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Raddusch: Fliehendes Wasser, Mühlentumult und die Gipfelkladde

So gut getränkt das Frühjahr war und entsprechend vegetationsüppig der Sommer, so bunt fällt in diesem Jahr auch der Herbst aus. Je nach Gegend sieht man die sagenhafte Farbpalette der Ahornbäume, die Goldton-Spielarten des Buchenlaubes gemischt mit flirrendem Birkengelb oder etwas später die handfesten Farben des Eichenlaubes. Durch die ganze Jahreszeit flechten sich sagenhafte rote Gebilde oder Hauswände mit wildem Wein.

Boblitzer Kahnfahrt

Nach ersten frostigen Nächten Mitte Oktober ist es in dessen letzten Tagen mit einem Mal kalt geworden. Auf der Weltbühne spielen sich zugleich Dinge ab, so absurd, dass sie kaum wahr sein können – ein bisschen wie aus einem kruden B-Movie. Doch sie sind tatsächlich ernst gemeint. Kleine Fluchten sind daher willkommen, weite Landschaften dafür besonders geeignet.

Gipfelkreuz auf dem Schwarzen Berg

Neben dem Oderbruch oder dem Havelland hat davon auch der Spreewald reichlich zu bieten, was manchem vielleicht gar nicht so gegenwärtig ist. Meistens sind dafür ausgedehntere Wegstrecken ohne Abkürz-Optionen in Kauf zu nehmen, denn das Wasser und sein tausendläufiges Adernetz geben hier die Regeln vor. Selbst wer daran dächte, eine Sackgasse zu erkunden und am Ende einfach das sackstiftende Fließ zu durchschwimmen, trifft am anderen Ufer nur selten auf einen Anschlussweg und hat mich etwas Pech ein paar Blutegel zu Gast. Es ist ein tief verwunschenes Reich aus lichtem, doch zugleich tiefem und unberechenbarem Wald, und so setzt man den Fuß besser auf bestehende und angeschlossene Wege und nirgendwo anders hin.

Radduscher Buschmühle

Klassiker unter solch ausgedehnten, nicht kürzbaren Rundtouren beginnen in Lübbenau, Straupitz oder Alt Zauche. Etwas entfernt von den Besucherströmen gibt es von Raddusch aus einen schönen Moorlehrpfad in moderater Länge, der zudem eine Reihe von Variationen, Abkürzungen oder Erweiterungen gestattet. Der Themenweg ist vor Ort nicht ausgeschildert, doch per mobilem Endgerät gut nutzbar und wird an einzelnen Stationen auch am Wegesrand sichtbar. Ein Zweierteam gehäkelter Frösche in Plauderlaune bietet guten Wiedererkennungswert.

Südumfluter bei Raddusch

Raddusch

Raddusch liegt eher in Randlage des Spreewaldes, noch südlicher als der Südumfluter, einer der beiden großen Klammern des unvergleichlichen Labyrinths, und ist Ausflüglern am ehesten durch die Slawenburg bekannt. Deren eindrückliches Ausmaß wird einem erst bewusst, wenn man im Innenhof des runden Gebildes steht, das scheinbar ohne einen Nagel aus Naturmaterial errichtet wurde. Raddusch ist ein hübsches Dorf mit ein paar Hotels und einem kleinen Kahnhafen, der ohne viel Menschengebautes die holzverflochtenen Ufer der Radduscher Kahnfahrt nutzt. Das spiegelnde Wasser scheint unbewegt, doch etwas Fließen lässt sich bei beharrlichem Hinsehen entdecken.

Am Kahnhafen Raddusch

Im Ort gibt es zudem das gemütliche Alte Backhaus, das wohl schon in der Kuchen-Winterpause ist, ferner einen Skulpturenweg und eine Alpakafarm. Am Zupfad zu den Spreewaldbrücklein am Hafen steht auf der Straße ein Bärtiger und stiert irgendwo hin, so ausdauernd und unbewegt, als zählte er schon zum Skulpturenpfad.

Alpakas in Raddusch

Eine textreiche Gruppe von Kindern mit gemischten Elternteilen strebt zum Ortsrand, wobei eher die Großen plappern als die Kleinen, welche eher mit spreewäldischem Entdecken oder dem Vortragen einschlägiger Beschwerden beschäftigt sind. Ein Brücklein und eine Pfadminute später öffnet sich eine weite, durchnässte Wiese und zieht den Blick sogleich auf eine bunte Horde von Alpakas, einige Stimmlagen schnellen daraufhin nach oben. Die Tiere sind ja von Hause aus schon niedlich, vor allem dank ihrer Gestalt und ihres Felles und wie und wo sie es gerade tragen. Sie können am ganzen Leib oder nur am Kopf pausbäckig aussehen, wirken stets interessiert und bleiben eine Zeitlang im Dialog mit jedem, dessen Aufmerksamkeit gerade gewonnen wurde.

Radduscher Skulpturenpfad

Drüben läuft die heutige Kontaktbörse zwischen Alpaka-Wandertour-Leuten und den gute Laune stiftenden, frostbeständigen Kameltieren. In der anderen Richtung stehen zwischen meterdicken Eichen die verschiedenen Skulpturen, bei denen die Kettensägen-Virtuosen sich teils an ebensolchen mächtigen Stämmen austoben konnten.

Am Ortsrand von Raddusch

Der Weg aus dem Dorf wird begleitet von einer Reihe abgeparkter Strohrollen, die in der just erwachten Sonne würzig duften und weitaus fester gepackt sind, als man denkt. Von links schleicht sich das gewundene Seeser Fließ herbei und trödelt bald unterhalb eines langen Wiesenhanges, was im flachen Spreewald schon staunen lässt. Tatsächlich ist kurz darauf ein Gipfelkreuz ausgewiesen, lockt ein Weg auf die Höhe, der über die gesamte gute Aufstiegsminute spürbar in die Schenkel geht. Oben ist dann die Hochebene erreicht, mit Blick über die Senke des Kahnsdorfer Fließes. Weiter hinten rauscht ein roter Regionalzug vorbei, gen Cottbus.

Gipfel Schwarzer Berg

Vorbei an einer Birkengruppe mit benachbartem Ginster verläuft ein herrlicher Höhenweg, von links duftet die jüngst gemähte Wiese. Im vorausliegenden Wäldchen mit seinen gelben Birkenschöpfen lässt sich schon das Gipfelkreuz erahnen, vermutlich eines der zehn schönsten im Spreewald. Die kunstvoll schmiedeeiserne Arbeit steht leicht unterhalb der Gipfelhöhe direkt am Weg und beugt damit Abstürzen bei übermütig posenden Selbstablichtungen vor. Dem amtlich verstaubaren Gipfelbuch gehen langsam schon die weißen Stellen aus, doch wer sich kurz fasst oder extraklein schreibt, kann seinen Vers noch reindrängeln.

Kammweg auf dem Schwarzen Berg

Schwarzer Berg

Gleich benachbart liegt die Außenstelle des Waldkindergartens, dessen wetterfeste Möblierung nach einer langen Reihe guter Kindertage aussieht. Der Abstieg verläuft moderat und die Aussicht von der Höhe wird bald von einer in Tallage abgelöst, die ebenbürtig ist. Eine schöne Kurve mit weitem Blickfeld wird erst von weißen Birkenstämmen, dann von schönkronigen Eichen begleitet. Hinten in der nahen Ferne lagert verteilt wie grasende Bisons eine Herde Strohrollen. Gleich darauf weist eine Station des zwiebefroschten Moorlehrpfades auf das Quellgebiet Carna Gora hin, das wohl erst seit kurzem wieder aktiv ist. Das hat Seltenheitswert, dass eine einst gewesene Quelle wieder zu sprudeln begann. Oder zu tröpfeln.

Gipfelkreuz mit Gipfelbuch bei Raddusch

Es folgt eine gerade Passage, die länger entlang der Bahntrasse verläuft und auf der Karte eher praktisch und notwendig aussieht. Vor Ort erweist sie sich als reizvoll, wird von Büschen und jungem Gebäum flankiert und lässt die Bahnstrecke kaum in Erscheinung treten. Windgebeugte Birken wechseln mit bungalowgroßen Brombeerbüschungen oder rankenumwachsenen Bäumchen und lassen immer wieder schön gerahmte Blickfenster auf die weiten Feuchtwiesen mit ihren versprenkelten Hartgrasstoppeln frei.

Auf dem Moorlehrpfad bei Raddusch

Laut Wegweiser sind es nur sechs Kilometer nach Lübbenau, was an dieser Stelle verwundert. Hier werden nun erstmals auch die themengebenden Moore sichtbar, größere Passagen der Wiesenlandschaft stehen mindestens knöcheltief unter Wasser, welches im fortgeschrittenen Schönwetter blau spiegelt.

Blick über die Feuchtwiesen

Auf Höhe einer inoffiziellen Gleisquerung entfernt sich der Weg von der Bahntrasse. Gleich darauf liegt an einer Weiherbucht des Moores die nächste Station des Themenweges. Ein gefallener Birkenstamm taugt gut als Rastbank und macht uns selbst zum Teil eines bezaubernden Bildausschnittes aus grasigen Uferkanten, knorrigen Baumstämmchen und liegendem Holz, in dem zur Hauptsaison sicherlich schlohweiße Schwäne hin- und hergondeln.

Bald beginnt eine schnurgerade Passage entlang der nächsten großen Moorwiese, hinten saust geräuschlos der nun von Cottbus kommende Doppelstockzug vorbei. Etwas Wind ist aufgekommen und lässt den Kragen höher schlagen, das Halsweich etwas aufplustern.

Quellgebiet Carna Gora

Südumfluter, die erste

Kurz darauf treffen wir auf eine der stärker frequentierten Passagen. Während es noch vor zehn Jahren die Regel war, dass man hier im trüben November den ganzen Tag nicht einen Menschen traf, ist es heute vergleichsweise voll, auf den winterlichen Spreewald heruntergerechnet fast ein bisschen wie aufm Alex. Demnach hatte sich doch herumgeschwiegen, dass es heute schönes Licht geben soll. Der Weg folgt den sanften Kurven der breiten Boblitzer Kahnfahrt, die man hier fast schon für einen der Spreearme halten könnte. Besonders schön ist sie nicht nur dank ihrer Biegungen, sondern auch der dicht stehenden, kräftigen Ufererlen wegen, welche ein gutes Maß an Spreewaldflair ausstrahlen.

