Schlagwort-Archive: Platte

Seefeld: Kamillenseife, Maschinenlärm und der Weg nach Berlin

Dieser Sommer gibt sich symphonisch in vielen Dingen und bietet eine beherzte Mischung von Düften dar, die vor allem würzig sind und intensiv, daneben viel bewegt und daher ständig neu gemischt. Zugleich ist er außerordentlich launisch und jagt die Thermometerskala rauf und runter, bietet Kostproben der Höllenglut auf und kurz darauf dramatische Wolken, präsentiert wüstenheiße Tage mit stehender Luft oder kühle Sommerwinde, die temporeich um jede Ecke gescheucht werden.

Rundweg am Haussee, Löhme

Viel ist noch übrig vom Frühling, was Vogelkehlen und Wiesenblumen betrifft. Selbst der Holunder, der mancherorts schon längst Früchte bildet, präsentiert seine weißen Blütenteller, die ihren strengen, eigenen Duft verströmen. Ihre Dolden sind zum Teil groß wie eine Handwerkerpranke, die weit geöffnet zum nächsten Werkzeug greift.

Regen gab es immer mal wieder, hier und da auch stürmische Winde und sogar ein paar Unwetter. Zugleich hielt manch brennende Heide mit potentieller Munition im Boden Tausende Helfer und Bewohner in Aufregung, die auf rettenden Regen und abflauende Winde hofften.

Wanderweg von Blumberg nach Ahrensfelde

Der Juli ging schließlich nach einem Temperatursturz von 38 auf 18 Grad an den Start und schustert nun so ein bisschen rum mit frischem Wind und grobmaschig gestrickten Teppichen aus dichten grauen Wolken, die jede Stunde ein per Quote bestimmtes Fensterchen für blauen Himmel lupfen, manchmal sogar ein paar Minuten Sonnenschein durchwinken. Die allgemeine Verwirrung im Hin und Her des Wetters lässt sich am besten an der Bekleidung der Leute auf der Straße ablesen – neben hastig tippelnden dicken Anoraks mit Pelzkragen über hochgezogenen Schultern schlendern entspannt kurzbehoste Schulterfreie in flappenden Badelatschen. Und alle Touristen machen das Beste aus dem, was sie jeweils mehr oder weniger maßlos in ihre Rollkoffer gestopft hatten.

Nach verschiedenen Erlebnissen in der näheren Ferne oder auch etwas dahinter heißt es nun wieder, sich in Berlin und Brandenburg einzuleben, und dazu ist es am schönsten und effizientesten, von der Stadtgrenze her ins Brandenburgische auszuschwärmen oder eben von einem benachbarten Dorf auf die Stadt zuzulaufen, bis irgendwann der Fernsehturm ins Bild rückt.

Aufwändig eingerahmtes Landschaftsbild, Ahrensfelde

Berlins Umsteigebahnhof Nr. 1 ist nun schon über ein halbes Jahr fertig, und nach vielen Jahrzehnten mit ausschließlich S-Bahnen fahren wieder Regionalzüge von hier ab. Wie jedes Kind der Stadt habe ich gemischte Gefühle zu diesem bewegten Bahnhof – wie possierlich scheint doch das Westkreuz dagegen – , den ich zeitweise gefürchtet, lange gern vermieden und über die Jahre doch schätzen gelernt habe. Dass er eines Tages tatsächlich mal fertig wird, schien unwahrscheinlich, doch nun ist es so. Das erste Mal von dort nach außerhalb abzufahren, ist dann tatsächlich ein besonderes Gefühl.

Haussee bei Seefeld

Seefeld

Züge fahren von hier nach Magdeburg an der Elbe, Cottbus an der Spree oder Küstrin an der Oder, auch nach Wismar an der Ostsee und sogar nach Norddeich, puffergenau an den Gezeitenstrand der Nordsee. Derzeit ist sogar das schwäbische Hauptgebiet per Fernzug erreichbar, von wo sich über den Neckar namhafte Weinlagen erreichen lassen.

Etwas weniger spektakulär und ohne Reben oder großes Wasser kommt die Linie nach Werneuchen aus, deren vorletzter Halt in Seefeld liegt. Während der kleine Zug im Stadtgebiet noch gemächlich dahintuckelt, wird hinter dem letzten Bahnhof von Ahrensfelde freudig beschleunigt, so dass die wolkenschattigen Feldlandschaften regelrecht vorbeisausen. An Bahnübergängen locken bereits die ersten Wege und lassen die Sprunggelenke leicht wackeln, und schon bald hält der Zug in Seefeld, das sich mit dem benachbarten Löhme einen Haussee teilt. Der Bahnhof liegt am Rand des Ortes.

Rundweg um den Haussee, Seefeld

Es ist Sonntag, gerade noch vor zwölf, und so können wir uns im gemütlichen Gasthaus am Anger ohne lange Wartezeit stärken, währenddessen die Gäste strömen und Tisch um Tisch besetzt wird. Bei der Wahl des besten Tisches gibt es unterhaltsames Gebrabbel und viel Hin und Her, bis schließlich jeder einverstanden ist. Die Kellnerin moderiert freundlich und bestimmt an den reservierten Tischen vorbei oder von diesen weg. Die wuchtige Feldsteinkirche steht still daneben, schon immer, und auf dem Anger wurde ein winziger „Stadtpark“ eingerichtet, mit allem, was dazugehört.

Blick auf die verschilfte Westbucht des Haussees

Vorbei am Biergarten der fast benachbarten Seeterrasse kommt man nach wenigen Schritten zum Rundweg um den Haussee, der vor ein paar Jahren eingerichtet wurde, liebevoll und fachkundig, und mit gut einem Stündchen Länge von verschiedensten Leuten gern zum Spazieren genutzt wird, insbesondere sonntags um die Mittagszeit. Der See selbst hält sich visuell meist im Hintergrund, ist jedoch zugleich präsent durch Schilfrascheln, Wasserduft und das Klicken der Blesshühner.

Wanderweg nach Löhme

Der Verlauf des meterbreiten Pfades ist verspielt, in dichten Abständen gibt es schöne Rastplätze und bunte Informationstafeln. Aktuell sind die Wegränder bunt gesäumt von allem, was so blüht zwischen spätem Frühling und hohem Sommer – blau, weiß, rot und gelb und noch manche Zwischentöne. Dazwischen die hohen Gräser und kurzen Ähren, denen der Wind durch die Grannen geht, und all das in kräftigen Farbtönen, die nach Sepia-Filter aussehen.

