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Kremmen: Das Scheunenviertel, der Strand im Luch und ein Lama unter Schafen

Der September ist langsam in Fahrt gekommen, und zaghaft hat ein noch schmächtiger Herbst ein Stück der Klinke ergriffen, deren größten Teil noch die riesige Pranke des diesjährigen Sommers vereinnahmt. Zu spüren ist die bunte Jahreszeit schon in ersten Düften und dem Rascheln einiger gefallener Blätter, im tiefen Licht der nachmittäglichen Sonne und der umgehend aufkommenden Kühle, wenn sie dann versunken ist und Ruhe gibt. Werden noch mehr Wahrnehmungs-Reize gebraucht, kann man sie fast überall im Lande finden. Wer dabei im Speziellen auf intensives Rauschen hochgewachsener Pappeln und das Tönen mannshoher Vogeltiere aus ist, kann in fast allen Himmelsrichtungen fündig werden.

Im Scheunenviertel, Kremmen

Besonders gut und mit enorm viel Platz und Weite geht das in dem ausgedehnten Luchgebiet, das sich zwischen Dosse, Rhin und Havelland aufspannt, schier grenzenlos, doch nur begrenzt durchdringbar. Alle paar Minuten quert ein Wasserarm, was im Kartenbild für ein filigranes Aderwerk in blau sorgt, und das Gesamtnetz aus allen diktiert abgezählte Möglichkeiten für solche, die hier ausschwärmen wollen. Das Prinzip von Versuch und Irrtum empfiehlt sich dabei nur Leuten, die ohne Murren demselben Weg zurück folgen. Für alle anderen hilft die gute alte Papierkarte schlechte Laune zu vermeiden, da sie den Radius einer Tagestour auf einem Blick zeigt.

Ringstraße in Kremmen

Kremmen

Eines der wenigen Städtchen direkt am Luch ist Kremmen, das den bis hinter Kyritz reichenden Luchbogen im Südosten eröffnet. Für eine Runde in die Weiten der wasserreichen Landschaft gibt die Stadt einen charmanten Kontrast. Kremmen hat wie Teupitz, Zossen oder Wusterhausen einen klassischen Marktplatz, der zu den gemütlichsten im Land Brandenburg zählt. Das überschaubare Geflecht der Straßen und Gassen füllt gemeinsam mit Markt- und Kirchplatz einen Außenring. Möglich sind mehrere Varianten eines Rundgangs, deren längste etwa zwanzig Minuten füllt.

Bootshaus am Kremmener See

Etwas abgeschlagen und sinnfällig in sicherem Abstand vor den Toren der kleinen Stadt hat Kremmen noch eins der größeren Scheunenviertel, in dem kaum ein ungenutztes Gebäude auf eine neue Bestimmung wartet. Gastronomie verschiedener Preisklassen gibt es hier und Läden mit besonderen, gern auch kostspieligen Sortimenten. Auch eine Kleinkunstbühne mit dem schönen Namen „Tiefste Provinz“ findet sich hinter einem der enormen Tore, die teils auf Rollen laufen, teils ganz klassisch per Scharnier und daher raumgreifend und mit großer Geste zu öffnen sind. Die leicht archaische Gemütlichkeit des gesamten Viertels gilt für jede einzelne der Scheunen, egal ob astrein sandgestrahlt oder noch mit Bröckelputz.

Weg ins weite Kremmener Luch

Scheunenviertel und Marktplatz sind gleichermaßen schön, um von hier loszugehen, wobei die späte Vormittagssonne auf den ausladenden Scheunenfronten mehr Raum für Lichtspiele findet als auf dem schmalen Markplatz. Kommt man vom Bahnhof her, liegt auf jeden Fall das Scheunenviertel näher, da quasi auf dem Weg. Der sonnige Tag belohnt heute gleich drei Paare, die sich auf die stabile Wetterlage des frühen Septembers verlassen haben, und die anreisenden Hochzeitsgäste dürften zuallererst vor der Herausforderung stehen, die Festlichkeit zu finden, zu der sie auch geladen sind.

Die erste Kneipe ist auch schon offen und nutzt die lange Vorglühzeit bis heute abend, wo die 12. Kremmener Kneipennacht die Stadt behutsam schütteln wird. Ein paar Biker sitzen auf den klobigen und wetterfesten Bänken, die vermutlich aus gefallenen Pappeln der Region zurechtgeschnitten wurden, mit Sägeblättern, groß wie Traktor-Reifen. Dazwischen ein paar verfrühte Hochzeitsgäste, die noch die Ruhe vor dem Sturm genießen, und eine Handvoll Wanderer in viel zu warmen Jacken.

Neue Obstbäume bei Dorotheenhof

Ein paar Tore weiter öffnet gerade der Hutverkauf, wo es schöne und langlebige Hüte vom völlig anderen Ende der Welt zu kaufen gibt, deren Name in vielen Köpfen die kindgerechte Melodie vom Buschkänguruh wachrufen wird. Gleich gegenüber gibt es exklusive Antik- und Handwerksartikel, die zum Teil in eine Hosentasche passen, zum Teil einen Kleintransporter erfordern. Zwischen all dem schlendern, catwalken oder irren hochelegante Herren, vor allem aber Damen in den allerschönsten Kleidern bis hin zum offentsichtlich kalkulierten Risiko, der Braut die Schau zu stehlen, und zwar keineswegs dezent.

Entlang gediegener Gärten ist bald die Berliner Straße erreicht, wo am Markt ein ausnehmend schönes Bäckercafé in mehreren Einrichtungskapiteln zur ersten Pause lockt, fast unverhandelbar. Auch draußen gibt es schöne Plätze, mit direktem Blick auf das beschauliche Kommen und Gehen auf dem Markt, später einmal soll es auch hinten auf dem Hof noch welche geben. Besonders zu empfehlen zum Gebäck ist die heiße belgische Schokolade. Die gibt es wahlweise in blond, braun oder schwarz, und jede von ihnen erfordert etwas spielerische Eigeninitiative.

Ringstraße in Kremmen

Schräg gegenüber, gleich links vom Kaufhaus, quert der Burgweg und schlägt seine kleinen Bögen um die Stadt, vorbei an einem durchaus ansehnlichen Dächermeer. Spätestens in der Neuen Kietzstraße wird keiner reglos bleiben, der gerne Bilder mit nach Hause nimmt – hochgewachsene Blumenstämme und kleine Bäume, farbenfrohe Fassaden und klassische Laternen sorgen für einen pittoresken Anblick, der vom Straßenpflaster noch perfekt gemacht wird.

Nach einem Abstecher zum dörflich wirkenden Kirchplatz und ein paar Schwenken führt die Straße der Einheit schnurgerade vom Stadtkern weg, vorbei am Sportplatz und der Schule. Nach dem Queren der Hauptstraße sind es auf dem Storchenweg nur wenige Meter, bis man ohne Übergang direkt vor der märkischen Weite steht, umgehend den freien Blick genießen kann. Vom Luch her weht der kräftige Wind schon eine Ahnung von Kranichrufen herüber, die vorfreudig stimmt und das Herz ein wenig hüpfen lässt, denn das gab es lange nicht zu hören. Unüberhörbar ist aus einem der Gärten das Schnattern einer Horde Gänse, die sich nach kurzer Neugierphase alle nach Norden ausrichten und versteinern, als wir zu lange gucken. Also weiter.

Am Rand des Bruchwaldes

Noch nie vom Kremmener See gehört zu haben ist wohl keine Schande, denn wer würde mitten im Luch Seen erwarten, abgesehen von den südlichen Großkalibern der Neuruppiner Seenkette, den modelschönen. Und eigentlich ist der Kremmener See, den es gleich zweimal gibt, auch nur eine Ausbuchtung des Kremmener Rhins beziehungsweise zwei. Der westliche der beiden ist von Land her faktisch nicht erreichbar, dafür hat der östliche sogar ein Bad mit kleiner Seebrücke und eine herrschaftliche Insel für die nächste Hochzeit.

Bootshäuser und Rastbänke am Kremmener See

Kremmener See

Hinter den letzten Häusern quert ein stilles Sträßchen, das durch eine hochgewachsene Allee und einen blätterdichten Bruchwald direkt zum Ufer des genannten Sees strebt. Am Parkplatz verlassen Gäste ihre vornehmlich weißlackierten Wagen und sind besonders darauf bedacht, sich keine Stelle ihrer Garderobe zu beschmutzen, hier in der Wildnis, in der staubigen Sackgasse. Auf der kleinen Insel, die über zwei kleidsame Stege zu betreten und verlassen ist, wurde vor einem weißen Pavillon die Bestuhlung aufgebaut für alle jene, die sich bald darauf Tränen der Rührung aus dem Augenwinkel tupfen werden. Es gibt ja viele besonders schöne Orte, sich einander verbindlich anzuvertrauen, doch das hier dürfte wirklich einer der allerschönsten sein. Kostenlos dazu gibt es ausreichend Schwäne mit mustergültig gebogenen Hälsen und absolute Mückenfreiheit.

