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Die Backofenhitze, Eichhorst und der Werbellin

Was tun an Tagen, an denen man am besten vollkommen still halten sollte, ganz gleich ob drinnen oder irgendwo im Freien? Wo die Sonne ungebremst vom Himmel brennt, die Asphaltfugen in den Wegen schmelzen und die Luft direkt neben dem Schatten fast schon glüht?

Darauf bieten sich zwei einfache Antworten: still halten, ganz gleich ob in der Wohnung, in kühlwindigen U-Bahn-Stationen oder an einem schattigen Platz im Park, oder die großzügigen Gegebenheiten Brandenburgs nutzen und sich möglichst schattig in der Nähe eines Sees herumtreiben. Brandenburger und Berliner sind in dieser Hinsicht sehr verwöhnt – was es hier zu Dutzenden gibt, und was damit ganz normal scheint, ist in anderen Bundesländern als Einzelstück ein ganzes Wochenende wert und meist auch dementsprechend überfüllt.

Bäckermeister am Feldsteinbackofen, Danewitz
Bäckermeister am Feldsteinbackofen, Danewitz

Also die Tour dementsprechend gebaut, dazu noch etwas kleiner und mit reichlich Abkürzoptionen versehen. Oder einfach eine alte Tour aus dem Fundus nehmen, schon ausreichend abgehangen, die einmal genauso so einen Tag entschärfte.

Mit heruntergekurbelten Scheiben verlassen wir die Stadt und fahren über Land zunächst Richtung Bernau und Biesenthal. Die Grillen sind präsent, die gereiften Kornfelder lassen ihre vollen Ähren wogen und schwingen sich sanft von Waldstück zu Waldstück. Kurz vor Biesenthal befindet sich das besonders schöne Danewitz, das sich aus gutem Grund Märkisches Backofendorf nennt. Abseits der Bundesstraße führen urige Alleen mit einer grundsympathischen Ausstrahlung dorthin, von Süden und von Norden. Straßen, die es so nicht mehr oft gibt und die den Wagen bei zügiger Fahrt ungestüm durchschütteln wie ein kleines Boot auf dem flachen Bodden mit seinen kurzen Wellen.

Backofentag in Danewitz
Backofentag in Danewitz

Danewitz

Das Dorf selbst ist von der Anlage zauberhaft zu nennen und scheint von seinen Bewohnern sehr geliebt zu werden. Kein Angerdorf in dem Sinne, doch zwischen der Hauptstraße und einer stilleren Parallele ziehen sich entlang eines kleinen Baches gemütliche Gärtchen, Schollen und Kleinstweiden. Dazwischen bestehen immer wieder höchst charmante Optionen, zwischen den Straßen zu wechseln. Mal als Schleichweg, mal als Pflastersträßchen. Es ist ein bisschen wie ein Anger.

Die Backöfen verteilen sich im ganzen Dorf, der bekannteste von ihnen befindet sich noch hinter der Kirche auf einem schönen Wiesenareal. Zu erreichen über einen gepflasterten Hof und durch eine kleine Pforte. Von Sommer bis Herbst wird hier an jedem ersten Sonnabend im Monat der große Feldsteinbackofen angeheizt. Ab dem späten Nachmittag gibt es frischen Blechkuchen aus einem kleinen und am Nachmittag dampfendes Brot direkt aus dem großen Ofen, der vor dem Backen von erheblichen Mengen Glut befreit und sauber ausgefegt werden muss.

Der Chef kommt uns entgegen und bemerkt treffend „Da kommen ja die ersten Sommerfrischler!“. Doch wir sind zu früh, sagt er, eigentlich gibt es erst in einer Stunde was. Sollen mal fragen, ob schon etwas fertig ist. Also die Wiese hinauf und zur Hütte mit der Verkaufstheke, wo schon allerhand im Gange ist. Genau zum Zeitpunkt, als wir fragen wollen, holt der weiß gekleidete Bäckermeister die ersten beiden Bleche Kuchen aus dem Ofen und damit die Antwort auf die noch ungestellte Frage.

Über dem verwunschenen Altarm, Eichhorst
Über dem verwunschenen Altarm, Eichhorst

Eine schattige Bank im leichten Wind bietet direkten Blick auf den Feldsteinofen, und das mit dem frischesten Kuchen des Tages unterm Gaumen. Nach einem kurzen Schwatz und dem Ja zu einem Foto verabschiedet sich der Bäckermeister zum großen Ofen, öffnet die eiserne Tür und rührt einmal gründlich die Glut um, die noch mehrere Stunden das Gemäuer aufheizen wird. Doch nicht sie allein, denn von außen helfen bereits jetzt 36°C bei wolkenlosem Himmel mit. Zwei mehr werden heute noch drin sein, das reicht dann auch. In diesem Sinne also einfach doppelt gebackenes Brot, denn der Zeitpunkt des höchsten Sonnenstandes wird mit dem des Backens fast übereinstimmen.

