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Raddusch: Die Lausitz, der Spreewald und das große Glück

Es sollte Regen geben. Viel Regen. Den meisten im Südosten. Trotz all dem siegt das Verlangen nach dem Spreewald in seiner sommerlichen Üppigkeit – gemeinsam mit dem Optimismus. Und dem beruhigenden Wissen darum, dass es im Sommer selbst nach ausgiebigen Schauern nicht viel kälter ist als davor.

Vetschau

Eine sehr reichliche Stunde später stehen wir in Vetschau auf dem Marktplatz und machen im Kaffeehaus die Anfahrtspause. Die Fahrt war trocken, doch am Himmel wird irgendwo hinten schon die nächste Dämmerung vorbereitet. Vetschau ist ein hübsches Städtchen, das bald mal genauer unter die Lupe genommen werden sollte. Heute noch nicht.

Kahnhafen in Raddusch
Kahnhafen in Raddusch

Raddusch

Raddusch dürfte Autobahnreisenden durch eines dieser braunen Schilder bekannt sein, die auf sehenswertes Regionales hinweisen – in diesem Fall die imposante Slawenburg. Besonders und speziell ist hier der Umstand, dass direkt nach Passieren dieses Schildes das stilisiert Abgebildete im Original zu sehen ist.

Am Hotel führt ein Pfad hinab zum Kahnhafen, wo der Betrieb  langsam in die Gänge kommt. Die langen schwarzen Kähne schieben sich träge und erhaben aus den Nebenhäfen zum Anleger, die Männer an den Stakstangen (korrekter: an den Rudeln) nehmen erste gedeckte Blickkontakte mit der Kundschaft auf. Das weit von der Hauptspree abgeschlagene Fließ der Radduscher Kahnfahrt ist bewegt, doch zugleich noch etwas müde.

Vorbei an der hochgewachsenen Dorfeiche, deren Fuß von einem schmiedeeisernen Zaun beschützt wird, und kurz darauf gleich wieder ausgebremst, wenn auch wider einige Vernunft. Links befindet sich in blickfangendem Himmelblau die Alte Backstube und lockt mit dem Duft soeben gebackenen Kuchens, der lebensecht und mit kräftigen Farben auf seinem Blech liegt. Zwei gleichermaßen frische und freundliche Frauen kümmern sich um alles, was zu tun ist, und das scheinbar noch gar nicht allzu lange. Eine von ihnen sagt, sie isst seitdem mehr Kuchen als zuvor, die andere im Gegenzug etwas weniger – so bleibt genügend für die Kundschaft. Serviert wird auf Keramik aus Rheinsberg, gut getöpfert, schön gestaltet und zudem noch funktional.

Frischer Blechkuchen vom Alten Backhaus, Raddusch
Frischer Blechkuchen vom Alten Backhaus, Raddusch

Im Storchennest auf halbem Weg zum Sportplatz linsen kleinlaut zwei jüngst Geschlüpfte über den Nestrand, noch plustrig auf dem Scheitel. Und tauchen wieder ab. Hinter der schnurgeraden Bahnstrecke fängt bald Wald an, würzig kiefernduftend durch die Regenfälle dieser Woche.

Nach Unterqueren der präsent rauschenden Autobahn wird es bald schon leiser, da der Wind südwestlich bläst. Hinterm Wald beginnen bunte Trockenwiesen, und auf einmal sind wir recht unerwartet in einer typischen Landschaft der Lausitz – Bergbaunachfolge, was zunächst recht unromantisch klingt. Warnschilder mit dem Wort Lebensgefahr zeigen, dass der Wandel noch nicht lange läuft, der Boden noch nachgiebig sein kann. Doch es sieht anders aus, schon richtig nach Natur und lang nicht mehr nach sandig-nackten Bergbau-Landschafts-Wunden, wo sich die halbstarken Wildschweine am Abend staubend ihre Raufereien liefern. Die Vogelwelt ist auch schon reich vertreten, vor allem die, die gerne schwimmt.

Blick zum Bischdorfer See

An einer stabilen Blockhütte mit zwei Wänden, die die Hauptwindrichtung verraten, führt ein Trampfelpfad direkt hinab zum Ufer des Kahnsdorfer Sees, der benannt ist nach dem Dorf, das hier einmal stand. Blickt man von unten übers hohe Gras hinauf zur Hütte, man könnte sich auch ganz woanders wähnen. Und fernab, nicht 250 Meter von der nächsten Autobahn.

Entlang der breiten Straße hin zur Slawenburg stehen vereinzelt ausladende Sanddorn-Büschungen, die auch eher an Norden denken lassen. Die Burg ist voraus schon sehen, erhebt sich aus dem früh gereiften Korn, kreisrund und größer als man denken würde. Drumherum ein Gelände, wo sich mit der Familie gut der Tag verleben lässt oder zumindest ein großer Teil davon.

Vom Parkplatz führt ein von Obstbäumen eskortierter Feldweg direkt nach Göritz, das ein paar Meter tiefer liegt. Vom nächsten See sind Gänse zu hören, und rechts im Feld treiben die Starenschwärme traubig ihre unfassbaren Spiele.

Rasthütte über dem Bischdorfer See

Göritz

Der Spielplatz hier ist schattig und damit gut für eine Rast. Ein fleißiger Trecker gibt bald Ruhe und damit Gelegenheit, ganz andere zu hören. Darunter großgewachsene Gänseküken, trotz ihrer Statur noch flauschig und von hoher Stimme. Und Schafe direkt neben Ziegen neben Hühnern.

Jenseits der Autobahn wird es lauter, doch nur kurz, der Schallschutz greift. Über die Gleise und den Düften widerstanden, die vom jeweils sonnabends erweckten Backofen kommen, der zum Bauernmarkt gehört. Hier gibt es auch Gelegenheit, frisches Gemüse, Souvenirs und anderes zu kaufen.

Über die Felder und am Waldrand jetzt nach Stradow, derweil es drückt und im Norden wieder dunkler wird, schön kontrastiert zum Korn – jetzt wird es wohl bald ernst. Die Grillen zirpen laut und rufen Sommer ins Gedächtnis, zu dem ja auch ein Wolkenbruch gehört an manchen Tagen.

Slawenburg Raddusch
Slawenburg Raddusch

Stradow

In Stradow steht auf dem Friedhof ein Wasserhahn bereit, um die Hände zu kühlen, das ist bewährt und angenehm. Die Linden stehen lose entlang der Dorfstraße und scheinen buschig nur aus Blüten zu bestehen, es ist kaum Laub zu sehen und duftet dementsprechend intensiv. Vorbei am Gutshaus führt ein Sträßchen direkt zu den Angelteichen. Von links ruft ein Mann in privater Gartengarderobe, dass Fest ist heut in Lübbenau, und dass wir uns beeilen sollten, weil es sonst vorbei ist, ehe wir noch da sind. Das Fest.

Vorgarten am Dorfplatz, Stradow
Vorgarten am Dorfplatz, Stradow

Am Beginn der Teiche, hier warnt ein sehr hoch angebrachtes Schild mit einer Latte von etwa neun Verboten, stehen schon die ersten Angler, die hier einen schönen Tag verleben werden. Einige scheinen für diesen Tag ihren ständigen Wohnsitz hierher verlegt zu haben, andere sind nur in die Gummihose und darin in den Teich gestiegen und lassen sich die Karpfen durch die Beine streichen. Dafür muss man bestimmt nicht hartgesotten sein, doch schreckhaft besser auch nicht. Einige haben schon heute ihren Festtagsbauch angelegt und präsentieren ihn der Sonne, die noch immer vorherrscht.

Die Gebäude der Teichwirtschaft sind im Herzen aller Teiche so geschickt positioniert, dass sich von hier fast das gesamte Gelände sowie alle Zufahrtswege überblicken lassen. Fast kommt der Gedanke, dass hier im Geheimen vielleicht Goldfische aus purem Gold gezüchtet werden, bei all den Sicherheitsvorkehrungen. Daher auch kein Foto von den Entenküken, die hier sogar noch klein sind.

Zwischen den Teichen dampft schon die tiefstehende Luft, und auch die Schwalben fliegen hier bereits erheblich tiefer. Dazu sind alle Vögel zu vernehmen, die man an solchem Platze hören und auch sehen will. Im Vordergrund die Drosselrohrsänger, die Korrespondenten aller Teiche, die ganz eindeutig viel Humor haben müssen, so wie sie erzählen. Und immer wieder taucht ein großer Fisch mit einem lauten Platschen ab.

Fischteich bei Stradow
Fischteich bei Stradow

Vorbei an Kolonie Muckers treten wir in etwas Wald ein, genau zum Zeitpunkt, da die ersten Tropfen fallen, dicke Tropfen. Ziehen schon mal die Regenschirme und entsichern, hinterm Vetschauer Mühlenfließ im Bushäuschen sitzen bereits ein paar überdachte Radfahrer. Ein Nutria verdrückt sich wissend ins nächste Fließ.

Raus auf die offene Landschaft und noch so lange wie möglich recht lässig und entspannt getan, rennen wir mit immer seitlicher kommendem Regen dann doch los, so flink man eben mit einem Regenschirm rennen kann. Denn voraus steht wahrhaftig am perfekten Platz eine Rastbank mit Dach, die so gründlich und kenntnisreich überdacht wurde, dass es auch seitlich nicht reinregnen kann. Inklusive der für den Spreewald charakteristischen Köpfe des Schlangenkönigs am Giebel. Dank sei ihm und Lobpreisung, falls eine heidnische Gottheit auf so etwas heutzutage noch Wert legt!

Wettervorschau
Wettervorschau

Die Wasser von oben verstärken sich zum Wolkenbruch, und einige Ritzen im wettergeschundenen Dach sorgen bald für etwas Hin und her, auch über den Tisch. Ein Paar zu Rade ist so nass, dass es jetzt auch schon egal ist, und fährt daher schief grinsend vorbei. In den Pfützen regnet es nun Blasen, was dafür spricht, dass es noch eine Weile dauern kann. Doch sahen die Blasen wohl nur aus wie Blasen. Etwa zwanzig Minuten goss es und sorgte für weitreichende Pfützen, doch es wird weniger und hört dann auf.

