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Wernsdorf – Schlafende Pilze, der alte Arm und ein Gruß aus Sachsen

Es ist kaum zu fassen, wie lange jetzt schon der Frühling mit dem Winter rangelt, letzterer schon ganz quarkblass und entkräftet wirkt, doch wie der längst abgemurkste Unhold in gängigen Filmen immer nochmal aufsteht und aus dem Off angestakst kommt.

Brücklein am Oder-Spree-Kanal
Brücklein am Oder-Spree-Kanal

Der Frühling pariert die Stänkereien souverän, so als würde er mit der einen Hand beiläufig das Florett führen und mit der anderen gleichzeitig eine flache Tasse Tee trinken, mit leicht gehobenen Augenbrauen. Und erficht so manchen einzelnen Tag von großer Schönheit, mit bühnenreifen Himmeln und ergreifenden Lichtstimmungen.

Dennoch bleibt die klamm-graue Jahreszeit dominant, und so wurden schon etliche Male hochflorige Mützen und Handschuhe in den Schrank gestopft und bald darauf kleinlaut wieder herausgefingert. Die Vorfreude aufs nicht mehr Frieren ist schon lange unbändig, langsam schlägt sie nun auf die allgemeine Laune durch, was vielfältig zu beobachten ist.

Dorfblick Neu Zittau über die Spreewiesen

Unbeeindruckt davon sind neben vielem Geblüm auch die allerersten Lerchen, die schon vor Mitte März ihre Botschaft fröhlich in die Luft krakeelten, mit scheinbar grenzenloser Ausdauer. Einen Monat später sind endlich erste grüne Schimmer im Holz von Büschen und Sträuchern wahrzunehmen – wenn man etwas guten Willen mitbringt und die Gewächse gegen das Licht betrachtet. Die Ahornblüten täuschen wie jedes Jahr kronenfüllendes Laub vor und lassen es schon etwas heller werden im wintergebeutelten Herzen. Dank des immer wiederkehrenden Regens leuchtet in manch dunklem Wald der Boden grün vom gesättigten Moosteppich.

Am Bruch nördlicher Wernsdorfer See

Trotzdem – manche Frühlingstouren hätte man schon gehen wollen, die von blühenden Bäumen, Wäldern voller Bodenblüher oder schönen Lichtstimmungen leben und sehnsuchtsvoll erwartet in diese Zeit des Jahres gehören. Doch die einen konnte es nicht geben, weil die Blüten vor lauter Kälte in ihren Knospen blieben, die anderen, weil Licht eindeutig Knauserware war an allen Tagen, wo man hätte ausschwärmen können ins Ländchen, ganz gleich in welche Richtung. Vieles hat sich also aufgeschoben oder wurde aufgehoben, in der Hoffnung, dass der Zeitverzug manches später stattfinden lässt und irgendwann dann Sonne, Wolken und Himmel in ihrer schönsten Mischung ins Spiel kommen. Doch denkste. Daraus wurde auch Mitte April nichts.

In der Heide Paschenfeld

Um trotzdem einen schönen Tag zu haben, waren also besondere Wege und Landschaften gefragt, dazu ein gut Teil Wald, damit Wind und Regen uns nicht schon innerhalb der ersten Stunde durchweichen. Von den östlichen Wäldern rutschte der Finger auf de Karte immer mehr in Richtung Stadtgrenze. Ganz kurz davor kam er schließlich mit kleinem Ruck zum Stillstand, zumal sich gleich noch die Erledigung einer pragmatischen Angelegenheit einbauen ließ.

Schmöckwitzwerder

Wo sich die Wasser von Dahme und Spree so nahe kommen wie selten sonst, liegt die Insel Schmöckwitzwerder zwischen drei Seen und einem Kanal. Nur zwei Straßenbrücken und einen stattlichen Fußgängersteg gibt es, auf denen man die Insel erreichen oder verlassen kann. Dazu viel Wald, herrliche Uferpassagen und ganz im Süden die Siedlung Rauchfangswerder, die selbst fast wie eine eigene Insel wirkt. Die Fähre nach Zeuthen ist leider seit Jahren Geschichte – zumindest die Fährallee erinnert mit ihrem Namen noch an sie. Eine Neuauflage als Linienbetrieb zwischen Schmöckwitz und Königs Wusterhausen wird derzeit konkreter, und man darf gespannt sein, ob Berlin bald eine Fähre mehr statt einer weniger im Fahrplan aufführen darf.

Alte Linde an der Wernsdorfer Kirche

Wernsdorf

Ganz im Nordosten der Insel liegt nach deren Verlassen Wernsdorf. Ein hübsches Dorf entlang einer gekrümmten Dorfstraße, das neben etwas Fischerkietzigkeit mit einem einladenden Dorfplatz sowie ebenso ansehnlichen gelben Dorfkirche aufwarten kann. Ein kleiner Pfad führt dicht an deren Turmseite vorbei und zwingt Passanten zum kurzen Knicks vor den tief gebeugten Ästen einer sagenhaften Linde, deren Krone dank ausgefuchster Prothetik eine größere Fläche überdacht. Ein ehrfürchtig stimmender Anblick von Kraft und Anmut und etwas Ewigkeit.

Liebevolle Erhalts-Maßnahme am Kanal

Die Brücke von Wernsdorf hinüber zum Schmöckwitzerwerder ist so ein Platz, wo man gut einzwei Stunden am Geländer lehnen und einfach nur aufs Wasser und das Geschehen darauf gaffen könnte. Unten am Ufer liegt ein größerer Dampfer vertäut, mit einem halben Dutzend Schirmen auf dem Oberdeck, die nur darauf warten, am ersten sonnigen Tag vom Stiel zum Pilz zu werden. Im Dauerniesel wirken sie etwas verzagt, doch bald wird es soweit sein.

Neue Fußgängerbrücke über den Oder-Spree-Kanal

Auf direktem Weg und im fußweichen Bogen durch den satt getränkten Wald steht man bald am breiten Oder-Spree-Kanal, wo zwischen transportierenden Kähnen flanierende Bötchen noch die Ausnahme sind. Der scharfe Kiel des Patrouillenbootes der Wasserpolizei sorgt am Kanalrand bald für etwas schicke Brandung, sonst liegt das Wasser ruhig zwischen den Ufern.

Voraus liegt unübersehbar die neue Fußgänger- und Radfahrerbrücke, die Ende März erst eingeweiht wurde. Die alte Brücke wirkte ihrerzeit schon gewaltig, jetzt schwebt nur der enttreppte Mittelteil überm Wasser und wirkt neben dem wuchtigen Beton-Bauwerk regelrecht gebrechlich. Die neue Brücke macht es nun für alle mit Rädern unterm Hintern erheblich leichter. Dort an der Tafel mit der Wanderkarte hat jemand liebevoll einen wettergegerbten Wegesammler-Aufkleber wiederbefestigt, etwas in dieser Art haben wir noch nicht gesehen. Herzlichen Dank an die helfende Hand!

Wernsdorfer Schleuse in Wernsdorf

Gleich am Fuß der Brücke beginnt ein Pfad der Sonderklasse, über knapp einen Kilometer. Der wiesige Uferweg brückt bei den letzten Gärtchen über einen verträumten Wasserarm und geht dann in einen Dammpfad über, auf dem man sich bald wie mitten auf dem See fühlen kann. Nach Norden erstreckt sich weit der schilfumkränzte Wernsdorfer See, der nach Norden hin immer urwüchsiger und undurchdringlicher wird, so dass selbst mit dem leichtesten Kajak ein Anlanden problematisch sein kann.

Nördlicher Dammweg am Kanal

Entlang des Kanals reichen die Blicke hier tunnelartig bis zum Seddinsee, einem breiten Bauch der Dahme, dort zur recht eindrucksvollen Wernsdorfer Schleuse mit ihrem mittigen Breitband fallenden Wassers. Gen Süden öffnet sich mit dem Alten Wernsdorfer See ein herrliches Wasserreich mit unegalen Uferlinien, das manche an Skandinavien erinnern wird. Im Hintergrund ist bei der Durchfahrt zum großen Krossinsee nochmal der Dampfer mit seinen wartenden Schirmen zu sehen.

Blick zum jenseitigen Dammufer

In der Mitte des Dammes laden einige Stellen zum Sprung ins Wasser ein, nicht heute, jedoch meistens, und ganz in der Mitte schließt ein hochbeiniges Brücklein die Verbindung, die es am Damm gegenüber nicht gibt, und gestattet besegelten Kajaks die Durchfahrt ohne Masteinholen.

Am Bruch nördlicher Wernsdorfer See

Kurz vor der Schleusenbrücke geht hinter einer Handvoll Häuser ein gemütlicher Weg los, zwischen klatschnassen Wiesenlichtungen, dahinterliegendem Bruchwald und einem ganz anständigen kleinen Höhenrücken, der rechts seine bemooste Flanke steil ansteigen lässt. Überall zeigt sich, dass es in den letzten Wochen immer wieder Regen gab, wie auch heute den ganzen Tag. Der Plan mit dem Wald geht auf, der Regen erwischt uns vor allem oben und die Schirme können ohne Gezerre ihren Job machen.

Flanke der renaturierten Halde

Unerwartet beginnt ein massiver Zaun, hinter dem sich ein überdimensionierter Deich erhebt. Beim Blick auf die Karte entpuppt sich der großflächige Wiesenhang als begraste Deponie. Über fünfzig Jahre wurde hier Berliner Hausmüll aufgetürmt, bis 2005 damit Schluss war und der entstandene Berg nach und nach renaturiert wurde. Einige weit verstreute Zeugen waren bereits auf dem Kanalpfad zu sehen, und auch wenn die Margarinedeckel und Konservendosen mit EVP-Preisen von gewissem historischen Wert sind, ist es doch um so erfreulicher, dass es lokal ein Häuflein Leute gibt, die den ganzen Mist nach und nach aus der Natur sammeln. Auch hier ein herzliches Dankeschön!

Pfad am Fließ der Gosener Hauswiesen

Gosener Hauswiesen

Die grüne, doch sachliche Szenerie währt nur ein paar Minuten. Schon kurz nach dem Abzweig des Rundweges nach Gosen lockt links ein kleiner Pfad, der urig und auch wurzlig zwischen Waldrand und einem kleinen Wasserlauf mit reichlich Schilf verläuft. Links erscheinen die weiten Gosener Hauswiesen wie ein verlandeter See. Hier und da steht eine Insel aus hochgewachsenem Gebüsch, auf den Wiesen steht flächig das Wasser.

Die Wiesen hier sind nur eine kleine Außenstelle der weitläufigen Gosener Hauswiesen, die sich nördlich von Neu Zittau bis hin zur Spree ausdehnen, zum Großteil weglos und daher bei Wasservögeln sehr beliebt. Mit im Spiel sind in den benachbarten Schmöckwitzer Bruchwiesen der geradlinige Gosener Kanal, der schon krummere Gosener Graben und der kleine und äußerst kringlige Große Strom. Mittendrin liegen die Fischerei Kaniswall und das Freilandlabor mit dem gleichen Namen, letzteres ein grüner Lernort mit schönen Außenanlagen.