Weg entlang der Bahnstrecke

Zwischen Fahrweg und Wasserlinie erhebt sich ein winziger Deich und gestattet eine Draufsicht auf Wasserarm und Landschaft. Drüben auf den Wiesen lümmeln Kühe und Kälbchen in drei Farben, nicht eine einzige steht oder rupft, allenfalls ist etwas Käuen drin. Etwas vom Dunst des Vormittags hat sich zwischen den Erlen überm Wasser bewahrt und setzt selbst unter dem höchsten Tageslicht etwas Mystik frei. Am Eck treffen Kahnfahrt und Südumfluter zusammen. Trotz des künstlichen Anklanges beider Namen ist es eine einzige verwunschene Naturpracht hier.

Moorweiher gen Boblitz

Davon abgesehen stehen in Reihe an der kleinen Deichflanke ein Dutzend Fahrzeuge mit großer Bodenfreiheit, manche wirklich geländetauglich, manche eher, weil man das so trägt. Aus vielen Landkreisen Brandenburgs kommen sie, ein paar auch von weiter her. Dementsprechend ist jenseits der Brücke über den breiten Südumfluter eine Jagd ausgeschrieben. Netterweise verläuft diese abseits unserer Route, und so können die knallgelben Überzüge, welche uns von Reh und Bache unterscheiden sollen, dort bleiben wo sie sind.

Moorwiesen bei Boblitz

Auf einer nahen Lichtung stehen Biergartenbänke und ein Dreibein, Utensilien für das zugehörige Feuer sind jedoch nirgends zu sehen, auch keine waltende Kaltmamsell oder -papsell. Das breite Wasser liegt wie unbewegt, hinten in der Flusskurve werfen krumm emporgestrebte Birkenstämme ihr fahles Spiegelbild.

Boblitzer Kahnfahrt

Eine klassisch zu nennende Erlenallee säumt den nächsten Wegabschnitt. Nach der Brücke über die Untere Boblitzer Kahnfahrt öffnet sich dann die Landschaft. In größeren Abständen kommen uns Senioren auf Rädern, Anfangdreißiger auf E-Bikes und auch ein paar Fußgängerpärchen entgegen, mal in Grundsatzdiskussionen unterbrochen, mal naturfrisch und in eleganter Freiluftgarderobe und mal in Filz und Wollstrick und dabei still versonnen ob der wunderbaren Mischung aus grüner Weite und wohligem Wetter. In den kurvigen Wasserläufen zeigen sich immer wieder anmutige Baumspiegelungen.

Ruhende Rinder

Die lange, gerade Passage mitten in den Tiefen des Spreewaldes versammelt auf ihren weiten Wiesen eine immer wieder neu kombinierte Mischung aus Einzelbäumen, Schilffeldern, Hartgrasbüscheln und saftig grünen Wiesenflächen. Baumreihen zeigen an, wo sich gerade oder verspielte Fließläufe bewegen. In freier Fläche ruhen gefallene, teils skulpturale Weiden, aus deren Stämmen kleine, einreihige Baumlinien nachwachsen. Hinter allem erhebt sich der geschlossene Hochwald, der so gut wie unzugänglich ist und damit umso mehr geheimnisvoll.

Boblitzer Kahnfahrt im Nachmittagsdunst

Im höchsten Wipfelgezweig einer hochgewachsenen Erle sitzt wie sein eigener Scherenschnitt ein Rabe und lässt in der Präsentation seiner selbst keinen Zweifel darüber, dass jetzt seine Zeit angebrochen ist. Stellenweise sind kleine Einblicke in das undurchschaubare Dickicht des halbhohen Erlenwaldes zur Rechten sichtbar. Das Wasser des nahen Forstgrabens ist in unregelmäßigen Flecken von Entengrütze und halbversunkenem Laub bedeckt. Vereinzelte Enten ziehen im Grützteppich ihre krukeligen Bahnen, die sich nur träge wieder schließen. Ein Mann radelt vorbei, das Rad ähnlich alt wie er, und scheint eher dienstlich unterwegs zu sein. Vielleicht ist er dafür zuständig, unterm verwaisten Dreibein ein Feuer zu entfachen und damit für einen harmonischen Ausklang der Jagd zu sorgen, ganz gleich wie erfolgreich sie auch war.

Südumfluter

Dubkowmühle

Ein stiller Weiher markiert in etwa Halbzeit zwischen Südumfluter und dem Abzweig zur Dubkow-Mühle, danach verläuft der Weg weiter zwischen Schilfflächen, laublosen Erlen und den offenen Weiden jenseits des Dubkower Kanals. Kahle Baumriesen erheben sich dicht am Ufer. Am Abzweig zur Dubkowmühle, einem der schönsten Ausflugsziele in den Tiefen des Spreewaldes, bekommt ein etwas verspannter Rennradler gerade so die Kurve und entgeht so der schmerzvollen und im Nachgang zeitraubenden Fusion mit dem hiesigen Brombeerbusch. Die Dubkow-Mühle liegt schon in Winterruhe, ist aber auch jetzt den kurzen Abstecher wert, nicht zuletzt für eine schöne Rast am Ufer der Hauptspree.

Wiesen am Forstgraben

Radduscher Buschmühle

Nachfolgend schweift der Blick links über eine extrem platte Stoppelwiese, zwischendurch werden mehrere Fließarme überquert und schließlich kommt das erste Gebäude seit Raddusch in Sicht. Nachdem sich von links ein Wasserarm hinzugesellt, wächst voraus aus dem Dunst des nahenden Abends das erste Haus der Radduscher Buschmühle, die vor einigen Jahren fast komplett neu aufgebaut wurde, mit viel Geld und Sinn fürs Schöne sowie mit gutem Händchen. Gastronomie gibt es hier nicht mehr, dafür gleich gegenüber nahe der Schleuse einen zauberhaften Pausenplatz mit überdachten Rastraufen, schönster Blick auf das pittoreske Fachwerk-Mühlenensemble inklusive. Im ferneren Hintergrund grasen, trotz Abenddunst gestochen scharf, lose verteilte schwarze Rindviecher.

Weg entlang des Forstgrabens

Während der Pause spielt sich ein kleines Drama ohne großes Leid ab. Ein kleiner, diensthabender Lumpi, der aufgrund seines kurzen Rumpfes beim Laufen wippt, sieht vom Mühlengrundstück aus Leute mit Hunden am Gegenufer eintreffen und setzt an zu einer entrüsteten Klagerede, warum denn weder einer ihn gefragt und auch nicht miteingeladen hätte. Und was das Ganze überhaupt soll. Rennt ein paar Stücke weiter, setzt dann fort und guckt ein paar Mal um sich herum.

Blick über die nassen Weiden

Hinter den Leuten kommt noch eine Frau, die mit ihrem Pony die Runde macht, begleitet vom Sohn auf dem Rad. Auch die waren wohl nicht angemeldet. Und überhaupt. Nachdem Ponydame und Radjunge aus dem Blick sind, besteigen die Hundeleute umständlich ihr Fahrzeug, wenden es noch umständlicher und sind auch bald weg. Der Lumpi trottet, jetzt schon weniger wippend, nochmal an der schmalen Wasserlinie des Mühlengebäudes entlang, knurrt kaum vernehmbar in sich hinein, geht dann wieder zurück, brabbelt noch was Letztes und verschwindet schließlich hinterm Haus.

Radduscher Buschmühle

Südumfluter, die zweite

Direkt am Ufer des Südumfluters folgt nun eine zauberhafte Passage, die gut zum heraufziehenden Abend passt. Mit breiter Wiesennarbe verläuft ein Weg auf der Krone des zarten Deiches. Die Flusskurve, die hohen Uferbäume und die freie Wiesensicht nach Süden sorgen mit der tiefstehenden Sonne für eine Bildkomposition, die ein Geschenk ist. Die aufgehäuften Bänder der frischen Wiesenmahd liegen in zahlreichen Parallel-Reihen. Wieder im Wald wird der breite Wasserarm erneut von hohen, dunklen Stämmen begleitet.

Pony am Rastplatz

Am bald folgenden Wasserkreuz von Vetschauer Mühlenfließ und Radduscher Kahnfahrt besteht nun die Option, noch dem Kossateich einen Besuch abzustatten. Der Fischteich wurde Ende der 1970er Jahre als Ersatzmaßnahme für abgebaggerte Tagebauflächen angelegt, zum Herbst wird jeweils das Wasser abgelassen. Neben Singschwänen, Seidenreihern und anderen Wasservögeln lassen sich hier manchmal auch Fischadler beobachten. Der Großteil des Weges hat Wasser zu beiden Seiten Wasser und einen freien Blick über den großen Teich.

Dammweg entlang des Südumfluters

Aktuell ist das Wasser bis auf eine große Pfütze abgelassen. Die befindet sich immer dort, wo man selbst gerade nicht ist. Im Ausgleich schaut man von der Uferperspektive auf den schlammtrockenen Teichboden, was die zahllosen Schilfinseln wie Fabelwesen wirken lässt und jetzt im allerletzten Tageslicht eine eigentümliche Atmosphäre erzeugt. Ein unregelmäßiges System teils zielloser Trittspuren zeugt davon, dass der Teichgrund zumindest Vierbeiner trägt. Vögel sind eher zu sehen als zu hören, die Geräusche gab es jedoch am Tage schon großzügig, als riesige Formationen von Gänsen und Kranichen am Himmel entlangzogen. Am Zuweg zur Teichrunde stehen die einzigen Ahornbäume der Tour und zeigen noch einmal, wie Gelb auch aussehen kann.

Kaupen nahe Kossateich

An der Wasserkreuzung von vorhin beginnt eine für uns neue Passage entlang der stets leicht gewundenen Radduscher Kahnfahrt. Diese ist einfach nur zauberhaft und bietet das Vergnügen über fast zwei Kilometer, wird sofort bei den schönsten Spreewald-Wegen im persönlichen Archiv abgelegt. Zugegebenermaßen steht ihr auch das Abendlicht sehr gut und verleiht der genießerischen halben Stunde eine leicht unwirkliche, abermals mystische Note, die bestens zum Spreewald und seiner Sagenwelt passt.