Großdimensionierte Hochspannungsleitungen erinnern zwischendurch daran, dass man sich im unmittelbaren Umkreis einer großen Stadt befindet, doch die Sinne werden schnell wieder nach unten gelenkt vom Rauschen in den Bäumen, dem Huschen im Gebüsch oder dem Summen und Flattern in den Blüten, die jeden Schritt begleiten. Nach einem schönen Pfadgeschlängel setzt sich die Löhmer Kirche in den Blick, deren Helmfirst von einem weithin erkennbaren Hahn gekrönt wird.

Langer Alleeweg nach Westen

Wenn die vielfältige Runde um den Haussee nicht ausreicht, schwenkt man am besten auf Höhe der Kirche ins Dorf und wendet sich dort nach links. Spätestens hier wird es nun einsam. Am Ortsende versiegt der Asphalt und es beginnt auf knirschendem Untergrund einer dieser schönen Alleewege, die zwischen Buschwerk und alten Baumstämmen von einem Dorf zum nächsten führen, niemals schnurgerade sind und dabei halbschattig und etwas windgeschützt.

Letzteres kommt heute weniger zum Tragen, denn unter der dichten, fast etwas barocken Wolkendecke scheint der Wind nach einem Ausgang zu suchen und ist dabei unwirsch und ohne Richtungstreue. Eine Mütze wäre durchaus sinnvoll, doch widerstrebt einem das in dieser Jahreszeit mit Namen Sommer. Somit wird alles, was an Bord ist und sich formen lässt, am Kopf befestigt – Kapuzen, Tücher, Hüte, manches auch zusammen. Würde man das in Berlin ganz selbstverständlich so tragen, wäre wohl ein neuer Trend gepflanzt, am nächsten Tag das Resultat zu sehen. Und sicherlich wären umgehend auch erste Tutorials in den SoMed verfügbar, selbstverständlich mit Shop-Verlinkung. Doch wir belassen es exklusiv und gänzlich unveröffentlicht.

Weg an den Teichen bei Birkholzaue

Robinien, Eichen und Holunder sorgen für einen Wechsel von Licht und Duft, in größeren Lücken dampft es warm vom abgemähten Acker herüber, und voraus ist ganz weit hinten nun zum ersten Mal der Fernsehturm zu sehen, so etwa streichholzgroß. Auf Höhe des Waldes fällt der Weg ein paar Dezimeter ab, und wer hier nach so viel Geradeaus mit dem Abbiegen nicht bis zur nächsten Kreuzung warten möchte, kann bei abgemähtem Feld weglos in Richtung Schilfgürtel schwenken, der einen Teich zwischen den Feldern umgibt. Ist dieser erreicht, beginnt auch wieder ein grasiger Weg, der in schönen Kurven der Uferlinie folgt. An seinem Ende biegt rechts ein Weg durch üppiges Grün ab, der Kletten an der Hose ermöglicht und bald auf einen breiten Fahrweg stößt. Voraus sind bereits die ersten Häuser von Blumberg zu sehen, und alle halbe Stunde saust mit zaghaftem Getute ein Zug durchs ferne Korn.

Blumberg

Im Blumberger Lenné-Park

Die Kornfelder beiderseits des Weges sind zum Teil abgeerntet und stoppelkurz, teils stehen die Ähren fast kindeshoch. Beide Seiten verströmen den sommerlichen Kornfeldduft, der noch immer gut und gründlich verteilt wird. Hinterm Bahnübergang und der Beerenselbstpflücke quert die Landstraße, traditionell mit leichtem Verkehrsgestocke vor der Autobahnauffahrt. Schräg gegenüber lässt sich dann gleich abtauchen in die gediegene Atmosphäre des lennéschen Schlossparks.

Dem geht es ein bisschen wie den Grünanlagen in der benachbarten Spree-Metropole, die scheinbar unabhängig von plausiblen Einstufungen oder Prioritäten mal bestens gepflegt sind, mal auf Erhaltungsmodus oder auch völlig sich selbst überlassen. Der zu jeder Jahreszeit schöne und weitläufige Park mit seinen alten Bäumen und zaghaften Blickachsen kommt etwas wild frisiert daher, was brütenden Vögeln und tüchtigen Insekten sehr entgegen kommt. Hier und da werden neue Wege angelegt, auch ein Brücklein wird erneuert.

Drum herum stehen in Gruppen oder betont als Solitär erhabene Baumriesen, die noch aus der Zeit stammen, wo Lenné hier seine Arbeit tat. Dazwischen weite Wiesen, durch die zurückhaltend kleine Wasserläufe führen. Infolge des letzten Sommers liegen einige davon noch immer trocken, doch der große Teich ist voll klaren Wassers, bedeckt von den Blätterflokatis des Teichrosenlaubes und gesäumt von Schilfgürteln mit hunderten prallsamtiger Rohrkolben. Durch den Park schlendern Hunde mit ihren Leinenhaltern, auch stakst jemand mit einem Metalldetektor durchs hohe Gras, und ein paar Damen scheinen auf der Suche nach gewissen Kräutlein und haben dabei den botanischen Blick aufgesetzt.

Zuweg zur Autobahnbrücke, Blumberg

Über ein Brücklein aus massiven Feldsteinen kommen wir von der Gärtnerei ins Dorf, vorbei an bunten Bauerngärten und den großzügigen Auslaufflächen der Schule, die etwas oberhalb des Parkes liegt. Weiter hinten spielen Kinder etwas ohne Akkubalken und lassen versonnen an einschlägige impressionistische Gemälde denken. Den lohnenden Kringel um den Dorfteich und zum verwunschenen Kirchhof sparen wir heute aus, da wir vor kurzem erst dort waren und noch einiges an Weg übrig ist, ebender hauptausschlaggebend für die heutige Tour war.

Wanderweg zum Ahrensfelder Stadtrand

Hinter Blumberg vollzieht sich ein besonderes Kontrastprogramm aus dem notwendigen Gebrüll lebenspraktischer Verkehrswege, einem wonnigem Weg über die Felder und dem erhebenden Erblicken der noch fernen Stadt. Eine der schönsten Möglichkeiten, auf den Stadtrand zuzugehen. Bei den letzten Häusern von Blumberg machen die Gärten Platz für eine üppig grüne Feuchtlandschaft, zugleich steigt mit jeder Minute der Schallpegel des Autobahnringes an, da helfen bei entsprechender Windrichtung auch die Schallschutzwände wenig. Oben drüber nimmt an manchen Tagen alle paar Minuten ein Langstreckenflieger die große weite Kurve aus Berlin und brüllt allen im weiteren Umkreis ungefragt die Ohren voll. Doch das gehört zur Stadt und auch zu jeder Tour am Stadtrand.