Ortsmitte Neu Zittau

Neu Zittau

Wir bleiben im südlichen Teil und biegen bald ab in einen schönen Pfad, der direkt im Örtchen Neu Zittau endet, einem ausgewachsenen Straßendorf. Nach einem Bogen durchs Wohnviertel gibt es fast am selben Fleck drei empfehlenswerte Möglichkeiten sich zu stärken. Einen schönen Kirchblick, eine Ampel und ein paar Abbiegungen später landet man auf dem Ablageweg direkt an der Spree, wo ein ufernaher, teils pfadschmaler Weg losgeht. Hier zeigt sich wieder einmal die Schönheit dieses kleinen Flusses, der an so vielen Stellen etwas wild und zugleich sanft wirkt. Und dieser Tage gut Wasser führt, was sich teils auch hier bemerkbar macht.

Spreeufer bei Neu Zittau

An herrlichen Badestellen geht es vorbei und durch kleine Waldstücken, über ein Brücklein und entlang der Wochenendhäuschen am Wurgel, wo hier und da ein Ruderkahn vertäut liegt. Über die Wiesen ergeben sich erste schöne Rückblicke auf die Kulisse von Neu Zittau, die vom Kirchturm bestimmt wird und tatsächlich ein wenig an die Oberlausitz denken lässt, wo man das ursprüngliche Zittau findet. Und wo es auch viele langgezogene Straßendörfer gibt. Selbst den leicht angezwiebelten Kirchturm würde man eher in Sachsen verorten als in Brandenburg, kurz vor Berlin.

Pfad am Altarm der Spree

Bis zur Reitanlage ließe sich diesem herrlichen Weg am Fluss noch treu bleiben, doch das Abbiegen auf Höhe eines abgekoppelten Altarms lohnt sich. Ein zauberhaftes Pfadstück beginnt hier, das sich zwischen struppig-büscheligen Feuchtwiesen und der eigenen Welt des alten Spreebogens hindurchquetscht und manche Verbiegung des Oberkörpers einfordert. Die Pfeiler für den Weidezaun stellen alte Eisenbahnschwellen aus Holz, deren zweite Haupteigenschaft ja die langfristige Wetterfestigkeit ist.

Spreewiesen mit teils bekleideten Pferden

Am Ende übernimmt ein gemütlicher Wiesenweg zwischen saftig grünen Wiesen und Weiden, führt in Kurven vorbei an verschmitzten Pferden, die halbverborgen im Unterholz ausharren und dem Regen die nasse Schulter zeigen. Wuchsfreudige Weidenreihen ziehen geradlinig über die Grasflächen. Bei einem Grundstück, das nur so strotzt vor Phantasie in Anlage, Bau und Ausführung von Garten und Behausungen, wird schließlich der Blick frei und macht nun das sächsische gefärbte Panorama rund – hinter einen Wiesensenke Neu Zittau mit Kirche am sanften Hang. Wir geben uns dem gerne hin..

Runder Wiesengrund in Neu Zittau

Gerade als der Regen dichter wird, liegt am Weg eine verspielte Rasthütte mit akkuratem Wetterschutz von drei Seiten und schönem Blick auf den grünen Grund. Der heiße Tee ist jetzt genau richtig, um für die letzte Stunde der Tour noch bei guter Laune zu bleiben. Der anschließende Weg unterhalb der Gärten hätte diesen Job selbst ohne Tee gut erledigt, es ist nun schon die dritte Zufallsentdeckung extraschöner Pfade an diesem Tag. Mehr und mehr geht der Plan des Tages auf.

Heimat-Museum an der Kirche

Neu Zittau Kirche

Vorbei an der Kirche, die auf einem winzigen Rondelltellerchen und gegenüber des ebenso winzigen Heimatmuseum und weiteren Dorfkaten steht, beginnt nun der Aufstieg in den Höhenzug des Kesselberges, der sich in mehreren Phasen vollzieht und keineswegs belächelt werden sollte. Die erste Höhenstufe ist am Friedhof erklommen und führt direkt hinter dessen Außenmauer entlang. Die ist leicht geneigt, doch noch gerade so, dass man ohne Sorgen ihrer Linie folgt.

Im Forst am Kesselberg

Heidefläche Paschenfeld

Nach diversen Abbiegungen im neonmoosgrünen Wald, weiteren Höhenstufen und einem im Sinne des Wortes liegengebliebenen Radfahrer endet der Wald an einer halboffenen Heide, die sicherlich mal Militärgelände war. Jetzt ist der sandige Boden von Weißmoos, Heidekraut und anspruchslosem Grünzeug bedeckt, Kieferchen versuchen sich am Großwerden und unzählige Wege laufen kreuz und quer. So grau der Tag, so erstaunlich grün ist es hier. Der Radfahrer hockt wieder im Sattel und fährt nun dort, wo er zu Fuß vermutlich schneller wäre.

Kronenkiefer in der Heide Paschenfeld

Einen absoluten Mehrwert schenkt uns der anschwellende Regen des Tages schließlich über Bande. Im ersten Teil der Tour war die Schießbahn des hiesigen Schützenclubs sehr präsent, wenn auch hintergründig, und irgendwann tatsächlich nervend. Seit dem Wiedereintauchen in deren akustischen Einzugsbereich ist jedoch Ruhe im Wald, was der nassen Witterung geschuldet sein könnte – ganz gleich, ob nun die Schützen, die Flinten oder die Projektile nicht so gern nass werden oder schlichtweg die Sicht zwischen Korn und Ziel bei stäubendem Niederschlag zu dürftig ist.

Oberes Hafenbecken vor der Wernsdorfer Schleuse

An einer kurzstämmigen Kiefer mit makellos runder Krone wird dann die Historie anhand von gefassten Schützengräben und dem eingezäunten Areal der Schießanlage greifbarer, was die umgebende Natur mit einem milden Lächeln quittiert und sich überhaupt nicht in ihrem Langzeitvorhaben stören lässt. Dementsprechend weiter verbuscht, überwächst und mit Nadeln bedeckt, was da zu bedecken ist.

Schleuse Wernsdorf

Der ausstehende Abstieg zum Oder-Spree-Kanal ist kurz und erfordert durchaus etwas Federn in den Knien, auch wenn der Waldboden schon gutgehend dämpft. Zwischen Weg und Kanal liegen Pferdeweiden, Gärten und kleine Gehöfte, einige tapfere Obstbäume halten ihre leuchtend weißen Blüten ins fahle Nachmittagslicht und die Pfützen auf dem Weg empfehlen uns manchmal an dessen äußersten Rand.

Alte Dorfstraße in Wernsdorf

Die Bucht vor der Schleuse wird im eleganten Bogen von einer gut befestigten Uferkante aus grobem Schotterbruch eingefasst. Direkt an der Schleuse ruft ein vergehendes Wirtshaus vergangene Zeiten wach, und in Verbindung mit dem Rauschen des Wasserfalls flammt kurz so etwas wie Hafenflair auf. Mit ein wenig Zickzacklauf lässt sich jenseits der Brücke der alten Dorfstraße nachspazieren, die teils noch unbefestigt ist und zuletzt direkt am schönen Dorfplatz endet. Gegenüber zieht das halbe Dorf zum örtlichen Krug, der hell erleuchtet ist, und wird wohl bis weit in die Nacht Tante Hannelores Achtzigsten feiern. Die passende Musik dringt schon gedämpft durch die Fenster und bringt drinnen die ersten beblusten Oberkörper ins Schwingen.








Anfahrt ÖPNV (von Berlin): mit Bahn bis Schönefeld oder Königs Wusterhausen, dann Bus (ca. 1-1,25 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): übers normale Straßennetz (ca. 1 Std.)

Länge der Tour: ca. 15 km (Abkürzungen vielfach möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Gosener Hauswiesen (PFD)

Informationen zu Neu Zittau

Neubrück: Laute Schirme, leuchtendes Moos und die Spree in Eile

Nach mehreren nassen Tagen ist auch für heute Regen angesagt, und zwar von früh bis spät und dann noch weiter. Das Wetterradar zeigt fast nur drohend dunkles Blau. Kein Tag also, an dem man unbedingt rausgehen möchte.

Wasserwanderrastplatz, Neubrück an der Spree

Die Vorboten des Vorvorfrühlings zeigen sich hingegen zustimmend, nehmen die Durchtränkung des oberen Bodens dankend an und senden in den mildesten Momenten des Tages schon mal duftende Hoffnungsschimmer für alle Wintermüden aus. Ein kleiner Duft von allererstem Wachstum und aufgebrochenem Erdreich, freigelegt durch einen kurzen Sonnenstrahl. Oder die Senke eines winzigen Bachsals, dessen im Tiefen hängende Frischluft kurz aufgewirbelt wird.

Im Walde südlich von Neuhaus

So grau der Tag ist, betont er umso mehr jede Schattierung von Grün. Das gilt schon für die weiten Wiesen zwischen den Waldstücken, im Wald dann noch mehr für das gründunkle Nadelwerk oder von Flechten bedeckte Ästeleien. Die weiten Moosteppiche schließlich sind vom tagelangen Niederschlag aufgeladen und quietschen ihr kräftiges Grün regelrecht heraus, leuchtend und intensiv wie eine Neonreklame. Obendrüber sind immer wieder all die großen Vögel zu hören, welche der Landstrich bietet. Das ist in dieser Ausfertigung eher ungewöhnlich für die Spree – doch zur Oder ist es ja nicht weit. Doch von wo eigentlich?

Die volle Spree unweit des Wehres, Neuhaus

Nördlich von Beeskow kommt die Spree ins ausladende Mäandern, schlägt große Bögen von einem Waldrand zum anderen und sorgt so für weite Wiesen, die als Auwiesen durchgehen sollten. Leicht hügelig ist das Gelände, und so ergibt sich ein liebliches und einladendes Landschaftsbild, wo es an jeder zweiten Wegscheidung schwerfällt, sich für einen der Wege zu entscheiden. Bevor der Fluss von Nord auf West dreht und den Oder-Spree-Kanal ein ganzes Weilchen unterbricht, passiert er Neubrück, später noch Drahendorf, beides hübsche Dörfer.

Aufgemoppelter Saalbau nahe der Schleuse, Neuhaus

Neubrück

Wobei Neubrück schon deutlich Niederlausitz atmet. Die ist zwar noch eine Ecke entfernt, doch manches an diesem Dorf erinnert an verschiedene Stellen dort. Neubrück hat zwei Kerne, deren östlicher Neuhaus heißt. Dort liegt mit der hübschen kleinen Zugbrücke die Schleuse, in deren Süden der Wergensee. Vom Ortsausgang führt ein Sträßchen auf direktem Wege nach Müllrose. Einmal der schnurgeraden Dorfstraße in die Gegenrichtun gefolgt landet man im eigentlichen Ortskern mit der Spreebrücke und dem direkt benachbarten Café. Bushaltestellen haben beide Ortsteile.

