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Zwei Türme, ein Gürtel und die ganz große Runde

Am Sonntag nach Frühlingsanfang wird Berlin um eine Idee reicher sein, wobei die Zahlenfolge 2-4-3 nicht nur im Datum eine Rolle spielt.

Dafür wurde in den letzten Jahren mancher Tag mit der Suche nach einem schönen Weg zugebracht, der mit regelmäßigen Blicken auf den Fernsehturm aus verschiedensten Himmelsrichtungen aufwarten kann und dabei manche Endstation der S-Bahn mitnimmt.

Hauptkriterien für die Wegfindung waren Abwechslung, Schönheit und eine gewisse Nähe zur Berliner Außenkante, quasi dem Gürtel der Stadt.

Eine bebilderte Beschreibung zwischen Buchdeckeln ist beim BeBra Verlag bereits in Arbeit.

Mehr ab 24.3. unter www.berliner-gürtellinie.de

Stellt schon mal Schuhe und Fernglas bereit!






Beerfelde – Pfade im Hang, Tau im Bild und der gelochte Pfad

Nass kam es daher, das Frühjahr, und auch kalt ­ – bis zum ersten Wochenende im Mai. Dann endlich war es soweit, dass man sich trauen konnte, die Heizperiode endgültig für beendet zu erklären oder zumindest so zu tun. Der Natur hat es in mehreren Hinsichten gut getan mit manchem Regen und herausgezögerter Sommerhitze, und so hat sich der Mai von Woche zu Woche zu mehr Üppigkeit entwickelt, im Schlepptau all die kräftigen und aromatischen Düfte, die in schönsten Mischungen zu inhalieren waren.

Doppelallee nach Trebus

Erst wurde es grün und grüner noch, in unzähligen Schattierungen, dann kamen all die Farben hinzu, und so fühlt man sich schon regelrecht angekommen im Sommer. Treue Langzeitbegleiter wie Lärchen, Nachtigallen und Kuckucke sind alle noch zu hören, die Mauersegler und auch die ähnlich konstruierten Schwalben wecken mit ihren ganz verschiedenen Tönen weltweit gültige Sommer-Assoziationen. Die erste Hitzewelle ist geschafft, und so ist man schon ein wenig gewappnet für die nächsten Phasen jenseits der Dreißig-Grad-Marke.

Hangstufen in Trebus

Dennoch ist an jedem neuen Draußentag unklar, ob man sich eherfür Frühling oder Sommer bekleiden sollte. Am besten packt man eine Mischung ein, justiert vor Ort nach und hat eben einzwei Pfund mehr im Rucksack, über die man sich in der zweiten Tageshälfte womöglich wieder freut. Denn so recht berechenbar ist das Wetter noch lange nicht.

Badestelle am Ostufer des Trebuser Sees

Was in diesem Jahr vom Mai in den Juni gerutscht ist, zumindest in vielen Landstrichen Brandenburgs, sind die bunten Kornränder mit der erhofften Farbkombi aus Mohn, Kornblume und etwas Weißem. Das kommt in diesem Jahr verstärkt und gern auch flächig solo in Form großköpfiger Margeriten, die hier und dort ganze Wiesen eindecken. Naja, und dann noch die ganzen anderen Akzente aus dem Blau-Lila-Bereich, die Auge und Blick ganz wunderbar verwöhnen. Die Linden fangen an zu duften, ebenso die Robinien, und darunter mischt sich der mal süße, mal herbe Geruch des Korns, das nass oder trocken auch noch anders riecht.

Lupinenfeld vor Beerfelde

So seltsam die Pandemiezeit war, soweit vergessen und zurückliegend erscheint sie für jene, die nicht oder nur leicht betroffen waren, und so reicht es nur noch für ein verwundertes Kopfschütteln, wenn man am Schaufenster eines leergeräumten Testzentrums vorbeiläuft und sich kurz erinnert, dass es das mal gab und dass es mal sehr relevant war. Zu spüren sind die Nachwehen dieser Zeit schmerzlich für die von den Jahren ohnehin gebeutelte Gastronomie vor allem auf dem Lande, die jetzt wieder richtig loslegen könnte und auch gern würde – doch durch die Personalsituation massiv oder bis zum Stillstand ausgebremst wird und immer wieder Kundschaft wegschicken muss. Man wird sich dauerhaft daran gewöhnen müssen, nach Möglichkeit im Vorfeld anzurufen und zu reservieren.

Dorfteich in Beerfelde

Beerfelde

Beerfelde ist ein schönes Angerdorf mit leicht erhöht gelegener Kirche, zwei schönen Teichen auf dem Anger und dazu passend einer Handvoll Parkpfaden, zwischen denen sich Bänke, baumschattige Wiesen und rundbunte Bienenweiden finden. Auch eine kleine Eisdiele gibt es, einen Dorfladen und einen Friseur, nicht zuletzt am Ortsrand noch ein großzügiges Freizeitgelände mit buchtigem Weiher anbei.

Bunte Weide für Sechsbeinige, auf dem Beerfelder Anger

Die Dorfteiche sind gut gefüllt, was wohl dem regenreichen Frühjahr zu verdanken ist, und die im Böschungsgras eingesunkenen Enten guter Dinge. Auf den kreisrunden Bienenweiden, deren schreitende Umrundung um die dreißig Sekunden in Anspruch nimmt, ist wenig Betrieb. Das erklärt sich durch die vielen Linden am Anger, in denen sich der Schallpegel zahlloser Flügelpaare umso mehr summiert.

Wäldchen hinter Beerfelde

Auch im Klärteich am Freizeitgelände sind ein paar Enten unterwegs, vom Gelände selbst kommt gerade jemand mit einem Handwagen voller Angelruten und sieht stark nach Feierabend aus. Kurz darauf entlässt uns der Weg aufs freie Feld und verschenkt erste Weitsichten. Die Landschaft liegt in leichten Wellen, Felder in verschiedenen Reifestadien leuchten in Grünschattierungen, dazwischen pausieren braune Flächen mit blanker Ackerscholle oder abgeerntete Stoppelfelder.

Doppelweg nach Trebus

Das erste Wäldchen verströmt beim Eintritt einen intensiv würzigen Waldduft, der Aromen von Laub- und Nadelbäumen mit regengesättigter Erde und nassem Bodengrün mischt. Man atmet tief und wünscht sich mehr Lungenvolumen. Am folgenden Waldrand wachsen vereinzelte Kronenkiefern, die meisten noch nicht höher als eine Straßenlaterne. Zwischen den langen Nadeln stecken froschgrüne Kiefernzapfen, die aus der Nähe fast etwas exotisch aussehen und kurz die Frage anreißen, wann man zuletzt einer Ananas zu Leibe gerückt ist.

Mittelhistorisches in Trebus

Einen leicht verwachsenen Weg und ein Feld weiter steht der Raps mannshoch mit knackig-prallgefüllten Trauben – man meint, beim Daraufdrücken würde direkt das goldene Öl herausspritzen. Doch so einfach ist es ja dann doch nicht … Gleich gegenüber gibt es nun den sehnlich erwarteten Kornfeldrand mit reichlich Mohnblumen, die in den letzten Wochen kürzer kamen als erhofft.

Mediterrane Hangstufen am Seeblick

Ein kleines Phänomen ist der schnurgerade Weg zwischen Jänickendorf und Trebus, der klar nach ehemaliger Bahntrasse aussieht, doch wohl keine war. Für Leute auf Drahteseln gibt es ein makelloses Asphaltband, nach Osten hin oft windgeschützt durch verschiedene hohe Büschungen. Ein paar Meter parallel dazu läuft als Alleegasse, später lose begleitet von kräftigen Obstbäumen, großen Rosenbüschen und betagten Holundern eine alte Straße, die immer wieder ihr unversehrtes Pflaster durchscheinen lässt. In Sichtweite von Trebus öffnet sich der Blick.

Waldrand hoch überm See

Zwischen beiden Wegen liegt ein breiter Streifen, wild wiesenbewachsen, auf dem in regelmäßigen Abständen kräftige Stämme abgelegt wurden. Die liegen dort schon länger oder noch viel länger und bieten allerhand Tieren und Organismen ein gutes Zuhause. Ein paar sind schon auf dem Weg zum Mehl, andere noch im selbststützenden Mulm und ein paar lassen noch ein festes und resonantes Klopfen auf Holz zu. Jeder von ihnen taugt als Fotomotiv und adelt das ohnehin bemerkenswerte Spurenpaar.

Badebucht am Trebuser See

Trebus

Trebus ist ein kleines Phänomen – hier und da im Dorf und rund herum hat man das Gefühl, in einem Urlaubsörtchen zu sein, kann sich das rege Treiben zu vergangenen Zeiten gut vorstellen, vielleicht vergleichbar der Atmosphäre im Dörferpaar Alt Zeschdorf/Hohenjesar, das nicht weit von Frankfurt/Oder liegt. Bei Trebus heißt die nahe Stadt Fürstenwalde/Spree. Das Schloss gibt es hier zwar schon lange nicht mehr, Teile seiner Bausubstanz bestehen jedoch in manchem Wohnhaus fort. Auf dem ehemaligen Gutsgelände gab es in der Nachkriegszeit groß angelegte landwirtschaftliche Nutzungen in Formen von Maschinen-Traktoren-Stationen und sachverwandten Einrichtungen.

Buchen an der Südspitze des Sees

Heute ist dort ein Verein untergebracht, der auf reichlich Fläche Fahrzeuge, schwer verrückbare Kunst-im-Stadtraum-Objekte sowie DDR-Gebrauchsgegenstände sammelt, auch eine alte Tankstelle und ein gelber Zeitungskiosk gehören dazu. Ein goldener Lenin, schwer wie ein Mopped, steht gegenüber einem ungoldenen, der noch einiges schwerer sein dürfte.

Dort übrigens, wo einmal hoch über dem See das Schloss stand, wurde nur wenige Jahre nach Kriegsende eines der ersten Kulturhäuser der DDR errichtet, das mit seiner breiten Glasfassade zum See hin als sehr gelungen galt.