Abendlicher Kossateich

Der ufernahe Weg verläuft auch hier auf einem kleinen Deich. Dieser, das diesseitige und auch das jenseitige Ufer sind in regelmäßigen Abständen bestanden von hochgewachsenen Erlen. Zwischendurch finden sich immer wieder längere Reihen schmaler Birken. Die Sonne ist kurz vorm Verschwinden, blinzelt nur ab und an noch zwischen den schwarzen Erlenstämmen hindurch. Drüben auf der Weide stehen in dunklem Leder die Kühe und strahlen die absolute Ruhe aus.

Dammweg entlang der Radduscher Kahnfahrt

Einen Farbkleks zwischendurch bietet Melusine, eine Wasserfee mit dem Körper einer Schlange, deren Gestalt hier vom Wind jederzeit verändert werden kann. Die stark taillierte Dame mit Mittelscheitel und dem Wesen einer Nixe ist vor ein paar Jahren umgezogen, hatte vormals ihr Reich im Straupitzer Schlossteich.

Letztes Licht an der Radduscher Kahnfahrt

Kurz darauf steht am Gegenufer eine Reihe von Kopfweiden, bei denen bald die nächste Schur ansteht. Der Gedanke, dass die stämmige Brigade zu Melusinens Schutz abgeordnet wurde und bedarfsfalls in Erscheinung tritt, scheint nicht komplett abwegig, die aktuelle Stimmung gibt es her. Auch wenn wir nichts im Schilde führen, sehen wir zu, dass wir weiterkommen, denn gerade jetzt übergibt die Dämmerung mit ruhiger Geste an die Finsternis. Und die kann der Spreewald richtig gut.

Bunte Sagengestalt am Fließufer

Am kleinen Hafen ist mittlerweile vollständige Ruhe eingekehrt, die Brücklein stehen schwarz über dem stillen Wasser. Aus den Fenstern leuchten erste Lichter und unterm nächsten Windfang sogar ein verfrühter weißer Weihnachtsstern. Mal abgesehen davon, dass Melusine nichts zu tun hat mit dem Skulpturenpfad, staunen wir nicht schlecht, als der Typ vom Morgen an derselben Stelle steht und reglos in dieselbe Richtung schaut, im Licht einer Laterne. Eine Krähe krächzt von rechts, gleich darauf eine von links. Es ist schon viel Besonderes im Spreewald.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
stündlich per Regionalbahn (ca. 1 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über Autobahn (ca. 1,25-1,5 Std.) oder über Landstraße (ca. 2,25-2,5 Std.)

Länge der Tour: ca. 18 km (Abkürzungen möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

 

Links:

Moorlehrpfad Raddusch

Alpaka Finca Raddusch

Radduscher Buschmühle

Melusine im Spreewald

 

Einkehr: Raddusch div. Möglichkeiten sowie Alte Bäckerei
Dubkow-Mühle (unterwegs, 5 Min. Zuweg)

 

 

 

Grobskizziert – Menz: Holzlaufbahnen, ein Fjord in Weiß und die beweglichen Antworten

Seit Ende Januar schon laufen Erlebniswochen, wie es im Marketing heißen würde – ein richtiger Winter liegt über dem Land, mit viel weißem Schnee und ohne böse Extreme, mal abgesehen von den üblichen Gewöhnungsproblemen für alle Verkehrsteilnehmer und moderne Fahrzeuge mit viel sensibler Elektronik.

Talgrund östlich von Menz

Pünktlich zum Vorabend der Winterferien begann mit bedächtig herabsinkenden Flocken dieses prächtige Schauspiel und verteilte behutsam Balsam auf den wunden Seelen der meisten Leute. Wieder sah man Familien bei gemeinsamen, fast komplett analogen Aktivitäten wie Schneemannbau, Schlittenfahren oder schlichtweg gemeinsamer Winterspazier. Die unschuldige Schönheit und auch die Seltenheit lang währenden, reinweißen Schnees ist Anreiz genug für solche stille Übereinkunft der Altersgruppen, gemeinsame Freude unter freiem Himmel eine Zeitlang aller Peinlichkeit beraubt.

Friedensplatz in Menz

Endlich können auch die richtig dicken Wintersachen aus selten besuchten Schranktiefen geborgen werden, und so sehen viele Leute aus wie Schlafsäcke mit Beinen oder Inuit auf dem Weg zum Walfang und geben dieser ganz eigenen Art des Laufstegs einen letzten Schliff, bei dem ein schlankes Erscheinungsbild keinerlei Rolle spielt. Selbst der kindlich-liebenswerte Fäustling, sonst in den Innenstadtlagen eher belächelt, wird selbstbewusst an alle Größen von Händen gesteckt und darf gern auch besonders bunt sein.

Brücklein über den Wentowkanal

Noch immer sollen die eigenen vier Wände nur aus gutem Grund und mit Gesichtsmaske im Gepäck verlassen werden, in der Entfernung zum Wohnort gibt es hingegen keine Einschränkung mehr. Wer also die Menschenleere beim Bewegen unter freiem Himmel sucht, tut das in besonders einsamer Gegend und kann gut damit leben, dass es nicht ganz so spektakulär zugeht.

Roofenhütte

Wer hingegen endlich wieder ein klassisches Touristenziel vom Kaliber Spreewald, Rheinsberg oder Stechlinsee besuchen möchte, sollte etwas Entlegenes mit eher verschachtelter Anreise wählen bzw. etwas, das in der Peripherie eines der großen Klassiker liegt und ähnlich viel zu bieten hat.

Badestelle am Roofensee

Im Spreewald könnte das der weitläufige Unterspreewald sein oder die Region zwischen Burg und Vetschau, bei Rheinsberg das zauberhafte Lindow oder vielleicht die seenreiche Gegend um Zechliner Hütte. Beim Stechlin ist es eigentlich recht einfach, denn auf dem Weg dorthin kommt man in den meisten Fällen durch das Dörfchen Menz, dessen Ortsbild ähnlich reizvoll ist wie das von Neuglobsow. Auch hat der fjordartig gewundene Roofensee einige Uferpassagen zu bieten, von denen der Stechlin nur träumen kann, und wenn er noch so schön und einzigartig und besungen ist.

Plankenweg Grubitzwisch

Menz

Das Dorf liegt auf einem flachen Buckel zwischen dem Ostende des Roofensees und einem hinreißend schönen Talgrund, den ein Bachlauf prägte. In der Mitte plätschert dessen Wasser in Richtung Havel, die unweit des Ziegeleiparks Mildenberg erreicht wird. Vom anderen Dorfrand schon zu sehen und in wenigen Minuten erreicht ist die großzügig angelegte Badestelle am See. Das glasklare Wasser kann mit dem des Stechlin gut mithalten, auch wenn der Roofensee lange nicht so tief ist wie sein berühmter Nachbar.

Zugefrorener Roofensee

Wenn man jedoch seine schmale Linie bedenkt und sich die Fortsetzung der steilen Uferhänge unter Wasser vorstellt, ergibt sich eine beachtliche Tiefe, welche wohl die allerwenigsten Wald- und Wiesentaucher entspannt erreichen dürften. Rechts des Strandes erhebt sich durchaus wahrnehmbar der bewaldete Hausberg mit einem überwachsenen Ringwall und bietet unterhalb seiner Flanke die Option, zum und vom Strand nicht denselben Weg nehmen zu müssen.

An der Schleusenwiese

Um den offenen Dorfplatz, von dem man bereits die Kirche sehen kann, reihen sich allerhand schöne Häuser, oft mit Fachwerk. Darunter ist auch das Naturparkhaus Stechlin. Hier wird allerlei Zeitvertreib angeboten, sei es zum Aufwärmen, nach der Tour oder als Schlechtwetteroption. In normalen Zeiten gibt es auch Gastronomie im Menz, und so ist die weite Anreise an und für sich schon lohnend, selbst wenn man das Ortsgebiet nicht nennenswert verlassen möchte.

Am Nordufer des Roofensees

Themenrundweg „Von Moor zu Moor“

Ein sehr einnehmender Teil des Naturparkhauses, der nicht im staketumzäunten Areal liegt, ist der bezaubernde Rundweg „Von Moor zu Moor“, der im Prinzip den klassischen Rundweg um den Roofensee kunstvoll und mit gutem Gespür für das rechte Maß aufbohrt. Zwar ist absolut nichts einzuwenden gegen den beliebten ufernahen Zweistünder um den See, er zählt mit seinen steilen Waldflanken und dem verspielten und teils sehr schmalen Pfad am südlichen Ufer ganz klar zu den besonderen Seerunden in Brandenburg.

Stiege hinab zum Kesselmoor

Doch wenn ein Thema – in diesem Fall das Moor – so liebevoll umgesetzt wird und sich tatsächlich an mehr als zwei Ecken der Tour wiederfindet, dann macht das wirklich Spaß und belohnt für manches Geschnaufe beim häufigen Rauf und Runter zwischen den Stationen. Charmant ist neben dem gelungenen Logo übrigens auch die Wegweisung mit dem roten Dreieck, das in immer wieder neuen Varianten erscheint.

Am Großen Barschsee

Manchmal führt es auch in eine kleine Sackgasse, wo eine weitere Station oder ein schöner Rastplatz warten. Doch aus kleinen Verlaufereien erwachsen ja oft die schönsten Entdeckungen, und der Weg zurück ist niemals länger als zwei Minuten. Am Ende der Tour weiß man dann, wie die Wegweisung zu handhaben ist – um es bis zum nächsten Mal wieder zu vergessen.

Der überfrorene Wentowkanal

Bei dieser Tour gibt es also zwischen den Wegen und Pfaden aller Größenordnungen, die teils von skandinavischem Gepräge sind, gut verteilt immer wieder Bruchwälder oder –wiesen und natürlich eine ganze Reihe kleiner bis kleinster Moore, die jeweils mit einem Stück Plankensteg und robuster interaktiver Informationsmechanik bedacht wurden. Und so ein Stückchen Bretterweg zwischendurch ist immer ansprechend. Keines der Moore gleicht dem anderen, sei es nun von der Erscheinungsform oder der umgebenden Topographie.

