sein könnte. Worte wie Sommerfrische kommen in den Sinn, ferner Tanztee und Gymnastik sowie Badekleidung, deren Anlegen längere Zeit beansprucht. Gut zu diesen Bildern passt das Strandbad, in dem der Betrieb heute eher verhalten ist. Von Südwesten drückt ein wirklich strammer Seewind in die Bucht, der schaumgekrönte Inlandswellen aufhäuft und im Biergarten sogar die halbvollen Gläser in Schwingung versetzt. Die Mädels, die davon unbeeindruckt vorn auf dem Steg stehen und beim ausgiebigen Schwatzen leise schlottern im badenassen Textil, dürften wohl eher von hier sein und jeden Tag der Ferien am Wasser verbringen. Alle Kundschaft aus der nahen Großstadt hingegen hebt die Zähne beim Zehentest, reibt sich leicht gekrümmt die nackten Oberarme und zieht ein leidendes Gesicht am ersten Tag ohne brüllende Hitze. Beschwichtigende Worte folgen, begleitet von schiefgelegten Köpfen.

Kneipptretstelle am Schlosspark Buckow

Gegenüber des Strandes am Dampferanleger lockt eine steile Stiege hinauf zum Schlossberg, doch wir wollen unbedingt in den Ort, nach dem Rechten schauen und Energie nachlegen. Im alten Strandkiosk ist ein Trödel eingezogen mit buntem Sortiment, so dass ab hier ein großer blauer Krug dabei ist. In einem zillewürdigen Wochenendgarten wird ein Fest begangen. Alle, die uns entgegenkommen, strömen eben dorthin, in schönen Sommergewändern und entweder mit einem Blumenstrauß, einer Sektflasche in der Hand oder einer Kuchendose im Beutel. Manche tragen noch dazu ihr schönstes Lächeln im Gesicht, so eines ganz von innen, grundecht und entwaffnend.

Wir statten der Keramikscheune einen kurzen Besuch ab, die im letzten Jahr eröffnet hat. Vorn gibt es einen schönen Vorhof mit Platz für Feste, drinnen viel Platz und eine großzügige Bühne. Hinterm Haus legt ein schattiger Biergarten eine Pause nahe. Der zugehörige Eiskeller am Hang ist selbst mit Platzangst begehbar, denn der Deckel wurde entfernt.

Streuobsthänge hinterm Schlossberg, Buckow

Zwischen Mühle und Kirche tummeln sich bunt die Leute, und rund um die Brücke über den Stöbberbach gibt es drei Optionen zum Sattwerden für kleine und große Geldbeutel. Die schönsten Plätze direkt am Bach hat der Imbiss, wo eine erfahrene Dame seit langer Zeit den Kochlöffel und anderes Werkzeug schwingt. Ganz egal, wann man hier sitzt, fast immer wird gegenüber in der Stobbermühle geheiratet. Heute nicht, wahrscheinlich ist das Datum nicht ausreichend eingängig. Vorn am Marktplatz in der Eisdiele ist kein Stuhl mehr frei, doch etwas die Straße hinauf in Richtung Bahnhof gibt es ja das Eiskörbchen. Auch hier steht eine Schlange, die schnell und freundlich abgearbeitet ist. Die Eisleckbänke gegenüber sind voll, doch die Fluktuation ist groß und nach etwas Schmökern in der hiesigen Bücherkiste werden Plätze frei.

Bucklige Brücke übers Sophienfließ

Am Eingang zum Schlosspark liegt ein schöner Kräutergarten, in dem es neben der Wassertretstelle im Bach sogar ein Kneipp-Becken für die Arme gibt. Das mit dem Kältekribbeln nach dreißig Sekunden wird dieser Tage nichts, denn das frische strömende Wasser aus dem breiten Hahn ist allenfalls laukalt. Besser macht es eine Horde Kinder, die mit nackten Beinen durch den Bach stiefeln, sich unter der Brücke kaum bücken müssen und dahinter von den Beerenbüschen naschen. Das klingt nach einem schönen Ferientag, selbst wenn es für ein Bad zu frisch war.

