Archiv der Kategorie: Oberhavel

Schildow – Ferne Berge, stumpfe Spiegel und die sanften, schwarzen Riesen

Der Winter feiert sich selbst, schon seit ewig, hat der Sonne mit ernstem Strichmund Hausverbot erteilt. Immerhin sieht er über gelegentliche Verstöße gnädig hinweg, solange es nicht aus dem Ruder läuft. Meist passiert das an Arbeitstagen, sodass an freien Tagen wieder das kriechkalte Klammgrau verlässlich auf der Matte steht.

Aussichtsturm mit Löwenzahn vor den Arkenbergen

Selbst wer zu den Leuten zählt, die bevorzugt zu jeder Jahreszeit rausgehen, muss nun in dieser Hinsicht hartgesotten sein. Dazu gesellten sich jüngst noch spitzfindige Spielarten wie zu Blitzeis gefrierender Sprühnebel, der sich dem Radar und somit der Wetterwarnbarkeit vollständig entzog. So mancher dürfte sich an diesem Tag auf allen Vieren wiedergefunden haben, im besten Fall auf Augenhöhe mit einem der allerersten Schneeglöckchen.

Ganzjährige Wasserbüffel bei der Arbeit

Tristes Wetter und glatter Boden sind nichts, was die winterfeste Vogelwelt groß interessieren dürfte, und so sind wie gewohnt all die bekannten Kehlen in der Höhe zu vernehmen. Sowohl Gänsen als auch Kranichen ist es dabei halbwegs schnuppe, ob sie über der großen Stadt von da nach dort fliegen oder überm farbfahlen Land, denn Schlaf- und Futtergründe finden sich da wie dort. Via Hörkanal ermutigend für die krisenwunde und unwirsche menschliche Seele sind im kleineren Register die selbstbewussten Wintermeisen und die truppweise auftretenden Finken, fast schon knallig bunt wirken in diesem Januar die Rotkehlchen mit ihrer klaren Farbcodierung.

Schönerlinder Teich No. 1

Hier auf der Seite war ja in den letzten Monaten nicht eben viel Betrieb, zuletzt die Bergtour im September, wo die Natur noch saftig bunt und voller Volumen war. Ab Oktober begann dann die endlose Zeit mit wenig Licht und viel Wasser von oben, die manches Gemüt stark herausforderte, im Gegenzug jedoch immerhin einen Boden hinterließ, der auch jenseits der oberen Schicht ganz passabel gesättigt ist. Das war lange nicht der Fall.

Unterwegs auf dem Löwenzahnpfad bei Mühlenbeck-Mönchmühle

Neben dem Umstand, dass all diese Wochen wenig fotogen waren, gab es während des reichlichen Vierteljahres unter anderem eine zeitfordernde Nebenaufgabe mit Bezug zum Berliner Stadtgürtel, welche im Frühjahr konkrete Formen annehmen soll. Erzeugter Text floss vor allem dorthin und ließ sich deswegen hier vermissen.

Schildow

Nennenswert farbkräftig hinsichtlich blauem Himmel oder gelber Sonne ging es auch im neuen Jahr noch nicht zu, nur in einzelnen Stunden an einzelnen Tagen. Die Lust auf draußen ist trotzdem da, wenn auch etwas schwächer auf der Brust oder behutsam hinterfragt, und bewegt sich in mehreren Hinsichten in Graustufen. Doch sollte man sich von miserablem Wetter nicht ins Bockshorn jagen bzw. ans Haus fesseln lassen und als Ausgleichsmaßnahme die Touren etwas kürzer bzw. optionsreicher halten und mit gemütlichen Pausenorten anreichern, sofern das möglich ist.

Strandbad am Kiesesee, Schildow

Aktuell sind bezüglich Anreise neben einem abschwellenden Bahnstreik noch Blockaden von Autobahnauffahrten durch schweres Landgerät zu beachten. Also besser kurz halten und am besten innerhalb von Bahn- und Autobahnring bleiben. Schon lange auf dem Zettel stehen die Teiche bei Mönchmühle und der dortige Abschnitt des Tegeler Fließes kurz vor dem Eintritt ins Berliner Stadtgebiet.

Tegeler Fließ am Musikerviertel, Schildow

Die erwähnte Glätte ist gerade so vergangen, der Boden noch gefroren, was sich in dieser Kombination als gut für die heutigen Wege erweisen soll. Die erste Portion Behaglichkeit gibt es beim Handwerksbäcker in Schildow, wo neben köstlichem Backwerk und heißem Kaffee gerade eine schöne Portion echten Lebens serviert wird. Ein älterer Herr kommt rein, nicht gänzlich symmetrisch in allem, und startet wortreich und immer wieder abschweifend seinen Bestellvorgang, war wohl länger nicht mehr hier. Er kommt gerade aus der Reha, ist geflohen bzw. hat sich nach drei Tagen selbst entlassen vom Knüpfen, Fädeln und Körbeflechten mit irgendwelchen Leuten, mit denen er gefühlt nichts gemeinsam hatte außer der Diagnose.

Das Schlimmste an dem ganzen Mist, sagt er, ist im Nachhinein, dass er beim Autofahren nicht mehr rauchen kann. Weil er die Zigarette nicht mehr sicher im Griff hat. Naja, und wenn die beim Fahn irgendwo hin flutscht und ihr Ding macht, könnsesjavorstelln, dittis keen Spaß. Na und denn wolltense mia sohn Nikotinflasta fapassn. Nüscht! Aus der kurzen Warteschlange kommen sofort die heiteren Hinweise, dass man die Dinger so schlecht angezündet bekommt oder dass die keine zwei Minuten halten, wenn man sie sich auf den Mund klebt. Er dreht sich halb, schaut erstaunt, Sie ham wohl jelauscht? Der Laden ist etwa so groß wie ein großer Teppich und sein Organ recht präsent. So isset, gelauscht, allemiteinander.

Am Schönerlinder Teich No. 1

Am nördlichen Bahnübergang in Schildow sind die Straßen nach Musikern benannt. Darunter haben sich irgendwie Schiller, Lessing und Fritz-Reuter gemengt, die aus dem benachbarten Schreiberlingsviertel mehr oder weniger hinüberragen. Auch einige der Musiker haben es im Gegenzug bis ins genannte Viertel geschafft und stehen also für eine offengeistige Verzahnung der beiden Künste an diesem Ort.

Blasser Spiegel am Teich

Ein kleiner Wiesenschleich führt von Reuter zu Lessing und bald zum Tor des schönen Strandbades am Kiessee, das im heutigen Fahlgrau auch nur trist daliegen kann. Selbst die Farbkleckse von Leuchtturm und Rettungsschwimmergerüst knallen farblich nicht so richtig rein. Anders in kommenden Jahreszeiten, wo dieser Ort mit dem umrundbaren See und den Stränden idyllisch und überaus einladend ist.

Rechts am Zaun verläuft ein Pfad, der sogleich an einem hüfthohen Gletscher vorbeiführt. Ein aufgestockter Gulli gibt tröpfchenweise Wasser ab, das zu einem kieshaufengroßen Eisding gewachsen ist – wie Tropfstein von unten. Er kalbt bis über den Pfad und lässt nur einen winzigen Streifen zwischen Zaun und Gletscherrand, auf dem sich auch ohne Spikes an den Sohlen die Bodenhaftung behalten lässt.

Sog. Blankenfelder Straße mit Arkenbergen voraus

Gleich darauf folgt eine leicht verwunschene und sogar beim heutigen Licht romantische Passage entlang des Tegeler Fließes, hinter dem am anderen Ufer privilegierte Gärten liegen. Die flachen Uferzonen sind von Halbgefrorenem bedeckt, in der fließenden Mitte spielt sich einiger Ententumult ab, inklusive der typisch winterlichen Geräuschkulisse solcher Zusammenkünfte. Die Ufer borden über und wirken wild, das Fließ naturbelassen. Möglichweise steht das Wasser ein paar Zentimeter höher als gewöhnlich, den regenreichen Zeiten geschuldet. Das reichliche Laub am Boden verheißt schattigen Uferwald in anderen Jahreszeiten.

Landschaft der Schönerlinder Teiche

Löwenzahnpfad

Nach der Bahnbrücke am S-Bahnhof Mühlenbeck-Mönchmühle, dessen Name für mich als Jugendlicher ein moderater Zungenbrecher war, ist neben dem Mühlenwanderweg schon der Löwenzahnpfad ausgewiesen. Klingt beides schön und verheißungsvoll, doch heute wird es der letztere. Noch wissen wir nicht, dass die kleine Tour für eine gute Stunde bester Unterhaltung steht, denn diese überschaubare Runde ist vollkommen ausreichend als Tagesziel, eignet sich zudem bestens zum Anfüttern von kleinen oder größeren Kindern und lässt sich überhaupt nicht davon beeindrucken, dass der namensgebende Pfad zwischen zwei stark befahrenen Außenringen und unweit des höchsten Deponieberges weit und breit liegt. Je nach Windrichtung dürfte entweder die Bahn oder die Autobahn akustisch gegenwärtiger sein. Der Berg hingegen liegt gänzlich still.

Obst und Birken entlang des Dammweges

Den Genuss stört das nur in Maßen, da die Landschaft besonders ist und der Weg so zauberhaft schön, es zudem so viel zu gucken und entdecken gibt. Kurz gefasst erinnert es ein bisschen an eine Mischung aus der nahen Hobrechtsfelder Waldweide und den weiter entfernten Teichen an der Blumberger Mühle bei Angermünde – auch beides besondere Ausflugsziele, zu denen man immer gerne wiederkommt. Das dürfte auch für die Löwenzahn-Runde um die Schönerlinde Teiche gelten, denn hier wird wohl eine jede Jahreszeit Markantes hinzufügen und charakterprägend sein. Gleich hinterm Rand der Millionenstadt.

Wasserbüffel auf dem Weg zur Pause

Zunächst geht es zwischen einem Baumstreifen und Feldern auf die Kammlinie der Arkenberge zu, eine durchaus eindrucksvolle Bildmischung, insbesondere mit dem Gedanken, dass man grad noch in der S-Bahn saß. Im kahlen Geäst huscht es überall, ist grad noch flattrig und dann still. Bei den ersten Weidezäunen beginnt das Feuchtland, sogleich gefolgt vom ersten der zahllosen Teiche. Dass es sich einmal um Rieselfelder handelte, später dann um Karpfenteiche, bezeugen noch zahlreiche gut erkennbare Dämme, insbesondere später, wenn der Weg etwas erhöht verläuft und Draufsicht gestattet.

Pfad zum Brücklein No. 1 (nahe des Aussichtsturms)

Schönerlinder Teiche

Hier steht auch die ersten von zahlreichen Tafeln, die farbkräftig und ansprechend gestaltet sind. Viel Information in möglichst wenig Text und jeweils etwas schöne Spielerei, die ohne Strom auskommt. Rechts oben sausen in kurzen Abständen S-Bahnen und Regionalzüge vorbei. Die Böschung zum Bahndamm ist recht steil und gibt unter anderem einer sagenhaften Weide Halt, die einen nach klassischen Senkrechtstamm hat, darüber hinaus über Ausleger verfügt, die über Dutzende Meter in die Breite gehen. Auch nach tieferem Blick scheint all das auf denselben Ursprung in der Mitte zurückzugehen.

Steg übers fließende Wasser

Der Weg drängelt sich vorbei am großen Teich, dessen wässriger Eisspiegel das Erlenwäldchen am Gegenufer verwaschen spiegelt. Danach folgt eine Szene ohne Spuren von Infrastruktur, die entlegen und fast ein bisschen skandinavisch wirkt, vielleicht auch dank der lose verteilten Schneeflecken. Ein kurviger Weg mit Gebäum in Tundrahöhe strebt zu einer flachen Berglinie von klarer Form. Der Blick nach links fällt, hier nun mit allerhand Leitungen und Masten ganz im Hintergrund, auf vereinzelte Wasserflächen. Umgeben sind sie von buschigem Krautland, das hier und dort mit Schilfgürteln verschmilzt.

Nordnordische Szenerie

Mittelgroße, dennoch alte Birken säumen den Weg zur Rechten, am linken Rand zeigen ältere Obstbäume blattlos ihre Posen. Große Pfützen fordern winzige Umweg ein. Und erstmals kommen jetzt auch die sanften Riesen ins Spiel, mit denen man in solchen Landschaften rund um Berlin fast schon fest rechnen kann. Tiefschwarz erscheinen die Leiber der mächtigen, ganzjahrestauglichen Wasserbüffel, die so herrlich neugierig irgendwo herausschauen können.

Löwenzahnpfad Nord

Bald beginnt der eigentliche Löwenzahnpfad, nun wirklich in Gesässbreite, und verläuft weithin sichtbar im ausladenden Bogen, äußerst reizvoll zwischen dem knorrigen Weidezaun und einer schutzgebenden Reihe jungen Gebäums. Es ist kalt, es ist klamm, das graue Wetter wirklich ungemütlich und der Wind fast etwas garstig. Und trotzdem begegnen wir vier Familien mit ihrem Nachwuchs. Keiner davon schaut angeödet oder ähnlich, vielmehr wird vereinzelt gelacht und gekichert – und dieser gemeinsame Tag in der Gewalt der Elemente vermutlich niemals vergessen.

Großer Teich mit noch größerer Ansammlung

Die Ruhe ausstrahlenden Hornviecher sind nun nähergerückt, haben auch die bunten Zweibeiner entdeckt und zeigen mäßige Neugier. Einem ist der viele Trubel wohl zu blöde und er tritt mit getragenen Schritten den Rückzug ins hufnasse Schilfland an, welches sich den Blicken der Zaungäste nahezu entzieht. Vom Aussichtsturm, der zugleich eine Brücke ist und von einem hölzernen Löwenzahn gekrönt wird, wird nun sichtbar, wie groß die Zahl der Teiche wirklich ist. Der Blick fällt zudem auf die weiß überpuderten Flanken der Arkenberge, und mit den schwarzen Büffeln im Vordergrund sieht es jetzt wirklich etwas nordschwedisch oder isländisch aus.

Senke mit Brücklein No. 2

Der Pfad geht in einen kleinen, gewundenen Abstieg durch eine Buchenhecke, an der sich das goldbraune Laub noch gehalten hat und somit Schutz gegen den bissigen Wind bietet, der gerade aufkommt. Gleich danach folgt ein Wegstück, das ohne gefrorenen Boden so eine Sache wäre bzw. ein klarer Fall für Gummistiefel. Doch so kann man einfach über den zähen Matsch spazieren und steht bald vor einem Brücklein mit schlichter Schranke. Das überbrückte, gut vernehmbare Wasser schafft eine Verbindung zur Bogenseekette am Rand der Hobrechtsfelder Waldweide, vielleicht sogar die einzige direkte.

Rastplatz am Rande

Sieben Stufen führen aus der Bodenmatschzone, danach setzt sich der Pfad genauso anmutig fort, wie er bisher verlief, kommt sogar etwas ins Schwingen. Trotz der höheren Lage ist auch hier manche Pfütze zu umschiffen, bevor sogar etwas Wiesengrün ins Bild tritt. Eine Rastbank ist in den Buschstreifen eingerückt und steht ein wenig windgeschützt – gemütlicher werden wir es hier und jetzt wohl nicht bekommen mit unserem heißen Tee. Noch dazu haben sich unten auf einer der größeren Teichflächen unzählige Enten versammelt, die eine mittige Eisscholle nutzen und sich dort angeregt, doch leise austauschen.

Ein Silberreiher fliegt im typischen Stil, vergleichbar dem Gang eines Elches, von links nach rechts, bald dann wieder nach links zurück. Hoch oben im Himmel sind zwei Kraniche, drüben in einem anderen Teich unzählige Gänse zu hören. Für gewöhnlich ist hier auch die Ecke, wo sich gern die Wildpferde sehen lassen, doch die sind entweder nicht ganz so kälterobust wie die Schwarzen oder haben sich gut versteckt. Ihr Farbton jedenfalls würde es hergeben.

Dorfstraße Woltersdorf

Ein weiteres Mal ist ein Brücklein und mit ihm das Weidegebiet zu überqueren. Danach geht es kurz steil hinauf zum nächsten Buschstreifen, der schön dicht ist und den selbstbewussten Wind kurz auf Abstand hält. Erneut fällt ins Auge, wie schön und groß diese kleine Landschaft ist, und das trotz der heutigen Bedingungen von Licht und Witterung.

In der Mitte von Mühlenbeck

Auf einem breiteren Weg kommt man bald zum Rastplatz an einem kleinen Teich, dessen Bankrund von losen, noch berindeten Stammpalisaden umspielt wird. Bald darauf schließt sich die Runde und legt den Rückweg zum schnell erreichten S-Bahnhof nahe. Wer noch Lust auf etwas Dorfbild und einen Nachschlag in Sachen Tegeler Fließ hat, kann vorbei am leicht spröden Campus des Berufsförderungswerkes einen Bogen über Woltersdorf und Mühlenbeck schlagen, der sich gut mit einer Einkehr oder einem schnellen Imbiss verbinden lässt.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
ab Ostkreuz mit der S-Bahn bis Mühlenbeck-Mönchmühle (ca. 35 Min.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): nicht sinnvoll

Länge der Tour: 10,5 km (Abkürzungen gut möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Schönerlinder Teiche zur grünen Jahreszeit

Löwenzahnpfad

Einkehr: Kastanienhof, Schildow
Altes Forsthaus, Woltersdorf
Zum Goldenen Hahn sowie Imbiss-Angebote, Mühlenbeck

Grobskizziert – Menz: Holzlaufbahnen, ein Fjord in Weiß und die beweglichen Antworten

Seit Ende Januar schon laufen Erlebniswochen, wie es im Marketing heißen würde – ein richtiger Winter liegt über dem Land, mit viel weißem Schnee und ohne böse Extreme, mal abgesehen von den üblichen Gewöhnungsproblemen für alle Verkehrsteilnehmer und moderne Fahrzeuge mit viel sensibler Elektronik.

Talgrund östlich von Menz

Pünktlich zum Vorabend der Winterferien begann mit bedächtig herabsinkenden Flocken dieses prächtige Schauspiel und verteilte behutsam Balsam auf den wunden Seelen der meisten Leute. Wieder sah man Familien bei gemeinsamen, fast komplett analogen Aktivitäten wie Schneemannbau, Schlittenfahren oder schlichtweg gemeinsamer Winterspazier. Die unschuldige Schönheit und auch die Seltenheit lang währenden, reinweißen Schnees ist Anreiz genug für solche stille Übereinkunft der Altersgruppen, gemeinsame Freude unter freiem Himmel eine Zeitlang aller Peinlichkeit beraubt.

Friedensplatz in Menz

Endlich können auch die richtig dicken Wintersachen aus selten besuchten Schranktiefen geborgen werden, und so sehen viele Leute aus wie Schlafsäcke mit Beinen oder Inuit auf dem Weg zum Walfang und geben dieser ganz eigenen Art des Laufstegs einen letzten Schliff, bei dem ein schlankes Erscheinungsbild keinerlei Rolle spielt. Selbst der kindlich-liebenswerte Fäustling, sonst in den Innenstadtlagen eher belächelt, wird selbstbewusst an alle Größen von Händen gesteckt und darf gern auch besonders bunt sein.

Brücklein über den Wentowkanal

Noch immer sollen die eigenen vier Wände nur aus gutem Grund und mit Gesichtsmaske im Gepäck verlassen werden, in der Entfernung zum Wohnort gibt es hingegen keine Einschränkung mehr. Wer also die Menschenleere beim Bewegen unter freiem Himmel sucht, tut das in besonders einsamer Gegend und kann gut damit leben, dass es nicht ganz so spektakulär zugeht.

Roofenhütte

Wer hingegen endlich wieder ein klassisches Touristenziel vom Kaliber Spreewald, Rheinsberg oder Stechlinsee besuchen möchte, sollte etwas Entlegenes mit eher verschachtelter Anreise wählen bzw. etwas, das in der Peripherie eines der großen Klassiker liegt und ähnlich viel zu bieten hat.

Badestelle am Roofensee

Im Spreewald könnte das der weitläufige Unterspreewald sein oder die Region zwischen Burg und Vetschau, bei Rheinsberg das zauberhafte Lindow oder vielleicht die seenreiche Gegend um Zechliner Hütte. Beim Stechlin ist es eigentlich recht einfach, denn auf dem Weg dorthin kommt man in den meisten Fällen durch das Dörfchen Menz, dessen Ortsbild ähnlich reizvoll ist wie das von Neuglobsow. Auch hat der fjordartig gewundene Roofensee einige Uferpassagen zu bieten, von denen der Stechlin nur träumen kann, und wenn er noch so schön und einzigartig und besungen ist.

Plankenweg Grubitzwisch

Menz

Das Dorf liegt auf einem flachen Buckel zwischen dem Ostende des Roofensees und einem hinreißend schönen Talgrund, den ein Bachlauf prägte. In der Mitte plätschert dessen Wasser in Richtung Havel, die unweit des Ziegeleiparks Mildenberg erreicht wird. Vom anderen Dorfrand schon zu sehen und in wenigen Minuten erreicht ist die großzügig angelegte Badestelle am See. Das glasklare Wasser kann mit dem des Stechlin gut mithalten, auch wenn der Roofensee lange nicht so tief ist wie sein berühmter Nachbar.