Das wäre hier so ein Platz, an dem man den ganzen Tag verweilen könnte. Vorbildlich bewegungsarm. Doch das Vorgesehene hat auch seine Reize, also weiter. Nach etwas Autobahn erreichen wir die Gegend um Marienwerder mit ihrem Gewusel alter und noch älterer Kanäle. Zwischen dem Finowkanal im Süden und dem Werbellinkanal im Norden, die beide eher verspielten Flüssen als Kanälen gleichen, verläuft schnurgerade, groß und effizient der Oder-Havel-Kanal. Auch der hat seine eigenen Reize – und stellt über Havel und Elbe den Anschluss zu den Weltmeeren her. Noch dazu bietet er gern genutzte Badestellen quasi über Kilometer.

Sommer am Werbellinkanal
Sommer am Werbellinkanal

Eichhorst

Bevor der charmante Werbellinkanal im Norden den Werbellin erreicht, verweilt er an einer Schleuse im schönen Örtchen Eichhorst. Hier gibt es einen stillen Altarm, ein Paradies für Mückenzüchter, der tief eingeschnitten ist und den natürlichen Flusseindruck des Kanals nochmals bestärkt. Denn welcher Kanal verfügt schon über Altarme? Oberhalb verläuft ein pittoresker Naturpfad und bildet den Beginn dieses Tages. Eichhorst scheint sofort vergessen, wird jedoch später noch zu Ehren kommen. Durch den lichten, fast noch etwas kühlen Laubwald weht sanft der Wind und scheint den Plan des Tages aufgehen zu lassen.

Schon bald verläuft der Weg direkt entlang des verträumten Kanales mit seinem blautürkisen Wasser. Nachdem eine Schleusenfüllung kleiner und größerer Boote passiert hat, ist Zeit und auch Gelegenheit fürs erste Bad. Das Ufer ist steil und nur wenige Stellen sind geeignet, doch in allererster Sichtweite der Fußgängerbrücke geht es ganz gut. Der großsteinige Grund attestiert schließlich doch den Kanal, der sofort tief wird und mit einer Breite von vielleicht zwanzig Metern zügig überquert ist. Der Kreislauf atmet auf, zum ersten Mal.

Am Abzweig zum Ufer des Werbellin
Am Abzweig zum Ufer des Werbellin

An der Brücke wechseln wir hinauf in den Wald. Die alten, hohen Laubbäume sind meist lose gestreut, ihre Kronen dennoch dicht und das Licht dementsprechend diffus, damit entspannend für die Augen. Vereinzelt stehen hier kleine Gruppen von Douglasien und verströmen ihr frisches, zitrusartiges Aroma. Später wechselt der sanft-süße Duft der Pappeln mit dem zu dieser Zeit fast schon betörenden der Linden. Ein vielfältiger Wald also, der hier über dem Steilhang des Werbellinsees gewachsen ist.

Am Abzweig zum Süßen Winkel übernimmt jetzt die kleine Straße, die sich leicht angeregt in allen Dimensionen durch den Wald schwingt, mit kleinen Wellen und auch Kurven. Um von Eichhorst nach Altenhof zu gelangen, ist sie die einzige sinnvolle Alternative zur Autobahn, dazu neunzigmal schöner und somit verkehrsreicher als erwartet. Einige der Kürvchen rufen kurzzeitig kleine Rennfahrer wach, doch im Großen und Ganzen läuft es sich entspannt. Am kleinen und sehr feinen Hirschhorngrund führen ein paar sandig-holzige Stufen vom Parkplatz direkt hinab zum Seeufer, wobei immerhin 15 Höhenmeter überwunden werden – da zeigt sich eindrucksvoll die ausgeprägte Eiszeitrinne, die für die Entstehung dieses herrlichen Gewässers sorgte.

