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Neu Fahrland: Seelenfluchten, das nasse Viereck und der Lauf des Hasen

Klammheimlich hat sich der Frühling herangeschlichen – während die Wettervorhersagen täglich durcheinandergewürfelt wurden von kampfeslustigen Winden und launischen Güssen von oben, die an vielen Tagen sogar Pfützen zurückließen und das mehrtägige Überleben teurer Frisuren quasi ausschlossen. Woche für Woche wurde es voller im Klangregal, das bislang meist zartem Meisengepiepse und wehklagendem Krähengekrächz vorbehalten war. Immer mehr blütenüberpuderte Bäume und Sträucher ploppten auf, und an einem der letzten Morgen hatten sich dann auch schon erste Laubblätter im Strauchwerk zur vollen Größe kleiner Fingernägel aufgefaltet. Auch erste Düfte, die kurz innehalten und durchatmen lassen, gibt es schon.

Blick vom Weinberg zum Kirchberg

Nasen, Augen und Ohren nur dafür hat in diesem Jahr wohl keiner, da sich die ganze Welt, jedes Land und jeder Mensch ganz neu kalibrieren müssen angesichts eines unsichtbaren Herausforderers, der täglich für neue Wendungen sorgt, in immer neuen Größenordnungen. Und dem faktisch schwer zu entgehen ist, medial quasi überhaupt nicht – was absolut berechtigt ist.

Alte Kastanien am Sacrow-Paretzer-Kanal

Zwischen zu viel Gelassenheit oder zu viel Hektik gilt es dann und wann kleine Nischen zum Luftholen zu finden, kleine Zeitfenster und Rückzugsräume – damit sich durch diese Art von Ausgleich und Ablenkung ein gewisses Maß an Gleichgewicht und innerer Stabilität bewahren lässt, die Seele gesund bleibt und die Abwehr arbeitsfähig. Ganz normal aus seinem Gesicht zu gucken ist gerade keine simple Fingerübung.

Blick über den Fahrlander See

So profan wie wirksam kann, so lange es eben noch verantwortbar ist, ein mehrstündiges analoges Ausreißen in die Natur sein, die gerade in den ersten Wochen des Frühlings eine breite Zuversicht ausstrahlt, so wie sie das schon seit Jahrtausenden macht. Gern mit reichlich Wasser, viel Weite und unverstelltem Tageslicht – und nicht zuletzt etwas Naschwerk im Rucksack. Und ruhig etwas Mut zu ungewissen Wegen, schlimmstenfalls muss man eben ein Stück zurückgehen und die sichere Alternative nutzen. Beste Voraussetzungen dafür bieten sich im weit verschlungenen und mit Nebenfächern und Verschachtelungen gut bestückten Wasserreich der Havel westlich von Potsdam, die hier mit fast allem in Verbindung steht, was tief genug für einen dicken Fisch ist.

Kirchberg in Neu Fahrland

Neu Fahrland

Vom Potsdamer Hauptbahnhof kommt man mit dem Bus nach Neu Fahrland, das in mehreren Siedlungfragmenten seine Halbinsel bedeckt. Auf dieser erhebt sich der nicht zu unterschätzende Kirchberg, dessen Nordhang hochgewachsene Buchen bedecken – die jedoch mit diesem Tag hier nichts zu tun haben.

Auf dem Kirchberg, Neu Fahrland

Direkt an der Bushaltestelle nördlich der kantigen Insel zieht einen sofort ein anmutiger Weg in den lichten Wald, und schon ein paar Minuten später beginnt durch Laubwald der Anstieg auf diesen Berg. Kurz vor dem Gipfelplateau wird es nochmals etwas steiler, und wer hier noch seinen Ruhepuls hat und keinen Jackenknopf gelockert, braucht sich konditionell wohl nie mehr Sorgen zu machen.

Zwischen Kirchberg und Fahrlander See

Unbelohnt bleibt niemand, denn der Blick vom kleinen knüppelumrahmten Plateau reicht weit, Kenner können anhand Ihrer Umgebung vielleicht sogar die Glienicker Brücke lokalisieren. Wer hier oben steht und die Aussicht genießt, hat übrigens etwas gemeinsam mit dem bekanntesten Zeilenschmied der märkischen Landschaften, dem in der Vorstellung gern Stock und Hut zugeordnet werden.

Uferwiesen am Fahrlander See

Vorbei am sachlichen Wasserwerk und dem ebenso sachlichen Nebengipfel stürzt sich der Weg dann bald wieder hinab und erreicht durch Hohlgassen und auf kurvigen Pfaden das Niveau der Uferwiesen, die den Fahrlander See Hand in Hand mit einem breiten Schilfgürtel umgeben. Ein Ruhe atmender Weg wird von blassem Gestrüpp, knorrigen Wurzelruinen und erfahrenen Bäumen begleitet, weiter hinten schickt eine Weide all ihren Saft in den grünblonden Haarschopf, den die Brise des Tages in milde Wallung bringt.

Links des Weges lässt eine junge Familie eine leise surrende Drohne aufsteigen, die sicherlich ihren Preis hatte und jetzt eindrucksvolle Bilder dieser besonderen Landschaft zum Bodenpersonal funkt. Der Himmel winkt derweil eine Herde zerfaserter Wolken vorbei. Das Schilf rückt näher an den Weg.

Rindviecher am Rand von Fahrland

Während hinten bei den Häuser von Fahrland Lamas neugierig ihre Hälse recken, stehen ein paar Meter von hier krauszottige Rindviecher und graben ihre Mäuler in duftende Heuballen, ohne sich dafür bücken zu müssen. Werfen sich vielsagende Blicke zu und hoffen wohl darauf, bald wieder ihre Ruhe zu haben vor der Neugier der Passanten. Kurz darauf zweigt links ein durch Baumstämme blockierter Weg ab, der halb zugewachsen aussieht und dennoch einlädt, es zu wagen, zu sehen, wie weit man kommt.