Zugefrorener Roofensee

Wenn man jedoch seine schmale Linie bedenkt und sich die Fortsetzung der steilen Uferhänge unter Wasser vorstellt, ergibt sich eine beachtliche Tiefe, welche wohl die allerwenigsten Wald- und Wiesentaucher entspannt erreichen dürften. Rechts des Strandes erhebt sich durchaus wahrnehmbar der bewaldete Hausberg mit einem überwachsenen Ringwall und bietet unterhalb seiner Flanke die Option, zum und vom Strand nicht denselben Weg nehmen zu müssen.

An der Schleusenwiese

Um den offenen Dorfplatz, von dem man bereits die Kirche sehen kann, reihen sich allerhand schöne Häuser, oft mit Fachwerk. Darunter ist auch das Naturparkhaus Stechlin. Hier wird allerlei Zeitvertreib angeboten, sei es zum Aufwärmen, nach der Tour oder als Schlechtwetteroption. In normalen Zeiten gibt es auch Gastronomie im Menz, und so ist die weite Anreise an und für sich schon lohnend, selbst wenn man das Ortsgebiet nicht nennenswert verlassen möchte.

Am Nordufer des Roofensees

Themenrundweg „Von Moor zu Moor“

Ein sehr einnehmender Teil des Naturparkhauses, der nicht im staketumzäunten Areal liegt, ist der bezaubernde Rundweg „Von Moor zu Moor“, der im Prinzip den klassischen Rundweg um den Roofensee kunstvoll und mit gutem Gespür für das rechte Maß aufbohrt. Zwar ist absolut nichts einzuwenden gegen den beliebten ufernahen Zweistünder um den See, er zählt mit seinen steilen Waldflanken und dem verspielten und teils sehr schmalen Pfad am südlichen Ufer ganz klar zu den besonderen Seerunden in Brandenburg.

Stiege hinab zum Kesselmoor

Doch wenn ein Thema – in diesem Fall das Moor – so liebevoll umgesetzt wird und sich tatsächlich an mehr als zwei Ecken der Tour wiederfindet, dann macht das wirklich Spaß und belohnt für manches Geschnaufe beim häufigen Rauf und Runter zwischen den Stationen. Charmant ist neben dem gelungenen Logo übrigens auch die Wegweisung mit dem roten Dreieck, das in immer wieder neuen Varianten erscheint.

Am Großen Barschsee

Manchmal führt es auch in eine kleine Sackgasse, wo eine weitere Station oder ein schöner Rastplatz warten. Doch aus kleinen Verlaufereien erwachsen ja oft die schönsten Entdeckungen, und der Weg zurück ist niemals länger als zwei Minuten. Am Ende der Tour weiß man dann, wie die Wegweisung zu handhaben ist – um es bis zum nächsten Mal wieder zu vergessen.

Der überfrorene Wentowkanal

Bei dieser Tour gibt es also zwischen den Wegen und Pfaden aller Größenordnungen, die teils von skandinavischem Gepräge sind, gut verteilt immer wieder Bruchwälder oder –wiesen und natürlich eine ganze Reihe kleiner bis kleinster Moore, die jeweils mit einem Stück Plankensteg und robuster interaktiver Informationsmechanik bedacht wurden. Und so ein Stückchen Bretterweg zwischendurch ist immer ansprechend. Keines der Moore gleicht dem anderen, sei es nun von der Erscheinungsform oder der umgebenden Topographie.

Plattform an der Schleusenwiese

Bei der Umsetzung der einzelnen Stationen hatten Zimmerleute und Metallbauer, Naturkenner und Touristiker Spaß und in diesem Zusammenhang wohl auch ein angemessenes Budget zur Verfügung, so dass alles Verbaute nicht nur visuell und haptisch ansprechend, sondern auch von großer Haltbarkeit ist. Erfolgreich wird neugierig gemacht, und wer was wissen will, muss zumindest die Hände aus den Taschen nehmen und etwas in Bewegung setzen, um eine Antwort zu erhalten.

Brücklein über den Wentowkanal

Wer Lust auf ein Stündchen mehr hat und der Besuchermenge an Wochenendtagen etwas ausweichen möchte, kann vorher noch einen Bogen nach Westen schlagen, sich durch den Wald zum erwähnten Talgrund treiben lassen und dann an dessen südlichem Rand zurück nach Menz spazieren. Beim Erreichen des ersten Hauses fällt dann die leicht erhöhte Lage des Dorfes auf. Ganz im Osten des Bogens ist übrigens etwas Interpretationsbereitschaft gefragt, denn einige der Wege sind ein wenig zugefallen.

Am Südufer des Roofensees

Zur Wahl stünde für Familien übrigens auch ein knapp einstündiges Minimalprogramm mit Bergumrundung, -besteigung und –überquerung sowie anschließendem Strandbesuch, das auch für kurze Beine gut passen sollte. Auf dem Gipfel des Wallberges gibt es eine Rasthütte, an der Badestelle flaches Einstiegswasser und unterwegs viel zu entdecken.

Wallberg bei Menz

Wem auch das noch zu aufreibend klingt, der geht vom Friedensplatz in Richtung Wallberg, überquert die Seestraße und setzt sich achtzig Meter später links auf die Bank, von der sich all das schön aus naher Ferne betrachten lässt. Und lauscht dort ganz in Ruhe dem, was die Jahreszeit gerade so zu bieten hat.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
von Berlin-Gesundbrunnen über Gransee nach Menz (ca. 1,5-1,75 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über Land (verschiedene Varianten)(ca. 1,5-1,75 Std.)

Länge der Tour: ca. 18 km (blau, Abkürzungen vielfach möglich; zur Vermeidung verwachsener Wege von Wegpunkt 7 direkt zu 12);
Berg-Strand-Tour für kurze Beine (grün, ca. 2 km)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Naturparkhaus Stechlin in Menz

Faltblatt „Von Moor zu Moor“ (PDF)

Rundweg Wallberg

Einkehr:

Künstlerhof Roofensee (Berliner Str., schräg ggbr. der Kirche)

Schönfliess: Kunst im Walde, das Kurviertel und die schmalste aller Prachtalleen

Der Tanz mit der Stadtgrenze macht immer wieder einen Heidenspaß. Insbesondere dann, wenn die Natur im fortgeschrittenen Frühling mehr und mehr in die Vollen geht und der Kontrast aus städtischem Staub- und Lärmgeschehen und ländlich-idyllischer Landschaftsruhe in Augen, Ohren und Nase intensiver wahrzunehmen ist. Davon abgesehen lauern in solchen Touren meistens Überraschungen am Wege, denn was dort an Sehenswürdigkeiten versteckt liegt, ist entweder so bekannt, dass man es ohnehin längst kennt, oder eben so versteckt und auf den Erstblick klanglos, dass es nur jemand findet, den der Zufall mit offenen Augen dort vorbei schickt.

Tieferliegender Wald der Bieselheide

Im Idealfall sind solche Touren mit einem Karten-Doppel aus ABC- und AB-Fahrschein machbar. Ersterer hat diesmal in Schönfließ seinen Zweck erfüllt, dessen Bahnhof auf dem Weg nach Oranienburg mitten in den Feldern liegt. Mitten übers Feld geht darum auch der schnurdirekte Trampelpfad ins Dorf, der wohl einer stillen Abmachung mit dem zuständigen Landwirt zu verdanken ist. Das nette Arrangement erspart einen lästigen Umweg und setzt die Kirche fest in den Blick des Ausgestiegenen.

Vorgarten im Künstlerhof Frohnau

Schönfließ

Hinter der Kirche liegt die große Kreuzung, und gleich westlich des Dorfes beginnen weite Felder, an deren Ende der leicht versunkene Wald der Bieselheide liegt. Auf dem Weg dorthin werden die Nüstern vom ersten vollmundigen Kornduft dieses Jahres verwöhnt, der durch den nächtlichen Regen besonders würzig ausfällt. Für die Augen wurden filigrane Akzente aus Mohn, Kornblume und Margariten verstreut, während der Waldrand fast magisch anzieht. Ein Blick nach links lässt diesig verschwommen die fernen Kanten des Märkischen Viertels aus dem Grün wachsen, leicht unwirklich.

Zauberhafter Weg am Beegraben, Schönfließ

Vor dem Wald biegt der Weg ab, wahlweise nach links oder rechts. Wer jedoch eine Verbeugung nicht scheut, schlüpft geradezu ein in ein überschaubares Pfad-Geflecht, dessen Schattendunkel heute nur selten ein paar Punkte der seltenen Sonne bis zum Boden durchlässt. Fließendes oder sickerndes Wasser ist zu erahnen, der kühlen Luft und dem satten Grün geschuldet. Die schmale Spur windet sich im leichten Auf und Ab, berührt einzelne Baumriesen und auch drei Quellsale, deren Wasser sich zaghaft zum feuchten Grund durchschlägt. Der öffnet sich bald darauf und gibt ein liebliches Landschaftsbild frei, wie man es hier nicht erwartet hatte – saftiges Wiesengrün und vereinzelte Kronenbäume, fast wie in einem Landschaftspark. Dazu der grasige Weg und tropfenweise der Niederschlag am Schuh, der von der Nacht noch in den Halmen hängt. Es ist so dermaßen idyllisch.

Das Märkische Viertel von Schönfließ aus

Die Karte verrät, dass in der Mitte des Talgrundes das Kindelfließ schlummert. Ruhig tut es das, doch keineswegs unbewegt, wie wir am knorrigen Holzbrücklein feststellen dürfen, das den Doppelschritt von Oberhavel nach Berlin ermöglicht. Drüben steht eines der überhohen Schilder des Berliner Mauer-Radwegs, und als wäre die Grenze tatsächlich sichtbar und im Menschen verankert, wird es auf einmal voll hier, wechseln Jogger, Leute an Hundeleinen und akademisch zurechtgemachte Herrschaften im bedeutsamen Dialog, dem man erst nach gut hundert Metern vollständig entkommt. Neben der an und für sich abstrakten Grenzlinie erklärt sich das hohe Aufkommen auch durch einen nahen Parkplatz mit einer zugehörigen Streckenlänge, die sich ideal mit dem Ausleeren eines Hundes synchronisieren lässt, nebenher etwas Sinneneindruck und Bewegung ermöglicht.

Blick über die ersten Kornfelder nach Schönfließ

Für dieses rechte Maß sorgt der leicht mitgenommene Hubertussee, dessen verwinkelte Uferlinie ein schöner Pfad nachzieht. Ein Dreikäsehoch bringt seinem Vater mit großen Augen einen gefundenen Kiefernzapfen und nutzt dazu seinen vokallastigen Sprachumfang, eine Ecke weiter staksen Damen durch den hohen Salat und bestimmen mit technischen Mitteln, was da wächst am Wegesrand. Und da wächst allerhand, darunter knapp noch blühende Maiglöckchen, längst verblühte Anemonen sowie grüner Klee mit Riesenblättern, auf denen Käferlein herumspazieren.

Einer der Quellbäche in der Bieselheide

Der grundsätzlich geradlinige Weg weg vom See ist zur anmutigen Kurvenlinie gediehen, dank gefallener Bäume oder anderer Hindernisse. Nach einem Schlenker übernimmt eine wirklich gerade kleine Waldstraße und wartet mit der ersten Überraschung des Tages auf. Eine Toreinfahrt mit zwei Dutzend bunt verbastelten Briefkästen macht neugierig, der Kopfsteinpflasterspur zu folgen, ein Verbotsschild lässt sich nicht entdecken. Hinter dem weit offen stehenden Tor beginnt eine unregelmäßige Reihe verträumter Häuschen und Ziegelbaracken. Schilder bestätigen den bereits verspürten Hauch von Kunst und Kunsthandwerk.

Stadtgrenze zwischen Berlin und Brandenburg

Künstlerhof Frohnau

Am markantesten ist das erste Haus rechts, das ein ganz klein bisschen nach Asien aussieht. Neben der weit geöffneten Haustür hängen zahlreiche Informationen. Direkt daneben hockt über struppigem Grase eine Handvoll Leute zusammen, rund um ein kleines Lagerfeuer, das es nicht gibt, und führt in gedämpftem Ton eine angeregte und zugleich ruhige Unterhaltung. Sie gucken nicht auffordernd, doch auch nicht abweisend, also gehen wir erstmal weiter und schauen uns die Häuser und Vorgärten an, bei denen es Dutzende charmante Details zu entdecken gibt. Im mittleren Gebäude ist eine Art kleiner Konzertraum, wo zum Duft von Ferienlager-Flur ein betagter Flügel im staubigen Lichte steht, umgeben von großformatigen Bildern. In der Phantasie läuft eine gelockte Katze virtuos über die Tasten und überspielt souverän eine kurze Pfotendissonanz.

Hubertussee nördlich von Frohnau

Ganz hinten kauert unterhalb eines riesigen Funkturms ein modernerer Kastenbau, der wahrscheinlich Dutzende eher funktionaler Ateliers beherbergt, denn das Ganze hier ist der Künstlerhof Frohnau, wie uns ein Zettel in A4 verrät. Die umzäunte Kolonie ist klein und äußerst lauschig, das Gelände teils wild und ein Blick in die Hintergärten verheißt, dass sich hier gut kreativ sein lässt. Nichts wirkt aufgesetzt, nichts bemüht.

Posteingang am Künstlerhof Frohnau

Im Mittelgebäude mit dem Flügel gibt es manchmal einen Café-Betrieb, doch das dürfte jetzt noch nicht lohnen, so kurz nach den ersten lockenden, doch zaghaften Lockerungen in Sachen Gastronomie. Vorn im Haus ist eine kleine Ausstellung zur Mauerlinie und dem Drumherum untergebracht, und wie wir auf Anfrage erfahren, hatte auch dort noch niemand mit Besuch gerechnet. Ein durchreisender Kreativer oder so hatte in der vergangenen Nacht einen Unterschlupf vor dem Gewitter gefunden und seinen Schlafsack einfach unterhalb der Exponate ausgerollt, ganz Bohemien. Ein freundlicher Herr mit Hintergrund eilt uns kurz zur Seite und erzählt ein paar Worte zu dem, was hier zusammengetragen wurde. Der kleine Raum ist hinreißend und der Platz für die Ausstellung pfiffig genutzt.

Das markanteste Haus, Künstlerhof Frohnau

Invalidensiedlung

Dreimal gibt es auf dieser Tour den steten Lärmpegel einer rauschenden Landstraße. Die erste ist jetzt die B 96, im Anflug auf Hohen Neuendorf, das schon wieder im Landkreis Oberhavel liegt. Hinter der S-Bahn-Unterführung werden wir aufs Neue überrascht. In länglicher Anordnung stehen dort klar geformte Backstein-Häuser, die ein wenig an die beschaulichen Wasserschlösser des Münsterlandes erinnern, die Haus Bever heißen oder Haus Seppensen, zumindest so in dieser Art. Auch hier trägt jedes einen eigenen Namen, meist sind es Ortsnamen. Zwischen all diesen Namen lässt sich so gut wie kein Zusammenhang herstellen, zumindest auf den ersten Blick. Sandsteinportale gibt es und kleine Auffahrten, geräumige Balkone und herrliche Dachfenster, zum Bahndamm hin auch kleine Gärten.

Vorgarten, Künstlerhof Frohnau

Formal ist die per Bus angebundene Siedlung eingeschlossen vom hohen Damm der S-Bahn und der theoretischen Grenzlinie zwischen Berlin und dem Umland. Im Inneren der Anlage erstreckt sich eine grüne Senke, an deren südlichem Ende ein Gasthaus liegt. Gegenüber lassen sich an einer Schautafel möglicherweise entstandene Fragen beantworten.

In der Invalidensiedlung, kurz vor Glienicke

Schon nach wenigen Schritten treffen wir erneut auf den Mauer-Radweg, lassen ein paar Räder durch und setzen den Fuß nun wieder auf märkischen Boden. Das ist vielleicht geohistorisch nicht ganz korrekt – doch es klingt so schön. Voraus liegen weite Kornfelder, durchzogen von langen Buschbaumstreifen. Unser Weg ist vom hüfthohen Korn zunächst verschluckt, doch dann bald gefunden, als deutliche Treckerspur. Die Ähren, die zugleich weich und fest sind, schummeln sich immer wieder in den Handteller und erzeugen auf der Haut ein Gefühl zwischen Hummelpelz und Hummelbeinen– ein bisschen unheimlich, doch einziehen will man die Arme auch nicht.

Ein Wechsel auf den bezaubernden Pfad hinter der Baumreihe ist bald oder etwas später möglich, als eine andere Trampelspur von Hohen Neuendorf durchs Feld quert. Bald führt die sohlenbreite Linie mit etwas Hinternwackeln und Verneigen zwischen jungen Obstbäumen und alten Rosenbüschen hindurch, erlaubt Durchblicke zum Kirchturm des nächsten Dorfes oder dem gut besuchten Spargelstand an der hastigen Landstraße.

Wegspur im Feld

Stolpe

Waren wir vor ein paar Wochen zum allerersten Mal in Stolpe, dem an der Oder mit dem dicken Burgturm, kommen wir jetzt erneut zum ersten Mal durch Stolpe, diesmal das havelnahe. Hinter der lauten Straße Nr. 2 läuft ein clever gepflastertes Sträßlein entlang alter Gartenmauern direkt vor zur Kirche. Die ist sogar offen und hat im Inneren diese einmalige Stille, verbunden mit dem Duft von altem Holz und noch viel älteren Ziegelsteinen.

Dorfstraße zur Kirche, Stolpe

Ein paar Schritte sind es bis zur Krummen Linde, einem Landgasthaus, übrigens nicht dem einzigen im Ort. Warum das so ist, bleibt unklar und dürfte vielleicht ganz schlicht mit dem hübschen Dorf, der Stadtrandlage und der Nähe zur Autobahn zu tun haben. Wer auf langen, wiederkehrenden Fahrten gern eine wohltuende Pause von der Piste hat und sich ein bisschen auskennt, wird sich diesen Ort wohl schnell merken. Die namensgebende Linde steht direkt im Biergarten, ihr Stamm hat in der Tat die Form einer riesigen Morchel.

In der Kirche von Stolpe

Nur ein paar Häuser weiter ist auch im Dorfkrug der Schankbetrieb wieder angelaufen. Alle Gäste lehnen sich genüsslich zurück ins zurückgewonnene Stück Normalität, das Personal trägt sein Lächeln hinter Stoff. Südlich der Landstraße endet dann das gemütliche Dorf. Eine sachliche Wohnsiedlung leitet über zur eigenen Welt des Golfplatzes mit ihren zugehörigen Kopfbedeckungen, Obertrikotagen und Gefährten. Mitten hindurch führt schnurgerade ein schöner Feldweg, der meist so dicht von Buschwerk umgeben ist, dass die feingetunte Teletubbie-Landschaft drumherum kaum ins Auge fällt. Aus den Teichen, an deren Grund wohl etliche Golfbälle auf Muschelbewuchs warten, knarzen großvolumige Frösche herüber.

Weg zwischen den Rasenflächen und Leuten mit selbstgewähltem Handicap

Kurz vor der Stadtgrenze biegen wir nun selbst auf den Mauer-Radweg ab und bewegen uns durchs einstige Niemandsland, dessen Natur heute nur noch ungläubig zu lächeln scheint angesichts der absurden Nutzung damals. Es wird wieder etwas voller und das Abstandhalten zum Teil etwas slalomartig.

Beim Einmünden eines großen Weges steht der nächste Grenzübertritt an, der direkt in die weit verzweigten Wohnlagen des oftmals noblen Frohnau bringt. Mit schönem System wurde hier scheinbar darauf geachtet, dass so gut wie keine Straße länger als nötig gerade verläuft – vor über hundert Jahren ging dieser Teil von Berlin aus einer Gartenstadt hervor, was eine griffige Erklärung liefert. Die Karte zeigt ein herrliches Gewirr aus Bögen und Schlangenlinien, was sich auch östlich der S-Bahn fortsetzt. Dazu ist die Landschaft leicht bewegt und manches Haus wurde erhaben oder in scheinbarer Hanglage erbaut. Gemeinsam mit den großen Gärten und ihrem teils alten Botanik-Bestand ergibt sich ein gediegenes und gemütliches Flanieren, bei dem hier und da ein Weiher für Abwechslung sorgt.

Frohnau

Wenige Ortsteile von Berlin haben so klar ein Zentrum, das den Namen im vollen Sinne des Wortes verdient. Und das trotz seiner Zweiteiligkeit eine Einheit bildet. Wer hier nicht schnurstracks durchmarschiert, sondern sich auf irgendwas für Gaumen oder Kehle einlässt, läuft Gefahr, in einer ausufernden Pause zu versacken. Andererseits hätte man sich derb in der Thematik verirrt, würde man schnellen Schrittes vorbeilaufen, denn der halbrunde Zeltinger Platz und sein rundes Pendant sind schon etwas sehr Besonderes, nicht einfach nur eine S-Bahn-Endstation, taugen nahezu als eigenes Ziel für einen Ausflug.