Im gediegenen Schlosspark besteht reiche Auswahl an sonnigen oder schattigen Wegen, denn beides ist heute durchaus willkommen. Kurz vor dem Aufstieg entdecken wir links einen Pfad, der im humorvollen Slalom zwischen dickbauchigen Koniferen scharwenzelt. Der Aufstieg auf den Schlossberg ist dann weit moderater, als es die steile Treppe vorhin am Strand befürchten ließ, und oben gibt es einen der schönsten Blicke auf die kleine Gebirgswelt, mit Streuobstwiesen, Waldrandpfaden und Aussichtsbänken. Nach einem Stück Straße unterhalb sanfter Obsthänge und etwas Zickzack sind wir wieder am Sophienfließ, das uns komplett aus der Bilderwelt des bisherigen Tages reißt.

Pfad am Stauteich des Sophienfliesses

Sophienfließ

Der Kilometer bis zur Landstraße zählt wohl zum urigsten und am meisten pittoresken, was sich weit und breit finden lässt. Es ließen sich Vergleiche anstrengen zu Schluchten- und Bachtälern in echten Mittelgebirgen, zu Urwäldern, die im Großen und Ganzen sich selbst überlassen wurden. Etwas wie die Wurzelfichte musste einfach in diesem kleinen Tal stehen, schon die Worte scheinen einander zu bedingen. Die Wurzelfichte am Sophienfließ. Auch wenn von der Fichte nur noch das bizarre Wurzelwerk die Blicke auf sich zieht, seit ein namhafter Sturm den hochgewachsenen Baum umknickte, ist der Weg dorthin so verträumt, fast etwas abenteuerlich, dass man ihn in kleinsten Schritten gehen sollte. Damit er nicht so schnell vorbeigeht.

Auf und ab gebärdet er sich an den Talflanken, schickt seine Besucher mehrfach über betagte Knüppeldämme, die im aktuellen Zustand etwas mehr Trittsicherheit und gesunden Menschenverstand erfordern als sonst. Auch sie scheint man – wie den Urwald – in Ruhe zu lassen. Hier und da sorgen Dämme aus Kleinholz für Stauteiche, deren besonnter Grützteppich goldgrün schimmert, wie manche Eidechse im besten Licht. Andernorts treten eisenhaltige Quellen aus und sorgen für den goldbraunen Ton des fließenden Wassers.

Aufsteigender Weg von der Waldsiedlung

Kurz vor der Wurzelfichte ist das Bett des Fließes derzeit komplett trocken. Da es vor ein paar Minuten noch munter strömte und früher am Tag weiter nördlich etwas Wasser führte, geht das Wasser womöglich eine Zeitlang in den Untergrund. Dem Annafließ bei Strausberg geht es ähnlich. Doch auch ohne fließendes Sophienwasser ist sie ein ehrfurchtgebietender und anrührender Anblick, die riesige hohle Wurzelhand, die sich mit theatralischer Geste in den märkischen Sand krallt. Eher noch als das Glitzern der Wellchen fehlt das Plätschern. Ein gereimter Vers auf dunklem Holz umreißt kurz, was dem berühmten Baume widerfuhr.

Alleeweg nach Grunow

Grund zwischen den Weesenbergen

Nach dem Queren der talversunkenen Landstraße und ein paar Kurven steht wieder etwas stilles Wasser im Bachbett. Die Staudämmchen lassen nicht erkennen, ob sie jemand mit oder ohne Pelz erbaut hat, zumal vor einigen Jahren eine Renaturierung in Angriff genommen wurde. Ein paar Schritte später beginnt eine Pflasterstraße und ruft lose die Feldsteinthematik ins Gedächtnis zurück. Die Wochenendgärtchen in der bewaldeten Landschaftsfurche zwischen Kleinem und Großem Weesenberg sind wunderschön gelegen. Doch der Schlummer in Waldesruh dürfte für die nächsten Wochen passé sein, da in diesem Jahr nicht nur die Obstbäume übervoll mit Früchten hängen, sondern auch die Eichen. Bei einer Fallhöhe von acht Metern und zahlreichen Blechdächern vergeht keine halbe Minute ohne lautes Knallen. Nur ein Haus, zumal das malerischste hier, steht so mittig und ausreichend entfernt von den anderen, dass Schlafen bei offenem Fenster als Option bleibt.