Seebrücke am Badestrand

Nur um diesen Platz zu sehen, die Insel mit dem Pavillon, die Brücklein und das Festhaus auf weißen Stelzen, hätte sich der Weg gelohnt, doch gibt es noch weit mehr. Hinter dem Inselchen liegt der wohl einzige Strand direkt im Luch, und außerhalb der kalten und dunklen Zeiten bekommt man hier Getränke und auch ein kleines Imbissangebot. Besonders an diesem Platz sind der zutiefst beruhigende und wunderschöne Ausblick auf den See sowie die verschiedenen Optionen, sich einen Platz zu suchen. Direkt am Kiosk gibt es schöne Plätze, doch auch direkt auf der Seebrücke und sogar ganz hinten auf der kleinen Aussichtsplattform, wo man quasi schon im See sitzt.

Kremmener See

Ein Kutterchen gibt dem Bild den letzten Schliff, steht zum Verkauf und wird hoffentlich genau dort seinen Liegeplatz behalten. Vom See her weht die schönste Luft, verfeinert mit den Düften von Wasser, Schilf und einem Hauch Morast. Gebadet wird noch nicht am Strand, denn heute ist einer der kühleren Tage, doch gerade werden zwei Untersätze fürs Stehpaddeln aufgeblasen. Im nächsten Jahr soll es hier neben dem Badebetrieb auch Bootsverleih und Liegeplätze geben.

Uferpfad am Ruppiner Kanal

Hier auf dem Steg könnte man jetzt stundenlang so sitzen, einfach gucken und immer wieder etwas anziehen, dann wieder aus, denn Wind und Wolken geben sich verspielt. Doch lockt das eigentliche Ziel des Tages immer intensiver, also reißen wir uns los, als die Stehpaddler das Bild verlassen haben, trotz starken Windes ohne Absturz. Am Ende der Badewiese, wo der See sich zum Ruppiner Kanal verengt, folgt ein frisch gemähter Uferpfad der Wasserkante. Am Rand des Bruchwaldes steht der Hopfen zum Besten und verleitet dazu, einmal eine der blättrigen Früchte zwischen die Finger zu nehmen, aus denen sich bei Bedarf so schöne Durstlöscher brauen lassen. Auf Fußhöhe sind allerhand Frösche unterwegs und verabschieden sich mit einem flachen Sprung ins Wasser, ohne sich dann nochmal umzudrehen.

Birkenreihe am Stichgraben

Durch den Bruchwald führt ein schnurgerader Weg zurück zum Parkplatz. Das Feuchtland liegt trocken diesen Sommer, und ein vergangener Naturlehrpfad macht mit allerletzten Spuren auf sich aufmerksam. An den Bootshäusern bieten sich gleich mehrere Pausenplätze an, wahlweise etwas erhöht in einem Pavillon oder auf einer Ringbank unter einer wehenden Trauerweide. Alle Hochzeitsgäste sind mittlerweile eingetroffen und haben auf der Insel ihren Sitzplatz gefunden. Die salbungsvolle Stimme der Standesbeamtin lässt noch auf sich warten, so dass etwas umhergerutscht wird und auf die Uhr geschaut, auch der Bestand der Zigaretten in der Schachtel mit der Hand erfühlt. Ein Angler knarrt auf dem Festland mit seinem Hühnerschreck und herausragenden Ruten vorbei, wie ein Bühnenarbeiter, der versehentlich mitten in der Vorstellung über die Bühne schlurft. Oder wie Loriots Klavierträger, den eine Fliege zum Dirigenten der Berliner Philharmoniker macht.

Plattenweg am Mühlenluch

Am Pavillon und der Weidenbank beginnt ein Weg entlang eines Stichkanals, dessen Rand herrliche kleine Lauben säumen, wie Bootshäuser, was sie teils auch sind. Farben und Formen sind vielfältig, und zwischendurch liegt immer wieder ein Ruderboot vertäut oder ein kleines Motorboot, zum Teil in maßgeschneiderter Hafenbucht. Später wechseln die Häuser auf die andere Seite und machen einer Reihe alter Birken Platz, zwischen denen in der nahen Ferne unaufdringlich der Kremmener Kirchturm durchlugt. Das wird er noch öfter machen, fast immer überraschend.

Das Vorspiel zum Eintauchen in die Weite des Luchs war zugleich das vorgezogene Dessert dieser Tour. Jetzt liegt in eindrucksvoller Dimension der Hauptgang vor uns und die Entscheidung, wie groß er letztlich ausfallen soll. Diese ist mit Sorgfalt zu treffen, den ab einem bestimmten Punkt gibt es kein Zurück. Wer ausreichend erfüllt ist und schon müde Beine hat, kann hier einfach über die Wiesen dem Luchweg folgen und landet eine Viertelstunde später ohne Weiteres am Kremmener Markt. Wer noch kurz in die flachen Wiesen von Mühlenluch und Kremmener Luch eintauchen möchte, biegt hinter den letzten Lauben rechts ab, folgt dem Fahrradweg in Richtung Linum und nimmt dann die erste links. Der letzte Kilometer vor dem Scheunenviertel ist zwar etwas spröde, verläuft entlang von riesigen Logistik-Zentren, doch immerhin ist das ja thematisch entfernt verwandt mit dem ursprünglichen Zweck der benachbarten Scheunen.

Weg nach Moorhof

Wer hingegen jetzt erst richtig warm gelaufen ist, alle Sinne zu- und den Geist ausschalten will und spüren, wie der Wind zum Luv-Ohr reinkommt und leicht gebremst das andere verlässt, kann jetzt loslegen. Doch sollten ausreichend Wasser und Proviant dabei sein und der Schuh wirklich bequem, denn ab hier ist noch Weg für drei bis vier Stunden übrig, der sich ohne Schlauchboot in der Tasche kaum abkürzen lässt, ganz luchtypisch. Im Gegenzug gibt es die große Weite, lange Reihen mit rauschenden Pappeln und üppige Wiesen, von denen selbst nach diesem knochentrockenen Sommer noch einige saftig grün erstrahlen. Ferner besteht die Möglichkeit, wortreich die Woche Revue passieren zu lassen oder gemeinsam ausgiebig zu schweigen. Oder einfach angeregt zu plaudern, bis die Sätze knapper und die Gesprächspausen länger werden, ganz von selbst bis hin zum alleinigen Dialog der Schritte mit dem Untergrund. Dann schließlich hängen auch die vorher angespannten Schultern, mit jedem Kilometer etwas schwerer.

Mühlenluch

Kleine Zweifel haben wir schon, doch die Entscheidung fällt für das Vollformat der Runde. Bei den Häusern im Mühlenluch kommen gerade Handwerker an, die endlich Wochenende haben, und ein Bengel auf einem ordentlichen Mini-Quad mit Batteriebetrieb semmelt über die durchbrochene Wiese vor den Vorgärten. Hinterm letzten Haus begegnet uns auf der kleinen Straße der Gegenentwurf, eine gekrümmte Oma in Kittelschürze, die sich auf ihren Rollator stützt und dennoch schwer mit jedem Schritt zu kämpfen hat. Kaum reicht es für ein skeptisches Lächeln in der knappen Grußerwiderung, angesichts der Städter, die ihre Freizeit sinnvoll füllen wollen und hier beseelt ins Nichts hinausstreben.

Schafherde bei Moorhof

Lange, gerade Wege bestimmen den restlichen Tag, Schweigen, Berichte und Wortwechsel halten sich die Waage. Nicht in absteigender Kurve, eher periodisch, denn die Woche sah so ähnlich aus. Der Zug der Wolkenbänder sorgt dafür, dass die buschigen Dolden der Grashalme am Rand des Plattenweges sekundenweise mit warmer Glut erfüllt werden. Mit Blick auf die gleichermaßen gehandhabten Strohrollen auf den trockenen Wiesen nähern wir uns Schritt für Schritt den Kranichrufen, die noch nicht aus Tausenden, doch sicher schon aus Hunderten von Kehlen kommen. Es sollen die ersten sein in diesem Jahr, so schreibt die Wochenendzeitung, und für sie wird die Folge dieses Sommers auch eine Herausforderung sein, denn geflutete Wiesen sind allenfalls von Menschenhand möglich.