Am Bahnhof Frohnau

Fast wie ein Kurviertel umgeben die beiden Ensembles den Bahnhof, auch die Brücke als Bindeglied trägt ihr eigenes Gesicht, mit zwei gegenüberliegenden Cafés. Wasserspiele und Pergolen, Ladenzeilen und ein Casino im Burgturm – das Ganze atmet eine schöne Stimmung vom alten West-Berlin und etwas Kurortcharme. Keineswegs wohnen hier nur die Betuchten – die Frohnauer Mischung wirkt echt und durchaus würzig. Versacken ist übrigens überhaupt kein Problem, denn das Budget-Taxi wartet ja quasi im Keller – die S-Bahn fährt alle zehn Minuten in die Stadt. Oder alle zwanzig nach Oranienburg, wohin ja auch die Sehnsucht manchmal lockt …

Wer noch Lust auf mehr hat und sich nicht vom Wegweiser zum Buddhistischen Haus ablenken lässt – durchaus eine lohnende Option – kommt auf der promenadenbreiten Wiltinger Straße zum Ludwig-Lesser-Park mit seinen alten Bäumen. Der Spielplatz wurde jüngst mit edlem Gerät neu gestaltet und ist mit Kindern durchaus die Anreise wert. Nördlich des Parks bedient ein Sportgelände mit Reithalle, Poloplatz und Schießstand Stadtrand-Klischees, die wiegesagt nur bedingt passen. Bald schon gibt es wieder Kontakt zum Wald, und nach der dritten Lärmstraße und einem vergehenden Weiher wird hinter den letzten Häusern zum zweiten Mal Berlin verlassen.

Vor den Loreleibergen

Loreleiberge

Entlang der Grenzlinie liegt ein breiter Dünenstreifen, wie ein riesiger Buddelkasten, mit vereinzelten Laub- und Nadelbäumen. Dahinter wird das wellige Relief von hochgewachsenem Buchenwald bedeckt, der im späten Mai nur noch wenig Licht zum Boden durchlässt. Nur wenige Schritte später beginnt der Anstieg auf die Loreleiberge, der durchaus seine steilen Passagen hat. Die beiden Gipfel werden von einem undurchschaubaren Geflecht von Pfaden überzogen, die selbst mit Satellitenempfänger die Orientierung herausfordern. Am besten lässt man sich treiben und folgt grob einer Grundrichtung. Bald fällt der Weg ab und verlässt am Wohngebiet Bieselheide den Wald.

Grüner Talgrund der Bieselheide

Bieselheide

Am Rand der Siedlung liegt das Kindelfließ in seinem tiefen Bett, begleitet von einem waldigen Uferweg. Der wechselt bald in einen grünen Wiesengrund, in dem sich doch tatsächlich noch immer das Wasser in den Halmen gehalten hat, so wie früher am Tag, gar nicht weit von hier. Ein kaum zu erahnender Pfad umrundet das kleine Waldstück anders als gedacht, erreicht aber bald wieder die geplante Spur. Die Wiesengräser sind vielfältig, rechts voraus stehen imposante Bäume mitten in der Landschaft, und hier und da ruht Wasser in seinem Graben.

Kurz vor dem Reiterhof bei Schönfließ

Koppelschänke

Über eine charmante Anhöhe kommen wir zum Reiterhof am Kindelwald, der mit dem Kindelfließ und dem Kindelsee in guter Gesellschaft ist. Die an Hufen reiche Außenstelle von Schönfließ liegt idyllisch über einer Senke am Waldrand und ist umgeben von viel Feuchtland. Eine besonders schöne Überraschung, quasi kurz vor Schluss, kündigt sich mit ein paar Schildern an und sorgt zwei Minuten später für etwas Berghütten-Atmosphäre. Hinter einer klapprigen Pforte führt ein schmaler Zugang hinauf zur Koppelschänke, die mit ihrer Aussichtsterrasse von Pferdekoppeln umgeben ist und damit verschiedenste Gästewünsche zugleich bedient. Der freundliche Wirt ist sofort am bootslackierten Tisch und wir leisten uns noch einen kleinen Absacker an diesem zauberhaften Ort – nichts ahnend davon, dass gleich eines der allerschönsten Wegestücke folgt, die man im unmittelbaren Umland finden kann.

Aufgang zur Koppelschänke

Vergleichbare Passagen gibt es manchmal hier und da auf ein paar Minuten Länge, eine vergleichbar lange im schmalen Bachgrund zwischen Nieder- und Hohenfinow. Doch dieser Weg reicht bis hinein nach Schönfließ mit seinem herrlich patinierten Schlosspark, also gut die nächste halbe Stunde – bliebe man nicht ständig staunend stehen. Direkt gegenüber der Pforte zur Schänke biegt im spitzen Winkel dieser Pfad ab, der zunächst den Rand eines feuchten Talgrundes begleitet. Das an sich wäre schon herrlich zum Abend und dem kühlen Ausatmen des Tages. Doch der schmale Weg wird begleitet von uralten Bäumen, die seine Linie ondulieren. Linden sind das und Eichen, später auch Bergahorne und Kastanien, vereinzelt auch Ulmen oder Eschen, von denen einzelne der Wind gelegt hat. Zwischen den kräftigen Stämmen kann der Blick weit schweifen, hinüber zum anderen Rand des feuchten Landes.

Am Naturschutzgebiet Kindelsee

Und auf einmal fließt es nebenher, kommt ein kleines kaum gezähmtes Bachsal und gestaltet sein Bett mal glatt und brav, dann wieder schnellengekräuselt – wenn auch im ganz kleinen Maßstab. Zunehmend tiefer gelegt ist jetzt der Weg, links und rechts wogen die Kornfelder oberhalb der Hänge, und der Wind rauscht in allem, was sich wiegen lässt. Wenn jetzt ein Poet hier so vor sich hin ginge, müsste ihm wohl der Kopf platzen vor Vers- und Motivansätzen.

Im verwunschenen Schlosspark, Schönfließ

Schönfließ

Nach ein paar Gärtchen findet der Weg wieder zurück zum Beegraben, dessen sonderbarer Name so gar nichts verrät von seiner Gestalt und seiner Landschaft und polyglott gedacht allenfalls an die tüchtigen Bienenvölker denken lässt, deren Plattenbauten vorhin am Weg standen. Vielleicht ist das ganz gut so, denn wer weiß, wie voll es auf den Wegen wäre, wenn der Wasserlauf Prinzessinenfließ hieße oder Kükenbach.

Die schüchterne Schönfließer Kirche

Der Schlosspark pflegt den Dornröschen-Schlummer, nicht jeder Pfad findet dabei ein eindeutiges Ende. Dennoch sollte man sich das urige Stück Natur nicht entgehen lassen – schlimmstenfalls geht man eben den Weg wieder zurück, den man gekommen ist – es kann sich jeweils nur um ein paar Minuten handeln.

Brücklein gibt es hier und Pfade, eine Gipfelbank und einen kleinen Stauweiher mit betagter Wehrmauer. Mittenhindurch plätschert das Wasser, das die letzte halbe Stunde nebenher floss, und insgeheim wissen wir nun, dass es einzig und allein das Schönfließ sein kann.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
von Berlin-Ostkreuz per S-Bahn nach Schönfließ (ca. 0,75-1 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): B 96a (ca. 0,5-0,75 Std.)

Länge der Tour: ca. 22 km (Abkürzungen gut möglich, vielfach per ÖPNV)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Bieselheide

Künstlerhof Frohnau

Invalidensiedlung

Dorfkirche Stolpe – Abendmusiken

Berliner Mauer-Radweg

Rund um den Bahnhof Frohnau

Schlosspark Schönfließ

Einkehr: Landcafé, Schönfließ
Kleiner Cafébetrieb, Künstlerhof Frohnau (manchmal)
Landhaus Hubertus, Invalidensiedlung
Zur krummen Linde, Stolpe
Dorfkrug, Stolpe
div. Gastronomie rund um den S-Bhf. Frohnau
Koppelschänke, beim Reiterhof südlich von Schönfließ

Löwenberg: Obstnachwuchs, die Schienengabel und der Hufe Staub

Der Frühling ist ja jedes Jahr aufs Neue eine ganz besondere Zeit. In diesem Jahr ist er zudem eine ganz spezielle Zeit, in der vieles Selbstverständliche auf unbestimmte Dauer in Frage gestellt wird und das Wort Abstand eine übergeordnete Rolle spielt. Das Handeln aller entscheidet so über die Wiederkehr und den Grad gewohnter Umstände, und gelebte Solidarität kann ganz direkt auch eigenen Interessen dienen.

Uferweg über dem Kleinen Lankesee

Wem im ungeplanten Stillstand irgendwann doch die Decke auf den Kopf fällt, weil der letzte Staub gewischt, jede alte Zeitschrift ausgelesen und alles im Kleiderschrank gebügelt und sinnvoll abgelegt ist, und wenn dazu noch alle Wonnen des Frühlings ins Freie locken, gibt es einen gewissen Spielraum, der sich mit gutem Gewissen nutzen lässt. Mit den derzeit lose belegten Regionalzügen sind in weniger als einer Stunde viele Orte zu erreichen, wo ein Ausschwärmen ohne nennenswerten Kontakt zur eigenen Spezies möglich ist.

Junge Obstallee am Rand von Löwenberg

Wer befürchtet, im berlinnahen Umland und abseits einschlägiger und daher überfüllter touristischer Auslaufgebiete wie dem Briesetal oder rund um Strausberg auf Abwechslung verzichten zu müssen, darf gerne staunen – so zum Beispiel rund um Löwenberg, nur gute fünfzig Bahnminuten vom Berliner Ostkreuz. Gerade jetzt, im späteren April, muss hier weder auf blühende Obstbäume und tiefe Wälder noch auf Talgründe voller Buschwindröschen oder wildnisumrankte Waldseen verzichtet werden.

Obstallee nach Löwenberg

Der Frühling zeigt dieser Tage sein gesamtes Spektrum, präsentiert zwischen kalten Nächten und milden Tagen Eindrücke von Vorfrühling bis Frühsommer und wird dabei von dieser unwiderstehlichen Mischung aus kräftiger Sonne und kühlem Wind unterstützt. Alles, was in den Baumkronen oder darunter am Boden blühen kann, hat seine ganze Kraft in diese vielfältige Pracht gelegt, lockt zum detailbestaunenden Niederknien oder dem Spitzen der Zehen, um mit der Nase wenigstens die untersten Kirschblüten zu erreichen. Zudem scheinen gerade alle Vögel da zu sein, die man so kennt, und etwaige exotische Klänge lassen sich spielerisch mit Hilfe des mobilen Endgeräts ergründen.

In Sachen Gleis betrachtet liegt Löwenberg am dreifachen Scheideweg zwischen verlockenden Namen wie Zehdenick und Templin, Gransee und Fürstenberg oder Lindow, Rheinsberg und Neuruppin. Alles ziemlich große Kaliber, bei denen sich im Kopf sofort die Bilder öffnen und im Nu mögliche Ausflugstage künftiger Monate verplant scheinen. Wenn auch das beschauliche Löwenberg keine vergleichbar plakativen Pfunde vor sich herträgt, braucht es sich mit seiner Umgebung überhaupt nicht zu verstecken – was ich bis dahin selbst nicht wusste.

Breitschultrige Löwenberger Kirche

Neulöwenberg

Der alte Bahnhof nahe des Dorfkerns, wo der Bummelzug zu Zeiten von Tucholskys Clärchen und Wölfchen sicherlich noch hielt, ist seit Längerem stillgelegt. Vom Gabelungs-Bahnhof in Neulöwenberg ist es also ein Stück bis zur stämmigen Kirche mit ihren breiten Schultern. Wer bei blühenden Obstbäumen so gar nicht ins Schwärmen kommt, kann gleich vom Bahnhof den Zacken über Löwenberg gut abkürzen und landet nach einer guten Viertelstunde entlang der Bahn und einem schönen Alleestück direkt im ersten Wäldchen.

Karl-Marx-Platz in Löwenberg

Für alle anderen, nicht zuletzt auch als kleiner Ausgleich zur abgesagten Obstblüte der Kehlenfreuden rund um Werder, lohnt sich der Weg über Löwenberg in dieser Hinsicht ganz besonders. Hinter den letzten Häusern führt ein Feldweg hinüber zum Wald, dessen Rand bereits von großen, teils sehr alten Obstbäumen begleitet wird, darunter ein wirklich bemerkenswerter Wildapfel. Auch der schöne, niemals ganz gerade Alleeweg vom Waldrand nach Löwenberg hält einige alte Kirschbäume bereit, zudem schöne Weitsichten nach Süden.

Blick auf das Schloss der Kinder, Löwenberg

Löwenberg

Vorbei an etwas Gewerbegebiet und dem Bäcker ist es nicht weit bis zur Ortsmitte, wo unumstößlich die breite, doch geduckte Kirche steht, die aus der Ferne daher kaum auszumachen ist. Kurz hinter dem Karl-Marx-Platz beginnt ein hinreißender Schleichpfad, der in Sichtweite am Schloss vorbeiführt. Wo heute tagsüber die Kinder spielen, stand einst eine Wasserburg, deren Fundamente auch das heutige Schloss tragen.

Löwenberger Schleichweg

Nach dem Überqueren der B 96 folgt ein weiterer Verbindungspfad. Mit den ersten rosapludrigen Kirschbäumen im Rücken liegt kurz darauf der Ortsrand voraus. Der kündigt bereits hier die sanft geschwungene Landschaft an, die über den Tag einige reizvolle Höhenmeter ansammeln wird. Mehrfach gabelt sich der breite Weg, und hinter dem tieferliegenden Sportplatz öffnet sich die Weite. Der Weg wird schmaler, zugleich beginnt beidseitig eine Reihe junger Obstbäume, die fast alle ein paar erste Blüten in die Sonne halten.

Links der Wegspur sind die Bäumchen von einem heranwachsenden Heckengürtel umgeben, rechts stehen sie für sich und lassen den Blick frei auf einige Stall-Ruinen, die zwischen Blütenkronen hocken und aus der Ferne fast etwas mediterran wirken. Von Pflaumen über Kirschen bis hin zu Äpfeln und Birnen ist alles dabei, dementsprechend strahlen die Blüten mal grünlich weiß, mal mit einem Rosahauch oder eben Reinweiß. Selbst unter den kleineren Bäumen summiert sich schon ein kleiner, doch vernehmbarer Bienenlärm.

Stallruinen mit Blütenpracht

Am Ende der Baumreihe entsteht links eine größere Fläche mit Obstbäumen, bereit liegen große Haufen von Rindenmulch sowie wuchtige Holzbalken, stark wie Bahnschwellen – das macht neugierig, und der nächste Besuch sollte noch in Jahresfrist erfolgen. Kaum zu merken ist dabei der beständige Aufstieg auf die benachbarte Anhöhe der Wackerberge – vielleicht liegt hier der sagenumwobene Löwenberg. Ganz nebenbei wird der Weg jetzt gemütlich, und auf dem Gipfel warten ganz standesgemäß ein paar der Staanmanndl, wie man sie aus dem Hochgebirge kennt. Wir erhöhen jeweils um einen Kiesel.

Gipfelglück auf dem verkappten Löwenberg

Kurz hinab zum Wald, auch dort blüht es weiß am Eintritt in die gute Mischung aus dunklen Fichten und zartgrünen Wipfeln. Kurz darauf quert am schmollenden Schilderbaum der Wanderweg nach Neulöwenberg, die eingangs erwähnte Abkürzung. Die sonnenwarmen Nadeln durchströmen den Wald mit ihrem würzigen Duft, der Schatten sorgt zugleich für angenehme Kühle. Ein bunter Specht stärkt die klassische Geräuschkulisse und eine laute Hummel fliegt von links nach rechts. Zeit für die erste Pause, wie gehabt auf einem liegenden Baumstamm. Erstmals ohne heißen Tee, den Champagner des Waldes – das geht in Ordnung, im fortgeschrittenen April.

Eintritt in den Wald

Der Wald öffnet sich zu einer länglichen Wiesenlichtung, an deren Ende hin und wieder ein Zug durchs Bild saust – mal ein kleines blaues Heidekraut, mal ein langer roter Regionaler. Wider Erwarten führt der Weg nicht über die Bahn, sondern unter ihr hindurch, während sich links auf der hügeligen Wiese ein kleines Kieferngehölz mit gelbem Blütenteppich schmückt, der nach gelben Kamillenblümchen aussieht. Links hinten ist ein spitzer Turm zu sehen, welcher der Karte nach nicht zu einer Kirche gehört, sondern zur Weißen Villa. Hinter der Unterführung beginnt die nächste Obstallee, ebenso jung wie die von vorhin und ebenso bunt gemischt. Vorn an der Straße stehen dann einige erfahrene Verwandte, die schon richtiggehend Schatten spenden.

Kamillenversammlung am Kiefernfuß

Jenseits der Landstraße lässt sich mit Blick auf ein kleines Bachtal eine Fläche von Trockenrasen queren, der unter den Sohlen knirscht. Viele Stellen sehen aus wie die perfekt getarnten Nester der Feldlerchen, so dass wir extra vorsichtig gen Waldrand staksen. Im Sommer dürfte das hier eine illustre Blumenmischung sein, durchzogen vom Zirpen und Schwirren der verschiedensten Sechsbeinigen.

In einer kleinen Senke treffen wir auf erste Buschwindröschen, dahinter erinnert die Landschaft an einen weitläufigen Park. Mitverantwortlich ist der Grüneberger Graben, ein winziger Bachlauf, der im Oberlauf komplett trocken liegt, in Wiesengrund jedoch ein wenig Wasser führt. Auf platter Wiese folgt der Weg dem duftenden Waldrand und taucht bald ein. Weiter hinten ziehen zwei Kraniche ihre Kreise und haben bald ihren Platz gefunden.

Wiesengrund des Grüneberger Grabens

Da im Wald der Bachlauf trocken liegt, ist auch der begleitende Weg am Verblassen, gerade noch erkennbar. Das Verlassen des sicheren Hauptweges belohnt kurz darauf der Blick ins Detail, das bald größer und größer wird und für Herzensfreude sorgt. Über große Abschnitte ist der Talgrund bedeckt von weißen Anemonen, vereinzelt auch mit Waldsauerklee, dessen zarte Blüten mit ihren hauchdünnen Streifen wirklich hinreißend sind und irgendwie an Jugendstil denken lassen.

Da wir ohnehin am Boden rumkrauchen, finden sich auf Augenhöhe auch noch ein paar der selten anzutreffenden violetten Anemonen, die etwas so aussehen, als wenn Männer das erste Mal eine Waschmaschine mit überwiegend weißer Kleidung befüllt haben. So angefüttert bleiben wir auf dem verwitterten Weg am einstigen Bachgrund und verfolgen unterhalb jungen Buchenwaldes das kleine Spektakel über fast einen Kilometer. Es ist einfach herrlich. Und der ins Wasser gefallene Mittelgebirgsurlaub mit seinen reichen Blütengründen ein bisschen ausgeglichen.

Blütenpracht und Pollenschatten im trockenen Bachbett

Luisenhof

Ganz am Ende des Talgrundes finden zwei Wege zusammen und vergleichsweise normaler Wald übernimmt. Ein paar Minuten später öffnet sich nach links eine Hangweide, die nach Reh aussieht, jedoch für Pferde gedacht ist. Am Spielplatz des Luisenhofes zeigen benachbart zu einer dunklen Fichtenreihe alte Treckerreifen, wie sinnvoll und langlebig sie auch abseits des Ackers sein können.

Auf der Landstraße ist kaum was los. Drüben stehen in einsachtzig Abstand eine Radfahrerin und ein Autofahrer und werfen sich im Plauderton und mit gekniffenen Gegenlichtaugen die thematischen Wortgruppen hin und her, die wohl dieser Wochen zwischen den meisten Menschen ausgetauscht werden, ganz unabhängig von inneren und äußeren Merkmalen. Auch der Abstand dürfte jeweils ähnlich sein.

Der Große Lankesee bei Liebenberg

Weitaus interessanter als der Sichtkontakt zur eigenen Art ist der zum ansehnlich dahinter liegenden Wasser. Einige Meter tiefer schmiegt sich der Große Lankesee in die Landschaft, eine bewaldete Halbinsel ragt weit hinein, bis fast zu seiner Mitte. Von einer der zahlreichen Uferstellen, die sich für eine Pause oder mehr anbieten, fällt jenseits markanter Sandbänke der mondäne Hügel mit dem Seehaus in den Blick, von dem ein hübscher Pfad zum Gut Liebenberg mit seinem Schloss führt und dabei den Weißen See streift. Wem bei Liebenberg nicht als erstes der Weihnachtsmarkt einfällt, kann sich für den Dezember schon mal eine wohlwollende Notiz im Kalender machen – falls dann derlei Veranstaltungen mit gemütlichem Gedrängel wieder statthaft sind.

Uferweg am Großen Lankesee

Ein schöner Uferweg nimmt seinen Lauf, links vom kleinen Hang leuchten ein paar gelbe Anemonen herüber, und mitten auf dem See starten gerade spektakulär zwei Schwäne, mit allem Tumult, der dazu gehört. Die kleinen Wellen erreichen mit zartem Brandungsgeplätscher die Uferkante. Beim Eintritt in den Wald ändert sich der Charakter des Weges, bestimmt von manchem dichten Nadelgehölz. Ein Schilderbaum mitten im ansteigenden Wald verlangt Entscheidungen, die Tageskondition entscheidet für den Mittelweg, der in diesem Fall nach rechts führt, hin zum trockenliegenden Bruchwald des Moddersees. Abseits des Weges sprießt selbstbewusst saftig grünes Gras zwischen den Stämmen, oben in den Wipfeln jagen sich zeternd zwei Eichelhäher und im Schilfgürtel des Moddersees raschelt es.

