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Stadtrandtour Wannsee – Blattgoldrausch, Inselkapellen und ein Raum für Sehnsucht

Wenn dieses verquaste Jahr irgendetwas besonders gut kann, dann ist es Herbst. Für gute Laune reicht das nicht bei jedem, dennoch zieht es viele Menschen ins Freie, mehr als sonst üblich. Und in der Tat geht es besonders golden zu, sei es nun auf dem Lande oder mitten in der Stadt oder auch dazwischen. Novemberwetter gab es diesmal eher im Oktober, und das reichliche Gold im November lässt einen Tauschhandel vermuten, der vielleicht taktisch ausgeklügelter ist als man meinen sollte. Denn es gilt, die allgemeine Trübnesse etwas aufzuhellen.

Goldener Teppich am Griebnitzsee

Trüb ist dieser November also weniger vom Wetter her, vielmehr ist er trüb für alle Häuser, bei denen eine Bühne oder eine Küche im Zentrum steht. Die Türen müssen zu bleiben und Optionen zur Vermeidung des völligen Stillstands verlangen nicht nur Phantasie, sondern auch noch irgendetwas in der Hinterhand. Und am besten etwas Platz unter freiem Himmel. Wer also noch entsprechende Reserven hat, etwas aus dem Ärmel zu zaubern oder aus dem Boden zu stampfen, kann meistenteils auf dankbare Gesichter und etwas weiter geöffnete Portemonnaies hoffen. Passend dazu hat die zentrale Tourismusstelle des Landes Brandenburg eine Webseite auf die Beine gestellt, wo sich herausfinden lässt, wer zum Beispiel Essen zum Mitnehmen anbietet.

Ungewöhnlicher Potsdam-Blick vom Berliner Gipfel

Ganz unabhängig von all dem macht das Tageslicht sein Ding und bietet der Natur damit eine verlässliche Größe. Grün wird zu bunt, herabgefallen dann zu leuchtend. Farbakzente liefert nur der Zufall hier und da. Es duftet nach Eicheln, nach Pappellaub und Pilzen, nach werdender und währender Erde. Pilzsammler kamen überraschend, weil später als gewohnt auf ihre Kosten und konnten schließlich noch gut gefüllte Körbe durchs Unterholz schleppen. Etwas höher im Wald wird es immer stiller, obwohl zwischen dem Gekrächze der schwarzen Einsilbigen nach wie vor dieses niedliche Finkengezwitscher zu vernehmen ist, manchmal auch schon ein paar frühe Wintermeisen.

Versammelte Sehnsuchten

Wannsee

Rund um Potsdam lassen sich, das ist nichts Neues, herrliche und besondere Tage verbringen. Viel Wasser und lebhafte Uferverläufe gibt es hier, Hügelländer voller Wald und dazwischen unzählige Accessoires für Historienfilme, so dicht gesät wie selten irgendwo im Lande. Noch dazu sind diese großen und kleineren Bauwerke meist in herrschaftliche Parkanlagen gefasst, die jeweils für sich schon als Tagesziel taugen.

Abendliche Wannsee-Ausfahrt

Wem nun selbst Potsdam zu weit weg ist, der findet all das bereits auf einer großen Insel, noch auf Berliner Stadtgebiet. Der Inselwerdung wurde einst von Menschenhand etwas nachgeholfen, nichtsdestotrotz gibt es nur eine Handvoll Brücken, auf denen sich die Insel Wannsee trockenen Fußes verlassen lässt.

Pergola-Gang an der Bismarckstraße in Wannsee

Der Uferweg vom Wannseer Hafen vorbei an der Pfaueninsel zur Glienicker Brücke ist quasi ein Klassiker, nicht zuletzt deswegen, weil sich die Tour an mehreren Stellen per Bus verkürzen lässt. Falls der Bus gerade weg ist, geht man einfach ins jeweilige Wirtshaus und lässt dort vielleicht gleich noch den nächsten Bus fahren.

Auch recht bekannt ist das bezaubernde Wege-Pendant am Südufer. Auch wenn hier die Ausflugsziele nicht Schlag auf Schlag folgen, sorgen die verspielte Uferlinie und der Verlauf dicht am Ufer für gutgehend Betrieb, nicht nur an sonnigen Tagen. Neonbunte Laufschuhe wollen amortisiert sein, Hunde ausgeleert oder Gedanken freigelassen. Will man nun die Insel einen ganzen Tag durchstreifen und trotzdem nicht zu viele Menschen treffen, ist auch das möglich – dank einem dichten Wege- und Pfadenetz.

Taille vom Kleinen Wannsee zum Pohlesee

Bhf. Wannsee

Vom Bahnhof ist es nur ein Katzensprung zum Gasthaus und Biergarten Loretta mit einem der schönsten Blicke auf den Wannsee. Auf der anderen Seite der Königsstraße kommt man durch einen kleinen Park zur Bismarckstraße, ein paar Minuten später schon zum ersten Kulturbeitrag am Weg: in einem kleinen Stückchen Grün oberhalb des Kleinen Wannsees steht das Kleistgrab mit seinem korpulenten Stein. Hier liegt der Dramatiker neben seiner Freundin Henriette Vogel, mutmaßlich an der Stelle, wo sich beide gemeinsam und wohlüberlegt von dieser Welt verabschiedeten.