Weg durch die Kornfelder

Wären die Ohren stummgeschaltet, würde der Anstieg hinauf zur Autobahnbrücke fast bis zuletzt so scheinen, als ginge es irgendwo tief in der Provinz über ein größeres Gewässer oder einfach zwischen den Feldern auf eine Anhöhe. Zwei rote Geländer sichern das Überbrücken der schnellen Straße, die bald aus dem Blick ist, doch länger noch im Ohr. Zugleich wächst auf Höhe des Geländers die Silhouette der Hochhäuser empor, gleich neben dem grünen Ahrensfelder Berg und nur für einen Augenblick. Erstaunlich weit rechts steht ein bisschen verloren der Fernsehturm, noch immer ziemlich klein.

Nach dieser Vorschau auf den Stadtrand fängt ein herrlicher Feldweg den Blick ein, während in den Ohren nach und nach der Pistenlärm verklingt. Links und rechts wachsen Rosen- und Holunderbüsche, saftige Gräser und üppiges Gestrüpp. Auch der bucklige Feldweg nach Ahrensfelde hält es charmant mit seiner eigentlichen Geradlinigkeit, die stets abgelenkt wird von leichten Hakenschlägen, bunten Feldrändern oder gut angewachsenen kleinen Alleebäumen. Links des Weges steht bestens gediehen und goldblond der Weizen, und bis zum allerletzten Ende des Weges ließen sich vier verschiedene Fruchtstände von Getreiden sammeln.

Radfahrerpärchen im märkischen Sand

Von vorn kommt ein älteres Paar ohne Gewichtsprobleme, beide sind attraktiv ergraut und sehen tendenziell nach Schreibmaschine, Töpferstube und Kräuterseifensiederei aus und saßen wohl länger nicht auf einem Fahrrad. Sie hätten besser den etwas längeren, wenn auch profaneren Radweg genommen, denn der märkische Zuckersand lässt die nostalgischen Räder hier ordentlich am Lenker ziehen. So wird mehr gehalten als gefahren, doch das naheliegende Schieben scheint nicht in Frage zu kommen. Mit einem leichten Anstieg naht ein weiteres Problem, dessen Lösung wir nicht mehr verfolgen.

Eine der Besonderheiten dieses Weges ist die zauberhafte Art, wie man denkbar unromantisch am äußersten Rand von Ahrensfelde das Dorf verlässt – zwischen einem Handel für hochmotorisierte Ami-Schladen mit Police-Beschriftung sowie Untertitel „to protect and to serve“ und einer in die Jahre gekommenen Tankstelle, zu deren Luftpumpsäulen immerhin drei urige Holzstiegen hinaufführen. Und dann eintaucht, bevorzugt im Monat Mai oder Juni, in hochstehendes Korn, das wie kaum woanders gesäumt ist von Mohn- und Kornblumen sowie Margeriten, zu deren Füßen wiederum weite Teppiche duftender echter Kamille heranwachsen. Die man natürlich hervorragend in selbst gesiedeter Seife verarbeiten und mit einem liebenswerten Logo mit großmütterlicher Handschrift versehen kann. Diese Richtung ist dann schlüssigerweise eine der schönsten Möglichkeiten, sich vom Rand der Stadt zu entfernen, hin zum Blumberger Park.

Weiher inmitten der Felder

Etwa auf der Hälfte des Weges liegt etwas tiefer und von Schilf umgeben ein Weiher, dessen Fläche oft tiefdunkel ist in ihrem Blau und vor Unwettern eine eindrucksvolle Dramatik entwickeln kann. Heute liegt der Spiegel silbergrau und leicht gekräuselt, und einem parkenden Auto nach muss irgendwo im Schilfgürtel ein Angler nisten. Kurz nach dem See kommt wieder Berlin in Sicht, und dabei bleibt es nun.

Ein Kaffee wäre dringend nötig jetzt, das zeigt auch der Kilometerstand, ferner fordern Kälte und Wind ihren Tribut. Der italienische Mineralölausschank mit dem feuerspeienden Hund im gelben Logo serviert zwar exzellenten starken Kaffee aus dickem Porzellan, doch wäre das ein Umweg übers holprige Feld, bei dem wir zudem noch zwei Störche stören würden, die Nachlese betreiben auf dem abgeernteten Stoppelacker. Also kehren wir beim Franzosen ein, der direkt am Weg liegt, der mit den drei Holzstiegen. Der Blick durch die knappe Autowaschstraße zeigt unerwartet ein Landschaftsgemälde, das von den technischen Wässerungsanlagen eingerahmt wird. Das ist exklusiv, der Kaffee drinnen dann heiß wenn auch in Pappe, und obendrein retten wir zum halben Preis noch ein aufgewärmtes Mehretagen-Brötchen, bei dessen Kauf sich eine andere Kundin verkalkuliert hatte, als es schon im Ofen lag. Und das jetzt erstaunlich gut passt und ein drohendes Energieloch verhindert.

Romantische Holzstufen zur Kaffeetränke

In den Beinen ist noch Kraft für Schritte übrig, Lust aufs Weitergehen ohnehin, und so setzen wir den Weg fort und überholen im Spazierschritt die aufgestauten Autos, die nach Berlin reinwollen. An der winzigen Wuhle, die in abgezählten Tropfen durch ihr Bettchen sickert, biegen wir ein in den Wuhletal-Wanderweg, ein gut ausgeschildertes Weglein, das die S-Bahnhöfe Ahrensfelde und Köpenick verbindet. Damit erweist sich eine Legende aus meiner Kinderzeit nun endgültig als falsch, nach der die Wuhle im Bahnhofsklo von Strausberg entspringt. Eine hübsche Parkanlage mit Spielplätzen, Brücklein und Weihern begleitet das klamme Bett der Wuhle in Richtung Bahnhof Ahrensfelde Friedhof.