Zwischen Moorhof und Dorotheenhof

Der Wind ist kräftig wie ein Seewind und sorgt in den hochgewachsenen Kronen der Großvaterpappeln für das einzige laute Geräusch, das man hier hören möchte. Dazwischen die Kraniche, öfter auch Greifvögel und einmal auch ein Hubschrauber, der irgendwo zu Hilfe eilt. Weit hinten stehen verstreute Herden weiß-schwarz gefleckter Kühe, später kurz vor Moorhof auch eine Herde von Schafen, die als Gesellschafterin nicht die obligatorische Ziege haben, sondern ein hohes weißes Lama. Dazwischen gibt es die einzige Rastbank weit und breit, an der man daher nicht vorbeilaufen sollte.

Moorhof

In Moorhof ist etwa Halbzeit und auch die Wende nach Süden. Dahinter ist der Weg teils zerrüttet und fordert etwas feinmotorische Balancearbeit der Fußgelenke. Mal Schotter, mal zerplatzter Asphalt und dann mal wieder sandig – der hier erforderliche Blick vor die Schritte löst den Autopiloten ab und sorgt für etwas geistige Rege. Am Wegrand stehen die tief abgesägten Stümpfe enormer Weiden, deren Stämme im Umfang dem ähneln dürften, was die nachgepflanzten Bäumchen an Höhe aufs Maßband bringen. Ein erwachsener Mensch kann sich auf so einem Stumpf locker ausstrecken, ohne überzuhängen.

Savannenstimmung im Spätsommer, Kremmener Sandberge

Kremmener Sandberge

Kurz vor dem bewaldeten Höhenzug hinter der Landstraße wird der Weg immer breiter und auch etwas spröde vom Erscheinungsbild. Die Möglichkeit einer Abkürzung beim Landwirtschaftshof ist trügerisch, da unvermittelt ein Weidezaun mit zahlreichen Gehörnten dahinter einen Rückzug nötig machen kann. Schöner, sicherer und jetzt auch schon egal ist es, als willkommene Abwechslung noch den hügeligen Waldstreifen der Kremmener Sandberge mitzunehmen, der zudem vom tiefstehenden warmen Licht der Nachmittagssonne seinen besonderen Anstrich erhält. Nach Charlottenau ist ein kleiner Südabstecher nötig, ansonsten folgt der Weg immer dem südlichen Waldrand.

Noch vor dem großen Milchhof wird der Waldstreifen zum zweiten Mal gequert, mit Kurs auf Kremmen. Quer über die Felder führt der Weg direkt zum westlichen Rand des Scheunenviertels. Der laute Verkehr auf der Bundesstraße unterstreicht noch einmal, wie schön man es hatte den ganzen Tag. Wie es manchmal so ist, reicht die Kraft gerade noch für die letzten Schritte, und so ist es besonders schön, dass direkt hier die Chance auf Einkehr besteht. Während wir sitzen, die Rücken krumm machen und die Kehle feucht, ist die Hochzeit gegenüber noch bei der Arbeit. Gerade ist der Hochzeitsfotograf angerückt, eigens mit Hebebühne für die besondere Perspektive oder um wirklich alle draufzubekommen, inklusive der ausladenden Erbtante. Die wimmernde Hydraulik braucht eine Weile, bis der Fachmann mit dem Schusswinkel zufrieden ist, und die gesamte Zeit stehen die bunt-leuchtenden Hochzeitsgäste ähnlich versteinert wie vorhin die Gänse, das Wort Käse festgefroren im Gesicht.

Am frühen Abend im Scheunenviertel

Gegenüber starten zwei Herren von entsprechendem Alter und Leibesfülle ihre vollverkleideten Goldwings. Beim Einschalten der Zündung, noch vor dem Wecken der sonoren Sechszylinder, erklingt in der Qualität eines Kofferradios Musik im Stil des modernisierten Musikantenstadls, gerade laut genug, um auch noch neben den Motoren zu bestehen. Gemeinsam mit den versteinerten Gästen ergibt sich ein fast schon surreales Stimmungsbild und die Gefahr, dass die Zeit stehenbleiben oder zumindest die festgefrorene Mimik hier und da verwachsen bleiben könnte. Doch kurz darauf ist der Spuk vorbei, als Hauptakteur übernimmt wieder die Abendsonne und ist durchaus willkommen angesichts der ersten Abendkühle. Alles ist normal, und gegenüber geht der schönste Tag des Lebens seinem Höhepunkt entgegen, mit Fackellicht, Musik und einem wirklich guten DJ.

 

 

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): S-Bahn bis Hennigsdorf, dann Regionalbahn nach Kremmen (ca. 1,25 Std.); vom Bhf. 10 Min. Zuweg

Anfahrt Pkw (von Berlin): wahlweise über Autobahn oder Landstraße (ca. 0,75-1 Std.)

Länge der Tour: ca. 21,5 km (starke Abkürzungen gut möglich, z. B. zwischen WP 18 und 6 oder zwischen WP 19 und 33)

Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Internetpräsenz von Kremmen

Bistro und Bad am Kremmener See

Schlauchboot in der Tasche

Einkehr: Um’s Luch, Scheunenviertel Kremmen
Bistro am Strand Kremmener See (Mai-Okt.)
div. weitere Gastronomie im Stadtgebiet

Rhinow/Stölln: Beflügelte Lebensfreude, die Rhinfalle und eine Wiesen-Lady

Manchmal, eher selten, hat man recht klar eine Tour vor Augen, die hervorragend zur Jahreszeit und zum vorhergesagten Wetter passt. Was grob skizziert vor dem geistigen Auge schon großartig aussah, scheint bei der konkreten Vorbereitung regelrecht großes Kino zu verheißen. Wenn es sich dann noch in einer selten besuchten, da entlegenen Gegend abspielt, die bisher ausschließlich charakterstarke Tage hervorbrachte, wächst die Vorfreude in der Erwartung auf Grandioses.

Die große Weite vor dem Gollenberg

Umso schmerzlicher ist es, wenn die bereits bunt ausgemalte Vision an einem kleinen Hindernis grandios kentert. Das fordert vor Ort große innere Stärke, insbesondere wenn man im Sternzeichen des Stiers geboren wurde. Stier gleich stur, unter anderem. Gut ist es dann, wenn jemand dabei ist, der mit grober Masche und dicker Wolle gestrickte Hörnlinge dabei hat und diese mit einem klugen Satz über das Stiergehörn streift. Gut und rettend, weil so ein Tag dann mit etwas Glück noch viel besser werden kann. Wenn auch völlig anders.

Der Rhin auf dem Weg zum Gülper See

Es gibt Landschaften, die im eigenen Empfinden besonders gut zu bestimmten Jahreszeiten passen. Oder zu passen scheinen. In den Randbereichen des Winters fallen mir da der Hohe Fläming und das Oderbruch ein, im Herbst der Untere Spreewald oder die Hügelländer und Buchenwälder der südlichen Uckermark. Im zeitigen Frühjahr sind es unter anderem die Gegend zwischen Dahme und Spreewald im Südosten oder die weit entlegene Partie des westlichen Havellands, wo Havel, Dosse und der Große Havelländische Hauptkanal die Wasserzufuhr dominieren. Rhin und Jäglitz mischen auch noch mit. Schaut man zurück in der eigenen Unterwegs-Historie, verschlägt es einen in solche Regionen fast immer zu ähnlichen Zeiten. Vermutlich werden hier erfolgreich und weitgehend verlässlich Sehnsüchte bedient, und Verlässlichkeit kann etwas sehr Schönes sein.

Die Rhinower Voralpen

Als verschmitzter Hintergedanke kam noch dazu, dass es bei verstopften Atemwegen nicht von Schaden sein kann, einen Ort aufzusuchen, der Rhinow heißt und von viel Weite, Wind und klarer Luft umgeben ist. Später vor Ort wurde dem wortspielerisch noch eins draufgesetzt, denn obwohl die Stadt Rhinow nicht sehr groß ist, gibt es hier ein Autohaus. Vertrieben wird eine französische Automarke, die fast genauso heißt wie der Ort und eine merkelsche Raute im Schilde führt.

Weg nach Neugarz, zumindest theoretisch

Rhinow liegt fast schon in Sichtweite zu Sachsen-Anhalt. Das ermöglicht der große Gülper See, der fast bis ans östliche Ufer der Havel reicht, die hier die Ländergrenze markiert. Zugleich lässt sie ein wahrhaft gewaltiges Gewirr von Nebenwassern, Altarmen und undurchdringlichem Nassland von der Leine, über viele Kilometer.