Uferweg am Griebnitz-Kanal

Entlang der kleinen Pflasterstraße gibt es teure Anwesen, auch schöne und geschmackvolle, jeweils entsprechend die Gärten. Manche sind zugeknöpft, andere wirken historisch wertvoll und einige sind regelrecht verspielt. Im Gedächtnis bleibt ein langer Pergola-Gang aus rotem Gebälk, auf dem sich ein dichtes Dach aus Glyzinien räkelt. Hier und da blitzt unten die Wasserfläche durch.

Blick auf die Marina am Pohlesee und Turm auf dem Schäferberg

Unvermittelt endet die Straße am Wald und lässt die Auswahl zwischen zwei Wegen. Wer Muße hat oder ans Wasser will, geht rechts und kommt durch leuchtendgelben Laubwald bald zur Seentaille, wo der Kleine Wannsee zum Pohlesee wird. Neben vielen kleinen Stränden gibt es schöne Blicke hinüber zur Marina, edlen Bootshaus-Ensembles oder den Türmen auf dem Schäferberg. Die Topographie des Uferwaldes erinnert durchaus an namhafte Seekaliber wie den Wutzsee bei Lindow oder das schöne Geschwisterpaar von Liepnitz- und Hellsee.

Am Stölpchensee

Vor der Brücke zum Stölpchensee wird der Weg zum Kanal hin schmaler, dahinter steigt er etwas höher übers Ufer und gibt den Blick frei auf einen markanten Kirchturm. Der sieht irgendwie nach Schinkel oder Schülerschaft aus, der fehlende Turmspitz lässt sich von vier kleinen Eckzacken vertreten. Der Wald wird jünger und dichter, der Laubteppich zunehmend lückenlos. Bald darauf wiederholt sich am Ende des Sees die Geschichte mit dem Kanal und der Brücke, und jetzt endlich wechseln wir hinüber auf die Insel, die den restlichen Tag superb gestalten wird.

Am Ufer des Griebnitzsees

Hubertusbrücke

Drüben liegt unterhalb der Brücke ein herrlicher Biergarten, darin sehr einladend die hölzerne Hubertusbaude. Dass hier keinerlei Bewegung ist, liegt nicht an der Virenproblematik – die Anlage ist seit einigen Jahren geschlossen und sucht einen neuen Besitzer. Der sich hoffentlich finden wird, für diesen schönen Ort direkt am Griebnitzkanal.

Selten gesehenes Panorama über Potsdam

Am Ufer des gleichnamigen Sees kommt die Sonne heraus und adelt das Goldbraun, das Wege und Hänge bedeckt. So lückenlos ist der waldweite Teppich, dass der kleine Pfad kaum zu erkennen ist, der den Aufstieg auf den Moritzberg einläutet. Rutschig ist das Laub, sodass die ersten steilen Meter nicht nur auf den Füßen zurückgelegt werden. Schließlich greifen die Sohlen wieder, der Gang bleibt aufrecht. Das passt gut, denn wir renken uns die Blicke aus nach den fünfzig Kranichen, die direkt über uns sein müssen und doch nicht zu sehen sind.

Rennsteig-Impression auf der Deponie Wannsee

Moritzberg

Nach etwas Wegewirrwarr und einigen querenden Joggern und Mountainbikern geht der Aufstieg erneut zur Sache, nun breit und knirschend. Auf dem Gipfel suchen wir vergebens nach einem Pausenplätzchen oder einer Aussicht irgendwohin, finden jedoch anhängliches Dornengestrüpp und verworrene Wildpfade. Etwas unterhalb dann schließlich ein Holzschild, das einen Moritzberg benennt. Nur ein paar Schritte weiter kann das Auge über die entlaubten Zweige weit in die Landschaft schauen, nach Südwesten hin zu den Hochhäusern der Potsdamer Waldstadt und dem fernen Turm auf dem Ravensberg dahinter. Direkt nach Süden reicht der Blick weit ins Brandenburgische.

An der Waldmüllerstraße, Klein Glienicke

Abseits des Weges hören wir etwas rechts vergnügtes Geschnatter, ein Pfad führt dort hin und beides zusammen macht neugierig. Zwei Damen kommen uns entgegen und geben kichernd einen Aussichtsplatz der Sonderklasse frei, insofern, dass Potsdam von dort betrachtet aussieht, als läge es irgendwo ins Thüringische Bergland einschmiegt. Das Stadtpanorama reicht vom Rand der Waldstadt und dem Telegraphenberg bis zur markanten Kuppel der Nikolai-Kirche, davor St. Smafo resp. Heilig Geist. Und noch weiter bis zur vergleichsweise nahen Sternwarte Babelsberg.

In Klein Glienicke

Der seltene Blickwinkel macht klar, dass die Stadt nicht nur von der Havel durchzogen ist, sondern auch von zahlreichen Höhenzügen umgeben. Die sind zwar insgesamt nicht allzu hoch, doch eben einiges höher als die Wasserflächen und zumeist bewaldet. Alles zusammen ergibt diesen Eindruck, der noch den ganzen Tag nachhallt.