Direkt hinter dem Bahnhof, am Zugang zum großen Ostkirchhof mit seinen parkartigen Anlagen, gab es ein schönes Gasthaus mit grünem Biergarten, doch leider ist dieser Ort Geschichte, wie wir mit dürstender Kehle feststellen. Nächste Möglichkeit für Durst-Abhilfe wäre eine Tankstelle, das wäre zwar irgendwie konsequent, aber das Wahre eben nicht, auch wenn es zum Stadtrand passt.

Wanderweg an der blutjungen Wuhle, Ahrensfelde

Lust zum Weitergehen ist auch am S-Bahnhof Ahrensfelde vorhanden, so dass wir noch ein Stück verlängern – nun schon auf Berliner Stadtgebiet. Parallel zur Bahntrasse und ohne Wahrnehmung dieser wurde hier vor dem Wohngebiet ein Parkstreifen angelegt, der mit etwas gutem Willen an ein Kurörtchen denken lässt, vielleicht Bad Ahrensen. Mit geschwungenen Wegen, verschieden gestalteten Nischen zum Sitzen und Treffen, Rodel- und Tobehügeln und allerlei schönen Rabatten. Alles in geliebtem Zustand und locker durchstreut mit Menschen allen Alters. Gegenüber auf dem Sportplatz spielen Ferienkinder und haben sich einen brauchbaren Lautsprecher mitgebracht, der fluffige Beats freigibt. Die ganze Szenerie strahlt einen angenehmen Frieden aus.

Kurpromenade von Bad Ahrensen

Nach einem Schwenk beginnt vor einer oberirdischen dicken Rohrleitung, einem mittlerweile eingängigen Charakterzug für diesen Bezirk, ein wirklich besonderer Parkstreifen. Im Kern eine mitteljunge Allee, vermutlich Ahornbäume, und drumherum naturbelassene Wiesen für die Sumsen, später weite Wiesenflächen, begleitet vom eingesenkten Lauf der einstmals breiten Neuen Wuhle.

Ebenfalls wird die Allee begleitet von verschiedensten Spiel- und Trimmgeräten, die verschiedenste Menschen in skurril anmutende Bewegungsmuster bringen. Die Bewegung trimmt dich sicherlich sehr gut, doch würde man sicherlich ungern von Bekannten oder Kollegen dabei beobachtet werden. Es ist wohl in etwa so, dass man aus sich selbst herausschlüpft, wie es auch Leute tun, die im Auto im Stau minutenlang an ihrer Nase herumkneten oder mimische Gymnastik extremer Natur treiben, weil sie ja dort keiner sehen kann – obwohl in Meterentfernung zwei Glasscheiben weiter schon der nächste Nachbar sitzt. Es ist drollig und dabei das Normalste überhaupt, eben menschlich.

Trimm-Dich-Allee im Tal der Neuen Wuhle, Ahrensfelde

Einige auf den Gymnastikgeräten vollziehen dieselbe Bewegung schon mehrere Minuten, rufen dabei das gute alte Duracell-Häschen ins Gedächtnis und werden sicherlich nach dem Verlassen der robusten Metallstallagen zirkelnd in die nächstbeste Richtung umtorkeln. Als hätten sie als gestandene Landratte gerade einen handfesten Sturm durchsegelt und würden nun den ersten festen Fuß an Land setzen. Ganz egal, sie werden weich fallen, denn alles rundum ist entweder Wiese, Sand oder Mulch. Und rücklings umgeplumpst auf der Wiese liegen und glücklich in die Wolken stieren ist ja auch was Schönes, bis sie dann irgendwann wieder mit dem Strudeln aufhören, die Wolken.

Hornochsen zum Abend, Falkenberg

Falkenberg

Vom aufgeblühten Riesen-Sonnenhut in schönstem Mosaik bis zum abendlich geschlossenen Blütenkopf reicht dieser Teil der Allee, und mit kleinem Schwenk setzt sie sich in einer Pflasterstraße fort, hinter den Gärten des Dorfes Falkenberg, wo umgehend die einstigen Rieselfelder losgehen, durchzogen von schönen Wegen, bunter Flora und jungen Obstbaumalleen. Nun endlich soll es gut sein mit den Schritten, und wir überlassen den letzten Kilometer bis zum Anschluss ans Straßenbahnnetz der BVG, die aktuell wieder schöne Anzeigen auszuhängen hat.

Unter dem westlichen Sonnenhut, Falkenberg

Der Bus ist gut gebucht, die Straßenbahn dann auch. Hier wird getwittert, da geschnattert und dort mit ausladenden Gesten lautlos gebärdet – vielleicht, damit es beim Gewackel der eiligen Bahn auch gut verständlich ist. Auf dem Platz schräg gegenüber sitzt ein Mädchen, sommerlich gekleidet, mit einem versonnen-sanften Lächeln im Gesicht und zwei bunten Torten-Vierteln in der Schatulle, die sie jetzt ins Herz der Stadt ausliefert. Der Sonntag ist noch lange nicht zu Ende.











Anfahrt ÖPNV (von Berlin): per Regionalbahn von Berlin-Ostkreuz (ca. 0,5 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): auf der Landstraße über Ahrensfelde (ca. 0,5 Std.)

Länge der Tour: ca. 20 Kilometer (Abkürzungen möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Rundweg Löhmer Haussee

Lenné-Park Blumberg

Wuhletalweg

Einkehr: Fischerhütte, Seefeld
Hotel Aragon, Blumberg
Ahrensfelde Dorf div. Möglichkeiten

Berlin/Marzahn: Grüne Wege und große Vielfalt – durch die Plattenprärie im wilden Osten

Berlin ist schon seit Wochen hin und hergerissen zwischen dem immer wieder angekündigten Ende des Sommers und seiner stets überraschenden Rückkehr, die manchmal ein paar Tage andauert, manchmal auch nur zwanzig Stunden. Die wärmste Jahreszeit fand in diesem Jahr eher in Mai und Juni statt als wie gewohnt von Juli bis August. Es ist Ferienzeit und die Stadt voller als gewöhnlich von Touristen, während eine Großzahl derer, die alle vier Jahreszeiten hier zubringen, die Flucht ergriffen hat. Das ist ganz gut so, denn dem Brauch folgend werden allerlei Sperrungen von Zugstrecken, Straßen und Fusionen von beidem in diesen Wochen abgehandelt, was für Touristen sicherlich zum Abenteuer Berlin gehört, für die Berliner jedoch eher nervig ist während der kostbaren Tage des Urlaubs.