Der See selbst ist mitsamt seinem Zubehör auch charakterprägend für Rhinow. Jahr für Jahr gibt es hier gewaltige Spektakel zu sehen von allen möglichen Geflügelten, die auch weit über seinen Einzugsbereich hinaus allgegenwärtig sind. Alles hier ist fast schon friesisch weit und in vergleichbarer Weise von Wasser durchzogen. Jäglitz, Dosse und Rhin gibt es jeweils in mehreren Ausfertigungen, und dazwischen ziehen sich unberechenbare Netzwerke von schmalen und breiteren Gräben, die Spaziergängern bei einer flapsigen Wegeplanung zum Verhängnis werden können. Für alle Zugvögel und sonstiges Getier ist es eine geniale Heimstatt, sei es nun für einen Durchreisestopp gewisser Länge oder gleich für ein ganzes halbes Jahr.

Der Große Rhin mit den Bergen im Hintergrund

Sachsen-Anhalt liegt nicht um die Ecke, und so braucht es seine Zeit, ehe die goldene Murmel auf dem Rhinower Kirchturm zu sehen ist. Die Art und Weise der Entlegenheit von Städtchen wie Friesack oder Rhinow ist vergleichbar mit solchen im Oderbruch wie Letschin oder Neutrebbin. Wer dorthin mit dem Auto will, muss häufig am Lenkrad kurbeln und gut auf die Schilder achten. Findet auch nicht ohne weiteres denselben Weg zurück. Dabei lassen sich noch Landstraßen erleben, die sich anfühlen wie eine Dampferfahrt auf der bewegten Müritz, darunter uralte und knorrige Alleen sowie nostalgische Pisten aus fachgerecht verlegten Katzenköppen. Nicht das übliche „Autobahn bis Abfahrt Dings, dann über Bums nach Sowieso und gut“. Die Bahn kommt seit über zehn Jahren nicht mehr direkt nach Rhinow, doch über Rathenow gibt es eine gute Anbindung per Bus, die sich im Zeitvergleich sehen lassen kann.

Am Zusammenfluss von Bültgraben und Dosse

Flatow

Den Bäcker in Flatow erreichen wir kurz vor Ladenschluss, doch die gute Frau lässt uns ohne jegliches Stirnkräuseln noch zwei große Tassen durchlaufen, frisch und dampfend. Auf dem schon archivierten Reste-Blech liegen nur die schönsten Sachen und machen die Entscheidung schwer. Als wir versorgt sind, kommt Punkt Feierabend noch ein dritter Kunde, ein freundlicher Kerl mit Rad und kernigem Zottelhund, und nimmt grinsend unser zweites Frühstück zur Kenntnis. Aus seinem Pferdeschwanz ist er schon ein bisschen rausgewachsen, und so hat der Fahrradhelm seine liebe Not, alles unter einen Hut zu bringen. Vielleicht ja einer von den Stadtflüchtern aus dem sieben Kilometer entfernten Kuhhorst oder vom benachbarten Ziegenhof. Er hält einen netten Plausch mit der Bäckersfrau, aus dem wir erfahren, dass einer vom Dorf sich jetzt ein Haus hat bauen lassen in Ägypten und dort das kalte halbe Jahr verbringt seither. Die Bäckersfrau verweist darauf, dass der Flug dorthin doch ganz schön reinhaut mit 350 Euro, und wir einigen uns schließlich alle darauf, dass es nicht groß auffallen dürfte bei jemandem, der sich nebenher ein Häuschen in Ägypten leisten kann. Eine kuriose Konstellation – Flatow im Wechsel mit Ägypten. Rhinluch versus Nildelta.

Stare beim Start aus dem Baum

Kurz hinter Flatow überqueren wir die Autobahn. Sieht man einmal von den weiteren Tentakeln des äußeren Berliner Rings ab, ist die nächste Autobahn von hier aus mehr als 200 Kilometer entfernt und liegt dann schon in Niedersachsen. Kurz vor Kuhhorst vorbei am Abzweig nach Karolinenhof, wo es im gemütlich verkramten Café zum Ziegenhof ein sagenhaftes Panoramafenster in die Unendlichkeit der Felder gibt, mit Abertausenden von Kranichen und anderen Zugvögeln. Über Kuhhorst, wo tatsächlich mitten im Dorf eine lebensgroße Kuh auf ihrem Horst hockt, und Königshorst kommen wir in den Ort mit dem irritierend-exklusiven Namen Lobeofsund. Am Hydranten zeigt grad die Feuerwehr ihrem Nachwuchs, wie man professionell schnelles Wasser zapft, daneben steht motivierend das Tor zur Garage mit dem großen roten PS-Boliden offen, den wohl jeder zweite in der Spielzeugkiste hatte.

Stars in stripes

Rhinow

Während die Horst-Orte im ackerflachen Dunstkreis des Ländchens Bellin liegen, erreichen wir nach Überqueren der ICE-Trasse nun die wald- und hügelreicheren Ländchen Friesack und Rhinow mit ihren gleichnamigen Städten. Von Friesack kommt man dann bis Rhinow ohne weitere Abbiegung aus. Die goldene Murmel sehen wir erst, als wir direkt vor der Kirche stehen, denn das Land ist im Nebel versunken, alles über einer gewissen Höhe beschnitten. Später wird er sich hoffentlich verziehen, denn ein Aussichtspunkt von besonderer Qualität liegt am Weg.

Rhinow ist ein stilles Städtchen mit ganz spezieller Lage. Ähnlich wie Städte, die im flachen Alpenvorland vor dem Hang der ersten Vorhöhen hocken, gibt Rhinow aus der Ferne gesehen eine überzeugende Miniatur-Version davon zum Besten. Denn während sich die topfebene Weite ewig nach Norden ausdehnt, erstreckt sich dahinter ein durchaus markanter Höhenzug. Aus der Entfernung sieht das aus wie ein gut sichtbares Vorgebirge vor vernebeltem Hauptkamm.

Die Dosse auf dem Weg zur Havel

Die Weidenallee hinterm Ortsausgangsschild hat bereits ihren radikalen Schnitt erhalten, die Geschorenen wirken mehr als bereit für den neuen Wuchs. Hinter dem letzten von ihnen führt eine Brücke über den Mühlenrhin. Seine genießerischen, fast etwas lasziven Mäander auf dem Weg zum Gülper See liegen glatt, grau und komplett frei von Reflexionen, denn der Nebel lässt keinerlei Licht hindurch. Überall lagern kleine und große Scharen von Gänsen, teils im gedämpften Dialog. Weiter oben zieht alle paar Minuten eine große Formation gen Osten, sicherlich zu den Futterplätzen.

Weg durch die südlichen Dossewiesen

Hier beginnt ein stiller Weg in das durchtränkte Land zwischen Mühlenrhin und Großem Rhin. Überall auf den Wiesen stehen große Pfützen, fast schon kleine Seen. Und dann hören wir sie – die allererste Lerche dieses Jahres. Dieser winzige Vogel, der klingt, als hätte er das letzte halbe Jahr bei den Kartäusermönchen verbracht und müsste nach dem endlosen Schweigen nun umso mehr seine Lebensfreude in die Welt schreien. Doch dieser Klang verliert nicht seine Kraft, ab jetzt bis zu den letzten Tagen im Spätsommer. Schon heute bleibt er uns den ganzen Tag erhalten.

Rechts des Weges läuft ein Graben, davor liegt torfiger Aushub mit allerlei Schilfwurzeln und diesen urtümlich wirkenden Spiral-Schnecken, die typisch sind für den Rhin. Das weiche Torfzeug gibt eine komfortable Sitzbank für die erste Pause ab. Drüben liegt Rhinow still vor seinen Bergen, der Funkturm steckt noch immer halb gekappt im grauen Dunst. Neben den Gänsen, einigen Kranichen und den stets präsenten Lerchen kommen jetzt viertelstündlich neue Stimmen dazu.

Vorbildliche Weidenreihe

Wenn wir aus klammer Erfahrung bestens wissen, dass der Rhin an vielen Stellen schwer zu überqueren ist und gut und gern ein wirkliches Hindernis bilden kann, so hätten wir nicht mit dem gerechnet, was uns jetzt ausbremsen würde – eine Sackgasse, die eigentlich keine ist. Nach einem Kuhstall mit einem Kuhbauern sowie dem Queren des stillgelegten Damms der Bahn zwischen Rathenow und Neustadt/Dosse stehen wir vor einem sperrangelweit geöffneten Tor zu einem privaten Hof. Dort bellt ein von sich überzeugter Schäferhund in unsere Richtung.