Plausch an der Schleuse, Neuhaus

Eine der eigenen Erfahrungen, die an die Niederlausitz denken lassen, sind die ganzen Frühblüher, die es hier Mitte Februar schon zu sehen gibt. Neben den gelben Winterlingen, den weißen Schneeglöckchen und den zumeist violetten Krokussen finden sich sogar schon ein paar allererste Märzenbecher, die von Bauform und Design her so formvollendet und anmutig sind, dass es sie eigentlich in Wirklichkeit gar nicht geben kann. Wer noch nie mit so ein Blümchen auf Augenhöhe war, dem kann ich dieses in die Knie gehen nur empfehlen.

Neuhaus

Die Schleuse liegt still unter dem kaum vernehmbaren Rauschen des Niesels, kein Mensch ist zu sehen und die Vorstellung eines ausgedehnten Plausches übern Gartenzaun gerade noch weit weg. Mit etwas Phantasie kann man sich das kleine, bunte Treiben vorstellen, das Klappern von Paddeln auf Bootsleibern, auch das Grün und die Farben der nahenden Monate.

Kurz hinter der Schleuse steht ein halbwegs eleganter Saalbau, der vor gut zehn Jahren noch eine Baustelle hinter staubigen Scheiben war. Heute sind Fassade und Fenster hergerichtet, der Raum ist durchaus mondän zu nennen. Mit Durchblick in den Garten durch hohe Bogenfenster, über der sparsamen und ausgesuchten Möblierung ein Emporengang, der über elegante Wendelstufen zu erreichen ist. Ein schöner Ort, der hier zum Leben erweckt wurde.

Eilige Spree zwischen Neuhaus und Neubrück

Die Straße Zum Wehr strebt direkt zur Spree, die gleich hinter dem Wergensee fließt und mit diesem das Wasser teilt. Voraus sind Gänse zu hören, die über dem Fluss ihre Bögen ziehen, auch viele Enten sind in kleinen Trupps in der Luft unterwegs. Die Spree führt gut Wasser, rauscht nur wenige Zentimeter unterhalb eines Betonsteges entlang und ist zügig unterwegs, wie sich am besten auf der Flussmitte erkennen lässt. Gelandete Enten finden sich gleich ein paar Meter weiter wieder, ihr mitteilsames Schnattern klingt dementsprechend empört. Gegenüber im zerrupften Winterschilf steht ungerührt ein Seidenreiher im Profil, bleibt unbewegt und erhebt sich eine Minute später ohne Vorwarnung und ohne Anlauf in die Höhe.

Die Spreeufer sehen auf beiden Seiten zerzaust aus, hier und dort setzt sich das Wasser über die eigentliche Uferkante hinweg und tränkt knöcheltief den Rand des buckeligen Weidestreifens, der übersät ist von gewagten Maulwurfshaufen. Ein einzelner Baum mit charismatischer Schieflage betont noch das wilde Erscheinungsbild des Flusses. Der Weg entlang des Weidezauns ist untergepflügt oder derzeit nicht erkennbar, doch etwas weiter im Inneren gibt es noch eine Alternative.

Eiscafé im Februar

Neubrück

So oder so landet man am Rand von Neubrück und kommt bald beim weitläufigen Wasserwander-Rastplatz heraus, der auch gut als Festplatz taugen dürfte. Zwei Pavillons sind passend wie selten und verschieben die erste Pause des Tages etwas nach vorn – so eine Gelegenheit sollte man an diesem nassen Tag nicht verstreichen lassen.

Eiscafé im Mai

Die Wiese der Uferböschung ist der Tummelplatz einer kleinen Horde von Hühnern, die einigen Jux mit ihrem Gockel treiben, neugierig ausbüchsen oder konspirativ die Köpfe zusammenstecken, wenn er gerade den Blick woanders hat. Er versucht die Lage durch planfernes Herumstelzen zu regulieren, doch letztlich bleibt es dabei, dass er sein Mühen hat und die Mädels ihren Spaß.

Deichweg bei Neubdrück

Vom Rastplatz sind es nur ein paar Schritte zur urigen Terrasse des Eiscafés, das es hier schon eine ganze Weile gibt. Die grobhölzerne Stallage vermittelt eine Prise Südstaatencharme. Direkt unterhalb liegt ein kleiner Anleger, ideal für Kajaks und Kanus. Heute trommelt der Regen aufs Terrassendach, doch die kreidebeschriebene Karte hängt verheißungsvoll draußen und ist bereit dafür, dass bei passendem Wetter und Gastaufkommen sofort geöffnet werden könnte. Pfirsicheisbecher – heute noch wenig interessant, doch schon bald ein gängiges Ziel der Begierde. Heute wäre das eher ein heißer Kakao, gern auf der Terrasse.

Wiesengrund des Langgrabens

Von der Brücke bieten sich erhebende Blicke auf die Kurven der Spree und einiger Nebengewässer, deren Flächen ebenso dunkelsilbrig spiegeln. Direkt nach der Brücke lässt sich abbiegen auf einen reizvollen Deichweg. Der umrundet eine weite Wiesenbucht, die einiges vor der Jahrtausendwende auch noch geflutet war. Heute liegt sie als Wiesensenke, die man besser nicht ohne Gummistiefel queren sollte.

Blick in den Wiesengrund des Langgrabens

Wohltuend farbkräftig ist es nach all dem Fahlen und Blassen im nächsten Wald. Fast überall am Boden ist es grün, das meiste davon das erwähnte Moos, welches saftig, farbgesättigt und fast schon aufgeplustert all die kleinen Buckel zwischen den Kiefernstämmen bedeckt. Die wiederum sind kräftig braun, ähnlich die beiden Wegespuren, und alles zusammen ergibt im augenschmeichelnden Kontrast und gemeinsam mit der nadeligen Waldluft etwas ungemein Wohltuendes für die gesammelte Wahrnehmung.

Farbgesättigter Wald vor Raßmanndorf

Ein Wäldchen weiter quert ein Wasserlauf den Weg, schmal und kaum im Fluss, doch durchaus unterwegs, und zwar in Richtung Spree. Schnurgerade über die weite Wiese kommt er, verweilt kurz in einem von Gras-Köpfen besiedelten Tümpel und setzt sich im Wald mit ganz neuem Charakter fort – leicht dramatisch, in kleiner Schlucht und von gestürztem Astwerk verwühlt. So klein das Wässerchen ist, gestaltet es doch die ganze weite Wiese, fast bis hin zur Straße.

Wäldchen mit Weißmooseppich

Raßmannsdorf

Der gerade Waldweg führt vorbei an einer dicht bestandenen Schonung, deren Boden lückenlos von Weißmoos bedeckt ist. Es scheint regelrecht hindurch in all dem Grün und Braun. Kurz hinter dem winzigen Friedhof beginnt Raßmannsdorf, ein beschauliches Straßendorf. Beim Dorfausgang gibt es eine kleine Pension mit hübscher Außenanlage, die laut Aushang offen haben soll.

Wahrhaftig ist auf den zweiten Blick Licht zu sehen, sogar ein junges Pärchen, das im Kaminzimmer sitzt, und nach kurzem Gedankenschluckauf sitzen auch wir dort, warm und trocken. Ist es doch ähnlich erstaunlich, dass an einem solchen Tag jemand sein Café offen hat und an einem solchen Tag auch Spaziergänger des Wegs kommen. Das verdient Respekt in beide Richtungen.

Die regennasse Spree im Februar, Spreebrücke Raßmannsdorf

Auch wenn nichts brennt und knastert, ist es sehr gemütlich jetzt in dem formvollendet möblierten Raum. Der Herr hinterm Tresen ist behende und ebenso elegant wie die stilvolle Einrichtung und sollte hier als Accessoire niemals fehlen. Ergänzt wird er durch eine herzlich brandenburgernde Dame, die eher von hier stammen dürfte als er.

Ein betagter Mops liegt viel lieber auf dem Fußabtreter als auf seiner Decke, fordert von jedem neuen Besucher einen Ausfallschritt und inspiziert dann jeweils hinterm Tresen die Bestände. Das erneute Hinlegen braucht ein paar Sekunden, bis schließlich alles passt und kurz über den kinnstützenden Pfoten die Augen mopstypisch gelangweilt verdreht werden.

Paddler im Frühsommer, Spreebrücke Raßmannsdorf

Von der zweiten Spreebrücke sieht der Fluss gleich noch etwas breiter aus, die Ufer sind von Bäumen bestanden und die Tropfen treffen jetzt dichter auf die Wasseroberfläche. Überall hier gibt es noch Altarme oder Reste davon, die auf der Karte sichtbar machen, wie es mal war oder werden könnte. Weite Auwiesen erstrecken sich, oft beiderseits der Spree, die hier Kraft ihrer Breite ein wenig ruhiger strömt. Der Regen wird nun immer stärker, umso schöner, dass eben etwas Zwischentrocknung möglich war.

Trocken und warm im Café, Raßmannsdorf

Dank der historischen Flusskurven fällt der Blick sogar dann auf Wasser, wenn die Spree weit hinten fließt. Die erste Abkürzoption wird verworfen, nicht zuletzt, da ein herrlicher Deichweg lockt, der leicht oberhalb der Spreewiesen seinen Bogen zieht. Mal geht es durch älteren Wald, dann wieder durch Heidelandschaft, die lose von niedrigen Kronenkiefern durchstreut ist, welche mit ihren tiefsten Ästen den sandigen Boden nadelfrei gefegt haben. Überall wächst struppiges Gras, oft auch Heidekraut, und so lässt sich vor der geistigen Nase gerade gut der Duft anderer Jahreszeiten vorstellen. Bald säumen altgewachsene Kiefern den Weg, zum Teil in bizarrer Gestalt.

Waldheide am Rand der Spreeauen

Vor dem Schwarzberg nutzen wir dann die zweite Abkürzoption, denn der Regen wird nicht weniger, außerdem ist der Weg entlang des weitgehend trockenen Bruchwaldes sehr einladend. Hier und da stehen meterdicke Eichen, dann und wann auch mal eine Gruppe wohlgewachsener Fichten.

Weg zum Schwarzberg

An einer Wegekreuzung kommt von links ein Wiesenweg vom Gipfel des Schwarzberges. Wenig später öffnet sich am nächsten Altarm eine wildwüchsige Wasserwelt voller Erlen, in deren dunklem Gewirr von Braun- und Grautönen ein einzelner Schwan den eindrucksvollsten Lichtpunkt des Tages setzt. Von drei verschiedenen Seiten ist kurz nacheinander ein Specht zu hören, diesmal mit diesem verklingenden Einzelton.