Die nächsten zwanzig Minuten sprießen von überall Autos aus dem Boden wie Pilze nach dem Regen und sorgen für ein dauerndes Ausweichen und Platzmachen auf den schmalen Straßen. Nach Ablauf dieser Periode haben sich wohl alle an ihren Wunschplätze verteilt und es ist vollkommene Verkehrsruhe. Die beiden Nassen von vorhin sitzen an der nächsten Ecke unterm Dach und nutzen die Rast gleich als Trockenpause. Rechts der Straße breitet sich die ruhige und üppige Landschaft des innersten Spreewaldes in all ihren Grüntönen aus, souverän, saftig und kaum betretbar.

Blick aus der Schutzhütte
Blick aus der Schutzhütte

Dubkow-Mühe

Die Dubkow-Mühle, direkt an der Hauptspree gelegen, ist ohne Zweifel einer der schönsten und verlässlichsten Plätze im Innersten des Oberspreewaldes. Vorsorglich sind ausreichend robuste Zelte aufgestellt, so dass jeder, der im Freien sitzen möchte, dies tun kann, ohne um die Frisur zu fürchten oder Wasser in der Suppe. Eine Einkehr unterwegs ist immer ein dankenswerter Umstand, und sowohl Durst als auch schon Hunger sind vorhanden. Stille Stars hier sind die Mieter zweier Schwalbennester, die direkt oberhalb des Seiteneingangs unterm Dach kleben, rücksichtsvollerweise nicht direkt über der Tür. Vier flauschige Bedürftige, die schon fast das linke der Nester sprengen, verlangen nicht laut, doch dennoch sehr bestimmt nach Wachstumshilfe. Davon dürfte es reichlich Fotos geben auf den Servern der Bundesrepublik, denn die Nummernschilder der erwähnten Autos stammten aus aller Herren Bundesländer.

Hielten wir uns vorhin für Glückspilze, ahnten wir nicht im Ansatz, was jetzt von oben runterkommt und nun die bisherige Zwanziger Periodenlänge deutlich aufweitet. Es saut dermaßen los, dass die tüchtigen Damen von der Bedienung gut zu tun haben, damit auf den sechs Metern von der Haustür bis zum Zelt der Pegelstand auf den Tellern nicht steigt. Die tausend Arme der Spree, sie werden danach sicher gut gefüllt sein und etwas eiliger als noch heut früh.

Schleuse an der Dubkow-Mühle
Schleuse an der Dubkow-Mühle, nach dem Regen

Nach einer knappen Stunde wird es weniger, wir sind hier soweit fertig und zufrieden und klettern auf einer dieser steilen, dunkel getränkten Holzbrücken über die Spree. Zu beiden Seiten steht das schöne Schild „Radfahrer absteigen“ und regt die Phantasie ein wenig an. Die Boote einiger vor Kurzem eingetroffener Paddler liegen hastig angezurrt am Rand und erinnern an halb abgelassene Badewannen. Es war wirklich ein sehr heftiger Regen.

Jetzt tröpfelt es noch sanft und wird schon deutlich heller überall da oben – und hört wahrhaftig wenig später auf. Was kaum zu fassen ist in Sachen Glückspilzigkeit. Von links blickt uns aus dem hohen Gras ein Rehkopf an, sah erst aus wie ein Hase, doch ist das Gras hier wirklich hoch. Guckt noch lange weiter, da wir nicht innehalten, und guckt vielleicht noch heute.

Buschmühle

Durch dichten Bruchwald ist bald die Radduscher Buschmühle zu sehen, doch die sieht entschieden anders aus als noch vor ein paar Jahren. Das halbzerfallene Gebäude wird derzeit von Grunde auf neu gebaut, mit bestem Fachwerk und ein paar neuen Ideen obendrauf, fast will man sagen mit Visionen. Dürfte beim nächsten Mal recht spannend sein, wenn es dann aussieht, wie es aussehen soll. Die Schleuse hier am breiten Südumfluter ist schon länger neu und liegt abgenabelt von der Mühle etwas westlich nun. Unter der Brücke sausen die Schwalben durch, wahrscheinlich aus dem simplen Grund, dass es einfach Spaß macht und dort mehr zu holen ist. Rechts in den Wiesen stehen weiter hinten Kühe, vorne staksen Störche umeinander.

Die Buschmühle im Umbau
Die Buschmühle im Umbau

Vorbei am edlen Eingang zum Angus-Rinderhof, der aus vier kunstvoll gemauerten Vollpfosten mit Ornamentik besteht und beim Gedanken an die Rinder auch den an ein Bankkonto pro Rind oder goldene Uhren an den Fesseln aufblitzen lässt.

Übers pittoreske Göritzer Mühlenfließ kommen wir hinein nach Raddusch und vorbei an der dritten Herde Gänseküken, passieren noch einmal die Eiche mit ihrer eigenen Parzelle. Die Sonne steht noch hoch, die Luft ist frisch gewaschen und der Spreewald hat aufs Neue etwas mehr als alle Wünsche erfüllt.

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Anfahrt ÖPNV: Regionalexpress Richtung Cottbus (stündlich, ca. 75 Min.)(aktuell erkundigen, ob in Raddusch gehalten wird)

Anfahrt Pkw: Autobahn Richtung Cottbus, Ausfahrt Boblitz oder Vetschau, dann auf der Landstraße nach Raddusch

Tourdaten: ca. 19 km, Abkürzungen möglich

Download der Wegpunkte

Links:

http://www.raddusch-spreewald.de/

http://vila-radus.de/ (Alte Backstube in Raddusch)

https://de.wikipedia.org/wiki/Bischdorfer_See

http://www.slawenburg-raddusch.de/

http://www.die-spreewaldbauern.de/ (Bauernmarkt in Göritz)

http://www.teichwirtschaft-stradow.de/

http://www.dubkow-muehle.de/

www.euroschirm.com/ (Trekkingschirme, leicht und stabil; mit silberner UV-Beschichtung (optional) auch effektiv als Sonnenschirm)

Einkehr-Empfehlung: Dubkow-Mühle (schöner Außen- und Innenbereich, gutes Essen, freundliches Personal, besonders schön gelegen)

Grenzgänge, ein Wasserfall und die Breddiner Schweiz

Für manche Tage gibt nicht ausschließlich der Wunsch nach bestimmter Landschaft oder einem Phänomen der gerade spielenden Jahreszeit das Ziel vor, auch gewisse Einkehrorte haben starke Anziehungskraft, gerade, wenn sie länger nicht besucht wurden. Sogar besonders weite Anfahrten werden dann gern in Kauf genommen.

Dabei ergeben sich zum Teil besuchte Orte, die man sonst vielleicht nie in seinem Leben gesehen hätte – was schade wäre in so manchem Fall. So geschehen an diesem Tag, im Sammelbeutel dann an seinem Ende wie erwähnt ein Wasserfall und eine Schweiz, darüber hinaus noch ein wirklich zauberhaftes Dorf von ganz eigener Gestalt. Und eine anrührende Begegnung, geschuldet einem schönen Zufall.

Es ist April, noch erste Halbzeit, und der erste der wärmeren Tage in diesem Jahr. So beschaffen, dass abends klar gesagt werden kann: der Frühling ist jetzt auf jeden Fall da! Sonne und leichter Wind vom ersten bis fast zum letzten Schritt. Schlichtweg schön und wie jeder erste Frühlingstag enorm befreiend.

Königsfließ in der Breddiner Schweiz
Königsfließ in der Breddiner Schweiz

Lange Anfahrt, das heißt oft, sich in Grenznähe aufzuhalten zu anderen Bundesländern und das landschaftlich auch etwas zu merken. Das Zwischenziel ist Neustadt an der Dosse, die kleine Stadt mit dem Gestüt, dessen langwährende und spannende Geschichte aus Aufs und Abs mit enormen Kurvenausschlägen besteht. Nach kurzem Bäckerbesuch fahren wir dran vorbei und schauen für zwei Sekunden diese einzigartig schöne Allee hinab, die den südlichen mit dem nördlichen Stall verbindet. Eine Allee, wie geschaffen, um in Filmen mitzuwirken.

Breddin

Über schöne Dörfer nach Breddin, noch nie gehörter, weit abgeschlagener Ort und eher Stadt als Dorf, wo eigentlich schon etwas Elbe-Luft zu wittern sein müsste. Am Friseur beim Bahnhof steht wie erwartet das Fahrrad vor dem Laden, das genau dort hingehört. Und sanfte Neugier macht auf Austausch, der dort drin gerade läuft, das Allerneueste aus dem Ort und drumherum, von Oma Trude sicherlich und auch dem Sohn vom Apotheker.

Erstaunlich viele Läden, Lädchen und anderes von öffentlicher Natur ballen sich rund um die leicht distanzierte Kirche, der Charakter eines Städtchens verfestigt sich, und der Bürgermeister hat die letzte Wahl zurecht gewonnen, wie es scheint. Ein Traktor eilt in den Ort hinein, mit Hänger oder Gerät hinten dran, und genau hier verlassen wir die Straße Richtung Obermühle.

Obermühle

Vorbei an uralten Birnenbäumen führt der Weg zum Wald rund um den ausrangierten Mühlenstandort. Raus aus dem Wind passieren wir den Haufen Häuser und legen auf der Brücke übers Königsfließ die erste Rast ein. Einer sitzt in Brandenburg, der andere schon in Sachsen-Anhalt, und das, ohne die Stimme heben zu müssen. Ein Pflaumenbaum im anliegenden Garten ist hochgewachsen und voll weißer Blüten, und während wir da sitzen und auch kauen, fliegen gleich zwei Eisvögel unter uns hindurch.

