An heißen Tagen muss niemand unbedingt die Stadt verlassen, um sich schattig durch die Natur zu bewegen – Berlin bietet eine ganze Menge grüner Korridore, die ganz nebenbei enorm abwechslungsreich die Vielfalt der Stadt zeigen. Selbst alte Hasen im Kreuzen durch die weiten Stadtgebiete und auch sonstige Kenner bekommen hier immer etwas zu staunen, immer etwas Neues oder Unerwartetes, oft auch gänzlich Unerwartetes. Obendrein besteht mittels Bahnhöfen und Haltestellen alle paar Viertelstunden die Option, den Spaziergang zu beenden – zum Beispiel, wenn es gerade am schönsten zu sein scheint. Vielleicht auch die Beine lahm sind oder ein schattiger Biergarten lockt.
Einer dieser Spaziergänge zum Beispiel quert auf durchweg sympathischen Wegen fast einmal den S-Bahn-Ring. Um die Ecke vom Heidelberger Platz in Wilmersdorf liegen wirklich tief eingeschnitten zwei wildromantische Teiche mit glasklarem Wasser und eröffnen den zwei Kilometer langen Grünzug des Volksparks Wilmersdorf, der sich weitaus länger anfühlt und dabei durchzogen ist von großen und kleinen Wegen, zudem großzügig gefüllt mit schattigen alten Bäumen und großen Spielplätzen.
Das östliche Ende dieses Parksteifens stimmt fast etwas feierlich – hier befindet sich eine Art Kurpark mit bescheiden prächtiger Wandelhalle und einem stattlichen Springbrunnen. Doch wird in der Wandelhalle nicht schlurfenden Schrittes gekurt, sondern es halten hier U-Bahn-Züge mit einem der wohl schönsten Bahnhofsausblicke der Stadt. Diese fallen wahlweise auf den Ententeich oder auf das Wiesenrund mit dem erwähnten Brunnen, wo auch gerne Hochzeitsfotos geschossen werden. Denn direkt nebenan befindet sich das Rathaus Schöneberg, das zur Zeit der Wende als Westberliner Regierungssitz fast täglich in den Nachrichten zu sehen war.
Nach ein paar Metern lauter Schöneberger Hauptstraße und mehreren kleinen Parks liegt der unauffällige Kleistpark eindrücklich eingerahmt vom ebenfalls historisch bedeutsamen Kammergericht und zwei derzeit vernachlässigten Säulengängen, vor denen rote Rosen ranken.
Nicht weit davon in der Crellestraße findet jeweils mittwochs und sonnabends ein türkisch geprägter bunter Markt statt, gänzlich ohne Touristengewimmel, dafür duftend, laut und echt.
Nicht viel weiter gibt es unterhalb der Monumentenbrücke einen neuen Spielplatz mit feinstem Sand und Strandkörben sowie einem kleinen Gebirgsmassiv – und auch der ist umgeben von alten, zugewachsenen Gleisen.
Gegenüber verläuft ebenfalls auf neuen Wegen der Fernradweg Berlin – Leipzig und eröffnet an einem versteckten Biergarten von Süden her das neu gestaltete Gelände rund ums Gleisdreieck. Der „Park am Gleisdreieck“ wurde Mitte 2013 eröffnet und von den Berlinern scheinbar umgehend ins Herz geschlossen – so viel Platz, Freizeit-Angebot und offene Weite im innersten Herzen der Stadt dürfte es nur selten geben. Sowohl für alle auf Rädern oder Rollen als auch für Fußgänger. Das Beach 61 bietet knapp 50 Felder für Beach-Volleyball an, nachts auch beleuchtet.
Die benachbarten Viadukte der U-Bahn-Linien 1 und 2 geben dem nördlichen Stück eine spezielle Würze, die ein bisschen an New York denken lässt oder an die Wüste des Potsdamer Platzes kurz nach der Wende, mit den Polenmärkten und der durch und durch viaduktenen Magnetbahn obendrüber. Kaum noch vorstellbar, dass es die tatsächlich einmal gab.
Nachgerade klassisch geht es weiter, zunächst über den Potsdamer Platz. Ein faszinierendes Stück Stadt, dass nach wie vor ein von oben hineingestellter, netter Fremdkörper zu sein scheint, nicht aber ein Teil von Berlin. Dann durch die Oase des Tiergartens und vorbei am Reichstag mit seiner immerwährenden Schlange für die Kuppelwilligen. Die fällt heute vergleichsweise moderat aus, da die Glaskuppel in diesen glutheißen Tagen effektiv die vorhandene Hitze potenziert.
Die krumme Zielgerade findet sich schließlich entlang der Spree mit ihrem erfrischenden Klima bis zum Hauptbahnhof, der sich hier um die Flusskurve schmiegt. Zuletzt kommt man vorbei an endlosen Herden einladender Uferliegen, deren entspannt hängende Stoffbahnen von passender Clubmucke ganz leicht in Schwingung gebracht werden, mehr jedoch von der leichten Brise, die hier am Wasserdreieck von Fluss und Kanal entsteht. Ein guter Platz, jetzt und hier Schluss zu machen und auf irgendeine schöne Weise zu verweilen.
© 2015 – 2016, Wegesammler. All rights reserved.
Der Park am Gleisdreieck ist ein Schmuckstückchen für Berlin, weite Wiesen mit schattigen Plätzchen, Platz und gestalteter Boden für Skater, Spiel- und Kletterplätze, kleine Cafes, als ob es hier schon immer so aussah. Dickes Küsschen an die Gestalter!!!