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Hennickendorf: Der Stienitzsee, das Schaf der Schafe und der gefundene Frühling

Von Zeit zu Zeit gibt es Ereignisse, die in ihrem Dunstkreis mehrere Wochen beanspruchen, hintergründig, jedoch präsent. Solche Kaliber wie Hochzeiten, runde Geburtstage jenseits eines dritten Lebensquartals oder die Konfirmation der Patentochter. Ist dann der Tag herangerückt, um den es geht, wird alles andere auf kleine Flamme gedreht und darf ein wenig knapper ausfallen – sei es nun der liebe Alltag oder auch der Ausflug ins Grüne. Dann wird pragmatisch und mit knappem Kriterienfächer entschieden: einmal rund um einen mittelgroßen See, zu dem man ohne lange Anreise hinkommt. Am besten einen, den man schon ein wenig kennt.

Am weiten Wiesengrund bei Tasdorf

Die Erwartung ist dementsprechend eher medium, was keine Einschränkung darstellt, denn das Spazieren durch den Wald und ein Dorf sowie der Blick über eine große Wasserfläche stellen auf jeden Fall ein vergleichbares Maß an Erholung sicher, das auch eine mit planerischer Feinmotorik gestrickte Tour bieten würde. Nur die Erlebniskurve fällt ein wenig flacher und ruhiger aus.

Dennoch kann es passieren, dass man von der gewählten Landschaft und ihrer Abwechslung dermaßen überrascht wird, dass aus der hingehauchten Skizze unverhofft eine Tour mit dem Zeug zum Klassiker geboren wird, ein Weg also, den man in gewissen Abständen immer wieder unter die Sohlen nehmen möchte, und zwar haargenau so, wie er beim ersten Mal war. Touren wie diese heften sich gern an bestimmte Zeitpunkte, die durch Natur oder Kalender bestimmt werden. Doch es gibt auch solche, die man gerne zu ganz verschiedenen Jahreszeiten sehen würde.

Aktuell ist es der Frühling, der in diesem Jahr durch beharrliches Warten erkämpft werden musste. Viele Geduldsfäden waren bereits gerissen, als es endlich soweit war und die Tage nicht mehr nur vereinzelt erschienen, an denen unbedeckte Köpfe und freie Unterarme gesundheitlich unbedenklich waren. Nach dem österlichen Schnee war der Winterspuk vorbei, und in Wochenfrist wurde die Zwanzig-Grad-Marke geknackt und wochenlang gehalten.

Stichkanal in Hennickendorf

Beim Blick auf die Straßen, die Gehwege und alle Parkflächen musste man denken, dass alle, wirklich alle draußen waren, keiner zu Hause. Mit einem Mal ging alles in die Spur, was Chlorophyll in sich trägt, und fand im schnellen Vorlauf zu dieser allgegenwärtigen Farbsättigung zurück, von der man schnell meint, dass sie nie weg gewesen war. Erst kamen die Blüten, eine halbe Woche später die Blätter an Bäumen und Büschen, und mit einem Mal war alles grün und saftig und erfüllte die Umgebung mit dem Duft der erwachten Vegetation.

Mittelgroße Seen mit schönem Wald drumherum gibt es viele im Land Brandenburg, auch das Berliner Umland ist gut bestückt. Die meisten von ihnen haben adrette Rundwege, die gut markiert einmal drum herum führen. So ein Weg ist sehr entspannend, da man kaum aufpassen muss und eigentlich nicht von ihm abkommen kann.

Wem das zu meditativ ist, zu einförmig oder zu knapp an Abwechslung, der kann hier und da noch einen Ausreißer einbauen, der für einen Landschaftswechsel sorgt. Gut lässt sich das beim Stienitzsee machen, der vom S-Bahnhof Strausberg in einer guten halben Stunde zu erreichen ist – mit dem Bus ist man übrigens nicht viel schneller. Der See ist das letzte Glied einer schiffbaren Kette wunderschöner Seen, die mit der Müggelspree das Wasser teilt und am Dämeritzsee bei Erkner beginnt. Einen ausgewiesenen Rundweg gibt es nicht am Stienitzsee, doch zumindest die westliche Hälfte ist als Teil des 66-Seen-Wegs gut markiert. Umrunden lässt er sich dennoch, und zwar regelrecht spektakulär. Wir haben das im knackfrischen Frühling getan, scheinbar die schönste Jahreszeit dafür, doch werden gerne wiederkommen in Monaten wie Januar, August oder Oktober.

Uferpromenade in Hennickendorf

Hennickendorf

Schon in Hennickendorf beginnt die große Vielfalt. Wer das Dorf durchfährt, sieht eins wie viele andere, doch kriecht man ein wenig in die Winkel und Ecken, zeigen sich mehr als eine Handvoll Gesichter. Am Kreisverkehr mit der Kirche ist die Eisdiele erwacht, in Sichtweite zum örtlichen Bäcker. Beide zusammen stellen am Wochenende den lückenlosen Eisverkauf von früh bis spät sicher.

Ein paar Meter weiter führt ein aufsteigender Weg auf einen von zwei Hügeln. Im Abstieg gibt es auf halber Höhe eine großzügige Aussichtsplattform, unten liegt ein Sportplatz in einzigartiger Lage direkt am blauen Wasser des Sees. Das ist in dieser Konsequenz eine seltene Konstellation. Bevor die Frage nach dem erst verschossenen und dann nassen Ball auftaucht, wird sie schon beantwortet – mit dem Blick auf das hohe Zaunnetz zum Ufer hin. Wer da noch drüberschießt, hat sich die Abkühlung und etwas Wasser in den Ohren wirklich verdient.

Nach einem urigen Stück Wald folgt eine eigene kleine Welt und lässt ans schnuckelige Neu Venedig denken, das vom Berliner Müggelsee kommend zur betreffenden Seenkette überleitet. Ein kleiner Stichkanal mit morsch-pittoresken Bootshäusern und vertäuten Booten greift der Lagune vorweg, die es etwas weiter südlich tatsächlich gibt. Ein zweiter, etwas breiterer Arm lässt fast an Skandinavien denken. Etwas Frischwasser erhält er von einem wenige hundert Meter jungen Rinnsal, das durch Ufer voller gelber Blüten aufwändig ins breite Wasser mäaandert. Als würde es sich immer wieder nach seinem Ursprung umschauen, der lang schon außer Sicht ist.

Verfallendes im Wald unterhalb des Betonwerkes, Hennickendorf

Dahinter liegt der zweite Hügel, auf den trotz oder wegen seiner steilen Flanke kleine Gärten mit Lauben gebaut wurden. Abenteuerliche und selbst verfasste Stiegen aus Holz, Metall oder Beton klettern hinauf zu den großen und kleineren Buden, bei denen das Hauptgewicht ganz klar auf der Aussichtsterrasse liegt. Zu Füßen der Erhebung liegen die Gärten, die statt der Aussicht das eigene Stück Ufer haben. Beides ist gleichermaßen exklusiv.