Am Fuß des Schwarzberges

Eine altbekannte Alternative zum geraden Hauptweg ist zugewachsen, doch kurz darauf lockt ein neu entstandener Nadelweg mit breiter Wiesennarbe unwiderstehlich in den flussnahen Wald. Ein kurzes, bezauberndes Stück erschaffen hohe Fichten und ein Paar Wegschlenker den schönsten Märchenwald, das Moos am Boden tut das übrige.

Bald beginnt ein kleiner Deich, der den Wald abgrenzt hin zu einer feuchten und undurchdringlichen Halbinsel, welche ein Paradies für eine Menge von Tieren sein dürfte. Der Blick auf die Karte zeigt, dass sich beiderseits der Spree, gemeinsam mit den Auwiesen und Altarmen und ebendieser Halbinsel am Wergensee, eine große, fast unzugängliche Fläche aufspannt. So erklärt sich zum Ende der Tour die große Zahl und Vielfalt von Wasservögeln am Anfang des Tages.

Stiller Altarm der Spree

Dank Regenklamotten und leichtem Schirm, nicht zuletzt auch dank der trockenen Kaffeepause zur Halbzeit hat die Laune den Tag über kaum gelitten. Im Märchenwald vorhin kam in einer Regenpause sogar kurz ein verhaltener Sonnenstrahl durch bis zum Boden und fachte die Vorfreude auf mehr davon an.

Märchenwald vor Neuhaus

Auf den letzten Metern wird das jetzt rabiat korrigiert, als bei der sandigen Badestelle kurz vor Neuhaus der Wind in Rage gerät und so auf den See haut, dass selbst am Ufer noch das Wasser spritzt. Die Idee vom Tässchen Tee auf der Strandbank ist sofort wieder vom Tisch und auch der Blick über den aufgewühlten See fällt kurz aus, denn die Schirme knattern jetzt bedrohlich. Noch lauter als dieses ganze Spektakel sind nur zwei Gänse, die weit oben über den See ziehen und Lärm für zwölf machen.










Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
über Fürstenwalde, Müllrose, Jacobsdorf oder Grunow, dann weiter mit Bus (ca. 2,5-3 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): Autobahn bis Fürstenwalde Ost, dann Landstraße (ca. 1,5-2 Std.)

Länge der Tour: ca. 13 km (Abkürzungen möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Informationen zu Neubrück

Einkehr: Eiscafé an der Spreebrücke, Neubrück
Café Pension Alwine, Raßmannsdorf

Strausberg: Olle Kamellen, verdeckte Esel und die Libelle auf der Stirn

Irgendwem ist beim virtuos dargebotenen Mischen der Monatskarten wohl der ganze Stapel aus der überforderten Hand geflogen und unkontrolliert flatternd in sieben Ecken geschnibbt – nachdem man im September schon mal wochenlang fürs Frösteln üben konnte, hat der Oktober permanente Wonnebäckchen aufgelegt und dafür gesorgt, dass Freibäder länger geöffnet bleiben und wohlschmeckende Eiskugeln weiterhin hoch im Kurs standen.

An der Nordspitze des Stienitzsees

Dicht anliegende Pellen wie Schals, Handschuhe oder Mützen verschwanden wieder in ihrem Fach, die dicke Jacke, nun schon mal draußen, bekommt noch etwas Aufschub. Trotzdem beginnt jetzt die Zeit, in der man thermomäßig selten sinnvoll bekleidet ist, daher öfter mal friert oder vorübergehend in Hitze gerät. Im Wesentlichen begann das am 1. Oktober und endete am letzten des Monats mit einem kleinen, doch zäsurhaften Temperaturrutsch.

Uferweg bei Hennickendorf

Der November ist nun da. Grau, trüb und schmuddlig ist er noch nicht, beginnt eher als freigiebiger Schöngeist im oktoberschen Sinne mit reichlichen Resten leuchtbunten Laubes und den dazugehörigen Düften und Tönen. Auch die fernreisenden Vogelscharen zeigen sich noch unentschlossen zwischen Bleiben, duldsamem Aussitzen oder die Flatter machen. Entschlossen hingegen ist die schnell hereinbrechende Dunkelheit, und zwar schon vollumfänglich zur Zeit des Fünf-Uhr-Tees.

Auch wenn in diesem Winter jeder frostlose Tage gern gesehen ist, sehnt man sich doch nach trüben, einsamen Weiten in still ruhenden Landschaften, die nur in Erdtönen arrangiert wurden. Dass in den Zeiten früher Abenddämmerung, insbesondere nach der Zeitumstellung draußen weniger Leute unterwegs sind, ist hier ein Fakt, der noch mehr Stille beschert – sowohl fürs Auge als auch fürs Ohr. Wer also die Einsamkeit im Sinne von wenigen Begegnungen mit Artgenossen sucht, hat jetzt beste Bedingungen.

Entlang der Langen Dammwieen

Unteres Annatal

So betrachtet darf man so mutig sein, allseits bekannte Ausflugsziele und Spazier-Reviere aufzusuchen, denn viele Menschen geben in diesen Monaten an freien Tagen ihren oder irgendwelchen anderen vier Wänden klar den Vorzug. Ein berlinnaher Klassiker, den wohl jeder kennt, der hin und wieder ins Umland ausschwärmt, ist das Annatal bei Strausberg. Dessen Reiz, Schönheit und Besonderheit werden sich wohl niemals abspielen, einen vielmehr bei jedem Besuch mit derselben Kraft und Wirkung erwischen. Die Anna heißt mit bürgerlichem Namen Rüdersdorfer Mühlenfließ, Anna an sich oder Annafließ ist eher ein Kosename, freilich ein sehr schöner.

Aufstieg zum Wachtelkamm, Hennickendorf Nord

Die meisten Leute, die für einen Ausflug ins Annatal fahren, meinen vermutlich die Langen Dammwiesen, mit denen der Lauf der kleinen Anna südlich der Regionalbahntrasse dicht verknüppert ist. Für eine wohlige und abwechslungsreiche kleine Runde bietet sich die Umrundung dieser wasserreichen Wiesen an, die landschaftlich an sich und auch an jeder neuen Ecke unerhört schön sind.

Waldweg an der östlichen Flanke der Dammwiesen

Strausberg

Unweit vom Bahnhof Strausberg, dem südlichsten der vier Strausberger S-Bahnhöfe, ist es nicht weit zum Bahnübergang, an dem einer der schönsten Einschlüpfe ins Naturschutzgebiet liegt. Vom Gefühl her sind die Schranken an 34 von 60 Minuten unten, was rechnerisch durchaus hinkommt. Die S-Bahn fährt alle zwanzig Minuten, also für beide Richtungen sechs Züge, dazu kommt noch die Regionalbahn in Richtung Küstrin, macht nochmal zwei Züge pro Stunde. Die Schranke ist großzügige vier Minuten unten, mal acht ergibt 32. Also gar nicht so schlecht geschätzt und dabei noch keine Güter- und sonstigen Züge berücksichtigt. Doch man steht hier ganz gut, es gibt bequeme Geländer, an die man sich lässig zurücklehnen kann. Und meistens irgendwas zu kieken oder notfalls auch zu tratschen, wenn’s mal deutlich länger dauern sollte.

Umso schöner ist der Lohn, wenn man direkt hinter der Schranke abbiegt und sofort in schönste Landschaft eintaucht. Links ist die laubbedeckte Böschung mit ihren Bäumen so hoch, dass sie als Bahndamm umgehend vergessen ist, rechts flankiert der rustikale Lattenzaun einer kleinen Waldweide die blätterbedeckte Pfadspur. Man ist sofort drin, Strausberg, so schön es ist, erstmal vergessen.

Einstieg vom Bahnübergang

Bei der Alten Walkmühle setzt sich gleich das Mühlenfließ in Szene, kommt durch eine gemauerte Halbrundröhre aus dem Dustern herbeigetrödelt, leise plätschernd. Direkt dahinter wartet der erste Anstieg der Tour, kurz und knackig und irgendwie typisch für die Gegend. Ein mittiges Geländer leistet willkommene Hilfe, auf der einen Seite lugen Oberkanten von knüppeligen Holzstufen aus dem goldbraunen Laub, auf der anderen Seite auch. Auf die Weise müssen sich Auf- und Absteigende nicht in die Quere kommen.

Geteilte Stiege hinauf in den Wald

Oben erstreckt sich eine kleine Hochebene, dem Laub nach bedeckt von Buchen und Ahornbäumen – ich gebe zu, ich habe eher auf den Weg als in die Wipfel geschaut, um nicht zu straucheln beim lautstarken Schlurfen durchs knöchelhohe Laub. Bereits hier, mit dem dichten Laubteppich durchaus eine Herausforderung und im geschlossenen Wald eher ungewöhnlich, streicht uns eine schmale, geschmeidige Katze um die Beine, ist unbemerkt im Wald verschwunden und dann doch wieder neben uns, ein Stück des Wegs gemeinsam zu verbringen. Mal links, mal rechts, dann wieder springend durch die Wiese oder mit unsteter Pfote in einer Wiesenpfütze nach ihrem schwarz-weiß gescheckten Spiegelbild fischend. Vielleicht duftet ja was aus unserem Rucksack, denn sie scheint noch unbefrühstückt, die Miez.

Wo man ja im Walde mit all seinen unvergleichlichen Qualitäten oftmals die Stille sucht, ist dieses Laubrascheln jetzt ein wirklich schöner Lärm, den es ja auch nur eine begrenzte Zahl von Wochen zu genießen gibt. Also wird es ausgekostet, pflügen die Schuhe tief und bodennah durch all die trockenharten Blätter in ihren zahllosen Schattierungen zwischen gelb, gold und braun.

Austritt zu den Langen Dammwiesen

Lange Dammwiesen

Der Abstieg zur grasigen Weite der Dammwiesen geschieht fast unbemerkt, doch bald wird der Wald verlassen und der Blick galoppiert sofort los durch die grüne Kulisse, die von zahllosen Landschafts-Accessoires raumteilerisch gestaltet wird. Hier eine Baumgruppe und dort eine Schilfinsel, ein bisschen weiter dann kohlpechrabenschwarze Hornochsen oder in der Ferne auf der anderen Talseite birnenblütenweiße und milchkaffeebraune Pferde. Die einen stehen wuchtig rum, die anderen voller Anmut da.

Blick quer über die Dammwiesen

Ackerbraune Wildschweinarenen gibt es auch noch und undurchdringliche Büschungen, dazwischen ganz für sich stehend ausdrucksvolle Solitärbäume, an deren filigranem Geäst kein einziges Blatt mehr sitzt. Viel zu gucken also, besonders bei dem spätherbstlich flachen Licht dieses Tages, das gekonnt mit der Malerpalette herumwerkelt.