Blick zum Kirchberg über die Uferwiesen

Das wird reich belohnt, denn die folgende Passage zählt zu diesen zauberhaften Überraschungen, die einem das Glück manchmal ganz beiläufig unterjubelt. Sicherlich muss hier etwas gestakst, dort etwas gebuckelt werden, und auch ein nasser Schuh ist manchmal nicht auszuschließen. Doch diese Viertelstunde ist ganz besonders, führt tief in eine verwunschene Landschaft, die abseits der schmalen Spur kaum durchdringlich ist. Teilweise wird der kleine Damm beidseitig vom Wasser begleitet, in dem es ständig raschelt, flattert oder mit schwerem Huf von dannen trottet.

Eine archaische Baumruine stützt sich mehr auf zwei breite Ausleger als auf ihren Stamm und weist auf einen langsam strauchelnden Hochstand, der für den Jäger erst nach drei Kurzen gerade aussehen dürfte. Teichgroße Wiesenpfützen stehen über winzige Gräben mit dem großen, viereckigen See in Verbindung, und alles blassbraune Vorjahresgestrüpp wird diskret von erstem Grün durchzogen. Einzelstehende Schilfhalme halten vor dem spiegelglattem See und blauem Himmel ihre pludrigen Köpfe in den kühlen Lufthauch, gleich stolzen Flaggen.

Ruderboothafen Fahrland

An einem Ruderboothäfchen endet der Pfad und gestattet nun ein erstes Stehen direkt am Seeufer. Ein Fisch trollt sich aus dem flachen Wasser ins tiefere und schlägt zuletzt entrüstet mit der Schwanzflosse. Genau gegenüber ist mit etwas Augenspitzen der schmale Durchlass zum Sacrow-Paretzer-Kanal zu erkennen, der ein direktes See-Umrunden mit trockenem Bein unterbindet.

Weg zum Weinberg, Fahrland

Ab dem Hafen flanieren mit entschlossenem Schritt und etwas vor uns zwei Damen, die sich auf den ersten Blick im Thema verirrt haben – mit hohem Schuh, schwingender Großraum-Handtasche und engem Rock sowie vorauseilendem Smartphone-Arm. Doch sie wollen eher nicht die Landschaft erkunden, sondern ein paar Mußeminuten am schönen Uferplatz verbringen, vielleicht mit Picknick-Decke im Gepäck und erster Teint-Hege unter der bloßen Sonne.

Nach ihrem Abbiegen rückt voraus nun Berg No. 3 ins Bild, der Weinberg, der seine mittelsteile Südflanke gen See hält, mitsamt Robinienwäldchen. Viele Höhenmeter sind nicht zu überwinden, doch der Blick von oben setzt einiges an Reichweite frei. Und fällt unter anderem auf den Geographischen Mittelpunkt des Landes Brandenburg, der sich hier irgendwo im Uferdickicht verborgen hält.

Die Kirche von Fahrland

Fahrland

An einem breiten Wasserarm haben sich all die Enten und Gänse versammelt, denen es auf den klammen Uferwiesen irgendwie zu voll geworden war, oder zu sonnig. Der Weg entlang des Wassers strebt auf einen Kirchturm zu und endet am Rand von Fahrland, wo der erhoffte Abstecher zur Landbäckerei erfolgreich ausgeht. Südlich des Dorfes geht es in die zweite Runde des Wiesen- und Schilflandes, das noch einiges mehr in die Breite gehen darf. Spätestens dort versammeln sich nun alle Vögel und Kleintiere, die man um diese Zeit zum zweiten oder ersten Mal im Jahr sieht. Der Deich zum See hin wurde gerade neu modelliert und verfestigt, und wer möchte, kann ihm bis zum Ufer des Kanales folgen.

Wir lassen uns schon vorher von einem kaum erkennbaren Wiesenpfad ablenken, der wieder mal für Freude über die Gummistiefel sorgt. Beim Brücklein über den schmalen Graben sehen wir in der nahen Ferne einen Feldhasen, der von einem ungeleinten Bello über die Wiese gejagt wird, diesem aber schnell seine Grenzen aufzeigt – zu unserer Erleichterung. Dennoch rattert sein Puls, als er auf unserer Höhe für die Länge eines Wimpernschlages innehält.

Uferweg bei den Fahrländer Wiesen

Vor der nächsten Brücke lagert ein massiver Steinblock, der eine perfekte Rastbank abgibt. Der gerade Blick fällt von hier auf die Höhen von vorhin, die von hier aus kaum nach Höhe aussehen. Während der Tee abkühlt, nähert sich vom Dorfe her im Trott ein massiges Pferd in Schwarz, mit Schlaghosen und einer erfahrenen Zügelhalterin, die bei der Brücke ihren Anschlag hat und den Boliden in zwei Zügen wendet.

Gleich nach der Brücke geben wir uns der nächsten Ablenkung hin, wieder ein Wiesenweg an einem Wasserlauf, doch diesmal ein breiter. Immer mehr Vögel wachsen aus den Wiesen, je länger man den Blick schweifen lässt. Richtung Kanal grasen auch zwei Rehgestaltige, die jedoch eher wie Gämsen wirken. Was bei den Bergeshöhen dieses Tages kaum verwundert.

Unklare und unnahbare Dame am Kanalufer

Entlang des breiten Schiffahrts-Kanales, den ich ob der weiten Landschaft der Fahrländer Wiesen gerade gar nicht mehr auf dem Schirm hatte, steht eine imposante Reihe alter Kastanien, zu beiden Ufern. Das sieht schon ein wenig nach den dekadenten Allee-Werken rund um Potsdam aus, als wären Preußenkönigshand und auch –budget auch beim Anlegen dieses Kanals im Spiel gewesen. Etwas struppig ist der Pfad am Ufer, voraus im Bild schon die Straßenbrücke mit ihrem Bogen zu sehen.

Kastanienreihe am Sacrow-Paretzer-Kanal

Auf Höhe eines erstaunten Anglers nutzen wir dessen Zugangspfad vor zum Fahrweg, wo man am kleinen Hafen Paddelboote ausleihen kann. Das sieht in Hinblick auf den geradlinigen Kanallauf nicht nach dem idealen Platz aus, doch zoomt man etwas aus der Karte, sind im Nu ein halbes Dutzend Havelseen in greifbarer Nähe. Und dank der Havel selbst ließe sich zwischen Sonnenauf- und -untergang eine schöne große Rundtour über Werder, Caputh und Potsdam paddeln – mit unzähligen Erweiterungsoptionen.