Strandbad Stienitzsee

Entlang eines Viertels praktisch gebauter Häuser wurde ein breiter Grünstreifen am Ufer freigelassen, davor sogar noch ein Promenierweg, auf dem man zum Wiesenstrand des Dorfes kommt und dran vorbei. Wer einen gediegenen Sandstrand dem Vorzug gibt, standesgemäß gelegen unter etwas Steilküste samt ausdrucksstarker Kiefer, der ist nur noch ein paar Minuten entfernt von seinem Glück. So wie diese Kiefer steht, muss ihr Sämling einst vom Darß hierher geweht worden sein. Im Strandbad Stienitzsee gibt es neben dem Strand die obligate Versorgung mit Getränken und Kuchen, Würstchen und Eis, darüber hinaus kann man verschiedenste Wasserfahrzeuge ausleihen oder den urigen Pfad im Berg erkunden. Wer es gerade passiv liebt, setzt sich einfach nur auf die schöne Terrasse mit den vom Bootslack glänzenden Tischen und lässt den Blick oder das Gehör über die Stille oder das Treiben schweifen – je nach Tageszeit. Nicht wundern, wenn ein Pfau vorüberschreitet.

Kleiner Lagunenhafen

Das folgende Stück entlang der Straße bietet Abwechslung fürs Auge in Form einer jungen Kirschallee, des eigentümlichen alten Wasserwerks mit Grasrondell und Yacht vor Anker sowie einer seltsamen Stallage aus Betonpfeilern. Auf Höhe der alten Werkssiedlung führt ein kleiner Schleichweg hinab in den Wald. Auch dort stehen seltsame Säulen aus Beton und Stahl, mittlerweile Aug in Aug mit nachgewachsenem Wald, und sehen für den Laienblick nach Umspannwerk aus, ein bisschen auch nach Hopfenplantage. Dazwischen rotten Ruinen vor sich hin, werfen Fragen auf und verleihen der kurzen Passage einen morbiden Anstrich.

Regelrecht putzig erscheint in diesem Kontrast die kleine Lagune, deren einer Nehrungsarm von winzigen Segelbooten belagert wird. Ab hier reicht der hochgewachsene Laubwald bis ans Ufer, wirft frischen Schatten über kleine Badebuchten und wird von Minute zu Minute feuchter. Hier und da sickert aus einem Quelltopf Wasser und landet gleich wieder im See. Ein paar Wochen später dürfte hier kein Mangel an Mücken herrschen. Im Wasser sind die Pfosten eines lang vergangenen Steges zu einer überfluteten Reihe von Weiden ausgetrieben, links steigt eine knorrige Allee hinauf zur Straße. Doch hier unten ist es schöner.

Pfad am Ostufer

Der Wald wird niedriger und wandelt sich zu leicht geheimnisvollem Bruchwald, an dessen Rand schlanke Eichen von armesdicken Efeu-Fesseln umschlungen werden. Nach starken Regentagen sollte man hier nicht mit weißen Stoffschuhen durchspazieren, denn der Weg verliert bald die entscheidenden Höhenzentimeter und geht auf Du und Du mit dem Niveau des Sumpfwaldes, der aktuell noch ohne Froschgequak ist. Der Pfad schlägt seine Haken und erfordert hier und dort etwas Balance.

Ein Drittel-Höhenmeter nach oben sorgt bald für trockenen Boden, und zwölf Schritte später findet man sich übergangslos in einer völlig anderen Landschaft wieder, die schon an werdernahe Obstwiesen denken lässt –scheinbar ferne Zukunftsmusik, doch schon in Kürze Wirklichkeit. Links dichtes Buschwerk, rechts eine zart blühende Reihe von Obstbäumen und davor weit gestreckt eine wonnige, saftig grüne Wiese, die schon bald mit der Farbvielfalt in in die Vollen gehen wird. Immer mehr Obstbäume werden es, darunter sone und solche.

Im Süden des Sees

Ein Tälchen weiter landet man ebenso unerwartet in einer Landschaft, die ein wenig an Vegetation auf Mittelmeerinseln erinnert – niedrig trockenes Knorrgebäum, dessen Arme kreuz und quer und waagerecht stehen, als wären sie beim insektenvertreibenden Fuchteln in ihrer Position fixiert worden. Manche davon sind bleich und nackt, in anderen steckt noch Leben, und auch die Mischform existiert. Weiter hinten wird die Wiese von der Uferlinie begrenzt. Dann und wann, so verrät eine Tafel, halten sich hier Heckrinder auf, die rückgezüchteten Erben des legendären Auerochsen, im Kreuzworträtsel gern als „Ur“ gesucht.

Das Schaf der Schafe

Mindestens genauso spektakulär, vor allem aber anwesend ist das absolute Ur-Schaf, das nach Längerem nun doch neugierig auf uns geworden ist, wohlüberlegt seinen Liegeplatz im Halbschatten verlässt und zielstrebig auf uns zuschlendert. Stark quaderförmig sieht es aus, das Schaf, und muss definitiv die Stammesfürstin einer größeren Sippe sein. Sie schleppt noch die Wolle des ganzen langen Winters herum, ein glücklicher Umstand, wie sich in den nächsten Tagen zeigen wird. Vielleicht ist es auch der Stammesfürst, doch diese Frage bleibt offen, da wir es nur von vorne sehen und die Wolle wirklich sehr üppig steht. Auf jeden Fall gibt es denkwürdige Augenblicke der Tuchfühlung und langen, tiefen Augenkontakt, was den Abschied nicht eben leichter macht.

Blick von der Bundesstraße auf das Mühlenfließ

Seltsam sachlich erscheint jetzt im Kontrast zu eben der unwirsche und lärmige Verkehr auf der Bundesstraße Nr. 1, die sich erst nach längerem Verharren überqueren lässt. Ein Blick zurück zeigt noch einmal den schattigen Schafshang und weitere Mitglieder der wolligen Sippe im Unterholz. Gegenüber stehen zwei quatschende Mädels am Zaun des einzigen Grundstücks hier und sehen aus, als wenn gerade Ferien wären. Vorbeifahrende schauen vielleicht mitleidig auf diesen Garten direkt an der lauten Straße, denn die wenigsten werden wissen, wie schön es hinterm Haus aussieht.

Werksbahnbrücke über dem Froschsumpf, Tasdorf

Die Straße spannt sich hoch über einem Kanal, der hier den schönen Namen Mühlenfließ trägt und so gar nicht danach aussieht. Zugleich nüchtern und romantisch lockt er hinab, und nach einem kurzen Abstieg locken Wegweiser in eine scheinbare Sackgasse, aus der wahrhaftig ein kleiner Pfad entspringt. Leicht bockig stapft er unter der Flanke entlang, gesäumt von großkronigen Obstbäumen, die gerade gestern voll erblüht sind und erfüllt von flächigem Summen. Immer schmaler wird die Spur und immer üppiger alles Grün, was schon gewachsen ist in zweiundsiebzig Stunden. Es ist eine völlig andere Welt hier, nur ein paar Steinwürfe von der lauten B 1. Eine markante Eisenbahnbrücke spannt sich breit über Ufersumpf und Kanal, den man gerade kurz vergessen hatte.