Beim Schloss Klein Glienicke

Der Thüringer Gedanke wird vom bald folgenden Kammweg weitergesponnen, der prompt ein wenig an den Rennsteig denken lässt. Ein steiler Abstieg bringt wieder die Sohlen auf dem glatten Laub ins Rutschen, bis am idyllischen und gut bevölkerten Uferweg am Griebnitzsee die Bergepisode ihr Ende findet. Dennoch ist der letzte Höhenmeter noch lange nicht gesammelt … Unten am Ufer sitzt in sich versunken ein Angler, oben im Hang turnt ein Junge zwischen den liegenden Stämmen herum. Müde sein werden sie am Abend beide.

Oft gesehene Brücke zwischen den Ländern Brandenburg und Berlin

Klein Glienicke

Schon die ersten Häuser von Klein Glienicke strahlen Mondänes aus, prompt fühlt man sich ganz woanders. So ganz falsch ist das nicht, denn der nächste Kilometer wird im Land Brandenburg verbracht. Passend dazu fachsimpeln gerade zwei Herren in aufwändiger Garderobe um ein weißes Mercedes-Cabrio aus den Fünfzigern herum. Der Motor läuft, schnurrt sonor und entlässt hinten nostalgisch aromatische Abgase. Es wird eingestiegen, fünfzig Meter gefahren, wieder ausgestiegen und erneut um das Auto herumgelaufen. Das wiederholt sich noch einmal, bis schließlich die passende Kulisse der geräumigen Waldmüllerstraße erreicht ist, die auch geeignetes Publikum bereithält fürs Verlassen der Szenerie.

Im Volkspark Klein-Glienicke

Neben der Straße liegt still ein kleiner Wasserlauf, begleitet von einem winzigen Graspfad, von dem sich schön die besonderen Holzhäuser am anderen Ufer bestaunen lassen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wird eine kleine Hoffnung wahr: das Eiscafé hat eine Luke offen, draußen einen kleinen Grillstand eingerichtet, und wir können uns was Kleines zu naschen rausholen. Außer den Schlangestehenden bleiben alle Gäste auf dem zugehörigen Gelände stets leicht in Bewegung, damit nicht der Verdacht des Aufhaltens entsteht. Drumherum ist ordentlich Betrieb, kein Wunder, denn hier ist die Hauptschnittstelle zum Park Babelsberg, zudem kreuzen sich hier zahlreiche Rad- und Wanderwege.

Vollblütige Live-Musik in Abstandszeiten, Gasthaus Moorlake

Nur ein paar Minuten sind es zum Schlosspark Klein Glienicke, der nun wieder in Berlin liegt oder doch so absolut nach Potsdam aussieht. Auf dem Weg dorthin liegen ein süßes Kirchlein und der Friedhof in einer eigenartigen Nische des Grenzverlaufes, die sicherlich genau damit zu tun hat. Das direkt benachbarte Jagdschloss ist seinerseits von einem Ausleger der Berliner Grenzlinie umschlungen.

Höhenweg unweit der Moorlake

Der weitläufige Park ist zur Straße hin abgesperrt, was sich in der Trockenheit der letzten Sommer begründet und dem Bestreben, dass keinem Parkbesucher etwas zu Großes auf den Kopf fällt. Die Absperrungen setzen sich in Richtung Moorlake noch fort. Stellenweise bleibt Interpretations-Spielraum offen, welcher Weg zu benutzen ist und welcher nicht. Und zuletzt gibt es ja auch noch den gesunden Menschenverstand.

Blick von der Terrasse am Blockhaus Nikolskoe

Das ist insgesamt wenig tragisch, denn reizvoll sind beide Varianten. Der Hochuferweg sammelt dabei unter alten Laubbäumen so einige Höhenmeter und verwöhnt mit überraschenden Aussichtsfenstern auf die Glienicker Brücke, die Heilandskirche am anderen Ufer oder das markante Bauwerk auf der Pfaueninsel, zwischendurch öffnen sich immer wieder die weiten Wasserflächen der Havel. Begleitet wird der Weg von dicken Holzgeländern, die an Hochuferwege auf Rügen oder Usedom denken lassen, welche sich ähnlich auf und ab gebärden. Unten der Uferweg hingegen gibt sich ruhig und gleichmäßig, und der Besucherverkehr hält sich gerade auch in Grenzen, so dass man keinen Ausweich-Slalom laufen muss.

Blockhaus Nikolskoe

Moorlake

Die Bucht der Moorlake wird in einem langen Rechtsbogen erreicht, und so gleicht es zunächst eher einer Erscheinung, wird erst nach Minutenfrist deutlich und schließlich zur Gewissheit, dass vom Herzen der Bucht Musik erklingt, direkt vom Instrument. Das ist in diesem Jahr auf seine Weise besonderes schön und leitet eine ausgedehnte Viertelstunde ein, die so anmutig wird, dass man gern die Zeit anhalten würde. Auch hier wurden ein paar Ladentische rausgestellt und man bekommt Süßes zum Kaffee oder Herzhaftes zum Sattwerden.