Sacrow-Paretzer-Kanal von der Brücke an der Anglersiedlung

Anglersiedlung Kanalbrücke

Am anderen Kanalufer liegt eine Laubenkolonie, und hier gibt es sogar eine Gaststätte. Das nutzen wir, denn der Hunger ist da und Einkehren am Weg sowieso am schönsten. Nach einem kurzen Stück auf dem Radweg entlang der lauten Straße drehen wir ab in Richtung Bornstedt und streifen die Kleinen Plankwiesen, die nach Norden vom Kanal begrenzt werden. Und widerstehen hier der Einladung zum Uferweg.

Nach einem Wäldchen beginnt dann passend zum geschwungenen Straßenverlauf und den betagten Baumriesen am Wegesrand eine anmutige Wiesenlandschaft, die irgendwie schon nach der Art Park aussieht, wie man es etwas südlicher bei Schloss Lindstedt noch ein wenig ausgeprägter finden kann.

Weg entlang der Kleinen Plankwiesen

Gutshof Bornstedt

Was voraus liegt, sah vor langen Jahren vergleichbar mondän aus, doch das ist einzwei Systemwechsel her. Einzig eine Ahnung davon vermittelt noch der Persiusturm, der von der Zeit mitgenommen und leicht geflickschustert als Antennen-Sockel dient. Der amtierende Gartenmeister hat das Thema Baumschnitt absolut wörtlich genommen und die Kronen einiger kleiner Obstbaumalleen bis fast auf den Stamm zurückgesägt. Das gewonnene Holz liegt in sauberen Haufen zwischen den einstigen Bäumchen. Doch die Natur hat Kraft, manchmal auch langen Atem, und so werden es die nächsten Jahre wieder richten.

Zum Kanal hin übernehmen nun erfahrene Waldbäume das Alleegeschehen. Hinterm Schilfgürtel zieht der breite und jetzt schon schattige Weg entlang, lässt den Kanal nur ahnen und allenfalls hören, wenn ein Schubverband sich schwer stampfend stromaufwärts arbeitet. Der breite Uferstreifen ist von tausenden Wildschweinhufen durchmodelliert, zwischen denen ein gewunderer Weg zu einer hinreißend gelegenen Uferbank führt. Dort soll jetzt der letzte Tee dampfen. Direkt gegenüber erhebt sich der Kirchberg, links sind die spitze Landnase und der schmale Durchschlupf zum Fahrlander See zu sehen und nah am Ufer versuchen über dem tiefblauen Havelspiegel vier Schwäne edler auszusehen als die jeweils anderen. Und trollen sich schon bald, weil keiner richtig guckt, kein Ah und Oh gespendet wird.

Gutshof Bornstedt

Rechts des Weges schießt hinter einem filigranen Zaun schnellwachsendes Baumholz gen Himmel, spindeldürr und in der klaren Ordnung einer Plantage. Gegenüber am linken Wegrand glänzen perlmuttgolden die Blütenblätter des Scharbockskrauts, die jetzt ihre beste Zeit haben und allererste Farbakzente im allgemeinen Braungrau beisteuern. Wüst und durcheinandergestoppelt sieht der breite Uferstreifen aus und dürfte daher bei verschiedensten Tieren sehr beliebt sein, zum Leben, Schlafen und Speisen. Sowie dem mannigfaltigen Zeitvertreib dazwischen.

Blaues Havelwasser im Kanal

Nedlitz

Eine Ausbuchtung des Kanales lenkt den Weg nun vorbei am Landgut Nedlitz, das viel dafür getan hat, möglichst wenig Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, beim Vorbeigehen also kaum auffällt und sich gut in die umgebenden Gewerbeflächen einpasst. Nach einer Laubenkolonie und einem Wäldchen darf der Blick nach rechts wieder ausschweifen und bleibt in gewisser Entfernung an einer schönen Allee hängen, die wieder ganz klar den exklusiven Schriftzug des Potsdamer Umlandes trägt. In passendem Schlendergang flanieren zwei ferne Personen, sicherlich mit elegantem Hut und beknauftem Spazierstock. Links im Wald spenden die abendlich gestimmten Vögel die Musik dazu, von rechts die tiefe Sonne das warme Gold und diese endlosen Schatten.

Volkspark Potsdam

Nun wäre diesem Tag eigentlich nichts mehr hinzuzufügen, doch der hat sich für den Ausklang noch eine prächtige Praline aufbewahrt. Die landschaftliche Kalorienbombe ist von länglicher Form und nennt sich ganz schlicht Volkspark Potsdam – keiner von uns hat je davon gehört. Was nichts zu heißen hat, aber doch markant ist.

In ein schönes System von Grünflächen und Wegen sind Obstwiesen und alte Gemäuer eingebunden, Gräben und Teiche, fantasievolle Spielplätze und besondere Gärten. Unzählige Anregungen zum Bewegen gibt es, wobei Spaß und Sport Hand in Hand gehen, der erstgenannte jedoch ganz klar die größere Pranke hat.

Uferbank mit Kirchberg-Blick

Südlich der Taille liegt dann neben größeren Sportplätzen noch die Biosphäre Potsdam, von der ich komischerweise bis heute nicht weiß, was es eigentlich ist. Doch sie muss ohne Zweifel einen Besuch wert sein – so viel zumindest ist klar. Der zerklüftete Grundriss des Volksparks, der auf eine beachtlich lange Außengrenze kommen dürfte und im Süden bis zur Siedlung Alexandrowka reicht, hat ein bisschen was von einer kindgemalten Giraffe mit abgedrehten Proportionen. Ein Besuch sollte problemlos einen ganzen Ausflugstag füllen, denn es gibt wirklich an allen Ecken etwas zu entdecken. Nicht zuletzt auch noch die Biosphäre …

Wir widerstehen beim Nomadenland mit seinen urigen Jurten dem Biergarten, beschränken uns also auf den klobigen Giraffenkopf. Am Ende wissen wir fürs nächste Mal, dass die Automaten fürs Parkticket etwas mäkelig sind, es ausschließlich passend haben wollen und das Zehn-Minuten-Durchgangsticket auch nicht jedem rausrücken, der danach fragt. Beim baldigen Folgebesuch gibt es dann eben ein bisschen mehr in den schlitzengen Schlund.