Plattform an der Schleusenwiese

Bei der Umsetzung der einzelnen Stationen hatten Zimmerleute und Metallbauer, Naturkenner und Touristiker Spaß und in diesem Zusammenhang wohl auch ein angemessenes Budget zur Verfügung, so dass alles Verbaute nicht nur visuell und haptisch ansprechend, sondern auch von großer Haltbarkeit ist. Erfolgreich wird neugierig gemacht, und wer was wissen will, muss zumindest die Hände aus den Taschen nehmen und etwas in Bewegung setzen, um eine Antwort zu erhalten.

Brücklein über den Wentowkanal

Wer Lust auf ein Stündchen mehr hat und der Besuchermenge an Wochenendtagen etwas ausweichen möchte, kann vorher noch einen Bogen nach Westen schlagen, sich durch den Wald zum erwähnten Talgrund treiben lassen und dann an dessen südlichem Rand zurück nach Menz spazieren. Beim Erreichen des ersten Hauses fällt dann die leicht erhöhte Lage des Dorfes auf. Ganz im Osten des Bogens ist übrigens etwas Interpretationsbereitschaft gefragt, denn einige der Wege sind ein wenig zugefallen.

Am Südufer des Roofensees

Zur Wahl stünde für Familien übrigens auch ein knapp einstündiges Minimalprogramm mit Bergumrundung, -besteigung und –überquerung sowie anschließendem Strandbesuch, das auch für kurze Beine gut passen sollte. Auf dem Gipfel des Wallberges gibt es eine Rasthütte, an der Badestelle flaches Einstiegswasser und unterwegs viel zu entdecken.

Wallberg bei Menz

Wem auch das noch zu aufreibend klingt, der geht vom Friedensplatz in Richtung Wallberg, überquert die Seestraße und setzt sich achtzig Meter später links auf die Bank, von der sich all das schön aus naher Ferne betrachten lässt. Und lauscht dort ganz in Ruhe dem, was die Jahreszeit gerade so zu bieten hat.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
von Berlin-Gesundbrunnen über Gransee nach Menz (ca. 1,5-1,75 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über Land (verschiedene Varianten)(ca. 1,5-1,75 Std.)

Länge der Tour: ca. 18 km (blau, Abkürzungen vielfach möglich; zur Vermeidung verwachsener Wege von Wegpunkt 7 direkt zu 12);
Berg-Strand-Tour für kurze Beine (grün, ca. 2 km)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Naturparkhaus Stechlin in Menz

Faltblatt „Von Moor zu Moor“ (PDF)

Rundweg Wallberg

Einkehr:

Künstlerhof Roofensee (Berliner Str., schräg ggbr. der Kirche)

Liepe: Stille Wasser, sieben Seen und die Waldmeisterschaft

In den vergangenen Wochen hat der Mai eine kühle Schulter gezeigt, welche die Natur zu üppigem Grün in allen Wuchsbelangen geführt hat, zugleich jedoch die Menschen auch an Ihre Kleiderschränke, um turnusmäßig weggehangene Winter- oder Übergangsklamotten doch noch einmal zu rauszukramen. Etwas Regen gab es immer mal wieder, so dass Waldbrand aktuell kein Thema ist und der Boden nur an wenigen Stellen aufgewirbelten Staub freigibt, wenn der Wind hineinfährt. Im Wald ist das Blätterdach nun dicht, die Zeit der frühen Blümchen drum vorbei, während auf den Wiesen die bunte Blüten-Pracht in die erste Runde geht.

Wasserspiegel im südlichen Plagefenn

Die Mauersegler hatten nach kurzem Intermezzo noch einmal die Segel gestrichen und wagen sich nach einigen wärmeren Tagen nun endgültig in ihre Reviere, die meist mit Häuserschluchten oder steilen Wänden zu tun haben. Den Grillen ging es da ähnlich, nur dass deren Reviere gänzlich anders aussehen. Für eine innere Verfassung, die Vorfreude auf freie Tage im Sommer verheißt, sorgen die Töne sowohl der einen als auch der anderen. Vorsorglich abgewartet hatte hingegen alles, was Froschaugen unterm Scheitel trägt, und so ist es nun in feuchten Senken und entlegenen Weihern vorbei mit der Stille. Jegliche Fliegen leben von nun an gefährlicher, und aus dem entgegengesetzten Blickwinkel oder zwei Nahrungskettenglieder höher können auch die Störche und die Kraniche aufatmen.

 

Blick durch die Brodowiner Fenster

Bevor nun auch die Mücken ihre geduldig im Wasser treibenden Kompressionssäcke verlassen und für ein paar Sekunden die absolute Anmut verkörpern, wenn sie vom Reich des Wassers zu dem der Luft wechseln, ist jetzt die letzte Chance, weitgehend ungepiesackt durch entlegene Bruchwälder ohne viel Wind zu streifen. Blicke auf andere Bundesländer und ein Besuch der Müritz im letzten Jahr hatten länger schon Lust auf Moor gemacht, und eine thematisch benachbarte Seite, der Berliner Wanderschuh, im Winter den passenden Gedanken ans Plagefenn hinterm Ohr platziert. So viele halbwegs zugängliche Moore gibt es nicht im Land Brandenburg, und das Plagefenn zeigt zudem eine stattliche Ausdehnung, in der sich allerlei Wildnis finden lässt. An deren Rand liegen obendrein zwei besonders schöne Dörfer, die jeweils eingebettet sind in charakterstarke Landschaften.

 

Ausgeuferte Kopfweiden zwischen Brodowinsee und Wesensee

Liepe

Liepe ist eins von diesen Dörfern zwischen Eberswalde und der großen Oder, welche die Anmutung eines Bergdorfes haben, wie auch Falkenhagen oder eben die benachbarten Orte Niederfinow und Oderberg. Alle liegen Sie am weiten Bogen des alten Oderverlaufes, der die große Oder-Insel von Neuenhagen westlich umrundet und ein weites, topfebenes Tal aufspannt. Von diesem steigt die Landschaft in einer steilen Stufe an, wobei zwar nicht viele Höhenmeter gesammelt werden, doch dafür oftmals sehr direkt. Die Dörfer liegen jeweils unterhalb dieser Flanke, entsprechend viele Terrassengärten gibt es und schöne Aussichten von den höheren Lagen, die bewaldet sein können oder offen. Liepe ist das einzige der Dörfer ohne Kirche, dafür gibt es einen schicken Gutshof, wo man in edlem Rahmen heiraten kann oder einfach nur ein Bierchen zischen. Wenn auch man sich in Knöchelschuh und Waldzivil vielleicht fehlplatziert fühlen könnte, doch das kann auch ganz anders sein.

 

Am Gutshof Liepe

Vom schönen Areal mit seiner prächtigen Außenmauer steigt eine direkte Treppe ab, die das mit dem Bergdorf nochmals unterstreicht. Unten strömt sofort der Duft der weiten Oderbruchwiesen durch die Nase und weiter in die Lungen, und einige Schritte darauf spannt sich im Breitformat der Blick über ebendiese auf, bis hin zu den Schulter an Schulter stehenden Schiffshebewerken bei Niederfinow. Die erste Wiesenmahd wurde bereits begonnen, in der Folge ist zum einen der Wiesenduft noch aromatischer, zum anderen schweben in edel performten und weitgefassten Bögen die hiesigen Störche ein, um mal was in den Schnabel zu bekommen, was nicht nass und glitschig ist.

Im Übergang zwischen den äußeren Grundstücken und der weiten Landschaft liegen einige Gärten, deren Erde tiefdunkel und fruchtbar sein sollte. Versonnen und leicht betulich wird hier und da mit Rechen oder Spaten gearbeitet, mit grünem oder auch schmutzigem Daumen. Riesige Scheunentore gibt es zu sehen und wettergegerbtes Holz, schöne Gärten und verpeilte Hofhunde. Alle sichtbaren Fahrzeuge sind eher nützlich als repräsentativ, abgesehen von einem tiefergelegten Opel, dessen Unterboden scheinbar auf der hohen Wiese aufliegt. Gibt es also auch noch.

 

Blick von Liepe auf die Schiffshebewerke

Kurz hinter zwei Buswartehäuschen aus zwei Epochen deutscher Geschichte zweigt die Choriner Straße ab, die ihren Namen zu Recht trägt – zu Fuß würde man nach zwei Stunden genau am eindrucksvollen Kloster herauskommen. Doch das ist eine andere Geschichte, auch wenn sie auf dem Zettel dieses Jahres steht. Wir folgen der ersten Gabelung, die rechts in einen schattigen Weg mit Wiesennarbe lockt. Nach den letzten Gärten und Schollen beginnt ein saftiger Wiesengrund mit wuchtigen braunen Kühen, die im Vor- und Rückblick zu einer weiteren Gebirgsimpression beitragen. Mitverantwortlich sind auch die Thiedsschen Berge.

 

Scheunentor in Liepe

Hinter den Wochenendgärten beginnt ein Pfad, der ohne viel Gewese in die entrückte Welt des Plagefenns führt. Die Bäume sind hoch, das Blätterdach schon dunkler als noch vor zwei Wochen, und darunter haben sich unzählige Singvögel sehr viel mitzuteilen. Schon bald liegt rechts die erste Wasserfläche, fast lückenlos bedeckt von Entengrütze, die jegliche Bewegung in prächtigem, matten Grün stillgelegt hat. Kein Tier ist zu sehen, das es wagen würde, die verschwiegene Ruhe dieser Fläche zu stören, eine wasserschwarze Lücke zu reißen. Nur altgediente Bäume ragen heraus, die sich als Erlen kaum beeindrucken lassen von nassen Füßen. Gefallene Stämme liegen im Wasser, schauen noch ein Stück heraus und lassen erahnen, wie flach und morastig es hier ist, wie unwiederbringlich verloren etwas wäre, was man hier hineinwirft. Einige der bemoosten Stämme dienen selbst schon als Nährboden für neue Stämmchen oder Grasbüschel. Versunkene Baumstümpfe sind lebhaft ausgetrieben, andere von buschigem Gras umgeben, wie kleine Inseln.