Trebuser Graben in voller Breite

Auch das Restaurant, welches heute das Gebäude nutzt, gibt einen besonderen Ort ab, nicht nur des schönen Ausblicks und der erhabenen Lage wegen. Mit dazu bei tragen auch große Geländestufen, deren Flanken kunstvoll aus Flachgestein gemauert wurden und von unten gesehen äußerst mediterran wirken. Ganz oben, gleich neben dem vorderen Biergarten, thront ein Pavillon, der uns nun vor dem angekündigten Regen schützt, der pünktlich um zwei ansetzt. In dieser fürstlichen Lage versorgen wir uns aus dem Rucksack, da im Restaurant ohne Reservierung leider wirklich nichts zu machen ist – die Bude ist rammelvoll und die paar Leute vom freundlichen Personal kommen kaum hinterher. Naja, es ist auch Wochenende und Mittagszeit …

Betonpfad am Trebuser Graben

Besonders ist die Topographie von Ort und See, die man von ihrer Gestalt her eher ins Ruppiner Land packen würde. Nahe der Spree dürfte es sowas wohl nicht noch einmal geben. Der wunderschöne, leicht gewundene Trebuser See versinkt tief in der Landschaft, ruht in einer ausgeprägten Rinne und verhilft vielen Grundstücken im Ort zu einer leicht spektakulären Hanglage, die von den Eignern mittels angelegter Terrassen und steiler Stiegen genussvoll ausgelebt wird. Eine Horde von Radfahrern flüchtet sich zu uns unter den Pavillon, plant wortreich den weiteren Weg bis ins Spreetal und verpackt minutenlang dieselbe Information in immer wieder neuen Sätzen.

Talgrund gen Fürstenwalde

Beim Abstieg über die gediegene Treppe, die am Seeufer endet, fallen die letzten Tropfen, vielleicht ist es auch nur das Nachregnen von den Bäumen. Der Zimtschneckenzucker lässt sich mit einem beherzten Wuscheln durch den nächsten Busch von den Händen waschen und unten können die Schirme dann gleich wieder weggepackt werden, fürs Erste zumindest. Ein kurzes Stück geben wir uns dem urigen und sehr romantischen Uferpfad hin, der nah am Wasser durch den dichten Laubwald buckelt. Rechts erhebt sich steil die Flanke und lädt mit immer wieder neuen Pfaden und Stufen zum Aufsteigen ein.

Badesteg am Ostufer

Auch diese unzähligen Pfade und Querwege sind es, die an den Urlaubsort denken lassen und an eigene Episoden aus der Kindheit, die in ähnlichen Kulissen spielten. Ein Phänomen am Trebuser See sind die vielen Stege und Badestellen, von denen nur die allerwenigsten in der Nähe eines Parkplatzes liegen. Nirgends gibt es Verbotsschilder, und eine Stelle ist schöner als die andere, das Wasser klar, der Boden darunter sympathisch und einladend und der Spiegel des Sees mal blau, mal klar oder auch türkis.

Uferhöhenweg mit dicken Bäumen

Es ist nichts einzuwenden gegen den unteren Weg, doch zum einen wollen wir später am Gegenufer nah am Wasser bleiben, zum anderen verwöhnt auch der obere Weg, der zwischen Waldrand und Kornfeld verläuft, großzügig mit Reizen. Die Kombination aus drohendem Gewitterhimmel und fast platinblondem Korn haben wir so noch nicht gesehen, die Duftschwaden vom blattnassen Hangwald und dem leise säuselnden Korn vermischen sich in immer wieder neuen Varianten. Wo der Wald dem Feldrand Schatten spendet, sind die Ähren saftig grün, jenseits davon dann so leuchtend hell wie beschrieben.

See nach dem letzten Schauer

Der Weg taucht schließlich in den Wald ein, durch das dichte Grün ergibt sich das Gefühl einer Hohlgasse, aus der es an allen Ecken tropft. Die Badestellen locken, doch irgendwie fehlt noch eine Kleinigkeit an Sommer, dem auch nachzugeben. Wie es sich auch am Ostufer fortsetzen wird, verfügen die meisten Reingehstellen über ein romantisierendes Element in Form eines gestürzten, rindenkahlen Baumes mit oder ohne große Bogengeste. Manchmal ist es auch eine kleine Steilkante, ein buchtumschmeichelndes Schilfarrangement oder ein reglos im Bild hängendes Tau mit fettem Knoten. Ein paar Enten steuern gelassen gen Seemitte und zeichnen makellose Pfeile auf den Wasserspiegel.

Uferhöhenweg am Ostufer

Am Südende des Sees folgt der nächste Regenschauer, und wieder steht ein großer Pavillon bereit, mit Bänken, die so breit sind, dass man hier halbwegs bequem ein Mittagsschläfchen machen könnte. Mal abgesehen von den Mücken, die heute trotz drückenden Wetters und reichlich flachem Wasser kaum präsent sind, erstaunlicherweise. Im Schilf der Nordbucht sind viele kräftige Vogeltöne zu hören, aus dem Uferboden wachsen kräftige Stämme von Buchen, die ja bei Gewitter als gute Gesellschaft gelten.

Großer Badestrand an der Nordspitze

Trebuser Graben

Das Rinnsal des Trebuser Grabens, der in zeitweiliger Verbindung zur nahen Spree steht, quert unter einem Steglein den Pfad, der hier kurioserweise in ostzonale Lochplatten gefasst ist. Nach rechts öffnet sich ein weiter Wiesengrund, der unter dem Dunst des frischen Regens dampft.

Kurz danach beginnt nun der östliche Uferweg, welcher ebenso schön ist wie sein Gegenüber. Auch hier gibt es also schöne Badebuchten mit gestaltendem Element, auch hier zahlreiche Stege ohne Verbotsschilder, und auch hier zieht sich mancher Pfad den nicht ganz so steil ausfallenden Hang hinauf, als gäbe es oben am Waldrand irgendwelche Weganbindung. Ein Angler folgt der Spitze seiner Rute, die ihn womöglich zum nächsten guten Fanggrund wünschelt.

Hohlweg am Feldrand

Im Unterschied zum Gegenufer verläuft der Weg bald als reizvoller Höhenpfad, der trotz dichten Blätterkleides immer wieder schöne Blicke auf den See erlaubt. Begleitet wird er von teils kräftigen Baumstämmen, einer von ihnen ist frisch umgestürzt, liegt quer über den Weg und fordert einen ausladenden Schritt über den moosbedeckten Stamm ein. Ein massives Metallgeländer begrenzt eine mit Planken befestigte Stelle, ohne ersichtlichen Grund.

Von einer der Badestellen lässt sich über den Wasserspiegel weit nach Süden schauen, und auch der See liegt jetzt leicht unter Dampf. Gegen Ende sind am jenseitigen Ufer die großen Stufen mit ihren Mauern zu sehen, darüber der Pavillon mit seinem kleinen Findlingsfeld davor. Hatten wir vorhin gar nicht wahrgenommen.

Waldrandweg gen Friedhof

Trebus

Am großen Badestrand steht unweit einiger Wildgänse mit Brillen um die Augen ein Mann im besten Alter, der in einem altmodisch wirkenden Badeanzug dem See entstiegen ist und so aussieht, als wäre er einer Schwarzweiß-Fotografie mit gezackeltem Rand entwichen. Die Abtrockenphase wirkt rituell und durchdacht, der Blick wird dabei nicht vom See gewandt.

Zwischen den Feldern

Jenseits der Straße beginnt der Weg unterhalb einer der erwähnten Bungalow-Siedlungen, deren Grundstücke in mehreren Stufen über den Hang verteilt sind und Blick auf den stillen Wiesengrund des Trebuser Grabens haben, der sich hier und da mittels eines Stegleins überwinden lässt. Die Anlage der Grundstücke sowie die Hütte darauf sind meistenteils schön und besonders, und fast immer gibt es auf jeder Hangstufe einen besonders einladenden Ort zum Sitzen. Ein waldiger Pfad führt halbwegs steil hinauf und endet oben bei den Plattenbauten, die irgendwie zu jedem DDR-Dorf mit landwirtschaftlicher Zentralfunktion gehören.

Fernes Kornfeld

Der Weg durch das Wäldchen am Ortsrand endet wieder in Hohlgassenanmutung und zeichnet nun abermals zwischen dichtem Laubwald und hoch stehendem Korn den Waldrand nach. Hinten braut sich das nächste Gewitter zusammen, dann und wann leise grollend. Am Friedhof kühlen wir uns am Wasserhahn kurz die Hände und retten einige der frisch in den Bottich gefallenen Bienen vom Wasser ins Gras.

Robinen-Pflasterweg

Nach einem Stück Landstraße beginnt rechts ein Fahrweg, der nach und nach wiesiger wird. Die Landschaft ist auch hier leicht gewellt, dadurch sehr anmutig, dazu gesellt sich die Farbenpracht der übersichtlich verteilten Blüten und das Gelb des Rapses vor dunkelblauem Himmel. Im Norden wogen gelbe Kornfelder vor grünen und auf dem Weg zum nächsten Wäldchen reichen manche der Pfützen quer über den Weg. Vorbei an einem Lupinenfeld mit eingestreuter Kamille kommen wir zu einer von früher bekannten Baumgasse aus Robinien. Auch hier sind die Bienen in den Wipfeln klar zu hören.

Kopfweiden vor Beerfelde

Draußen vom Feld steigt ein Raubvogel hoch, auf den ersten Blick sowas wie ein Adler, nach Größe, Körper- und Schwanzform dann doch eher etwas kleineres. Mit einem Mal sind es zwei, dann drei und zuletzt sechs von ihnen, die sich hier wohl eine größere Mahlzeit teilen.

Allee ins Nachbardorf

Auch dieser klassische Verbindungsweg von Dorf zu Dorf ist kopfsteingepflastert, was nur in Gefällepassagen sichtbar wird. Der Robinienschatten mit seinem besonderen Licht ist herrlich, der Boden dicht bedeckt mit Blütenlaub, das der Regen heruntergewaschen hat. Am Ende der Robinien wird der Blick nun offener, den Weg begleiten jetzt vereinzelte Kopfweiden, deren Stammumfang abzumessen es bei manchen die Armspannen einer Großfamilie bräuchte. Auch hier liegen große Pfützen auf dem Weg. Zuletzt stehen noch ein paar betagte Apfelbäume am Rand, gerade nah genug am Dorf, um zur Erntezeit von den Hiesigen besucht zu werden.

Beerfelder Kirche

Beerfelde

Am Rand von Beerfelde steht noch einmal roter Mohn vor der mitteljungen Lindenallee nach Schönfelde und gibt ein schönes Kalenderfoto ab. Im Dorf herrscht einiges Hin und Her, Ankommen und Auspacken, auch am Spielplatz bei der Kirche ist noch gut Bewegung. Beim quattrofunktioalen Salon Landfein hingegen liegen die Scheren und Feilen nun bis Montag still. Doch drüben beim Eiscafé, das noch bis weit nach sechs geöffnet hat, da sind noch einige Augen am Leuchten.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
Mo-Fr Regionalbahn bis Fürstenwalde/Spree, dann mit dem Bus; alternativ Mo-Fr Regionalbahn bis Müncheberg, dann mit Bussen (1,5 Std.); am Wochenende keine Verbindungen

Anfahrt Pkw (von Berlin): auf der B1 bis Müncheberg, dort rechts Richtung Fürstenwalde/Spree (1,25-1,5 Std.)