Nomadendorf im Volkspark Potsdam

Während dieser rastlosen Runde zum Anfüttern begegnen wir mehrfach zwei Fortgeschrittenen in der Disziplin des Discgolf, die dem Anschein nach ein hervorragendes Verhältnis zum Badezimmerspiegel haben und jede ihrer Bewegungen ausführen, als würde hinterm nächsten Busch ein Kamerateam stehen. Dafür sitzt aber auch jeder Wurf, bei dem jeweils eine frühstückstellergroße Scheibe in einer Art Korb mit naseweisem Kettengehänge landet. Auf dem Rückweg zum nördlichen Ausgang sehen wir bei derselben Disziplin noch eine bunt zusammengewürfelte Truppe aus Familie und Freunden, die ihre Scheibe zwar so gut wie nie erfolgreich versenken, doch dafür eine Menge Spaß haben.

Neugierig geworden sind wir wirklich, doch der Kilometerzähler steht auf Feierabend und mit ihm die Kraft der kleinen Wackelbeine. Also vermerken wir eine lose Terminabsprache hinterm Ohr und trollen uns durchs nächste Wäldchen. Eine Singdrossel oben im Baumwipfel zieht mit ihrer kleinen Nachtmusik vom Leder und kann in Sachen Vielfalt der Nachtigall durchaus die Stirne bieten.

Obstwiesen im Volkspark Potsdam

Insel am Großen Horn

Noch einmal übernimmt jetzt die Havel für die letzte Viertelstunde, die weniger romantisch ausfällt als es das Wort Insel vermuten ließ. Zwischen Brachen, Baustellen und teuren Häusern ohne Anspruch lassen sich noch ein paar klassische Bauten á la Potsdam finden, und die Bundesstraße ist eben befahren wie eine Bundesstraße. Doch das letzte Sonnengold bringt alles umgebende Wasser zum Gleißen und betont zumindest eindrucksvoll die Ureigenschaft einer Insel – vom Wasser umgeben zu sein.

Blick von der nördlichen Inselbrücke, Neu Fahrland

Von der zweiten Brücke fällt der Blick auf üppige Wassergrundstücke mit einem angenehmen Maß an Dekadenz – was die Insel nicht hergab, gibt es hier als kleinen Nachschlag. Der letzte Wasserblick fällt von der Brücke direkt nach Westen, wo ein Ruderer sein hüftschmales Boot mit meditativen Schlägen ins Gegenlicht treibt, kurz noch flimmert und bald darin verschwindet.










Anfahrt ÖPNV (von Berlin): ab Ostkreuz S-Bahn oder Regionalbahn bis Potsdam Hbf., dann Bus bzw. Straßenbahn/Bus (ca. 1,25-1,5 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin):

Länge der Tour: B5 bis Spandau-Wilhelmstadt, dann B2 (ca. 1-1,25 Std.)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Neu Fahrland – Fünf-Seen-Ortsteil von Potsdam

Webpräsenz Neu Fahrland

Sacrow-Paretzer-Kanal

Gutshof Bornim

Volkspark Potsdam

Einkehr: Gaststätte An der Kanalbrücke, Anglersiedlung (bei Marquardt)
Die Tenne, Neu Fahrland (nördlich der Insel)
Café Charlotte (am Gartenmarkt östlich des Kirchbergs)
Nomadendorf im Volkspark Potsdam

Berlin/Marzahn: Grüne Wege und große Vielfalt – durch die Plattenprärie im wilden Osten

Berlin ist schon seit Wochen hin und hergerissen zwischen dem immer wieder angekündigten Ende des Sommers und seiner stets überraschenden Rückkehr, die manchmal ein paar Tage andauert, manchmal auch nur zwanzig Stunden. Die wärmste Jahreszeit fand in diesem Jahr eher in Mai und Juni statt als wie gewohnt von Juli bis August. Es ist Ferienzeit und die Stadt voller als gewöhnlich von Touristen, während eine Großzahl derer, die alle vier Jahreszeiten hier zubringen, die Flucht ergriffen hat. Das ist ganz gut so, denn dem Brauch folgend werden allerlei Sperrungen von Zugstrecken, Straßen und Fusionen von beidem in diesen Wochen abgehandelt, was für Touristen sicherlich zum Abenteuer Berlin gehört, für die Berliner jedoch eher nervig ist während der kostbaren Tage des Urlaubs.

Blick vom Ahrensfelder Berg nach Westen
Blick vom Ahrensfelder Berg nach Nordwesten zur Ahrensfelder Kirche

Wer nicht außerhalb weilt oder schon von dort zurück ist und noch freie Tage übrig hat, kann innerhalb der Stadtgrenzen enorme Vielfalt und Überraschendes aus verschiedensten Richtungen und Bereichen finden. Häufig ist beides auch dort zu finden, wo man eher wenig damit rechnen würde. Und es kann ein Tag daraus werden, der von Stunde zu Stunde immer größer wird und verschiedenste Welten und Landschaften miteinander verbindet.