 

Stilles Moor bei Liepe

Plagefenn

Kurz nach dem Queren eines im Sickertempo fließenden Verbindungsgrabens beginnt dann die Welt der riesigen und verzweigten Wasserfläche am Düsteren Possenberg, die einen regelrecht umhaut und wieder einmal darüber staunen lässt, was es in Brandenburg alles für Landschaften gibt. Wie völlig woanders sieht das aus und weit weg, wie irgendein Hochmoor in ferner rumänischer Wildnis oder den entlegenen Grenzwäldern zwischen Bayerischem Wald und Böhmerwald.

Irgendwo beim Berliner Wanderschuh stand geschrieben, dass man vor lauter Staunen den Abzweig verpasst hätte und dann etwas durch Kraut und Unterholz staksen musste, bis wieder ein richtiger Weg erreicht war. Das ist absolut nachvollziehbar, denn alle paar Meter muss man stehenbleiben und die Augen oder die Ohren aufreißen, lauschen oder linsen, sich auf die Zehenspitzen stellen oder an den Rand zwischen nass und trocken vorwagen, um ein Bild zu knipsen, frei von Uferästen. Hier gibt es grobmaschige Gespensterwälder aus stummen, astlosen Stämmen, undurchdringbare Schilflabyrinthe für Orientierungsmeister, ferner kleine Erlenwälder, die im Wasser stehen und einfach so gedeihen sowie dazwischen immer wieder üppige Buketts hochgewachsener Wasserlilien.

 

Hölzerner Elefantenfriedhof

Ganz hinten, hin zum erwähnten Berg mit dem leicht schaurigen Namen, ruht wie ein nach abgebrochenem Spiel vergessenes Goliaths-Mikado ein Elefantenfriedhof aus unendlich langsam zueinander getriebenen, glatten Stämmen, teils übereinander geschoben. Gegenüber, am Verbinder zum Nebenmoor, halten Dämme in mehreren Stufen das absteigende Wasser in Schach. Die Stufen sehen nicht nach Biber aus, zu brav, zu gleichmäßig, zu vernünftig. Oder der Biber ist diplomiert und von den Forsten angestellt, so allenfalls könnte es sein.

Währenddessen trägt die Windrichtung mit jedem weiteren Schritt eine weitgehend monotone Chormusik übers Wasser, die aus zehntausenden Kehlen kommt und mutmaßlich ohne Dirigenten, Strophen oder derlei Regelwerk funktioniert. Eher wie ein Klangteppich ist, doch mehr stoppelig als weich. Und in den Bann zieht. Immer lauter schwillt es an. Was wir bisher im Jahr an Fröschen nicht vernahmen, gibt es jetzt in einem Rutsch. Es müssen so unerhört viele sein, vielleicht alle.

 

Uferweg im südlichen Plagefenn

Am Düsteren Possenberg selbst wird es wieder leiser, der Wind schweift ab und die Waldvögelein übernehmen aufs Neue die Beschallung, die jetzt dezent wirkt. Kurz nach dem Verlassen der leicht unwirklichen Welt quert im Wald ein wogenreicher Pflasterdamm, dessen Spuren gegenüber der Narbe über die Zeiten stark abgesackt sind – definitiv kein Verkehrsweg für den Opel von vorhin, denn lautes Fluchen und austretendes Öl wären vorprogrammiert, letzteres gerade hier besonders übel.

 

Wiesengrund im Walde

Der Gedanke wird kurz darauf entfernt aufgegriffen, als wir an einem idyllischen Wiesengrund endlich die erste Rast machen können, denn für längeres Verweilen wäre es da unten mit den Mücken doch so eine Sache gewesen, ein Schmaus auf beiden Seiten. Hier geht etwas Wind hindurch, zumal ist das nächste Wasser ein paar mehr Steinwürfe entfernt. Zu verdanken ist das bezaubernde Stück Grün gänzlich unromantisch der Trassenführung einer Erdgasleitung, die einmal von Nord nach Süd führt, von der Ostsee bis nach Tschechien. Absurder als dieser sachliche Umstand ist die spätere Information vom Wegesrand, dass es zu DDR-Zeiten genau hier Rallyes gab, wo hochgezüchtete Rennsemmeln mit Vollgas über diese Waldstraßen jagten. Zurück zur blumigeren Wahrnehmung dieses schönen Fleckchens Erde führen uns zwei Kraniche, die in Sichtweite grasen.

 

Im Wald des Plagefenn

Ein leicht krautiger Weg verlässt die kleine Straße in den Laubwald und führt an den Rand des eigentlichen Plagefenns rund um den Großen Plagesee, einem seit mehreren Jahrzehnten unberührten Totalreservat. Dementsprechend wird darum gebeten, die breiten Wege nicht zu verlassen, damit sich alles schön weiterentwickeln kann und niemand mit Hufen, Pfoten oder Flügeln gestört wird, auch niemand mit Wurzeln, Mycel oder Rhizoiden. Es ist hier im hohen Wald ähnlich unbewegt wie an den grützbedeckten Moorsenken oder dem ruhenden Totholz von vorhin. Ein mit Kleidung bedeckter Passant im Zweifüßergang scheint gerade unvorstellbar. Einige Enten verlassen die Szene und schnattern sich im Abflug Entrüstung zu. Irgendwo steuert ein kaum wahrzunehmender Schwan in kleiner Fahrt zwischen den Grasinseln hindurch.

 

Waldstraße nach Brodowin

Zurück in die Welt bringt uns die Pflasterstraße durch den Wald, neben der auf Waldboden ein kleiner Fußweg läuft, längs geparkte Eichenstämme laden zum Balancieren ein. Ein wohliger Duft erfüllt den Wald, der zum größten Teil dem Waldmeister zu verdanken ist, der hier ungewohnt großflächig den Waldboden bedeckt und gerade in Blüte steht. Griffig widerlegt er die Legende, dass Waldmeister erst nach dem Trocken zu duften beginnt. Ob nun die Blüte oder das Laub duftet, hat sich bislang trotz zahlreichen Niederkniens nicht klären lassen, doch ist es eigentlich auch egal. Es duftet köstlich.

Dass Waldmeister, im Kindermund ein optionaler Begriff für den Förster, laut einer anderen Legende auch leicht berauschend wirken kann, legen uns winzige Fröschlein nahe, die zwischen den Pflanzen eine eigenartige Art von Hochsprung vollführen, die einem das Wort Absinth in die Gedanken ruft. Er wirkt zweckfrei und umgehbar, irgendwie gedopt und nicht ganz bei sich. Viele sind es, und doch wird nicht klar, ob es sich um dieselbe Party handelt. Vielleicht sind auch die Pilze im Spiel, die ein paar Meter weiter ganz unmaihaft am Wege standen. Unwissend und unabhängig davon fahren zwei Radfahrer vorbei, die ihrem Gepäck nach in Brodowin ein Urlauberquartier bewohnen.

 

Waldmeister auf Augenhöhe

Durchaus willkommen nach so viel Entrücktheit ist nun der Landschaftswechsel auf Höhe des Kleinen Plagesees, der schon zu den sieben Seen zählt, die Brodowin umgeben. Hinter dem Wald beginnen große Landschaftswellen voller Kornfelder, denen der Wind liebevoll durch die Grannen fährt, darüber treibt derselbe Wind herrlich nordische Wolkenbilder über den Himmel und trägt dort auch zwei Dutzend Kraniche, ganz weit oben. Der blumig-fruchtige Duft des Waldmeisters wird fast nahtlos abgelöst von dem der Robinien, die hier die aufsteigende Straße begleiten.

 

Feldweg bei Brodowin

Brodowin

Thematisch nahe übernimmt am Dorfeingang der letzte Flieder, wenn auch aromatisch kräftiger in seinem Vergehen. In die Wendeschleife wurde liebevoll eine Rastbank platziert, umgeben von Findlingen, auf denen kreisrunde Platten installiert wurden. Auf diesen findet sich Lesenswertes in angenehmer Kürze, neben Praktischem auch Schönes, darunter Zeilen von Eva Strittmatter oder Christian Morgenstern, der eine hier, die andere dort.

 

Schamhaftes Mohnblümchen

Der Gang durch das langgestreckte Dorf dürfte für Maler oder Fotografen eine zähe Angelegenheit sein, denn überall locken motivträchtige Bilder und Arrangements, liebevoll geschaffene Gärten und schöne Häuser, ab und an zeigt sich auch der Brodowiner See, der innerorts eher wenig Aufhebens von sich macht. Dazu kommt das stille Geplauder der Schwalben, hier und da blökt auch wer von weiter hinten.

Mehr Menschen sind jetzt zu sehen. Bewohner, die von der Arbeit kommen und nach der langen Woche keinen Blick übrig haben für Wochenend-Großstädter, die beseelte Blicke versenden. Filz– und jutebedeckte Gruppen von Seminar-Teilnehmern, die kontrovers und zusammenfassend plaudern oder gerade vor den Toren der Siedlung unterwegs waren, um sich zu spüren, vielleicht auch waldzubaden. Vor allem aber glückliche Familien und erweiterte Verwandtschaftsverbünde, die scheinbar einem gemeinsamen Ziel entgegenstreben. Das Gruppentempo bestimmen der gebeugte Opa am Gehstock und der ähnlich schnelle jüngste Nachwuchs, der kurz zuvor den Sprung von der Krabbelgruppe zur Brabbelgruppe und zum aufrechten Gang geschafft hat und schon mehrere Schritte im Stück gehen kann. Die Cousins im reiferen Teenageralter passen sich in Gang und Lautierung an, von Angesicht zu Angesicht, und schöne Szenen der Heiterkeit entspringen daraus.