Tagesentwürfe im Uferbereich, Werbellinsee
Tagesentwürfe im Uferbereich, Werbellinsee

Unten folgt ein breiter, wiederum laubschattiger Weg der Uferlinie. An vielen Stellen haben bereits andere Sommerfrischler ihren schönsten Platz für diesen Tag gefunden, und dennoch gibt es zwischendurch immer ein Plätzchen für einen kurzen Sprung ins Wasser. Nun also folgt das zweite Bad. Anstelle des verträumten Charmes des gassenhaften Werbellinkanals präsentiert sich jetzt hier in breitem Panorama der Blick über die Wasserfläche dieses langen, wirklich langen Sees. Viele Boote, Jachten und sonstige Nussschalen sind unterwegs, die kleinen oft mit einem irgendwie befestigten bunten Sonnenschirmchen, das am Balkon jetzt fehlen wird. Fortbewegung spielt eher eine untergeordnete Rolle – es wird einfach genossen, auf dem See zu sein.

Altenhof

Nach zwei Bädern meldet sich der Hunger nun schon stärker. Das passt ganz gut, da voraus schon Altenhof liegt, das die Bezeichnung Küstenort durchaus verdient. Es ist zudem der einzige richtige Ort direkt am Werbellin und liegt direkt an seinem Herzen. Hat sich gemausert in den letzten Jahren und ist immer noch dabei. Am kleinen Dampferanleger machen mehrmals täglich zwei schöne alte Dampfer fest, darunter die Altwarp, die dieser Tage 80 werden müsste. Von hier führt eine hübsche Uferpromenade direkt entlang des Wassers zum Hafen für kleine Boote, der gemäß der Jahreszeit aus allen Nähten platzt. Selbst die Möwen haben sich verdrückt, die hier im Winter ihre angestammten Pfähle haben und auch bei kalten Winden stoisch dort verharren.

Abfahrt der Altwarp, Altenhof
Abfahrt der Altwarp, Altenhof

Auf viele Weisen lässt sich hier der Hunger stillen. Am effektivsten wirkt heute der Duft vom Kiosk vor der reetgedeckten Alten Fischerei. Zwei tapfere Damen kümmern sich hinter der Verkaufstheke um die Wünsche der Kunden, von denen bestimmt niemand wissen möchte, wie warm es da drinnen ist. Es gibt alle erdenkbaren Arten von Fischbrötchen, alles sieht frisch aus, selbst der Matjes ist rosig. Für die Backfischbrötchen wird frischer Fisch frittiert, der weit davon entfernt ist, rechteckig zu sein. Um die Ecke wird ein stattlicher Räucherofen gerade neu bestückt, mit großen Stücken quergeschnittenem Fisch, auch fertigen Filets. Fürs Essen liegt ein entkernter Kahn mit Schattendach und schönem Mobiliar bereit, so dass man auch als Selbstbediener direkt auf dem Wasser sitzt und etwas durchgeschaukelt wird. Wo könnte es jetzt schöner sein?

Am Rand des Ortes empfängt der nächste schattige Pfad und bringt uns hoch auf Waldniveau. Kurz entlang des Waldrandes, dabei wird klar, wie heiß es draußen wirklich ist und wie gut auszuhalten gleich darauf im Wald. Dieselbe kleine Waldstraße, nun die andere Hälfte, verwöhnt aufs Neue mit den Eigenschaften von vorhin. Am Hirschhorngrund noch einmal hinab zum Ufer, denn das nächste Bad steht an. Der See ist noch genauso kalt wie vorhin, genauso schön erfrischend. Die Uferplätze noch genauso regelmäßig ausgelastet, doch niemals überfüllt. Und auch der Schatten, der Begleiter fast des ganzen Tages, ist zuverlässig da und macht die Fortbewegung überhaupt erträglich.

Frischfisch im Rauch, Altenhof
Frischfisch im Rauch, Altenhof

Am Zeltplatz ist das Ufer baumlos, dicht an dicht sind hier die Campingwagen aufgestellt, und jeder testet seine Strategie, mit Sonne umzugehen oder sich abzulenken von den 38°C. Im Wasser ist viel los, doch selbst hier keineswegs beengt. Die Liegewiese bietet da schon eher Gelegenheit für Tuchfühlung. Etwas weiter wurde ein Stück Strand errichtet, ein Bademeister lässt den Blick gerade schweifen und sieht dann nach dem Rechten. Übern Strand geschaut wird wieder klar, wie faszinierend lang sich dieser See erstreckt – und was man sieht, ist nur die eine Hälfte.

Noch einmal durch den Schatten hoher Stämme und ihrer dichten Kronen. Bei einem Bootssteg steht eine Bank und hat direkt den Wind von vorn –Zeit für die Pause ist es längst. Am vordersten Liegeplatz liegt ein Surfbrett so korrekt verzurrt, als wäre es ein kleines Motorboot. Und bringt ein Grinsen auf die Lippen.