Länge der Tour: ca. 17 km (Abkürzungen mehrfach möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Informationen zu Beerfelde

Verein der IFA-Freunde Trebus (historisch-nostalgische Sammlung großer und kleiner Dinge)

Badestelle am Trebuser See

Einkehr: Eiscafé Lewerenz (gegenüber auch der Dorfladen), Beerfelde
Seeblick, Trebus (z. Zt. unbedingt rechtzeitig vorher reservieren)

Schönfliess: Kunst im Walde, das Kurviertel und die schmalste aller Prachtalleen

Der Tanz mit der Stadtgrenze macht immer wieder einen Heidenspaß. Insbesondere dann, wenn die Natur im fortgeschrittenen Frühling mehr und mehr in die Vollen geht und der Kontrast aus städtischem Staub- und Lärmgeschehen und ländlich-idyllischer Landschaftsruhe in Augen, Ohren und Nase intensiver wahrzunehmen ist. Davon abgesehen lauern in solchen Touren meistens Überraschungen am Wege, denn was dort an Sehenswürdigkeiten versteckt liegt, ist entweder so bekannt, dass man es ohnehin längst kennt, oder eben so versteckt und auf den Erstblick klanglos, dass es nur jemand findet, den der Zufall mit offenen Augen dort vorbei schickt.

Tieferliegender Wald der Bieselheide

Im Idealfall sind solche Touren mit einem Karten-Doppel aus ABC- und AB-Fahrschein machbar. Ersterer hat diesmal in Schönfließ seinen Zweck erfüllt, dessen Bahnhof auf dem Weg nach Oranienburg mitten in den Feldern liegt. Mitten übers Feld geht darum auch der schnurdirekte Trampelpfad ins Dorf, der wohl einer stillen Abmachung mit dem zuständigen Landwirt zu verdanken ist. Das nette Arrangement erspart einen lästigen Umweg und setzt die Kirche fest in den Blick des Ausgestiegenen.

Vorgarten im Künstlerhof Frohnau

Schönfließ

Hinter der Kirche liegt die große Kreuzung, und gleich westlich des Dorfes beginnen weite Felder, an deren Ende der leicht versunkene Wald der Bieselheide liegt. Auf dem Weg dorthin werden die Nüstern vom ersten vollmundigen Kornduft dieses Jahres verwöhnt, der durch den nächtlichen Regen besonders würzig ausfällt. Für die Augen wurden filigrane Akzente aus Mohn, Kornblume und Margariten verstreut, während der Waldrand fast magisch anzieht. Ein Blick nach links lässt diesig verschwommen die fernen Kanten des Märkischen Viertels aus dem Grün wachsen, leicht unwirklich.

Zauberhafter Weg am Beegraben, Schönfließ

Vor dem Wald biegt der Weg ab, wahlweise nach links oder rechts. Wer jedoch eine Verbeugung nicht scheut, schlüpft geradezu ein in ein überschaubares Pfad-Geflecht, dessen Schattendunkel heute nur selten ein paar Punkte der seltenen Sonne bis zum Boden durchlässt. Fließendes oder sickerndes Wasser ist zu erahnen, der kühlen Luft und dem satten Grün geschuldet. Die schmale Spur windet sich im leichten Auf und Ab, berührt einzelne Baumriesen und auch drei Quellsale, deren Wasser sich zaghaft zum feuchten Grund durchschlägt. Der öffnet sich bald darauf und gibt ein liebliches Landschaftsbild frei, wie man es hier nicht erwartet hatte – saftiges Wiesengrün und vereinzelte Kronenbäume, fast wie in einem Landschaftspark. Dazu der grasige Weg und tropfenweise der Niederschlag am Schuh, der von der Nacht noch in den Halmen hängt. Es ist so dermaßen idyllisch.

Das Märkische Viertel von Schönfließ aus

Die Karte verrät, dass in der Mitte des Talgrundes das Kindelfließ schlummert. Ruhig tut es das, doch keineswegs unbewegt, wie wir am knorrigen Holzbrücklein feststellen dürfen, das den Doppelschritt von Oberhavel nach Berlin ermöglicht. Drüben steht eines der überhohen Schilder des Berliner Mauer-Radwegs, und als wäre die Grenze tatsächlich sichtbar und im Menschen verankert, wird es auf einmal voll hier, wechseln Jogger, Leute an Hundeleinen und akademisch zurechtgemachte Herrschaften im bedeutsamen Dialog, dem man erst nach gut hundert Metern vollständig entkommt. Neben der an und für sich abstrakten Grenzlinie erklärt sich das hohe Aufkommen auch durch einen nahen Parkplatz mit einer zugehörigen Streckenlänge, die sich ideal mit dem Ausleeren eines Hundes synchronisieren lässt, nebenher etwas Sinneneindruck und Bewegung ermöglicht.

Blick über die ersten Kornfelder nach Schönfließ

Für dieses rechte Maß sorgt der leicht mitgenommene Hubertussee, dessen verwinkelte Uferlinie ein schöner Pfad nachzieht. Ein Dreikäsehoch bringt seinem Vater mit großen Augen einen gefundenen Kiefernzapfen und nutzt dazu seinen vokallastigen Sprachumfang, eine Ecke weiter staksen Damen durch den hohen Salat und bestimmen mit technischen Mitteln, was da wächst am Wegesrand. Und da wächst allerhand, darunter knapp noch blühende Maiglöckchen, längst verblühte Anemonen sowie grüner Klee mit Riesenblättern, auf denen Käferlein herumspazieren.

Einer der Quellbäche in der Bieselheide

Der grundsätzlich geradlinige Weg weg vom See ist zur anmutigen Kurvenlinie gediehen, dank gefallener Bäume oder anderer Hindernisse. Nach einem Schlenker übernimmt eine wirklich gerade kleine Waldstraße und wartet mit der ersten Überraschung des Tages auf. Eine Toreinfahrt mit zwei Dutzend bunt verbastelten Briefkästen macht neugierig, der Kopfsteinpflasterspur zu folgen, ein Verbotsschild lässt sich nicht entdecken. Hinter dem weit offen stehenden Tor beginnt eine unregelmäßige Reihe verträumter Häuschen und Ziegelbaracken. Schilder bestätigen den bereits verspürten Hauch von Kunst und Kunsthandwerk.

Stadtgrenze zwischen Berlin und Brandenburg

Künstlerhof Frohnau

Am markantesten ist das erste Haus rechts, das ein ganz klein bisschen nach Asien aussieht. Neben der weit geöffneten Haustür hängen zahlreiche Informationen. Direkt daneben hockt über struppigem Grase eine Handvoll Leute zusammen, rund um ein kleines Lagerfeuer, das es nicht gibt, und führt in gedämpftem Ton eine angeregte und zugleich ruhige Unterhaltung. Sie gucken nicht auffordernd, doch auch nicht abweisend, also gehen wir erstmal weiter und schauen uns die Häuser und Vorgärten an, bei denen es Dutzende charmante Details zu entdecken gibt. Im mittleren Gebäude ist eine Art kleiner Konzertraum, wo zum Duft von Ferienlager-Flur ein betagter Flügel im staubigen Lichte steht, umgeben von großformatigen Bildern. In der Phantasie läuft eine gelockte Katze virtuos über die Tasten und überspielt souverän eine kurze Pfotendissonanz.

Hubertussee nördlich von Frohnau

Ganz hinten kauert unterhalb eines riesigen Funkturms ein modernerer Kastenbau, der wahrscheinlich Dutzende eher funktionaler Ateliers beherbergt, denn das Ganze hier ist der Künstlerhof Frohnau, wie uns ein Zettel in A4 verrät. Die umzäunte Kolonie ist klein und äußerst lauschig, das Gelände teils wild und ein Blick in die Hintergärten verheißt, dass sich hier gut kreativ sein lässt. Nichts wirkt aufgesetzt, nichts bemüht.

Posteingang am Künstlerhof Frohnau

Im Mittelgebäude mit dem Flügel gibt es manchmal einen Café-Betrieb, doch das dürfte jetzt noch nicht lohnen, so kurz nach den ersten lockenden, doch zaghaften Lockerungen in Sachen Gastronomie. Vorn im Haus ist eine kleine Ausstellung zur Mauerlinie und dem Drumherum untergebracht, und wie wir auf Anfrage erfahren, hatte auch dort noch niemand mit Besuch gerechnet. Ein durchreisender Kreativer oder so hatte in der vergangenen Nacht einen Unterschlupf vor dem Gewitter gefunden und seinen Schlafsack einfach unterhalb der Exponate ausgerollt, ganz Bohemien. Ein freundlicher Herr mit Hintergrund eilt uns kurz zur Seite und erzählt ein paar Worte zu dem, was hier zusammengetragen wurde. Der kleine Raum ist hinreißend und der Platz für die Ausstellung pfiffig genutzt.

Das markanteste Haus, Künstlerhof Frohnau

Invalidensiedlung

Dreimal gibt es auf dieser Tour den steten Lärmpegel einer rauschenden Landstraße. Die erste ist jetzt die B 96, im Anflug auf Hohen Neuendorf, das schon wieder im Landkreis Oberhavel liegt. Hinter der S-Bahn-Unterführung werden wir aufs Neue überrascht. In länglicher Anordnung stehen dort klar geformte Backstein-Häuser, die ein wenig an die beschaulichen Wasserschlösser des Münsterlandes erinnern, die Haus Bever heißen oder Haus Seppensen, zumindest so in dieser Art. Auch hier trägt jedes einen eigenen Namen, meist sind es Ortsnamen. Zwischen all diesen Namen lässt sich so gut wie kein Zusammenhang herstellen, zumindest auf den ersten Blick. Sandsteinportale gibt es und kleine Auffahrten, geräumige Balkone und herrliche Dachfenster, zum Bahndamm hin auch kleine Gärten.

Vorgarten, Künstlerhof Frohnau

Formal ist die per Bus angebundene Siedlung eingeschlossen vom hohen Damm der S-Bahn und der theoretischen Grenzlinie zwischen Berlin und dem Umland. Im Inneren der Anlage erstreckt sich eine grüne Senke, an deren südlichem Ende ein Gasthaus liegt. Gegenüber lassen sich an einer Schautafel möglicherweise entstandene Fragen beantworten.

In der Invalidensiedlung, kurz vor Glienicke

Schon nach wenigen Schritten treffen wir erneut auf den Mauer-Radweg, lassen ein paar Räder durch und setzen den Fuß nun wieder auf märkischen Boden. Das ist vielleicht geohistorisch nicht ganz korrekt – doch es klingt so schön. Voraus liegen weite Kornfelder, durchzogen von langen Buschbaumstreifen. Unser Weg ist vom hüfthohen Korn zunächst verschluckt, doch dann bald gefunden, als deutliche Treckerspur. Die Ähren, die zugleich weich und fest sind, schummeln sich immer wieder in den Handteller und erzeugen auf der Haut ein Gefühl zwischen Hummelpelz und Hummelbeinen– ein bisschen unheimlich, doch einziehen will man die Arme auch nicht.