 

Runde Tafeln in Brodowin

Der Dorfanger bietet die Gediegenheit und den Schatten eines gepflegten Stadtparks, die umliegenden Häuser und ein niedlicher Trecker runden das Bild ab. Schöne Bänke locken, eine davon geht rund um einen Stamm, der sie demnächst sprengen dürfte. Vorn das Gasthaus lädt ein zu regionalem Spargel und verpacktem Eis, und gegenüber hört man die Zicken auf der Weide, die hier in Brodowin immer besonders friedlich wirken. Das Dorf hat eine gute und aufrechte Idee umgesetzt und sich selbst als Ökodorf erfunden, kurz nach der Wende. Da waren Bioläden eher noch ein Klischee, etwas für Kenner und Idealisten und weit entfernt von großer Wirtschafts-Maschinerie. Der Zustand des Dorfes, der umgebenden Landschaft und nicht zuletzt die Wasserqualität der Seen zeugen von der Kraft der guten Idee, die bis heute im allerbesten Sinne gepflegt wird und besteht.

 

Dorfanger in Brodowin

Von der Kirche aus bieten sich allerlei reizvolle Rundtouren an, so dass ein mehrtägiger Urlaub im Dorf keineswegs abwegig ist. Wir gehen am Zickenstall vorbei und folgen dem gemütlichen Feldweg aus dem Dorf, vorbei an einer gewaltigen Kopfweide und begleitet vom flächigen Zirpen der Grillen. Zwischen den Seen quetscht sich der Weg hindurch und quert dabei ein Stückchen feuchten Wald, im Rückblick ist noch lange die Kirchturmspitze zu sehen. Der Wesensee entzieht sich weitgehend dem Blick, damit auch der jenseits gelegene Kleine Rummelsberg mit seinem Nachbarhügel. Umso mehr setzt sich der Brodowinsee nun in Szene, mit seinem Schilfgürtel und den Waldeshöhen gegenüber, den Landschaftswellen rundherum und manchem toten Baum, der jetzt verschiedensten Tieren ein Zuhause bietet. In einem unbelegten Astloch zieht sich ein kamerascheuer Maikäfer im mattgoldenen Mantel zurück, mit leichtem Vorwurf im schleppenden Gang. Seine letzten Tage sind wohl angebrochen, hier sein Platz dafür gefunden.

 

Am Brodowinsee

An der Kreuzung beim letzten Stein mit runder Texttafel beginnt ein einladender Plattenweg, der am rechten Rand von kleinen Rapsbuketts begleitet wird. Links stehen Büsche wie Weißdorn und wilde Rose, zumeist in Blüte. Zwischen Passanten werden geräuschlos einvernehmliche Blicke ausgetauscht, da offensichtlich derselben Freude gefrönt wird. Durch die Kornhalme leuchtet hier und da in unfassbarem Blau eine Kornblume hindurch, und vorhin schon gab es die ersten zarten Mohnblumen, die ihre knittrigen Laken etwas verschämt im Unterholz entfalteten.

 

Uferbank am Rosinsee

In einer klammen Wegkurve mit Wäldchen zweigt links ein halbwilder Weg in die Wiesen ab, der die schilfige Bucht nördlich des Rosinsees streift. Von vorn kommen zwei Herren mit akademischer Anmutung durch die struppigen Halme gestakst, eher auf Erkenntnisgewinn als auf Wanderlust, die uns gestochen artikuliert und wie genötigt den Gruß entgegenmurmeln, dabei etwas staubig gucken. Wenig später lagern steinpilzbraune Weinbergschnecken sowie ein blasser Pilz an der Spur des winzigen Pfades, die den beiden Herren betreffend Temperament in nichts nachstehen. Von hier lässt sich schon die große Wasserfläche des Sees erahnen, der nach dem Eintritt in den alten Wald groß und glatt vor uns liegt, sogar mit einem hölzernen Schaufenster. Links steigt der Hang steil an, und wäre der Mai nicht wie dieser Mai, wären wir spätestens an der dritten Badestelle schwach geworden.

 

Bruchwald am Rosinsee

Auch am anderen Ufer steht der Wald auf steilem Hang. Am Ende des Sees setzt sich das Wasser in einem breiten Bruchstreifen fort, der besonders dicht und verwunschen ist. Selbst erfahrene Enten beim Versteckspiel dürften hier auf Herausforderungen stoßen. Links des Weges beginnt ein längeres Stück mit alten Lebensbäumen – oder doch eher Sumpfzypressen, wenn man die feuchte Nachbarschaft bedenkt.

Wieder quert eine alte Pflasterstraße, lässt den Bruchwald hinter sich und steigt ein wenig an. Auf Höhe des Krugsees biegt ein Weg ab und folgt im Bogen einem Wiesengrund, der uns ein zweites Mal die Erdgasleitung queren lässt. Ein Maikäfer liegt mitten auf dem Weg, ist auf dem Rücken gelandet und kommt nicht wieder auf seine sechs Beine. Selbst mit Hilfe dauert es fast eine Minute, bis wir ihn wieder halbwegs standsicher in der Wiesennarbe platziert haben. Doch auch er wirkt kraftlos, am Ende des Monats Mai, und sucht vielleicht nur seinen Platz für den finalen Rückzug. Nicht oft sieht man solche Käfer, und jedesmal ist es erstaunlich, wie groß sie sind, wie viel größer als die Kollegen vom Juni.

 

Hohlweg am Rand von Liepe

Am ersten Haus seit langem lockt nach links ein Wegweiser zum Krugsee. Wir bleiben auf dem Weg, überqueren ein winziges Rinnsal und nehmen eine Nasvoll von den frisch erblühten wilden Rosen am Wegesrand. Am Rand von Liepe empfängt ein einladender Rastplatz, doch auch dem widerstehen wir, denn Beine und Arme sind lahm, der Kopf gedankenleer. Am lockenden Hohlweg hingegen, der etwas links auf saftiger Wiese hinabsteigt, siegt die Neugier, zumal er Richtung und Gefälle der Straße folgt. Hoch oben auf der Alm steht viereckig eine Kuh, als wäre sie ein wohlplatziertes Kunstobjekt, das den Betrachter necken soll.

 

Weiter Blick vom Lieper Rang

Am kleinen Dorfplatz öffnet sich nun hinter einer Fachwerkfassade der weite Blick ins Oderbruch und auf die Höhen dahinter, die Mittelgebirgs-Optik bieten und doch nur knapp die 100-Meter-Marke knacken. Entlang eines langen Mauerbogens nehmen wir noch einen letzten Umweg, während im Hintergrund eine Frau ihren Struppi ruft, mehrfach und zunehmend moduliert. Doch der hat wohl woanders Besseres zu tun. Links auf der Mauer hebt dazu eine Katze ihre Stirn, während der Storch von vorhin zum Abend von den Wiesen kommt und nach kurzem Stehen verdient in seinem Nest versinkt.

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): von Berlin-Gesundbrunnen bzw. Hauptbahnhof mit Regionalexpress nach Eberswalde, dann weiter mit dem Bus (ca. 1,5-2 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über Autobahn und Eberswalde, optional über B 158 und Werneuchen/Tiefensee (ca. 1,25-1,5 Std.)

Länge der Tour: ca. 19 Kilometer (Abkürzungen bzw. Teilung gut möglich)

Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

 

Links:

Berliner Wanderschuh (Wanderblog)

Informationen zu Liepe

Eindrücke vom Plagefenn

Internetpräsenz vom Ökodorf Brodowin

Maikäfer

 

Einkehr: Zum schwarzen Adler, Brodowin (gemütlich, gute Küche)
Landhof Liepe, Liepe (gehobene Preisklasse)

 

Marxdorf: Tempelritter, verschwundene Kastanien und die Allee im Walde

In diesem Jahr hatte bereits der März sämtliches Pulver verschossen, welches der April sorgfältig angesammelt und bereitgelegt hatte, um wochenlang alle Lebewesen gehörig durch die verwinkelten Gassen der Wetterphänomene zu scheuchen. Wie er da rangekommen war, weiß keiner. Aller Launischkeit im Vorhinein beraubt, schaltete der April daher auf bockig, wilderte wie schon letztes Jahr übermütig im Werkzeugkasten des Sommers und legte eine gnadenlose Serie heißer Tage hin, an denen die Sonne mit voller Glut vom blauen Himmel bretterte, quasi von Null auf Hundert.

Komturei Lietzen hinter der Mauer

Auf den Bürgersteigen wurde umgehend bauch- und schulterfrei geboten und am Eis geleckt, während alle Cabrios auf den Straßen ihr Dach wegsteckten und jeder Lenker darin forsche Blicke warf. Auch andere Schönwetterautos und geliebte Oldtimer wurden ausgemottet, sodann versonnen und in altersgerechtem Fahrtempo über die Landstraßen bewegt. Waren nun all die Sonnenanbeter entzückt von diesem frühen Geschenk, bimmelten bei vielen schon wieder die Alarmglocken angesichts ausschließlich gelbfarbiger Wettervorschauleisten. Schnell folgten die ersten Waldbrände, und für alle amtlichen und ehrenamtlichen Feuerwehrleute im Lande brach eine unruhige Zeit an.

Fast vier Wochen lang gab es so gut wie keine Wolken und manches zu suchende Osterei schmolz dahin, bis in den letzten Apriltagen endlich der erste wirkliche Regen fiel und bei den tüchtigen Feuerwehren etwas Entspannung und eine Atempause einkehrte – innerhalb von zwölf Stunden sank die Waldbrandgefahr von der höchsten auf die niedrigste Stufe, von fünf auf eins. Auch die Natur schien darauf nur gewartet zu haben, denn in diesen zwölf Nachtstunden explodierte es an Halmen und Zweigen, vervielfachten Baumkronen und Wiesenflächen ihr sichtbares Volumen. Die Vögel tönten laut und zuversichtlich, die Mischung aller Frühlingdüfte geriet sagenhaft und verführte zu tiefem Einatmen. Es war eine wahre Befreiung für alles, was neben Licht auch Wasser braucht. Dass in der folgenden Woche dann gleich wieder die Handschuhe herauszuholen waren, ist eine andere Geschichte, vielleicht ja noch die späte Rache des Aprils. Der Tanz in den Mai jedenfalls war nicht schulterfrei.