Die Försterin schleicht in ihrem Jeep den Weg entlang und schickt ein diagonales Grinsen raus. Kurz danach kommen uns zweimal ein paar Leute entgegen, die man naturgegeben später ein zweites Mal treffen wird. Aus einer Dreiergruppe stehender Wanderer hält eine Teilnehmerin geduldig ihr mobiles Endgerät hin zum Wipfel einer Kiefer, so ausdauernd und unbeweglich, als wolle sie deren Wachstum filmen.

Der Himmel über Torfhaus

Torfhaus

Kurz nach den Rollbergen, die an etwas Hangflanke zu erkennen sind, endet der Weg in Torfhaus, einer winzigen Siedlung in schönster Lage. Über den Häusern ist der Himmel jetzt strahlend blau und mit blassem Gewölk zart wattiert. Gegenüber setzt sich der bunte Wald fort, der jetzt nach und nach feuchter und durchtränkter wird. Die Katze von vorhin, die gerade eine Runde um die Bushaltestelle gedreht hatte, zeigt sich mal wieder und verschwindet dann länger im Wald.

Edle Badestelle bei Hennickendorf

Stienitzsee

Wie zu erwarten wird es jetzt etwas voller, denn zum einen verläuft hier der abwechslungsreiche Rundweg um den Stienitzsee, zum anderen endet ein illustrer kleiner Zuweg vom nächsten Dorf an der schönen Uferstelle, wo auch heute im November kurz der Gedanke an einen Sprung ins Wasser aufblitzt. Erleichtert darf man sich selbst vom kühnen Vorhaben abwinken, denn ständig kommen neue Leute, lassen einem trockenen Hund zu einem nassen Hund werden oder filmen ausdauernd einen Schwan, der im großen Bogen in die Bucht einläuft.

Plankenweg am Stienitzufer

So in der Hocke verliert die betreffende Dame im nassen Ufersand kurz das Gleichgewicht, versucht das per feschem Knickgelenk gehaltene Gerät vorm Wassern zu retten und sieht sich unversehens auf Augenhöhe mit dem fauchenden Schwan, der erstaunlich schnell an Ort und Stelle war. Trollt sich schnellstens und kommt mit einem klammen Hintern sowie einem unerwarteten Twist im Plot des Gefilmten davon. Der sollte sich später am Cafétisch vor den Freundinnen gut ausschmücken lassen. Stößchen!

Blick von der Strangrabenbrücke zum Stienitzsee

Bald waren alle gucken, die gucken wollten, und so kann die Pause nun tumultfrei genossen werden und wird angemessen ausgedehnt. Voraus die Szenerie ist fast unwirklich schön, wie eins der schönsten Bilder aus einem Tourismus-Prospekt mit hohem Budget. Die kleine Sandbucht eingerahmt von leicht säuselndem Schilf, bis zum jenseitigen Ufer ein makelloses Spiegelbild, dazu der Himmel blauweiß gesteppt und dann noch ein paar rustikale Stubben direkt am Ufer, tiefdurchtränkt und rundgewaschen von den Jahren. Als Rastbank dient ein dickes Stück Baumstamm, gerade lang genug für zwei und notfalls noch zwei Hintern, und schon bald dampft der Tee aus den Tassen, der Crémant der kühlen Stunden unter freiem Himmel.

Uferweg vor Hennickendorf

Allein bleiben wir dann doch nicht, denn eine große rote Libelle findet Interesse an Rucksackriemen, Brotdosen und Tüten, auch an Stirnen und Knierundungen. Holt dann, da reichlich von all dem da ist, noch die ganze Verwandtschaft nach, die flügelknisternd ihre engen Kreise um die Pausengesellschaft ziehen und bei allzu direkter Tuchfühlung für einzelne Gänsehaut-Momente sorgen, ich sage nur Nase oder Handrücken. Von links kommen ausrufende Laute von Enten nach und nach näher, gegenüber lässt sich kurz der Graureiher sehen und weit oben am Himmel senden sechs Gänse lieb gewonnene Töne.

Schill-Finsel im See

Die natürliche Promenade zwischen dem Seeufer und den Bruchwäldern, die das Mühlenfließ, der Stranggraben und die Teufelsquelle geschaffen haben, ist eines dieser besonders pittoresken Stücke Weges, die sich in Brandenburg finden lassen. Naturnah gehalten, zu beiden Seiten vom Element Wasser bestimmt und bei jedem Kopfdreh ein neuer Blickfang, begleitet sie niemals gänzlich gerade das Seeufer und wird zwischendurch immer wieder über Plankenwege und kleine Brücklein geführt.

Dichter Bruchwald des Stranggrabens

An mehreren Stellen wird sichtbar, wie das Wasser aus dem Wald dem See zuströmt, mal klar gebündelt, mal diffus und beim Stranggraben auch direkt unter einem Brücklein. Von diesem lässt sich tief in den Bruchwald schauen oder hinaus auf den See, hindurch zwischen einer kleinen Landnase und einem theatralisch gen Wasser gekrümmten Baumgebilde. Wenig später ankert einen Steinwurf vor dem Ufer eine Schilfinsel, etwa so groß wie ein altmodischer Ausflugsdampfer.

Hennickendorf

Mit der zunehmenden Geradlinigkeit des Weges rücken die Häuser von Hennickendorf ins Bild. Kurz vor dem Sportplatz lockt links ein winziger Pfad hinauf zur Ortshöhe, auf der die kleinen Parkeulen nisten, rechts zur kleinen Kurpromenade am Seeufer, die letztlich stärker zieht. Ein paar Stege und in den See hineinragende Baumkruken sorgen für etwas gemütliche Hafenatmosphäre, die später beim Stichkanal mit den schönstgelegenen Kleingärten skandinavös auf die Spitze getrieben wird.

Landnase nahe der Uferpromenade, Hennickendorf

Gleich am Beginn des kleinen Laufsteges steht gerade eine kurzärmelige Dame mit großem Badelaken, rosiger Haut und trockenen Hochsteckhaaren. Ihr Gesicht sieht mehr als ausgeglichen aus, und auf Nachfrage verrät sie, dass sie gerade eine halbe Stunde in der hübschen Bucht umhergeschwommen ist, so wie jeden Tag des Jahres, und das Wasser wohl um die elf Grad hat.

Der Gipfel mit den Parkeulen will jetzt erklommen sein, was im Wesentlichen über Stufen geschieht. Auf halber Höhe sitzen auf der kleinen Mauer des Zwischendecks mit Aussicht auf die Parkbühne zwei Teenager, wischen unter freiem Himmel gelangweilt auf ihren Touchscreens herum und haben nebenher irgendwas auf dem Einmal-Grill, wobei dem Geruch nach nicht vollends klar ist, ob die Einpackfolie wirklich entfernt wurde.

Aufstieg zur Eulenhöhe, Hennickendorf

Bei den Parkeulen übrigens handelt es sich um Kita-Kinder. Vor zwei Jahren, im ersten Jahr der ungewöhnlichen Bedingungen, als vieles Selbstverständliche nicht selbstverständlich war, hatten viele von ihnen rundliche Steine mit Bildern und guten Wünschen bemalt und in einer langen Reihe vor dem Zaun aufgereiht. Viele davon liegen noch immer dort, die Hälfte ist vom großen Laub bedeckt, bei den meisten haben Regen und Wetter der Jahre die Farbe abgespült und den blanken Stein zurückgelassen. Was ja in seiner Symbolik irgendwie angemessen scheint.

Der Abstieg ist vergleichsweise moderat bzw. kaum zu bemerken und endet unten an der Stelle, wo zwei größere Straßen aufeinandertreffen. Der Bäcker hat noch offen, die Eisdiele am Kreisverkehr noch zu. Hinter der Kirche liegt die gassenartige Bahnhofstraße, deren Name aus heutiger Sicht Rätsel aufgibt. Ein Trupp Bauarbeiter macht mit Hilfe eines kleinen Baggers den Gehweg hübsch, weiter hinten schließt gerade der Laden mit dem schönen Wort „Zweiradfahrzeuge“ im Schaufenster, der neuerdings und nebenher auch die Angelegenheiten der Post schmeißt.

Serpentinenabstieg vom Wachtelkamm, Hennickendorf Nord

Wachtelberg

Der nächste Anstieg liegt voraus. Eine urige Stiege führt vom Wanderparkplatz hinauf zum Kamm der länglichen Höhe mit den besseren Wohnlagen – nach Osten Blick auf den Kleinen Stienitzsee, nach Westen über die Langen Dammwiesen. Am Ende der Stufen zieht es den Blick hoch zum Haupt des Aussichtsturmes, der dank des örtlichen Heimatvereins an manchen Tagen bemannt ist und also bestiegen werden kann. In diesem Jahr lief das bis zum kürzlichen Saisonende nur auf Voranfrage, sicherlich den allgemeinen Umständen geschuldet. Heute also kein Rundumblick vom Wachtelturm, doch das nächste Mal wird es klappen.

Esel gegenüber der Mühle, Hennickendorf Nord

Der Kamm lässt sich über eine schöne alte Stiege verlassen, die in Kehren hinab führt. Die Geländer zeugen davon, dass es diesen Abstieg schon lange gibt. Unterhalb des Hanges ist bald eine Weide erreicht, wo man in der Regel Esel antreffen kann. Auch heute sind sie da, erweisen sich jedoch als Meister der Tarnung. Und werden trotzdem entdeckt, ganz weit hinten zwischen eselfarbenem, trockenem Geäst und Gestämm. Weiter vorn finden sich dann noch zwei etwas dunklere, die das Verstecken drum gar nicht erst versucht haben. Die Rückseiten all der langen Eselsohren sehen unendlich weich aus.

Mühle Lemke

Bei der Mühle wir heute erstmals Glück, erwischen noch die Öffnungszeit und können endlich mal einen Blick in den Hofladen werfen. Erwartet hatte ich einen kleinen Raum mit Verkaufstheke, höchstens so groß wie zwei Buswartehäuschen. Doch in der Mühle haben sie viel Platz, und so gehen nicht nur beim Betreten des ersten Raumes die Augen über, sondern es gibt noch einen und dann noch einen Raum, jeder noch ein bisschen größer.

Im Hofladen der Mühle Lemke

Der erste sieht ein bisschen aus wie ein Museum, alte Bilder hängen über den bunt bestückten Regalen, in denen Honig und Dutzende Sorten Senf und allerhand Aufstriche und Marmeladen stehen, auch Tees, Nudeln und natürlich hochwertige Öle. Große Backofenklappen lassen riesige Röhrschlunde dahinter vermuten, betagte Gerätschaften sorgen für kleine Jauchzer bei Älteren und auch Jüngeren. In der Kühltheke lagern dicht an dicht feine Käses und anderes, draußen vor dem Laden ist frisches Obst zu finden, das keine weite Reise hinter sicht hat. Und große Brote mit tiefer Kruste kann man auch bekommen. Hier dürfte wohl bei jedem Besucher irgendetwas in der Tüte landen.