Ein Wechsel auf den bezaubernden Pfad hinter der Baumreihe ist bald oder etwas später möglich, als eine andere Trampelspur von Hohen Neuendorf durchs Feld quert. Bald führt die sohlenbreite Linie mit etwas Hinternwackeln und Verneigen zwischen jungen Obstbäumen und alten Rosenbüschen hindurch, erlaubt Durchblicke zum Kirchturm des nächsten Dorfes oder dem gut besuchten Spargelstand an der hastigen Landstraße.

Wegspur im Feld

Stolpe

Waren wir vor ein paar Wochen zum allerersten Mal in Stolpe, dem an der Oder mit dem dicken Burgturm, kommen wir jetzt erneut zum ersten Mal durch Stolpe, diesmal das havelnahe. Hinter der lauten Straße Nr. 2 läuft ein clever gepflastertes Sträßlein entlang alter Gartenmauern direkt vor zur Kirche. Die ist sogar offen und hat im Inneren diese einmalige Stille, verbunden mit dem Duft von altem Holz und noch viel älteren Ziegelsteinen.

Dorfstraße zur Kirche, Stolpe

Ein paar Schritte sind es bis zur Krummen Linde, einem Landgasthaus, übrigens nicht dem einzigen im Ort. Warum das so ist, bleibt unklar und dürfte vielleicht ganz schlicht mit dem hübschen Dorf, der Stadtrandlage und der Nähe zur Autobahn zu tun haben. Wer auf langen, wiederkehrenden Fahrten gern eine wohltuende Pause von der Piste hat und sich ein bisschen auskennt, wird sich diesen Ort wohl schnell merken. Die namensgebende Linde steht direkt im Biergarten, ihr Stamm hat in der Tat die Form einer riesigen Morchel.

In der Kirche von Stolpe

Nur ein paar Häuser weiter ist auch im Dorfkrug der Schankbetrieb wieder angelaufen. Alle Gäste lehnen sich genüsslich zurück ins zurückgewonnene Stück Normalität, das Personal trägt sein Lächeln hinter Stoff. Südlich der Landstraße endet dann das gemütliche Dorf. Eine sachliche Wohnsiedlung leitet über zur eigenen Welt des Golfplatzes mit ihren zugehörigen Kopfbedeckungen, Obertrikotagen und Gefährten. Mitten hindurch führt schnurgerade ein schöner Feldweg, der meist so dicht von Buschwerk umgeben ist, dass die feingetunte Teletubbie-Landschaft drumherum kaum ins Auge fällt. Aus den Teichen, an deren Grund wohl etliche Golfbälle auf Muschelbewuchs warten, knarzen großvolumige Frösche herüber.

Weg zwischen den Rasenflächen und Leuten mit selbstgewähltem Handicap

Kurz vor der Stadtgrenze biegen wir nun selbst auf den Mauer-Radweg ab und bewegen uns durchs einstige Niemandsland, dessen Natur heute nur noch ungläubig zu lächeln scheint angesichts der absurden Nutzung damals. Es wird wieder etwas voller und das Abstandhalten zum Teil etwas slalomartig.

Beim Einmünden eines großen Weges steht der nächste Grenzübertritt an, der direkt in die weit verzweigten Wohnlagen des oftmals noblen Frohnau bringt. Mit schönem System wurde hier scheinbar darauf geachtet, dass so gut wie keine Straße länger als nötig gerade verläuft – vor über hundert Jahren ging dieser Teil von Berlin aus einer Gartenstadt hervor, was eine griffige Erklärung liefert. Die Karte zeigt ein herrliches Gewirr aus Bögen und Schlangenlinien, was sich auch östlich der S-Bahn fortsetzt. Dazu ist die Landschaft leicht bewegt und manches Haus wurde erhaben oder in scheinbarer Hanglage erbaut. Gemeinsam mit den großen Gärten und ihrem teils alten Botanik-Bestand ergibt sich ein gediegenes und gemütliches Flanieren, bei dem hier und da ein Weiher für Abwechslung sorgt.

Frohnau

Wenige Ortsteile von Berlin haben so klar ein Zentrum, das den Namen im vollen Sinne des Wortes verdient. Und das trotz seiner Zweiteiligkeit eine Einheit bildet. Wer hier nicht schnurstracks durchmarschiert, sondern sich auf irgendwas für Gaumen oder Kehle einlässt, läuft Gefahr, in einer ausufernden Pause zu versacken. Andererseits hätte man sich derb in der Thematik verirrt, würde man schnellen Schrittes vorbeilaufen, denn der halbrunde Zeltinger Platz und sein rundes Pendant sind schon etwas sehr Besonderes, nicht einfach nur eine S-Bahn-Endstation, taugen nahezu als eigenes Ziel für einen Ausflug.

Am Bahnhof Frohnau

Fast wie ein Kurviertel umgeben die beiden Ensembles den Bahnhof, auch die Brücke als Bindeglied trägt ihr eigenes Gesicht, mit zwei gegenüberliegenden Cafés. Wasserspiele und Pergolen, Ladenzeilen und ein Casino im Burgturm – das Ganze atmet eine schöne Stimmung vom alten West-Berlin und etwas Kurortcharme. Keineswegs wohnen hier nur die Betuchten – die Frohnauer Mischung wirkt echt und durchaus würzig. Versacken ist übrigens überhaupt kein Problem, denn das Budget-Taxi wartet ja quasi im Keller – die S-Bahn fährt alle zehn Minuten in die Stadt. Oder alle zwanzig nach Oranienburg, wohin ja auch die Sehnsucht manchmal lockt …

Wer noch Lust auf mehr hat und sich nicht vom Wegweiser zum Buddhistischen Haus ablenken lässt – durchaus eine lohnende Option – kommt auf der promenadenbreiten Wiltinger Straße zum Ludwig-Lesser-Park mit seinen alten Bäumen. Der Spielplatz wurde jüngst mit edlem Gerät neu gestaltet und ist mit Kindern durchaus die Anreise wert. Nördlich des Parks bedient ein Sportgelände mit Reithalle, Poloplatz und Schießstand Stadtrand-Klischees, die wiegesagt nur bedingt passen. Bald schon gibt es wieder Kontakt zum Wald, und nach der dritten Lärmstraße und einem vergehenden Weiher wird hinter den letzten Häusern zum zweiten Mal Berlin verlassen.

Vor den Loreleibergen

Loreleiberge

Entlang der Grenzlinie liegt ein breiter Dünenstreifen, wie ein riesiger Buddelkasten, mit vereinzelten Laub- und Nadelbäumen. Dahinter wird das wellige Relief von hochgewachsenem Buchenwald bedeckt, der im späten Mai nur noch wenig Licht zum Boden durchlässt. Nur wenige Schritte später beginnt der Anstieg auf die Loreleiberge, der durchaus seine steilen Passagen hat. Die beiden Gipfel werden von einem undurchschaubaren Geflecht von Pfaden überzogen, die selbst mit Satellitenempfänger die Orientierung herausfordern. Am besten lässt man sich treiben und folgt grob einer Grundrichtung. Bald fällt der Weg ab und verlässt am Wohngebiet Bieselheide den Wald.

Grüner Talgrund der Bieselheide

Bieselheide

Am Rand der Siedlung liegt das Kindelfließ in seinem tiefen Bett, begleitet von einem waldigen Uferweg. Der wechselt bald in einen grünen Wiesengrund, in dem sich doch tatsächlich noch immer das Wasser in den Halmen gehalten hat, so wie früher am Tag, gar nicht weit von hier. Ein kaum zu erahnender Pfad umrundet das kleine Waldstück anders als gedacht, erreicht aber bald wieder die geplante Spur. Die Wiesengräser sind vielfältig, rechts voraus stehen imposante Bäume mitten in der Landschaft, und hier und da ruht Wasser in seinem Graben.

Kurz vor dem Reiterhof bei Schönfließ

Koppelschänke

Über eine charmante Anhöhe kommen wir zum Reiterhof am Kindelwald, der mit dem Kindelfließ und dem Kindelsee in guter Gesellschaft ist. Die an Hufen reiche Außenstelle von Schönfließ liegt idyllisch über einer Senke am Waldrand und ist umgeben von viel Feuchtland. Eine besonders schöne Überraschung, quasi kurz vor Schluss, kündigt sich mit ein paar Schildern an und sorgt zwei Minuten später für etwas Berghütten-Atmosphäre. Hinter einer klapprigen Pforte führt ein schmaler Zugang hinauf zur Koppelschänke, die mit ihrer Aussichtsterrasse von Pferdekoppeln umgeben ist und damit verschiedenste Gästewünsche zugleich bedient. Der freundliche Wirt ist sofort am bootslackierten Tisch und wir leisten uns noch einen kleinen Absacker an diesem zauberhaften Ort – nichts ahnend davon, dass gleich eines der allerschönsten Wegestücke folgt, die man im unmittelbaren Umland finden kann.

Aufgang zur Koppelschänke

Vergleichbare Passagen gibt es manchmal hier und da auf ein paar Minuten Länge, eine vergleichbar lange im schmalen Bachgrund zwischen Nieder- und Hohenfinow. Doch dieser Weg reicht bis hinein nach Schönfließ mit seinem herrlich patinierten Schlosspark, also gut die nächste halbe Stunde – bliebe man nicht ständig staunend stehen. Direkt gegenüber der Pforte zur Schänke biegt im spitzen Winkel dieser Pfad ab, der zunächst den Rand eines feuchten Talgrundes begleitet. Das an sich wäre schon herrlich zum Abend und dem kühlen Ausatmen des Tages. Doch der schmale Weg wird begleitet von uralten Bäumen, die seine Linie ondulieren. Linden sind das und Eichen, später auch Bergahorne und Kastanien, vereinzelt auch Ulmen oder Eschen, von denen einzelne der Wind gelegt hat. Zwischen den kräftigen Stämmen kann der Blick weit schweifen, hinüber zum anderen Rand des feuchten Landes.

Am Naturschutzgebiet Kindelsee

Und auf einmal fließt es nebenher, kommt ein kleines kaum gezähmtes Bachsal und gestaltet sein Bett mal glatt und brav, dann wieder schnellengekräuselt – wenn auch im ganz kleinen Maßstab. Zunehmend tiefer gelegt ist jetzt der Weg, links und rechts wogen die Kornfelder oberhalb der Hänge, und der Wind rauscht in allem, was sich wiegen lässt. Wenn jetzt ein Poet hier so vor sich hin ginge, müsste ihm wohl der Kopf platzen vor Vers- und Motivansätzen.

Im verwunschenen Schlosspark, Schönfließ

Schönfließ

Nach ein paar Gärtchen findet der Weg wieder zurück zum Beegraben, dessen sonderbarer Name so gar nichts verrät von seiner Gestalt und seiner Landschaft und polyglott gedacht allenfalls an die tüchtigen Bienenvölker denken lässt, deren Plattenbauten vorhin am Weg standen. Vielleicht ist das ganz gut so, denn wer weiß, wie voll es auf den Wegen wäre, wenn der Wasserlauf Prinzessinenfließ hieße oder Kükenbach.