Bahnhofsvorplatz in Wartenberg
Wohlwollender Blick auf den Bahnhofsvorplatz in Wartenberg

Wer zum Beispiel einen Stadtteil aufsucht, bei dessen Namen man sofort an Grau denkt, kann mit sehr viel Grün überrascht werden, und wer sich am dicht besiedelten Stadtrand aufhält, kann innerhalb des Stadtgebiets in eindrucksvolle Landschaften eintauchen. So ist es keineswegs ein Widerspruch, den ganzen Tag Plattenbau-Siedlungen zu durchstreifen und dennoch Haken für Haken auf einen Wunschzettel setzen zu können, auf dem Worte wie Berggipfel, Flusstal, Dorf und Sumpfwiese oder auch Windmühle und Kuhweide stehen. Kleiner Hinweis: wer mit Kindern unterwegs ist, sollte bei der Zeitplanung beachten, dass an vielen Stellen großzügige Spielplätze im Grünen einladen, von denen keiner dem anderen ähnelt und deren Angebote nicht nur Leute unter einem Meter Körpergröße neugierig machen. Der Stefan aus dem Buch „Die Insel der Schwäne“ wäre wohl heute sehr zufrieden, wenn er sehen würde, was aus den „kleinen Wiesen“ geworden ist, für die er dreißig Jahre zuvor gekämpft hatte.

Parkfläche unweit des Bahnhofs, Wartenberg
Parkfläche unweit des Bahnhofs, Wartenberg

Wenn man also heute durch Marzahn oder Hellersdorf spaziert und keine Plattenbau-Phobie hat, lässt sich wahrnehmen, dass die Stadtplaner in den Siebzigern und Achtzigern eine Vision hatten und das, was davon umgesetzt werden durfte, über die Jahrzehnte aufgegangen ist. Bei allem Grau des flächig verbauten Betons sind lebenswerte Siedlungen gewachsen, deren Straßen über viel Grün verfügen. Die dürren Baumschulabgänger von einst verfügen mittlerweile über beachtliche Laubdächer, und viele der grauen Hauswände sind jetzt bunt. Dazwischen gibt es zahlreiche Grünflächen und Parks, so dass beim Durchstreifen der Anlagen das Gefühl erwächst, sich durch eine ausgedehnte Parkanlage zu bewegen. Die Spaziertage in den Plattenbau-Vierteln in Ost und West zählen zu den eindrücklichsten in Berlin – eben wegen der Kontraste und Widersprüche, die aus Erwartung und Erleben entstehen.

Wiesenbrache hinterm Falkenbogen, Wartenberg
Wiesenbrache hinterm Falkenbogen, Wartenberg

Nach Wartenberg fährt direkt vom Alex die S-Bahn. Einen stufenloseren Transfer von der Innenstadt in die Welt der standardisierten Hochhäuser ermöglicht jedoch die Straßenbahn, die ebenfalls hier abfährt, nur ein Stockwerk tiefer im Parterre und dann quer übern Platz – von so viel Bodenhaftung kann die S-Bahn nur träumen. Nach längerer Fahrt hält die M 4 kurz vor Ihrem Ziel Falkenberg am S-Bahnhof Hohenschönhausen. Wiederum ein Stockwerk tiefer ist es dann nur noch eine Station nach Wartenberg.

Am Seegraben bei Falkenberg Dorf
Am Seegraben bei Falkenberg Dorf

Wartenberg

Nicht so hoch wie die in Marzahn sind die Plattenbauten von Wartenberg, die herangewachsenen Bäume wirken daher größer. Der verwaist wirkende Bahnhofsvorplatz bietet ein kleines Wäldchen mit schattigen Bänken und ein paar zaghafte Möglichkeiten für eine Stärkung. Wenig später schon lockt der erste Pfad in einen offenen Park mit sanft geschwungenen Wegen und damit zu den ersten Spielplätzen dieser Tour. Schon dieser Einstieg macht mit dem Umstand vertraut, dass die Tour zum größten Teil durchs Grüne führen wird, stärkerer Verkehr oder Autolärm nur an einigen wenigen Stellen anzutreffen ist. Präsenter sind da eher die Flugzeuge, die sich im Landeanflug auf Tegel befinden.

Blumengerahmte Eichenallee am Tal der Neuen Wuhle
Blumengerahmte Eichenallee am Tal der Neuen Wuhle

Nach etwas Straße quert ein Pfad über eine wildwüchsige Wiese, welcher der gartenpflegerische Sparkurs zu einer bunten Vielfalt verholfen hat. Direkt dahinter befindet sich der Falkenbogen, ein mittelmodernes Center mit ein paar Geschäften, Gastronomie und einem Kieztreff. Vorn an der breiten Falkenberger Chaussee befindet sich hier ein berlinweites Kuriosum für Notfälle der besonderen Art: der Streubelsche Bäckerbetrieb bietet ähnlich wie Apotheken einen Nachtschalter an. Wer also eines Nachts hochschreckt, hellwach ist und das dringende Verlangen nach Crémetorte oder einem frischen Stück Kuchen empfindet, kann hier zu jeder Zeit an der Nachtglocke läuten und wird Hilfe bzw. konditorische Erstversorgung erhalten.

Allee mit östlicher Blüte
Allee mit östlicher Blüte

Eine Grünfläche später steht man vor der ICE-langen Fassade einer kombinierten Schule, an deren Ende etwas alte Dorfstraße beginnt. Gleich hier biegt ein motorfreier Weg ab, direkt in die naturgeschützte Botanik der Wartenberger Feldmark mit ihren baumgesäumten Wiesen, ihren Weiden und Obstgärten. Die folgende Stunde bis zum Bahnhof Ahrensfelde verläuft vollständig durch Parks und Grünanlagen, die jede fürs sich ihren eigenen Charakter und dementsprechend ihren eigenen Reiz haben. Für Orientierung sorgt die blaue Markierung der Zwanzig Grünen Hauptwege der Stadt Berlin, von denen diese Tour gleich mehrere benutzt oder berührt.

Hinterhof in Ahrensfelde
Hinterhof in Ahrensfelde

Falkenberg

Nach einem kurzen Blick auf das Dorf Falkenberg setzt sich der Weg fort, durch etwas jungen Wald und mit Obstbäumen am Wegesrand, die in wenigen Wochen interessant sein dürften, jetzt noch nicht. Hinter einem kleinen Graben geht es dann durch die Trockenwiesen – entweder breit und bequem für Rad und Fuß oder ufernah als struppiger Trampelpfad. Überall sind Radfahrer unterwegs und Jogger, ältere Damen und junge Paare mit ihrem Nachwuchs im Kinderwagen. In allen Blicken lässt sich die Stimmung dieses einzelnen Sommertages ganz klar ablesen. Entspannt und zufrieden, ein bisschen glücklich. Und beruhigt darüber, dass sich der Herbst noch etwas Zeit lässt.