Wasserfall bei Kümmernitz
Wasserfall bei Kümmernitz

Der zunächst unaufgeregte Wald mit seinen breiten Wegen fängt bald an, sich ansehnlich zu gebärden und bietet mit großen Buckeln in kleinen Dimensionen eine wirklich sehenswerte und besondere Landschaft, ähnlich dem Gebirge en miniature rund um Buckow in der Märkischen Schweiz. Das eben noch sachlich gerade Königsfließ schlägt in dieselbe Kerbe und fängt an zu kurven, fast schon zu mäandern – es ist ein zauberhafter, sanfter Rausch der kleinen Hügel und auch Täler. Die Ufer gesäumt von großen Scharen von Veilchen und dazu passend im Kontrast den nobel glänzenden Blütenblättern des gelben Scharbockskrautes und denen der weißen Anemonen. Die Buchenwipfel sind fast noch unbekleidet und das Licht hier unten dementsprechend frühlingsklar. Also: die Schweiz im Namen ist auch hier verdient und angemessen.

Zum Ende steigert sich die Bewegtheit der Landschaft am langen aufgestauten Teich zu einem Knotenpunkt allerfeinster Rodelbahnen, die Können beim Bremsen erfordern. An dieser Stelle liegt als schöner Superlativ der höchste Wasserfall im ganzen deutschen Norden, der eindrücklich in die Tiefe fährt, nicht im freien Fall, dafür auf einer langen Rutsche. Zur Rekordzahl kursieren mehrere Versionen, darunter acht, fünf und auch sieben Meter, was beim Davorstehen am wahrscheinlichsten erscheint. Auch dieses Wasser stammt vom Königsfließ, das unten nach rascher Beruhigung umgehend wieder anfängt, sich pittoresk zu winden.

Allee zurück nach Brandenburg
Allee zurück nach Brandenburg

Kurz verfranst, dann übers Fließ und vor zur Straße, links liegt als kleine Kuriosität ein Stückchen Brandenburg komplett umfasst von Sachsen-Anhalt. Eine gemütliche Allee betagter Eichen, die jetzt schon lange Schatten werfen, bringt uns vorbei an Weiden und mit trittfestem Sand unter den Sohlen zurück nach Brandenburg. Die nasse Grenze bildet hier ein kleines Gräbelein, in dem vor Wasserpflanzen kaum das Wasser selbst zu sehen ist.

Sophiendorf

Am Eintritt nach Sophiendorf, dass sich leicht unentschlossen über zwei zauberhafte Kilometer durch die weite Niederung der Neuen Jäglitz streckt, gibt es einen Rastplatz, auf gelungene Weise angelegt. Ein Seitenarm des erwähnten Grenzstromes wird von der Dorfstraße unterbrochen, und ein matt lackierter Kröterich quert zugleich getrieben und in Seelenruhe die asphaltierte Straße trockenen Fußes. Ein Gentleman, da er die aktuelle Dame seines Herzens auf dem Rücken trägt und ihr den Staub der Straße von der klammen Unterseite hält. Vollständig ohne Laute geht der Transfer vonstatten. Dass es ganz anders geht, ist hinten aus den Wiesen länger schon zu hören, wo sich die Kehlen zu Dezibel aufsummieren, die man sich nicht am Schlafzimmerfenster wünscht.

Kurze Rast kurz vor Sophienstädt
Kurze Rast kurz vor Sophienstädt

Das Dorf ist auf eine kaum fassbar schöne Weise seiner Zeit entrückt, sehr einzigartig, und erzeugt bereits beim ersten Hinsehen erste Sehnsucht. Die Straße, kopfsteingepflastert mit kleinem glatten Rand für den pedalen Dorfverkehr, sucht sich ihren Weg zwischen vereinzelten Häufungen schöner und schönster Häuser. Der ganze Ort wäre ein Fest für Fotografen eines dieser Magazine, die das einfach schöne Leben auf dem Lande preisen, gern mit Worten wie Großmutter, einst oder auch Stecken, bei denen sich gleich Wohlgefühl einstellen soll und meist auch einstellt.

Dazwischen weite Blicke über Wiesen, rechts in Richtung schnurgerade Jäglitz, links zu einem kleinen Höhenzug mit etwas Wald, der parallel zum Dorf verläuft. Darauf verschiedenes Weidevieh und auch mal ein paar Störche, die hier ein richtig gutes Leben haben dürften. Ohne lange Wege.

Eine Katze huscht verstohlen und besonders flach über die stille Straße, mit einer Maus am Wickel. Nur wenig später stehen rechts tiefschwarze Wasserbüffel oder etwas in der Art, von kaum gekannter Schulterhöhe. Der Boss der Gruppe fixiert uns mit einem Blick wie eine ernste Kampfansage und auch dementsprechend wirksam, so dass Verharren hier auf keinen Fall in Frage kommt, schon gar nicht für ein Foto. Obwohl nichts Rotes an uns ist.

Dorfstraße in Sophiendorf
Dorfstraße in Sophiendorf

Hinter Sophiendorf gehen wir am Fuße des genannten Höhenzuges direkt auf Stüdenitz zu, die erste Reihe Häuser vor dem eigentlichen Ort sieht irgendwie nach Norddeutschland aus und nach Häusern hinterm Deich. Hinten rauscht ein ICE Richtung Bad Wilsnack, der vermutlich erst in Hamburg wieder hält. Das passt ja irgendwie.

Stüdenitz

Die Kirche ist wiesenumgeben zu allen ihren Seiten und verschlossen, rechts hinterm Busch ist eine Dame mit einem Beet beschäftigt. Sie sagt, sie wäre eine von vier Schlüsseldamen, die dafür sorgen, dass man einen Blick ins Innere werfen kann. Lässt uns auch ein und wahrt auf angenehmste Weise die Distanz. Von all den Kirchen unterwegs, die wir schon mit offener Tür erwischen durften, ist diese hier nicht nur besonders schön, sie ist zudem auf eine bisher nicht bekannte Weise tiefenentspannt, strahlt gleichermaßen Freundlichkeit und Ruhe aus, auch und vor allem durch die schlichten, großartigen Farbenspiele, die es wohl erst seit Kurzem wieder gibt.

Die kaum zählbaren goldenen Sterne am taubenblauen Himmel überm Altar haben Paten auf der ganzen Welt und werden von vielen immer wieder gern besucht. So ließ sich dieser Teil der Restaurierung in die Tat umsetzen. Das ist nur eins der Dinge, die wir draußen beim Plaudern mit der Dame erfahren, ein anderes ist, dass der Pastor ein findiger und weiser Bursche ist, dem das Dorf hier manches zu verdanken hat, auch und gerade ganz praktische Dinge betreffend.

Über dem Altar, Stüdenitz
Über dem Altar, Stüdenitz

Das Gespräch hinterlässt uns in einer wohligen Stimmung von Optimismus und Bewunderung für solche Menschen, da passt es irgendwie ganz schön, dass man Stüdenitz hindurch unter der Bahn durch einen Tunnel in der Form eines Hufeisens verlässt.

Es geht eine Etage höher, ein Traktor kurvt daher auf Augenhöhe mit dem Kirchturm nützlich über seinen Acker und wirbelt Staub auf. Der Wind hier oben weht mit einer solchen Kraft, ganz unerwartet, dass wir nach Abbiegen auf einen Feldweg die Oberkörper nach vorne stemmen müssen, als käme hinten gleich die Küste. Der alte Weg vom Bahnhof, durch das schnelle Gleis jetzt nördlich abgeschnitten, ist eine lose Allee von schönem Obst, ich glaube Kirschen. Den Wind jetzt von der Seite, erreichen wir mit zeitweilig asymmetrischen Frisuren ein Wäldchen, dessen Boden flächig von Veilchen überdeckt ist, dazwischen vereinzelt etwas weiß und gelb. Geht man in die Knie, dann bleibt ein violetter Teppich von betörendem Duft. Haben wir so noch nicht gesehen, und geben uns für den Moment dieser Betörung hin.

Langsam schwächelnd, schließlich lockt ja als späteres Tagesziel die zielgebende Einkehr, hoffen wir, dass das, was schon den ganzen Tag am Himmel aufzieht, noch etwas warten kann. Über dem kleinen Grund des Mühlgrabens noch eine schnelle Rast, dann führt ein dicht bewachsener Damm hinüber nach Kötzlin. Dort vor der Kirche lebt eine wirklich alte Linde, die sich durchschreiten lässt, mit etwas Bücken oder einem Tanzschritt. Und einfach weiterlebt.

Kötzlin

Ein Radweg begleitet die Straße nach Breddin, das ist schön und gut für einen schnellen Schritt, denn es wird jetzt zusehends dunkler, und das nicht aufgrund der Tageszeit. Wo Kühe wohnen, erreichen wir den Ort und bald auch schon den Bahnhof. Für welche ohne Motor gibt es eine kleine Unterführung, drüben dann die ersten Tropfen. Schnell bricht es los, doch wir sind schneller, das Beeilen wird belohnt.

Veilchenteppich im Wäldchen
Veilchenteppich im Wäldchen

Eine Station nur ist es von hier nach Neustadt oder acht Minuten Fahrt, für uns jetzt ein paar mehr mit Scheibenwischern an. Auch wenn man hier vielleicht nie wieder sein wird, die Viertelstunde in Stüdenitz und die ganze Landschaft dieses Tages hinterlassen einen starken Eindruck.

Nochmals vorbei am Nordstall, diesmal ohne Blick, denn der Magen knurrt, verdientermaßen. Noch vor der Kirche und noch vor den schönen Dosseschnellen da am Bad weist nach links ein dezenter Hinweis zu Olafs Werkstatt, einem wunderbaren Mix aus Gasthaus, Videothek und ganz direkter Unterhaltung. Also ab in die Gemütlichkeit, derweil es gegens Fenster prasselt.

Neustadt/Dosse

Der Regen ist vorbei, jetzt noch ein paar Schritte zu den Schafen am anderen Ende der Stadt, fast schon im Übergang zu Köritz. Die Luft ist klar vom Regen, frisch gewaschen, der Tag ein paar Grad kühler und für den Augenblick kein Wunsch mehr offen.