Kirche am Blockhaus Nikolskoe

Die zwei virtuosen Musiker spielen sich beiläufig und ohne Theatralik die Seele aus dem Leib und laden die Luft mit Emotionen auf, was die Kombi aus Fidel, Quetschkommode und herzergreifenden Zigeunerweisen ja sehr gut drauf hat. Zwischendurch gibt es ein paar sauber servierte Gassenhauer der ernsten Musik, die jeder wiedererkennt. Alles in allem sorgt dafür, dass jeder gern was von Gewicht in die Mütze fallen lässt und am Abend das verdiente Feierabendbier kein nennenswertes Loch in die Kasse reißen wird. Ein perfekter Platz, gute Wahl der Instrumente und ein Vorgang, von dem alle Beteiligten am Ende viel mit nach Hause nehmen dürfen.

Fähre zur Pfaueninsel

Blockhaus Nikolskoe

Kurz hinter Moorlake darf nun ganz legal der Höhenweg erklommen werden. Lange Stufen führen hinauf in den Küstenwald und spinnen im Reich der Goldnuancen den Ostsee-Faden fort. Nach der nächsten Abbiegung wähnt man sich dann auf einmal einiges südlicher, oberhalb des Elbtals da irgendwo bei Dresden, und am Ende der nächsten Treppe ist man wieder völlig woanders, eher so direkt im Baltikum. Das tiefschwarze Blockhaus Nikolskoe bietet zwar keine russische Küche an, doch die Optik und die benachbarte Kirche mit ihrer kleinen Zwiebel entführen kurz in den fremden Kulturkreis. Den großen Havel-Blick und Gelegenheit zur Rast bieten beide.

Essenausgabe am Gasthaus Pfaueninsel

Fähranleger Pfaueninsel

Ein sanfter Abstieg endet kurz vor dem Fähranleger zur Pfaueninsel. Auch hier stehen zwei kleine Stände vor dem Gasthaus, auf der Karte neben dem Imbissangebot auch Waffeln. Eine frischgebackene Waffel an der Fähre – allein das ist schon ein kleiner Urlaub. Etwas Wartezeit haben wir dabei, denn das grazile Waffeleisen ziert sich ein bisschen. Der Duft von Bratwurst und Kaffee, Glühwein und Waffeln tröstet ein bisschen über die Adventsmärkte hinweg, die es in diesem Jahr vielleicht nicht geben wird.

Spiegelschnitt vor der Pfaueninsel

Zum Kommen und Gehen der Fährpassagiere gesellen sich noch palavernde Enten, ein paar Ruderer und die erste Ankündigung der tiefstehenden Sonne, die bereits jetzt für nordische Lichtstimmungen auf dem Wasser sorgt. Wasserfläche und Insel, Paddler und Bootshäuser – in der Tat landen die Gedanken kurz in Skandinavien und wir müssen uns ein weiteres Mal bewusst machen, dass sich dieser ganze Tag in Berlin abspielt, bis auf den erwähnten Kilometer.

Versammelte Sehnsuchten

Vom Uferweg wirft sich nun die Insel in Positur, im edlen Abendlicht. Eine zügige Dame paddelt ihr pfeilschmales Kajak so ruhig, dass der Wasserspiegel kaum gestört wird. Weit oben am Himmel strebt eine Gänse-Eins gen Süden, vielleicht zum nassen Land bei Blankensee oder auch zu den Nuthe-Wiesen. Kurz darauf wechseln wir wieder auf den hohen Pfad und können zugleich einer stehenden Wolke von schwerem Duftwasser ausweichen, die schon seit Minuten den ganzen Weg ausfüllt, auf voller Breite.

Sehnsuchts-Beratungsstelle zwischen Birkenstämmen

Nur per Zufall nehmen wir rechts im Wald eine Rasthütte wahr, die nicht direkt einladend aussieht. Doch es lohnt sich, befindet sich doch hier die einzige Sehnsuchtsberatungsstelle weit und breit. Wir nehmen einen kurzfristigen Termin wahr, müssen uns dann jedoch beschränken, da das Licht allmählich knapp wird und noch eine halbe Stunde Wald vorausliegt.

Blick auf das glimmende Strandbad Wannsee

Das Licht wird in der Tat schnell knapp, schon sind an den anderen Ufern die Lichter deutlich heller als alles andere. Doch der Spiegel der Havel verdoppelt das vorhandene Dämmerlicht und schenkt uns damit die verlorenen Minuten zurück. An einer breiten Strandstelle sehen wir gegenüber das Strandbad Wannsee mit seinem endlosen Strand rot erglühen und nehmen erst jetzt wahr, dass der Tag mit dem schönsten Abendrot ausklingt, das der November zu bieten hat. Nach der nächsten Kurve dreht der Weg nach Süden, und nun sehen wir über der Böschung den ganzen Wald in fahlem Rot. Viele Leute sind noch mit uns und sehen zu, dass sie die nächste Straßenlaterne erreichen.

Flensburger Löwe über dem Wannsee

Flensburger Löwe

Wer uns dort empfängt, ist der wohl größte Löwe von Berlin. Der steht auf einer Aussichtsterrasse am Ende der Uferpromenade, von der sich die ganze Uferlinie des Wannsees bis hin zum hell erleuchteten Hafen sehen lässt. Um ihn herum herrscht fröhliches Treiben, nicht zuletzt dank der warm erleuchteten Imbiss-Bude mit ihrem breit gefächerten Angebot. Noch einmal kleiner Budenzaubertrost. Es braucht ja gar nicht viel dafür.