Zwischenhof unweit des Havemannplatzes
Zwischenhof unweit des Havemannplatzes

Nach ein paar Metern entlang der Hohenschönhauser Straße kommen voraus zwei Dinge in Sicht, die um Aufmerksamkeit buhlen. Gleich rechts ragen im Schatten kleiner Bäume große, geschwungene Gehörne aus den hohen Wiesen, und voraus steht eine riesige bunte Blume am Beginn einer äußerst geraden Allee. Wenn ich nicht irre, ein Sonnenhut, vielen vielleicht aus der Erkältungszeit als Echinacea bekannt. Eine Blume, die so aussieht, wie ein älteres Kind eine Blume malen würde. Das wonnige Gewächs ist knapp vier Meter hoch und innen wie außen komplett mit Mosaiksteinen gepflastert.

Schöner Ort für eine Pause oder mehr
Schöner Ort für eine Pause oder mehr

Rechts zeigen sich noch einmal die herausragenden Hörner der Brummochsen, die sich hier um die Offenhaltung einer großen eingezäunten Fläche kümmern, ihren Dienst mit großer Ruhe und Sorgfalt angehen. Voraus erstreckt sich akkurat die Allee aus jugendlichen Eichen, und in den Wiesen verlocken unterschiedliche Gerätschaften aus Holz oder Metall dazu, mit Spaß an der Freude die Gelenke mal wieder durchzuschmieren oder zu prüfen, wie es um die Körperkoordination steht. Oder sie einfach nur als Spielplatz zu nutzen.

Gleisbett der Straßenbahn, Ahrensfelde
Gleisbett der Straßenbahn, Ahrensfelde

Es gibt auch einen ganz harmlosen und völlig sportfreien Rastplatz oberhalb der leicht eingesenkten Neuen Wuhle. Dass deren Bett so großzügig ausfällt, erklärt sich damit, dass hier früher das Klärwerk Falkenberg große Mengen Wassers bereitstellte, die beim Zusammenfluss mit der eigentlichen Wuhle unweit des Dorfes Eiche deren Volumen ca. verzehnfachten. Als das Klärwerk 2002 stillgelegt wurde, musste sich die nun winzige Wuhle mit ihrem breiten Bett gänzlich neu arrangieren. Das hat sie bis heute ganz gut hinbekommen, wobei verschiedene Maßnahmen geholfen haben und noch immer helfen.

Grüne Wogen und ein krummes Rohr im Seelgrabenpark
Grüne Wogen und ein krummes Rohr im Seelgrabenpark

Für die Mosaikblume von vorhin gibt es übrigens am Ende der Eichenallee ein Gegenstück mit aufgefächertem Blattwerk und einer klaren Neigung zu Orangetönen. Auf der Verlängerung der kleinen Allee über die Wolfener Straße hinaus kreuzen voraus hin und wieder S-Bahnen oder Regionalzüge. Parallel zu den Gleisen verläuft der Grünstreifen mit teils schattigen Parkwegen vorbei an einer schönen Plansche, bis man schließlich relativ unvermittelt von der Überführung zum Bahnhof Ahrensfelde angegähnt wird. Die ist absolut ungeschminkt, und so wirkt es am anderen Ende regelrecht kuschlig, wenn neben den allgemeinen Hinweisen zu Ausgang, Bus und WC auch einer zum Barnimer Dörferweg aufgeführt ist, der an dieser Stelle für diesen und jenen durchaus eine Verlockung darstellen könnte. Zu Recht, durchaus. Doch wir wollen in Berlin bleiben, denn die meisten Spezialitäten am Weg stehen noch aus.

Kurz vor dem Gipfelplateau, Ahrensfelder Berg
Kurz vor dem Gipfelplateau, Ahrensfelder Berg

Ahrensfelde

Den speziellen Charme rund um den Bahnhof Ahrensfelde muss man schon mögen. Ein kleiner Schwenk nach links lohnt dennoch, wenn man im direkten Vergleich sehen möchte, wie sich durch Wegnehmen und Hinzufügen aus rein quaderförmigen Standard-Platten recht ansprechende und individuelle Mehretagenhäuser mit unterschiedlichen Grundrissen, Terrassen und offenen Bereichen machen lassen. Das ist bestimmt eine dankbare Aufgabe für einen Architekten. Für uns ergibt sich als kleiner Nebeneffekt noch das Auffinden von Original-Drehschauplätzen für das Video eines bezopften Köpenicker Lokalbarden, der musikalisch gern die Werbetrommel für seinen schönen Bezirk rührt.

Blick vom Gipfel auf die südlichen Nachbarberge
Blick vom Gipfel auf die südlichen Nachbarberge (ganz hinten das Müggelgebirge)

Die Dichte an Spielplätzen auf den kleinen Grünflächen zwischen den Blocks steigt jetzt massiv an, so dass Familien ab hier vermutlich nicht allzu flüssig vorwärtskommen werden. Warum auch, wenn es sich doch schön verweilen lässt. An der Straßenbahn, die bezirkstypisch über ihr ureigenes bequemes Bett verfügt, liegt jenseits der Havemannstraße der Barnimplatz, großzügig angelegt, doch etwas verloren. Etwas heimeliger ist da schon der hügelige Innenhof zwischen zwei kurvigen Hochhauszügen, auf dem oberhalb des Spielplatzes auch ein übermannshoher Fliegenpilz wächst.

Abstiegsstufen kurz hinterm Gipfel, Ahrensfelder Berg
Abstiegsstufen kurz hinterm Gipfel, Ahrensfelder Berg

Zwei Jungs, nee zwei Steppkes hängen im vierten Stock am Fenster und schauen raus, noch einer steht unten und versucht angenehm gelangweilt, im Stand auf seinem Fahrrad nicht umzufallen, während er zu den beiden hochstiert. Ferien eben. Die beiden von oben rufen uns zu „Ihr seht top aus!“. Das hört man natürlich immer gern, speziell, wenn es nicht von Leuten kommt, die erheblich älter sind als man selbst. Ob sie jetzt „Topp“ meinten, lässt sich nicht heraushören, also nehmen wir mal das Erstgenannte an. Und ob unsere jeweils strohgedeckten Köppe gemeint sind oder das teils pragmatisch, teils modisch zusammengestellte Gesamtarrangement der sommerlichen Stadtspazeure, auch das darf offen bleiben.