Präsent ist der Sumpf auch durch die Klangkulisse, die mit jedem Schritt lauter wird. Da ist er, der neue Jahrgang von Fröschen, und einer zeigt dem anderen, wo der Dezibel-Hammer hängt. Ein schwer rumpelnder Güterzug auf der Brücke sorgt da für keinerlei Irritation, anders hingegen der leise brummende Diesel einer verschnarchten Motorjacht auf dem Verbindungskanal zwischen Rüdersdorfer Kalksee und Stienitzsee. Ein weiterer Arm nimmt noch den schmalen Kriensee mit ins Boot, und dort vom Hafen kommen vor einer Industriekultur-Kulisse frisch geliehene Kajaks gepaddelt.

Höhenweg über dem Kanal

Nach der Brücke steigt der Pfad höher in die Flanke und bietet vor ein paar versandeten Stufen mit alternativer Mountainbike-Rutsche eine Rastbank, an der man einfach nicht vorbeikommt. Rastbänke übrigens gibt es mehr als reichlich auf dieser Seeumrundung, fast immer schön gelegen. Wer keine von ihnen auslassen wollte, hätte am Abend Kniebeugen im dreistelligen Bereich in den Beinen.

Die Hangflanke profitiert bereits vom ersten jungen Laub und verwöhnt mit dem lichten Halbschatten des Frühlings, der diesen und jenen Blümchen noch die Chance lässt, breite Teppiche zu bilden und sich leuchtend darzubieten. So führt ein schicker Höhenweg durch die grüne Kulisse, die jetzt noch ohne Mücken ist. Ein Blick zum feuchten Land da unten hebt diesen Umstand noch hervor.

Nördlich von Tasdorf

Beim nächsten Rastplatz mit knorrigem Geländer und angeschlossenen Stufen geht es hinab zum Blick auf die Kanalgabelung im Norden und eine weitere Eisenbahnbrücke im Süden, die nebenher auch den 66-Seen-Weg ans andere Ufer lässt. Der Blick fällt zudem auf stille Werksanlagen und einen filigranen Förderturm, der schon zum Rüdersdorfer Museumspark gehören könnte. Hier wendet der südliche Abstecher, bevor der Draht zum Stienitzsee verloren geht. Oben an der Straße, immerhin zwanzig Meter über dem Kanal, kann man sich wochentags am Imbiss stärken, vorn an der Kreuzung beim Bäcker ein Kaffeepäuschen einlegen.

Tasdorf

Nach einer kunstvollen Graffiti-Wand von 120 Metern Länge, die mit Tierschutz und Papageien zu tun hat, geht es nach einer Esel- und einer Pferdeweide hinab in den Wald, durch dessen Stämme schon bald der blinkende Spiegel des Stienitzsees erkennbar wird. Unten im Wald sieht es aus, als ob namhafte Gartenplaner vergangener Zeiten ihre Hände im Spiel hatten. Darüber hinaus verneigen sich viele der alten Bäume hin zum wunderschönen Weg, ganz jenseits aller Planbarkeit. Der Weg wird immer noch gediegener, stets etwas breiter und darin noch unterstützt vom Schattenspiel des sonnigen Tages.

Wiesengrund am Westufer

Vor einem weiten, teils schilfigen Wiesengrund schwenkt er nach links und zeichnet dessen Rand nach, wiederum mit schönen Bänken, einer Rasthütte im Stil eines Schafstalls und Sichtfenstern auf diese offene Insel zwischen Hang- und Uferwald, die Entzücken hervorrufen und zugleich den Puls senken. Beim Wiedereintauchen in den Wald, der jetzt bis Torfhaus geschlossen bleibt, gibt es keine Pause vom Erstaunen. Leicht geschwungen ist der Waldboden, kurvig der Weg, und alles links und rechts davon ist lückenlos bedeckt mit dem leuchtend grünen Laub des Scharbockskrauts, dazwischen dessen goldlackierte Blüten. Alles Laub, das selten Schatten hat, ist überzogen mit einer mattglänzenden Schutzschicht und sorgt für Extra-Reflexionen in diesem grünen Teppich, aus dem nur hier und da archaisch ein vor Jahren gefallener Stamm herausragt. Es ist berauschend, mitten hindurch zu gehen, ein wenig wie das Reiten auf der Welle.

Waldweg durch einen Teppich von Scharbockskraut

Der grüne Hang zur Linken wird nun steiler, der Wegelauf noch verspielter und der Boden rechts des Weges immer feuchter. Das geht soweit, dass es in einem regelrechten Kessel das Wasser aus jeder Pore drückt. Aus Dutzenden Rinnsalen entsteht auf nur dreißig Metern Länge ein Bach, der an seiner Mündung breiter als ein großer Schritt ist und dort der Waldesstille ein achtbares Rauschen entgegensetzt. Neben dem Annafließ und den sonstigen Wassern aus dem gleichnamigen Wiesental ist er eine von vielen Quellen, die dicht am Ufer entspringen und dem See zu der Wasserqualität verhelfen, die wir hier und dort sahen. Wer seinen Kindern oder Eltern immer schon ganz lebensecht und ohne viel Aufwand eine Quelle und gleich noch eine Mündung zeigen wollte, kann das hier sehr eindrücklich tun und dabei auf staunende Augen hoffen. Vorn am Ufer bietet der Blick über den blauen See eine Skyline an, die nicht mit Türmen geizt. Hauptdarsteller ist das Kalkwerk Rüdersdorf, im Vordergrund am Ufer noch das Wasserwerk mit seiner Motorjacht.

Skyline gegenüber

Eine Bank am steilen Hang hat sichtlich Mühe, sich geradezuhalten. Wer es dennoch schafft, Sie zu erklimmen und sich dort festzuklammern, wird mit direkter Sicht auf ein hölzernes Sichtfenster belohnt, das den finalen Bachmäander ansprechend in Szene setzt. Eine Schautafel ist dabei nicht nur informativ, sondern hilft maßgeblich beim Festhalten. Erst beim rückwärtsgewandten Abstieg sehen wir etwas Zauberhaftes. Alle Flanken des Kessels sind lose bedeckt von diesen herrlichen blauen Blümchen, denen Carl von Linné einst den Namen Anemone hepatica verpasste. Ihr landläufiger Name klingt mir irgendwie zu sehr nach Leberwurst, und daher betrachte ich diese kleinen Schönheiten intern als blaue Anemonen.