Dann eben außen rum, wie so oft in solchen Fällen. Doch das geht hier nicht, denn links liegt breit der Große Rhin, rechts genauso breit der Mühlenrhin. Von den Bahnbrücken stehen nur noch die Köpfe, scheinbar grienend. Und Badewetter ist noch keins. Siebzig Meter, die eigentlich nicht versperrt sind, doch der Hund ist Meister seines Faches. Vor dem geistigen Auge zerbricht die schöne Tour, die von ihrem Kontrast zwischen flachem Wasserland und aussichtsreichen Waldhöhen lebt, darüber hinaus noch einigen speziellen Accessoires.

Weg nach Rhinow

Also zurück zum Bauern, allen Charme rausgeholt und gefragt, ob er eine Idee hat, wie wir durch den Hof vorbei am Hund zur Straße kommen. Sein Auto stand bereit, er wäre auch befugt. Er hingegen ruft beim Hofbesitzer an, der nimmt nicht ab. Mehr ist leider nicht zu wollen, trotz konkreter Frage. Sein Tipp zum Abschied ist das Wehr etwas flussabwärts, da käme man hinüber.

Etwas bockig nehmen wir die zwei Kilometer Umweg in Kauf, um vor Ort zu sehen, dass das Wehr zwar über etwas hinüber führt, doch nicht über den Großen Rhin. Die Seifenblase mit der schönen Aussicht platzt jäh. Da nimmt die Frau an meiner Seite meinen Kopf, schüttelt ihn mit ein paar sanften Worten und verursacht im Resultat und nach etwas stierem Zeitverzug ein Umdisponieren, das dem Tag und dessen Fortgang seinen Glanz zurückgibt, und zwar nicht zu knapp.

Blick zurück zur Dosse

Die maßgeschneiderte Papierkarte hat damit ausgedient, jetzt schlägt die Stunde des GPS-Empfängers. Mit dessen Hilfe und etwas Restrisiko auf Sackgassen lässt sich etwas zurechtstricken, was uns nicht nur sicher und trocken hier herausbringt, sondern auch schön, ausgewogen und arm an Doppelungen. In der halben Stunde auf dem wiesenweichen Deichweg des Bültgrabens ändert sich komplett das Wetter und mit ihm der Himmel. Erst die Sonne, dann nach und nach mehr Blau am Himmel und zuletzt nur noch zählbar viele weiße Wolkenfetzen. Was könnte tröstlicher und stimmungsaufhellender sein?

Überflutete Wiesen mit Gänsen

Rund um die Mündung des Bültgrabens in die Dosse gibt es nun gleich drei Möglichkeiten, ans andere Ufer zu gelangen, doch das hat sich ja erledigt. Nach Rübehorst führt eine provisorische Brücke, so eine, die man zusammenklappen und einem Sattelschlepper auf den Buckel schnallen kann. Vermutlich liegt sie dort schon immer, triftige Gründe dagegen sind nicht erkennbar. Einmal wechseln wir also wenigstens das Ufer, zum einen, da wir es nun können, zum anderen, da dort ein kleiner Rastplatz steht.

Edle Rhinkurven am Abend

Dank der fast schon vergessenen Verlegenheit können wir nun also ein Stück Hand in Hand mit der entspannten Dosse gehen, deren breite Flutwiesen weitgehend trocken liegen. Zu Zeiten überschüssigen Wassers kann hier ein knöcheltiefes Meer liegen, das sich zwischen Dosse und Jäglitz mehr oder weniger lückenlos aufspannt. Gegenüber steht eine einzelne, asymmetrische Eiche, die als Ausgangsbasis dient für einen Starenschwarm. Diese großen schwarzen Vogeltrauben, die ihren unbegreiflichen Formationsflug am Himmel inszenieren, wie ein entfesseltes Tagesgespenst auf weicher Droge oder wie eine nur aus Ruß bestehende Flamme, die ihrer wild geschwenkten Riesenfackel träge folgt.

Weidenallee nach Rhinow am Abend

Trotz ihres sichtlichen Fließtempos liegt die Dosse spiegelglatt und gibt das Blaugrau wider, das der Himmel gemischt hat. Voraus sehen wir das erste Wäldchen des Tages. Ein schöner Anblick, zumal wir jetzt vom Deich absteigen und den ätherischen Duft erwärmter Nadeln am Waldrand inhalieren dürfen. Ging auf dem Deich noch der kalte Wind durch die Ärmel, ist es jetzt hier unten warm und windgeschützt, dass die obersten drei Zwiebelschichten gelockert werden. Im Westen ist der Himmel fast schon wolkenlos, sodass die Sonne ungehindert ihre Strahlen fließen lässt. Nach dem nächsten Abbiegen wird dann alles wieder schnell verschlossen und verzurrt, denn der Wind hat uns wieder. Richtung Rhinow hat sich eine hinreißende Reihe mittelwüchsiger Weiden brav in einer Reihe aufgestellt, sodass man immer wieder hinschauen muss. Offensichtlich hat ein knorriger Weidezaun bei der Ausrichtung geholfen – Weide hilft Weide.

Blick vom Hauptgipfel des Gollenberges

Auf der langen gerade Plattenpiste nach Buchhorst kommt ein Radfahrer von hinten, später eine Radfahrerin von vorn, darüber hinaus gibt es wenig Aufregung. Das nächste Wäldchen bietet einen harten Wettkampf zwischen zwei Rasthügeln. Links am Waldrand eine charismatische Kiefer mit zottigem Langgras, links am Feldrain eine winzige Eiche mit markanter Krone, darunter kurz gestoppeltes Polstergras. Der Fairness halber warten wir noch etwas mit der Pause. Bei Buchhorst gönnen wir den geschundenen Atemwegen dann den letzten lauwarmen Tee und sitzen dabei in einem Stück Wald, in dem nächste Woche oder in zwei Tagen oder schon nachher die ersten Veilchen durchs harte Bodenlaub schlüpfen könnten. Davon abgesehen scheint Rhinow schon zu wirken, denn die Nase atmet freier, das ist spürbar.

Sanfter Aufstieg zum Nebengipfel

Schon von ferne blinkt jetzt die goldene Kugel auf dem Kirchturm. Auf der Brücke von vorhin queren wir erneut den Rhin, der fast noch genauso ölig glatt liegt, doch auch vereinzelt glitzert. Zwischen den frisierten Weiden parkt ein Fahrrad, die Frau dazu streift durch die nahen Wiesen und sammelt ganz bestimmte Halme.

Stölln

Jetzt greift Plan B. Wir fahren ein Dorf weiter ins hübsche Stölln, das sich seit ein paar Jahren Lilienthal-Gemeinde nennen darf, ganz offiziell. Das ist angemessen, denn hier steht der Gollenberg als einer der weltweit bedeutendsten Orte für die Fluggeschichte der Menschheit. Darüber hinaus gibt es hier noch ein relativ neues Lilienthal-Museum sowie die Pfade, Pflanzungen und Anlagen, die nach der Bundesgartenschau von 2015 blieben. Und natürlich einen Flugplatz, komplett bedeckt von artenreichem Stoppelrasen, der im Sommer die Herzen von Botanikern und Insektenkundlern höher schlagen lässt. Einzigartig ist wohl der Umstand, dass auf halber Hanghöhe ein ausgewachsenes Langstreckenflugzeug parkt, pensioniert, doch gut besucht. Die russische IL 62 ist weniger historisch, als man denken sollte – vor 20 Jahren noch wurden Flugzeuge mit dieser Bezeichnung gebaut, und ein paar davon sollen noch heute ihren Dienst versehen.

Die Lady Agnes, der Spielplatz und die Einkehr

Nicht zuletzt dank der weiten Picknick-Wiesen und des herrlichen Spielplatzes mit seinem Kletterparcour ist das hier ein Ausflugsziel für Familien jeglicher Konstellation, das als genial zu bezeichnen ist, das Wort passt wirklich. Hier lässt sich sowohl bewegungsarm als auch in freizeitlicher Bewegtheit ein ganzer Tag verbringen, ohne sich mehr als einen Kilometer entfernen zu müssen – wer den Weg ins Dorf und zum Museum nehmen möchte, wird von blauen Säulen sicher geleitet. In Sichtweite zum Spielplatz steht beeindruckend die „Lady Agnes“, das erwähnte Flugzeug, das den Namen von Otto Lilienthals Frau trägt. Ihm zu Füßen lässt sich auf das Beste einkehren.