Abend am Hafen Wannsee

Auf dem laternenbeleuchteten Weg vorbei am Haus der Wannsee-Konferenz, der Liebermann-Villa und zahlreichen Boots-Clubs werden jetzt mit einem Mal die Beine bleischwer, kurz vor dem Ziel. Es war so viel in diesem Tag, so viel Neues entlang der bekannten Wege, so viel Besonderes und Schönes.

Als wir endlich den Hafen erreichen, entfernt sich gerade ein kleiner Dampfer, hell erleuchtet, wie eine Traumvision in diesen Zeiten. Zu leise denken wir, um echt zu sein und drehen uns nochmal um, nach dem Erklimmen der allerletzten Treppe. Das stille Licht ist fern, doch noch zu sehen.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
mit der S-Bahn oder Regionalbahn zum S-Bhf. Wannsee (0,5-0,75 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): nicht praktikabel (falls doch: B 1 nach Wannsee (0,75-1,25 Std.))

Länge der Tour: ca. 20 km, Abkürzungen vielfach möglich (auch per ÖPNV)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Insel Wannsee

Ehemalige Deponie Wannsee 

Einkehr (Auswahl): Hubertusbaude, am Stölpchenweg/Hubertusbrücke
Wartmanns Eiscafé, Klein Glienicke
Forsthaus Moorlake, Moorlakeweg
Blockhaus Nikolskoe, Nikolskoer Weg
Wirtshaus Zur Pfaueninsel, Pfaueninselchausee
Imbiss am Flensburger Löwen, Tiefhornweg
Bolles Bootshaus, Tiefhornweg

Töplitz: Der Inseltag, die Wappenkirsche und der Weinhang am Klosterberg

Es ist immer wieder erstaunlich. Da tingelt man seit Jahren durch alle möglichen Teile Brandenburgs und ist noch nie darauf gestoßen, dass es da um die Ecke von Potsdam eine bewohnte Insel gibt, komplett umschlossen vom Wasser der Havel und dabei so groß wie ein Berliner Stadtteil. Mit richtigem kleinen Inselflair, das von den Bewohnern auf herzliche Weise gepflegt wird und keineswegs konstruiert ist. Sicherlich – die jenseitigen Küsten sind an den meisten Stellen nicht mehr als einen Steinwurf oder Pfeilschuss entfernt und mancher See-Insulaner mag milde lächeln, doch Fakt ist ebenso, dass Töplitz für motorbetriebene Fahrzeuge nur über eine einzige Straße zu erreichen ist, von Osten her.

Wegweiser in Neu Töplitz
Wegweiser in Neu Töplitz

Ähnlich Fehmarn in Schleswig-Holstein wird die Insel von einer Autobahn gequert und ist daher auch auf diesem Wege gut zu erreichen, unter Nutzung der erwähnten Straße. Ebenso gut lässt sich per Rad auf die Insel gelangen, denn seit der letzten Jahrtausendwende führt ebenfalls von Osten ein Fußgängersteg in ansehnlichem Bogen auf die Insel. Der passende Bahnhof ist der von Golm, einem Dorf etwas westlich des Parks von Sanssouci. Vor einigen Jahrzehnten gab es von Phoeben noch eine Fährverbindung nach Töplitz, über deren saisonale Reaktivierung aktuell nachgedacht wird. Über die ganze Insel zieht sich ein Netz von Wander- und Radwegen, das Optionen für das abwechslungsreiche Verbringen mehrerer Tage bietet und die Entscheidung für nur eine Tour keineswegs leicht macht.

Im innersten Zentrum des Ortes Töplitz
Im innersten Zentrum des Ortes Töplitz

Töplitz ist ein Ortsteil von Werder und führt einen Kirschzweig im Wappen. Das sieht man der Insel an vielen Stellen noch an, auch wenn die Spuren allmählich verblassen. Auf der leicht erhobenen nördlichen Hälfte der Insel ist von fast jedem Punkt eine Obstplantage oder Streuobstwiese zu sehen, meistensteils Kirschen, wie sich versteht.

Der Töplitzer Süden ist meistenteils friesisch platt und wasserdurchtränkt, doch zwischendurch erheben sich eindrücklich und an mehreren Stellen kleine Höhenzüge oder regelrechte Berge. Einer von ihnen steht frei in seiner topfebenen Umgebung und präsentiert am langen Südhang einen schönen Weinberg, der sicherlich irgendeinem Superlativ genügt. Das zugehörige Weingut schmiegt sich östlich an den Fuß des Berges, zum Dorf Neu Töplitz hin. Die wiederbelebte Weintradition wurzelt irgendwo bei den Aktivitäten des Klosters Lehnin, das in der Geschichte der Insel eine relevante Rolle spielte.