Blick vom Ahrensfelder Berg nach Westen
Blick vom Ahrensfelder Berg nach Nordwesten zur Ahrensfelder Kirche

Wer nicht außerhalb weilt oder schon von dort zurück ist und noch freie Tage übrig hat, kann innerhalb der Stadtgrenzen enorme Vielfalt und Überraschendes aus verschiedensten Richtungen und Bereichen finden. Häufig ist beides auch dort zu finden, wo man eher wenig damit rechnen würde. Und es kann ein Tag daraus werden, der von Stunde zu Stunde immer größer wird und verschiedenste Welten und Landschaften miteinander verbindet.

Bahnhofsvorplatz in Wartenberg
Wohlwollender Blick auf den Bahnhofsvorplatz in Wartenberg

Wer zum Beispiel einen Stadtteil aufsucht, bei dessen Namen man sofort an Grau denkt, kann mit sehr viel Grün überrascht werden, und wer sich am dicht besiedelten Stadtrand aufhält, kann innerhalb des Stadtgebiets in eindrucksvolle Landschaften eintauchen. So ist es keineswegs ein Widerspruch, den ganzen Tag Plattenbau-Siedlungen zu durchstreifen und dennoch Haken für Haken auf einen Wunschzettel setzen zu können, auf dem Worte wie Berggipfel, Flusstal, Dorf und Sumpfwiese oder auch Windmühle und Kuhweide stehen. Kleiner Hinweis: wer mit Kindern unterwegs ist, sollte bei der Zeitplanung beachten, dass an vielen Stellen großzügige Spielplätze im Grünen einladen, von denen keiner dem anderen ähnelt und deren Angebote nicht nur Leute unter einem Meter Körpergröße neugierig machen. Der Stefan aus dem Buch „Die Insel der Schwäne“ wäre wohl heute sehr zufrieden, wenn er sehen würde, was aus den „kleinen Wiesen“ geworden ist, für die er dreißig Jahre zuvor gekämpft hatte.

Parkfläche unweit des Bahnhofs, Wartenberg
Parkfläche unweit des Bahnhofs, Wartenberg

Wenn man also heute durch Marzahn oder Hellersdorf spaziert und keine Plattenbau-Phobie hat, lässt sich wahrnehmen, dass die Stadtplaner in den Siebzigern und Achtzigern eine Vision hatten und das, was davon umgesetzt werden durfte, über die Jahrzehnte aufgegangen ist. Bei allem Grau des flächig verbauten Betons sind lebenswerte Siedlungen gewachsen, deren Straßen über viel Grün verfügen. Die dürren Baumschulabgänger von einst verfügen mittlerweile über beachtliche Laubdächer, und viele der grauen Hauswände sind jetzt bunt. Dazwischen gibt es zahlreiche Grünflächen und Parks, so dass beim Durchstreifen der Anlagen das Gefühl erwächst, sich durch eine ausgedehnte Parkanlage zu bewegen. Die Spaziertage in den Plattenbau-Vierteln in Ost und West zählen zu den eindrücklichsten in Berlin – eben wegen der Kontraste und Widersprüche, die aus Erwartung und Erleben entstehen.

Wiesenbrache hinterm Falkenbogen, Wartenberg
Wiesenbrache hinterm Falkenbogen, Wartenberg

Nach Wartenberg fährt direkt vom Alex die S-Bahn. Einen stufenloseren Transfer von der Innenstadt in die Welt der standardisierten Hochhäuser ermöglicht jedoch die Straßenbahn, die ebenfalls hier abfährt, nur ein Stockwerk tiefer im Parterre und dann quer übern Platz – von so viel Bodenhaftung kann die S-Bahn nur träumen. Nach längerer Fahrt hält die M 4 kurz vor Ihrem Ziel Falkenberg am S-Bahnhof Hohenschönhausen. Wiederum ein Stockwerk tiefer ist es dann nur noch eine Station nach Wartenberg.

Am Seegraben bei Falkenberg Dorf
Am Seegraben bei Falkenberg Dorf

Wartenberg

Nicht so hoch wie die in Marzahn sind die Plattenbauten von Wartenberg, die herangewachsenen Bäume wirken daher größer. Der verwaist wirkende Bahnhofsvorplatz bietet ein kleines Wäldchen mit schattigen Bänken und ein paar zaghafte Möglichkeiten für eine Stärkung. Wenig später schon lockt der erste Pfad in einen offenen Park mit sanft geschwungenen Wegen und damit zu den ersten Spielplätzen dieser Tour. Schon dieser Einstieg macht mit dem Umstand vertraut, dass die Tour zum größten Teil durchs Grüne führen wird, stärkerer Verkehr oder Autolärm nur an einigen wenigen Stellen anzutreffen ist. Präsenter sind da eher die Flugzeuge, die sich im Landeanflug auf Tegel befinden.

Blumengerahmte Eichenallee am Tal der Neuen Wuhle
Blumengerahmte Eichenallee am Tal der Neuen Wuhle

Nach etwas Straße quert ein Pfad über eine wildwüchsige Wiese, welcher der gartenpflegerische Sparkurs zu einer bunten Vielfalt verholfen hat. Direkt dahinter befindet sich der Falkenbogen, ein mittelmodernes Center mit ein paar Geschäften, Gastronomie und einem Kieztreff. Vorn an der breiten Falkenberger Chaussee befindet sich hier ein berlinweites Kuriosum für Notfälle der besonderen Art: der Streubelsche Bäckerbetrieb bietet ähnlich wie Apotheken einen Nachtschalter an. Wer also eines Nachts hochschreckt, hellwach ist und das dringende Verlangen nach Crémetorte oder einem frischen Stück Kuchen empfindet, kann hier zu jeder Zeit an der Nachtglocke läuten und wird Hilfe bzw. konditorische Erstversorgung erhalten.

Allee mit östlicher Blüte
Allee mit östlicher Blüte

Eine Grünfläche später steht man vor der ICE-langen Fassade einer kombinierten Schule, an deren Ende etwas alte Dorfstraße beginnt. Gleich hier biegt ein motorfreier Weg ab, direkt in die naturgeschützte Botanik der Wartenberger Feldmark mit ihren baumgesäumten Wiesen, ihren Weiden und Obstgärten. Die folgende Stunde bis zum Bahnhof Ahrensfelde verläuft vollständig durch Parks und Grünanlagen, die jede fürs sich ihren eigenen Charakter und dementsprechend ihren eigenen Reiz haben. Für Orientierung sorgt die blaue Markierung der Zwanzig Grünen Hauptwege der Stadt Berlin, von denen diese Tour gleich mehrere benutzt oder berührt.