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): Regionalbahn Richtung Wittenberge (stündlich, ca. 1 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): auf der A 24 Richtung Rostock, bei Neuruppin Nord abfahren und auf der B 167 nach Neustadt/Dosse, von dort auf der Landstraße nach Breddin (ca. 120 km bzw. 1,5 Std.)

Tourdaten: 19 km, reine Gehzeit ca. 5 Std.

Download der Wegpunkte

Links:

https://de.wikipedia.org/wiki/St%C3%BCdenitz
(u. a. Information zur Kirche von Stüdenitz)

http://www.olafs-werkstatt.de/
absolute Empfehlung – sehr gemütlich, gutes Essen, faire Preise, freundliche Bedienung; weiterhin gibt es neben einer Videothek im Hause eine Bowlingbahn, ferner zahlreiche lohnende Veranstaltungen aus den Bereichen Musik, Kabarett und Comedy

Müncheberg: Stadtmauern, Sackgassen und die Spur der Schafe

Manchmal hat man schlichtweg Pech, und das, was bei der Planung einer Tour so schön aussah, verträgt sich ab einem bestimmten Punkt so schlecht mit den Gegebenheiten vor Ort, dass die Runde notdürftig beendet werden muss. Was kurz gefasst meistens bedeutet: arm an Abwechslung und reich an Verkehr.

Manchmal hat man dabei Glück, kann das Steuer noch rechtzeitig rumreißen und die Tour live und vor Ort mit glutheißer Nadel zu einer völlig anderen, doch ebenfalls harmonischen umstricken. Oder hat bei Unwägbarkeiten von vornherein Plan B im Ärmel. Nützt jedoch gar nichts, wenn der Tag so heiß ist, dass keine Ärmel mit dabei sind.

Ebendiese Hitze des Tages fällte die Entscheidung für die luftige Landschaft rund ums Städtchen Müncheberg, einem der Tore zur Märkischen Schweiz. Durchreisende werden sich an zwei Kreisverkehre erinnern, zwischen denen sich das Leben des Ortes abspielt, etwas genauer Hinschauende an zwei Stadttürme, einer rund, einer eckig, zwischen denen die eigentliche Stadt liegt. Bleibt also eher wenig übrig, das man einem, der fragt, berichten könnte. So auch im eigenen Kopf, doch das sollte die Stadt an diesem Tage ändern. Und zwar erheblich.

Kirche auf dem Hügel über der Stadt
Kirche auf dem Hügel über der Stadt

Nach kurzem Kaffeehalt am Kaufhallenbäcker vor dem Stadtturm gen Frankfurt vor zur Kirche mit ihrem faszinierend hohen Durchgang und dort abgestellt. Ein kniehohes Buchsbaum-Labyrinth entlang der Treppen sorgt nicht für Verwirrung, doch für einen schönen Duft von Kirchhof, auf dessen kleinem Wiesenplateau auch eine herrlich schattige Bank steht. Aus heutiger Sicht durchaus ein Platz, diesen Tag in Gänze, intakt und sinnvoll zu verbringen, denn von hier lässt sich aus kühler Lage jegliches Geschehen da unten schön beschauen. Machen wir trotzdem nicht, sondern steigen hinab, flanieren kurz entlang der kleinen Reihe von Geschäften und zurück und biegen direkt unterhalb der Kirche ab, nach „draußen vor der Stadt“. Jemand macht fleißig, doch nicht nützlich klingenden Lärm mit einer Motorsense und wir sehen zu, dass wir Land gewinnen.

„Draußen vor der Stadt“ wird sogleich anschaulich, als am Ufer eines schilfumstandenen Sees die nächste schattige Bank unterm bewegten, bodenlangen Vorhang einer Trauerweide steht und das Geheul des Sensenmannes schon weit weg erscheint. Der See kurz vor der Stadtmauer heißt Waschbanksee, und bestens formt sich die Vorstellung, wie die wirklich fleißigen Waschweiber mit den schweren Körben voller Wäsche nach draußen vor die Stadt ziehen und dort ihr schweißtreibendes Handwerk verrichten. Dass diese Vorstellung nur von Filmausschnitten und nicht von eigenem Erleben befeuert wird, nimmt ihr nichts an Wirksamkeit.

Vorbei an einem langgestreckten Garten, unter den Armen seiner Streuobstbäume ein großes, dichtes Feld von strahlend weißen Margeriten, das jeden Apfel unauffindbar schlucken würde, wäre jetzt schon Fallobstzeit. Kurz dahinter sitzt ein gemütlicher Angler am besten Uferplatz und strahlt den schönsten Frieden aus. Der wird heute Abend auch auf einen schönen Tag zurückblicken können.

Blick über den Waschbanksee auf die Stadt
Blick über den Waschbanksee auf die Stadt

Den See im Rücken führt der Weg nun unerwartet quer durch eine leicht gewellte Wiesenlandschaft mit wirklich bemerkenswerten Weiden, scheinbar lebende Skulpturen eines angenehm durchgeknallten Künstlers, extraknorrig mit schon sagenhaftem Alter und weitreichendem Wurzelwerk, das niemals über Wassermangel klagt. Denn alles Land rund um die Stadt ist feucht bis nass, was wenig später dafür sorgen wird, dass wir für eine halbe Stunde etwas ratlos sind.

Das mit dem allgegenwärtigen Wasser ist insofern ein wenig kurios, als dass die Stadt leicht tälern liegt und all das Nasse ein paar Meter höher. Dass das so ist, wird uns durch den Umstand klar, dass wir während der Tour nicht wie erwartet immer wieder als Konstante der Umrundung den Kirchturm durchlugen sehen, sondern dieses nur ein einziges Mal. Die Erkenntnis: die Stadt liegt im Tal. Da nützt es auch nichts, dass die Kirche wirklich einen beachtlich hohen Turm hat und obendrein noch einiges erhöht im Städtchen thront. Und von der Landstraße überall zu sehen ist. Das nasse Umland bringt auch mit sich, dass viele Wege und auch Straßen nach Kurzem enden, auch wenn der Grund dafür nur überspringbar schmal ist. Theoretisch überspringbar.

In dieser Landschaft stoßen wir nun erstmals auf die Spur der Schafe, die bis vor ein paar Augenblicken doch noch hier gewesen sein müssen – ihre Präsenz lässt sich noch förmlich spüren. Die an Schlupfwinkeln reiche Wiese ist professionell von Schafesmäulern kurzgerupft, was als Geräusch übrigens erstaunlich laut ist, wenn man nicht weit davon entfernt ein Mittagsschläfchen halten will. Der Blick auf diese Landschaft hier verleitet zu ausgiebigem Schwärmen.

Doch es sind keine Schafe hier. Am Abzweig zum abseits liegenden Gehöft Landhof kurz auf Kopfsteinpflaster und dann gleich wieder rechts auf einen Weg, der wieder wiesig und gleich noch ein bisschen schöner ist, die Weiden hier nicht minder eindrucksvoll und noch dazu in großer Zahl. Umgestürzte Riesen schicken einfach gänzlich neue Stämmchen Richtung Himmel und schaffen für ganze Schafherden die herrlichsten Plätze für die Rupfpause, zugleich Schattenspender und Rückenlehne. Eine größere Kuhle in den Armen eines solchen Baumes ist mit platinblondem Stroh ausgepolstert und macht neugierig darauf, sich selbst mal drin zusammenzurollen. Jetzt ist sie wieder greifbar, diese Schafpräsenz, und doch ist keiner da.

Schafweidewiesen mit alten Weiden
Schafweidewiesen mit alten Weiden

Hinten hin zum See zeigt sich die Botanik förmlich überbordend in all Ihren Stockwerken vom Schilf bis zu den Baumwipfeln, dasselbe auch links rund um die Weiher von Augustenaue. In einem der Gärten vor der Stadt sind alle Pfingstrosen zur selben Zeit aufgeknallt, verströmen hier ein Konzentrat von ihrem Duft und sind dabei schon wieder am Vergehen.

Der äußere Weg entlang der Mauer ist schattig, fast ein bisschen kühl noch, während draußen die Sonne brettert, nicht gnadenlos, doch mit Nachdruck. Über einen entenbegrützten Graben voll zahlloser Grüntöne wechseln wir in eine kleine zauberhafte Welt phantasievoller Kleingärten. Eine trapezförmige Restecke, etwa so groß wie drei größere Stranddecken, ließ sich wohl nirgends zuordnen und wird nun frei von Beeten als lauschiges Wiesenzimmer genutzt, ausgestattet mit einer Pforte, zwei meist schattigen Stühlen samt Tisch sowie außenherum einer hohen und dichten Hecke zu den anliegenden Parzellen. Ein paar entgegenkommende Mädchen werfen uns einen entspannten Gruß zu, was heute noch öfter passieren wird.

Links der Landstraße, die kaum sichtbar bedeckt ist von Spuren einer Schafherde, verläuft leicht unterhalb ein schöner Pfad, vorbei an einem froschtönenden länglichen Teich. Obwohl man sich einen Teich auf jeden Fall immer etwas mehr rund vorstellen würde, als es dieser ist. Vorbei am Jahn-Denkmal (gemeint ist tatsächlich der Turnvater), das vor über hundert Jahren von knapp zwei Dutzend Turnverbänden der Umgebung hier errichtet wurde, wechseln wir in den gegenüber verlaufenden Waldpfad entlang des Wohnviertels.

Das Straßenzickzack durch die locker bebaute Siedlung ist fast schattenlos, umso schöner, als der von Pfaden und Wegen durchzogene Wald erreicht ist. Das leise Schnaufen nach dem winzigen Anstieg hinterm Diebsgraben ruft in Erinnerung, wie heiß es heute ist. Obwohl wir schon den Schlurf eingelegt haben. Also noch etwas kleinere Drehzahl.