Rebenhang am Klosterberg, Neu Töplitz
Rebenhang am Klosterberg, Neu Töplitz

Töplitz betont seine Insellage, ist aber diesbezüglich nicht extra touristisch aufgebrezelt worden. Aus meiner Sicht ist es grundehrlich und gibt ein echtes Stück vom Brandenburger Leben wider. Der direkte Kontakt zur Küstenlinie ist nur an einigen Stellen möglich, doch dann ist es um so eindrucksvoller, wenn sich vor einem die weite Fläche des Göttinsees aufspannt, je nach Wind und Wetter aufgepeitscht oder ruhig und blau. Oder sich am jenseitigen Havelufer über Phöben die steil ansteigenden Höhen der Phöbener Heide erheben, mit ihrem leuchtend in die Bergflanke gegossenen Dünenhang. Auch der leicht verwunschene, schmale Übergang bei Einhaus oder das geradelinige Ufer des Kanals im Norden sind den Besuch wert und unterstreichen die Vielgestalt der Töplitzer Gestade.

Obstwiese im Inselnorden
Obstwiese im Inselnorden

Töplitz

Beim Bäcker kurz vorm Ortskern ist es schon zu beobachten, was in der Ortsmitte fortgeführt wird. Diese Stimmung von Insel. Bevorzugtes Verkehrsmittel für den kurzen Weg zum Besorgen der Brötchen oder der Butter fürs Frühstück oder auch des Biers zum abendlichen Grillen ist hier ein solides Fahrrad ohne viel Zierrat. Das Tempo ist entspannt, das Fahrradschloss bleibt in den meisten Fällen ungenutzt. Allein bei diesem Anblick fühlt man sich schon im Urlaub, wenigstens ein bisschen. Ganz gleich bei welchem der Geschäfte, es ist stets ein leichtes, angenehm entspanntes Kommen und Gehen.

Gegenüber des zentralen Schwarzen Bretts an der meistgenutzten Kreuzung der Insel liegen in friedlicher Koexistenz zwei Geschäfte, die sich gegenseitig ergänzen, fast ohne Überlappung. Im Inselmarkt gibt es alles, was sich verzehren lässt oder alle wird in absehbarer Zeit, die Waren also des täglichen Bedarfs. Waren des monatlichen, jährlichen oder einmaligen Bedarfs hingegen und fast ausschließlich solche, die als unverdaulich gelten, bietet in einer kaum fassbaren Mischung der Töplitzer Einkaufsmarkt. In nur drei bunt-gemischten Regal-Reihen gibt es hier alles, was man sich an drei langen Abenden am Lagerfeuer hätte ausdenken können, nur um auf etwas zu kommen, was sie dann doch nicht haben hier.

Robinienwald auf dem Weg zum Göttinsee
Robinienwald auf dem Weg zum Göttinsee

Vergebens vermutlich, denn hier gibt es wirklich so gut wie alles. Von der handgetöpferten Butterdose über Filzstifte und –pantoffeln bis hin zu 5-Kilo-Hämmern und Autolack, Angelsehne oder einzelnen Schrauben. Auch ein Set fürs Entenangeln bekommt man oder ein Schnapsglas oder Vogelfutter. Angeschlossen ist ein gut sortierter Blumen- und Pflanzladen, und betrieben wird das Ganze von zwei Damen, die das Herz am rechten Fleck haben und den größten Teil der Kundschaft mit dem Namen ansprechen. Wer hier war, kommt gerne wieder. Ergänzt wird dieser Kiez durch ein Hotel, von dem direkt die Stichstraße zum Strand zu führen scheint.

Der Frühling hat das Land unwiderruflich erreicht, da kann es an einzelnen Tagen der Woche gern noch kalt grau und und wettrig sein, doch das Erwachen aller Natur ist angelaufen. Dementsprechend sind alle draußen in ihren Gärten, mit einem Lächeln in den Sinnen oder im Gesicht, und auch beim Kindergarten wird der Spielplatz aufgehübscht, ein neues Segelschiff zusammengenagelt und frischer heller Sand verteilt. Am Ortsrand geht es kurz hinab und macht erst klar, das Töplitz etwas auf der Höhe liegt, was sinnvoll scheint und darum einleuchtet für den Hauptort einer Insel. Unterhalb eines kleinen, zerfurchten Höhenzuges voller Kiefernwald, einem Spielparadies für Kinder und Mountainbiker, ruhen ungestört zwei Angelteiche mit schönen Uferstellen.

Uferplatz in Göttin
Uferplatz in Göttin

Neu Töplitz

Auf den wenigen Metern zwischen dem Ortsschildern von Töplitz und Neu Töplitz rückt der Klosterberg ins Bild, der prägnanteste Berg der Insel, und präsentiert stolz seinen flachen Südhang, bedeckt mit langen Reihen von Rebstöcken. Schöne Wege locken hin zum Berg, der sich komplett umrunden lässt. Solcherart einladend sind viele Wege auf der Insel, und in der Tat sind den ganzen Tag über Radfahrer und Spaziergänger anzutreffen, ganz gleich in welchem Winkel. Östlich von Neu Töplitz zieht sich ein sumpfiger Gürtel aus Bruchwald hin, der mal etwas Zuwendung von Menschenhand vertragen könnte und über den Abzugsgraben in den Sacrow-Paretzer Schifffahrtskanal entwässert. Gleich dahinter beginnt der einsame und weite Norden der Insel mit weiten Blicken bis nach Potsdam oder Nauen.