Der frühe Mond überm Gollenberg

Wer Kindern oder seinem liebsten Menschen oder sonstwem zeigen will, wie ein Berg funktioniert, findet im Gollenberg einen dankbaren Verbündeten. Der spürbare Aufstieg ist kurz und vielfältig sowie gefällig für Auge und Fuß und bietet oben den Lohn der Aussicht, womit das Prinzip klar sein dürfte. Schon vom Nebengipfel ist das beeindruckend, vom Hauptgipfel mit dem kleinen Lilienthal-Denkmal dann regelrecht ergreifend. Nach Norden scheint sich die Ebene endlos zu erstrecken, und die steile Hangflanke lässt nachvollziehen, warum sich Lilienthal gerade diesen Berg aussuchte. Wer gern einmal eine Nordwand bezwingen möchte, folgt unten im Ort ein Stück der Hauptstraße und nimmt dann den steilen Aufstieg über zahlreiche Treppen, die ähnlich alt sein dürften wie die Lady Agnes. Apropos Lady Agnes: Familien, die erst noch welche werden wollen, können sich hier gegenseitig Ringe an die Hand stecken und dazu nicken.

Lady Agnes mit Kollegen zu Gast

Durch die verqueren Umstände des Tages erreichen wir den Gipfel des Gollenberges bei ungetrübter Sicht und zu dem Zeitpunkt, wo das warme Licht der sinkenden Sonne die Kiefernstämme vergoldet und den Wald in schöne Schattenspiele taucht. Das ist so ein Moment, wo man gern die Zeit anhalten möchte. Wo zum Abend alles still wird und nur noch eine Amsel singt. So dehnen wir den Abstieg über die langen Stufen durch Langsamkeit, bestaunen kleine Eichen, die wie große tun und greifen tief ins Heidekraut, um zu ermitteln, ob es trocken ist. Wären Pilze da, dann würden wir sie zählen. Stattdessen zählen wir die ersten wilden Bienen.

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): nach Rhinow: alle zwei Stunden von Berlin Hbf. mit der Regionalbahn nach Rathenow, weiter mit dem Bus nach Rhinow (letzte Rückfahrt ca. 22 Uhr)(1,75-2 Std.);
nach Stölln: nicht praktikabel (optional von Rhinow ca. 1 Std. zu Fuß)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über die A 24 Ausfahrt Fehrbellin, dann Landstraße über Friesack nach Rhinow (1,5-1,75 Std.);
alternativ schon Ausfahrt Kremmen abfahren Richtung Kremmen, dann in Staffelde links nach Flatow und über Königshorst, Warsow und Friesack nach Rhinow (1,75 Std.)

Länge der Tour: Rhinow ca. 15 km, Stölln 1,5-2 km

Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Amt Rhinow

Gülper See (NABU)

Otto-Lilienthal-Verein Stölln

Gollenberg (NABU)

Blog-Beitrag zu Lady Agnes (Reiseland Brandenburg)

Artikel zum Absturz von Otto Lilienthal 1906

Einkehr: Zum Schwalbennest, am Gollenberg in Stölln (sehr gute Küche, freundliche Bedienung, schöne Terrasse)

Was vom Jahre übrig blieb – Sechzehner Spätlese

Wenn das Jahr auf die markanten und mit buntem Schwarzpulver-Radau verbundenen Initialen 3112 zusteuert, stellt sich dieser ewige Widerspruch ein: einerseits sind die Monate und Jahreszeiten mitsamt den verlinkten Ritualen vorbeigerauscht wie ein Regional-Express an einer parallel fahrenden S-Bahn, die eben noch beschleunigte und in Sichtweite zum nächsten Bahnhof schon wieder an Fahrt verliert. Andererseits scheinen einzelne Tage bereits ewig her zu sein, eher schon so, dass das Wort „damals“ mitschwingen möchte.

Kurzes Männergespräch zwischen Dirk und Gonzo, Falknerei Rabenstein

Unergründbar ist in dieser Hinsicht, warum eine ärmellose Berlin-Tour vom Sommer erheblich länger her scheint als das frostige Zerpenschleuser Kanalufer mit seinem metallisch blauen Eisvogel, der Anfang Januar im Ufergebüsch saß. Die Jahreszeiten sollten eigentlich bei der Zuordnung helfen, doch die Ärmellosigkeit wird zeitlich ganz einfach einen Sommer zuvor verankert.

Eine ganze Reihe von Empfehlungen wären gern ausgesprochen worden, landeten jedoch im Nähkästchen. Eine Handvoll hole ich nochmal heraus, wenigstens für ein paar Worte.

Gemütlicher Marktplatz mit Schmalspurgleisen, Cottbus

Cottbus

Cottbus hat mit Berlin unter anderem gemeinsam, dass es kurvenreich von der Spree durchflossen wird. Zudem gibt es ein Stück Stadtmauer, das Aug in Aug mit der Klosterkirche steht. Und auch hier sorgt der Fluss für eine Museumsinsel, welche direkt an die Altstadt grenzt. Im Unterschied zu Berlin steht auf der Insel jedoch nur ein Museum, während sich das andere halbe Dutzend über die Altstadt verteilt, gemeinsam mit dem Schloss, dem weithin bekannten Staatstheater und diversen anderen Spielstätten.

Branitzer Park im späten Winter, Cottbus

Ein ganz entscheidender Unterschied zu Berlin ist der, dass man ziemlich schnell ins Grüne kommt, wenn man das möchte. In Richtung Spreequelle führen schöne Parkwege und allerlei Brücklein vorbei am durchaus eindrucksvollen Stadion der Freundschaft, hin zu den ausgedehnten Parklandschaften von Spreeauenpark und Branitzer Park. Dieser ist natürlich am schönsten, wenn alle Bäume eingekleidet sind und auf dem Boden die Blümchen sprießen. Doch das weitläufige und verspielte Gelände mit seinen durchdachten Sichtachsen ist selbst im November oder Februar charmant, wenn man hier fast alleine ist und die Enten auf dem Wasser eher zusammenrücken.

Nach dem Herumstreifen im Park ist es um so schöner, zurück zum Markt zu streben, sich reinzusetzen irgendwo und zu genießen. Ganz gleich ob herzhaft oder süß.

Eine der Pyramiden im Branitzer Park, Cottbus

Wer anstatt der gefälligen Parklandschaften oder einer gemütlichen Einkehr lieber noch mehr vom Lauf der Spree und etwas zahme Wildnis sehen möchte, kann sich bei den Parks einfach dem Europaweg E 10 anvertrauen und noch um zwei drei Stunden bis nach Neuhausen verlängern, wo jede Stunde ein Zug zurück nach Cottbus fährt.

Kleiner Park zwischen Hafen und Kirche, Wustrau

Wustrau-Altfriesack

Wustrau und Altfriesack liegen am selben See wie Alt- und Neuruppin, nur am anderen Ende. Zwischen dem flächigen und gediegenen Wustrau und dem von Wasser durchzogenen Altfriesack liegt eine Halbinsel, die von zwei Armen des Rhins geschaffen wird. Der Wustrauer Rhin ist ohne viele Umschweife unterwegs in Richtung Fehrbellin, wo er besonders lieblich dem Rhinkanal zufließt. In Wustrau selbst ist er am schönsten an der alten Wassermühle zu erleben. Der Bützrhin hingegen, der bald schon Alter Rhin heißt, schlägt einen weit ausholenden Bogen zum selben Ziel und nimmt dabei das Linumer Teichland und die Hakenberger Schleuse mit, mitsamt ihren wunderbaren Landschaften. Unterwegs kommt ihm noch der Kremmener Rhin abhanden und macht den Wasserarmsalat perfekt.

Antiquitäten-Mühle am Tag der offenen Mühle, Wustrau

Sowohl das überaus pittoreske Wustrau als auch Altfriesack mit seinem kleinen „Rhindelta“ und der schönen Zugbrücke zählen zu den Brandenburger Orten, die etwas Einzigartiges haben. Verbunden sind beide nicht nur durch einen Bindestrich, sondern auch durch einen Wanderweg, der den Wald der erwähnten Halbinsel quert. Auch hier ist das – wie eben schon bei Cottbus – der E 10, was ein ganz klein wenig kurios ist und von seiner Vielfalt zeugt.

Alte Allee nach Süden ins Luch, Wustrau

Wer nicht gern denselben Weg zurückgeht, kann von Altfriesack auf dem verlängerten Triftweg einen südlichen Bogen zurück nach Wustrau schlagen. Und wer vielleicht in Altfriesack bei einer der zwei Fischerhütten eingekehrt ist und bereits am letzten Loch im Gürtel angelangt, hat die Option, diesen Bogen nach Belieben in die blickoffenen Weiten des Wustrauer Luchs zu verlängern und dann über Langen und Buskow den Weg zurück anzutreten, oft unter dem Schatten prächtiger Alleen. Das sind zwar teilweise öffentliche Straßen, doch sind die Autos zählbar. Und speziell die letzte Allee zur Südspitze des Ruppiner Sees ist eine Offenbarung der Gemütlichkeit.