Tagesbegleiterin im Ruhemodus

An der Kasse ist vor uns an der Reihe eine Dame aus der Gegend und hat gerade umfassend eingekauft, noch einen kleinen regionalen Schwatz angehängt. Schon abdrehend im Schlusswort bemerkt sie, dass man hier auch eine Gans fürs Fest vorbestellen kann, in diesem Jahr ja eine durchaus unwägbare Angelegenheit. Die Nachfrage wird zur Anfrage und dann zum Vorgang, der in mehreren Phasen erblüht und in Sorgfalt ausgeführt wird. Zahlen und Daten wechseln über den Kassentisch, Gewichte und Tage werden vermerkt, Telefon-Nummern erhoben und leserliche Quittungen verfasst. All das trägt in sich ein Stück Romantik oder Nostalgie vergangener Zeiten.

Am Kleinen Stienitzsee

Als wir schließlich nach dem Zahlen wieder draußen stehen, streicht da noch einmal die Katze von vorhin herum, begleitet uns erneut ein Stück. Vielleicht ist es auch eine andere aus demselben Wurf, der schlicht pragmatisch über benachbarte Dörfer verteilt wurde – denn wer kann schon die eine Schwarzweißgescheckte von ihren Miezengeschwistern unterscheiden? Und doch scheint’s vom Verhalten her, als wäre es genau dieselbe, als wären wir uns gut bekannt. Und eigentlich gleicht sie ihr doch sehr, wirkt die Zeichnung an der Schulter fast schon unverwechselbar.

Quellpromenade am Kleinen Stienitzsee

Kleiner Stienitzsee

An der Stirnwand der Mühle dreht sich das große Mühlrad und erweckt den Eindruck, dass es das nicht nur für die Ausflügler tut. Ein schöner Fußweg begleitet das Mühlenfließ bis zu seinem Ursprung, der im bzw. am Kleinen Stienitzsee liegt. Der Weg geht direkt in einen hübschen Promenadenpfad über, mit schönen Blicken über den gar nicht so kleinen, sonnenglänzenden See und weiter vorbei an uralten Kastanien zu einem Plätzchen am Ufer, wo zwei Quellen sprudeln.

Alte Kastanie am Uferweg

Bis vor Kurzem ragte hier nur ein gakeliges olles Rohr aus dem Boden, aus welchem Wasser in eine hölzerne Rinne floss oder manchmal auch nur tröpfelte. Mittlerweile sind die wasserspendenden Rohre mit Holzstubben umkleidet, die Rinnen etwas erweitert. Das kleine Plateau dazwischen wurde schnuckelig zurechtgemacht, mit Findlingen und Bank und dicken Balancier-Palisaden, und wird sicherlich gern und oft von Hiesigen und Dasigen besucht. Der Uferpfad erhielt noch den schönen Namen Quellpromenade. Sie haben diesen schönen Platz verdient, die Quellen am Kleinen Stienitzsee.

Quelldoppel in neuer Fassung

Hinterm Ort wird es nun wieder ruhiger, die Schritte finden zurück ins wohltemperierte Gleichmaß. Während die Augen über die anmutige Weite wandern, schwenkt der Blick hinüber zum anderen Talrand, in etwa zu der Stelle, wo vorhin der leuchtende Wald verlassen wurde. Die Wiese ist saftig grün, hier und da liegen abgebrochene Äste größeren Kalibers auf der Weide, vielleicht zum Schubbern für das Vieh. Das hat sich in Gestalt von Pferden weit in Richtung Talmitte zurückgezogen, wo man sich zwischen Büschen und Schilf gut verstecken kann, und lässt nur hin und wieder das Gegenwindfragment eines Wieherns vernehmen.

Blick zu den Dammwiesen, Hennickendorf Nordrand

Umgekehrt zu vorhin wird jetzt die offene Landschaft in den Wald hinein verlassen, der nun ein paar Nadelbäume im Bestand hat. Obwohl auch hier vor allem Laubbäume stehen, liegt so gut wie kein Laub am Boden, schon gar kein leuchtendes. Das sieht hier eher nach Robinien aus, der Weg liegt völlig frei, jede Querwurzel ist zu erkennen.

Waldpfad oberhalb der Ostflanke der Dammwiesen

Auch diese Pfadpassage am Ostrand des Talgrundes ist eine besonders reizvolle. Der Weg verläuft oberhalb eines Hanges und ist grundsätzlich am Schlängeln. Manchmal sind links kleine Quelltöpfe mit anschließendem Rinnsal erkennbar, die sich unten mit anderen zusammentun und zaghaft Wasserflächen ansammeln. Manchmal wird auch eine der ausgeprägten Talscharten gequert, einmal auch formvollendet mit Geländer, Stufen und kleinem Steg für Zeiten mit fließend Wasser.

Alter Bahndamm der Herzfelde-Strausberger Eisenbahn

Nach dem Erreichen des Radweges locken zweimal Abzweige zu Verlängerungen des Tages, doch diesem ist heute nichts mehr hinzuzufügen. Also geben wir uns dem weiten Linksbogen des Weges hin, dessen gleichmäßiger Radius samt anschließendem Damm nahelegt, dass hier mal Bahngleise lagen. Der Damm verläuft weit über dem Tal, unten ist glitzernd der bewegte Lauf eines zufließenden Bächleins zu sehen.

Dünenhang zwischen den Bahntrassen

Dicht am Bahndamm verläuft bald der Weg, der erst zum Pfad wird, dann breiter werdend hinter einer Dünenböschung verschwindet und zuletzt wieder den bunten Wald vom Anfang erreicht. Eine vierköpfige Familie in pastellfarbenen Anoraks pflügt im genießerischen Schlendergang durchs raschelnde Laub und plauscht dabei in einer der slawischen Sprachen. Nachdem wir sie erst überholt haben, nutzen wir dann gemeinsam die Stiege mit dem Mittelgeländer, die im Abstieg völlig anders aussieht als vorhin.

Nach der Verschnaufpause am Bahnübergang gibt es den Anfangsweg nun in umgekehrter Richtung, und so entdecken wir an einem Zaun ein gemaltes Fahrrad. So ein schönes altes mit Stahlfelgen und geschwungenem Lenker, großer Lampe und einem passenden roten Accessoire anbei. So eins, was sich erdverbundene Kunstschaffende aus dem vorangegangenen Jahrhundert gern unter den Hintern klemmen, um im gemächlichen Tritt immer wieder die wohltuende Reduziertheit auf das Wesentliche zu genießen. Ein paar Schritte später überqueren wir das Gleis der Strausberger Straßenbahn.

Annafließ in eigener Röhre

Schön wäre es natürlich zur Abrundung gewesen, wenn noch eine der Überlandstraßenbahnen ihr breites Bett entlanggerumpelt wäre, doch die ist wohl gerade durch und wird sich darum einfach vorgestellt. Nachdem das Rumpeln in der Phantasie verklungen ist, raschelt es im kleinen Wäldchen gegenüber ein paar Mal nacheinander und irgendwas in Schwarz und Weiß huscht weg. Es ist vermutlich höchste Zeit, nun etwas Richtiges zu essen.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
S-Bahn oder Regionalbahn von Ostkreuz/Lichtenberg (ca. 30 Min.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): auf der B1 nach Osten, dann hinter dem Autobahn-Ring links nach Strausberg (0,75-1 Std.)

Länge der Tour: ca. 12 km (Abkürzungen möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Informationen zum Naturschutzgebiet

Hofladen der Mühle in Hennickendorf

Strausberg-Herzfelder Eisenbahn

Einkehr: div. Imbiss-Optionen am S-Bhf. Strausberg
Hennigs Backstube (kleines Imbiss-Angebot), Hennickendorf
Hofladen Mühle Lemke mit kleinem Imbissangebot

Altlandsberg: Goldene Zacken, spätes Tassenglück und das erkannte Blümchen

Dieser Herbst spielt auf der ganz großen Orgel, mit vollem Registerwerk. Nicht laut, aber vollmundig, nicht plakativ, doch aus vollem Herzen. Es ist ein Fest für die meisten der Sinne, die dem Menschen gegeben wurden, und man kommt mit dem Genießen dieser wochenlangen Darbietung kaum hinterher. Wer hier schon öfter las wird wissen, dass der Herbst ein hohes Ansehen genießt und womöglich auf bereits bekannte Strophen eines Hoheliedes treffen. Gegebenenfalls sind also nur ein paar Absätze zu überspringen – genauso gut kann jedoch lauthals eingestimmt werden.

Kurz vor dem Erpewald

Erstaunlich ist in diesem Jahr, wie allgegenwärtig noch die Farbe Grün ist. Im Unterschied zu den vorangegangenen Herbsten waren zudem nur wenige Zugformationen am Himmel zu beobachten – entweder die großen Flügelschwinger haben sich schon vorher im Stillen auf die Reise begeben oder sie wissen, dass noch ausreichend Zeit bleibt vor dem Wechsel in die wärmeren Gefilde.

An der Kirche

Überall auf dem Boden finden sich nun reichlich Materialien für farbenfrohe Basteleien, lassen sich auf einem kurzen Spaziergang ganze Händevoll gefallener Blätter sammeln, deren nicht ein einziges die Farbe eines anderen haben muss. Dazu eher Dreidimensionales, das nach dem Holzbohrer verlangt, dem denkbar unschuldigsten und allerersten aller Werkzeuge, das sogar den Weg in kleinste Kinderhände findet. Eicheln lassen sich hervorragend mit Bucheckerhüllen in Schale schmeißen, Kastanien verleihen ausgedienten Streichhölzern einen längerfristigen Sinn und die Bucheckern selbst ergeben in der leergewohnten Streichholzschachtel ein schönes Zeug zum Rasseln. Als letzter Schliff lässt sich die Schachtel selbst mit ledrigem Laub tapezieren und an die nächstliegende Oma verschenken, die dann versonnen rasseln kann, wenn wieder Stille herrscht im Hause.

Allee zum Reiterhof

Auf den Feldern und im Wald huschen neben ein paar bummelletzten Lerchen noch hier und da die Finken herum und steuern die verbliebenen niedlichen Geräusche aus der Vogelecke bei. Was sonst aus Schnäbeln tönt, ist eher holzig, klagend oder leicht rabiat und übernimmt von Woche zu Woche mehr die Geräuschkulisse unter freiem Himmel. In bestimmten Gegenden dominieren natürlich die Gänse- und Kranichscharen, die dem Fernreisen abgeschworen haben und so die winterliche Stille untergraben.