Trockener Bruchwald am Moddersee

Zwischen breiten Eichen nimmt der Weg eine weite Kehre, die bei einem hüfthohen Gedenkstein endet. Von rechts blinzeln die silbernen Wellen des Papensees durch die Stämme. Der kleine Waldsee liegt unter einem Hang mit Fichtenwald, was insgesamt für eine schöne Stimmung sorgt. Von vorne kommen zwei weit ausschreitende Damen mit einem Hund. Eine der Damen spricht sehr laut über sie selbst Betreffendes, der Hund im Gegenzug verhält sich um so stiller. Doch der Ausgleich gelingt nicht, wir ziehen daher das nächste Abbiegen im Sinne schweigenden Waldes leicht vor und heben das vorausliegende Seeluch für den nächsten Besuch auf.

Gedenkstein nahe des Papensees

Zur Belohnung dürfen wir erleben, wie fünf Dutzend Rehe einen Steinwurf vor uns quer über den Weg jagen und dabei so viel Staub aufwirbeln, dass die Schwaden noch auf Gesichtshöhe verweilen, als wir die Stelle passieren. Es duftet nach aufgewühlter Erde. Noch zweimal sehen wir sie weiter hinten im Wald, und jedes Mal scheinen es ein paar mehr zu sein. Kurz darauf sind alle wie vom Erdboden verschluckt.

Hinter der nächsten Kurve liegt glänzend der Spiegel des Kleinen Lankesees, der im Vergleich zu seinem großen Pendant mitten im Wald liegt und etwas Wildnis ausstrahlt. Zunächst begleitet ein Pfad die Uferlinie, weicht bald als breiterer Weg einem Hügel aus und führt oberhalb einer schilfigen Bucht zu einer Reihe von Birken, die mit ihrem ersten Laub und dem zarten Gras am Boden für luftiges Licht sorgen.

Birkenlicht am Kleinen Lankesee

Bald übernimmt wieder tiefer Fichtenwald, der Weg steigt an und die Flanke zur Linken fällt erstaunlich steil ab. Ein Stück Weges ist samt Schilderbaum umzäunt, doch links kommt man auf einem Tierpfad vorbei. Hier nun beginnt so ein Wald, der perfekt ist fürs Versteckspiel – hohe Kiefernstämme, die auf einem welligen Teppich aus weichem Gras, Moos und Nadelboden stehen. Hier und da liegen Ansammlungen von Kienäppeln, die bei diesem Spiel durchaus verräterisch sein können. Mitten hindurch spurt im leichten Auf und Ab ein Grasweg, der eine sanfte Kurve an die nächste reiht und am liebsten nie aufhören soll. Das Licht ist diffus, der Boden unterm Fuß weich und ein Duft von Gras und Kien zieht mittendurch.

Vom Ende der kurvigen Linie ist es nicht weit zum Waldrand, dem sich mit freiem Blick bis zur kleinen Kapelle am Friedhof folgen lässt. Von hier aus sind vielleicht schon die neugierigen Köpfe von Straußenvögeln zu entdecken, die am Ortsrand ihrem Tagesgeschäft nachgehen. Mit dem markanten Wasserturm ist das Ziel im Blick. Das ist keinesweges selbstverständlich, denn dass dieses hübsche Relikt aus der Zeit der Dampflokomotiven noch steht, ist nur einem jungen Bahner zu verdanken.

Wiesiger Kiefernwald bei Neulöwenberg

Übrigens: 1912 wurde der Turm fertiggestellt, und im selben Jahr tat Kurt Tucholsky den Schritt vom Journalisten zum Schriftsteller und veröffentlichte sein Büchlein „Rheinsberg: Ein Bilderbuch für Verliebte“. Das verkaufte er, gemeinsam mit seinem Illustrator Szafranski, selbst in einer „Bücherbar“ auf dem Kurfürstendamm, unter Zuhilfenahme von Spirituosen – allerdings nur als Jux und nur für einige Wochen. Bedenkt man nun den zeitlichen Weg vom ersten Gedanken eines Autors bis zum gedruckten Buch, dürften Clärchen und Wölfchen diesem Turm wohl nicht begegnet sein. Und doch erinnert er irgendwie an sie, bis heute.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
Regionalbahn ab Berlin-Ostkreuz (ca. 0,75-1 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): B 96 (ca. 1-1,25 Std.)

Länge der Tour: ca. 19,5 km (ohne Löwenberg 14,5 km)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Ein Mann mit Wasserturm (MOZ-Artikel)

Einkehr: Straußenfarm Neulöwenberg
Zu den drei Linden, Löwenberg
Ralles Brutzelbude (Imbiss), Löwenberg
etwas abseits: Zu den drei Linden, Grüneberg

Grobskizziert – Birkenwerder: Krumme Wege, zweitausend Planken und die eiskalte Briese

Nach einer längeren Winter-Pause und zwei Berichten mit blasskalten Bildern wollte ich für den nächsten Text eigentlich auf einen Sonnentag warten oder wenigstens einen mit ein paar Farben zwischen all den Schattierungen von Weiß zu Dunkelgrau. Doch nicht ohne Grund gibt es das funktionale Wort eigentlich …

Bei Kolonie Briese

Die zweite Februarhälfte sorgte mit viel Sonne und frühlingsmilden Temperaturen für farbenfrohe Meere früher Blümchen und hat im Gefolge schon erste Heerscharen pelziger Sechsfüßer in schwarz-gelb aus Ihren Plattenbauten oder Erdlöchern gelockt. Somit ist niemand vor Entzücken gefeit, der vor einem aufgerissenen Krokus auf die Knie geht, dann Nase und Augen langsam in Richtung Blüte schiebt und fast schon als Regelfall beobachten darf, wie sich zwei Summende friedlich in einer Blüte drängeln. Ob solches Geschiebe ein Geräusch hervorruft, wird ein menschliches Ohr wohl nicht ergründen können, ob sich hingegen das Summen zweier Bienen summiert, dürfte oberhalb der Wahrnehmungsgrenze liegen und damit schnell herauszufinden sein.

Auch wenn in manchem alten Schlosspark die strahlend gelben Winterlinge ihre Blütenblätter zu edlen Kelchen formen, teils in wohnzimmergroßen Teppichen – am beliebtesten beim Sammelvolk sind aktuell die Krokusse, die sich willig darbieten und dabei fast zum Mercedes-Stern aufreißen. Die stehen etwas vereinzelter und sind daher vielleicht nicht so verwirrend wie die dichtgedrängten Gelben. Das Schöne bei dieser Geschichte mit den Bienen und den Blüten ist ja, dass wirklich alle Beteiligten etwas davon haben, zufällig Vorbeitrottende inklusive.

Die Briese mitten in Birkenwerder

Sobald sich aber eine Wolke vor die Sonne schiebt oder gar der ganze Tag bedeckt ausfällt, kehrt Ruhe ein, was Farben und Gesumm betrifft. So hat der März  begonnen, mit Wolken, etwas Sonne und auch ein paar Tropfen und tritt damit dämpfend auf die Bremse des vorauseilenden Frühjahrs. Gut so. Doch eben wieder kühle, blasse Bilder, keine Sonne, wenig Farbe.

Im Papenluch

Fährt man – mit oder ohne Sonne – von Berlins Mitte nach Norden in Richtung Oranienburg, besteht die Wahl zwischen zwei Optionen, was sowohl für die S-Bahn als auch für die Straße gilt. Entweder über die nördlichen Dörfer im Bezirk Reinickendorf, Stichwort Frohnau, oder eben die des einstigen Ost-Berlins, wo Blankenburg die letzte Station auf dem Stadtgebiet ist. In allen vier Fällen ist die Stadtgrenze nicht klar zu spüren, vollzieht sich der Übergang vom Städtischen ins Dörfliche sehr fließend.

Weg von der Ortsmitte zur Briese

Birkenwerder

Genau auf der Mitte zwischen den äußeren Ringen von Regionalbahn und Autobahn finden alle vier wieder zusammen, und eben hier liegt das großflächig angelegte Birkenwerder. Das Dorf muss ohne klassischen Ortskern auskommen, da alles, was ihn ausmachen würde, etwas verstreut und jeweils für sich liegt. Einzig das riesige Post-Gebäude steht gleich am Bahnhof und spannt mit der Touristen-Information und ein paar Hotels so etwas wie einen Kiez auf, jenseits der Bahnbrücke gibt es auch noch einen richtigen Bäcker und einen hübschen Park mit Spielplatz. Doch vom Bahnhof zum Rathaus und von dort zur Kirche sind es jeweils mehrere Minuten.

Kneipp-Anlage an der eiskalten Briese

Die Briese

Eben dort, zwischen Rathaus und Kirche, trifft man auf einen roten Faden ganz anderer Art, der Birkenwerder auf zauberhafte Weise prägt und von seltener Schönheit ist, gerade wenn man bedenkt, wie dicht besiedelt der Ort und wie nah die große Stadt ist. Die Briese kommt vom Wandlitzsee  daher und verplätschert bis zur ihrer Mündung ins Havelwasser keine 20 Kilometer. Doch in diese Kürze packt sie so unerhört viel Wildheit und Naturromantik, ist ihr Tal so reich an Abwechslung und Pfadigkeit, dass es pure Verschwendung wäre, dieses Bächlein in einem Ritt abzuschreiten. Nach der Hälfte wäre das verarbeitbare Maß an Eindrücken voll, die Wahrnehmung würde auf Durchgang schalten und jede weitere Viertelstunde im Briesetal als Doppelung verbuchen.

Briese auf dem Weg zur Mündung

Die meisten Leute, die gern draußen sind, werden die Briese kennen, nicht zuletzt der guten Erreichbarkeit wegen, und so ist es oft voll auf den Wegen, muss überholt und ausgewichen werden und die Naturromantik ist zu teilen. Wie bei allen Schönheiten und Besucherzielen im Lande relativiert sich das mit zunehmender Entfernung vom nächsten Parkplatz, doch wer dieses verschwiegene und ursprünglich anmutende Bachtal wirklich still erleben möchte und möglichst nur Naturgeräuschen lauschen, ist mit grauen oder kalten Tagen gut beraten, die möglichst nicht mit S beginnen.

Spreewald-Referenz unweit der Havel

Während das mittlere Briesetal in seiner ausgedehnten Waldpassage zwischen Zühlsdorfer Mühle und Borgsdorf fern von Siedlungen in seiner eigenen Romantik schwelgt und die einzigen Anflüge von Infrastruktur zwei Landstraßen und ein Forsthaus mit wochenendlichem Imbissangebot sind, ist es damit im dicht bebauten Ortsgebiet von Birkenwerder keineswegs vorbei. Mitten durch die Siedlungsviertel ziehen sich unzählige Plankenpfade über nassen Grund, die oft nur wenige Minuten kurz sind und dennoch vergessen lassen, dass man sich mitten in einer Ortschaft befindet.

Bruchwald am Mönchsee

In diese Stege und auch all die anderen Uferwege wurde in jüngerer Zeit viel Geld und Mühe gesteckt, und so sind sie sowohl schön als auch dauerhaft und können selbst auf kleinsten Spaziergängen in eine eigene Welt entführen. Dank zahlreicher Brücken steht ein regelrechter Modulbaukasten zur Verfügung, der beliebige Kombinationen der Vielfalt dieses Bachlaufes gestattet. Inklusive des Zuweges vom Bahnhof wird schon ein halbstündiger Spaziergang zum kleinen Erlebnis, inklusive Uferpfad, Kneipp-Tretstelle und Wasserfällchen. Bei jeweils einer Viertelstunde Erweiterung kommen auf kurvigen Wegen spreewaldartige Wasserlabyrinthe, verwunschene Bruchwälder oder kleine Moorseen hinzu.

Uferweg am Boddensee

Die sonst eher dünn gesäten Plankenpfade, über die man sich im Harz oder der Rhön, auf dem Darß oder an der Müritz stets besonders freut, sind hier schon fast die Regel und verleiten dazu, den Weg bereitwillig Stück für Stück zu erweitern. Wer schließlich den Boddensee mit seinen terrassierten Grundstücken in Hanglage umrundet hat, kann direkt hier vornehm einkehren und entlang der Gleise zurück zum Bahnhof schlendern oder noch um eine ganze Stunde verlängern.

Nördlich der Autobahn wird es nach wenigen Minuten wieder still. Schon bald lässt die Briese jeden Besucher tief in die Natur von Mooren und Feuchtwäldern eintauchen, zeigt bald im ausgeprägten Tal ihr Waldgesicht. Ging es in Birkenwerder noch glatt und eben zu, werden jetzt auf wurzligen und windschiefen Uferpfaden die Balance und auch die Griffigkeit der Sohle herausgefordert.

Weg entlang des Papenluches

Briese

Wenn Laub an den Bäumen ist und der Kalender Wochenende zeigt, gibt es als Belohnung eine gemütliche Einkehr im Imbiss Briesekrug, der alles bietet, was ein Mensch im 21. Jahrhundert zum Überleben braucht. Direkt gegenüber besteht im herzallerliebsten kleinen Klettergarten ein attraktives Konkurrenzangebot in Form von Waffeln und Kaffee. Ganz nebenbei lassen sich hinreißende Szenen rein analoger kindlicher Freude beobachten, oben in den Seilen.

Brücke über die Briese, bei Kolonie Briese

Wer auch hier nicht von der Briese lässt und weiter bachaufwärts geht, läuft Gefahr, noch eine halbe oder ganze Stunde dranzuhängen, denn sämtliche Pfade locken überzeugend. Doch alle paar Kilometer gibt es Querungsmöglichkeiten und Uferwege stets auf beiden Seiten, so dass niemand denselben Weg zweimal gehen muss.

Alles, was der Mensch zum Leben braucht

Der Weg von Briese nach Birkenwerder und zum Bahnhof wirkt nach den intensiven Wahrnehmungsreizen vergleichsweise sachlich, auch wenn ein Wiesenpfad die kleine Straße begleitet. Nach der Autobahnbrücke gibt es zur Zerstreuung einige schöne Villen und großzügige Grundstücke zu beschauen, und kurz darauf ist auch schon der Bahnhof zu sehen.

Die Briese im ausgeprägten Tal

Wann auch immer man zum Briesetal reist, lässt sich eigentlich wenig verkehrt machen. Viel geboten wird mit Sicherheit, solange der Fluss am Fließen ist. Die Regler für Lichtstimmungen, Klänge und Düfte, für Fauna und Flora und jene für den Publikumsverkehr muss jeder nach seinem Geschmack bedienen und dementsprechend für Monat oder Tageszeit entscheiden. Und dann bald wiederkommen, in der nächsten Jahreszeit.










Anfahrt ÖPNV (von Berlin): mit der S-Bahn nach Birkenwerder (wahlweise über Frohnau oder Pankow)(ca. 45 Min.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über die B 96a oder die B 96 (ca. 45 Min.)

Länge der Tour: ca. 14 km (Abkürzungen variantenreich möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Der östliche und mittlere Teil des Tales

Birkenwerder

Einkehr: Ratskeller Birkenwerder, im Ort
Briesekrug, Kolonie Briese (nur am Wochenende)

Baumgarten: Fünf Seen, der beredte Hungerturm und ein Schloss hinter Gittern

Der Monat, der seine alljährlichen Tage wie kein anderer mit Gelb- und Goldtönen zelebriert, ist so gut wie da. Der September hat ihm den Weg geebnet, auch wenn alles ein wenig mit heißer Nadel gestrickt war – nur wenige Augenblicke vor dem kalendarischen Herbstanfang fand die monatelange Sonnenglut mit kurzem, doch effektreichem Krawall ihr Ende und bewirkte einen Temperaturrutsch von 30 auf 14 Grad binnen einer Spielfilmlänge.

Am Südufer des Huwenowssees

Aus tropischen Nächten wurden frostige, während luftige Strohhütchen dünnen Kopfstrümpfen wichen, die jede Unebenheit des Schädels ehrlich abbilden oder jeglichen  Spiegelaufwand des zeitigen Tages zunichte machen. Die Bekleidungsszenarien von frühem Morgen und spätem Nachmittag bieten massive Kontraste, lassen die eine morgens frieren und den anderen nach der Arbeit schwitzen und liefern aufmerksamen Beobachtern manchen Anlass zum Grinsen. Erkältungen und volle Wartezimmer sind vorprogrammiert, so dass die tägliche Dosis Tee aus guten Kräutern oder scharfen Knollen ab jetzt eine Überlegung wert ist.

Auch tagsüber ist die Luft stellenweise schon so frisch, dass sogar die Sonnenmüden bereits wieder den Schatten meiden und den Simultankontrast aus kalter Luft und warmen Strahlen aufrichtig genießen. Hinzu kommen die Farben und Düfte von Laub und erdigen Äckern sowie den reichlich gefallenen Früchten von Obst- und Waldbäumen. Damit nichts vom Beschriebenen zu kurz kommt, empfiehlt sich für diese Tage eine runde Mischung aus sanfthügeligen Feldern, laublastigem Wald und klassischen Brandenburger Seen.

In Meseberg zwischen Schlossparkmauer und Obstwiesenzaun

Eine besonders reiche Auswahl findet sich im Ruppiner Land oder grob gesagt zwischen Neuruppin, Rheinsberg und dem immer wieder besonders schönen Städtchen Lindow, das von zwei edlen Seen kontaktfreudig umworben wird. Von dort ragt über den Wutzsee hinaus noch ein inoffizieller und vollwertiger Ausleger dieser Landschaft bis hinüber nach Gransee, das landschaftlich schon eher havellastig ist.

Waldrandweg östlich von Meseberg

Wer in Lindow eine Pause einlegt, läuft Gefahr in dem pittoresken Erholungsort hängenzubleiben. Gut verteilt gibt es hier viel zu Entdecken, dazwischen finden sich zur Genüge gastronomische Angebote an schönen Orten, und der etwa zweistündige, in keiner Weise eintönige Weg um den Wutzsee ist ein Klassiker im besten Sinne. Zudem bedarf er keinerlei Vorbereitung und verspricht gemeinsam mit dem Besuch des Städtchens fast garantiert einen schönen Tag.

Kirche in Baumgarten

Baumgarten

Wer es geschafft hat, Lindow mit seiner gütig-schelmischen Nonne im See zu verlassen, kommt durch Keller nach Baumgarten. Zwischen fünf Seen liegt das Dörfchen und bietet mehr als eine Handvoll Varianten, die gewünschten Sinneseindrücke in einem Zeitraum zwischen dreißig Minuten oder mehreren Stunden zu genießen. Die Minimalvariante wäre es, dem urigen Waldweg entlang eines Bächleins hinab zur Badewiese zu folgen und dort beliebig lange von einer der Bänke oder einer Picknickdecke aufs Wasser zu schauen. Vielleicht mit frischem Brot, Käse und Heißem oder Kaltem in der Flasche. Am anderen Ende der Messlatte lockt der Gedanke, keinen der fünf Seen unberührt zu lassen und dafür am Abend entsprechend breiter gefächerte Impressionen mit nach Hause zu nehmen. Sollten unterwegs doch Bedenken erwachen, gibt es ausreichend Möglichkeiten zum Abkürzen, und jedes Segment für sich hat ausreichend Schönes zu bieten.

Zwischen den Seen bei Baumgarten

Die Gaststätte in Baumgarten gibt es schon seit ein paar Jahren nicht mehr, dafür schräg gegenüber den Hungerturm. Durch die Essenluke werden Kaffee und Kuchen gereicht oder wahlweise auch ein kleiner Mittagstisch, dazu bei Wunsch etwas Schnack mit den Wirtsleuten. Offen ist, wenn offen ist, und am Wochenende stehen die Chancen meist gut. Zum Kaffee gibt es noch ein paar Empfehlungen für Ganztagesfußgänger, und gleich nach dem Queren des genannten Bächleins geht der Weg schon in die Vollen. Begleitet wird er von schwarzlastigem Bruchwald, der trotz der endlosen Dürre noch etwas Matsch und Wasser hat und also etwas Morgenkühle übrig. Das begleitende Dölschfließ findet im nahen Seenpaar seinen Anfang und steht nach Information von Einheimischen über den Rhin in direkter Verbindung mit der Hansestadt Hamburg, von wo es ja auch nicht mehr weit ist zu den Weltmeeren.

Am Talgrund des Lindower Rhins

Zwischen den Seen sitzt also ausreichend Wasser im Boden und lässt alles, was hier wächst, besonderes saftig aussehen und entsprechend duften. Nach rechts glitzert zwischen den Stämmen der Kirchsee hindurch, der als Baumgartener Haussee gelten kann und in der Tat direkt unterhalb der Kirche liegt. Von Norden kommend sollte sich so ein besonders gefälliges Dorfbild ergeben. Der Salchowsee ist mit seinem breiten Ufergürtel nur zu erahnen, doch dafür hat er eine kleine Insel, die der erforderlichen Phantasie etwas Spielraum gibt. Die Erlen übergeben an Robinien und diese bald darauf ans offene Feld, das am alleedurchbrochenen Horizont so einige Kirchtürme erahnen lässt.