66-Seen-Weg am Westufer

Es gibt nicht allzu viele Stellen im Land Brandenburg, wo man auf dieses zartblaue Leuchten treffen kann, das nach dem Winter oft die allererste kräftige Farbe im graubraunen Laubteppich am Waldboden durchboxt. Gleich um die Ecke im Annatal stehen die Chancen sehr gut, ebenso bei Trebus oder in den Weiten des buchenreichen Grumsiner Forstes. Hier jedoch stehen fast gar keine Buchen, und doch geht es noch hunderte Meter weiter mit diesem Blütenzauber jenseits von gelb, grün und weiß.

Ein paar Wegekurven später drückt sich schlicht inszeniert die nächste Quelle ans Tageslicht, und nach einer Treppe hinab und einer hinauf kann man bei einigen Gärtchen erneut über den See blicken. Vor dem gegenüberliegenden Sandstrand unterhalb der Kiefer zieht ein Segelboot vorbei und fügt dem Tag etwas hinzu, was irgendwie noch fehlte. Bald lockt nach rechts eine hochgewachsene Fichtenreihe hinab zur Wiesen-Badestelle, wo sich schon erste Badegäste eingefunden haben und die Exklusivität des abgeschiedenen Plätzchens genießen. Da wollen wir gar nicht stören und biegen links ein in den Uferpfad.

Sichtfenster auf den Quellbach, Westufer

Der beginnt hoffnungsvoll, bremst uns jedoch nach zweihundert Metern unverhandelbar aus. Überall am Ufer scheinen unterirdische Quellen auszutreten, und entsprechend nass ist auch der Uferbruchwald. Es gab ihn einmal, diesen Uferpfad, doch dass der 66-Seen-Weg jetzt oben auswiesen ist, hat einen guten Grund. Der zeigt sich bislang relativ harmlos mit nassen Schuhen, und so sind wir einsichtig, passieren die Badestelle erneut und stören ein weiteres Mal gar nicht. Zumindest hatten wir von der Wendestelle einen besonders schönen Blick auf die Höhen und Türme von Hennickendorf in der Ferne.

Der breite Weg zieht jetzt gediegen durch den Wald und spendiert noch ein paar blumige Schönheiten. Als er dann zum Pfad wird, kommen uns zwei Leute entgegen mit einem Hund, der groß ist wie ein Kalb, weich wie ein Alpaka und sanft wie ein Lamm. Obwohl kaum Platz ist, passieren sich alle kontaktlos, ohne das leiseste Streifen, und mit einem angedeuteten Lächeln. So ganz anders als auf den rammligen Gehwegen der Berliner Innenstadt, wo viele der Passanten in die Inszenierung der eigenen Person versunken sind oder in ein auf Achselhöhe gehaltenes Display, das scheinbar noch immer genau so magisch ist wie vor zehn Jahren, als es mal brandneu war.

Weite Wiesen im Annatal

Nach einer weiten Kurve führt ein Brücklein über das lebendige Annafließ, das weiter nördlich bei Strausberg zeitweise komplett trockenfällt. Gleich dahinter beginnt von hohen Bäumen gesäumt ein Dammweg, der nac Süden zum Uferpfad nach Hennickendorf führt. Doch etwas Annatal muss schon noch sein, gerade jetzt zum Abend, wenn die Wiesen kühl und duftend ausatmen. Die umgestürmten Bäume vom Oktober liegen hier noch quer, und es hat sich bereits ein neuer Weg gebildet, der sich an den aufgeworfenen Wurzelballen vorbeidrückt. Von vorn kommt ein Vater mit seinem schulterhohen Sohn, und beide nehmen mit dem fokussierten Blick des Pfadfindenden und ohne ein unnützes Wort oder einen Anflug von Zögern den ursprünglichen Wegverlauf durch die liegenden Stämme und Kronen.

Torfhaus

In Torfhaus ist noch immer die Baustelle, die im Satellitenbild zu sehen war. Die Straßendecke ist komplett abgetragen, doch die Brücke über den Stranggraben ist da, zumindest für Fußgänger und Radfahrer. Nur gut. Schräg gegenüber lockt Empfängliche ein unscheinbarer Wiesenpfad in die Langen Dammwiesen, die ja eigentlich Sache des Stranggrabens sind und mit dem Annafließ gar nichts zu schaffen haben. Doch egal, denn so schön und sehnsuchtsvoll klingt Unteres Annatal.

Spazierweg am Mühlenfließ, Hennickendorf

Eine Frau vom Dorf schwärmt mit ihrem Hund aus in einen Weg, der irgendwo an einem Wasserlauf im hohen Gras versinken muss. Rechts liegt der kleine Sporn, der den Namen Wachtelberg trägt und von dessen Kamm man weit in zwei Richtungen blicken kann. Wir bleiben zunächst unten und biegen an der alten Mühle ein in den Uferpfad. Das kleine Mühlenfließ daneben strömt ausreichend rege, um das Mühlrad anzutreiben. Sein klares Wasser kommt vom Kleinen Stienitzsee, der ohne Zufluss ist und demnach auch durch unterirdische Quellen gespeist wird.

Vor dem See läuft ein Sträßchen unterhalb einer Hangwiese entlang, bevor ein steiler, grasiger Pfad den Kammzugang ermöglicht. Zehn Meter höher fällt der Blick ohne Umschweife auf den Fuß des Wachtelbergturms, doch die knapp 100 Stufen und den Lohn der absoluten Rundumsicht heben wir fürs nächste Mal auf. Die letzte gediegene Stufenfolge des ausgehenden Tages steigen wir mit federnden Knien hinab und nehmen zuletzt noch die Bahnhofsstraße und eine Hinterkirchgasse zum Kreisverkehr mit. Das Treiben an der Eisdiele läuft jetzt endgültig auf Hochtouren und sorgt für kurzfristige analoge Verabredungen und verfärbte Zungen mit Gänsehaut.

Abstieg vom Wachtelturm, Hennickendorf

Der Tag ist noch jung, die Sonne steht noch hoch und alle, die hier ein Eis in der Hand halten, denken noch lange nicht an Details der Abendgestaltung. Langes Licht und kurze Ärmel streifen einem ja stets ein Gefühl gewonnener Freiheit über, wenn sie dann verlässlich verfügbar sind. Auch die kühle Luft der mittleren Frühlingsabende lässt noch auf sich warten. Einzig der See hat sich bereits beruhigt, hält seinen stillen Spiegel dem Blau des Himmels entgegen und räumt dem Ruhepuls des Tages vieles aus dem Weg. Die großen Feste können kommen.

 

 

 

 

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): über S-Bhf. Erkner oder S-Bhf. Strausberg, dann jeweils noch mit dem Bus (ca. 1,25 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über die B 1 (ca. 0,75 Std.)