Gemütliche Allee nach Wustrau-Nord

Die zwanzig grünen Hauptwege von Berlin: Nr. 3 – Heiligenseer Weg

Wer hier und da zu Fuß durch das Stadtgebiet von Berlin streift, trifft in Grünanlagen und auch dazwischen auf Wandermarkierungen, die aus einem blauen Balken und einer Zahl bestehen. Ist beim Erst- und Zweitkontakt vielleicht überrascht, hier im dicht bebauten Dörferverbund von Berlin, aus dem die Stadt gewachsen ist. Dahinter steckt Methode, und der erste Gedanke dafür ist erstaunlicherweise schon mehr als hundert Jahre alt.

Diese Wege können einem nahezu überall in der Stadt begegnen, denn legt man alle zwanzig als Linien über eine Karte von Berlin, sieht das aus wie ein voll bepacktes Einkaufsnetz mit recht gleichmäßiger Maschenverteilung. Wer jetzt keine Vorstellung davon hat, was ein Einkaufsnetz ist und wie es aussieht, fragt beim nächsten Familienfest einfach mal die erste Tante oder Oma, die einem über den Weg läuft. Und darf je nachdem mit ausholenden Beschreibungen und Anekdoten rechnen, was für beide Seiten sehr schön sein kann.

Gemütliches Alt-Tegel, am U-Bahn-Ausgang

Dass Berlin immer noch vielfältiger ist, als man ohnehin schon denkt, ist nichts Neues. Doch das Phänomen, dass man auf vielen Hundert Kilometern grüner Wege durch die Stein- und Asphaltwelten spazieren kann und die Stadt immer wieder von neuen Seiten entdecken, ist bei jedem dieser Wege aufs Neue markant.

Binnenhafen mit Wal, Tegel

Die von offensichtlichen Berlin-Kennern gefundenen und konzipierten Wege tragen so schöne Namen wie Humboldt-Spur oder Nord-Süd-Weg, Lindenberger Korridor oder Barnimer Dörferweg. Sie verlieren selten den Kontakt zum Grün und zur Natur in jedweder Ausprägung, was in vielen Fällen auch mit reichlich Wasser einhergeht. Optional lässt sich etwas Würze hinzufügen, wenn man stellenweise ausbüchst und Abstecher oder Ausflüge in spezielle Viertel oder charakteristische Stadtlandschaften macht, nach denen es dann umso schöner ist, wieder ins Grüne einzutauchen.

Mondäne Platanen-Allee der Uferpromende mit Gänsen, Tegeler See

Einige Wege führen bis an die Stadtgrenze – und keinen Meter weiter. Viele von ihnen hatten wir schon unter den Sohlen, quer durch die Jahreszeiten. Jeder hätte einen eigenen Text verdient, wirklich.

In diesem Sommer war auf einem Stück des Heiligenseer Weges viel Neuland dabei. Steigt man in Tegel zu, bietet sich vorher noch ein Abstecher zum Tegeler Schloss an, von dem ich bis dahin nicht einmal wusste, dass es existiert. Die längliche Anlage gibt sich etwas zugeknöpft und belohnt den Beharrlichen mit einer sagenhaft schönen Lindenallee und der letzten Ruhestätte der Brüder Humboldt. Dahinter liegt urwüchsiger Wald mit schönen Pfaden, die man besser Pfade sein lässt, denn dort leben extrem sportliche Wildschweine. Zum See gibt es – entgegen einzelnen Legenden – ohnehin keinen Durchgang.

Am Rand des Flughafensees, nahe des Flughafens Tegel

Vom Stadthafen Tegel mit seinem stählernen Walfisch lässt es sich herrlich die Uferpromenade entlangtrödeln, bis vor zur roten Brücke an den Häfen, wo gleichermaßen kleine Ruderboote und baumeslange Ausflugsdampfer angeknotet liegen. Wer einen luftigen Hochsommertag erwischt, kann ohne viel Zutun glauben, er säße irgendwo am Tegernsee anstatt an einer ausgeprägten Bucht der Havel, die so ähnlich heißt. An solchen Tagen drückt der Wind vom Wasser her wie echter Seewind und schmeißt schonmal die Torte auf dem Teller um, auch wenn das Stück rechte breite Schultern hat. Die turbulenten Wellen und die gut vertäuten weißen Dampfer an der gediegenen Platanen-Promenade machen es sehr leicht, Voralpenzüge hinter sich zu wähnen und sich ein wenig mondän zu fühlen dabei.

In den Rehbergen, Wedding

Wer es hier nicht schafft sich loszureißen, zeigt in keiner Weise Schwäche, sondern trifft vielmehr eine sinnvolle Entscheidung mit Augenmaß, denn hier lässt sich gut ein ganzer Nachmittag vertrödeln. Wen hingegen doch die Neugier umtreibt, der wird belohnt mit einem städtischen Kontrastprogramm von außen nach innen. Im Flughafensee lässt sich wunderbar ein Bad einschieben. Möchte man danach die Locken trocken haben, braucht man sich nur etwas weiter in die Tegeler Einflugschneise zu stellen, wo alle paar Minuten ein Turbinenwind passiert, ganz frisch gepresst und scheitelnah.

Alternativmündung der Panke beim Invaliden-Friedhof, Berlin Mitte

Nur etwas später in den schattenreichen Rehbergen gibt es Berge, Rehe und auch andere Tiere sowie am Plötzensee die nächste Möglichkeit zum Baden. Noch etwas weiter liegt in sich ruhend und unter Kastanien ein Biergarten á la Bayern, der den Faden aufnimmt von vorhin, mit Leberkäs und Weißbier. Hier trifft der Weg auf ein Ufer, das nun verschiedenen Kanälen folgt, bis hin zur Pankemündung. Und noch weiter bis zum Hauptbahnhof, wo man sich an einer der Uferbars ganz herrlich in einen Liegestuhl hängen kann.

Rotweißer Einheits-Dampfer auf der Spree am Hauptbahnhof

Burg Rabenstein im Hohen Fläming

Für luftige Sommertage, doch auch für andere Jahreszeiten gut geeignet ist ein Ausflug zur Burg Rabenstein im Hohen Fläming, wohl der klassischsten Märchenburg auf dem Gebiet Brandenburgs. Einsam im Wald, auf einem Sporn und mit hohem Rapunzelturm. Dabei überschaubar groß und richtig schön mittelalterlich. Wer diese kleine Höhenburg als Filmkulisse nutzen will, muss nicht allzu viel umbauen, kaschieren oder abschrauben, bevor die erste Klappe fallen kann.

Zugegeben – die Anfahrt ist weit. Doch sie lohnt sich. Insbesondere auch für Familien mit Kindern beliebigen Alters, die hier einen runden Tag verleben können. Schon unten im Dorf wird es schwer, in die Gänge zu kommen, denn sobald man den Burgenbus oder das Auto verlassen hat, übt ein geräumiger Spielplatz seine ganze Anziehungskraft aus, nicht nur auf Kinder und direkt gegenüber des Naturparkzentrums. Dieses unmittelbare Gegenüber ist ein schönes Angebot für eine halbstündige Aufteilung von Groß und Klein, bevor es an den Aufstieg gehen soll.

Sibirischer Uhu Fussel in seinen Gemächern, Fläming-Falknerei Rabenstein

Der gibt den Auftakt zu einem kleinen, allerliebsten Rundweg. Führt vom Spielplatz hoch zur Burg, von dort über endlose Stiegen und hügelige Pfade wieder talwärts und ist dabei kompatibel auch für die kürzesten Beinchen. Auf nicht einmal zwei Kilometern lassen sich hier gemeinsam Abenteuerwelten entdecken, und wem das Talent des Geschichten-Ausdenkens geschenkt wurde, der kann mit ein paar Gedankenstupsern die Phantasie aller anwesenden Kinder befeuern und dafür sorgen, dass der Tag allein deswegen niemals das Gedächtnis der jüngsten Verwandtschaft verlassen wird.