Hinterhof in Ahrensfelde
Hinterhof in Ahrensfelde

Falkenberg

Nach einem kurzen Blick auf das Dorf Falkenberg setzt sich der Weg fort, durch etwas jungen Wald und mit Obstbäumen am Wegesrand, die in wenigen Wochen interessant sein dürften, jetzt noch nicht. Hinter einem kleinen Graben geht es dann durch die Trockenwiesen – entweder breit und bequem für Rad und Fuß oder ufernah als struppiger Trampelpfad. Überall sind Radfahrer unterwegs und Jogger, ältere Damen und junge Paare mit ihrem Nachwuchs im Kinderwagen. In allen Blicken lässt sich die Stimmung dieses einzelnen Sommertages ganz klar ablesen. Entspannt und zufrieden, ein bisschen glücklich. Und beruhigt darüber, dass sich der Herbst noch etwas Zeit lässt.

Zwischenhof unweit des Havemannplatzes
Zwischenhof unweit des Havemannplatzes

Nach ein paar Metern entlang der Hohenschönhauser Straße kommen voraus zwei Dinge in Sicht, die um Aufmerksamkeit buhlen. Gleich rechts ragen im Schatten kleiner Bäume große, geschwungene Gehörne aus den hohen Wiesen, und voraus steht eine riesige bunte Blume am Beginn einer äußerst geraden Allee. Wenn ich nicht irre, ein Sonnenhut, vielen vielleicht aus der Erkältungszeit als Echinacea bekannt. Eine Blume, die so aussieht, wie ein älteres Kind eine Blume malen würde. Das wonnige Gewächs ist knapp vier Meter hoch und innen wie außen komplett mit Mosaiksteinen gepflastert.

Schöner Ort für eine Pause oder mehr
Schöner Ort für eine Pause oder mehr

Rechts zeigen sich noch einmal die herausragenden Hörner der Brummochsen, die sich hier um die Offenhaltung einer großen eingezäunten Fläche kümmern, ihren Dienst mit großer Ruhe und Sorgfalt angehen. Voraus erstreckt sich akkurat die Allee aus jugendlichen Eichen, und in den Wiesen verlocken unterschiedliche Gerätschaften aus Holz oder Metall dazu, mit Spaß an der Freude die Gelenke mal wieder durchzuschmieren oder zu prüfen, wie es um die Körperkoordination steht. Oder sie einfach nur als Spielplatz zu nutzen.

Gleisbett der Straßenbahn, Ahrensfelde
Gleisbett der Straßenbahn, Ahrensfelde

Es gibt auch einen ganz harmlosen und völlig sportfreien Rastplatz oberhalb der leicht eingesenkten Neuen Wuhle. Dass deren Bett so großzügig ausfällt, erklärt sich damit, dass hier früher das Klärwerk Falkenberg große Mengen Wassers bereitstellte, die beim Zusammenfluss mit der eigentlichen Wuhle unweit des Dorfes Eiche deren Volumen ca. verzehnfachten. Als das Klärwerk 2002 stillgelegt wurde, musste sich die nun winzige Wuhle mit ihrem breiten Bett gänzlich neu arrangieren. Das hat sie bis heute ganz gut hinbekommen, wobei verschiedene Maßnahmen geholfen haben und noch immer helfen.

Grüne Wogen und ein krummes Rohr im Seelgrabenpark
Grüne Wogen und ein krummes Rohr im Seelgrabenpark

Für die Mosaikblume von vorhin gibt es übrigens am Ende der Eichenallee ein Gegenstück mit aufgefächertem Blattwerk und einer klaren Neigung zu Orangetönen. Auf der Verlängerung der kleinen Allee über die Wolfener Straße hinaus kreuzen voraus hin und wieder S-Bahnen oder Regionalzüge. Parallel zu den Gleisen verläuft der Grünstreifen mit teils schattigen Parkwegen vorbei an einer schönen Plansche, bis man schließlich relativ unvermittelt von der Überführung zum Bahnhof Ahrensfelde angegähnt wird. Die ist absolut ungeschminkt, und so wirkt es am anderen Ende regelrecht kuschlig, wenn neben den allgemeinen Hinweisen zu Ausgang, Bus und WC auch einer zum Barnimer Dörferweg aufgeführt ist, der an dieser Stelle für diesen und jenen durchaus eine Verlockung darstellen könnte. Zu Recht, durchaus. Doch wir wollen in Berlin bleiben, denn die meisten Spezialitäten am Weg stehen noch aus.

Kurz vor dem Gipfelplateau, Ahrensfelder Berg
Kurz vor dem Gipfelplateau, Ahrensfelder Berg

Ahrensfelde

Den speziellen Charme rund um den Bahnhof Ahrensfelde muss man schon mögen. Ein kleiner Schwenk nach links lohnt dennoch, wenn man im direkten Vergleich sehen möchte, wie sich durch Wegnehmen und Hinzufügen aus rein quaderförmigen Standard-Platten recht ansprechende und individuelle Mehretagenhäuser mit unterschiedlichen Grundrissen, Terrassen und offenen Bereichen machen lassen. Das ist bestimmt eine dankbare Aufgabe für einen Architekten. Für uns ergibt sich als kleiner Nebeneffekt noch das Auffinden von Original-Drehschauplätzen für das Video eines bezopften Köpenicker Lokalbarden, der musikalisch gern die Werbetrommel für seinen schönen Bezirk rührt.

Blick vom Gipfel auf die südlichen Nachbarberge
Blick vom Gipfel auf die südlichen Nachbarberge (ganz hinten das Müggelgebirge)

Die Dichte an Spielplätzen auf den kleinen Grünflächen zwischen den Blocks steigt jetzt massiv an, so dass Familien ab hier vermutlich nicht allzu flüssig vorwärtskommen werden. Warum auch, wenn es sich doch schön verweilen lässt. An der Straßenbahn, die bezirkstypisch über ihr ureigenes bequemes Bett verfügt, liegt jenseits der Havemannstraße der Barnimplatz, großzügig angelegt, doch etwas verloren. Etwas heimeliger ist da schon der hügelige Innenhof zwischen zwei kurvigen Hochhauszügen, auf dem oberhalb des Spielplatzes auch ein übermannshoher Fliegenpilz wächst.