Die schüchterne Schönfließer Kirche

Der Schlosspark pflegt den Dornröschen-Schlummer, nicht jeder Pfad findet dabei ein eindeutiges Ende. Dennoch sollte man sich das urige Stück Natur nicht entgehen lassen – schlimmstenfalls geht man eben den Weg wieder zurück, den man gekommen ist – es kann sich jeweils nur um ein paar Minuten handeln.

Brücklein gibt es hier und Pfade, eine Gipfelbank und einen kleinen Stauweiher mit betagter Wehrmauer. Mittenhindurch plätschert das Wasser, das die letzte halbe Stunde nebenher floss, und insgeheim wissen wir nun, dass es einzig und allein das Schönfließ sein kann.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
von Berlin-Ostkreuz per S-Bahn nach Schönfließ (ca. 0,75-1 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): B 96a (ca. 0,5-0,75 Std.)

Länge der Tour: ca. 22 km (Abkürzungen gut möglich, vielfach per ÖPNV)


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(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Bieselheide

Künstlerhof Frohnau

Invalidensiedlung

Dorfkirche Stolpe – Abendmusiken

Berliner Mauer-Radweg

Rund um den Bahnhof Frohnau

Schlosspark Schönfließ

Einkehr: Landcafé, Schönfließ
Kleiner Cafébetrieb, Künstlerhof Frohnau (manchmal)
Landhaus Hubertus, Invalidensiedlung
Zur krummen Linde, Stolpe
Dorfkrug, Stolpe
div. Gastronomie rund um den S-Bhf. Frohnau
Koppelschänke, beim Reiterhof südlich von Schönfließ

Hennickendorf: Der Stienitzsee, das Schaf der Schafe und der gefundene Frühling

Von Zeit zu Zeit gibt es Ereignisse, die in ihrem Dunstkreis mehrere Wochen beanspruchen, hintergründig, jedoch präsent. Solche Kaliber wie Hochzeiten, runde Geburtstage jenseits eines dritten Lebensquartals oder die Konfirmation der Patentochter. Ist dann der Tag herangerückt, um den es geht, wird alles andere auf kleine Flamme gedreht und darf ein wenig knapper ausfallen – sei es nun der liebe Alltag oder auch der Ausflug ins Grüne. Dann wird pragmatisch und mit knappem Kriterienfächer entschieden: einmal rund um einen mittelgroßen See, zu dem man ohne lange Anreise hinkommt. Am besten einen, den man schon ein wenig kennt.

Am weiten Wiesengrund bei Tasdorf

Die Erwartung ist dementsprechend eher medium, was keine Einschränkung darstellt, denn das Spazieren durch den Wald und ein Dorf sowie der Blick über eine große Wasserfläche stellen auf jeden Fall ein vergleichbares Maß an Erholung sicher, das auch eine mit planerischer Feinmotorik gestrickte Tour bieten würde. Nur die Erlebniskurve fällt ein wenig flacher und ruhiger aus.

Dennoch kann es passieren, dass man von der gewählten Landschaft und ihrer Abwechslung dermaßen überrascht wird, dass aus der hingehauchten Skizze unverhofft eine Tour mit dem Zeug zum Klassiker geboren wird, ein Weg also, den man in gewissen Abständen immer wieder unter die Sohlen nehmen möchte, und zwar haargenau so, wie er beim ersten Mal war. Touren wie diese heften sich gern an bestimmte Zeitpunkte, die durch Natur oder Kalender bestimmt werden. Doch es gibt auch solche, die man gerne zu ganz verschiedenen Jahreszeiten sehen würde.

Aktuell ist es der Frühling, der in diesem Jahr durch beharrliches Warten erkämpft werden musste. Viele Geduldsfäden waren bereits gerissen, als es endlich soweit war und die Tage nicht mehr nur vereinzelt erschienen, an denen unbedeckte Köpfe und freie Unterarme gesundheitlich unbedenklich waren. Nach dem österlichen Schnee war der Winterspuk vorbei, und in Wochenfrist wurde die Zwanzig-Grad-Marke geknackt und wochenlang gehalten.

Stichkanal in Hennickendorf

Beim Blick auf die Straßen, die Gehwege und alle Parkflächen musste man denken, dass alle, wirklich alle draußen waren, keiner zu Hause. Mit einem Mal ging alles in die Spur, was Chlorophyll in sich trägt, und fand im schnellen Vorlauf zu dieser allgegenwärtigen Farbsättigung zurück, von der man schnell meint, dass sie nie weg gewesen war. Erst kamen die Blüten, eine halbe Woche später die Blätter an Bäumen und Büschen, und mit einem Mal war alles grün und saftig und erfüllte die Umgebung mit dem Duft der erwachten Vegetation.

Mittelgroße Seen mit schönem Wald drumherum gibt es viele im Land Brandenburg, auch das Berliner Umland ist gut bestückt. Die meisten von ihnen haben adrette Rundwege, die gut markiert einmal drum herum führen. So ein Weg ist sehr entspannend, da man kaum aufpassen muss und eigentlich nicht von ihm abkommen kann.

Wem das zu meditativ ist, zu einförmig oder zu knapp an Abwechslung, der kann hier und da noch einen Ausreißer einbauen, der für einen Landschaftswechsel sorgt. Gut lässt sich das beim Stienitzsee machen, der vom S-Bahnhof Strausberg in einer guten halben Stunde zu erreichen ist – mit dem Bus ist man übrigens nicht viel schneller. Der See ist das letzte Glied einer schiffbaren Kette wunderschöner Seen, die mit der Müggelspree das Wasser teilt und am Dämeritzsee bei Erkner beginnt. Einen ausgewiesenen Rundweg gibt es nicht am Stienitzsee, doch zumindest die westliche Hälfte ist als Teil des 66-Seen-Wegs gut markiert. Umrunden lässt er sich dennoch, und zwar regelrecht spektakulär. Wir haben das im knackfrischen Frühling getan, scheinbar die schönste Jahreszeit dafür, doch werden gerne wiederkommen in Monaten wie Januar, August oder Oktober.

Uferpromenade in Hennickendorf

Hennickendorf

Schon in Hennickendorf beginnt die große Vielfalt. Wer das Dorf durchfährt, sieht eins wie viele andere, doch kriecht man ein wenig in die Winkel und Ecken, zeigen sich mehr als eine Handvoll Gesichter. Am Kreisverkehr mit der Kirche ist die Eisdiele erwacht, in Sichtweite zum örtlichen Bäcker. Beide zusammen stellen am Wochenende den lückenlosen Eisverkauf von früh bis spät sicher.

Ein paar Meter weiter führt ein aufsteigender Weg auf einen von zwei Hügeln. Im Abstieg gibt es auf halber Höhe eine großzügige Aussichtsplattform, unten liegt ein Sportplatz in einzigartiger Lage direkt am blauen Wasser des Sees. Das ist in dieser Konsequenz eine seltene Konstellation. Bevor die Frage nach dem erst verschossenen und dann nassen Ball auftaucht, wird sie schon beantwortet – mit dem Blick auf das hohe Zaunnetz zum Ufer hin. Wer da noch drüberschießt, hat sich die Abkühlung und etwas Wasser in den Ohren wirklich verdient.

Nach einem urigen Stück Wald folgt eine eigene kleine Welt und lässt ans schnuckelige Neu Venedig denken, das vom Berliner Müggelsee kommend zur betreffenden Seenkette überleitet. Ein kleiner Stichkanal mit morsch-pittoresken Bootshäusern und vertäuten Booten greift der Lagune vorweg, die es etwas weiter südlich tatsächlich gibt. Ein zweiter, etwas breiterer Arm lässt fast an Skandinavien denken. Etwas Frischwasser erhält er von einem wenige hundert Meter jungen Rinnsal, das durch Ufer voller gelber Blüten aufwändig ins breite Wasser mäaandert. Als würde es sich immer wieder nach seinem Ursprung umschauen, der lang schon außer Sicht ist.

Verfallendes im Wald unterhalb des Betonwerkes, Hennickendorf

Dahinter liegt der zweite Hügel, auf den trotz oder wegen seiner steilen Flanke kleine Gärten mit Lauben gebaut wurden. Abenteuerliche und selbst verfasste Stiegen aus Holz, Metall oder Beton klettern hinauf zu den großen und kleineren Buden, bei denen das Hauptgewicht ganz klar auf der Aussichtsterrasse liegt. Zu Füßen der Erhebung liegen die Gärten, die statt der Aussicht das eigene Stück Ufer haben. Beides ist gleichermaßen exklusiv.

Strandbad Stienitzsee

Entlang eines Viertels praktisch gebauter Häuser wurde ein breiter Grünstreifen am Ufer freigelassen, davor sogar noch ein Promenierweg, auf dem man zum Wiesenstrand des Dorfes kommt und dran vorbei. Wer einen gediegenen Sandstrand dem Vorzug gibt, standesgemäß gelegen unter etwas Steilküste samt ausdrucksstarker Kiefer, der ist nur noch ein paar Minuten entfernt von seinem Glück. So wie diese Kiefer steht, muss ihr Sämling einst vom Darß hierher geweht worden sein. Im Strandbad Stienitzsee gibt es neben dem Strand die obligate Versorgung mit Getränken und Kuchen, Würstchen und Eis, darüber hinaus kann man verschiedenste Wasserfahrzeuge ausleihen oder den urigen Pfad im Berg erkunden. Wer es gerade passiv liebt, setzt sich einfach nur auf die schöne Terrasse mit den vom Bootslack glänzenden Tischen und lässt den Blick oder das Gehör über die Stille oder das Treiben schweifen – je nach Tageszeit. Nicht wundern, wenn ein Pfau vorüberschreitet.

Kleiner Lagunenhafen

Das folgende Stück entlang der Straße bietet Abwechslung fürs Auge in Form einer jungen Kirschallee, des eigentümlichen alten Wasserwerks mit Grasrondell und Yacht vor Anker sowie einer seltsamen Stallage aus Betonpfeilern. Auf Höhe der alten Werkssiedlung führt ein kleiner Schleichweg hinab in den Wald. Auch dort stehen seltsame Säulen aus Beton und Stahl, mittlerweile Aug in Aug mit nachgewachsenem Wald, und sehen für den Laienblick nach Umspannwerk aus, ein bisschen auch nach Hopfenplantage. Dazwischen rotten Ruinen vor sich hin, werfen Fragen auf und verleihen der kurzen Passage einen morbiden Anstrich.