Kastanienallee im Walde

Um nun diese lang erwartete Mischung aus nassem Waldboden, frischen Blüten und saftigem Grün beim Ausflug gründlich auszukosten, sollte verschiedenartiger Wald und allerhand von diesen schönen buschigen Wegen dabeisein, die oft von Dorf zu Dorf führen und unattraktiv für Fahrzeuge sind. Dazu vielleicht noch ein paar Seen, welche die Kühle des Morgens gespeichert halten. Zwischen Müncheberg und Seelow ist von all dem einiges zu finden, und aus einer alten Tour wurde durch bloßes Umkehren fast schon eine neue, die hier und da sogar noch überraschen kann.

Kirchweiher in Marxdorf

Marxdorf

Marxdorf ist ein gemütliches Dorf, das auf hübsche Weise abseits liegt – viele Wege führen dort hin, doch bis auf die Hauptzufahrt verleiten sie alle zur Langsamkeit und zum Genuss, egal ob nun im Latsch, im Sattel oder hinterm Lenkrad. Der Anger, nicht klar zu erkennen und variantenreich maskiert, verfügt über zwei Teiche. Am kleineren steht in attraktiver Nachbarschaft die Kirche, während der größere eher entspannten Freizeitstunden dient. Im Norden gibt es ein kleines Parkdreieck mit Denkmal, in der Mitte einige ergiebige Äcker und hier und da verschiedene Weiden für Fell- und Federvieh. Am großen Teich liegt über einer Wiese voller Schlüsselblumen der hübsche Spielplatz, und überall im Dorf trifft man statt Zäunen auf stattliche Feldsteinmauern als Grundstücksbegrenzung.

Am kleineren Kirchweiher, der unterhalb der Mauer des Kirchhofes liegt, hat sich eine Gänsefamilie eingerichtet, die mit lautem Geschnatter auf ihre Fünflinge hinweist und zugleich im Unterton einen ausreichenden Abstand nahelegt. Das gilt selbst für die entfernte Verwandtschaft eines Entenpärchens, das extra vom anderen Teich angereist ist, um seine Aufwartung zu machen.

Gänsefamilie auf dem Kirchweiher

Der hiesige Gasthof der mittleren Preisklasse wurde einst von einem bärtigen Herren geführt, dessen zelebriertes Erkennungszeichen neben frischen Fischen in der Pfanne ein lustig aufgesetzter lustiger Hut war. Markanter noch für den Durchreisenden war der herrliche Bullerjahn-Ofen im Schankraum, speziell natürlich an kalten Tagen. Mittlerweile sind neue Betreiber am Werk, und in greifbarer Zukunft soll hier der Erlebnis-Gasthof Loosgut öffnen, der dann neben Fisch auch Rindfleisch von der Weide nebenan auf die Karte bringt. Nicht minder markant für so ein leicht abgelegenes Dorf und fast ein bisschen kurios war die Likörfabrik, die sich jedoch mittlerweile nach Neustrelitz verlagert hat – das Marxdorf in Namen hat sie mitgenommen, was für ein gewisses Renommee der süßen Spezialitäten spricht.

Doch die Wahrnehmungsorgane und auch der Bewegungsapparat drängen jetzt zum Dorfende, wo einige bekannte Elemente freudig erwartet werden. Neben einem zutiefst beruhigenden Weg in Richtung Wald und dem weiten Blick übers saftige Grün zählen dazu einige alte Kopfweiden, die mehrfach auseinandergebrochen und doch noch zusammenhängend sind. Der jahrzehntealte Kompost der eigenen Krone sorgt im Innern des Stammes für einen weichen Mutterboden, auf dem allerhand wächst und gedeiht. Eine Kleinfamilie hätte dort ausreichend Platz für ein bedrängtes, doch einzigartiges Picknick.

Schlüsselblumenwiesenhang unterm Spielplatz

Am ersten Ausläufer des Waldes steht die erste Nachtigall des Tages in Sangespose, die schon ungeduldig darauf gewartet hat, dass endlich irgendwelche Zuhörer vorbeikommen und beeindruckt sind von ihrer Virtuosität. Von hier fällt der Weg als grüne Hohlgasse ab zum Wald, so eingesenkt, dass man fast den Krummen See übersieht, den ersten der sechs Seen am Weg. Ein Abstecher zum Marxdorfer Moor lohnt sich, verlangt jedoch eine gute Orientierung oder Satellitenunterstützung, denn von einstigen Wegen ist kaum mehr etwas zu sehen. Das Moor liegt noch trocken vom letzten Sommer und keine Froschkehle ertönt, doch in nässeren Zeiten lassen sich hier ganze Teppiche von Wollgras bestaunen. Der Abstecher lohnt auch wegen des besonderen Lichtes im fast reinen Buchenwald, dessen grüner Dom sich hoch über dem laubbraunen Waldboden wölbt.

Trockenes Marxdorfer Moor

Wer das Moor auslässt und sich lieber an vorhandene Wege hält, darf am Waldrand entlang einer stattlichen Reihe alter Eichen spazieren, mit den gewellten Feldern im Blick. Die buckligen Wurzelausläufer an ihren Füßen sind von Moos bedeckt und erinnern an mit Herzblut gebastelte Modelle von Mittelgebirgen. Ein besonderer Weg, der etwas Archaisches hat und auch ein paar Blicke in den Buchenwald spendiert. Am Waldeck biegt, alternativ zur geradeaus führenden Forststraße, ein leicht verwachsener Weg ab, der etwas Staksen und Beineheben verlangt, doch das lohnt sich. Jede Landschaftswelle nimmt er mit und sammelt damit einige Höhenmeter, führt zudem vorbei an Fichten- und Robinienwald, jeweils mit dem besonderen Licht. Begleitet wird der Waldrand auch hier von alten Bäumen mit gewaltigem Umfang. Auffallend sind zudem die Lesesteinhaufen, teils fast schon im Ausmaß vorgeschichtlicher Grabhügel. Direkt am Waldrand stehen sogar kleinere Hinkelsteine benachbart zu kürbisgroßen Brocken. Über wieviele Jahrzehnte wohl so ein Haufen gewachsen ist, wieviele Generationen von Ackerbauern ihn immer wieder nährten?

Buchenwaldhalle beim Marxdorfer Moor

Nach dem Abdrehen in den Wald zeigt sich dieser erneut besonders, denn der Weg führt vorbei an Douglasienbeständen. Wer gern eine besondere und natürliche Erfrischung hätte, zerreibt ein paar Nadeln zwischen seinen Fingern und wird die nächsten Minuten nicht damit aufhören können, immer wieder die Hand an die Nase zu führen und den anregenden Duft einzuatmen, bevor er irgendwann verfliegt.

Im Wald liegt noch einiges quer von vergangenen Stürmen, sodass das Verlassen der großen Wege etwas Kletterei erfordern kann. So krauchen wir über und unter umgelegten Stämmen und Kronen hindurch, bücken, strecken und verbiegen uns. Das Ziel ist ein Hügel mit Robinienwald, der auf einem steilen Weg verlassen wird. Überall lagern meisterlich angelegte Stapel riesiger Holzscheite im Wald, die zeigen, wieviel schon aufgeräumt wurde. Auch die Spuren grobstolliger Reifen zeugen davon. Umso erstaunlicher ist es, was alles noch zu tun bleibt.

Eichenreihe am Waldrand

Nach einem kleinen Gespensterwald voll knolliger Robinienstämme, den man besser nicht zur Dämmerung durchquert, übernehmen wieder breite, freie Wege. Hinter einer Waldstraße steht ein kleiner Lebensbaumwald, und wenig später beginnt eine wahre Rarität: mitten im Wald zieht sich eine betagte Kastanienallee entlang des Weges, deren hochgewachsene Bäume schon vollständig belaubt sind. An einem Querausläufer der Allee ruht eine urige und vielfältig bewachsene Riesenwurzel, groß und schnittig wie ein Delphin, die voll unerzählter Geschichten steckt. Oben in den grünen Wipfeln mit den weißen Kerzen jagen Finken und andere schnelle Vögel hin und her, dem Anschein nach eher verspielt als funktional. Genau hier fällt der erste Sonnenstrahl des Tages in den Wald und veredelt die besondere Szenerie.

Lesesteinhaufen mittlerer Größe, Draufsicht

Vorn auf der Schotterstraße zwischen Marxdorf und Lietzen Nord fetzt ein Transporter vorbei, den wohlverdienten Feierabend im Blick. Dass selbst jetzt kein Staub aufgewirbelt wird, ist wohl der nachdrücklichste Beweis für das Ausmaß des nächtlichen Regens. Die Straße verläuft durch einen grünen Tunnel, dessen Dach zu großen Teilen von Ahornblättern gebildet wird. Rechts im Hintergrund wachsen blutjunge Buchen heran, dicht an dicht mit ihren glatten Stämmen und in Wurfweite zu einigen versteckten Waldweihern.

Blick durch die Buchenstämme nach Marxdorf

Bald darauf verlässt der Weg den Wald und bringt nun großflächig eine neue Farbe ins Spiel. Der grüne Tunnel setzt sich fort, doch er zieht sich durch ein Meer von Gelb, das bis zum Horizont reicht und scheinbar auch die nächsten Waldstücke umspült. Das kaum farbecht zu fotografierende Gelb des Rapses treibt seinen Jux mit dem Kamerasensor, wenn es sich mit jedem Wolkenzug in neue Nuancen wandelt, mit jedem Wogen leicht changiert in seiner Antwort auf das Licht der Sonne. Noch stehen keine mohnroten oder kornblumenblauen Gegenpole am Wegesrand, die den Raps hervorragend ergänzen und ihm zugleich die Schau stehlen, zumindest punktuell und für das Tempo des Fußgängers. Das wird eine Woche später schon anders aussehen.

Gutwillige Robiniengeister

Lietzen Nord/Komturei Lietzen

Für den Windschutz von Feld zu Feld sorgen auch hier altgewachsene Bergahorne, die schnurgerade auf einen besonderen Ort zu führen. Am Ortsrand von Lietzen Nord möchte ein einladender Radweg-Einschlupf zum Überspringen des Dorfes verführen, doch dem sollte man auf keinen Fall nachgeben. Das Dorf Lietzen Nord besteht zur Hälfte aus der Komturei Lietzen, einem aus heutiger Sicht pittoresken Gebäude-Ensemble, wie es in Brandenburg kein zweites Mal zu finden ist. Komtureien sind Niederlassungen des Ordnens der Tempelritter, auf deren Spuren man hier im Umkreis in vielen Dörfern trifft. Die Templer gab es etwa zwei Jahrhunderte lang. Während der Kreuzzüge bildeten sie eine Art Elite-Einheit, die direkt dem Papst unterstand. Zahlreiche Filme bedienen sich bei ihrer Geschichte, Nachfolgeorganisationen sind bis heute aktiv. Das benachbarte Dorf Neuentempel trägt die Templer schon im Namen, und auch Marxdorf beruht auf dem Orden, der dort auch die Kirche baute.