Marktplatz Altlandsberg

Die gerne indianisch benannte Mischung aus Altweibersommer und Goldenem Herbst findet also in diesem Jahre sehr genüsslich statt, und so läuft dauerstaunend durch die Gegend, wer einen Sinn dafür hat und in die richtige Landschaft gereist ist. Die größten Spektakel zwischen kupferbraun und golden, leuchtendgelb und dem Rot von Blutorangen finden entgegen mancher Erwartung nicht im Walde statt, sowohl im Mittelgebirge als auch hier im flachen Land. Linden, Ahorne und Eichen lassen sich ebenso gut in offenen Landschaften mit langen Alleen bewundern, die zum Teil kilometerweit zu sehen sind und unter den wandernden Lichtflecken der perforierten Wolkendecke regelrecht zum Leben erwachen. Was eben noch nach nichts aussah, kann im nächsten Augenblick zur Göttlichkeit erstrahlen und bis zum Zücken der Linse längst wieder im grauen Jäckchen überm Boden hocken. Es heißt also wortwörtlich, den Augenblick zu genießen.

Schlossgut Altlandsberg mit Schlosskirche

Alleen haben häufig mit Ortschaften und offenem Land zu tun, und solches findet sich oft schon in geringer Entfernung von der nächsten Stadt, sogar wenn diese ziemlich groß ist. Solche Stadtrandtouren tragen meist einen besonderen Charme, weil die Natur mit spröden Elementen und eher pragmatischen Bauwerken der Infrastruktur durchmischt ist, häufig auch mit punktuellem Lärm oder Gestank. Umso erstaunlicher war es am beschriebenen Tag, dass laute Schnellstraßen und große Gewerbehallen, rauchende Schlote und riesige Strommasten kaum im Gedächtnis blieben, da es so viel im Kleinen zu entdecken gab. Überraschend waren auch die Menge an schönen Pfaden und der geringe Anteil an hartem Belag unter der Sohle.

An der östlichen Stadtmauer

Altlandsberg

Das schöne Ackerbürgerstädtchen wurde schon vor einigen Jahren besungen, fast zur selben Zeit im Jahr, doch eher allgemein. Das regelmäßige Wiederkehren ist in diesen Jahren auch deswegen spannend, weil das Schlossgut rund um die Kirche nicht in einer Hauruck-Aktion saniert wird, sondern behutsam Schritt für Schritt. Die Veränderungen und Fortschritte lassen sich daher bestens verfolgen, und dank guter Planung und Geschmack wird das Ensemble mit jedem vorbeigewehten Jahr etwas schöner, findet nach und nach zur Vollständigkeit zurück. Vom Markt ausgehend ist das verschiedenartig gepflasterte Gelände in ein paar Minuten erreicht, und es sollte stets ein Extra-Viertelstündchen eingeplant werden, um die Veränderungen zu beschauen oder Bekanntes neu zu entdecken.

In diesem Jahr ist es die Parkanlage westlich von Schlosskirche und Brennerei, vor Kurzem noch eine wilde und krautige Fläche ohne erkennbare Struktur. Jetzt sorgen zwei Alleechen und die erkennbare Form des Bassins für erste Gestaltbildung, die Phantasie kann in dichterischer Freiheit ergänzen, wie es am Ende einmal aussehen könnte. Vielleicht ja schon im nächsten Jahr?

Am Obstgarten

Für eine Umrundung der Altstadt entlang der Stadtmauer sollte eigentlich bei jedem Besuch des Städtchens Zeit bleiben, zumal hier jede Jahreszeit ihren Reiz hat und die halbe Stunde schon aufgrund ihrer Kürze kaum langweilig werden kann, von der Schönheit des stillen Weges gar nicht zu reden. Goldene Teppiche von kollektiv abgestürztem Laub wechseln ab mit spiegelglatten Pfützen, die den durchwachsenen Himmel zerrfrei auf den Boden holen.

Weg am Erpebruch

Bei jeder Umrundung lockte unweit des Berliner Torturmes ein Weg, der nun endlich entdeckt werden darf. Die urige Erweiterung entlang der wilden Erpe bietet wonnige Pfade, eine begehbare Streuobstwiese und den durchfeuchteten Bruchwald des Baches, der nach dem wiederholten Regen der letzten Wochen recht lebendig fließt. Ein rührendes Rastbänkchen wird von rotem Weinlaub eingerahmt, ein anderes setzt sich im warmen Licht einer Wegkurve in Szene und ein bunter Schilderbaum bietet Bausteine für den Tag an. Im dichten nassen Wald flattert es stimmlos hin und her. Quer über die Wiese oder wenige Meter hoch zu den Garagen verbinden Schleichwege die Naturkulisse mit jener der Stadt.

Fahrradhof

Die Erpe sorgt für einen kleinen wilden Streifen entlang ihrer Uferlinie, den auch die Landstraße nicht unterbrechen kann. Nach dem Warten auf eine Verkehrslücke und ein paar Straßenschildern ist man gleich wieder in der satten Natur und trotzdem meternah am Rande der Bebauung, das schließt sich hier nicht aus. Der Blick wird frei für eine der dramatischsten Fallstufen der Erpe, die hier über mehrere Meter regelrecht ins Strudeln kommt, dahinter dann in einem Teich mit Insel kurz verschnaufen kann von so viel Aufregung.

Pfad hinter der Kaufhalle

Hier quert ein Weg, der einmal Bahndamm war, ganz unverkennbar. Läuft bald zum Pfad ein und schleicht direkt hinter den Zäunen lang. Selbst Durchfahrenden dürfte in Altlandsberg die hohe Brandmauer voller Fahrräder aufgefallen sein, die zu einem Fahrradladen gehört, der auch aus der Vogelperspektive bestens zu erkennen ist. Unten wird gerade gefachsimpelt, Räder werden hin- und hergeschoben, Termine und Optionen verhandelt, mit einem Ton von leiser Wichtigkeit im hinteren Teil des Satzes. Mädels und Jungs in Blaumännern oder freizeitlicher Wochenendgarderobe tummeln sich zwischen stinknormalen, hochtechnischen und saucoolen Zweirädern, mit dem Merkmal erforderlicher Pedalkraft als kleinstem gemeinsamen Nenner.

Entlang der Erpewiesen nach Süden

Wer nicht nach links schaut und damit vorbei an Baubrachen und Gewerbe-Parkplätzen, kann sich tief in der Botanik wähnen, die sich gen Süden hin erstreckt. Dafür sorgt maßgeblich der Wiesengrund, eine fein umgesetzte Mischung aus Bruchwald, Wiesengrund und Erpewasser. Eine Handvoll Schritte erlauben den Wechsel vom Weg direkt zur Wiese, auf der noch manches Blümchen seine knickrige Blüte in den Himmel reckt und damit manche Biene aus der späten Reserve lockt. Vorn bei den Häusern ist jemand tüchtig mit einem nölenden Gartengerät beschäftigt.

Ziegen am anderen Ufer

Hinter den letzten Gärten beginnt dann ein stets leicht geschwungener Weg, der den Bachgrund der Erpe im Blick behält. Die schon bekannten Ziegen am jenseitigen Ufer ragen auch heute wieder mit der oberen Hälfte aus dem Grase, blicken eine Zeitlang fast synchron in unsere Richtung, beenden das ebenso synchron und rupfen weiter an den struppigen Grasbüscheln zu ihren Hufen.

Bank auf dem Kamm

Etwa auf dieser Höhe steht rechts des Weges ein Bäumchen, das eigentlich ein aus dem Ruder gelaufener Busch ist. Das Pfaffenhütchen hat nicht nur lustig umhüllte Früchte von markanter Form, sondern fährt im Herbst mit seiner Laubfärbung ein kleines Spektakel auf, das erst nach kurzem Augenausschütteln klar zwischen Laub, Früchten und deren Hüllen unterscheiden lässt. Orange, karminrosa, ein Spektrum an Rottönen – alles dabei. Verbunden durch ein besonders zähes Holz, das ein wenig den fast vergessenen Namen Spindelstrauch erklärt. Auch hochwertige Holzkohle lässt sich daraus herstellen. Und der ganze Stolz des männlichen Teilnehmers der Tour war es natürlich, diese hochgewachsene Blume wiedererkannt zu haben.

Reiterinnen und Farbtöne

Kurz vor dem Unterqueren der schnellen Landstraße sorgt erneut das Schild des Fernwanderweges E 11 für Erstaunen, denn die Vorstellung, gerade ein Stück des Weges vom südholländischen Nordseestrand zu den polnischen Masuren zurückzulegen, lässt einen für ein kurzes Stück eher schreiten als schlurfen. Gleich dahinter sorgt eine Rastbank für eine ganz andere Körperhaltung, liegt sie doch auf einer steil zu erklimmenden Anhöhe am Rand eines weiten Ackers. Umtost vom Lärm der Straße und frei von jeglichem Windschutz ist sie zwar nur bedingt gemütlich, dennoch verlockt schlicht die kühne Lage zu einer Pause. Noch weniger lässig gerät die Körperhaltung dann beim Abstieg, denn das kurze Gefälle ist steil und die offene Erde noch leicht klamm vom letzten Regen. Diese Pause wird im Gedächtnis bleiben.

Licht durch Laub

Auf dem abgeschiedenen Feldweg mit seinen Schlaglöchern und Pfützen passieren in kurzem Abstand zwei muskelbepackte Fahrzeuge mit Fokus auf dem Timbre hinterm Endschalldämpfer, was an dieser Stelle leicht surreal wirkt. Erst ein breitschultriger Pickup mit grollendem Vielzylinder, dann ein im selben Mattschwarz gehaltener Chopper mit sonorem Klang, obenauf ein einschlägig in Leder eingeschlagener Bauchpfleger mit Stahlhelm, die schweren Arme an den Lenkerenden festgehakt. Vielleicht zahlen ja beide Beiträge beim selben Verein, der mit der Ladefläche holt gerade neues Bier und der mit dem Sozius freut sich schon bald drüber.

Pfad nach Fredersdorf

Wiesengrund

Bei den Häusern von Wiesengrund strömt Duft aus einem kleinen Bruch, das wiederum von der Erpe gespeist wird. Die schlägt hier einen hübschen Bogen durch die Wiese, an dessen Ende fast schon Elisenhof erreicht ist.

Grünstreifen in Fredersdorf Nord

Elisenhof

Jetzt nimmt der Verkehr mit einem Male zu, fast alle zwei Minuten kommt ein Auto von vorn oder von hinten, und jedes davon ist eindeutig rot. Vielleicht ja ein anderer Verein, vielleicht das, was von den traditionsreichen Elisenhofer Rotkutschern übrig geblieben ist. Weitere Gedanken in dieser Richtung werden von extrawürziger Stallluft verweht, die dem Rückenwind geschuldet auch nach Verlassen des Weilers noch erhalten bleibt. Die Enten waren gerade die Kühe besuchen, dem Anschein nach ausgedehnter, während die Schweine sich visuell im Hintergrund halten, duftlich hingegen die Wahrnehmung bestimmen.