Wie zu Beginn kurz erwähnt, lauert jenseits der Straße zwischen Müncheberg und seinem weit außerhalb liegenden Bahnhof ein Problem. Lange war kein Hindernis mehr so unumschiffbar, wie jetzt das Gelände des Instituts, das sich mit Agrarlandschaftsforschung und Insektenkunde befasst. Zwei wissenschaftliche Forschungsrichtungen, die für den Moment stark an Sympathiewert einbüßen, da das Gelände komplett eingezäunt ist und alle zur Umgehung taugenden Wege an irgendetwas Nassem enden. Das wäre jetzt so schön gewesen, sich beim Flanieren durch die wogenden Felder luftiger Agrarlandschaften Bienen und Käfer vom Winde am Ohr vorbeipusten zu lassen, gern auch eine Libelle, die ja ebenfalls zu den Insekten zählt. Aber Pustekuchen, wie der Berliner manchmal sagt.

Nach Müncheberg zurückzukommen, ist absolut kein Problem, immer geradeaus entlang einer verkehrsreichen Straße, mit eigenem Fußweg und anfangs sogar schattig. Etwas bockig wagen wir dennoch am Schwarzen Weg einen Ausbrech-Versuch auf gut Glück, doch landen entweder an Zäunen oder in weglosen und vegetationsreichen Regionen, gut geeignet für die Mückenaufzucht. Zugegeben, hier muss ja nun auch niemand dringend lang.

Also zurück und die längst fällige Rast im leidlich windigen Buswartehäuschen eingelegt. Ein Bus aus Hohenwestedt hält, lässt ein paar Leute aussteigen und uns aufhorchen. Vor einer halben Stunde kamen wir am winzigen Straßenstummel der Hohenwestedter Straße entlang, die umgeben war von landläufigen Namen wie Flora-, Garten- und Waldstraße. Hohenwestedt liegt weit nördlich in Schleswig Holstein – ist das ein kurioser Zufall? In der Tat handelt es sich um eine Städtepartnerschaft, die uns hier geschickt serviert wurde. Und dort in Hohenwestedt, da im Norden, dort gibt es einen Straßenstummel namens Müncheberg.

Fuß des Frankfurter Turms (der mit dem Storch)
Fuß des Frankfurter Turms (der mit dem Storch)

Auf dem Fahrrad fährt jemand mit einem fast noch vollständigen Eis vorbei, von der Stadt kommend. Das wäre es jetzt. Ein Eis. Unbewusst legen wir einen Schritt zu. Und am nördlichen Kreisverkehr von Müncheberg, da wohnt es, das Eis – standesgemäß im Ristorante. Ab jetzt wird alles gut – und die leicht verschlungene Quintessenz der Runde am Ende zwar kurz, doch so formvollendet schön, dass ich sie allerbesten Gewissens unten in der Karte anbieten kann.

Mit dem Eis auf der Faust verlassen wir die Stadt erneut, durch ein Gewerbegebiet der ganz alten Schule, bestimmt hieß sowas früher anders. Der Weg dorthin führt vorbei an vier weiteren dieser Wege, die wegen Wassers abrupt enden, so zumindest meint die Karte. Erneut über den Diebsgraben, dann entlässt die Straße kurz in die ursprünglich angestrebte luftige Weite der Wiesen und Felder. Nach zwei Minuten geht es rechts in einen sandigen Feldweg, begleitet von Nachtigallen, gut bei Stimme, und einer Duftmischung aus wilden Rosen und Holunder in seiner Hochblüte. Das dichte Grün links und rechts dampft schwüle Luft heraus an diesen Stellen, wo der Wind keine Chance hat. Geradeaus führt ein Trampelpfad entlang eines kleinen Wassergrabens und widerlegt dabei zwei der eben erwähnten Sackgassen, eine zu befahren, die andere definitiv nur zu Fuß begehbar. Und das auch nicht mit breitkrempigen Hüten, wirklich, dazu ist dieser Pfad zu schmal.

Auf einmal, vorbei an einem Hügelchen mit Gipfelbank, steht man wieder vor der Stadtmauer und staunt, wieviel davon doch noch zu stehen scheint. Denkt kurz an Städte wie Altlandsberg und Bernau, auch an Templin natürlich, wo sie noch die ganze Stadt umschließt.

Dicht am nicht allzu hohen Gemäuer gibt es jetzt schon Schatten, der willkommen ist. Der Weg ist zauberhaft, mit alten Bäumen, und auch hier im Norden gibt es die vorgelagerten Gärtchen. Drei Kerle decken ein kleines Laubendach mit roten Pappschindeln, mitten in der prallen Sonne. Fluchen und reißen Witze dabei, was beides zu verstehen ist.

Nach Westen und auch nach Norden ist die Stadtmauer noch vollständig, teils erhalten, teils gekonnt nachgebaut. Hier und da ein Loch mit Pforte drin und mal auch ohne, ein paar der Pforten unverschlossen und als Durchgang nutzbar. Beim großen Parkplatz mit eigenen Stiegen hinauf zum Kirchhügel steht unter einer großkronigen Rotbuche in tageslangem Schatten eine Bank, wo es sich gut entspannen lässt.

Östlich der Stadt wird die fehlende Mauer durch eine lose Reihe stattlicher Baumstämme fortgeführt, bis hin zum stämmigen Fuß des runden Frankfurter Turms, aus gutem Grund auch Storchenturm genannt, und das wortwörtlich zu verstehen schon seit Kaisers Zeiten. Der diensthabende Storch ist da und zeigt sich so aufrecht stehend und ausführlich, als bezöge er von der Stadt ein festes Honorar.

Kurz darauf übernimmt bis um die Ecke eine Backsteinmauer, bald abgelöst von einem gelungenen Zitat aufs Original. Dieses ist baumesdick und errichtet aus verschiedensten Feldsteinen, deren durchweg skandinavische Herkunft hier und da im Detail beschriftet wurde. Von Mittel- und Südschweden kommen sie sowie auch aus der Gegend um Oslo und von den Åland-Inseln, die zwischen Finnland und Schweden verstreut als Schären in der Ostsee liegen. Danke für den Gruß!

Nördliche Stadtmauer
Nördliche Stadtmauer

Nach einem Abstecher zur schönen Rundbank am Waschbanksee und dem sachlichen Anblick eines Parkhauses, dass zur Entspannung des Stadtbildes beitragen dürfte, setzt sich die echte Mauer wieder fort, nun fast schon vertraut begleitet von alten Laubbäumen und schönen Gärtchen. Kurz die eigenen Wege gekreuzt, dann dem Bogen der Mauer gefolgt und zum zweiten Mal zum Ristorante. Am Kreisverkehr zeigen sich ein letztes Mal klare Spuren einer durchziehenden Schafherde, was sich bei der Einkehr thematisch aufgreifen lässt – zum heißen Tag passt neben etwas großem Kühlen gut ein Salat nach Art des Schäfers.

Der Wind streicht angenehm zwischen den Tischen hindurch, und am Kreisverkehr lassen sich zwar keine Schafe, doch kleine Herden umherziehender Kinder beobachten sowie zahlreiche Autos mit Anhänger, die hintendrauf jeweils zwei Strohrollen zu liegen haben – sollte es heute wirklich etwas werden mit dem Regen, dem lang ersehnten? Werden hier die Schäfchen ins Trockene gebracht?

Gut, dass jetzt sofort noch Gelegenheit zu tausend Schritten ist – vom eckigen Berliner Torturm weiterhin entlang der Mauer. Nochmal vorbei an den drei Dachdeckern, die jetzt fertig sind und verwundert schauen: sind die da nicht vorhin schon mal vorbeigekommen – oder war die Sonne doch zu heiß? Bis zur Rotbuche mit der Schattenbank. Von hier führen wie schon erwähnt die schönen Stiegen hoch zur Kirche, vorbei an einem überlebensgroßen, verschmitzten Zisterziensermönch aus Holz und mit Bezug zum Namen Müncheberg. Die Wolken werden dichter und auch grauer, der Wind frischt auf, und wenig später bricht der Regen los und nimmt mit sich die Spannung aus dem Tag.

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): Regionalbahn von Berlin-Lichtenberg, dann von Müncheberg Bhf. mit dem Bus in die Stadt (ca. 1 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): auf der B 1 Richtung Osten bis Müncheberg (gut 1 Std.), parken lässt sich auf dem großen Parkplatz nördlich der Kirche vor der Stadtmauer und auch im Stadtgebiet

Tourdaten: bereinigte Tour ca. 6,5 km (1-2 Std., da es viel zu gucken gibt); Empfehlung (mit kurzer Doppelung): von der Kirche südlich aus der Stadt und über die Wiesen wieder zurück, dann innerhalb der Stadtmauer zum Berliner Turm; von dort außerhalb der Stadtmauer fast einmal rund herum entlang der Mauer; vor dem Berliner Turm links zum Kreisverkehr, dort nördlich aus der Stadt heraus und wieder zurück zur Mauer, dieser folgend bis zur Kirche

 

Download der Wegpunkte

 

Links:

http://www.stadt-muencheberg.de

http://www.zalf.de (Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung)

http://www.steinofen-baeckerei.de (Hennigs Backstube, Hauptsitz Hennickendorf)

Einkehr:

Ristorante Il Siciliano, Eberswalder Str. 1 (am westlichen Kreisverkehr, Nähe Berliner Tor)
(gute Küche, rote Fassbrause, freundliche Bedienung, elegante Einrichtung)

Groß Ziethen: Bunte Feldränder, weite Blicke und der Wind als Retter

Für genau einen Tag wird Hochsommer sein – so war es angesagt, und so findet es auch tatsächlich statt. Dreißig Grad sind prophezeit, und die werden eher über- als unterboten. Könnte man sich jetzt im Wald verkriechen und den Schatten genießen, doch das wäre eine Rechnung ohne die Mücken, verschenkt wäre darüber hinaus die kostbarste Überlebenshilfe an drückend heißen Tagen: der Wind.

Also besser in offene Landschaft mit gutem Windpotential. Das schreit nach Norden und im Detail nach Uckermark (oder Barnim im Kleid der Uckermark). Zumal dort nicht wie im Spreewald 33°C werden, sondern eher nur 29. Und es die beste Zeit ist für volle Kornfelder mit üppig bunten Blumenrändern.