Regelrecht putzig erscheint in diesem Kontrast die kleine Lagune, deren einer Nehrungsarm von winzigen Segelbooten belagert wird. Ab hier reicht der hochgewachsene Laubwald bis ans Ufer, wirft frischen Schatten über kleine Badebuchten und wird von Minute zu Minute feuchter. Hier und da sickert aus einem Quelltopf Wasser und landet gleich wieder im See. Ein paar Wochen später dürfte hier kein Mangel an Mücken herrschen. Im Wasser sind die Pfosten eines lang vergangenen Steges zu einer überfluteten Reihe von Weiden ausgetrieben, links steigt eine knorrige Allee hinauf zur Straße. Doch hier unten ist es schöner.

Pfad am Ostufer

Der Wald wird niedriger und wandelt sich zu leicht geheimnisvollem Bruchwald, an dessen Rand schlanke Eichen von armesdicken Efeu-Fesseln umschlungen werden. Nach starken Regentagen sollte man hier nicht mit weißen Stoffschuhen durchspazieren, denn der Weg verliert bald die entscheidenden Höhenzentimeter und geht auf Du und Du mit dem Niveau des Sumpfwaldes, der aktuell noch ohne Froschgequak ist. Der Pfad schlägt seine Haken und erfordert hier und dort etwas Balance.

Ein Drittel-Höhenmeter nach oben sorgt bald für trockenen Boden, und zwölf Schritte später findet man sich übergangslos in einer völlig anderen Landschaft wieder, die schon an werdernahe Obstwiesen denken lässt –scheinbar ferne Zukunftsmusik, doch schon in Kürze Wirklichkeit. Links dichtes Buschwerk, rechts eine zart blühende Reihe von Obstbäumen und davor weit gestreckt eine wonnige, saftig grüne Wiese, die schon bald mit der Farbvielfalt in in die Vollen gehen wird. Immer mehr Obstbäume werden es, darunter sone und solche.

Im Süden des Sees

Ein Tälchen weiter landet man ebenso unerwartet in einer Landschaft, die ein wenig an Vegetation auf Mittelmeerinseln erinnert – niedrig trockenes Knorrgebäum, dessen Arme kreuz und quer und waagerecht stehen, als wären sie beim insektenvertreibenden Fuchteln in ihrer Position fixiert worden. Manche davon sind bleich und nackt, in anderen steckt noch Leben, und auch die Mischform existiert. Weiter hinten wird die Wiese von der Uferlinie begrenzt. Dann und wann, so verrät eine Tafel, halten sich hier Heckrinder auf, die rückgezüchteten Erben des legendären Auerochsen, im Kreuzworträtsel gern als „Ur“ gesucht.

Das Schaf der Schafe

Mindestens genauso spektakulär, vor allem aber anwesend ist das absolute Ur-Schaf, das nach Längerem nun doch neugierig auf uns geworden ist, wohlüberlegt seinen Liegeplatz im Halbschatten verlässt und zielstrebig auf uns zuschlendert. Stark quaderförmig sieht es aus, das Schaf, und muss definitiv die Stammesfürstin einer größeren Sippe sein. Sie schleppt noch die Wolle des ganzen langen Winters herum, ein glücklicher Umstand, wie sich in den nächsten Tagen zeigen wird. Vielleicht ist es auch der Stammesfürst, doch diese Frage bleibt offen, da wir es nur von vorne sehen und die Wolle wirklich sehr üppig steht. Auf jeden Fall gibt es denkwürdige Augenblicke der Tuchfühlung und langen, tiefen Augenkontakt, was den Abschied nicht eben leichter macht.

Blick von der Bundesstraße auf das Mühlenfließ

Seltsam sachlich erscheint jetzt im Kontrast zu eben der unwirsche und lärmige Verkehr auf der Bundesstraße Nr. 1, die sich erst nach längerem Verharren überqueren lässt. Ein Blick zurück zeigt noch einmal den schattigen Schafshang und weitere Mitglieder der wolligen Sippe im Unterholz. Gegenüber stehen zwei quatschende Mädels am Zaun des einzigen Grundstücks hier und sehen aus, als wenn gerade Ferien wären. Vorbeifahrende schauen vielleicht mitleidig auf diesen Garten direkt an der lauten Straße, denn die wenigsten werden wissen, wie schön es hinterm Haus aussieht.

Werksbahnbrücke über dem Froschsumpf, Tasdorf

Die Straße spannt sich hoch über einem Kanal, der hier den schönen Namen Mühlenfließ trägt und so gar nicht danach aussieht. Zugleich nüchtern und romantisch lockt er hinab, und nach einem kurzen Abstieg locken Wegweiser in eine scheinbare Sackgasse, aus der wahrhaftig ein kleiner Pfad entspringt. Leicht bockig stapft er unter der Flanke entlang, gesäumt von großkronigen Obstbäumen, die gerade gestern voll erblüht sind und erfüllt von flächigem Summen. Immer schmaler wird die Spur und immer üppiger alles Grün, was schon gewachsen ist in zweiundsiebzig Stunden. Es ist eine völlig andere Welt hier, nur ein paar Steinwürfe von der lauten B 1. Eine markante Eisenbahnbrücke spannt sich breit über Ufersumpf und Kanal, den man gerade kurz vergessen hatte.

Präsent ist der Sumpf auch durch die Klangkulisse, die mit jedem Schritt lauter wird. Da ist er, der neue Jahrgang von Fröschen, und einer zeigt dem anderen, wo der Dezibel-Hammer hängt. Ein schwer rumpelnder Güterzug auf der Brücke sorgt da für keinerlei Irritation, anders hingegen der leise brummende Diesel einer verschnarchten Motorjacht auf dem Verbindungskanal zwischen Rüdersdorfer Kalksee und Stienitzsee. Ein weiterer Arm nimmt noch den schmalen Kriensee mit ins Boot, und dort vom Hafen kommen vor einer Industriekultur-Kulisse frisch geliehene Kajaks gepaddelt.

Höhenweg über dem Kanal

Nach der Brücke steigt der Pfad höher in die Flanke und bietet vor ein paar versandeten Stufen mit alternativer Mountainbike-Rutsche eine Rastbank, an der man einfach nicht vorbeikommt. Rastbänke übrigens gibt es mehr als reichlich auf dieser Seeumrundung, fast immer schön gelegen. Wer keine von ihnen auslassen wollte, hätte am Abend Kniebeugen im dreistelligen Bereich in den Beinen.

Die Hangflanke profitiert bereits vom ersten jungen Laub und verwöhnt mit dem lichten Halbschatten des Frühlings, der diesen und jenen Blümchen noch die Chance lässt, breite Teppiche zu bilden und sich leuchtend darzubieten. So führt ein schicker Höhenweg durch die grüne Kulisse, die jetzt noch ohne Mücken ist. Ein Blick zum feuchten Land da unten hebt diesen Umstand noch hervor.

Nördlich von Tasdorf

Beim nächsten Rastplatz mit knorrigem Geländer und angeschlossenen Stufen geht es hinab zum Blick auf die Kanalgabelung im Norden und eine weitere Eisenbahnbrücke im Süden, die nebenher auch den 66-Seen-Weg ans andere Ufer lässt. Der Blick fällt zudem auf stille Werksanlagen und einen filigranen Förderturm, der schon zum Rüdersdorfer Museumspark gehören könnte. Hier wendet der südliche Abstecher, bevor der Draht zum Stienitzsee verloren geht. Oben an der Straße, immerhin zwanzig Meter über dem Kanal, kann man sich wochentags am Imbiss stärken, vorn an der Kreuzung beim Bäcker ein Kaffeepäuschen einlegen.

Tasdorf

Nach einer kunstvollen Graffiti-Wand von 120 Metern Länge, die mit Tierschutz und Papageien zu tun hat, geht es nach einer Esel- und einer Pferdeweide hinab in den Wald, durch dessen Stämme schon bald der blinkende Spiegel des Stienitzsees erkennbar wird. Unten im Wald sieht es aus, als ob namhafte Gartenplaner vergangener Zeiten ihre Hände im Spiel hatten. Darüber hinaus verneigen sich viele der alten Bäume hin zum wunderschönen Weg, ganz jenseits aller Planbarkeit. Der Weg wird immer noch gediegener, stets etwas breiter und darin noch unterstützt vom Schattenspiel des sonnigen Tages.

Wiesengrund am Westufer

Vor einem weiten, teils schilfigen Wiesengrund schwenkt er nach links und zeichnet dessen Rand nach, wiederum mit schönen Bänken, einer Rasthütte im Stil eines Schafstalls und Sichtfenstern auf diese offene Insel zwischen Hang- und Uferwald, die Entzücken hervorrufen und zugleich den Puls senken. Beim Wiedereintauchen in den Wald, der jetzt bis Torfhaus geschlossen bleibt, gibt es keine Pause vom Erstaunen. Leicht geschwungen ist der Waldboden, kurvig der Weg, und alles links und rechts davon ist lückenlos bedeckt mit dem leuchtend grünen Laub des Scharbockskrauts, dazwischen dessen goldlackierte Blüten. Alles Laub, das selten Schatten hat, ist überzogen mit einer mattglänzenden Schutzschicht und sorgt für Extra-Reflexionen in diesem grünen Teppich, aus dem nur hier und da archaisch ein vor Jahren gefallener Stamm herausragt. Es ist berauschend, mitten hindurch zu gehen, ein wenig wie das Reiten auf der Welle.

Waldweg durch einen Teppich von Scharbockskraut

Der grüne Hang zur Linken wird nun steiler, der Wegelauf noch verspielter und der Boden rechts des Weges immer feuchter. Das geht soweit, dass es in einem regelrechten Kessel das Wasser aus jeder Pore drückt. Aus Dutzenden Rinnsalen entsteht auf nur dreißig Metern Länge ein Bach, der an seiner Mündung breiter als ein großer Schritt ist und dort der Waldesstille ein achtbares Rauschen entgegensetzt. Neben dem Annafließ und den sonstigen Wassern aus dem gleichnamigen Wiesental ist er eine von vielen Quellen, die dicht am Ufer entspringen und dem See zu der Wasserqualität verhelfen, die wir hier und dort sahen. Wer seinen Kindern oder Eltern immer schon ganz lebensecht und ohne viel Aufwand eine Quelle und gleich noch eine Mündung zeigen wollte, kann das hier sehr eindrücklich tun und dabei auf staunende Augen hoffen. Vorn am Ufer bietet der Blick über den blauen See eine Skyline an, die nicht mit Türmen geizt. Hauptdarsteller ist das Kalkwerk Rüdersdorf, im Vordergrund am Ufer noch das Wasserwerk mit seiner Motorjacht.