Wiesiger Talgrund des Lindower Rhins

Nach etwas stiller Landstraße beginnt eine urige Allee, die gesäumt ist von windschützendem Buschwerk und teils uralten Robinien mit einer Rinde, in deren tiefen Furchen man Schokoladentafeln verstecken könnte. Hinter der Landstraße übernimmt dann flächiger Wald, mal mit Fichten, dann wieder mit Robinien und zuletzt mit Eichendominanz. Überhaupt ist an Waldesstille noch immer nicht zu denken, denn alle paar Sekunden knallt oder huscht es im Unterholz. Eine Weile dauert es, bis große oder kleine Tiere sowie Vögel aus dem Verdacht geraten und man darauf kommt, dass es die Eicheln sind, die nach mehreren Sekunden freien Falls auf grüne glatte Blätter am Ast oder braune kruschlige am Boden knallen, teils über Bande.

Bruchwald kurz vor dem Huwenowsee

Entlang des Lindower Rhins hat sich hier im dichten Wald der Baumgartener Heide ein saftiger Wiesengrund geöffnet, der ein wenig an den des Stobberbaches in der Märkischen Schweiz erinnert, östlich der Pritzhagener Mühle. Mal ist er breiter, dann wieder tailliert, und fast immer ragen vom Waldrand her ausladende Eichenarme hinein soweit es geht und fischen dort nach Licht, so scheint es.

Buchenreicher Uferweg am Huwenowsee

An einer besonders offenen Stelle steht am sanften Hang ein großkroniger Apfelbaum und hat scheinbar im Affekt all seine Früchte abgeworfen. Groß und rund und gelb liegen sie dicht an dicht in der Wiese und sind kaum angebissen oder faulig. In der Tat schmeckt dieser Apfel extrem sauer und zugleich bitter, wie man es selten unterm Gaumen hatte. Nix zum Runterschlucken, doch gut geeignet für Grimassen, und so sehen es wohl auch die Tiere auf ein bis zwei Beinpaaren und selbst die Würmchen.

Blick auf den Huwenowsee

Die Waldstraße von Baumgarten quert den langsam fließenden und glasklaren Lindower Rhin, gegenüber führt ein schmaler Pfad durch dichtes Kraut und hohe Hopfenskulpturen. Am Hang des feuchten Grundes deutet sich schon der Buchenwald an, der die nächste Stunde Weges spektakulär begleiten soll. Nach dem Abzweig zur Baumgartener Badewiese gewinnt er an Deutlichkeit und lässt oben ein helles, weites Land erahnen, direkt hinterm oberen Rand. Gleich darauf beginnt der im Wald eingesenkte Huwenowsee, der offenbar Freude an gekrümmten Uferlinien hat und fast rundum von steilen Waldhängen umgeben ist. Ausnahmen bilden hier nur der Austritt des Lindower Rhins und nach Süden hin ein flacher Wiesengrund, der ebenso saftig grün ist wie der vorhin und weit ins angrenzende Land vernetzt.

In Meseberg am Schloss

Der gediegene und großzügige Uferweg umschifft im Spielraum seiner Breite so manchen dicken Buchenstamm oder aufgeworfenes Wurzelwerk vom letzten Sturm und hat alle paar Minuten eine gute Stelle für einen Wassergang zu bieten. Fast schilffrei ist das Ufer, das Wasser klar und der Boden unter Wasser meist von diesem weichen, kühlen Sand, wie er für die Gegend charakteristisch ist. Das Gegenufer ist nur zweihundert Meter entfernt, und so wird es in warmen Zeiten manchen locken, ohne viel Aufwand und Heldenmut einen See zu durchschwimmen.

Für die zwei Kilometer sollte man ruhig einen Gang runterschalten und genießen, denn es ist eine von diesen Passagen, wie sie diese Gegend zwar vielerorts zu bieten hat, die jedoch immer ganz besonders bleiben. Niemals gewöhnlich und nie normal, auch wenn es für märkische Verhältnisse Stubekammerküche ist. Touristen aus Übersee könnte man diese Passage sicherlich als den sagenumwobenen Stechlin verkaufen, mit dessen Ufern sie locker mithalten kann.

Zwischen Mauer und Zaun im Meseberg

Die Buchenfüße sind bisweilen so gewaltig und nachgerade modelliert und ausgeformt, dass sich zwischen ihren Zehen kleine Vogeltränken bzw. –badewannen befinden. Zwischen den Stämmen treten hin und wieder Rinnsale aus, teils eisenhaltig, die es zwischen Quelle und Mündung kaum auf 15 Meter bringen. Doch der Bezug zu Hamburg und dem Ozean gilt auch für sie – falls das von Belang ist für so ein kurzes, sorgenfreies Sal, das dem See ja ebenso taufrisches Wasser zuführt wie jedes Bächlein von größerem Format.

Eichenruine am Rand von Meseberg

Hier und da sitzen Angler am Ufer, die dank ihrer Kleidung fast im Ufergrün verschwinden und deren versteinerte Buckel ausdrücklich um Ruhe bitten, wenn Plappervolk mit Rucksack passiert. Kurz vor Meseberg dann zieht am Hang ein groß angelegtes Rondell aus jungen Bäumen den Blick an. Dezentral steht darin kleinlaut und unfertig ein kleiner Tempel, ein Mausoleum für zwei historische Leute mit Bezug zu Meseberg.

Oben dann ist endlich der Blick von der oberen Hangkante möglich, der zum Wasser hin eine ordentlichen Seesicht bietet, ins Land hingegen eine kürzlich angelegte Streuobstwiese. Umgeben ist sie von einem dieser schönen Zäune, die scheinbar aus handgeschnitzten Stecken und Draht zusammengeknibbelt wurden und an denen nichts gerade, einheitlich oder wiederholend ist. Das eben macht sie so charmant, und der Kenner weiß, dass das auch seinen Preis hat. Gut angelegtes Geld, denn bei jedem Anblick wird man sich aufs Neue freuen.

Schloss Meseberg

Meseberg

Ferner sind Augenschmeichler hier besonders willkommen, denn direkt gegenüber die Mauer und der stabile, elegante Eisenzaun hegen das Schloss Meseberg ein. Das exklusiv überm See gelegene Anwesen mit seinen französisch geprägten Parkanlagen ist gewissermaßen eine der guten Stuben der Bundesregierung und die ländliche Alternative zum Schloss Bellevue, das im Herzen Berlins direkt an einem Spreenbogen liegt. Wenn es in Meseberg den größten Teil des Jahres ganz besonders still ist, so gibt es auch Zeiten, wo großer Bahnhof und Hochsicherheit für Unwägbarkeiten und Helikopterlärm sorgen und man das Dorf umgehen sollte, möglichst großräumig. Ein aktueller Blick in die Zeitung kann also nicht schaden, wenn eine Tour in dieser Gegend ansteht.

Heute ist einer von den überwiegenden Tagen, den stillen. Die kräftige Septembersonne wird von eindrucksvollen und ausufernden Wolkengebilden in unregelmäßigen Abständen in die Schranken gewiesen und taucht das Dorf in wechselnde Szenenbilder aus Licht und Schatten. Gegenüber des Friedhofs werden musikalische Vorbereitungen auf die anstehende Jagdsaison getroffen, die mit vielkehligem Gesang und goldglänzendem, wetterfesten Blech zu tun haben. Vorn im Dorf hält jemand Fleißiges mit seiner Kreissäge dagegen, was manchmal zufällig zu Harmonien führt. Ein musikfühliger Hofhund protestiert kurz mit überschlagender Stimme, und kurz darauf kehrt wahrhaftig Ruhe ein von allen Seiten. Ist es vielleicht Punkt eins?

Waldrandweg östlich von Meseberg

Die Flucht der gemütlichen Dorfstraße führt den Blick direkt mittig auf das Schloss, während die Straße selbst sich etwas sträubt und lieber der kleinen Dorfkirche einen sanften Schwenk zubilligt. Hinter der Kirche liegt der Dorfkrug, sehr willkommen jetzt. Die beiden Schirme sind so groß, dass sie vermutlich nur einmal im Jahr aufgespannt und im späten Herbst wieder zugemacht werden, denn dafür muss das rustikale Mobilar komplett weg. Stabil genug für jeden Sturm dazwischen sehen sie aus. Hier ist jetzt ein herrlicher Platz für eine ausgedehnte Pause, mit Blick zu Kirche und Schloss und allem, was so auf der Straße vor sich geht. Die Hälfte aller vorbeitrottenden Autos tragen ferne Kennzeichen, viele von ihnen sind geliebte Oldtimer auf tiefenentspannter Schönwetter-Ausfahrt.

Gegenüber fällt zwischen Dächern und großen Lindenkronen ein intensiver Sonnenfleck auf die Wiese, über dem sich hunderte kleine Flügler tummeln, solange die Wärme da ist. Sorgt eine Wolke für Schattenwurf, ist gar kein Schwirren mehr, um beim nächsten Strahl wieder in Gänze und alter Form da zu sein. Leute kommen und gehen, je nach Altersklasse wählen sie den gut geheizten Innenraum oder die Bänke an der frischen Luft und lassen sich das hervorragende Essen schmecken.

Waldrandweg mit Mittelgebirgsblick

Eine kleine Runde ums Dorf belohnt neben einer mühelosen Handvoll Walnüsse mit einem Wiesenblick auf das Schloss und seine nicht minder schönen Nebengebäude, führt dann vorbei an einer Eichenruine, die sicherlich gut ist für verschiedenste Geschichten. Nach höllisch lautem Gänsegeschnatter verlassen wir das Dorf auf einer ansteigenden Pflasterstraße. Nach dem letzten Haus beginnt rechts ein zauberhafter Weg über die wogenden Felder, der sich in einigen Schwüngen zum Waldrand hinüberhangelt. Von dort schaut man auf Meseberg hinab und hat danach einen der schönsten Waldrand-Kilometer vor sich, die Brandenburg zu bieten hat. Wie über den Wäldern eines Mittelgebirges nimmt der Weg mehrere Wellen mit, und auch hier bilden wieder gewaltige Eichen mit ausladenden Armen die Wächter des Waldes, der im Innern allerlei Kiefern untermischt. Auch hier sollte man langsam gehen und ausgiebig genießen.

Unten quert ein stilles Sträßchen. Zwei Radfahrer mit daumendicker Bereifung biegen auf den Asphalt ab und sind sichtlich froh, wieder unverkniffen fahren zu können. Bis zur Badestelle ist der Weg noch breit und führt dicht am tiefen Bruchwald entlang, der eine Umrundung des Großen Dölschsees etwas größer ausfallen ließe. Ab hier wird der Uferpfad verspielt und vielfältig und erklärt nun die Freude der Radler über glatten Untergrund. Zu Fuß ist es ein Traum, wenn auch sich nur selten ein Blick auf den See öffnet, ebenso rar sind Badestellen. Die Wasserfläche liegt schon abendlich geglättet und jede ziehende Ente hinterlässt eine langwährende, meditative Spur. Aus der Ferne ist ein Kranichpaar zu hören, nicht das erste Mal heute. Ansonsten ist hier absolute Ruhe, keine Eichen hier im Wald.

Am Großen Dölschsee

Ein Brücklein erlaubt den Durchgang zwischen den beiden Dölschseen, und am kleineren von ihnen beginnt nun der abschließende Kilometer des Tages. Durch einen letzten Bruchwald erreichen wir den Rand von Baumgarten, das ganz klassisch über „das Hochhaus am Rande der Stadt“ verfügt, so klein, wie es ist. Gleich dahinter an der Kirche lockt ein kleiner Stichweg zum Ufer des Kirchsees. Doch heute ist den Schönheiten des Tages wirklich nichts mehr hinzuzufügen. Nicht einmal in Lindow.

 

 

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): von Berlin-Gesundbrunnen Regionalbahn nach Gransee, dann mit dem Bus nach Baumgarten oder Meseberg (nur Mo-Fr, ca. stündlich)

Anfahrt Pkw (von Berlin): Landstraße über Löwenberg (B 96), wahlweise kleinere Straßen über Lindow (Mark)

Länge der Tour: ca. 16 km (Abkürzungen vielfach möglich)

Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Rundwanderweg Huwenowsee

Faltblatt Meseberg-Gransee (PDF)

Geschichte des Schlosses Meseberg

Einkehr: Imbiss am Trafoturm in Baumgarten (schräg ggbr. der alten Waage), keine festgelegten Öffnungszeiten, ggf. an der Glocke läuten

Dorfkrug Meseberg (sehr gute Küche, gemütlich, freundlich)

Schlosswirt, Meseberg (gehobene Gastronomie)

Kremmen: Das Scheunenviertel, der Strand im Luch und ein Lama unter Schafen

Der September ist langsam in Fahrt gekommen, und zaghaft hat ein noch schmächtiger Herbst ein Stück der Klinke ergriffen, deren größten Teil noch die riesige Pranke des diesjährigen Sommers vereinnahmt. Zu spüren ist die bunte Jahreszeit schon in ersten Düften und dem Rascheln einiger gefallener Blätter, im tiefen Licht der nachmittäglichen Sonne und der umgehend aufkommenden Kühle, wenn sie dann versunken ist und Ruhe gibt. Werden noch mehr Wahrnehmungs-Reize gebraucht, kann man sie fast überall im Lande finden. Wer dabei im Speziellen auf intensives Rauschen hochgewachsener Pappeln und das Tönen mannshoher Vogeltiere aus ist, kann in fast allen Himmelsrichtungen fündig werden.

Im Scheunenviertel, Kremmen

Besonders gut und mit enorm viel Platz und Weite geht das in dem ausgedehnten Luchgebiet, das sich zwischen Dosse, Rhin und Havelland aufspannt, schier grenzenlos, doch nur begrenzt durchdringbar. Alle paar Minuten quert ein Wasserarm, was im Kartenbild für ein filigranes Aderwerk in blau sorgt, und das Gesamtnetz aus allen diktiert abgezählte Möglichkeiten für solche, die hier ausschwärmen wollen. Das Prinzip von Versuch und Irrtum empfiehlt sich dabei nur Leuten, die ohne Murren demselben Weg zurück folgen. Für alle anderen hilft die gute alte Papierkarte schlechte Laune zu vermeiden, da sie den Radius einer Tagestour auf einem Blick zeigt.

Ringstraße in Kremmen

Kremmen

Eines der wenigen Städtchen direkt am Luch ist Kremmen, das den bis hinter Kyritz reichenden Luchbogen im Südosten eröffnet. Für eine Runde in die Weiten der wasserreichen Landschaft gibt die Stadt einen charmanten Kontrast. Kremmen hat wie Teupitz, Zossen oder Wusterhausen einen klassischen Marktplatz, der zu den gemütlichsten im Land Brandenburg zählt. Das überschaubare Geflecht der Straßen und Gassen füllt gemeinsam mit Markt- und Kirchplatz einen Außenring. Möglich sind mehrere Varianten eines Rundgangs, deren längste etwa zwanzig Minuten füllt.

Bootshaus am Kremmener See

Etwas abgeschlagen und sinnfällig in sicherem Abstand vor den Toren der kleinen Stadt hat Kremmen noch eins der größeren Scheunenviertel, in dem kaum ein ungenutztes Gebäude auf eine neue Bestimmung wartet. Gastronomie verschiedener Preisklassen gibt es hier und Läden mit besonderen, gern auch kostspieligen Sortimenten. Auch eine Kleinkunstbühne mit dem schönen Namen „Tiefste Provinz“ findet sich hinter einem der enormen Tore, die teils auf Rollen laufen, teils ganz klassisch per Scharnier und daher raumgreifend und mit großer Geste zu öffnen sind. Die leicht archaische Gemütlichkeit des gesamten Viertels gilt für jede einzelne der Scheunen, egal ob astrein sandgestrahlt oder noch mit Bröckelputz.

Weg ins weite Kremmener Luch

Scheunenviertel und Marktplatz sind gleichermaßen schön, um von hier loszugehen, wobei die späte Vormittagssonne auf den ausladenden Scheunenfronten mehr Raum für Lichtspiele findet als auf dem schmalen Markplatz. Kommt man vom Bahnhof her, liegt auf jeden Fall das Scheunenviertel näher, da quasi auf dem Weg. Der sonnige Tag belohnt heute gleich drei Paare, die sich auf die stabile Wetterlage des frühen Septembers verlassen haben, und die anreisenden Hochzeitsgäste dürften zuallererst vor der Herausforderung stehen, die Festlichkeit zu finden, zu der sie auch geladen sind.

Die erste Kneipe ist auch schon offen und nutzt die lange Vorglühzeit bis heute abend, wo die 12. Kremmener Kneipennacht die Stadt behutsam schütteln wird. Ein paar Biker sitzen auf den klobigen und wetterfesten Bänken, die vermutlich aus gefallenen Pappeln der Region zurechtgeschnitten wurden, mit Sägeblättern, groß wie Traktor-Reifen. Dazwischen ein paar verfrühte Hochzeitsgäste, die noch die Ruhe vor dem Sturm genießen, und eine Handvoll Wanderer in viel zu warmen Jacken.

Neue Obstbäume bei Dorotheenhof

Ein paar Tore weiter öffnet gerade der Hutverkauf, wo es schöne und langlebige Hüte vom völlig anderen Ende der Welt zu kaufen gibt, deren Name in vielen Köpfen die kindgerechte Melodie vom Buschkänguruh wachrufen wird. Gleich gegenüber gibt es exklusive Antik- und Handwerksartikel, die zum Teil in eine Hosentasche passen, zum Teil einen Kleintransporter erfordern. Zwischen all dem schlendern, catwalken oder irren hochelegante Herren, vor allem aber Damen in den allerschönsten Kleidern bis hin zum offentsichtlich kalkulierten Risiko, der Braut die Schau zu stehlen, und zwar keineswegs dezent.

Entlang gediegener Gärten ist bald die Berliner Straße erreicht, wo am Markt ein ausnehmend schönes Bäckercafé in mehreren Einrichtungskapiteln zur ersten Pause lockt, fast unverhandelbar. Auch draußen gibt es schöne Plätze, mit direktem Blick auf das beschauliche Kommen und Gehen auf dem Markt, später einmal soll es auch hinten auf dem Hof noch welche geben. Besonders zu empfehlen zum Gebäck ist die heiße belgische Schokolade. Die gibt es wahlweise in blond, braun oder schwarz, und jede von ihnen erfordert etwas spielerische Eigeninitiative.

Ringstraße in Kremmen

Schräg gegenüber, gleich links vom Kaufhaus, quert der Burgweg und schlägt seine kleinen Bögen um die Stadt, vorbei an einem durchaus ansehnlichen Dächermeer. Spätestens in der Neuen Kietzstraße wird keiner reglos bleiben, der gerne Bilder mit nach Hause nimmt – hochgewachsene Blumenstämme und kleine Bäume, farbenfrohe Fassaden und klassische Laternen sorgen für einen pittoresken Anblick, der vom Straßenpflaster noch perfekt gemacht wird.

Nach einem Abstecher zum dörflich wirkenden Kirchplatz und ein paar Schwenken führt die Straße der Einheit schnurgerade vom Stadtkern weg, vorbei am Sportplatz und der Schule. Nach dem Queren der Hauptstraße sind es auf dem Storchenweg nur wenige Meter, bis man ohne Übergang direkt vor der märkischen Weite steht, umgehend den freien Blick genießen kann. Vom Luch her weht der kräftige Wind schon eine Ahnung von Kranichrufen herüber, die vorfreudig stimmt und das Herz ein wenig hüpfen lässt, denn das gab es lange nicht zu hören. Unüberhörbar ist aus einem der Gärten das Schnattern einer Horde Gänse, die sich nach kurzer Neugierphase alle nach Norden ausrichten und versteinern, als wir zu lange gucken. Also weiter.

Am Rand des Bruchwaldes

Noch nie vom Kremmener See gehört zu haben ist wohl keine Schande, denn wer würde mitten im Luch Seen erwarten, abgesehen von den südlichen Großkalibern der Neuruppiner Seenkette, den modelschönen. Und eigentlich ist der Kremmener See, den es gleich zweimal gibt, auch nur eine Ausbuchtung des Kremmener Rhins beziehungsweise zwei. Der westliche der beiden ist von Land her faktisch nicht erreichbar, dafür hat der östliche sogar ein Bad mit kleiner Seebrücke und eine herrschaftliche Insel für die nächste Hochzeit.

Bootshäuser und Rastbänke am Kremmener See

Kremmener See

Hinter den letzten Häusern quert ein stilles Sträßchen, das durch eine hochgewachsene Allee und einen blätterdichten Bruchwald direkt zum Ufer des genannten Sees strebt. Am Parkplatz verlassen Gäste ihre vornehmlich weißlackierten Wagen und sind besonders darauf bedacht, sich keine Stelle ihrer Garderobe zu beschmutzen, hier in der Wildnis, in der staubigen Sackgasse. Auf der kleinen Insel, die über zwei kleidsame Stege zu betreten und verlassen ist, wurde vor einem weißen Pavillon die Bestuhlung aufgebaut für alle jene, die sich bald darauf Tränen der Rührung aus dem Augenwinkel tupfen werden. Es gibt ja viele besonders schöne Orte, sich einander verbindlich anzuvertrauen, doch das hier dürfte wirklich einer der allerschönsten sein. Kostenlos dazu gibt es ausreichend Schwäne mit mustergültig gebogenen Hälsen und absolute Mückenfreiheit.