Länge der Tour: 15 km (Problempassage bereinigt)(Abkürzungen im Norden und Süden gut möglich)

 

Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

 

Links:

Hennickendorf Ortsseite

Fischerei am Stienitzsee

NSG Lange Dammwiesen und Unteres Annatal

Museumspark Rüdersdorf

66-Seen-Weg

Hofladen Mühle Lemcke Hennickendorf

Wachtelturm Hennickendorf

 

Einkehr: am Weg keine Einkehrmöglichkeit
Verschiedenes in Rüdersdorf, Strausberg und Herzfelde

Grobskizziert – Eichenbrandt: Drei gute Gründe und die körperlose Axt im Walde

So wie in diesem Jahr der September nach der letzten August-Stunde umgehend den großen Schalter von sommerlich mild auf herbstlich kühl umlegte, macht nun auch der Oktober Ernst, punktgenau und ab dem ersten Tag. Verwöhnte der letzte Septembertag noch wohlig-versöhnlich mit sanfter Wärme und Potential für freie Schultern, riss ihm der Oktober den bunten Altweibersommerfummel vom Leibe und ließ ihn direkt im nächsten tiefen Brunnen verschwinden, mit grauem und direktem Blick.

Wald im mittleren Gamengrund

Als wenn das noch nicht reichen würde, baute sich zwei Tage später ein Sturmtief auf, das von Tag zu Tag mehr mit seinen Bizepsen rollte und sich weitere zwei Tage später mit aggressiver Wucht entlud, bevorzugt über Norddeutschland. In nur zwei Stunden wurde in Brandenburg und Berlin so viel Lebend-Holz zerlegt, wie es nur ein Sturm bewirken kann, der viel zu zeitig kommt und alle Kronen noch belaubt erwischt, mit voller Angriffsfläche. Mehrere Menschen überlebten dieses schwere Sturmereignis nicht, zumeist aufgrund stürzender Bäume.

Der Name des Vandalen musste mit dem Buchstaben X beginnen, gemäß der alphabetisch durchlaufenden Namensvergabe. Da beim X nur eine bestimmte Auswahl an halbwegs glaubhaften Namen verfügbar ist, wurde es wieder eine Variante von Xaver, diesmal Xavier. Nicht der erste Xavier in diesem Jahr, doch leider folgenreich und unvergesslich wie einst Kyrill.

Freigeräumter Weg nach den Sturmtagen, bei Eichenbrandt

Tage später ist es beim Bewegen in der Stadt und auf dem Land gleichermaßen kaum zu fassen, was die Naturgewalt alles verursachte und was die Feuerwehren und sonstigen Helfer in dieser kurzen Zeit geleistet haben. Eine Zeit, in der die Zahl der Einsätze in den vierstelligen Bereich ging und es fast unmöglich gewesen sein muss, Prioritäten zu vergeben, weil ja irgendwie alles ineinander verzahnt ist.

Im Umland gibt es nach fast einer Woche noch immer Probleme auf den Straßen, und an fast allen Fahrbahnrändern zeugen liegende Laubbäume mit aufgeworfenen Wurzelballen von der Wucht des Sturmes.

Einstieg in den Gamengrund bei Leuenberg

Tiefer Wald

Abgesehen von solchen Großereignissen äußeren Aufruhrs oder auch damit verflochten gibt es Zeiten innerer Unrast auch in jedem kleinen Menschenleben. Zeiten, die in vielen Hinsichten so vollgestopft sind, dass man in der nächstgelegenen Freizeit einfach nur stundenlang durch die Botanik streifen möchte, ohne einen einzigen Menschen zu treffen, wortwörtlich. Ohne jegliches Gerangel, Gedrängel oder Ausweichen, ohne Notwendigkeit zur räumlichen Rücksichtnahme oder wortlosen Argumentation. Einfach den Wind ins eine Ohr rein und aus dem anderen wieder rauslassen und dazwischen gerade so viel Synapsentätigkeit, um nicht über die eigenen Beine zu stolpern. Widerstandslos und willig Regentropfen erdulden, die genau in die kleine Kragenlücke am Nacken tropfen oder gekrümmte Stöcker, die durchs eigene Darauftreten zeckend an den Unterschenkel knallen. Das Ganze bevorzugt tief in schönem, besonderem Wald.

Langer See oder Mittlerer See im mittleren Gamengrund

Wenn selbst der Weg dorthin sich noch zum gelinden Hindernisparcours gestaltet, ist es umso wohltuender, vor Ort den ersten Schritt zu tun, tief einzuatmen und diese hochqualitative und von Stille getragene Luft durch den ganzen Körper strömen zu lassen. Wenn irgendwann der märkische Ruhepuls erreicht ist, schalten sich nach und nach die Sinne zu. Mit jedem bunt belaubten Baum, jedem Duft von Harz und Kiefernnadeln, dem pulsierenden Rauschen der restlichen Winde in den Wipfeln und der punktuellen Kälte der allerletzten Böen kehrt mehr Ruhe ein im eigenen Gebälk. Bis man schließlich nur der Linie auf der Karte folgt, wenn das denn geht vor lauter umgelegten Bäumen, und ruhig wird und friedlich. Schließlich.

Abendliche Eichenallee bei Heidekrug

Die Möglichkeit auf solche Entlegenheit findet sich zuhauf in den einsamen Nordregionen von Prignitz und Uckermark, sicherlich auch in den eindrucksvollen Weiten rund um die einstigen Lausitzer Tagebaue. Doch es geht auch weniger entlegen. Schon kurz hinterm Berliner S-Bahn-Bereich gibt es eine Möglichkeit, zwei bezaubernde und zudem ausgeprägte Eiszeitrinnen zu einer entlegenen Tour zu verbandeln, auf der man scheinbar ununterbrochen durch tiefe Wälder zieht. Selbst die Querverbindung zwischen beiden haut in diese Kerbe und gibt sich trotz flacher Ausprägung wie ein versunkenes Waldtal.

Gamengrund

Der Gamengrund ist ein wahrer Zauberkünstler, was vielfältige Naturschönheit und Waldromantik betrifft. Zwischen den westlichen Strausberger Seen und dem Oderbruch bei Falkenberg liegen nur reichlich zwanzig Kilometer, doch auf dieser Strecke wird in der meistenteils bachlosen Landschaftsfurche eine Vielfalt entfesselt, die wohl fast jeden wiederkehren lässt, der einmal hier war.

Nördlicher Gamengrund bei Krummenpfahl

Mehr als ein Dutzend schlanke Seen und verträumte Weiher ruhen in der Tiefe dieses Grundes, der manchmal siebzig Meter ins umliegende Land eingegraben ist, manchmal nur etwas über zehn. Die Vielfalt des Waldes reicht von hochgewachsenem Erlenbruchwald bis hin zu Fichtenwäldern, die an Gebirge denken lassen, besonders in verschneiten Wintern. Sie sind so dicht und dunkel, dass hier einfach Wesen leben müssen, die sonst am ehesten im Märchenbuch zu finden sind. Dann wieder gibt es lichte Hänge mit flächigen Teppichen aus Buchenlaub. Dazwischen, meist ganz unten, stehen jahrhundertalte Baumriesen mit glatter Buchenhaut oder zerfurchter Eichenborke, riesige Douglasien und auch mal eine Tanne.