Auf der Hinfahrt ist das erste sommerliche Wochenende nochmals zu erkennen, die meisten Autos tragen irgendwelche Sport- und Freizeitgeräte in oder an sich. Oder sind bis unter die Dachbespannung vollgepackt. Die Ostsee ruft hier wohl nicht mehr, dazu ist es schon zu spät, doch sicherlich eins der herrlichen Gewässer dort im Norden oder auch ein schönes Stückchen Radweg.

Joachimsthal

Kaffeepause in Joachimsthal beim Bäcker an der Ecke, wo sich am Sonnabend oft die Damen treffen und dazu schweigen mal, mal lustig sind – wovon das jeweils abhängt, weiß der Fuchs. Hier hing einmal (vor dem Betreiberwechsel) ein großes, gut gemaltes Bild vom Schiff Altwarp, ein schöner alter Ausflugsdampfer, der noch heute auf dem nahen Werbellinsee seine Süßwasser-Seemeilen runterreißt. Altwarp nun ist ein Dorf gelegen am Stettiner Haff, und das Gemälde hängt mittlerweile im Markt-Café in Angermünde. Der Besuch sei hiermit empfohlen, nicht allein des Bildes wegen!

Groß Ziethen

Nach Groß Ziethen ist es nicht weit, ein Dorf dieser Landschaft, wie es leibt und lebt. Stabil gebaute Häuser für die Ewigkeit aus Feldstein und festem Ziegel, die Leute hier haben viel Spaß an Farben und daran, Altes schön zu halten. Am Ortsende erhebt sich unerwartet ein riesiges Steinportal, nach dem Durchschreiten linst von links aus der Botanik ein lebensgroßes Mammut. Nun, das erklärt den Säbelzahntiger, der kurz zuvor auf einer Eisscholle über den Hinterhof trieb, und das bei diesen Temperaturen. Das noch wenig bekannte Besucherzentrum (der Parkplatz mit Bussteig scheint vor elf Tagen fertiggeworden zu sein) vom hiesigen Geopark bietet ein schönes Ausflugsziel für Familien und verrät anschaulich allerhand über die letzte Eiszeit.

Auch wenn „Eiszeit“ schön erfrischend klingt, uns drängt es jetzt in diese immer wieder sagenhafte Landschaft, die verlässlich Hochgenuss fürs Auge bietet. Also hinterm Parkplatz rechts, und sofort sind wir drin im satten Duft von wachsender Natur, der an windstillen Ecken fast schon dampft. Doch der Plan von oben geht auf, der ganze Tag wird von lebhaftem Wind begleitet, zudem ist der Himmel die meiste Zeit ein wenig zugezogen. Wenn nur eins davon nicht wäre, hätte man die Tour massiv verkürzen müssen, so bleibt sie unversehrt und lediglich die Gangart wird moderat gehalten. Für die Bilder vom Wegesrand gibt es dadurch schöne Himmelsgebilde.

Aufstieg zu den Kernbergen
Aufstieg zu den Kernbergen

Mit weiten Blicken führt der Feldweg entlang des hohen Korns, das sich jetzt im Wind schon schwerer wiegt, und die erhofften Vierfarb-Ränder aus Mohn- und Kornblumen, Margeriten und noch etwas Gelbem gibt es bereits nach wenigen Minuten. Dichte Wände aus Holunder und wilden Rosen, oft in sanfter Fusion vereint und ineinanderwachsend, stehen meist auf der richtigen Seite und lassen uns den Wind, der verfügbar ist, in Vollständigkeit. Der Blick nach Süden kann weit schweifen – das Panorama hat man sicherlich erwartet, doch es ist schon hier aufs Neue überwältigend. Später kommt’s noch besser.

Am Abzweig nach Luisenfelde steht ein bunt gemischter Schilderbaum nahe einer Rasthütte, die zugleich Buswartehäuschen ist. Oder umgekehrt. Schön ist das, dass es erlaubt ist, so viele Schilder völlig unterschiedlicher Kategorie an derselben Stange zu befestigen! Klein Ziethen ist von hier aus schon zu sehen, auch wenn es hinterm Hügel liegt.

Klein Ziethen

Das ist auch so ein schönes gemütliches Dorf, am Eingang treffen wir drei Mädchen mit tierlosen Leinen auf dem Weg zur Hundeherberge, auf der Dorfstraße dann zwei spielende Kinder – ein schönes Bild. Unterhalb der Dachkante eines Hauses hat sich eine ausgedehnte Reihenhaussiedlung von Schwalbennestern entwickelt, die man wohl länger schon gewähren lässt, und es geht rasant zu. Die Daheimgebliebenen und Hungrigen lassen ihre Köpfe sehen und scheinen voller Erwartung auf die, die gerade unterwegs sind mit der Einkaufstüte. Fast immer kommt eins angeflogen, übergibt und macht sich wieder auf die Socken. Alles sehr unterhaltsam bis amüsant, bis einem irgendwann der Nacken wehtut – also weiter.

Der Kirchhof bietet nicht nur einfach den erhofften Wasserhahn zum Abkühlen der Hände, sondern noch viel besser eine abgedeckte, ergo kühle Wanne, in der sich gleich der ganze Unterarm versenken lässt – kaum eine Erfrischung könnte jetzt schöner sein.

Hügelland am Fuß der Kernberge
Hügelland am Fuß der Kernberge

Hinter der verkehrsreichen Landstraße führt ein zauberhafter Weg in ein kleines Hügelland, das an sanft geschwungene Mittelgebirgslandschaft denken lässt. Je höher es geht, desto weniger ist er zu erkennen, dieser Weg, doch als grobes Ziel befindet sich voraus ein immer sichtbarer Sendemast. In sanften Wellen geht es über frisch gemähte Wiesen, die Mahd liegt noch und polstert jeden Schritt. Kurz vor dem Wald, dem Gipfel schon nah, präsentiert sich nun ein wirklich berauschendes Panorama in enormer Breite, sogar bis hin zur Oder und den Hochhäusern von Schwedt.

Der Einschlupf in den Wald lässt sich ein wenig suchen, ist dann jedoch sehr eindeutig, und auf einmal läuft man auf nadligem Waldboden mit trockenen Kienäppeln und steigt hinauf zum Kernberge. Der Hang nach Norden fällt steil ab, der Wald ist fast blickdicht.

Hier in der Gegend verschwinden an vielen Stellen Wege zugunsten von Anbauflächen, so dass die Passage entlang des Serwester Sees nicht mehr möglich ist. Daher gilt es nun eine neue Verbindung zu erkunden. Wir folgen entgegen dem Plan einem besonders einladenden Weg auf einem wildbewiesten Bergrücken, auf dem man Grillen zirpen hört, obwohl grad keine zirpen, weil es einfach so aussieht, als müssten welche zirpen. Kurz nach dem Abstieg wird es so haarig, wie es das selten war beim Finden einer erhofften Verbindung. Vierzig Meter trennen uns vom Anschlussweg, doch die sind wirklich dicht und wehrhaft bewachsen, undurchdringlich, so dass nur ein Versuch durch den benachbarten, auch recht dichten Wald hilft. Fast schon aufgegeben, finden wir in gebückter Haltung, mit einigen Blessuren und fast ausschließlich durch die Unterstützung ausgeprägter Tierpfade die entscheidende, wohl einzige Stelle und stehen voll Flusen und zerknüllter Spinnenweben wieder auf freiem Feld, nun auch wieder aufrecht. Geschafft! Doch die wunderschönen Wege zuvor waren es auf jeden Fall wert (Hinweis: die Darstellung weiter unten in der Karte zeigt eine gangbare Alternative, die etwas länger ist und ein Stück entlang der Landstraße verläuft).

Eine ausgeprägte Traktorspur übers stoppelige Feld bringt uns zu einer urigen Kopfsteinpflasterstraße, die schattig aus dem Wald kommt. Im dreifachen Schritttempo fährt ein Auto vorbei, oben aus dem Schiebedach ragen zutiefst vergnügt zwei Mädchen und winken uns, so gut das eben geht auf der hoppeligen Straße. Ein schönes Bild, ein friedliches.

Abzweig bei Buchholz
Abzweig bei Buchholz

Das Waldstück ist angenehm kühl und bietet schon bald wieder erste Blicke Richtung Serwester See, der wenigstens einmal kurz aufblitzt. Entlang hochgewachsener Wildrosenbüsche nach Buchholz, was auf eigene Art aus der Zeit gefallen wirkt und aus diesem ersten Blickwinkel auch irgendwo im Böhmischen Elbland liegen könnte. Rechts mischt ein weites Kornfeld die Farben rot und blau unter seine Wogen, am Rand dazu noch kräftig gelber Ginster.

Buchholz

Wir verlassen das Dorf nach Westen an einer Art Wagenburg, und auch diese nächsten Kilometer sind als Weg kaum noch zu ahnen, als breiter Feldweg schon gar nicht mehr. Wir haben heute zwar schon Graureiher und Kraniche gesehen, doch noch keinen Storch, also sorgen wir jetzt selbst dafür und staksen beinewerfend entlang des Wegfragmentes. Eine gute Alternative für die Zukunft wäre, das Dorf auf dem südlichen Feldweg zu verlassen, was mindestens genauso schön sein sollte. Von rechts gibt es etwas Windschutz, und es wird nochmals klar, wie wenig das heut ginge, ohne Wind.

An einer flachen Trockenwiese voller Blumen und mit Lerchen-Euphorie ist wieder etwas Weg zu erkennen, der Stil des Ganges geht wieder gen normal. Und auf dem breiten Feldweg darf dann wieder schön entspannt geschlurft werden, dies begleitet von einer eindrucksvollen Reihe betagter Kirschbäume, mal wilde Winzlinge als heranreifende Früchte, doch die meisten schon bald verlockend rot und groß. Ein genau wie Acker aussehender Hase erhebt sich aus dem Acker und sprintet schleunigst weg, nur einmal dreht er sich kurz um. Wir lassen uns nicht irritieren und schlurfen weiter. An den alten Kuhställen rein nach Senftenhütte, dessen gelbes Eingangsschild schon lange zu sehen war.