Abstiegsstufen kurz hinterm Gipfel, Ahrensfelder Berg
Abstiegsstufen kurz hinterm Gipfel, Ahrensfelder Berg

Zwei Jungs, nee zwei Steppkes hängen im vierten Stock am Fenster und schauen raus, noch einer steht unten und versucht angenehm gelangweilt, im Stand auf seinem Fahrrad nicht umzufallen, während er zu den beiden hochstiert. Ferien eben. Die beiden von oben rufen uns zu „Ihr seht top aus!“. Das hört man natürlich immer gern, speziell, wenn es nicht von Leuten kommt, die erheblich älter sind als man selbst. Ob sie jetzt „Topp“ meinten, lässt sich nicht heraushören, also nehmen wir mal das Erstgenannte an. Und ob unsere jeweils strohgedeckten Köppe gemeint sind oder das teils pragmatisch, teils modisch zusammengestellte Gesamtarrangement der sommerlichen Stadtspazeure, auch das darf offen bleiben.

Ein paar Meter von dem Balancierenden steht eine Pumpe, die jetzt willkommen ist, um endlich mal die Spuren der Kuchenpause abzuwaschen und auch schlichtweg den Puls abzukühlen, denn ist es wirklich Sommer heute. Einer von den dreien schreit noch rüber, dass dit dauan kann und man lange pumpen muss, bis watt kommt. Und es dauert, doch das kennen wir von den höherliegenden Innenstadtpumpen bestens. Da können schon mal ein paar Minuten ins Land gehen. Doch die Ausdauer lohnt, gleich der erste eiserne Schwapp ist eisig und herrlich erfrischend.

Wuhletal-Weg am Straßenbahnhof Marzahn
Wuhletal-Weg am Straßenbahnhof Marzahn

Für den Gaumen hätten wir auch gern was Erfrischendes, und auch eine Stärkung für den anstehenden Aufstieg wäre richtig schön, doch am Straßenbahnhof Niemegker Straße gibt es zwar etwas, doch die schönsten Draußentische sind schon besetzt und drinnen ist ganz klar zu wenig Wind. Also weiter, und ein paar grüne Höfe später überrascht uns eine Golfanlage, mit der man hier wirklich nicht gerechnet hätte. Eingeschmiegt zwischen Straßenbahntrasse, Apfelbäumen und Sportplatz liegt ein winziges Areal mit einer turnierfähigen Minigolf-Anlage darin. Dass das hier alles reinpasst, liegt an geschickter Verschachtelung der achtzehn verschiedenen Bahnen. Umgeben ist das Ganze von Gebüsch und Geheck, so dass man drinnen denken könnte, man wäre irgendwo auf dem Lande und es kämen gleich Kinder um die Ecke, die Annika, Lisbeth oder Rasmus heißen.

Teichquerung im Wiesenpark, Wuhletal
Teichquerung im Wiesenpark, Wuhletal

Neben der Möglichkeit zum Abschlag gibt es hier auch ein kleines gastronomisches Angebot und gemütliche Außenanlagen. Das ist sehr willkommen, denn der Proviant ist knapp geworden. Die Anlage ist gut genutzt von Leuten aller Altersklassen, von Paaren, Familien und angemeldeten Gruppen, die allerhand unterhaltsame Kommentare hören lassen und meistenteils sehr vernügt sind.

Birkenplateau am Fuße des Holzsofas
Birkenplateau am Fuße des Holzsofas

Jenseits der Gleise liegt nördlich des Tals der Neuen Wuhle der Borkheider Teich, mit kleinem Entenstrand. Hinter einem Wäldchen jagen im Seelgrabenpark Delphine durch die Wiese, weiter hinten träumt ein Walfisch vor sich hin und am Spielplatz zieht die geschwungene Rutsche alle Aufmerksamkeit auf sich. Ein Trampelpfad führt durch anhängliches Buschwerk ans Südufer der Neuen Wuhle, wo der Ahrensfelder Berg schon seine steile Nordflanke mit ihrer breiten Rodelpiste ins Bild hält. Hinter Sumpfwiesen und einer Weide, die von schottischen Hochlandrindern betreut wird, zweigt rechts der Zustieg ab.

Aussichtsplattform oberhalb des Wiesenparks
Aussichtsplattform oberhalb des Wiesenparks

Der eigentliche Aufstieg zum Gipfel führt pulssteigernd ohne jegliches Drumherum durch den steilen Waldhang auf das fünfzig Meter höher gelegene Gipfelplateau, das am Erreichen der Baumgrenze kaum Zweifel lässt. Die Sicht von hier ist gewaltig und gestattet Blicke auf die beiden Nachbarberge in Richtung Süden, aber auch auf alle ebenbürtigen Berliner Gipfel wie den bekuppelten Charlottenburger Teufelsberg im Westen, die seeüberragenden Pankower Arkenberge im Norden oder die betürmten Müggelberge im Südosten Berlins. Darüber hinaus reicht der Blick weit ins Land Brandenburg hinein, und auch die unmittelbaren Stadtteile zu Füßen des Berges geben ein eindrucksvolles Bild ab. Eine längere Pause ist hier kein Problem, auch wenn es keine bewirtschaftete Alm gibt.

Altes Dorf Marzahn
Altes Dorf Marzahn

Ahrensfelder Berg

Der Gipfel ist gut besucht, doch es verteilt sich angenehm. Ein Pärchen versucht im wohlwollenden Dialog, einen Drachen in den Wind zu bringen, trotz frischer Brise relativ erfolglos. Eine Familie kann ihre vier sommerlichen Kinder unbesorgt auf die Wiese ausschwärmen lassen. Andere haben ihre Decken ausgebreitet, und manche sitzen einfach nur auf einer Bank oder dem kleinen Mäuerchen des Gipfelplateaus und genießen still das Exklusive dieses Ortes.

Mühle überm Dorf
Mühle überm Dorf (mit Zehngeschosser im Hintergrund)

Der Abstieg durch die strauchigen Blumenwiesen beginnt auf urig ausgelatschten, groben Holzstufen, später geht es weiter auf einem schmalen Pfad durch schattigen Hangwald. Alternativ gibt es einen bequemen Abstieg auf einem breiten Weg. So oder so, der Weg hinab verläuft relativ flach über einen langen Sporn und lässt sich dadurch ausgiebig genießen. Sein Ende liegt am Tal der Wuhle.