Seebrücke am Badestrand

Nur um diesen Platz zu sehen, die Insel mit dem Pavillon, die Brücklein und das Festhaus auf weißen Stelzen, hätte sich der Weg gelohnt, doch gibt es noch weit mehr. Hinter dem Inselchen liegt der wohl einzige Strand direkt im Luch, und außerhalb der kalten und dunklen Zeiten bekommt man hier Getränke und auch ein kleines Imbissangebot. Besonders an diesem Platz sind der zutiefst beruhigende und wunderschöne Ausblick auf den See sowie die verschiedenen Optionen, sich einen Platz zu suchen. Direkt am Kiosk gibt es schöne Plätze, doch auch direkt auf der Seebrücke und sogar ganz hinten auf der kleinen Aussichtsplattform, wo man quasi schon im See sitzt.

Kremmener See

Ein Kutterchen gibt dem Bild den letzten Schliff, steht zum Verkauf und wird hoffentlich genau dort seinen Liegeplatz behalten. Vom See her weht die schönste Luft, verfeinert mit den Düften von Wasser, Schilf und einem Hauch Morast. Gebadet wird noch nicht am Strand, denn heute ist einer der kühleren Tage, doch gerade werden zwei Untersätze fürs Stehpaddeln aufgeblasen. Im nächsten Jahr soll es hier neben dem Badebetrieb auch Bootsverleih und Liegeplätze geben.

Uferpfad am Ruppiner Kanal

Hier auf dem Steg könnte man jetzt stundenlang so sitzen, einfach gucken und immer wieder etwas anziehen, dann wieder aus, denn Wind und Wolken geben sich verspielt. Doch lockt das eigentliche Ziel des Tages immer intensiver, also reißen wir uns los, als die Stehpaddler das Bild verlassen haben, trotz starken Windes ohne Absturz. Am Ende der Badewiese, wo der See sich zum Ruppiner Kanal verengt, folgt ein frisch gemähter Uferpfad der Wasserkante. Am Rand des Bruchwaldes steht der Hopfen zum Besten und verleitet dazu, einmal eine der blättrigen Früchte zwischen die Finger zu nehmen, aus denen sich bei Bedarf so schöne Durstlöscher brauen lassen. Auf Fußhöhe sind allerhand Frösche unterwegs und verabschieden sich mit einem flachen Sprung ins Wasser, ohne sich dann nochmal umzudrehen.

Birkenreihe am Stichgraben

Durch den Bruchwald führt ein schnurgerader Weg zurück zum Parkplatz. Das Feuchtland liegt trocken diesen Sommer, und ein vergangener Naturlehrpfad macht mit allerletzten Spuren auf sich aufmerksam. An den Bootshäusern bieten sich gleich mehrere Pausenplätze an, wahlweise etwas erhöht in einem Pavillon oder auf einer Ringbank unter einer wehenden Trauerweide. Alle Hochzeitsgäste sind mittlerweile eingetroffen und haben auf der Insel ihren Sitzplatz gefunden. Die salbungsvolle Stimme der Standesbeamtin lässt noch auf sich warten, so dass etwas umhergerutscht wird und auf die Uhr geschaut, auch der Bestand der Zigaretten in der Schachtel mit der Hand erfühlt. Ein Angler knarrt auf dem Festland mit seinem Hühnerschreck und herausragenden Ruten vorbei, wie ein Bühnenarbeiter, der versehentlich mitten in der Vorstellung über die Bühne schlurft. Oder wie Loriots Klavierträger, den eine Fliege zum Dirigenten der Berliner Philharmoniker macht.

Plattenweg am Mühlenluch

Am Pavillon und der Weidenbank beginnt ein Weg entlang eines Stichkanals, dessen Rand herrliche kleine Lauben säumen, wie Bootshäuser, was sie teils auch sind. Farben und Formen sind vielfältig, und zwischendurch liegt immer wieder ein Ruderboot vertäut oder ein kleines Motorboot, zum Teil in maßgeschneiderter Hafenbucht. Später wechseln die Häuser auf die andere Seite und machen einer Reihe alter Birken Platz, zwischen denen in der nahen Ferne unaufdringlich der Kremmener Kirchturm durchlugt. Das wird er noch öfter machen, fast immer überraschend.

Das Vorspiel zum Eintauchen in die Weite des Luchs war zugleich das vorgezogene Dessert dieser Tour. Jetzt liegt in eindrucksvoller Dimension der Hauptgang vor uns und die Entscheidung, wie groß er letztlich ausfallen soll. Diese ist mit Sorgfalt zu treffen, den ab einem bestimmten Punkt gibt es kein Zurück. Wer ausreichend erfüllt ist und schon müde Beine hat, kann hier einfach über die Wiesen dem Luchweg folgen und landet eine Viertelstunde später ohne Weiteres am Kremmener Markt. Wer noch kurz in die flachen Wiesen von Mühlenluch und Kremmener Luch eintauchen möchte, biegt hinter den letzten Lauben rechts ab, folgt dem Fahrradweg in Richtung Linum und nimmt dann die erste links. Der letzte Kilometer vor dem Scheunenviertel ist zwar etwas spröde, verläuft entlang von riesigen Logistik-Zentren, doch immerhin ist das ja thematisch entfernt verwandt mit dem ursprünglichen Zweck der benachbarten Scheunen.

Weg nach Moorhof

Wer hingegen jetzt erst richtig warm gelaufen ist, alle Sinne zu- und den Geist ausschalten will und spüren, wie der Wind zum Luv-Ohr reinkommt und leicht gebremst das andere verlässt, kann jetzt loslegen. Doch sollten ausreichend Wasser und Proviant dabei sein und der Schuh wirklich bequem, denn ab hier ist noch Weg für drei bis vier Stunden übrig, der sich ohne Schlauchboot in der Tasche kaum abkürzen lässt, ganz luchtypisch. Im Gegenzug gibt es die große Weite, lange Reihen mit rauschenden Pappeln und üppige Wiesen, von denen selbst nach diesem knochentrockenen Sommer noch einige saftig grün erstrahlen. Ferner besteht die Möglichkeit, wortreich die Woche Revue passieren zu lassen oder gemeinsam ausgiebig zu schweigen. Oder einfach angeregt zu plaudern, bis die Sätze knapper und die Gesprächspausen länger werden, ganz von selbst bis hin zum alleinigen Dialog der Schritte mit dem Untergrund. Dann schließlich hängen auch die vorher angespannten Schultern, mit jedem Kilometer etwas schwerer.

Mühlenluch

Kleine Zweifel haben wir schon, doch die Entscheidung fällt für das Vollformat der Runde. Bei den Häusern im Mühlenluch kommen gerade Handwerker an, die endlich Wochenende haben, und ein Bengel auf einem ordentlichen Mini-Quad mit Batteriebetrieb semmelt über die durchbrochene Wiese vor den Vorgärten. Hinterm letzten Haus begegnet uns auf der kleinen Straße der Gegenentwurf, eine gekrümmte Oma in Kittelschürze, die sich auf ihren Rollator stützt und dennoch schwer mit jedem Schritt zu kämpfen hat. Kaum reicht es für ein skeptisches Lächeln in der knappen Grußerwiderung, angesichts der Städter, die ihre Freizeit sinnvoll füllen wollen und hier beseelt ins Nichts hinausstreben.

Schafherde bei Moorhof

Lange, gerade Wege bestimmen den restlichen Tag, Schweigen, Berichte und Wortwechsel halten sich die Waage. Nicht in absteigender Kurve, eher periodisch, denn die Woche sah so ähnlich aus. Der Zug der Wolkenbänder sorgt dafür, dass die buschigen Dolden der Grashalme am Rand des Plattenweges sekundenweise mit warmer Glut erfüllt werden. Mit Blick auf die gleichermaßen gehandhabten Strohrollen auf den trockenen Wiesen nähern wir uns Schritt für Schritt den Kranichrufen, die noch nicht aus Tausenden, doch sicher schon aus Hunderten von Kehlen kommen. Es sollen die ersten sein in diesem Jahr, so schreibt die Wochenendzeitung, und für sie wird die Folge dieses Sommers auch eine Herausforderung sein, denn geflutete Wiesen sind allenfalls von Menschenhand möglich.

Zwischen Moorhof und Dorotheenhof

Der Wind ist kräftig wie ein Seewind und sorgt in den hochgewachsenen Kronen der Großvaterpappeln für das einzige laute Geräusch, das man hier hören möchte. Dazwischen die Kraniche, öfter auch Greifvögel und einmal auch ein Hubschrauber, der irgendwo zu Hilfe eilt. Weit hinten stehen verstreute Herden weiß-schwarz gefleckter Kühe, später kurz vor Moorhof auch eine Herde von Schafen, die als Gesellschafterin nicht die obligatorische Ziege haben, sondern ein hohes weißes Lama. Dazwischen gibt es die einzige Rastbank weit und breit, an der man daher nicht vorbeilaufen sollte.

Moorhof

In Moorhof ist etwa Halbzeit und auch die Wende nach Süden. Dahinter ist der Weg teils zerrüttet und fordert etwas feinmotorische Balancearbeit der Fußgelenke. Mal Schotter, mal zerplatzter Asphalt und dann mal wieder sandig – der hier erforderliche Blick vor die Schritte löst den Autopiloten ab und sorgt für etwas geistige Rege. Am Wegrand stehen die tief abgesägten Stümpfe enormer Weiden, deren Stämme im Umfang dem ähneln dürften, was die nachgepflanzten Bäumchen an Höhe aufs Maßband bringen. Ein erwachsener Mensch kann sich auf so einem Stumpf locker ausstrecken, ohne überzuhängen.

Savannenstimmung im Spätsommer, Kremmener Sandberge

Kremmener Sandberge

Kurz vor dem bewaldeten Höhenzug hinter der Landstraße wird der Weg immer breiter und auch etwas spröde vom Erscheinungsbild. Die Möglichkeit einer Abkürzung beim Landwirtschaftshof ist trügerisch, da unvermittelt ein Weidezaun mit zahlreichen Gehörnten dahinter einen Rückzug nötig machen kann. Schöner, sicherer und jetzt auch schon egal ist es, als willkommene Abwechslung noch den hügeligen Waldstreifen der Kremmener Sandberge mitzunehmen, der zudem vom tiefstehenden warmen Licht der Nachmittagssonne seinen besonderen Anstrich erhält. Nach Charlottenau ist ein kleiner Südabstecher nötig, ansonsten folgt der Weg immer dem südlichen Waldrand.

Noch vor dem großen Milchhof wird der Waldstreifen zum zweiten Mal gequert, mit Kurs auf Kremmen. Quer über die Felder führt der Weg direkt zum westlichen Rand des Scheunenviertels. Der laute Verkehr auf der Bundesstraße unterstreicht noch einmal, wie schön man es hatte den ganzen Tag. Wie es manchmal so ist, reicht die Kraft gerade noch für die letzten Schritte, und so ist es besonders schön, dass direkt hier die Chance auf Einkehr besteht. Während wir sitzen, die Rücken krumm machen und die Kehle feucht, ist die Hochzeit gegenüber noch bei der Arbeit. Gerade ist der Hochzeitsfotograf angerückt, eigens mit Hebebühne für die besondere Perspektive oder um wirklich alle draufzubekommen, inklusive der ausladenden Erbtante. Die wimmernde Hydraulik braucht eine Weile, bis der Fachmann mit dem Schusswinkel zufrieden ist, und die gesamte Zeit stehen die bunt-leuchtenden Hochzeitsgäste ähnlich versteinert wie vorhin die Gänse, das Wort Käse festgefroren im Gesicht.

Am frühen Abend im Scheunenviertel

Gegenüber starten zwei Herren von entsprechendem Alter und Leibesfülle ihre vollverkleideten Goldwings. Beim Einschalten der Zündung, noch vor dem Wecken der sonoren Sechszylinder, erklingt in der Qualität eines Kofferradios Musik im Stil des modernisierten Musikantenstadls, gerade laut genug, um auch noch neben den Motoren zu bestehen. Gemeinsam mit den versteinerten Gästen ergibt sich ein fast schon surreales Stimmungsbild und die Gefahr, dass die Zeit stehenbleiben oder zumindest die festgefrorene Mimik hier und da verwachsen bleiben könnte. Doch kurz darauf ist der Spuk vorbei, als Hauptakteur übernimmt wieder die Abendsonne und ist durchaus willkommen angesichts der ersten Abendkühle. Alles ist normal, und gegenüber geht der schönste Tag des Lebens seinem Höhepunkt entgegen, mit Fackellicht, Musik und einem wirklich guten DJ.

 

 

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): S-Bahn bis Hennigsdorf, dann Regionalbahn nach Kremmen (ca. 1,25 Std.); vom Bhf. 10 Min. Zuweg

Anfahrt Pkw (von Berlin): wahlweise über Autobahn oder Landstraße (ca. 0,75-1 Std.)

Länge der Tour: ca. 21,5 km (starke Abkürzungen gut möglich, z. B. zwischen WP 18 und 6 oder zwischen WP 19 und 33)

Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Internetpräsenz von Kremmen

Bistro und Bad am Kremmener See

Schlauchboot in der Tasche

Einkehr: Um’s Luch, Scheunenviertel Kremmen
Bistro am Strand Kremmener See (Mai-Okt.)
div. weitere Gastronomie im Stadtgebiet

Zehdenick: Weiße Havelteiche, kalte Schlote und die glimpfliche Schlidderpartie

Der diesjährige Winter kam im Großen und Ganzen recht winterlich daher und frei von Eskapaden, kühl und grau und manchmal etwas weißgepudert. In den ersten Wochen des neuen Jahres verlieh er sich selbst etwas Nachdruck, indem er Berlin und Brandenburg mehrmals spontan in ein mitteldramatisches Schneechaos stürzte. Das war jeweils in Kürze angerichtet und von langer Nachwirkung. Aktuell scheint er Ruhe zu suchen oder neue Kraft zu sammeln. Liegt etwas lustlos auf den märkischen Äckern und Wiesen herum, gerade noch weiß genug, um nicht übersehen zu werden. Tiefer in den Wäldern sieht es da schon anders aus, denn hier ist das Kältegedächtnis besser ausgeprägt.

Abendlicher Marktplatz im Frühling, Zehdenick

Darin liegt auch das Problem in diesen Wochen zwischen Neuschnee und Schmelze, zwischen Nullpunkt und klirrender Kälte. Es ist fast unmöglich einzuschätzen, wie es auf den Wegen aussieht. Ob es rutschig ist, glatt oder spiegelglatt, pfützennass, glitschig oder matschig oder einfach so wie immer. Ob Skier zu empfehlen sind oder Schneeschuhe, Spikes an den Sohlen oder einfach der ganz normale Schuh für stundenlanges Draußensein. Je tiefer in der Botanik, desto langsamer reagiert der Aggregatzustand des Niederschlages samt seiner Grauzonen, was ja durchaus doppeldeutig sein kann in Hinsicht auf den Farbton. Ganz gute Chancen gibt es dort, wo Asphalt liegt, bevorzugt dunkler. Zum einen, da hier meist etwas Verkehr bleibt, der zumindest einen schmalen Streifen des Straßenbelags freihält, zum anderen, da dieser scheinbar schneller auf höhere Temperaturen und Wärmereize reagiert.

Oderlandbahn unterwegs nach Templin

Am besten geeignet scheint also eine Mischung aus stillen Straßen in freier Landschaft und schön geführten Radwegen. Idealerweise solche, wo es viel zu sehen gibt, denn wenn sowohl Himmel als auch Boden zwischen hell- und mittelgrau changieren, ist jede Abwechslung willkommen und jedes Fleckchen Farbe. Willkommen wäre auch eine Einkehr unterwegs, doch das ist nun Problem Nr. 2 in den erwähnten Wochen. Viele Betriebe haben Urlaub bevorzugt im Januar und Februar, was sinnvoll ist und nachvollziehbar, denn jetzt ist kaum wer unterwegs. Gut, wenn man zumindest für den Abend eine sichere Bank im Hinterkopf hat, wo es warm ist, trocken und gemütlich. Denn die schönste Einkehr und die verdienteste ist doch die nach einem langem grauen Wintertag oder einem erheblichen Aufstieg.

Zehdenick

Zehdenick ist ein Städtchen mit hübschem Kern und verfügt wie auch Storkow über eine markante Zugbrücke unmittelbar am Rande der lauschigen Altstadt. Wie in Storkow ist diese nicht nur hübscher Zierrat, sondern überbrückt eine viel und gern genutzte Wasserverbindung für Freizeitschiffer. Eine Verbindung, die vor nicht allzu langer Zeit gar nichts mit Freizeit zu tun hatte und dafür sorgte, dass große Teile Berlins so aussehen wie sie heut noch aussehen.

Wetter- und zeitgegerbte Bushaltestelle in den Tonstichen

Vor etwa 120 Jahren wurde eine Bahnverbindung von Löwenberg nach Templin gebaut. Bei den Bauarbeiten offenbarten sich Tonvorkommen, komplett unerwartet und direkt unter den Uferwiesen der Havel. Das erklärt die dichte Nachbarschaft des Flusses zu den heutigen Stichteichen, die sich in großer Zahl zwischen Zehdenick und Marienthal hinziehen. Die Vorkommen galten selbst im europäischen Vergleich als riesig und waren so umfassend, dass noch vor gut 25 Jahren aktiv abgebaut wurde. Praktisch war dabei, dass die Ziegel in den zahlreichen Ziegeleien gleich vor Ort gebrannt und über die Havel unkompliziert verschifft werden konnten – bis vor die Berliner Haustür. Es gibt dazu das zutreffende Zitat „Berlin ist aus dem Kahn erbaut“ – auch damals wuchs die Stadt rasend schnell, dehnte sich nach außen aus und schloss in ihrem Innern manche Baulücke. Unter anderem dank der havelnahen Tonvorkommen zählte Berlin in den Dreißiger Jahren zu den fünf größten Städten weltweit.

Zehdenick samt seiner Nachbarorte ist das ganze Jahr über einen Ausflug wert, und heute erfüllt es uns zudem die gewünschte Mischung für einen grauen Wintertag mit Temperaturen um den Nullpunkt. Maßgeblich ist das dem Fernradweg zu verdanken, der die Hauptstädte von Dänemark und Deutschland verbindet. Der einzige Nachteil ist der, dass die Tour ohne Reißleine auskommen muss – es gibt keinerlei Möglichkeit irgendwo abzukürzen, falls gar kein Vorankommen sein sollte. Insgesamt geht der Plan ganz gut auf, wenn auch auf einigen Passagen eine eigenartige Gangart angesagt sein wird, die eher an Schwimmbewegungen erinnert und in keinerlei Zusammenhang steht mit Coolness.

Eichlerstich unter Eis

Nach Verlassen der gefälligen Altstadt wirkt nun die nördliche Vorstadt entlang der Bundesstraße 109 stark kontrastierend. Sieht aus, als sei sie stark verkatert, schon jahrzehntelang. Der graue Himmel unterstützt noch diesen Eindruck. Kaum merkt man den Übergang zu den brachliegenden Gewerbeflächen bis hin zum Hafengelände, die mit ihren Ausmaßen und schwerer Maschinerie von lebhaften Zeiten zeugen. Die ersten Wasserflächen scheinen durch, nicht schwarz und spiegelnd, sondern lückenlos vereist mit leichtem Harsch darauf.

Hier ist der spröde Ausstieg geschafft und man findet sich direkt im Anglerparadies, das diesen Namen wirklich trägt. Über Kilometer liegen weite Teiche links und rechts, einstige Tonstiche, aufgefüllt mit Havelwasser. An vielen Stellen gibt es Parkbuchten, umgrenzt von hüfthohen Palisaden mit einladenden Durchgängen, die im Sommer mit dieser Optik einen Strand verheißen könnten. Zwischendurch zeigen sich immer wieder die spanigen Spuren der hiesigen Bibergang, die so manches Bäumchen umgelegt hat. Die Stümpfe verschwinden unter weich nachgebenden Raspelholzbergen, groß wie Ameisenhügel, die entweder davon zeugen, wie der Mensch dem Biber die Harke zeigt oder mit ihm Zahn in Hand arbeitet.

Griffige Landstraße nach Burgwall

Links der stillen Straße lungert untätig ein Gleis, so wie der ganze Tag durchzogen ist von pensionierten Gleisen und der Vorstellung etwas auf die Sprünge hilft, was hier für ein Treiben herrschte zur besten Zeit des Tonabbaus. Das Wasser zu beiden Seiten, der Damm dazwischen und das Gleis darauf lassen kurz eine finnische Impression aufblitzen, zumal gerade hier noch ein paar Birken stehen.

Ein Pensionär auf seinem Rad zieht vorbei, nur unwesentlich schneller und den Fokus streng nach vorn gerichtet. Vorn am querenden Gleis treffen wir ihn wieder, wie er vor dem Bahnübergang stoisch seine Runden dreht, ohne den Sattel zu verlassen oder einen Fuß auf den Boden zu setzen. Dieses Gleis übrigens ist aktiv, wie wir gleich hören, denn es naht ein Zug, der unterwegs ist nach Templin. Die erste kräftige Farbe an diesem Tag ist diese tiefblaue Breitseite der Oderlandbahn, sogar mit etwas Türen-Gelb. Als der Zug durch ist und das Farbspektakel verklungen, beendet der auf dem Rad die aktuelle Runde und fährt zurück gen Stadt. Das ist dann wohl ein liebes Ritual und beschäftigt uns für die nächsten Minuten mit Spekulationen in verschiedenste Richtungen.