Schafe bei Grunow

Der Schatten bleibt auch nach dem Ende des Waldes erhalten, denn die Bäume beiderseits der sanft geschwungenen Pflasterstraße stehen hoch und dicht. Am nächsten Abzweig ist der höchste Punkt erreicht und damit das Ende des Aufstiegs vom türkisen See. Zur Wahl stehen nun der direkte Weg nach Grunow oder ein weiter Bogen durch die sanft gewellte Landschaft. Der ist auf der Hochzeit der Vegetationsperiode so eine Sache, teilweise von hohen Gräsern bewachsen und auch ausdruckskräftigen Brennesseln, die selbst durch die Hose wirken. Ferner liegen noch ein zwei vom Sturm gefällte Bäume quer, die zu umgehen sind. Doch lohnend ist es schon, den Bogen mitzunehmen, insbesondere an so einem Tag, der nicht zu Ende gehen soll. Der Weg ist pulssenkend und die flächendeckend am Boden liegenden Eicheln knurpsen so schön unter den Sohlen, gar nicht zu reden von den vielen Feldsteinhaufen – was ist da schon ein wenig Nesselbrand über den Fesseln oder ein Ästchen, das im Unterholz die Haare zaust.

Wo die begleitenden Bäume enden, ist jetzt die offene Landschaft wohltuend für Augen, Füße und Unterschenkel und irgendwie auch verdient. Rechts baut der Schäfer gerade den Zaun für eine große Weide auf, weiter links liegt eine noch viel größere, die sich gerade in der Bearbeitung befindet. Endlos viele Schafe müssen es sein, und je länger man die Landschaft absucht, desto mehr werden es – wie beim Blick zum sternenklaren Himmelszelt.

Kirche außerhalb, Grunow

Beim Abbiegen auf die Straße wartet eine Überraschung hinter den Bäumen. Verborgen und von hohem Holz umringt sowie bereits vermisst steht auf einer kleinen Wiese die alte Dorfkirche, die mitsamt dem Friedhof vis à vis einmal das Zentrum von Grunow war. Das Dorf ist vergangen und ein paar Meter weiter neu entstanden, doch die Kirche ist geblieben, wo sie war und bietet damit etwas Einzigartigkeit. Das Lesen der Tafeln lohnt durchaus, denn es gibt einen Reim auf einige sonderartige Feldsteine in der extradicken Kirchenmauer. Ungewöhnlich ist auch, dass für den Bau keine kugeligen Feldsteine verwendet wurden, sondern in Form gehauene mit dem Streben nach rechten Winkeln.

Außergewöhnliche Steine in der Kirchmauer, Grunow

Zum letzten Mal überqueren wir das Sophienfließ, das an dieser Stelle etwa die Hälfte hinter sich hat, und über dem schmalen Wasser tanzen wahrhaftig ein paar Mücken. Die Kinder dürften beim Abendbrot sitzen und ordentlich zugreifen, eine andere Katze als vorhin wechselt die Straße und die meisten Schwalben haben Feierabend gemacht. Die wenigen, die noch unterwegs sind, fliegen jetzt hoch und schauen scheinbar intensiv in Richtung Süden. Nicht uns allein war dieser Tag ein Zeichen und ein Vorgeschmack auf die allumfassend würzigen Monate in Gold.

 

 

 

 

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): über S-Bhf. Lichtenberg und Müncheberg, von dort Bus oder Buckower Kleinbahn (nur Saison am Wochenende)(ca. 1,5 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): Landstraße über Hönow und Strausberg (ca. 1,25 Std.)

Länge der Tour: ca. 17 km (Abkürzungen mehrfach möglich)

 

Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

 

Links:

Buckower Kleinbahn

Arbeitseinsatz am Sophienfließ

Informationen zum Schermützelsee

 

Einkehr: Johst am See, Bollersdorf (Siedlung am See)
zahlreiche Optionen in Buckow rund um den Markt (Imbiss bis gehoben)