Am Marzahner Dorfanger
Am Marzahner Dorfanger

Ein schmiedeeisern anmutendes Portal zur Landsberger Allee führt zur fast einzigen lauten und verkehrsreichen Stelle des gesamten Weges. Drüben setzt sich der Wuhle-Wanderweg fort, unterhalb großer Weiden dem Ufer folgend. Kleine Abstecher lohnen sich und führen unter anderem zu einem Weiher mit Plankenweg, einem riesigen Holzsofa oberhalb eines Birkenwäldchens und weiteren Spielplätzen mit viel Platz in alle Richtungen. Voraus ist der Kienberg zu sehen, auf den in greifbarer Zeit eine Seilbahn fahren soll, im Rahmen der Internationalen Gartenbauausstellung.

Blick auf den tiefsten Punkt der Marzahner Promenade
Blick auf den tiefsten Punkt der Marzahner Promenade

Ein breiter Talboden wird der Wuhle an dieser Stelle genehmigt, so dass jegliches Spielen auf den Spielplätzen vom windflüchtenden Stammwald und dem blauen Walfisch besonders grenzenlos sein muss. Gen Westen setzt eine kleine Geländekante dem Wohnungsbau eine natürliche Grenze entgegen. Dort oben lockt eine frisch bewaldete Aussichtsplattform mit roten Bänken zum ausgiebigen Rumsitzen oder dem Beobachten des langsamen Schattenwachstums auf den warm beschienenen Nachmittags-Wiesen.

Der Weg durch das neuere Wohnviertel schafft mit seinen Straßennamen Lust auf kommende Ausflugstage, alles Orte im Umkreis von Strausberg. Hinterm Blumberger Damm steht der nächste Spielplatz bereit, und jenseits einer im Sinkflug befindlichen Ladenpassage lässt sich eintauchen in die gemütliche Welt eines märkischen Angerdorfes mit allem Drum und Dran. Sogar eine Mühle gibt es hier, mit echtem Müller und gemahlenem Mehl. Nur fällt im Vergleich zu den meisten anderen Dörfern nicht der Schatten von hochgewachsenen Pappelreihen auf die Häuser oder der von tiefhängenden Wolken, jedenfalls nicht vorrangig. Mit Schatten werfen hier vornehmlich hochgeschossene Quader, die zu kuriosen Kontrasten verschiedenster Gebäudekanten führen.

Das Tor zum Osten, gesehen vom Straßenbahnsteig
Das Tor zum Osten, gesehen vom Straßenbahnsteig

Angerdorf Marzahn

Zwischen den Hochhäusern steht der alte Dorfkern von Marzahn stillvernügt und völlig unbeschadet mit seiner allumfassenden Dörflichkeit, inklusive stufengiebliger Ziegelkirche, gemütlichem Dorfkrug und märkischer Hausfassaden entlang des länglichen Angers. Vor dem Dorf auf einem Hügel die erwähnte Mühle sowie Viehweiden und landwirtschaftliches Gerät. Und natürlich ein schöner kleiner Spielplatz. Wer noch etwas Zeit übrig hat und der Neugier folgen möchte, kann am westlichen Ende des Angers ergründen, was es mit dem Kulturgut Marzahn und dem hübschen Wort Schamottchen auf sich hat.

Ein Sommerabend im Volkspark Friedrichshain
Ein Sommerabend im Volkspark Friedrichshain, gesehen vom schönen Kiosk am Westeingang

Ein letzter Weltenwechsel wartet hinter der Landsberger Allee, nun wieder direkt in der Platte. Vom offenen Platz vor dem Freizeitforum Marzahn, langjährigen Einwohnern vielleicht noch bekannt als Plattmar Formzahn, geht es vorbei an zwei schönen Spielplätzen direkt auf die Marzahner Promenade, die derzeit auf ihrer Länge mehrere Gesichter hat. Breit und etwas verlassen steigt sie von der höchsten Ebene stufenweise tiefer, bis eine überdachte und gut besuchte Passage beginnt. An einem einladenden kleinen Platz liegt der tiefste Punkt der Promenade. Danach schmiegt sie sich baumschattig entlang des Einkaufscenters Eastgate und führt zu besten Schienen-Kontakten in die Stadt. Kein Tourist ist hier zu sehen weit und breit, man hört fast ausschließlich den Berliner Dialekt und oft auch die russische Sprache.

Vor dem Freiluftkino Friedrichshain im gleichnamigen Volkspark
Vor dem Freiluftkino Friedrichshain im gleichnamigen Volkspark

Wer vielleicht nach dieser facettenreichen Wildost-Expedition eine neue Jeans benötigt, vielleicht auch eine Waschmaschine oder ein Duftwasser, lässt die letzten beiden Kurven weg und kommt direkt zu den betreffenden Händlern. Und wer nach so viel Abstinenz doch noch etwas Touristengetümmel braucht, steigt einfach in die nächste Straßenbahn und fährt zum Volkspark Friedrichshain. Oder etwas weiter bis zum Alex. Womit sich dann der Bogen der elektrischen Oberleitung schließt.

 

 

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): mit Straßenbahn und S-Bahn bis S-Bhf. Wartenberg

Anfahrt Pkw (von Berlin): nicht sinnvoll, da Streckentour

Länge der Tour: ca. 15,5 km (vielfältig modifizierbar, da alle paar Minuten der ÖPNV berührt wird)
für eine kürzere Tour mit Kindern (ca. 6 km) empfiehlt sich der Einstieg an der Straßenbahn-Haltestelle Niemegker Str. (GPS-Wegpunkt 33) bis zum Dorf Marzahn mit der Mühle (Wegpunkt 68), hier hält dieselbe Straßenbahnlinie

 

Download der Wegpunkte

 

Links:

Bäckerei Streubel (Werkverkauf mit Nachtschalter)

Wartenberger Feldmark

Information zur Neuen Wuhle

Seelgrabenpark

Neue Idee für die Ahrensfelder Berge

Ausflugsziel Dorf Marzahn

Mühle Alt Marzahn

Freizeitforum Marzahn

 

Einkehr: Alter Dorfkrug, Marzahn (am Anger; gemütlich, freundlich, sehr gute Küche, mit kleinem Biergarten),
vorher und nachher entlang des Weges diverse weitere Möglichkeiten