Nadelränder am oberen Grenzgrund

Ein Haus gibt es im Gamengrund nur ganz am Rand von Tiefensee oder bei Leuenberg, dann kurz vorm letzten See im Norden die in Terrassen angelegte Laubensiedlung für das Wochenende. Die liegt unterhalb des Dorfes Krummenpfahl, scheinbar in einem Talkessel.

Wenn man, egal an welcher Stelle, diesen entrückten Grund wieder verlässt und sich zuvor so ganz woanders wähnte, wird man zum einen seine Tiefe in den Beinen merken, zum anderen oben im Lichte staunen, dass man wirklich hier in Märkisch Oderland über die Felder schaut. Kurz hinter Strausberg, oder kurz vor Bad Freienwalde.

Grund ohne Namen

Etwas weiter östlich gibt es ein Pendant, das in vielen Belangen weniger eindeutig ist als der Gamengrund und ebenfalls für Schönheit steht und Einsamkeit. Fährt man mit dem Finger über ein Geländemodell, gibt es eine größere Lücke, wo die Fingerkuppe ohne Führung ist und nach dem Anschluss suchen muss. Was am kurmondänen Rand von Bad Freienwalde als Brunnental beginnt, setzt sich leicht nach Westen versetzt als Geländerinne fort, vorbei an Steinbeck, Biesow und Blumenthal, bis es schließlich so nobel im Straussee sein Finale findet, wie das der Gamengrund im Fänger- und im Bötzsee tut. Auf knapp ein Dutzend langgezogene Seen und Pfühle kommt auch dieser namenlose Grund, und auch hier gibt es so manche steile Flanke sowie ein paar versumpfte Ecken, in denen Mysthik wohnt zu jeder Tageszeit.

Rastmöglichkeit nördlich von Gielsdorf

Heidekrug

Die Wälder dazwischen vollbringen an einer Stelle das kleine Kunststück, selbst über die Höhe ein schönes Waldtal anzubieten, wenn auch ein flaches. Nach einem spürbaren Aufstieg aus dem Gamengrund kommt man vorbei an Heidekrug, einem Platz im Wald, der nichts von dem erfüllt, was sein Name an Erwartung weckt. Keine Waldeinkehr ist hier, auch keinerlei Romantik oder Landlust-Szenen, dafür ein gepflegter Wetter-Radar-Turm sowie verfallende Kasernen, zwischen denen man sich gegenseitig mit kleinen Portionen Farbe beschießen kann.

Grenzgrund

Kurz hinter einer urigen Rasthütte, in der dank eines soliden Abzuges manchmal ein schönes Feuer lodern darf, beginnt kaum spürbar und mit weitem Blick durch lichten Wald der Grenzgrund. Seine Waldvielfalt spielt fast in einer Liga mit dem Gamengrund. Ganz langsam bilden sich die Flanken aus und gewinnen nach und nach an Steilheit, und zum Ende gipfelt das Ganze schließlich weglos und fast etwas dramatisch in einem ausgeprägten Seitental des namenlosen Grundes.

Herbstlicher Gamengrund bei Wesendahl

Unten liegt langgezogen und tief eingesenkt der Große Lattsee. Wie bei fast allen Seen dieses Talgrundes besteht freie Wahl der Uferseite. Westlich läuft ein schmaler Pfad, durch dichten Wald, wild und romantisch, unter dem laubbedeckten Hang am Ostufer ein gediegener Weg, der ein paar schöne Badestellen bietet – falls das gerade von Belang ist.

Eichenbrandt

Dort, wo beide Wege enden, quert eine breite Forststraße, die im Anstieg hier und dort noch altes Pflaster sehen lässt. Nach so viel Wald und Stamm und Wipfeldichte sind jetzt Licht und freier Blick willkommen, und davon gibt es reichlich auf dem letzten Stück der Runde. Immer der Linie des Waldrandes folgend gelangt man vorbei an einem verlassenen Gehöft und einer herrlichen Eichenallee ins gemütliche Dörfchen Eichenbrandt, das sich als Startort anbietet. Nicht zuletzt deswegen, weil dann die erwähnten ersten Schritte durch eine zutiefst beruhigende Reihe von Kastanien führen, bevor der Weg sich absenkt in die Wälder. Eine gute, eine wunderbare Starthilfe im Streben nach dem märkischen Ruhepuls.

 

 

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): keine direkte Verbindung; wahlweise Regionalbahn über Lichtenberg und Werneuchen nach Werftpfuhl, von dort Wander-Zuweg in den Gamengrund (ca. 3 km)

Anfahrt Pkw (von Berlin) über Landstraße, wahlweise über Werneuchen oder Strausberg (ca. 1 Std.)

Länge der Tour: ca. 17 km (Abkürzungen gut möglich)(dargestellte Tour/Download-Wegpunkte sind problembereinigt)

 

Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

 

 

Links:

Seite der Naturwacht Gamengrund (mit Tourenvorschlägen)

Informationen zum Gamengrund

Flyer zum Wandern im Gamengrund (PDF)

Flyer zum Wandern im Gamengrund (PDF)

 

Einkehr:

Gasthaus am Berg, Werftpfuhl

(in Leuenberg, Werneuchen und Tiefensee div. Gastronomie)

 

 

Spargel, Lieder und flusslose Auen

Manchmal muss eine Runde etwas kleiner sein als das Tageslicht lang ist – sei es nun wegen des Geburtstags der besten Freundin, wegen eines lahmgelegten Körpers oder weil es einfach so unfassbar heiß oder kalt ist, dass man sich draußen kaum rühren kann.

In seltenen Fällen gesellt sich dazu noch ein besonderer Grund, der zu einer bestimmten Zeit einen speziellen Ort erfordert. Nicht, dass die Tour zu einem Alibi degradiert würde, doch die Prioritäten, die im Spiel sind, begegnen sich auf Augenhöhe.

Fällt beides auf denselben Tag, ist besondere Mühe gefragt, damit die Tour auch gewohnt vergnüglich wird. Es gibt Landschaften, die bei solch kniffligen Fällen sehr entgegenkommend sind, so dass sich eigentlich nicht viel falsch machen lässt.

Einer dieser seltenen Fälle verzwickten Zusammentreffens lag im Monat Mai und vereinte genannten Geburtstag, die konkrete Nutzung der Spargelzeit und die wohlgesonnene Landschaft rund um Strausberg.

Als Halbzeitpause für die Anfahrt – es ist ein frühlingsmilder, leicht kühler Tag – kurz Richtung Hennickendorf abgebogen und kurz vor zehn zum Strandbad am Stienitzsee, dem noch die ganze Unschuld des Morgens zu Füßen liegt.