Hölzernes Stillleben bei Göttin
Hölzernes Stillleben bei Göttin

Streuobstwiesen wechseln ab mit Kiefern-, dann mit Birkenwald, und voraus schiebt sich die Kajüte eines Schubverbandes durch die Landschaft und markiert klar den Verlauf des erwähnten Kanales, der für eine direktere Verbindung zwischen den Städten Brandenburg und Potsdam sorgt. Schließlich führt ein Weg vorbei an klammen Auenwiesen schnurstracks hin zum Göttinsee, zuletzt noch durch ein Wäldchen von Robinien, die mit erstem diffusem Laub schon jetzt das typisches Licht solchen Waldes schaffen. Am gegenüberliegenden Ufer des weiten Sees sind einige Häuser von Paretz zu sehen, weiter hinten in hellem Grau der hohe Speicher im Hafen von Ketzin.

Göttin

Wer einen Fuß in den See stecken möchte oder noch mehr von sich, kann dies direkt in Göttin tun, wo es einen einladenden Rastplatz gibt mit Seeblick-Schaukel und Bänken. Entlang des Uferwegs liegen schöne Gärten, einer ist klein und besonders verspielt und warnt ausdrücklich mit den Schildern „Spielen erwünscht“ und „Betreten der Baustelle nur für Kinder“. Gleich dahinter liegen Teiche schwarz im Bruchwald, und gegenüber am Seeufer haust eine Weide, spektakulär aufgespalten, mit langarmig abgelegtem Holz. Gleich daneben ruhen landunter zwei  Holzkähne an ihrem Steg. Oben in den Wipfeln halten ein paar kohlrabenschwarze Raben eine angeregte, geordnete Debatte. Ohne Aggression, doch mit Nachdruck in den Argumenten, so zumindest klingt es.

Kuhweiden zwischen Göttin und Klosterberg
Kuhweiden zwischen Göttin und Klosterberg

So wie nördlich von Göttin liegen auch hier im Süden des Weilers ausgedehnte Weiden, die lose bevölkert werden von Kühen und allerlei Kälbchen, die ihre ersten Schritte schon ein paar Tage hinter sich haben. Von vorne kommen Radfahrer, die mit Sicherheit keine Insulaner sind, gerade vom Sattel rutschen und gemeinsam die Kuhweide im Detail entdecken. Gesteuert wird der Verband von der Mutter, die sich und ihre zwei Jungs im höheren Grundschulalter vom Helm bis zum Clickpedal-Schuh in hauteng sitzende High-Tech-Kleidung mit dezent eingenähten Protektoren verpackt hat. Die Farbgestaltung sieht hochpreisig und nach Profi-Rennen aus, ebenso die Mountain-Bikes. Der zu vermutende Zeitaufwand in der Ankleide lässt hoffen, dass er gerechtfertigt war und alle Berge und Höhenzüge der Insel mindestens einmal bezwungen wurden bzw. noch werden. Oder die Familie einfach so einen schönen Tag auf der Insel hat, ganz frei von einem Pensum oder Plan.

Der Klosterberg mit seinem langen Südhang
Der Klosterberg mit seinem langen Südhang

Hinter einem Waldstreifen öffnet sich dann eine teilweise wasserdurchtränkte Weite, die an das Vorland von Salzwasserküsten erinnert. Weit voraus sind Reihen von hochgewachsenen Pappeln zu sehen und der markante Fernmeldeturm auf dem Wachtelberg bei Phöben, rechts liegen feuchte Flutwiesen mit umgestürzten Pappeln, die unbeeindruckt weiterwachsen. Dahinter ein Schilfgürtel und das Wissen um die Bögen der breiten Havel. Beim Blick Richtung Binnenland zeigt noch einmal der Klosterberg sein elegantes Profil, mit dem weit auslaufenden Rebenhang gen Süden. Das dürfte über ein paar Fläschchen so zum Spaße weit hinausgehen, wenn die Töplitzer Weinlese ansteht und sich der diesjährige Ertrag abschätzen lässt. Falls es ein Winzerfest gibt später im Jahr, sollte man sich den Termin schon mal vermerken.

Plattes Land im Inselsüden

Im weiten Bogen führt der Wiesenweg um den Berg herum bis zur Alten Fährstraße, deren über die Straßenmitte gebeugtes Ziegelstein-Pflaster mit den Zeiten rundgeschliffen wurde. Die Eichenallee führt auf direktem Weg zur Havel, zu der Stelle am Ufer, wo die Fähre nach Phöben übersetzte. Jetzt sitzt dort ein Angler, glücklich über diesen Tag und euphorisch im Auswerfen seines Blinkers. Direkt daneben steht die perfekte Bank für ein verschwiegenes Päuschen. Der Blick fällt aufs gegenüberliegende Ufer, wo fast schon pittoresk eine Reihe bunter Lauben dicht am Ufer hockt, mit winzigen Parzellen drumherum und ziemlich sicher einem Steg für jede einzelne von ihnen. Ein Motorbötchen, so eins mit Windschutzscheibe und Lenkrad, läuft gerade ein im großen Bogen und tut das so würdig und erhaben, wie es eben geht in dieser Größenordnung. Krönt das Glück dieses Tages am anderen Ufer.