Ein paar Meter von dem Balancierenden steht eine Pumpe, die jetzt willkommen ist, um endlich mal die Spuren der Kuchenpause abzuwaschen und auch schlichtweg den Puls abzukühlen, denn ist es wirklich Sommer heute. Einer von den dreien schreit noch rüber, dass dit dauan kann und man lange pumpen muss, bis watt kommt. Und es dauert, doch das kennen wir von den höherliegenden Innenstadtpumpen bestens. Da können schon mal ein paar Minuten ins Land gehen. Doch die Ausdauer lohnt, gleich der erste eiserne Schwapp ist eisig und herrlich erfrischend.

Wuhletal-Weg am Straßenbahnhof Marzahn
Wuhletal-Weg am Straßenbahnhof Marzahn

Für den Gaumen hätten wir auch gern was Erfrischendes, und auch eine Stärkung für den anstehenden Aufstieg wäre richtig schön, doch am Straßenbahnhof Niemegker Straße gibt es zwar etwas, doch die schönsten Draußentische sind schon besetzt und drinnen ist ganz klar zu wenig Wind. Also weiter, und ein paar grüne Höfe später überrascht uns eine Golfanlage, mit der man hier wirklich nicht gerechnet hätte. Eingeschmiegt zwischen Straßenbahntrasse, Apfelbäumen und Sportplatz liegt ein winziges Areal mit einer turnierfähigen Minigolf-Anlage darin. Dass das hier alles reinpasst, liegt an geschickter Verschachtelung der achtzehn verschiedenen Bahnen. Umgeben ist das Ganze von Gebüsch und Geheck, so dass man drinnen denken könnte, man wäre irgendwo auf dem Lande und es kämen gleich Kinder um die Ecke, die Annika, Lisbeth oder Rasmus heißen.

Teichquerung im Wiesenpark, Wuhletal
Teichquerung im Wiesenpark, Wuhletal

Neben der Möglichkeit zum Abschlag gibt es hier auch ein kleines gastronomisches Angebot und gemütliche Außenanlagen. Das ist sehr willkommen, denn der Proviant ist knapp geworden. Die Anlage ist gut genutzt von Leuten aller Altersklassen, von Paaren, Familien und angemeldeten Gruppen, die allerhand unterhaltsame Kommentare hören lassen und meistenteils sehr vernügt sind.

Birkenplateau am Fuße des Holzsofas
Birkenplateau am Fuße des Holzsofas

Jenseits der Gleise liegt nördlich des Tals der Neuen Wuhle der Borkheider Teich, mit kleinem Entenstrand. Hinter einem Wäldchen jagen im Seelgrabenpark Delphine durch die Wiese, weiter hinten träumt ein Walfisch vor sich hin und am Spielplatz zieht die geschwungene Rutsche alle Aufmerksamkeit auf sich. Ein Trampelpfad führt durch anhängliches Buschwerk ans Südufer der Neuen Wuhle, wo der Ahrensfelder Berg schon seine steile Nordflanke mit ihrer breiten Rodelpiste ins Bild hält. Hinter Sumpfwiesen und einer Weide, die von schottischen Hochlandrindern betreut wird, zweigt rechts der Zustieg ab.

Aussichtsplattform oberhalb des Wiesenparks
Aussichtsplattform oberhalb des Wiesenparks

Der eigentliche Aufstieg zum Gipfel führt pulssteigernd ohne jegliches Drumherum durch den steilen Waldhang auf das fünfzig Meter höher gelegene Gipfelplateau, das am Erreichen der Baumgrenze kaum Zweifel lässt. Die Sicht von hier ist gewaltig und gestattet Blicke auf die beiden Nachbarberge in Richtung Süden, aber auch auf alle ebenbürtigen Berliner Gipfel wie den bekuppelten Charlottenburger Teufelsberg im Westen, die seeüberragenden Pankower Arkenberge im Norden oder die betürmten Müggelberge im Südosten Berlins. Darüber hinaus reicht der Blick weit ins Land Brandenburg hinein, und auch die unmittelbaren Stadtteile zu Füßen des Berges geben ein eindrucksvolles Bild ab. Eine längere Pause ist hier kein Problem, auch wenn es keine bewirtschaftete Alm gibt.

Altes Dorf Marzahn
Altes Dorf Marzahn

Ahrensfelder Berg

Der Gipfel ist gut besucht, doch es verteilt sich angenehm. Ein Pärchen versucht im wohlwollenden Dialog, einen Drachen in den Wind zu bringen, trotz frischer Brise relativ erfolglos. Eine Familie kann ihre vier sommerlichen Kinder unbesorgt auf die Wiese ausschwärmen lassen. Andere haben ihre Decken ausgebreitet, und manche sitzen einfach nur auf einer Bank oder dem kleinen Mäuerchen des Gipfelplateaus und genießen still das Exklusive dieses Ortes.

Mühle überm Dorf
Mühle überm Dorf (mit Zehngeschosser im Hintergrund)

Der Abstieg durch die strauchigen Blumenwiesen beginnt auf urig ausgelatschten, groben Holzstufen, später geht es weiter auf einem schmalen Pfad durch schattigen Hangwald. Alternativ gibt es einen bequemen Abstieg auf einem breiten Weg. So oder so, der Weg hinab verläuft relativ flach über einen langen Sporn und lässt sich dadurch ausgiebig genießen. Sein Ende liegt am Tal der Wuhle.