Seeadler Graf Luckner, Fläming-Falknerei Rabenstein

Die Burg spricht am besten für sich selbst, lässt sich gut umstreifen und entdecken. In ihrem unmittelbaren Umfeld gibt es gleich noch zwei Erlebnisspender ganz unterschiedlicher Natur. Wer nach dem minutenlangen Aufstieg zu neuen Kräften finden muss, wird gern noch die vier Stufen zum brotduftenden Innenraum des Backhauses erklimmen, wo es am Wochenende neben köstlichen Schmalzstullen auch Kuchen, kalte Getränke und Bockwurst gibt. Jeglicher Kauf erfolgt angesichts der großen Ofentür des Holzbackofens, hinter der die verlockenden Duftschwaden entstehen. Frisches Brot ohne Geheimnisse. Und ein Backofen, genügend groß für ein ganzes Dutzend großer Brotlaibe.

Gänsegeier im Tiefflug, Fläming-Falknerei Rabenstein

Das zweite Erlebnis wartet nur hundert Meter weiter, zu Füßen des denkbar unromantischen Pendants zum Burgturm. Hier befindet sich mit der Fläming-Falknerei eine der wenigen Falknereien Brandenburgs. Zu Füßen des wuchtigen Betongebildes gibt es in den Monaten der Sommerzeit jeden Nachmittag um halb drei eine Flugvorführung, nur montags nicht.

Vielleicht besteht die Frage, warum man einem und noch einem Vogel und noch anderen dabei zusehen soll, wie sie fliegen. Ähnlich wie bei der Burg lässt sich das am besten vor Ort herausfinden. Der hiesige Falkner stellt in einer Dreiviertelstunde eine ganze Reihe eigenwilliger Charaktere vor, die man in einer Entfernung von wenigen Metern erleben darf. Begleitet wird das von einer charmanten und unterhaltsamen Moderation, die über eine diskret platzierte und hervorragende Tonanlage erfolgt und die Zeit recht schnell vergessen lässt.

Gänsegeier Gonzo in der allerersten Reihe, Flugvorführung Falknerei Rabenstein

Danach ist man ein ganz klein wenig bekannt mit dem Steppenadler Xena, der ebenso gern zu Fuß unterwegs ist wie er fliegt. Und Gonzo, dem sympathischen Gänsegeier, der allen Leuten den Kopf geraderückt, die Geier bislang unsympathisch fanden. Sich freut wie drei kleine Kinder zusammen, wenn er merkt, dass er gleich dran ist und dann majestätisch mit voller Spannweite kurz über dem Boden entlanggleitet. Oder mit Fussel, dem sibirischen Uhu mit den unwiderstehlichen Bernsteinaugen, der eigentlich gar nichts machen muss und trotzdem schwer zu vergessen ist. Einprägsam sind auch die kleineren Kaliber, die Milane, Falken und Habichte, die schnell und wendig sind und Flugmanöver hinlegen, die nur mit wachen Augen zu verfolgen sind.

Falkner Grabow mit Fussel, Fläming-Falknerei Rabenstein

Dabei kann es schon mal vorkommen, dass einem einer der Vögel kurz auf den Fuß tritt, wenn er sich in seiner Neugier in den Reihen des Publikums verfranst hat. Oder man den unmittelbaren Windzug einer ausholenden Schwinge auf der eigenen Haut fühlt. Der Eindruck, den das Ganze beim Einzelnen hinterlässt, wird von Mensch zu Mensch verschieden sein, doch vergessen wird man diese knappe Stunde sicherlich nicht. Und künftig ein wenig anders in die Lüfte stieren, wenn von ganz oben ein pfeifender Laut kommt und ebendort jemand ohne viel Flügelschlag seine Kreise dreht oder in der Luft an einer Stelle verharrt, ein potentielles Mäuschen im Visier.

Wer Raben besucht und vordergründig auf lange Spaziergänge aus ist, kann den speziellen Zauber des idyllischen und flachen Plane-Tals mit den unvermittelt antretenden Höhen des kernigen Miniatur-Gebirgszuges verbinden, auf dessen Mittelpunkt die alte Feste hockt. Der Besuch der Burg lässt sich damit bestens verbinden, dasselbe gilt für die Flugvorführung – wenn man unterwegs die Uhr etwas im Auge behält. Und übrigens: der Wappenvogel Brandenburgs ist hier selbstverständlich auch vertreten. Fragen Sie bei Interesse Ihren Falkner!

Blumberger Mühle

Wer Kinder hat und mit ihnen mehrmals im Jahr ins Land jenseits der Stadtgrenze aufbricht, weiß mit Sicherheit, wie schön es an der Blumberger Mühle ist, was für runde, stressfreie und unvergessliche Tage sich hier verleben lassen. Das gilt gleichermaßen für die weitflächige Teichlandschaft als auch für das an ihrem Rande gelegene Informationszentrum, das einer Kombination aus riesiger Bienenwabe und slawischer Burganlage gleicht. Hier gibt es die schönsten Angebote, um das zu entdecken, was unter freiem Himmel so geboten wird von der guten alten Natur, die sich hier gleichermaßen als Erzählerin und Zauberin zeigt.

Weg zwischen den Fischteichen der Blumberger Mühle, bei Angermünde

Am Südrand der Teichlandschaft liegt die eigentliche Blumberger Mühle. Ein Mühlrad ist hier nicht zu finden, doch ein Gefälle zwischen zwei Teichen ist bei den Gebäuden durchaus erkennbar. Direkt dahinter beginnt ein schnurgerade Weg, der mitten durch den glänzenden Flickenteppich führt, der insgesamt doch immerhin so groß ist wie der Mündesee beim Städtchen um die Ecke. Für Wassernachschub sorgt die Welse, die von Süden wildromantisch daherkommt.

Mit der Blumberger Mühle ist es ähnlich wie mit der Burg Rabenstein – man kann sich bestens auf das Gebiet beim Informationszentrum beschränken, wobei sowohl Bewegung als auch Erlebnisse nicht zu kurz kommen werden. Die Natur kann hier in großer Vielfalt erlebt werden, was mit Sicherheit pädagogisch wertvoll ist und mit ebenso großer Sicherheit gewaltigen Spaß macht. Falls den Kindern die Energie dabei partout nicht ausgehen will, können sich die lieben Erwachsenen für einen Augenblick ins Innere der Wabe zurückziehen und dort stärken – das Essen ist hervorragend, der Kuchen selbstgebacken und die Kakaotassen groß.

Tiefschwarze Angus-Rinder auf der winterlichen Weide, Blumberger Mühle

Ausschwärmen lässt sich von der slawischen Info-Wabe wahlweise ein bisschen oder eben etwas mehr. Für wen „ein bisschen“ reizvoller klingt, der ist mit einem Spaziergang zur eigentlichen Blumberger Mühle und dem Damm zwischen den Teichen gut bedient. Falls gerade der Sommer läuft, ist es von dort durch den Wald nur eine gute halbe Stunde bis zum Strandbad am Wolletzsee – die Schilder zum Campingplatz weisen den Weg.

Und wer noch etwas mehr Bewegungsdrang verspürt oder unterwegs von der Landschaft überredet wird, kann von diesem Strand ein paar Kilometer dem Uckermärkischen Landweg gen Angermünde folgen. Zurück zum Ausgangspunkt besteht die Auswahl zwischen einem zauberhaft uckermärkischen Hügelweg oder der wiesigen Spur, die entlang der Bahn verläuft. Rechnen Sie auf der benachbarten Weide mit tiefschwarzen Rindviechern, deren Rasse nach einem australischen Gitarristen benannt wurde, sowie auf allen Wegen mit plötzlich aufstiebenden, farbenfrohen Fasanen!

Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken, dann „Speichern unter…“)

Cottbus (optional Verlängerung auf dem E 11 nach Neuhausen)

Wustrau-Altfriesack (optional Verlängerung ins Luch)

Heiligenseer Weg (Tegel-Hbf.)

Burg Rabenstein

Blumberger Mühle (optional Verlängerungen Wolletzsee etc.)

Links:

Cottbus

Informationen zum Branitzer Park

Tourismus-Informationen Cottbus

Wanderweg E 10

Wustrau-Altfriesack

Ortsinformationen zu Wustrau

Wassermühle Wustrau

Ortsinformationen zu Altfriesack

Von Alt-Tegel zum Berliner Hauptbahnhof

Informationen zum Grünen Hauptweg Nr. 3 „Heiligenseer Weg“

Familien-Information zur Promenade am Tegeler See

Flughafensee am Flughafen Tegel

Invaliden-Friedhof Berlin-Mitte

Burg Rabenstein

(das Backhaus vor der Burg gibt es leider nicht mehr)

Fläming-Falknerei nahe der Burg

Naturpark-Zentrum Hoher Fläming in Raben

Blumberger Mühle

Naturerlebniszentrum Blumberger Mühle

Fischteiche Blumberger Mühle

Biberbus zur Blumberger Mühle