Skyline gegenüber

Eine Bank am steilen Hang hat sichtlich Mühe, sich geradezuhalten. Wer es dennoch schafft, Sie zu erklimmen und sich dort festzuklammern, wird mit direkter Sicht auf ein hölzernes Sichtfenster belohnt, das den finalen Bachmäander ansprechend in Szene setzt. Eine Schautafel ist dabei nicht nur informativ, sondern hilft maßgeblich beim Festhalten. Erst beim rückwärtsgewandten Abstieg sehen wir etwas Zauberhaftes. Alle Flanken des Kessels sind lose bedeckt von diesen herrlichen blauen Blümchen, denen Carl von Linné einst den Namen Anemone hepatica verpasste. Ihr landläufiger Name klingt mir irgendwie zu sehr nach Leberwurst, und daher betrachte ich diese kleinen Schönheiten intern als blaue Anemonen.

66-Seen-Weg am Westufer

Es gibt nicht allzu viele Stellen im Land Brandenburg, wo man auf dieses zartblaue Leuchten treffen kann, das nach dem Winter oft die allererste kräftige Farbe im graubraunen Laubteppich am Waldboden durchboxt. Gleich um die Ecke im Annatal stehen die Chancen sehr gut, ebenso bei Trebus oder in den Weiten des buchenreichen Grumsiner Forstes. Hier jedoch stehen fast gar keine Buchen, und doch geht es noch hunderte Meter weiter mit diesem Blütenzauber jenseits von gelb, grün und weiß.

Ein paar Wegekurven später drückt sich schlicht inszeniert die nächste Quelle ans Tageslicht, und nach einer Treppe hinab und einer hinauf kann man bei einigen Gärtchen erneut über den See blicken. Vor dem gegenüberliegenden Sandstrand unterhalb der Kiefer zieht ein Segelboot vorbei und fügt dem Tag etwas hinzu, was irgendwie noch fehlte. Bald lockt nach rechts eine hochgewachsene Fichtenreihe hinab zur Wiesen-Badestelle, wo sich schon erste Badegäste eingefunden haben und die Exklusivität des abgeschiedenen Plätzchens genießen. Da wollen wir gar nicht stören und biegen links ein in den Uferpfad.

Sichtfenster auf den Quellbach, Westufer

Der beginnt hoffnungsvoll, bremst uns jedoch nach zweihundert Metern unverhandelbar aus. Überall am Ufer scheinen unterirdische Quellen auszutreten, und entsprechend nass ist auch der Uferbruchwald. Es gab ihn einmal, diesen Uferpfad, doch dass der 66-Seen-Weg jetzt oben auswiesen ist, hat einen guten Grund. Der zeigt sich bislang relativ harmlos mit nassen Schuhen, und so sind wir einsichtig, passieren die Badestelle erneut und stören ein weiteres Mal gar nicht. Zumindest hatten wir von der Wendestelle einen besonders schönen Blick auf die Höhen und Türme von Hennickendorf in der Ferne.

Der breite Weg zieht jetzt gediegen durch den Wald und spendiert noch ein paar blumige Schönheiten. Als er dann zum Pfad wird, kommen uns zwei Leute entgegen mit einem Hund, der groß ist wie ein Kalb, weich wie ein Alpaka und sanft wie ein Lamm. Obwohl kaum Platz ist, passieren sich alle kontaktlos, ohne das leiseste Streifen, und mit einem angedeuteten Lächeln. So ganz anders als auf den rammligen Gehwegen der Berliner Innenstadt, wo viele der Passanten in die Inszenierung der eigenen Person versunken sind oder in ein auf Achselhöhe gehaltenes Display, das scheinbar noch immer genau so magisch ist wie vor zehn Jahren, als es mal brandneu war.

Weite Wiesen im Annatal

Nach einer weiten Kurve führt ein Brücklein über das lebendige Annafließ, das weiter nördlich bei Strausberg zeitweise komplett trockenfällt. Gleich dahinter beginnt von hohen Bäumen gesäumt ein Dammweg, der nac Süden zum Uferpfad nach Hennickendorf führt. Doch etwas Annatal muss schon noch sein, gerade jetzt zum Abend, wenn die Wiesen kühl und duftend ausatmen. Die umgestürmten Bäume vom Oktober liegen hier noch quer, und es hat sich bereits ein neuer Weg gebildet, der sich an den aufgeworfenen Wurzelballen vorbeidrückt. Von vorn kommt ein Vater mit seinem schulterhohen Sohn, und beide nehmen mit dem fokussierten Blick des Pfadfindenden und ohne ein unnützes Wort oder einen Anflug von Zögern den ursprünglichen Wegverlauf durch die liegenden Stämme und Kronen.

Torfhaus

In Torfhaus ist noch immer die Baustelle, die im Satellitenbild zu sehen war. Die Straßendecke ist komplett abgetragen, doch die Brücke über den Stranggraben ist da, zumindest für Fußgänger und Radfahrer. Nur gut. Schräg gegenüber lockt Empfängliche ein unscheinbarer Wiesenpfad in die Langen Dammwiesen, die ja eigentlich Sache des Stranggrabens sind und mit dem Annafließ gar nichts zu schaffen haben. Doch egal, denn so schön und sehnsuchtsvoll klingt Unteres Annatal.

Spazierweg am Mühlenfließ, Hennickendorf

Eine Frau vom Dorf schwärmt mit ihrem Hund aus in einen Weg, der irgendwo an einem Wasserlauf im hohen Gras versinken muss. Rechts liegt der kleine Sporn, der den Namen Wachtelberg trägt und von dessen Kamm man weit in zwei Richtungen blicken kann. Wir bleiben zunächst unten und biegen an der alten Mühle ein in den Uferpfad. Das kleine Mühlenfließ daneben strömt ausreichend rege, um das Mühlrad anzutreiben. Sein klares Wasser kommt vom Kleinen Stienitzsee, der ohne Zufluss ist und demnach auch durch unterirdische Quellen gespeist wird.

Vor dem See läuft ein Sträßchen unterhalb einer Hangwiese entlang, bevor ein steiler, grasiger Pfad den Kammzugang ermöglicht. Zehn Meter höher fällt der Blick ohne Umschweife auf den Fuß des Wachtelbergturms, doch die knapp 100 Stufen und den Lohn der absoluten Rundumsicht heben wir fürs nächste Mal auf. Die letzte gediegene Stufenfolge des ausgehenden Tages steigen wir mit federnden Knien hinab und nehmen zuletzt noch die Bahnhofsstraße und eine Hinterkirchgasse zum Kreisverkehr mit. Das Treiben an der Eisdiele läuft jetzt endgültig auf Hochtouren und sorgt für kurzfristige analoge Verabredungen und verfärbte Zungen mit Gänsehaut.

Abstieg vom Wachtelturm, Hennickendorf

Der Tag ist noch jung, die Sonne steht noch hoch und alle, die hier ein Eis in der Hand halten, denken noch lange nicht an Details der Abendgestaltung. Langes Licht und kurze Ärmel streifen einem ja stets ein Gefühl gewonnener Freiheit über, wenn sie dann verlässlich verfügbar sind. Auch die kühle Luft der mittleren Frühlingsabende lässt noch auf sich warten. Einzig der See hat sich bereits beruhigt, hält seinen stillen Spiegel dem Blau des Himmels entgegen und räumt dem Ruhepuls des Tages vieles aus dem Weg. Die großen Feste können kommen.

 

 

 

 

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): über S-Bhf. Erkner oder S-Bhf. Strausberg, dann jeweils noch mit dem Bus (ca. 1,25 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über die B 1 (ca. 0,75 Std.)

Länge der Tour: 15 km (Problempassage bereinigt)(Abkürzungen im Norden und Süden gut möglich)

 

Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

 

Links:

Hennickendorf Ortsseite

Fischerei am Stienitzsee

NSG Lange Dammwiesen und Unteres Annatal

Museumspark Rüdersdorf

66-Seen-Weg

Hofladen Mühle Lemcke Hennickendorf

Wachtelturm Hennickendorf

 

Einkehr: am Weg keine Einkehrmöglichkeit
Verschiedenes in Rüdersdorf, Strausberg und Herzfelde

Päwesin: Januarsonne und stille Wasser im Westhavelland

Die erste Woche des Jahres befand sich fest im Griff des Winters, der den Norden Deutschlands für zweidrei Tage komplett weiß einkleidete. Das reichte sogar für ausgedehnte Eisschollen auf dem größten Fluss in der Berliner Innenstadt. Vor dem Anlauf für den nächsten Kälteschub taut es nun, so dass Skier und Schneeschuhe weiterhin warten dürfen. Spikes wären heute nicht verkehrt, doch vielleicht tun es auch dicksohlige Stiefel mit markantem Profil.

Am Rand von Päwesin
Blick zurück nach Päwesin

Ein lichtreicher Tag mit reichlich flacher Januar-Sonne ist angekündigt. Über die eisfreie Havel und mit kurzem Zwischenstopp in Nauen stoßen wir weit in den Westen vor und beginnen die Runde in Päwesin, einem freundlichen Dorf im Westhavelland, von wo es nicht mehr weit ist zur alten Stadt Brandenburg. Die wäre von hier sogar auf dem Wasser zu erreichen, der mehrteilige und nachgerade mäandernde Beetzsee sowie einige Verbinder namens Sträng, ja wirklich, Sträng, machen es möglich.

Westhavelland – das heißt zu fast jeder Jahreszeit und sehr verlässlich Geschnatter und Getröte aus der Nähe und der Ferne. Hier ist ein Paradies für Wasservögel aller Art, mit kurzen Watschelbeinen oder hochhackigen Stelzen, spitzen oder runden Schnäbeln. Ob man nun viel anfangen kann mit solchen Flugbegleitern oder nicht, diese akustische Hintergrundgestaltung kann Emotionen wecken. Und zur Erwartungshaltung werden. Wenn so ein vollständiger Verbund von Gänsen sich zäh vom Boden löst, das ist schon eine Naturgewalt und eine Gänsehaut gar keine Schande beim Betrachter.

Blick zurück nach Päwesin
Noch ein Blick zurück nach Päwesin

Päwesin

Nach der Anfahrt über schöne Dörfer sticht in Päwesin die Kirche heraus mit ihrer leicht angezwiebelten Kirchturmhaube und einem Orgelkleinod unterm Dach. Dass sich hier im Ort eine ganze Reihe buddhistischer Nonnen und Mönche Ihrer Arbeit und der Lehre Buddhas widmen, ist für den Durchreisenden allenfalls beim Besuch des Bäckers zu spüren. Auf der Straße sind die kräftig leuchtenden Gewänder bislang die Ausnahme.

Von der Buswendeschleife an der Kirche führt eine entspannte Straße aus dem Dorf, vorbei an schönen oder schöngemachten Häusern und auch Höfen, die von manchem Lebensentwurf erzählen oder seligen Augenblicken in der knappen Freizeit. Nachdem wir einige Male angekläfft wurden von unsichtbaren Hunden hinter bodenlangen Lattenzäunen, befinden wir uns unvermittelt in der zurückhaltenden Gesellschaft eines filigranen, doch kernigen Lumpi, nicht größer als ein Miez und buntgefleckt, der uns den Weg weist bis zum Ortsrand. Sich immer wieder umdreht, um zu schauen, wo sie bleiben, die Touristen. Am Ortsausgang erfolgt dann eine saubere Übergabe. Ein Auto schleicht vorbei, die Fahrertür fliegt sachte auf und Lumpi übernimmt den Platz am Lenkrad – der Fahrerschoß macht’s möglich. Noch ein kurzer Huper, dann sind sie schon weg.