Schmalspurlgleis bei Burgwall

Nur noch ein schmaler Damm führt jetzt hindurch zwischen Bröselstich und Neuhofer Stich, gerade breit genug für Gleis und Straße und noch etwas Uferkante. Die Landschaft mit ihrem Flickenteppich aus Teichen ist so speziell und fast etwas entrückt, dass es verwundert, immer wieder auf so etwas Sachliches wie Bushaltestellen zu treffen. Eine von ihnen markiert den Zugang zum Vorort Neuhof, wo es seinerzeit auch eine Handvoll Ziegeleien gab. Das eigenwillige Buswartehäuschen am Abzweig verfügt neben reichlich Patina über ein unverglastes Panorama-Fenster zur Wasserfläche des Neitzelstiches und sollte von Rechts wegen unter Denkmalschutz gestellt werden. Es war auch schon im Kino zu sehen, später dann im Fernsehen.

Wer nicht tiefer in das Reich der Stiche vordringen möchte und die Landstraße nach Burgwall im Sinn hat, findet hier die vorletzte Möglichkeit zum Abbiegen. Es gibt nach dem folgenden Abzweig zwar noch zwei Verbindungen weiter nördlich, doch sind diese mittlerweile nicht mehr zugänglich. Ein längeres Stück Straße ist also nicht vermeidbar ist, was auch die allgegenwärtige Beschilderung des Laufparks Stechlin bestätigt. Doch das passt heute eher gut, wie sich bald zeigen wird.

Die Havel in Burgwall

Am Eichlerstich liegen kleine Ruderboote, meistenteils aus Metall und lackiert in zurückhaltenden Farbtönen. Von hier reicht der Blick weit über den größten der Teiche, der auch ein paar Inseln im Herzen trägt. An einem kleinen Hochufer steht sie endlich, die erhoffte Bank mit freiem Wasserblick. Heute blickt sie übers Eis, das überzogen ist von Spuren aller Größenordnungen, quer hinüber bis zum jenseitigen Schilfgürtel.

Neuhof

Noch vor den ersten Häusern der Siedlung mit dem süßen Kaiserbahnhof führt ein kleiner Weg links um den See herum und bald hinein in einen verspielten Wald aus kleinen Fichten, in dem man über eine Schar huschender Kobolde kaum staunen würde. So klein der Wald ist, so tief herrscht hier der Winter mit fast lückenloser Schneedecke und fahlen Kontrasten zum tiefdunklen Grün der Nadelarme.

Die Straße ist schon zu hören, bald darauf zu sehen. Sie verläuft direkt vor dem Waldrand des ausgedehnten Forstes Zehdenick, der schon zur Kleinen Schorfheide gerechnet werden kann. Die Straße ist von tiefdunklem Asphalt, und wenn die Autos auch zügig unterwegs sind, ist ihre Zahl übersichtlich. Von links stößt die erwähnte letzte Ausfahrt hinzu. Sie trägt den Namen „Hoch- und Staplerweg“,  und so war es vielleicht eine gute Entscheidung, schon eine vorher abzubiegen.

Ziegeleipark im Winterschlaf

Nichts könnte der Schuhsohle heute so viel Traktion bieten wie diese schnurgerade Straße, die nun gute drei Kilometer den Weg bestimmt. Langweilig ist das zum einen nicht, da man die Griffigkeit genießt und das Hinterteil entspannen kann, zum anderen gibt es nach links immer einen schönen und weiten Blick, hin zur Havel und ihren Spielereien. Ein kurzer Ausweichversuch im Wald verläuft fruchtlos, denn dort ist es entweder glatt, matschig oder sehr uneben. Also eher eine Option für andere Jahreszeiten, dann jedoch lässt sich dort fast die ganze Straßenpassage schattig umgehen.

Das letzte Stück kürzen wir über die stoppelige Wiese ab, als Zielpunkt eine Stelle, wo gerade das Postauto aus dem Wald kam. Das ist uns heute schon mehrfach an entlegensten Stellen zwischen den Teichen begegnet, und auch jetzt ist nicht das letzte Mal. Vermutlich hat es hervorragende Winterreifen an, denn jetzt folgt das balanceträchtigste Stück des ganzen Tages. Selbst der Wegrand taugt kaum zum Ausweichen, da er schmal, nachgiebig und leicht ansteigend ist und man dort genauso ins Straucheln gerät wie auf der eisglitschigen Waldstraße. Nebenher verläuft wieder ein betagtes Schmalspurgleis und weckt einen kleinen Neid, da es von der glatten Straße so völlig unbeeindruckt sein kann. Sein Bett verläuft mitten durchs Kraut, doch wachsen zwischen den Schienen keine Bäumchen oder Sträucher – als wenn hier dann und wann was führe.

Radweg am Welsengraben

Der reichliche Kilometer auf dem Wasser-Eis-Mix sorgt unfreiwillig für die Entdeckung der Langsamkeit und die Gedanken schweifen für ein paar schmerzliche Augenblicke zu den viereinhalb Paar Spikes, die in der Wohnung genau dort liegen, wo man sie auch nach einem Jahr schnell findet. Letztlich erreichen wir mit trockenem Hosenboden und unversehrten Handgelenken die Straße und genießen die Errungenschaft des aufrechten Ganges, die man Tag für Tag als viel zu selbstverständlich hinnimmt.

Burgwall

Das Havelörtchen Burgwall markiert in etwa das nördliche Ende der Tonstiche, die Havel schwenkt hier klar nach Osten ab und taucht damit in eine Landschaft ein, die bestimmt wird von Wäldern. Eine Brücke führt über die Havel und bietet schöne Blicke über das Dorf. Noch vor der Brückenauffahrt steht ein Bahnhofsschild an einem winzigen Bahnsteig und nährt die Vermutung, dass über die Schmalspurgleise dann und wann ein Züglein rattert. Von Fürstenberg kommend stößt der Radweg Kopenhagen-Berlin hinzu, bis kurz vor Zehdenick unser Begleiter. Parallel läuft der Havel-Radweg. Stellt man sich vor eine der zahlreichen Karten am Wegesrand, ist es ein kurioses Bild, wie sich der Fluss mit lebhaften Schlingen eng zwischen all den Stichteichen hindurchwindet, zwischen den Ufern beider manchmal nur ein schmaler Damm übrigbleibt, gerade breit genug für einen Pfad und etwas Polstermaterial.

Uferpfad zwischen Havel und dem großen Kinderstich

An einer Rasthütte kommt es zum letzten Sichtkontakt mit Christel von der Post, die hier souverän ihren Transporter wendet, gefährlich dicht am Straßengraben. Ab und zu kommt ein Radfahrer vorbei, eher Eingeborener als Tourist, und macht Hoffnung auf gute Gangbarkeit der nächsten Kilometer. Eine ältere Dame mit älterem Damenrad und Hausrecht folgt stur und unbeirrbar ihrer schmalen Bahn durch den Eismatsch und zwingt ein altersgerechtes Allrad-Fahrzeug vorübergehend an den Randbereich.

Ziegeleipark Mildenberg

Die Schornsteine kündigen schon den Ziegeleipark Mildenberg an, ein lohnendes Ausflugs-Paradies zu Zeiten mit mehr Tageslicht, und bald schon verdichten sich die Gleise bis hin zu losen Knäulen. Wo es während der mitteleuropäischen Sommerzeit kein Problem ist, auf dem weitläufigen Gelände oder auch nur in seinem havelnahen Herzen einen ganzen Tag zu verbringen, ist jetzt eindeutig Winterpause. Nicht ein Mensch ist zu sehen und keine Kinderscharen wuseln zwischen der Marina und dem imposanten Ringofen. Die Züge mit den umgebauten Loren stehen still und halten Winterschlaf, ein wenig wehleidig. Auch die Flotte von mietbaren Hausbooten, Motor-Jachten und motorisierten Wohnwagenpontons verharrt in Stille, teils auf dem Lande, teils im Wasser. Gleich hinter der Radler-Einkehr beginnt nun wieder eine Fahrradstraße und führt auf schmalem Dämmlein zwischen Stäckebrandts Pappelstich und Döbertstich hindurch. Stäckebrandts Pappelstich – das könnte doch auch eine mittellange Erzählung sein von Theodor Fontane oder Storm. Ein Eisangler sitzt auf der angetauten Fläche und hat ein Loch geschlagen, dicht beim Schilf. Vom Schilfrand hat ihn eine Katze fest im Blick, die scheinbar keine kalten Pfoten scheut für etwas Silberschmaus.

Prerauer Stich hinterm Flussufer vor Zehdenick

Hinterm Wäldchen geht es links entlang am erstarrten Bruch des Welsengrabens, der bei den nächsten Häusern überquert wird, an einer durchaus pittoresken Stelle. In den Bäumen vertreiben sich die Krähen etwas Langeweile und warten auf Gelegenheiten, wem anderen was abzujagen. Davon abgesehen ist es schweigsam heut am Himmel, nur ein paar Gänse zogen durch vorhin, doch auch diese eher wortkarg. Aus einem Weg, den man verkehrstechnisch für hinfällig erklärt hätte, kommt ein Auto angewackelt, mit kurzem Radstand und daher nachgerade aufgebracht im Takt der tiefen Pfützengründe. Wie überhaupt heute an den seltsamsten Stellen Autos hergefahren kommen, aus kleinen und auch kleinsten Wegen und aus entlegenen Sackgassen.

Loren über Kopf, Hafen Zehdenick

An der nächsten Kreuzung weist eins von den vielen Schildern zur Einkehr im nahen Mildenberg, doch unser Ziel ist nun schon greifbar und wir biegen ab zum Bruchwald. Auf dem Weg dorthin kommt uns ein freundliches Männlein auf einem grünen Trecker entgegen. Hat eine leuchtend gelbe Warnweste an und schenkt uns damit die hellste Wahrnehmung des gesamten Tages, obendrauf noch einen freundlichen Gruß. Am Bahndamm erwischen wir dann nochmals den Zeitpunkt einer Zugdurchfahrt, diesmal in Richtung Süden und als Heidekrautbahn. Wieder eine Dosis kräftiges Blau. Doch wirkt sie jetzt fast blass, nach dieser jüngsten Impression in gelb.

Etwas Farbe am anderen Ufer, Hafen Zehdenick

Die Überquerung der Havel ist auf der Eisenbahnbrücke nicht vorgesehen, denn die ist gerade schmal genug fürs Schotterbett. Das trifft sich gut, denn jetzt folgt am diesseitigen Flussufer eine „Stadteinfahrt“ von besonderer Einzigartigkeit. Hautnah darf auf diesem kleinen Pfad miterlebt werden, wie wenig Platz zwischen der Havel und ihren Stichen bleibt. Es ist, als spazierte man auf einer Landbrücke durch einen großen See, durch den auch noch die Havel fließt. Für die Stabilität dieses schmalen Bandes bürgt anfangs eine stattliche Reihe alter Linden, später besorgen das dichte Schilfgürtel. Wenn das an einem trüben Januar-Tag schon fasziniert, wie muss es dann erst sein bei Sonnenschein und dicht belaubten Bäumen?

Fußgängerbrücke an der Schleuse, Zehdenick

Während auch hier alle Wasserflächen weiß vereist sind, ist die Havel offen und fließt spiegelglatt und schwarz. Alle bisher nicht gehörten Wasservögel treffen sich auf dem Fluss, und so ist ein ständiges Schnattern und Flattern, ein reger Austausch und scheinbar Platz für jeden Schnabel. Ein Stück weiter sind gegenüber am Hafen zahllose alte Ton-Loren über Kopf gestapelt, ein kurioses Bild. Daneben Boote auf dem Trockendock. Als einzige im Wasser liegt eine hübsche Barkasse gut vertäut, die noch einmal etwas satte Farbe sehen lässt.

Links öffnet sich jetzt der urwüchsige Bruchwald der Klienitz, während voraus schon die Türme der Zehdenicker Altstadt in Sicht kommen. Das passt gut jetzt, denn die Tour war lang und der Magen hängt schon durch. Über zwei steile Fußgängerbrücken führt der Uferweg zur Stelle, wo die Schleuse einen beeindruckenden Höhenunterschied überwindet. Rechts öffnet sich ein großes Vorbecken, tiefliegend. Hier ankert publikumswirksam ein passendes Museumsschiff in der Bucht, an dem niemand vorbeikommt, der ein Objektiv am Leibe trägt. Dasselbe dürfte für die benachbarte Zugbrücke gelten.

Die Zugbrücke am Rande der Altstadt

Wer die Altstadt nicht schon vorhin erkundet hat, kann das auch jetzt noch tun, denn gleichermaßen schön ist sie, wenn die Laternen brennen. Für den allerletzten Ausklang empfehlen sich ein paar stille Minuten am Ufer bei der Zugbrücke. Wenn man sich dort so aufs Geländer lehnt in seiner dicken Jacke und ein Bein hochstellt, die Augen etwas schlitzt und die Gedanken treiben lässt, können sich schöne Bilder öffnen. Von Jahreszeiten, in denen das Eis eine andere Rolle spielt und eher in die Hand gehört, in bunten Farben. Das ist jetzt gar nicht mehr so lange hin.

 

 

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): Regionalbahn in Richtung Templin (stünd. ab Berlin-Ostkreuz; ca. 1-1,25 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über Land (B 109 bzw. kleinere Straßen über Wensickendorf/Liebenwalde)(ca. 1-1,25 Std.)

Länge der Tour: ca. 21 km (keine Abkürzung möglich); Option: mit dem Bus nach Burgwall (verkehrt stündlich, guter Anschluss an Zug von Berlin) und dort in die Tour einsteigen (dann ca. 10 km); Straßenumgehung außerhalb von Schneezeiten Wegpunkte A-F

Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Tourismusseite von Zehdenick

Fernradweg Berlin-Kopenhagen bei Zehdenick

Ziegeleipark Mildenberg

Tagesspiegel-Artikel von 2010 zum Ziegeleipark

Einkehr:
Hotel Klement (gute Küche, gemütlich, freundlich)
Neues Haus Vaterland (etwas modernisierte Küche)
Stadtgarten an der Zugbrücke (gute Küche, gemütlich, freundlich)
Ratskeller und Neuer Ratskeller am Markt (keine eigene Erfahrung)
Vereinsgaststätte des Wassersport-Clubs (an der Fußgängerbrücke ans westliche Havelufer)(keine eigene Erfahrung)

Burgwall:
Gasthaus Zur Fähre (keine eigene Erfahrung)

Ziegeleipark Mildenberg:
Gasthaus Alter Hafen (direkt an der Hafenkante, etwas teurer) und Bernis Café am südlichen Ausgang

Ausgeschweift – Leegebruch: Hauszeichen, kleine Strände und der lange Weg zur Havel

An manchen Tagen, bevorzugt an etwas graueren, steht der Sinn nach Touren von einer gewissen Sprödigkeit – aus unbekanntem Grunde. Vielleicht ja aus Wegesammel-Leidenschaft und Freude am Vervollständigen. Oder aus Neugier auf Gegenden, die kaum jemand durchstreift. Vielleicht auch aus verschmitztem Trotz, die Motive eben dafür zumindest teilweise zu widerlegen. Lässt sich nicht fast überall irgendetwas Schönes entdecken – oder etwas Spannendes, und ist denn das Spannende zwangsläufig immer kantig?

Im vorliegenden Fall lag der Hauptteil der Neugier auf der weiten Fläche zwischen Oranienburg und Leegebruch, die sich entlang des Oranienburger Kanals zieht, gleich nördlich vom ewig hektischen Band des Berliner Rings. Auf Karten, die nicht viel älter als zehn Jahre sind, gehörte diese Landschaft zum einen dem Moorgraben, der ohne Hast aus den Wäldern bei Germendorf daherkommt, und zum anderen einem Flugplatz, der zu kaum einer Zeit seines Bestehens ein Ort der Öffentlichkeit war und verschiedene Runden der Geschichte kommen und gehen sah.

Herbstliche Siedlungsstraße in Leegebruch
Herbstliche Siedlungsstraße Karl-Marx-Straße in Leegebruch

Oft haben diese spröden Touren mit schnell befahrenen Straßen zu tun, mit Stadtrand und großflächigem Gewerbe, dichtem Gewirr von Oberleitungen aller Voltstärken und einem durchgängigen Lärmpegel, der für viele Ausschluss-Kriterium für einen erholsamen Spaziergang wäre. Völlig zu recht. Diesem letzten Kriterium lässt sich unter Beachtung der Windrichtung ein wenig von seiner Schlagkraft nehmen. Eine stark befahrene Schnellstraße kann windabgewandt fast lautlos sein, selbst wenn sie nur einen beherzten Steinwurf entfernt verläuft. Das bietet einen Hauch von Amusement, wenn Fahrzeuge etwas gereizt kurz vor der eigenen Nase vorbeirasen und dabei nicht zu hören sind. Ähnlich wie stark und wichtig mimende und gestikulierende Talkshow-Gäste im Fernsehen, wenn man den Ton stummschaltet.

Ganz davon abgesehen kann aber im Rahmen einer solchen Tour der Fokus unerwartet verrutschen und in der Nachschau etwas völlig anderes einprägsam bleiben, die trotzige Erwartung quasi überrumpelt werden. Manchmal sogar gänzlich frei von den angenommenen Ecken und Kanten, sondern bunt und unterhaltsam, trotz grauen Wetters.

In Fall von Leegebruch waren das einprägsame Siedlungshäuser, die nach späten 1930er oder frühen 1940er Jahren aussehen und sich ausgehend von der Hauptstraße in langen Reihen nach Norden und Süden erstrecken. Diese Hauptstraße bildet ganz klar das Herz des Ortes und verfügt über ein hervorragendes Konditorei-Café, eine ebendort beginnende höhergelegte Ladenzeile zu beiden Seiten der Straße und etwas abseits einen kleinen Ruheplatz, der von überdachten Arkaden umgeben ist. Am anderen Ende gibt es noch eine gemütliche Kneipe. Leegebruch erscheint lebenswert und sympathisch und als Ort, dessen Charme am besten zu Fuß zu entdecken ist.

Herbstlicher Querpfad in Leegebruch Nord
Herbstlicher Querpfad zum Mittelweg, Leegebruch Nord

In der Draufsicht passt der Vergleich eines Libellenkörpers ganz gut auf das ausgedehnte Dorf mit seinen Siedlungsstraßen, wenn diese westöstlich verlaufende Hauptstraße der Rumpf ist und die länglichen Flügel mit ihrem feinen Statikgeäst die stets leicht gekrümmten Straßen mit ihren Häuserreihen und den Querpfaden. In letzter Zeit kamen noch weitere Wohngebiete dazu, so dass es sich derzeit eher in Richtung Schmetterling entwickelt.

Charakteristische Siedlungen gibt es in vielen Orten und Städten in Brandenburg und auch sonst im Lande. Meistens entstanden sie direkt im Kielwasser großer Industriebetriebe, und fast jede von ihnen trägt recht deutlich eine eigene Handschrift. In Ludwigsfelde steht südlich der Autobahn eine eindrucksvolle Siedlung aus dunklen Holzhäusern für die damaligen Beschäftigten des Daimler-Werkes. Das ganze innere Eisenhüttenstadt in seinem imposanten Zuckerbäckerstil wurde für die Belegschaft des Eisenhüttenkombinates aus dem Boden gestampft, die seinerzeit aus allen Winkeln der DDR verlesen wurde. Vor den Toren von Eberswalde gibt es in Finow am Kanal die Messingwerksiedlung mit ihrem markanten Wasserturm, und selbst im kleinen Oderberg findet sich eine dieser besonderen Häuserrreihen. Ich glaube jedenfalls, dass es Oderberg war, doch es ist schon eine ganze Weile her. In der Tat war es dann doch Havelberg, wie Nachforschungen ans Licht brachten – doch da gibt es ja zumindest vom Wort her eine hohe Analogie zu Oderberg.

Markante Siedlungen in Berlin sind neben der bekannten Britzer Hufeisen-Siedlung das Märchenviertel in Friedrichshagen oder die Tuschkasten-Siedlung in Bohnsdorf, man kann in dieser Hinsicht jedoch auf dem ganzen Stadtgebiet viel entdecken. Wem es also Spaß macht, solche stadtplanerischen Unikate zu durchstreifen und Häuser und Gärten zu bestaunen, der braucht Leegebruch gar nicht zu verlassen, kann trotzdem ein bis zwei Stündchen an der frischen Luft unterwegs sein und dabei angemessen unterhalten werden.

Siedlungsstraße An den Schlenken in Leegebruch
An den Schlenken in Leegebruch

Unter den zahlreichen Besonderheiten der Siedlungen in Leegebruch stechen besonders die schönen und vielfältigen Hauszeichen hervor, die viele der Häuser an ihren Wänden tragen. Unter anderem sind das Zunftzeichen, Pflanzen und Tierkreiszeichen, jeweils etwa so groß wie ein Kellner-Tablett und fester Bestandteil des Mauerwerks. Streift man zu Fuß umher, sind besonders willkommen auch die zahlreichen Schleichwege, die ohne festes System zwischen den Häuserreihen oder auch parallel zu den Haus- und Gartenreihen verlaufen, meist grün und verkehrsfrei. So kann sich treiben lassen, wer das möchte, endlose Kringel und Schlaufen gehen und immer wieder Neues entdecken. Oder den Ort mit seinen Straßen ganz strukturiert aufrollen und die unterschiedlichen Gestaltungen der weitgehend baugleichen Häuser studieren. Langweilig sehen diese an keiner Stelle aus. Auffällig ist weiterhin, dass der zweite Teil des Ortsnamen im Ortsbild stets präsent ist – überall ziehen sich trockene und nasse Gräben durch die Siedlungen, so dass niemand mit feuchten Kellern Probleme haben sollte.