Am Marzahner Dorfanger
Am Marzahner Dorfanger

Ein schmiedeeisern anmutendes Portal zur Landsberger Allee führt zur fast einzigen lauten und verkehrsreichen Stelle des gesamten Weges. Drüben setzt sich der Wuhle-Wanderweg fort, unterhalb großer Weiden dem Ufer folgend. Kleine Abstecher lohnen sich und führen unter anderem zu einem Weiher mit Plankenweg, einem riesigen Holzsofa oberhalb eines Birkenwäldchens und weiteren Spielplätzen mit viel Platz in alle Richtungen. Voraus ist der Kienberg zu sehen, auf den in greifbarer Zeit eine Seilbahn fahren soll, im Rahmen der Internationalen Gartenbauausstellung.

Blick auf den tiefsten Punkt der Marzahner Promenade
Blick auf den tiefsten Punkt der Marzahner Promenade

Ein breiter Talboden wird der Wuhle an dieser Stelle genehmigt, so dass jegliches Spielen auf den Spielplätzen vom windflüchtenden Stammwald und dem blauen Walfisch besonders grenzenlos sein muss. Gen Westen setzt eine kleine Geländekante dem Wohnungsbau eine natürliche Grenze entgegen. Dort oben lockt eine frisch bewaldete Aussichtsplattform mit roten Bänken zum ausgiebigen Rumsitzen oder dem Beobachten des langsamen Schattenwachstums auf den warm beschienenen Nachmittags-Wiesen.

Der Weg durch das neuere Wohnviertel schafft mit seinen Straßennamen Lust auf kommende Ausflugstage, alles Orte im Umkreis von Strausberg. Hinterm Blumberger Damm steht der nächste Spielplatz bereit, und jenseits einer im Sinkflug befindlichen Ladenpassage lässt sich eintauchen in die gemütliche Welt eines märkischen Angerdorfes mit allem Drum und Dran. Sogar eine Mühle gibt es hier, mit echtem Müller und gemahlenem Mehl. Nur fällt im Vergleich zu den meisten anderen Dörfern nicht der Schatten von hochgewachsenen Pappelreihen auf die Häuser oder der von tiefhängenden Wolken, jedenfalls nicht vorrangig. Mit Schatten werfen hier vornehmlich hochgeschossene Quader, die zu kuriosen Kontrasten verschiedenster Gebäudekanten führen.

Das Tor zum Osten, gesehen vom Straßenbahnsteig
Das Tor zum Osten, gesehen vom Straßenbahnsteig

Angerdorf Marzahn

Zwischen den Hochhäusern steht der alte Dorfkern von Marzahn stillvernügt und völlig unbeschadet mit seiner allumfassenden Dörflichkeit, inklusive stufengiebliger Ziegelkirche, gemütlichem Dorfkrug und märkischer Hausfassaden entlang des länglichen Angers. Vor dem Dorf auf einem Hügel die erwähnte Mühle sowie Viehweiden und landwirtschaftliches Gerät. Und natürlich ein schöner kleiner Spielplatz. Wer noch etwas Zeit übrig hat und der Neugier folgen möchte, kann am westlichen Ende des Angers ergründen, was es mit dem Kulturgut Marzahn und dem hübschen Wort Schamottchen auf sich hat.

Ein Sommerabend im Volkspark Friedrichshain
Ein Sommerabend im Volkspark Friedrichshain, gesehen vom schönen Kiosk am Westeingang

Ein letzter Weltenwechsel wartet hinter der Landsberger Allee, nun wieder direkt in der Platte. Vom offenen Platz vor dem Freizeitforum Marzahn, langjährigen Einwohnern vielleicht noch bekannt als Plattmar Formzahn, geht es vorbei an zwei schönen Spielplätzen direkt auf die Marzahner Promenade, die derzeit auf ihrer Länge mehrere Gesichter hat. Breit und etwas verlassen steigt sie von der höchsten Ebene stufenweise tiefer, bis eine überdachte und gut besuchte Passage beginnt. An einem einladenden kleinen Platz liegt der tiefste Punkt der Promenade. Danach schmiegt sie sich baumschattig entlang des Einkaufscenters Eastgate und führt zu besten Schienen-Kontakten in die Stadt. Kein Tourist ist hier zu sehen weit und breit, man hört fast ausschließlich den Berliner Dialekt und oft auch die russische Sprache.

Vor dem Freiluftkino Friedrichshain im gleichnamigen Volkspark
Vor dem Freiluftkino Friedrichshain im gleichnamigen Volkspark

Wer vielleicht nach dieser facettenreichen Wildost-Expedition eine neue Jeans benötigt, vielleicht auch eine Waschmaschine oder ein Duftwasser, lässt die letzten beiden Kurven weg und kommt direkt zu den betreffenden Händlern. Und wer nach so viel Abstinenz doch noch etwas Touristengetümmel braucht, steigt einfach in die nächste Straßenbahn und fährt zum Volkspark Friedrichshain. Oder etwas weiter bis zum Alex. Womit sich dann der Bogen der elektrischen Oberleitung schließt.

 

 

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): mit Straßenbahn und S-Bahn bis S-Bhf. Wartenberg

Anfahrt Pkw (von Berlin): nicht sinnvoll, da Streckentour

Länge der Tour: ca. 15,5 km (vielfältig modifizierbar, da alle paar Minuten der ÖPNV berührt wird)
für eine kürzere Tour mit Kindern (ca. 6 km) empfiehlt sich der Einstieg an der Straßenbahn-Haltestelle Niemegker Str. (GPS-Wegpunkt 33) bis zum Dorf Marzahn mit der Mühle (Wegpunkt 68), hier hält dieselbe Straßenbahnlinie

 

Download der Wegpunkte

 

Links:

Bäckerei Streubel (Werkverkauf mit Nachtschalter)

Wartenberger Feldmark

Information zur Neuen Wuhle

Seelgrabenpark

Neue Idee für die Ahrensfelder Berge

Ausflugsziel Dorf Marzahn

Mühle Alt Marzahn

Freizeitforum Marzahn

 

Einkehr: Alter Dorfkrug, Marzahn (am Anger; gemütlich, freundlich, sehr gute Küche, mit kleinem Biergarten),
vorher und nachher entlang des Weges diverse weitere Möglichkeiten