Grünstreifen in Fredersdorf Nord

Das folgende Wäldchen zeigt sich talentiert im Darstellen großen und vielfältigen Waldes – gemischter Bestand, verschiedene Landschaftsformen und sogar randständiger Ginster sind nur einige der dargebotenen Disziplinen. Den nächsten breiten Weg teilen wir uns kurz mit zwei Mädels zu Pferde, die Mädels in mehreren Grau-Schattierungen, die Pferde in braun-weiß und beide Paare jeweils verschieden hoch. Es passt in diesen farbenfrohen Tag. In der anderen Blickrichtung hat sich ein Sonnenstrahl bis zum Waldboden durchgearbeitet und bringt kurz vor dem Ziel gerade einen Zweig gezackten Eichenlaubs zum Leuchten.

Kleiner Stadtpark

Entlang eines winzigen Erpezuflusses zieht sich ein Pfad am Rand der weiten Wiese entlang, setzt sich bald fort im efeudurchrankten Wald, der ein wenig an einen vergessenen Schlosspark erinnert. Ein paar umgemorschte Bäume sind zu übersteigen, auch zeugt eine gut ausgebaute, hüfthohe Asthütte von den zurückliegenden Ferienwochen und kleinen Abenteuern auch ohne lange Reise.

Zwischen den Wohnvierteln wurde ein breiter Wiesenstreifen gelassen, der vor ein paar Wochen sicherlich noch vom Gezirpe später Grillen beschallt wurde. Jetzt liegt er warm im tiefen Licht der Sonne, wenn die Wolken sich kurz öffnen, und hier und da ziehen auf den entstandenen Trampelpfaden Spaziergänger von da nach dort oder der Länge nach hindurch. Vom benachbarten Schilfteich hört man bestens unterhaltene Enten, oben am Himmel kreisen ein paar gelangweilte Raben.

Feldweg nach Wolfshagen

Fredersdorf-Nord

Der schnurgerade Weg entlang der Hauptstraße hält eine goldene Brezel fest im Blick, weiter hinten den Preisaushang einer erleuchteten Tankstelle. Ein Käffchen wäre schön, doch der Bäcker hat schon zu, die Tanke ist zu weit weg, also wird das auf später vertagt. Das war gut entschieden, denn bald schon queren wir einen kleinen Platz, der lose mit Bäumen bestanden ist und viel luftige Fläche für schöne Freizeitsachen anbietet. Darunter auch eine Menge Rastbänke, auf denen wir jetzt den Rucksack leerfuttern und den letzten Tee vor dem Erkalten bewahren.

Grün und Braun

Hinter dem letzten Haus beginnen unmittelbar die fein gekämmten Felder, getrennt nur durch einen tänzelnden Pfad. Voraus hängen schwer Hochspannungsleitungen zwischen ihren Masten und ganz hinten werden die aufgebauschten Kronen einer Allee in regelmäßigen Abständen an- und ausgeknipst, in der vorhin beschriebenen Art. Zwei Piepmätze stieben vom Wegesrand auf, jagen kurz umeinander und wittern Gefahr durch die zwei aufrecht gehenden Gestalten. Lassen sich fallen in die braune Ackerkrume und verschmelzen umgehend mit den ersten zarten Halmen der Wintersaat. Grünfinkentarnung vom Feinsten – erdbrauner Rücken, grüne Vorderseite.

Rübenhaupt

Hinter dem nächsten Querweg wächst anderes im Boden. Beim letzten Besuch vor ein paar Jahren lag frisch geerntet ein kleines Gebirgsmassiv aus steinharten und bleischweren Zuckerrüben am Wegesrand, hoch wie ein Haus und vermutlich ebenso schwer. Heute stecken die massigen Früchte noch im Boden, mit reichlich Blattwerk obendran, und jeder, der Geschichten mag, wird wissen, wie schwer es ist, solch Rübchen zu entwurzeln. Also versuchen wir es gar nicht erst und staunen nur darüber, was im Erdreich so wachsen und gedeihen kann.

Altlandsberg in naher Ferne

Beim Blick nach Westen setzt sich alles von Altlandsberg in Szene, was oben rausguckt, davor tun dies auf Augenhöhe die bunten Wipfel einer dieser oktoberbunten Alleen, die der Stadt zustreben. Diese hier hat sogar einen Radweg nebenbei, auf dem uns in den nächsten Minuten ausschließlich griesgrämige Gesichter entgegenkommen, vielleicht dem mittelforschen Gegenwind geschuldet. Nach dem Abbiegen in Wolfshagen findet das Leid ein Ende. Der Weg führt nach Waldkante, so zumindest meint ein Schild.

Altbekannte alte Weiden bei Waldkante

Wolfshagen

Bei den sagenhaften Kopfweiden, die dreistellige Jahreszahlen auf dem Buckel haben müssen und zum Teil schon mehrfach auseinandergerissen sind, laufen vor uns zwei Leute mit einem Hund, der ähnlich alt sein muss. Mit zusammengebissenen Kiefern läuft er immer einen Rübenwurf weit, lässt dann schwer den Hintern auf den Boden sacken, leicht verschränkt, da nicht ein Hinterbein wie’s andere läuft. Macht kurz Pause, bevor er das massige Hinterteil ebenso verschränkt wieder auf Reisehöhe hievt. Das geht nur noch mit Hilfe des Schwanzes, der mittlerweile ähnlich kräftig wie ein vollwertiges Drittbein ist. Wehzutun scheint ihm nichts, nur anstrengend ist es eben, und er kennt die Runde und ihre unabänderliche Länge. Der kleine Treck aus Frau- und Herrchen und noch einem zweiten Hund schlurft wohl genau im richtigen Tempo. Und wie auch immer: man möchte den Hut ziehen vor dem tapferen Kerl.

Allee zum Reiterhof

Vor einem länglichen Geteich, dessen Durchfluss die Landschaft hier geprägt hat, lässt sich mit einem Doppelschwenk die Einsamkeit wiedererlangen. Von der urigen Allee mit ganz großen und ganz kleinen Bäumen und allerhand Strauchwerk als Füllwerk wird im Norden wieder wechselndes Allee-Licht geboten, im Süden eine dunkle Wolkenfront, die einiges später noch etwas Regen bringen soll. Und jetzt einen herrlich pastellblauen Kontrast zur sonnenwarmen Landschaft abgibt. Fast ein halbes Stündchen lässt sich dieser Weg genießen, mit viel Laub am Baum und auch schon raschelfreudig auf dem Boden.

Schönes Fahrzeug im Vordergrund

Beim Reiterhof ist grad nix los. Die paar Pferde, die draußen stehen, stehen einfach nur draußen, alle parallel ausgerichtet und etwas abwesend, wie Bluesfans bei einem übergeholfenen Kurs für Formationstanz. Warten vermutlich auf rosa Pferdemädchen, toughe Stadtfrauen in eleganten Reiterstiefeln oder sonstige Klischees, vielleicht aber einfach nur auf etwas Zuwendung vom hiesigen Hegepersonal.

Auch uns ist nach etwas Zuwendung, und so streben wir mit leicht erhöhter Schrittzahl in Richtung Einkehr an der Stadtmauer, zu Füßen des Strausberger Torturms. Unterwegs bringt ein kleiner Kutschwagen mit stämmigem Zugpferd davor den übersichtlichen Verkehr der Kaffeestunde in halbminutenlangen Verzug. Doch alle lächeln, keiner ist genervt, zuallerletzt das Pferd mit seinen extracoolen Schlaghosen.

Stadtmauer Ost im schönsten Licht

Bald folgt der Abzweig zu diesem Weg entlang der Stadtmauer, einem der schönsten aller Wege, den man sich gern mal ins Gedächtnis ruft, wenn gerade irgendein Ärger stattgefunden hat. Der kann hervorragend mit dem Sonnenstand spielen, mit den Farben und den Schatten. Und dann gibt es Kürbissuppe mit Kürbiskernen und auch anderes, was nicht partout zum Thema Herbst passen muss. Den Kaffee lassen wir auch hier aus – der soll uns auf dem Heimweg finden oder eben nicht.

Stadtmauerweg am Bächlein

Ein bisschen Mauerrunde ist noch übrig, perfekt als Verdauungströdelei. Alte Bäume stehen am Dammweg zwischen Mauerbächlein und den klammen Wiesen, jeweils flüchtend vom Weg in den kleinen Böschungen des Dammes. Weiter hinten mussten viele davon weichen, zum Teil ist der Grund ersichtlich im verbliebenen Stumpf, zum Teil nicht, zumindest nicht für Laien. Bis zuletzt setzt sich das Licht im Blätterwerk in Szene.

Am Torturm riskieren wir einen raschen Blick nach links und sehen wahrhaftig, dass die Eisdiele noch offen hat, noch kein Saisonschluss war. Hier nun findet uns der Kaffee, ergänzt um eine Kugel Eis. Die Schlange ist rasch abgearbeitet, jegliches Trinkgeld wird wie immer mit einem trötenden Quietscheschwein quittiert, was eine geniale Idee ist.

Die legendäre Vorstadteisdiele ein paar Tage vor Saisonschluss

In den Gassen der Altstadt strahlt noch manches Rot aus den Gärten. Wieder fallen die schlau ins Pflaster verbauten Abflussrinnen aus glasierter Keramik auf, die typisch sind für dieses Städtchen. Von der Kirche übern Marktplatz zieht eine Handvoll Leute zum Italiener, dem mit dem Gewölbe, hinter ihnen lange Schatten.

Auf dem hübschen Platz mit Plätscher-Brunnen und Laternen und kleiner Stadtinformation im Telefonzellen-Format werden altbekannte Lebensweisheiten und neueste Neuigkeiten ausgetauscht, nicht hinter vorgehaltener Hand und auch nicht eben leise. Der Wind hält sanft dagegen, fegt lakenbreites loses Laub zusammen und jagt es raschelnd übers sonnengoldne Pflaster.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin): mit der S-Bahn bis Hoppegarten, dann weiter mit dem Bus (ca. 1 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): auf der Landsberger Allee stadtauswärts über Hönow (ca. 0,75 Std.)

Länge der Tour: ca. 16,5 km (Abkürzungen sehr gut möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Tourismus Altlandsberg

Seite des Heimatvereins mit vielfältigen Informationen zur Stadt

Schlossgut und Tourist-Information (auch Brauerei/Brennerei)

Traditionsreiche Eisdiele Altlandsberg (geöffnet Mitte März-Mitte Okt.)

Einkehr:
Armenhaus Altlandsberg (am Storchenturm; gute Küche, gemütliches Gewölbe)
Mühle Altlandsberg (an der Umfahrungsstraße; gute Küche, gemütlich)
La Dolce Vita (italienische Küche im Kellergewölbe; bisher nicht besucht)