Blauer Riewendsee mit Schwänen
Der blaue Riewendsee und Riewend

Jenseits der Havel, der gerne unterschätzten Wetterscheide, lag kaum noch Schnee, und so ist es auch hier, die Äcker sind nur lose weißgefleckt. Doch auf dem Feldweg sind die Pfützen noch gefroren und stehen bereit für lautstarke Spielereien. Ein Duft von aufgetautem Erdreich weht von rechts über den Weg, so intensiv, als wenn der Acker unter Schnee gelegen hätte über Wochen. Das nenne ich mal einen Hang zu Dramatik, kaum spürbar, aber ausgeprägt. Wo Schatten liegt den ganzen Tag und wenig Wind vorbeikommt, da wird der aufrechte Gang auf dem Halbgefrorenen wieder zur Herausforderung, doch ist das eher die Ausnahme hier in dieser Weite.

Vereister Weg und verschneiter Acker
Vereister Weg, verschneiter Acker

Links unten liegt in sonnenklarem Blau, durch doppelt blondes Schilf noch unterstützt, der übereiste Riewendsee als letzte schiffbare Verlängerung nach Norden. Am Ufer gegenüber lagern still und äußerst passend die Häuser von Riewend, dazwischen auf dem Eis und auf dem flachen Ackerhang ihnen gleich das wilde Federvieh, mit geballten Flugmeilen auf dem Konto. Vom Osten hin zum Wasser und zurück gibt es ein ständiges Kommen und Gehen großer Formationen von Gänsen, die Kraniche halten sich im Hintergrund.

Blick vom Klinkgraben zur Baumschule
Schilf vorn und Baumschule hinten

Vorbei an einer kleinen Siedlung an einem Stichkanal, dahinter führt der Weg durch eine eindrucksvolle Allee großer Weiden. In eine fuhr der Wind mit Wucht, ein baumesdicker Ast liegt jetzt am Boden, scheinbar noch ganz frisch. Viel Arbeit für den Förster, doch bis dahin eine sehr bequeme Bank zum Rasten. Aus dem Wäldchen wenig später duftet nun der aufgetaute Boden nach Art des Waldes und noch etwas kühler als vorhin. Etwas weiter liegt schön eingebettet in die halbgezähmte Wildnis ein kleines Haus mit Obstwiese und Heckenzaun drumrum. Direkt dahinter beginnt eine schilfige Wasserlandschaft, sicherlich ein schönes Heim für viele Teilnehmern der Natur. Vom Riewendsee stößt ein Kanal hinzu und verbindet sich im Fluss mit allerlei anderen schmalen Wasserlinien. Links im weiten Schilfgürtel stiebt einer von diesen bunten Hühnervögeln auf, die Geräusche machen wie eine rostige Gießkanne und einen zu Tode erschrecken können, wenn sie im Grase von Wegnarben einen halben Meter vor einem plötzlich hochflattern.

Sonnenbeheizte Lederpelze
Sonnenbeheizte Lederpelze

Auf dem kleinen Deich stehend treffen sich in Richtung Norden auf einen Blick drei Welten – gleich hier das undurchdringlich nasse Schilfland, weiter hinten die in Reih und Glied preußisch anmutenden Zöglinge einer Baumschule und ganz weit weg die Riesenmasten der dort dicht vernetzten Stromtrassen. Die übrigens ihre Fühler auch bis hierher ausstrecken, einer ihrer weiten Bögen hängt gleich voraus quer durch die Landschaft.

Noch vorher lässt sich der Klinkgraben queren, der im weitesten Sinne und eher theoretisch für Rindenschiffchen, kleine Enten und Faltpapierboote die nördliche Weiterfahrt bis zur schönen Borsig-Siedlung in Groß Behnitz gestatten würde, was jedoch, die Enten ausgenommen, gegen den Strom eine Herausforderung bliebe.

Alleeweg am Riewendsee
Alleeweg am Riewendsee

Nach etwas Wald nun doch unter den voltpotent zirpenden Stromleitungen hindurch und bald entlang einer Weide mit scheinbar flauschigen Kühen, über die Maßen warm angestrahlt von der schon sinkenden Sonne. Nach dem erneuten Queren des Klinkgrabens empfängt uns schattiger Wald mit einigen Lichtpunkten weiter oben und geschlossener Schneedecke ganz unten. Entlang des Weges stehen in einer Reihe alte Eichen, links und rechts davon erstreckt sich Erlen- und Buchenwald. Der gewünschte Weg durch den Bruchwald ist hoffnungslos zugewuchert und dazu grundwasserdurchtränkt, so dass wir nach zwei Versuchen einsichtig sind und außenherum gehen. Sobald es trockener wird, übernimmt verlässlich der Kiefernwald mit nadeligem Boden und kleinen Hügeln, auf denen sich gut zelten ließe.

Rastende auf und am Riewendsee
Rastende auf und am Riewendsee

Hinter der Stromtrasse beginnt gedankenversunken ein wirklich schöner Weg, der mit Sicherheit schon einige Jahrhunderte kommen und gehen sah und bestanden von Büschen und einigen alten, abgekämpften und dennoch lebensfrohen Weiden ins Dorf Riewend führt. Über die komplett vereiste Seelänge reicht der Blick von einem kleinen Strand bis hin nach Päwesin.

Riewend

Am Rand von Riewend kommt eine alte Straße aus dem Walde, historisch wertvoll ziegelgelb gepflastert in Fischgrät-Muster. In der Ortsmitte steht ein Gutshaus, Dach und Fenster sind schon neu, der Putz vielleicht noch original. Gegenüber eine kleine Kirche mit breiten Schultern, zugleich wehrhaft und von zurückhaltender Gestalt. Ein paar Gärten später kommen Schafe auf uns zu gerannt und blöken durcheinander, als wenn sie schon den ganzen Tag darauf gewartet hätten, dass wir endlich kommen.

Alleeweg kurz vor Riewend
Alleeweg kurz vor Riewend

Kurz vor den letzten Häusern zweigt ein Weg ab in den Wald der Bagower Heide, die Richtung Westen in immer weitere Heiden übergeht und so geschlossenwaldig bis nach Premnitz reicht, dem Städtchen an der Havel, wo das andere Ufer fast schon anhaltinisch ist. Der breite Weg ist stark zerfurcht und schlüpfrig von Eis und Schnee im Tauprozess, nicht jeder Fuß bleibt dort, wo man ihn hinsetzt. Wieder dient ein umgestürzter Baum als Rastbank, auf die sogar im Walde hier ein wenig Sonne fällt.

Kurz nach dem Passieren einer selbstbewussten Sechserkreuzung naht von hinten ein wuchtiger Geländewagen, die ausgeprägten Wegefurchen im Spurte mild belächelnd. Ihm voraus wetzt ein struppbärtiger Hochbeinhund, der scheinbar nie ins Rutschen kommt. Beide scheinen herausfordernd miteinander zu spielen, was die gemeinsame Geschwindigkeit betrifft. Und einander zu kennen und zu vertrauen. So bleiben alle heil.

Pause am Wegesrand
Pause am Wegesrand

Gerade als der Wunsch nach Abwechslung erwacht, führt links ein Weg hinein, ein kleinerer, beschildert zum Bagower Bruch. Das Bruch, vor hundert Jahren noch trockener Rohstoffspender für die Ziegeleien in Bollmannsruh und Riewend, ist ein kaum verzweigter See mit vielen Inselchen. Der See liegt tiefer als der Wald, dessen sonnenwarme Kante voller Kiefernnadeln ist, mit ihr der Weg. Wieder so ein Platz für’s Zelt, wenn man ihn bräuchte. Hinterm Wald tönen die Kraniche am Beetzsee, und von der Sonne ist hier kaum noch was zu ahnen. Das war den ganzen Tag wohl so, denn alle Wege sind noch stark vereist, noch angetaut.

Am Bagower Bruch
Am Bagower Bruch

Eine weitere dieser schönen alten Eichenalleen begleitet den Weg aus dem Wald, bis vom Waldrand die Westflanke des Mühlenberges sichtbar wird, zärtlich dominant. Der überragt die Seen und Dörfer hier um mehr als 30 Meter, immerhin. Bald kommt auch der Bagower Kirchturm in Sicht, und der Feierabend winkt. Die Kirche von Bagow ist ein verspieltes Gebäude voller Blickfänge, gehalten in einem nicht zu alten Rosa. Sie hat einiges erlebt und zuletzt viel Zuwendung erfahren. Die Buntglasfenster wurden wohl vor Kurzem überholt oder neu gemacht.

Abendlicht zwischen Bagow und Päwesin
Abendlicht zwischen Bagow und Päwesin

Bagow

In den Wipfeln hoch über der Landstraße tollen ausgelassen Vögel herum, Dompfaffen, die wohl am Messwein mehr als nur genippt haben und deren ohnehin schon rot leuchtende Vorderseite durch die Sonne nun vergoldet wird. Die Gedanken öffnen den farblichen Vergleich zur Leuchtkraft eines Mönchsgewandes aus dem Kloster ein Dorf weiter. Der Blick schwenkt Richtung Beetzsee, und dort drängt der orangene Abendhimmel nun mit aller Macht durch die laublosen Waldstücken und das hohe Uferschilf, dessen Blütenbüschel jedes für sich zu leuchten scheinen. Auch der Päwesiner Kirchturm lässt sich noch von diesem Licht erwärmen, und beim Blick auf seine Uhr wird klar, wie deutlich länger schon die Tage wieder sind, obwohl der Januar noch gar nicht lange läuft. Ein schöner Ausblick!

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): mit der Regionalbahn bis Brandenburg Hbf. bzw. Nauen, dann weiter mit dem Bus (1,5-2 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): auf der B 5 Richtung Nauen, dort links Richtung Brandenburg abbiegen und auf der L 91 bis Päwesin (ca. 1,5 Std.)

Länge der Tour: ca. 15 km, Abkürzungen gut möglich (z. B. zwischen WP 7 und 18, WP 11 und 17 oder WP 22 und 27)

Download der Wegpunkte

Links:

Seite von Päwesin

Steckbrief des Dompfaffs (NABU)

In Päwesin gibt es seit 10 Jahren eine buddhistische Klosterschule …

… die auch ein schönes Bäcker-Café im Ort betreibt.

Einkehr: Backwahn – der Back-Shop, Päwesin (mit kleinem Café, auch Sa/So geöffnet)