Alte Kastanienreihe im Wald bei Lietzen Nord

Durch die zahlreichen Film-Adaptionen wurde die spannende und kontroverse Historie eher zur blumig-abenteuerlichen Fantasy-Mär abgeschliffen, und so passt es durchaus in den Blickwinkel, wenn man das zauberhafte Gelände der Komturei durch das große Portal betritt und an Drehorte und Kulissen der jüngsten Märchenverfilmungen denken muss. Insbesondere, wenn die Wiesen bunt und die Obstbäume voller Blüten oder Laub sind, ist es wirklich ein märchenhafter Ort, dessen Gelände zum größten Teil betreten werden darf – wo nicht, weisen Schilder freundlich darauf hin. Ein paar Blicke wert ist zuvor die Außenseite der Umgrenzungsmauer, deren pragmatisches Flickwerk von verschiedensten Epochen erzählt. Ihre Krone ist nachgerade exotisch bewachsen, im gekonnten Stil eines Steingartens.

Allee in den Raps um Lietzen Nord

Am ältesten sind wohl die Kirche und das benachbarte Herrenhaus, die zu Lebzeiten Walthers von der Vogelweide errichtet wurden, in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. In der einige Jahrzehnte zuvor gegründeten Mark Brandenburg war da gerade die Zeit der Askanier angelaufen. Der noch älter erscheinende Speicher hingegen kam erst etwas später dazu. Die Kirche ist meist geöffnet, die Tür einladend angelehnt, und diese Einladung anzunehmen lohnt sich. Neben der Stille und dem herrlichen blauweißen Himmelsgewölbe strahlt das kleine Schiff eine tiefe Ruhe aus, wozu auch die grobe Pflasterungen mit großen Ziegelsteinen beiträgt – im Altarraum übrigens in Bienenwabenform, die man auch im benachbarten Diedersdorf wiederfindet.

Komturei Lietzen mit Speicher, Kirche und Obstwiese

Zu all der Schönheit kommt noch die Lage über den Uferwiesen des Küchensees hinzu. Nördlich des neu gebauten Saal-Gebäudes gab es noch vor einigen Jahren eine sagenhafte Reihe freistehender alter Kastanien, die entlang eines grobknüppligen Geländers am Hang standen und dem Spaziergänger ihre waagerechten Äste fast ins Gesicht hielten. Dieses urige Bild im Kopf war fast so etwas wie das Tagesziel heute, und es ist wirklich schade, dass es diesen einzigartigen Ort nicht mehr gibt. Vermutlich wurde auch er ein Opfer der Wetterkapriolen. Zu hoffen bleibt der naheliegende Gedanke, dass nach Fertigstellung des neuen Gebäudes kleine Kastanienbäume nachgepflanzt werden. Das wäre wirklich schön.

In der Kirche, Komturei Lietzen

Vom Rand des Anwesens öffnet sich der Blick über eine idyllische Landschaft in grün, gelb und Himmelsschattierungen von grau bis blau, durch die sich unegal ein Wasserlauf zieht. Büsche und Bäume stehen vereinzelt darin, hinten verdichtet sich der Wald. Nachdem der Weg im Wald verschwunden ist, schwingt er sich in Kurven über eine kleine Anhöhe. Auch hier fallen wieder die vielen alten Bäume auf. Mehrere souverän-freundliche Spaziergänger begegnen uns. Sie wirken, als wenn sie den Jaguar im Zündschlüssel und den Weimaraner an der Leine hätten, darüber hinaus viele gute Ideen im Kopf und ansonsten gern ihre Ruhe beim Umsetzen dieser Ideen.

Steg zwischen den Seen, Lietzen Nord

Ein kleiner Fußgängersteg führt über den Durchlass zwischen Küchensee und Großem See, dahinter folgt ein üppiges Stück dichter Botanik – unten auf dem Weg die gelb leuchtenden Butterblumen, links und rechts die weiß blühenden Büsche und efeuberankten Baumstämme und darüber die frisch gedeckten Dächer der Baumwipfel. Sehr alte Buchen begleiten auch den Uferweg am Großen See, der manches Mal zu einer Rast am Wasser einlädt.

Rechts des Weges erhebt sich wie ein kleines Massiv ein fester, von Bäumen bestandener Sandhügel, der über steile Wände und Höhlen verfügt und rege von Schwalben und unterschiedlichsten Insekten als Unterkunft genutzt wird – demnach in halbwegs friedlicher Koexistenz. Es herrscht ein lebhaftes Kommen und Gehen, Flattern und Schwätzeln, begleitet von Gesumm. Bald öffnet sich der Wald und präsentiert ein Haus, das so wohlgefällig in blühende Fliederbüsche eingebettet liegt, dass es selbst kaum zu sehen ist. Rundherum gewinnt das Korn an Höhe und bildet schon winzige Ähren aus.

Großer See

Neuentempel

Auf den Wiesen zwischen Großem See und Halbesee rastet eine größere Schar Gänse, keineswegs lautlos, dazwischen mischt sich von weiter hinten das norddeutsch langgezogene Quaken der allerersten Frösche, und noch weiter hinten liegt eines der schönsten Dorfbilder Brandenburgs, das vom erwähnten Neuentempel mit seiner wuchtigen Kirche. War der Kirchturm vor ein paar Jahren fast noch vollständig zu sehen, sind die Bäume auf halbem Blick mittlerweile so hoch, dass nur noch die kantige Haube herausragt.

Kurz vor Neuentempel

Der geschwungene Verlauf des Weges zieht etwas höher die Uferlinie des Halbesees nach, auf dem zum ersten Mal in diesem Jahr das humorvolle und mitteilsame Geschnarre des Drosselrohrsängers zu hören ist, der im noch bleichen Uferschilf den Monat Mai bestätigt. Vom Ende des Sees brückt sich ein Weg durchs nasse Land, begleitet vom Verbindungsgraben zwischen Halbe- und Weinbergssee. Die Badestelle am Rand von Diedersdorf wurde in den letzten Jahren von Grund auf neu gestaltet, draußen auf dem See treibt sogar eine verankerte Badeinsel.

Dammweg zum Weinbergssee, Diedersdorf

Diedersdorf

In Diedersdorf, das wie das bekanntere Dorf gleichen Namens bei Großbeeren ebenfalls über ein Schloss verfügt, queren wir den kleinen Kirchhof und treffen vor der Kirchtür erneut auf die sechseckigen Pflastersteine. Schräg gegenüber bietet sich im Gasthaus nun unbedingt eine ausgedehnte Pause an. Erstmals in diesem Jahr können wir dabei im Freien sitzen, direkt neben der außerordentlichen Ulme, in der die Vögel aus den Furchen der Rinde kleinste Insekten ernten, teils kopfüber hängend. Als Hintergrundmusik zum Essen spielt im Gebüsch am Zaun eine trainierte Nachtigall ihr Repertoire für die anstehende Saison durch.

Alte Sensenschmiede am Rand von Neuentempel

Bald hinter dem Schloss biegt die stille Straße nach Neuentempel ab, die einem saftig grünen Talgrund folgt. Fast keine Autos fahren hier, und auf halber Strecke zwischen den Dörfern macht eine leicht erhöhte Rastbank ein faires Angebot. Als erstes Haus von Neuentempel empfängt die Alte Sensenschmiede, die noch immer komplett ausgestattet ist und deren Mauerwerk ähnlich pragmatisch gepatchworkt wurde wie die Lietzener Außenmauer von vorhin. Komplett wird das hübsche Bild durch ein schönes schmiedeeisernes Zunftzeichen, das somit doppelt passend ist.

Neuentempel

Im Dorf kommt von vorn der Oderbruchbahn-Radweg daher, der vorhin am Rand von Lietzen verführen wollte und einmal komplett durch Neuentempel fährt. Noch vorher zweigt nach rechts das Sträßchen Richtung Hedwigshof ab, dessen Asphaltband bald zwei wasserdurchlässigen Fahrspuren weicht. Vorher gilt es noch den lockenden Wegen hinab zum Großen Raaksee und dem Abzweig nach Hedwigshof zu widerstehen, beide durchaus schöne Optionen, den verbleibenden Weg noch etwas auszudehnen.

Wogende Rapsfelder bei Hedwigshof

Tief in den blühenden Rapsfeldern, welche die sanften Wellen der Landschaft abbilden, bereiten sich einige Bienenvölker auf ein gutes Stück Arbeit vor, und dann und wann rauscht ein Auto vorbei, meist mit Kennzeichen von ganz woanders. Die dichte Allee strebt direkt auf den Wald zu, der als schmaler Streifen die Felder vom zweiten Marxdorfer Haus trennt.

Wenn es am Vormittag schon ruhig war im Dorfe, so ist es jetzt noch ruhiger. Selbst die frischen Gänslein scheinen schon ins Nest gebracht zu sein, der Kirchenteich ruht spiegelglatt, frei von Lament. Gleichermaßen zurückhaltend und vordergründig liegt in der Luft das Sausen der eleganten Schwalben. Ihre Spiele verweisen auf eine Zeit, die bald schon kommen wird.














Anfahrt ÖPNV (von Berlin): wochentags über Seelow (1,25-1,75 Std.), am Wochenende ungünstiger

Anfahrt Pkw (von Berlin): Landstraße B 1 (ca. 1,25-1,5 Std.)

Länge der Tour: knapp 19 Kilometer (vielfältige Abkürzungen gut möglich)

Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Informationen zu Marxdorf (Amt Seelow)

Informationen zu Lietzen (Amt Seelow)

Seite der Komturei Lietzen

Einkehr: Ulmenhof, Diedersdorf