Senftenhütte

Das Dorf zeigt sich weit schöner und besonderer als in der Erinnerung, und wir folgen der Straße hinab zur Kirche. Die leider keinen Wasserhahn in ihrer Nähe stehen hat, naja, dafür war’s vorhin umso königlicher. Durch das ganze Dorf zieht sich hübsch und zugleich unaufdringlich ein thematischer Strang von Töpferei, der neugierig macht. Kurz vor dem Wald steht an einem schattigen Rastplatz eine Säule, gestaltet mit vollständig analogen getöpferten Touchpanels an jeder Seite, die von den Erwerbszweigen des Dorfes berichten. Was noch neugieriger macht.

Aus dem Wald strömt es kühl und duftend, was für ein paar Minuten schöne Entspannung bringt. Am waldschattigen Festplatz noch ein Wasserhahn-Versuch, doch der ist abgestellt, verständlicherweise. Die folgende, ausgiebige Passage fasst den ganzen Tag und auch die ganze Landschaft hier ganz hervorragend zusammen. In leichten Wellen führt sie über die Felder, vorbei an Tümpeln und auch kleinen Seen, an Hochständen und über kleine Wasserläufe mit gelben Lilienschwertern. Endlich auch drei Enten, ohne die so ein Brandenburg-Tag einfach nicht auskommt.

Größter Weiher am Weg von Senftenhütte nach Groß Ziethen
Größter Weiher am Weg von Senftenhütte nach Groß Ziethen

Als wir entlang eines dichten Rosengebüschs gehen, schreit uns ein Kuckuck fast genau ins Ohr. Bis zum heutigen Tage waren Kuckucke (heißt es Kuckücke oder Kückucke?) immer nur aus weiter bis sehr weiter Ferne zu vernehmen, so dass dieser regelrechte Schrei jetzt ein sehr spezielles Erlebnis darstellt, einmalig vielleicht fürs Leben. Das im Gebüsch nicht zufällig eine Kuckucksuhr hing, beweist sich, als ebenjener Kuckuck wenig später genau von dort ertönt, wo er hingehört: von weit weg.

Von jenseits eines Teichs trifft uns der durchdringende Blick eines Rehs, das es gleich dann dem Hasen von vorhin gleichtut. Wie vorhin bleiben auch wir dabei und lassen uns nicht aus der Ruhe bringen vom eiligem Tun. Die Kirche von Groß Ziethen kommt zwischen den Bäumen in Sicht. Ein erfreulicher Anblick, auch wenn man sich heute gar nicht losreißen möchte von der Landschaft und dem Tag. Doch die Hitze hat einen geschafft, jetzt bietet auch ein kaltes Getränk an schattigem Platz eine schöne, neue Perspektive. Das hilft beim Losreißen.

Die zehn Minuten entlang der Landstraße laufen sich besser als gedacht, rechts gibt es einen breiten Wiesenstreifen und der Verkehr hält sich gerade in Grenzen. Staubig, waldzerzaust und wiesenbestäubt kommen wir an, den Kopf voll bunter Bilder. Der erste Sandalentag, der erste gänzlich ohne Mütze.

Den schattigen Platz gibt es leider nicht beim Gasthaus im Ort, drum fahren wir zum Kaiserbahnhof bei Joachimsthal, der das Gewünschte in nahezu perfekter Form bietet. Dazu das Treiben rund um Wegfahrende und Ankommende – es ist hier fast ein bisschen wie an einem Hafen. Der Tag beruhigt sich mit jeder folgenden Minute.

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): leider wenig praktikabel (über Eberswalde oder Angermünde, doch nur wenige Verbindungen am Tag zu ungünstigen Zeiten)

Anfahrt Pkw (von Berlin): Autobahn A11 bis Abfahrt Joachimsthal, Richtung Angermünde bis Groß Ziethen, parken lässt sich am dreieckigen Dorfplatz nahe der Kirche

Länge der Tour: ca. 19 km, reine Gehzeit ca. 5 Std. (fragliche Abschnitte sind im abgebildeten Track durch gangbare ersetzt);
gut teilbar in zwei kleinere, dennoch ausgewogene Runden

Download der Wegpunkte

Links:

http://www.schorfheide.de/Besucher-und-Informationszent.983.0.html (Besucherzentrum des Geoparks mit Hauptthema Eiszeit)

http://schorfheide-portal.de/start/ziethen/

http://www.senftenhuette.de/

http://www.zum-kaiserbahnhof.de/

Einkehr-Empfehlung (beide gemütlich rustikal):
Zum Kaiserbahnhof, direkt am Bhf. Joachimsthal Kaiserbahnhof (mit großem Außenbereich unter schattigen Bäumen)
Zum Schwanenteich, direkt in Groß Ziethen (kleiner Biergarten auf dem Hof)

Spargel, Lieder und flusslose Auen

Manchmal muss eine Runde etwas kleiner sein als das Tageslicht lang ist – sei es nun wegen des Geburtstags der besten Freundin, wegen eines lahmgelegten Körpers oder weil es einfach so unfassbar heiß oder kalt ist, dass man sich draußen kaum rühren kann.

In seltenen Fällen gesellt sich dazu noch ein besonderer Grund, der zu einer bestimmten Zeit einen speziellen Ort erfordert. Nicht, dass die Tour zu einem Alibi degradiert würde, doch die Prioritäten, die im Spiel sind, begegnen sich auf Augenhöhe.

Fällt beides auf denselben Tag, ist besondere Mühe gefragt, damit die Tour auch gewohnt vergnüglich wird. Es gibt Landschaften, die bei solch kniffligen Fällen sehr entgegenkommend sind, so dass sich eigentlich nicht viel falsch machen lässt.

Einer dieser seltenen Fälle verzwickten Zusammentreffens lag im Monat Mai und vereinte genannten Geburtstag, die konkrete Nutzung der Spargelzeit und die wohlgesonnene Landschaft rund um Strausberg.

Als Halbzeitpause für die Anfahrt – es ist ein frühlingsmilder, leicht kühler Tag – kurz Richtung Hennickendorf abgebogen und kurz vor zehn zum Strandbad am Stienitzsee, dem noch die ganze Unschuld des Morgens zu Füßen liegt.

Hier ist auch so ein Platz, wo beherzt etwas aufgebaut wird, jedes Jahr ein Stück. Ein junges Paar verwirklicht mit Wagemut eine schöne Vorstellung – und wir genießen jetzt staunend den aktuellen Stand, der keineswegs mehr nach Zwischenstand aussieht.

Wenn jetzt und hier etwas diesen uferstillen Duft-Cocktail von Kiefernharz, Seewasser und Strandsand stören darf, ist es ein frisch gebrauter Kaffee, für den wir uns Zeit lassen. Am liebsten würde man diesen Frühlings-Morgen anhalten und noch zwei Stunden sitzen bleiben oder drei, da auf der Terrasse oberhalb des Strandes. Wo sich der Himmel edel in den vom Bootslack weich glänzenden Tischen spiegelt.

Glasiger Blick in die Kirche von Werder
Glasiger Blick in die Kirche von Werder

Werder

Im Dörfchen Werder unweit von Rehfelde, das wiederum unweit von Strausberg liegt, ist im Kirchhof eine Art gepflanztes Wappen in ein Beet gefasst, und wir wissen beim Losgehen nicht, was es damit auf sich hat. Beim Ankommen werden wir es wissen.

Über offenes Pferdeland geht es nach Garzau. Nach dem Überqueren der unfassbar schnurgeraden Bahnstrecke zwischen Strausberg und Müncheberg rascheln ein paar Kinder durchs hohe Korn, kurz darauf hocken in einem trockenen Wassergraben links und rechts des Weges zwei Eichhörnchen-Puppen, unten dran  erwachsene Frauen mit verlegenem Grinsen überm Kinn, noch etwas weiter liegt bemerkenswert sauberer Hausmüll verschiedener Kategorien sorgfältig zufällig verteilt wie eine Spur grimm’scher Brotkrumen. Hier geht was vor sich, und wir verbringen die Pause zu Füßen einer alten Linde mit Spekulationen. Bestimmt etwas zugleich Unterhaltsames und pädagogisch Wertvolles.

Allee nach Garzau

Durch den grünen Tunnel dieses Alleeweges leuchten von außen Meere blühenden Rapses, die im Osten dem Anschein nach wirklich erst am Horizont enden. Diese undurchbrochene gelbe Weite ist faszinierend.

Garzau

Garzau empfängt mit dem kleinen Kirch-Anger und begleitet uns durch den Ort mit Partyzelt-Musik zurückliegender Jahrzehnte, die an den bald anstehenden Herrentag erinnert. Noch ist das Zelt leer, dahinter feuchtes Bruchland – sollte später dann ein Fest auch für die Garzauer Mücken werden. Wo das stattfinden wird, queren wir erstmals das Mühlenfließ.

Die zweite Querung folgt wenig später am letzten und südlichsten Haus des Dorfes, wunderschön und mit dem Anschein eines Forsthauses, wo wir beim leisen Tönen im Garten tollender Kinder direkt in den Raps entlassen werden.  Am Klärwerk geht es unerwartet wildromantisch in ein winziges, doch uriges Waldstück hinauf, das üppig, ja fast schon saftig den Duft wachsenden Grünzeugs ausströmt. Gegenüber ein Bahnhäuschen, das vor einiger Zeit mit dem Verfallen begonnen hat, und genau hier quert ein winziger Pfad das selbe schnurgerade Gleis von vorhin.