Hier ist auch so ein Platz, wo beherzt etwas aufgebaut wird, jedes Jahr ein Stück. Ein junges Paar verwirklicht mit Wagemut eine schöne Vorstellung – und wir genießen jetzt staunend den aktuellen Stand, der keineswegs mehr nach Zwischenstand aussieht.

Wenn jetzt und hier etwas diesen uferstillen Duft-Cocktail von Kiefernharz, Seewasser und Strandsand stören darf, ist es ein frisch gebrauter Kaffee, für den wir uns Zeit lassen. Am liebsten würde man diesen Frühlings-Morgen anhalten und noch zwei Stunden sitzen bleiben oder drei, da auf der Terrasse oberhalb des Strandes. Wo sich der Himmel edel in den vom Bootslack weich glänzenden Tischen spiegelt.

Glasiger Blick in die Kirche von Werder
Glasiger Blick in die Kirche von Werder

Werder

Im Dörfchen Werder unweit von Rehfelde, das wiederum unweit von Strausberg liegt, ist im Kirchhof eine Art gepflanztes Wappen in ein Beet gefasst, und wir wissen beim Losgehen nicht, was es damit auf sich hat. Beim Ankommen werden wir es wissen.

Über offenes Pferdeland geht es nach Garzau. Nach dem Überqueren der unfassbar schnurgeraden Bahnstrecke zwischen Strausberg und Müncheberg rascheln ein paar Kinder durchs hohe Korn, kurz darauf hocken in einem trockenen Wassergraben links und rechts des Weges zwei Eichhörnchen-Puppen, unten dran  erwachsene Frauen mit verlegenem Grinsen überm Kinn, noch etwas weiter liegt bemerkenswert sauberer Hausmüll verschiedener Kategorien sorgfältig zufällig verteilt wie eine Spur grimm’scher Brotkrumen. Hier geht was vor sich, und wir verbringen die Pause zu Füßen einer alten Linde mit Spekulationen. Bestimmt etwas zugleich Unterhaltsames und pädagogisch Wertvolles.

Allee nach Garzau

Durch den grünen Tunnel dieses Alleeweges leuchten von außen Meere blühenden Rapses, die im Osten dem Anschein nach wirklich erst am Horizont enden. Diese undurchbrochene gelbe Weite ist faszinierend.

Garzau

Garzau empfängt mit dem kleinen Kirch-Anger und begleitet uns durch den Ort mit Partyzelt-Musik zurückliegender Jahrzehnte, die an den bald anstehenden Herrentag erinnert. Noch ist das Zelt leer, dahinter feuchtes Bruchland – sollte später dann ein Fest auch für die Garzauer Mücken werden. Wo das stattfinden wird, queren wir erstmals das Mühlenfließ.

Die zweite Querung folgt wenig später am letzten und südlichsten Haus des Dorfes, wunderschön und mit dem Anschein eines Forsthauses, wo wir beim leisen Tönen im Garten tollender Kinder direkt in den Raps entlassen werden.  Am Klärwerk geht es unerwartet wildromantisch in ein winziges, doch uriges Waldstück hinauf, das üppig, ja fast schon saftig den Duft wachsenden Grünzeugs ausströmt. Gegenüber ein Bahnhäuschen, das vor einiger Zeit mit dem Verfallen begonnen hat, und genau hier quert ein winziger Pfad das selbe schnurgerade Gleis von vorhin.

Zwei großkronige Apfelbäume blühen in stiller Konkurrenz, und voraus ist schon die lose verstreute angerlose Hälfte von Werder zu sehen. Für ein paar Minuten werden immer größere werdende Straßen berührt, doch schon kurz nach dem Einschwenken gen Zinndorf verabschieden wir uns wieder ins Stille. Gänzlich unerwartet beginnt nun eine Landschaft, die glauben lässt, man wäre noch am vergangenen Wochenende unterwegs – da ging es durch die weiten und teils wildwüchsigen Elbauen unweit des  anhaltinischen Wörlitz.

Blick über die weiten Wiesen am Mühlenfließ
Blick über die weiten Wiesen am Mühlenfließ

Nach dem Durchschreiten einer stattlichen Pappelreihe, die das nun zum dritten Mal überschrittene Mühlenfließ trotz seiner Lüttheit bedeutend wirken lässt, öffnet sich in nobler Weite eine wirklich konkurrenzfähige Aulandschaft, die jedoch gänzlich ohne großen Strom auskommt. Mit dabei sind stattliche Einzelbäume, kleine und größere Waldstücke und sogar eine Anleihe an den Elbdeich in Form eines wildblumenbestandenen Dammes, der vermutlich den zeitweisen Lärm eines Crossgeländes abschirmt.

Kurz darauf gleich nochmal großes Staunen, als es am nächsten Wäldchen einen Gipfel zu erklimmen gilt – naja, man hätte den Berg auch umgehen können, doch der Haufen Findlinge auf dem Aussichtsplateau ist einfach so verlockend – und genau so unerwartet wie die Auwiesen. Also ohne viel Expeditionsgetue hoch, und oben bietet sich doch eine stattliche Aussicht, wieder über breites Rapsgelb und ein einzelnes Gehöft zu den Anlagen von Rüdersdorf, die gemeinsam mit einigen Windrädern für ein Sekündchen das Wort „Skyline“ durch den aktuellen Gedanken jagen lassen.

Blick zum Gipfel
Vor dem Aufstieg

Die Bergstille und die gipfelklare Luft sind zauberhaft. Noch zauberhafter sind sie, nachdem drei Männer oder Jungs, die Helme machen ein Geheimnis draus, genau jetzt und hier zweimal nacheinander den sandigen Auf- und Abstieg wagten, und zwar auf Quads mit pubertierenden Motoren. Dann ist sie wieder da, die Stille.

Nach dem Abstieg gibt es einen dieser schönen, tiefenentspannten Wege zwischen Wald und weitem Feld. Die Karte, schon etwas in die Jahre gekommen, weiß noch nicht von der Verlängerung des Waldrandes, der sich mittlerweile bis auf die Höhe von Zinndorf zieht, dem Angerdorf, das hinter dem Mühlfließ und seinen Feuchtwiesen liegt. Gemischtaltrig ist das, was nachgewachsen ist, und entsprechend zart die Grüntöne. Zweimal gibt es einladende und begehbare Durchblicke bis zur Au, der breiten.