An der Alten Fischerei, Altenhof
An der Alten Fischerei, Altenhof

Fast unmerklich geht der See in den Kanal über, das jenseitige Ufer rückt dementsprechend näher. Die schöne Fußgängerbrücke aus kräftigem Holz lässt uns hinüber, etwas rechts steht hier der Askanierturm, besuchenswert. Ein Aussichtsturm, aus dem schon einmal Rapunzel ihr Haar herabließ und dabei gefilmt wurde. Selbstverständlich mit ihrem Einverständnis.

Am westlichen Ufer des Werbellinkanals führt ein äußerst entspannter Rad- und Fußweg vorbei an zahlreichen Rastplätzen direkt zurück nach Eichhorst. An vielen Stellen befinden sich rechts Gartenpforten und gegenüber Stiegen zu einem kleinen Steg, so dass man faktisch von Wassergrundstücken sprechen könnte, nur eben ohne Blick aufs Wasser und ohne direkten Zugang. Einer dieser Stege wird gerade neu beplankt, mit schönen, hellen Terrassenbohlen.

Blick über den südlichen Werbellinsee, Süßer Winkel
Blick über den südlichen Werbellinsee, Süßer Winkel

Was diesem Tag noch fehlt, das ist ein schönes Eis. Vor langen Zeiten gab es in Eichhorst ein Café mit einer legendären, kaum transportfähigen Mohn-Pudding-Torte, doch das dürfte noch im letzten Jahrtausend gewesen sein. Seitdem ist vieles neu entstanden hier, neben einem großzügig angelegten Fischimbiss mit viel knorrigem Holz auch eine Eisdiele direkt an der Schleuse, wo es sich schön und schattig sitzen lässt, auf Sand sogar. Die probieren wir aus. Und werden gerne wiederkommen.

Zwischen See und Kanal
Zwischen See und Kanal

Die Hitze dieses Juli-Tages hat ihren Spitzenwert erreicht, auch hier zwischen den Kanälen. Jetzt auf der Rückfahrt sind die Grillen etwas leiser, die Felder wogen stiller als vorhin, der Himmel entlässt sein grenzenloses Blau. Die Dörfer liegen still, kaum Menschen unterwegs. Jeder gibt sein Bestes, zum Abend endlich stillzuhalten.

Anreise (ÖPNV): am Wochenende stündlich Regionalexpress nach Eberswalde, von dort Bus Richtung Joachimsthal (Fahrzeit von Berlin Hbf. ca. 1,25-1,75 Std.);
in der Woche ungünstiger (viele Umstiege, längere Fahrzeit)

Anreise (Pkw): auf der A 11 Richtung Prenzlau, Abfahrt Finowfurt nehmen und Richtung Liebenwalde, dann rechts ab nach Eichhorst; parken nahe der Schleuse möglich (u. a. an der kleinen Straße nach Altenhof)

Tourdaten: ca. 15 km (Abkürzungen gut möglich)

Download der Wegpunkte

Links:

http://www.feldsteinbackofen.de/
(Feldsteinbackofen Scheuing, kurz hinter der Kirche; Sommer-Herbst ist jeden 1. Sonnabend im Monat Backtag mit Schaubacken von Brot; frischer Blechkuchen und Imbiss-Angebot, viele schöne Plätze auf der Wiese sowie beheizbare Backofenhütte; weitere Veranstaltungen bis weit in den Herbst hinein)

https://schorfheide-portal.de/schorfheide-orte/eichhorst/http://www.gemeinde-schorfheide.de/Eichhorst.1124.0.html
(Informationen zum Ort Eichhorst)

https://de.wikipedia.org/wiki/Werbellinkanal

https://de.wikipedia.org/wiki/Werbellinsee

Alte Fischerei
(wunderschön gelegenes Restaurant direkt am Werbellinsee in Altenhof; eigene Räucherei mit angeschlossenem Fisch-Imbiss, sehr gute Fischbrötchen)

Schorfheider Fischexpress
(gemütlicher Imbiss mit großzügigen und schönen Sitzmöglichkeiten, direkt an der Schleuse in Eichhorst)

https://www.facebook.com/pages/Eiszeit/423357577677194?fref=nf
(Café Eiszeit, Außenbereich mit Strandsand, gutes Eis, Kaffee und Cocktails)

Einkehrempfehlung:

Fisch-Imbiss der Alten Fischerei, Altenhof (siehe Links)

Schorfheider Fischexpress, Eichhorst (siehe Links)

(in Altenhof gibt es zahlreiche weitere Lokale aller Preisklassen, in Eichhorst zudem ein Wirtshaus der gehobenen Preisklasse)