Zwei großkronige Apfelbäume blühen in stiller Konkurrenz, und voraus ist schon die lose verstreute angerlose Hälfte von Werder zu sehen. Für ein paar Minuten werden immer größere werdende Straßen berührt, doch schon kurz nach dem Einschwenken gen Zinndorf verabschieden wir uns wieder ins Stille. Gänzlich unerwartet beginnt nun eine Landschaft, die glauben lässt, man wäre noch am vergangenen Wochenende unterwegs – da ging es durch die weiten und teils wildwüchsigen Elbauen unweit des  anhaltinischen Wörlitz.

Blick über die weiten Wiesen am Mühlenfließ
Blick über die weiten Wiesen am Mühlenfließ

Nach dem Durchschreiten einer stattlichen Pappelreihe, die das nun zum dritten Mal überschrittene Mühlenfließ trotz seiner Lüttheit bedeutend wirken lässt, öffnet sich in nobler Weite eine wirklich konkurrenzfähige Aulandschaft, die jedoch gänzlich ohne großen Strom auskommt. Mit dabei sind stattliche Einzelbäume, kleine und größere Waldstücke und sogar eine Anleihe an den Elbdeich in Form eines wildblumenbestandenen Dammes, der vermutlich den zeitweisen Lärm eines Crossgeländes abschirmt.

Kurz darauf gleich nochmal großes Staunen, als es am nächsten Wäldchen einen Gipfel zu erklimmen gilt – naja, man hätte den Berg auch umgehen können, doch der Haufen Findlinge auf dem Aussichtsplateau ist einfach so verlockend – und genau so unerwartet wie die Auwiesen. Also ohne viel Expeditionsgetue hoch, und oben bietet sich doch eine stattliche Aussicht, wieder über breites Rapsgelb und ein einzelnes Gehöft zu den Anlagen von Rüdersdorf, die gemeinsam mit einigen Windrädern für ein Sekündchen das Wort „Skyline“ durch den aktuellen Gedanken jagen lassen.

Blick zum Gipfel
Vor dem Aufstieg

Die Bergstille und die gipfelklare Luft sind zauberhaft. Noch zauberhafter sind sie, nachdem drei Männer oder Jungs, die Helme machen ein Geheimnis draus, genau jetzt und hier zweimal nacheinander den sandigen Auf- und Abstieg wagten, und zwar auf Quads mit pubertierenden Motoren. Dann ist sie wieder da, die Stille.

Nach dem Abstieg gibt es einen dieser schönen, tiefenentspannten Wege zwischen Wald und weitem Feld. Die Karte, schon etwas in die Jahre gekommen, weiß noch nicht von der Verlängerung des Waldrandes, der sich mittlerweile bis auf die Höhe von Zinndorf zieht, dem Angerdorf, das hinter dem Mühlfließ und seinen Feuchtwiesen liegt. Gemischtaltrig ist das, was nachgewachsen ist, und entsprechend zart die Grüntöne. Zweimal gibt es einladende und begehbare Durchblicke bis zur Au, der breiten.

Den Weg begleiten knapp kniehüfthohe Steinsäulen, vermutlich aus Granit, hell und gesprenkelt. Schräg gepflanzt in einem Winkel, der für Große und Kleine lesefreundlich präsentiert, was in Richtung des Weges angebracht ist. Das sind metallene (oder steinerne?) Liedblätter, jeweils mit  Text und Namen eines Liedes sowie einem gesprenkelten QR-Code für Leute, die vernetzt unterwegs sind und gerne wüssten, wie die Melodie doch gleich noch ging. Die Klangbeispiele, die sich öffnen, meist als Video, sind teils amüsant und teils komplex mehrstimmig dargeboten, doch größtenteils ist die Melodie recht gut erkennbar, und Spaß macht das auf jeden Fall – auch wenn man selbst gerade nicht in Singestimmung ist oder zu faul, noch die Gitarre aufzublasen. Wer gerne singt, sollte auf jeden Fall hier langspazieren und für den Weg genügend Zeit einplanen, wer nicht, der ist hier ebenso gut aufgehoben, denn unterhaltsam ist die ganze Sache fast für jeden.

Blick bis nach Rüdersdorf
Blick bis nach Rüdersdorf

Was daran gut zu merken ist, dass jeder doch aus seiner Kindheit ein paar Handvoll Lieder kennt und damit bei jedem Stein gespannt ist, ob  es eines davon ist. So summt es, ob wir wollen oder nicht, leise auch in unseren Kehlen, zumal das Hindernis des an der Abendkasse vergessenen Textes hier nicht besteht – erstaunlich doch, wieviele Strophen einige der vertrauten Lieder haben.

So richtig gut passt das dann am südlichsten Notenblatt direkt an der Brücke über das Mühlenfließ, dem wir hier zum vierten und für  heute letzten Mal über den Weg laufen, denn hier klappert die Mühle am rauschenden Bach. Vorher ging es vorbei an der herrlichen alten Allee zum Angerdorf Lichtenow, doch die nach Zinndorf steht ihr in Sachen Alleeschönheit in nichts nach.

Zinndorf

In Zinndorf ist auf einmal kein Wind mehr, als wäre er am Ortseingangsschild weggeschickt worden, die Wärme steht bräsig auf der breiten Hauptstraße herum und wird nur durch vorbeifahrende Laster etwas um sich selbst gedreht. Am Beginn des Angers wird es besser, und bald ist der Baumschatten der jahrhundertalten Bäume vor der Kirche mit ihren Rastbänken erreicht.

Zugleich auch das insgeheime Ziel des heutigen Tages, denn einer der besten Plätze, um zur Spargelzeit Spargel zu essen, ist schon in Sichtweite. Durch die Terrasse des Gasthauses streicht auf Beineshöhe ein angenehmer Lufthauch, und bald schon stehen die Teller vor uns und alles ist gut. Keine Angst vor künftigen Berichten, es wird nicht jedes Mal die Einkehr im Detail dargelegt, doch Spargel isst man so gut nur einmal jährlich, und das ist dann doch die Erwähnung wert.

Kirche von Werder aus der Ferne
Kirche von Werder aus der Ferne, mit Flieder

Zufrieden verlassen wir das Dorf, nun wieder durch die Felder, dabei in Hoffnung auf Buntes für einen schönen Blumenstrauß. Für erwähnte Freundin, die mit dem Geburtstag. Noch am Ortsrand, voraus zeigt sich am Wegesrand nichts Rotes, Blaues oder Weißes, lebt eine weite wilde Wiese voller Blumen, die allesamt sich ihre Farbe vom nahen Raps abgeguckt haben. Sonst nichts, doch davon reichlich. Also von Vielfalt auf Volumen umgeschwenkt und gleich so viel davon gepflückt, dass selbst eine große Männerhand fast überfordert ist, das Bündel dicker Stängel bis zum Ziel im Zaum zu halten. Aus der Trinkflasche wird mit ein paar beherzt gesetzten Schnitten eine Vase für die durstigen Blumen, ein Rest Wasser ist auch noch drin. Tatsächlich finden sich dann noch drei Kornblumen als wirksamer Kontrast zum satten Gelb.

Durch die am Rand stehenden Bäume kommt hinterm Raps die Kirche in Sicht, visuell umschmiegt von hohen Fliederbüschen, die in der Tat jedoch am Feldrain stehen. Und direkt am Beginn des Dorfes steht nun die Lösung eines Rätsels, von dem bisher niemand wusste. Die Markierung des Liederweges in Form einer Art von Blüte hat mit diesem nichts zu tun und gehört stattdessen zum Lilienrundweg, der stellenweise selbe Wege nutzt. Die Art von Blüte also ist die stilisierte Lilie, und diese wiederum ist das gepflanzte Wappen vor der Kirche, das vom Anfang. Zu der Erkenntnis und auf die Sprünge verhilft ein prächtiges Exemplar von Lilie, was direkt an der Rastbank am Dorfeingang blüht, in fast schon blauem Lila.

Rastbank mit Lilie am Rand von Werder
Rastbank mit zweierlei Lilie am Rand von Werder

Drei Anger mit drei Kirchen waren das jetzt, jeder ein bisschen anders, dazu zwei untergehakte Wanderwege und ein Blumenstrauß. Letztgenannter wird noch am selben Abend ausgeliefert, als Lohn gab es echte Freude und dazu schönen Erdbeerkuchen. Zwei Wochen später kam eine Nachricht dieser Freundin, mit einem Bild. Vom Strauß, der immer noch auf dem Balkon steht, noch immer aussieht wie ein Strauß.

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): Regionalbahn nach Rehfelde (stündlich ab Berlin-Lichtenberg, Fahrzeit von Berlin-Hbf. ca. 1,5 Std.), von dort Zuweg (knapp 1 km) auf straßenbegleitendem Radweg

Anfahrt Pkw (von Berlin): auf der B 1 Richtung Frankfurt/Oder, in Lichtenow abbiegen und über Zinndorf nach Werder (Fahrzeit ca. 1,25 Std.), Parken an der Kirche möglich

Länge der Tour: ca. 12 km, reine Gehzeit 2,5-3 Std.

 

Download der Wegpunkte

 

Links:

http://www.strandbad-stienitzsee.com/

https://www.gemeinde-rehfelde.de/

https://www.gemeinde-rehfelde.de/verzeichnis/objekt.php?mandat=96435 (Lilienrundweg)
https://daten2.verwaltungsportal.de/dateien/seitengenerator/reh_10_5_1_lilienrundweg_flyer.pdf (Flyer vom Lilienrundweg)

https://www.gemeinde-rehfelde.de/verzeichnis/objekt.php?mandat=114304 (Deutsch-polnischer Liederweg)

http://www.maerkischeschweiz.eu/cms/upload/pdf/rehfelde_flyer05.pdf (gelungener Flyer mit Wissenswertem für Ausflügler)

https://www.gemeinde-rehfelde.de/verzeichnis/visitenkarte.php?mandat=97628 (Dungers Gasthaus, Zinndorf)

Einkehr-Empfehlung:
Café am Strandbad Stienitzsee (kurz vor Hennickendorf, von der B 1 kommend)(mit Gastraum und schöner Terrasse über dem See)
Dungers Gasthaus (in Zinndorf unweit der Kirche, mit luftigem Wintergarten, deutsche Küche)