Den Weg begleiten knapp kniehüfthohe Steinsäulen, vermutlich aus Granit, hell und gesprenkelt. Schräg gepflanzt in einem Winkel, der für Große und Kleine lesefreundlich präsentiert, was in Richtung des Weges angebracht ist. Das sind metallene (oder steinerne?) Liedblätter, jeweils mit  Text und Namen eines Liedes sowie einem gesprenkelten QR-Code für Leute, die vernetzt unterwegs sind und gerne wüssten, wie die Melodie doch gleich noch ging. Die Klangbeispiele, die sich öffnen, meist als Video, sind teils amüsant und teils komplex mehrstimmig dargeboten, doch größtenteils ist die Melodie recht gut erkennbar, und Spaß macht das auf jeden Fall – auch wenn man selbst gerade nicht in Singestimmung ist oder zu faul, noch die Gitarre aufzublasen. Wer gerne singt, sollte auf jeden Fall hier langspazieren und für den Weg genügend Zeit einplanen, wer nicht, der ist hier ebenso gut aufgehoben, denn unterhaltsam ist die ganze Sache fast für jeden.

Blick bis nach Rüdersdorf
Blick bis nach Rüdersdorf

Was daran gut zu merken ist, dass jeder doch aus seiner Kindheit ein paar Handvoll Lieder kennt und damit bei jedem Stein gespannt ist, ob  es eines davon ist. So summt es, ob wir wollen oder nicht, leise auch in unseren Kehlen, zumal das Hindernis des an der Abendkasse vergessenen Textes hier nicht besteht – erstaunlich doch, wieviele Strophen einige der vertrauten Lieder haben.

So richtig gut passt das dann am südlichsten Notenblatt direkt an der Brücke über das Mühlenfließ, dem wir hier zum vierten und für  heute letzten Mal über den Weg laufen, denn hier klappert die Mühle am rauschenden Bach. Vorher ging es vorbei an der herrlichen alten Allee zum Angerdorf Lichtenow, doch die nach Zinndorf steht ihr in Sachen Alleeschönheit in nichts nach.

Zinndorf

In Zinndorf ist auf einmal kein Wind mehr, als wäre er am Ortseingangsschild weggeschickt worden, die Wärme steht bräsig auf der breiten Hauptstraße herum und wird nur durch vorbeifahrende Laster etwas um sich selbst gedreht. Am Beginn des Angers wird es besser, und bald ist der Baumschatten der jahrhundertalten Bäume vor der Kirche mit ihren Rastbänken erreicht.

Zugleich auch das insgeheime Ziel des heutigen Tages, denn einer der besten Plätze, um zur Spargelzeit Spargel zu essen, ist schon in Sichtweite. Durch die Terrasse des Gasthauses streicht auf Beineshöhe ein angenehmer Lufthauch, und bald schon stehen die Teller vor uns und alles ist gut. Keine Angst vor künftigen Berichten, es wird nicht jedes Mal die Einkehr im Detail dargelegt, doch Spargel isst man so gut nur einmal jährlich, und das ist dann doch die Erwähnung wert.

Kirche von Werder aus der Ferne
Kirche von Werder aus der Ferne, mit Flieder

Zufrieden verlassen wir das Dorf, nun wieder durch die Felder, dabei in Hoffnung auf Buntes für einen schönen Blumenstrauß. Für erwähnte Freundin, die mit dem Geburtstag. Noch am Ortsrand, voraus zeigt sich am Wegesrand nichts Rotes, Blaues oder Weißes, lebt eine weite wilde Wiese voller Blumen, die allesamt sich ihre Farbe vom nahen Raps abgeguckt haben. Sonst nichts, doch davon reichlich. Also von Vielfalt auf Volumen umgeschwenkt und gleich so viel davon gepflückt, dass selbst eine große Männerhand fast überfordert ist, das Bündel dicker Stängel bis zum Ziel im Zaum zu halten. Aus der Trinkflasche wird mit ein paar beherzt gesetzten Schnitten eine Vase für die durstigen Blumen, ein Rest Wasser ist auch noch drin. Tatsächlich finden sich dann noch drei Kornblumen als wirksamer Kontrast zum satten Gelb.

Durch die am Rand stehenden Bäume kommt hinterm Raps die Kirche in Sicht, visuell umschmiegt von hohen Fliederbüschen, die in der Tat jedoch am Feldrain stehen. Und direkt am Beginn des Dorfes steht nun die Lösung eines Rätsels, von dem bisher niemand wusste. Die Markierung des Liederweges in Form einer Art von Blüte hat mit diesem nichts zu tun und gehört stattdessen zum Lilienrundweg, der stellenweise selbe Wege nutzt. Die Art von Blüte also ist die stilisierte Lilie, und diese wiederum ist das gepflanzte Wappen vor der Kirche, das vom Anfang. Zu der Erkenntnis und auf die Sprünge verhilft ein prächtiges Exemplar von Lilie, was direkt an der Rastbank am Dorfeingang blüht, in fast schon blauem Lila.

Rastbank mit Lilie am Rand von Werder
Rastbank mit zweierlei Lilie am Rand von Werder

Drei Anger mit drei Kirchen waren das jetzt, jeder ein bisschen anders, dazu zwei untergehakte Wanderwege und ein Blumenstrauß. Letztgenannter wird noch am selben Abend ausgeliefert, als Lohn gab es echte Freude und dazu schönen Erdbeerkuchen. Zwei Wochen später kam eine Nachricht dieser Freundin, mit einem Bild. Vom Strauß, der immer noch auf dem Balkon steht, noch immer aussieht wie ein Strauß.

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): Regionalbahn nach Rehfelde (stündlich ab Berlin-Lichtenberg, Fahrzeit von Berlin-Hbf. ca. 1,5 Std.), von dort Zuweg (knapp 1 km) auf straßenbegleitendem Radweg

Anfahrt Pkw (von Berlin): auf der B 1 Richtung Frankfurt/Oder, in Lichtenow abbiegen und über Zinndorf nach Werder (Fahrzeit ca. 1,25 Std.), Parken an der Kirche möglich

Länge der Tour: ca. 12 km, reine Gehzeit 2,5-3 Std.

 

Download der Wegpunkte

 

Links:

http://www.strandbad-stienitzsee.com/

https://www.gemeinde-rehfelde.de/

https://www.gemeinde-rehfelde.de/verzeichnis/objekt.php?mandat=96435 (Lilienrundweg)
https://daten2.verwaltungsportal.de/dateien/seitengenerator/reh_10_5_1_lilienrundweg_flyer.pdf (Flyer vom Lilienrundweg)

https://www.gemeinde-rehfelde.de/verzeichnis/objekt.php?mandat=114304 (Deutsch-polnischer Liederweg)

http://www.maerkischeschweiz.eu/cms/upload/pdf/rehfelde_flyer05.pdf (gelungener Flyer mit Wissenswertem für Ausflügler)

https://www.gemeinde-rehfelde.de/verzeichnis/visitenkarte.php?mandat=97628 (Dungers Gasthaus, Zinndorf)

Einkehr-Empfehlung:
Café am Strandbad Stienitzsee (kurz vor Hennickendorf, von der B 1 kommend)(mit Gastraum und schöner Terrasse über dem See)
Dungers Gasthaus (in Zinndorf unweit der Kirche, mit luftigem Wintergarten, deutsche Küche)