Noch vor etwa hundert Jahren war Leegebruch nicht viel mehr als ein Hof und hatte vordergründig mit königlich-preußischem Pferdenachwuchs zu tun, der auf seinen Wehrdienst mit dem zu erwartenden Radau vorbereitet wurde. Bis zum Einzugstermin dürften die Bemähnten es dort ganz schön gehabt haben, mit viel Auslaufplatz und saftigen Weiden.

Die Antwort darauf, wie in wenigen Jahrzehnten aus so wenig so viel wachsen, aus einem Gehöft eine Dorf so groß  wie eine Kleinstadt entstehen konnte, liefert recht verschwiegen das weite Gelände, das heute zwischen der Oranienburger Umfahrungsstraße und dem Oranienburger Kanal liegt.

An Oranienburger Kanal auf Höhe der Flugzeughalle, Oranienburg
An Oranienburger Kanal auf Höhe der Flugzeughalle, Oranienburg

Hier bauten die Heinkel-Werke in der Zeit des Dritten Reiches eine Fabrik für Kampfflugzeuge mit angeschlossenem Flugplatz. Damit die aus dem ganzen Land herbeigeholten Fachkräfte untergebracht werden konnten und auch gerne blieben, wurde in nur wenigen Jahren der Ort komplett neu entwickelt – inklusive Ladenstraße, Gemeinschafts- bzw. Kulturhaus und den direkt angebundenen Wohnsiedlungen. Die Häuser waren modern und komfortabel ausgestattet und konnten per Abzahlung erworben werden, samt Grund und Boden. Jedes hatte einen Garten von ordentlicher Größe, in den meisten Fällen vorn mit Zugang zum Haus und separater Hinterpforte im Garten. Da die Häuser über hunderte Meter von identischer Bauart waren, halfen die Hauszeichen sowohl den heimkommenden Schulkindern als auch feierabendlichen Arbeitern mit bierseliger Orientierung, nicht an ihrem Haus vorbeizulaufen oder den Schlüssel in eine fremde Türe stecken zu wollen.

Der erwähnte Moorgraben, bei Leegebruch schon deutlich zu breit zum Überspringen, ist übrigens der winzige Beginn dessen, was später unter dem erhabenen Namen Großer Havelländischer Hauptkanal bis zum Unterlauf der Havel bei Hohennauen reicht, weit im Westen von Brandenburg. Knapp hundert Fließ-Kilometer von hier, ganz kurz vor der Grenze nach Sachsen-Anhalt. Und das nicht erst seit hundert Jahren – dreihundert kommt eher hin, denn verantwortlich für den langen Kanal zeichnete der „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. Das späte Zusammentreffen mit der Havel wirkt ein wenig kurios, wenn nicht sogar schrullig, schaut man auf die Karte und sieht die Havel schon hier im benachbarten Oranienburg vorbeiziehen. In kaum zwei Kilometern Luftlinie.

Herbstlicher Radweg entlang des Oranienburger Kanals, Oranienburg
Radweg entlang des Oranienburger Kanals, Oranienburg

Der junge Moorgraben zieht sich in unbeschwerten Biegen relativ diskret durch das Acker-und Wiesenland, das er maßgeblich mitgeprägt hat. Samt dem alten Legebruch, das wie erwähnt auch als heutiges Örtchen Leegebruch in allen Winkeln seine bodennasse Handschrift trägt. Als eine der einzigen über die Jahrhunderte währenden Konstanten hier dürfte er über die Zeiten wenig beeindruckt gewesen sein von all dem, was sich in östlicher Richtung so abspielte, gen Oranienburg. Da kam zunächst der Oranienburger Kanal, um die hundert Jahre jünger als der Große Havelländische und gelegen etwa auf der Mitte zwischen der hiesigen Havel und dem Moorgraben. Wieder hundert Jahre später wurden die erwähnten Fabriken samt Flugplatz gebaut, dessen Start- und Landebahn etwa so lang war wie ganz Leegebruch nach dem Bau der Siedlungen. Der blieb dann eine ganze Zeit, wurde nach dem Krieg von den russischen Besatzern weitergenutzt und verlor erst mit deren Abzug ein paar Jahre nach der Wende seine Funktion. Bis heute verfällt widerstrebend das, was noch übrig ist und bietet einen verlockenden Abenteuerspielplatz für verschiedene Interessen-Gruppen, wenn auch der Zutritt nicht gestattet ist.

Nach der letzten Jahrtausendwende wurde die längst fällige Ortsumfahrung für Oranienburg gebaut, welche fast die komplette Landebahn in ihren Verlauf einbezog. Als Nebeneffekt erhielt Leegebruch eine deutlich verbesserte Anbindung an das Schnellstraßennetz und darüber hinaus seinen eigenen Baggersee mit mehreren Stränden an den gesicherten Ufern im Osten und Süden.

Steg-Schilf-Idyll am jenseitigen Ufer
Steg-Schilf-Idyll am jenseitigen Ufer

Zwischendurch gab es verschiedene Ideen für die Nutzung des verbleibenden Flugplatz-Geländes. Die kurioseste und zugleich exotischste darunter war es, eine Art Chinatown im besten Sinne zwischen Schnellstraße und Kanal aus dem märkischen Sand zu stampfen. Es sollte ein komplett neuer Stadtteil im chinesischen Stil etabliert werden, mit allem Drum und Dran, sogar einem Tempel und einer Miniatur-Ausgabe der Chinesischen Mauer als Schallschutzmaßnahme. Das klingt gleichermaßen romantisch wie pragmatisch. Ob es für die angedachten Bewohner so attraktiv klang, mitten auf dem Acker und fernab einer größeren Stadt, fragt sich bis heute. Und ob das kleine Oranienburg so viel Exotik in dieser geballten Form verkraftet hätte. Oder ganz neu erblüht wäre, was es ja einige Jahre später in Form der Landesgartenschau tat. Die bunten Bilder, welche einem die eigene Phantasie zu Chinatown am Havelkanal vorschlug, haben auf jeden Fall neugierig gemacht. Doch mehr als eine Idee ist nicht daraus geworden, und 2008 war die Sache wieder vom Tisch.

Mitterweile verteilen sich auf dem Areal verschiedene Nutzungen. Ganz im Norden holt sich die Natur nach und nach ihren Raum zurück, dazwischen halten sich neben der großen Flugzeughalle noch einige Nebengebäude und ein Rest der Landebahn. Südlich davon steht mittlerweile ein großes Logistik-Zentrum für Waren des täglichen Bedarfs, direkt angrenzend wird etwas Sonnenenergie geerntet. Noch weiter im Süden hat sich ein Unternehmen angesiedelt, das sein Geld mit Kartonagen und Pappe verdient. Und fast schon an der Autobahn wächst seit etwa zehn Jahren ein neuer Baggersee, der schon erste Badestellen hat, während gegenüber die Bagger tüchtig Material verlagern. Zwischen den beiden Letztgenannten bleibt noch genug Platz für ausgedehnte Spaziergänge über Äcker, Wiesen und entlang von Pappelreihen. Dieser Fakt ist sicherlich dem Wasser zu verdanken, das hier mittels zahlreicher Gräben im Zaume gehalten wird.

Blick über den Leegebrucher Baggersee
Blick über den Leegebrucher Baggersee

Wer also ausführlich durch Leegebruch getigert ist und nach diesen ganzen Eindrücken noch etwas den Kopf ausschütteln und in die Länge und Weite stieren möchte, kann den Ort in Richtung Nordosten verlassen und einen weiten Bogen schlagen, der an heißen Sommertagen auch gut als Badetour funktioniert. Bis zum Oranienburger Kanal gibt es entlang der Straße einen Fuß- und Radweg, bevor man drei schöne und meist schattige Kilometer entlang des Kanales schlendern kann. Einstiegsmöglichkeiten ins Wasser bieten sich alle paar hundert Meter, wenn auch die beiden eigentlichen Strände am jenseitigen Ufer liegen. Wer dann etwas hinter der Schleuse auf Höhe des Wasserwerkes den Kanalweg verlässt, kommt nach zahlreichen Abbiegungen zu den Stränden des Sees bei Leegebruch, der noch auf einen schönen Namen wartet.

Zum Abschluss gibt es noch einen Nachschlag in Sachen Siedlung und Bruchgräben, bevor wieder die Symmetrie-Achse der Leegebrucher Schmetter-Libelle erreicht wird. Dass es hier neben königlich-preußischen Schlachtrössern, nationalsozialistischen Flugzeugfabrikanten und sowjetischen Besatzern noch eine andere Zeit gab, davon kündet die „Straße der Jungen Pioniere“, die sich ihren Namen bis heute erhalten hat. Abgesehen von all diesen überbordenden Seiten der Orts-Chronik macht Leegebruch den Eindruck, als wenn es sich ganz wohl fühlt, so wie es heute ist. Und wir freuen uns schon auf eine baldige Wiederholung des heutigen Wegeknäuels – bei weniger grauem Wetter.

 

 

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): S-Bahn/Regionalbahn bis Oranienburg, von dort Bus Richtung Hennigsdorf (ca. 1-1,25 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): Berliner Ring bis Kreuz Oranienburg, dort auf die B 96 und Leegebruch ausfahren

Länge der Tour: 3,5-17 km (im Ortsgebiet Leegebruch beliebig zu variieren); Achtung: bei der großen Runde bei Wegpunkt 42 unbedingt links des Wassergrabens bleiben

 

Download der Wegpunkte

 

Links:

Ortsseite von Leegebruch

Chinatown am Kanal (Spiegel-Artikel)

Chinatown am Kanal (noch ein Spiegel-Artikel)

 

Einkehr:

Bäckerei Konditorei Joachim (am einen Ende der Eichenallee)

Gaststätte Zum Eicheneck, Leegebruch (ggbr. Kulturhaus)

Restaurant Palmenhof (Ringstr. 1)

 

 

Grobskizziert: Zwischen Ländchen und Luch – rund um Vehlefanz

Nach zwei kühlen Tagen folgt nun tatsächlich der erste kalte Tag dieses Spätherbstes – dennoch schien es unwahrscheinlich, dass bereits einen Tag später die ersten Flocken zaghaft vom Himmel herabsinken würden. Getan haben sie es dennoch und dabei eine Stille über alles in der Stadt und auf dem Land gelegt, wie das nur der allererste Schnee vermag.

Hügelländchen bei Vehlefanz
Hügelländchen bei Vehlefanz

Die Natur ist nach und nach zur Ruhe gekommen, wie sie das jedes Jahr tut zwischen Tagundnachtgleiche im September und Wintersonnenwende im Dezember. Alle Pflanzen haben die Farbregler weit heruntergeschoben, die harmonischen Erdtöne zwischen Braun und Grau gewinnen die Oberhand und alles, was noch von kräftiger Farbe ist, wird durch den Dunstfilter der Herbstnebel leicht geblässt. Was sich auch davon nicht beeindrucken lässt, schafft punktuell spektakuläre Akzente, so zum Beispiel die kräftig roten Hagebutten an ihren entlaubten Zweigen oder ein verirrter Asternbusch. Das meistgehörte Vogelpiepsen ist das der Krähen und des Eichelhähers, beide nicht eben für das Vorlesen drolliger Kinderbücher oder Minnesang geeignet und doch überaus passend für die akustische Untermalung dieser visuellen Stille.

In den wasserreichen und weitläufigen Landschaften kommt dazu noch das archaische Tönen der Kraniche oder das geschäftige Geplauder der Gänse. Viele von ihnen sind auf der Durchreise, die anderen bleiben gerne hier über den Winter. Während sich die beachtlich hochgewachsenen Kraniche von vorbeibretternden Autos in keiner Weise beeindrucken lassen, wenn sie nur wenige Meter neben der Straße auf dem Acker stehen, schrauben sich ihre Formationen mit viel Aufwand und Effekt langsam in die Höhe, sobald weit entfernt nur ein Menschlein vorbeispaziert. Gleiches gilt für die Gänse, hier ohne Schraube, und jeweils beide legen diesen Start zugleich mit Wucht und Anmut hin.

Weiher an der Autobahn, bei Vehlefanz
Weiher an der Autobahn, bei Vehlefanz

Gleich nordwestlich von Berlin liegt eine Landschaft, die vor Jahrhunderten fast völlig undurchdringlich war, kaum auf irgendeinem Weg zu queren, was taktisch von diesem und jenem gern genutzt wurde. Hier geben sich gleich mehrere ausgedehnte Luche die Klinke in die Hand und lassen neben der Autobahn nach wie vor kaum kurze Alternativen der Durchquerung – irgendwo ist meistens Schluss oder ein ausgedehnter Umweg fällig.

Das Luch darf fast als Brandenburger Spezialität gelten, zumindest als Begriff. Die Landschaftsform als solche gibt es sicherlich auch anderswo, doch unter der Bezeichnung Luch, die wohl auf slawischen Wurzeln ruht, ist sie vor allem hierzulande anzutreffen. Viel Wasser gibt es in so einem Luch, in Flüssen, Gräben und Kanälen sowie großflächig auch kurz unter der Oberfläche. Dementsprechend auch zahllose Paradiese für große Mengen wassergängiger Tiere mit zwei oder vier Beinen, von welchen mit noch mehr Beinen gar nicht zu reden.

Steg am Fischweiher
Steg am Nördlichen Karpfensee

Zwischen diesen Luchflächen liegen hier als leicht erhöhte Flächen die sogenannten Ländchen, ebenfalls ein hiesiger Begriff von allerschönstem Klang, der gleich Gedankenbilder öffnet. In Vehlefanz, östlich vom Ländchen Bellin und nördlich vom Ländchen Glien, ist man noch keineswegs tief in diesem ganzen weiten Luchgewirr, doch eine Wasserlandschaft gibt es dennoch hier, die weitaus schöner ist und vielfältiger, als sich erwarten ließe. Nördlich davon liegt – auch mit Klang im  Namen – der Krämer Forst.

Vehlefanz

Vehlefanz ist ein hübsches Angerdorf mit einem vergnügten Namen, das über eine erstaunliche Infrastruktur verfügt. Westlich des Dorfes spannt sich zwischen dem Nachbardorf Schwante im Norden und der Autobahn im Süden eine liebenswerte Kette kleiner und größerer Weiher auf, zum Teil mit Fischen drin und allesamt verbunden miteinander. In den zurückliegenden Siebzigern wurde sie um den größeren und weit verzweigten Mühlensee ergänzt, der schlichtweg aufgestaut wurde, quasi aus dem Nichts, und zunächst ganz profan der Landwirtschaft und ihrem Durst diente. Bald schon nach der Wende gab es dann ein Landschaftsschutzgebiet, und mittlerweile sieht man ihm die künstliche Entstehung kaum noch an. Ein Weinberg liegt an seinen Ufern, der einige Generationen zurück noch aktiv war und berebt, und mitten im Herzen des Sees eine Fast-Insel, auf der einmal im Jahr ein großes Sommerlager siedelt – seit fast schon zwanzig Jahren. In dieser Zeit gibt es vom Fuß des Weinbergs sogar einen kleinen Fährverkehr.

An der Weiherkette südlich des Mühlensees
An der Weiherkette

Der abgelegenste der Seen liegt als einziger südlich der Autobahn und war früher als Autobahnsee Schwante bekannt, wenn ich mich recht erinnere. Vielleicht war das aber auch ein ganz anderer See, womöglich der Bernsteinsee bei Velten.  Der Legende nach gab es seinerzeit auf dem entsprechenden Autobahn-Kilometer überdurchschnittlich viele Auffahrunfälle, da am See typisch ostdeutsch nackt gebadet wurde.

Was sich nun auch vom schönsten Körper aus einer Entfernung von hundert Metern im Vorbeirasen genießerisch wahrnehmen lässt, wirft Fragen auf. So entsteht vor dem geistigen Auge das Bild von zügig Reisenden, die mit dem Fernglas einhändig durch die Seitenscheibe zielen. Eine ganz außerordentliche Art von Bedürftigkeit. Gut insofern, dass der damals am weitesten verbreitete Leichtbau-Kraftwagen ohnehin nur mit inniger Mühe, viel Radau und kurzwelligen Vibrationen die dreistelligen Bereiche der optimistisch angelegten Tachoskala erreichte.

Stegweg über dem Mühlensee
Stegweg über dem Mühlensee

Der Mühlensee mit seinen zahlreichen Buchten und Halbinseln lässt sich seit Kurzem auf einem sehr schönen Weg aus der Nähe betrachten. Wem das nicht ausreicht, der kann vorher noch auf wiesigen Feldwegen die Ufer der südlich anschließenden Weiherkette erkunden. Deren besonderer Zauber liegt im Kontrast zum direkt benachbarten grasigen Hügelland, auf dem hier und dort einzelne Obstbäume stehen und über dem immer wieder der Kirchturm des Dorfes pittoresk hervorlugt. Sogar eine alte Wasserburg liegt gut versteckt am Rand der sanften Wiesenbuckel.

Blick über den Mühlensee nach Vehlefanz
Blick über den Mühlensee nach Vehlefanz

Der motorfreie Weg entlang des Sees wartet mit einigen gekonnt inszenierten Plankenpassagen auf, welche die voraus liegende Mühle bestens in Szene setzen. Die Bockwindmühle ist eine von einst Hunderten hier in der Region und feierte in diesem Jahr ihren zweihundertsten. Denkmal ist sie schon seit knapp vierzig Jahren, bis kurz vorher wurde noch Schrot gemahlen mit der Kraft des Windes. Mittlerweile gibt es immer wieder mal ein Fest oder einen Mühlentag hier.

Allee zum Schloss Schwante
Allee zum Schloss Schwante

Schwante

Leider ist der schöne Weg um den Mühlensee irgendwann zu Ende, doch tröstlicherweise gibt es gleich anschließend einen markanten Wasserturm und ein Schloss, beide verbunden durch eine Allee. In das Schloss war nach langem Leerstand wieder Leben eingezogen, und zwar ein ganz besonderes. Beim Vorbeigehen fällt zunächst das Restaurant ins Auge, nicht zuletzt durch den souverän unter freiem Himmel aufgehängten Kristallüster, der sicherlich ähnlich schwer ist wie ein ausgewachsenes Schaf. Ein weiterer wichtiger Kern des Hauses bestand bis vor Kurzem aus der genialen Theatertruppe, die in der dunkelsten Zeit des Jahres auch im Herzen Berlins die einzigartige Märchenhütte zum wochenlangen Leben erweckte, direkt an der Spree. Dementsprechend phantasievoll gestaltet sich der kleine Spielplatz im Schlosspark mit seiner entspannt schwingenden Schaukel. Die Märchenhütte an der Spree wird mittlerweile von anderen Leuten und auf andere Weise bespielt, das herrliche Original-Ensemble lässt sich nunmehr im Berliner Pfefferberg genießen – der liegt zwar nicht an der Spree, dafür jedoch fast metergenau auf der Randkante des Barnims.

Spielplatz im Schlosspark
Spielplatz im Schlosspark aus Sicht der Schaukel

Wenn jetzt schon ausreichend Stoff für mehrere Ausflugstage am Wege lag, geeignet für Ausflügler in allen möglichen Konstellationen, kommt noch ein weiterer dazu – die Bäckerei Plentz mit ihrem Holzbackofen draußen vor der Tür. Neben den wochenendlichen Holzbackofentagen hat fast jede Jahreszeit ein Fest zu bieten. Und gute Bäckerware gibt es die ganze Woche über, wahlweise im kleinen Café.

Blick auf die Schlosskarte
Blick auf die Schlosskarte

Am Rand des Dorfes jenseits der Kirche hält regelmäßig die Bahn, und nördlich dieser Trasse beginnt die absolute Ruhe – mehr November als hier geht kaum. Der Krämer Forst beruhigt allein durch die Gewissheit seiner baumbedeckten Weite bis hin zum Ruppiner Kanal im Norden. Draußen vor dem Wald liegen endlose Ackerschollen brach im flachen Land, deren einzige Aufgabe es derzeit ist, Tausenden von Kranichen als Tummelplatz zu dienen. Ab und zu quäkt ein Zug vorbei da hinten, mal knarrt im Wald einer von den Schwarzgefiederten aus dem Osten. Einige der Wege sind von sagenhafter Matschigkeit, als hätte es geregnet schon seit Wochen, verschlammt und kaum noch zu begehen. Umso schöner dann, am Ziel zu sein, voraus die Aussicht auf beheizte Räume mit Elektro- und auch Kerzenlicht.

Download der Wegpunkte

Links:

http://www.neu-reich.de/mein-oberhavel/velten/bernsteinsee-velten.html (Autobahnsee)

https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BChlensee_%28Oberkr%C3%A4mer%29 (zum Mühlensee)

http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1378587 (zum Naherholungsgebiet Mühlensee)

www.sola-oberkraemer.de/ (christliches Sommerlager am Mühlensee)

https://museen.de/bockwindmuehle-vehlefanz-oberkraemer.html (Bockwindmühle Vehlefanz)

www.schloss-schwante.de/

www.hexenberg-ensemble.de (Original-Ensemble, nicht mehr in der Märchenhütte und im Schloss Schwante, jetzt im Pfefferberg in Berlin)

http://www.plentz.de/ (Bäckerei Plentz)