Alte Ziegelsteinallee
Alte Ziegelsteinallee

Voraus ins Land ragt eine lange Reihe alter, baumeshoher Weidenbüsche. Die Eichenallee setzt sich fort bis an den Rand von Töplitz. Nach rechts bietet sich ein Bild, wie es selten ist im Land Brandenburg – weit hinten streckt sich kilometerbreit die Autobahn übers flache Tal, gestützt auf breite Pfeiler. Ist nicht zu hören, dank des Windes, der eher von Westen kommt. Ein schmaler Pfad führt vorbei an Pferdekoppeln und einem alten Schlot. Aber hier geht es jetzt eine Weile am Wasser lang, nicht direkt am Ufer, doch mit Sichtkontakt zur kleinen Havelwelle. Und einem hübschen Badestrand mit Liegewiese.

Phöbener Ufer gegenüber
Phöbener Ufer gegenüber

Töplitz

Ein schön geschwungener Plankenweg gibt den Auftakt für den leichten Zickzack-Kurs, der vorbei am zugeknöpften Hafen und hinter den Grundstücken wieder etwas Uferkontakt gestattet und damit einen kurzen Blick über den Kleinen Zernsee. Vorn die Straße ist schon wieder staubig trocken, obwohl noch gestern Regen fiel, doch das ist bekannt hier von der Gegend. An ihrem Rand wird Wild vom Insel-Jäger angepriesen.

Die Brücke der Autobahn ist erst zu sehen, dann zu hören, und gleich dahinter steht das Tor zum Hafen Ringel offen, das ist der für die Sportboote. Wobei angesichts der vielen Motoryachten und der wenigen Segelboote das mit dem Sport relativ zu sehen ist. Vier Männer, zwei davon mit ausgeprägter Ringmuskulatur, tragen im wiegenden Gleichschritt vier Gerüststangen vom Hafengelände zu einem Platz außerhalb des Hafengeländes und verdienen sich damit die Anerkennung Anwesender und den redlichen Genuss der Abendbiere. Fast schon unter der Autobahnbrücke steht auf dem Trockenen und scheinbar hoch über seinem Kiel ein smartes Dampferchen mit schmaler Taille und dem Namen „Andrea Doria“, der verschiedene Deutungen zulässt.

Lange Brücke über dem Haveltal
Lange Brücke über dem breiten Haveltal

Gleich nach dem Gelände des Hafens beginnt unmittelbar eine andere Welt – die des Wolfsbruchs. Nur ein einziger Weg führt auf diese große Halbinsel, die ein Paradies für Wasservögel sein muss. Die unmittelbare Nähe der Autobahn ist kaum wahrzunehmen. Direkt voraus wäre quer über den Großen Zernsee theoretisch die Insel mit der Altstadt von Werder zu sehen. Praktisch ist es eher die Brücke am Südende des Sees, vielleicht mit den Werderaner Kirchturm dahinter oder dem nach oben zeigenden Flügel der Bockwindmühle. Das wäre dann ein Blick von Insel zu Insel, quasi interinsulär.

Plankenweg am Ufer in Töplitz
Plankenweg am Ufer in Töplitz

Einhaus

Am Rande des Wolfsbruches lässt sich unterhalb des Schwarzen Berges ein komplett zweckfreier, doch reizvoller Abstecher aufs Festland einschieben. Der schattige Alleeweg endet an einer sehenswerten Fußgängerbrücke, die hinüber führt nach Einhaus. Um dem Abstecher mehr Gewicht zu verleihen als das bloße Wechseln des Ufers, steht hier vor dem Rückweg eine winzige Runde bereit. Wer gleich auf dem Festland bleiben will, kann von hier in ca. 3 Kilometern den Bahnhof Golm erreichen.

Geschäftiges Hin und Her am Sportboothafen
Geschäftiges Hin und Her am Sportboothafen

Vom Schwarzen Berg führt der Weg zwischen Waldhang und Bruchwald nach Leest. An einer Stelle scheint ein riesengroßer Müllsack mit mittlerweile historisch wertvollen DDR-Abfällen geplatzt zu sein, die sich weitflächig über den Bruchwald verteilt haben. Da sind alte Spülmittel-Flaschen, Fischdosen, Margarine-Deckel, Kaffee-Tüten und auch Gläser und Flaschen aller Art, die eindrucksvoll zeigen, wie farbecht das damals alles war – einiges ist verblasst, vor allem auf Metal, doch die Farben auf Kunststoffverpackungen sind noch kräftig wie eh. Vielleicht ließe sich jemand finden, der begeisterter Sammler ist und den ganzen Kleinkram aus der Botanik klaubt – und damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Am Sportboothafen
Am Sportboothafen

Danach kommen wir vorbei an einigen Ufergrundstücken, die auf spartanische und zugleich luxuriöse Weise dem Verbringen schöner Stunden der Freizeit gewidmet sind – wirksam konzentriert auf das Wesentliche. Als Maßnahmen der Vorbereitungen einer abendlichen Herrenrunde knackt schon ein Lagerfeuerchen, um das zwei von ihnen sitzen. Ein Dreibein steht bereit mit einem Hängerost. Ein Dritter älteren Semesters steht konzentriert auf seinem Kahn in einem Teich, der nicht viel größer als der Kahn ist, und zielt mit einer ebenso konzentrierten Angel auf den Teich. Ein Vierter schließlich eilt herbei auf Frauchens Rad, und ebenfalls von ihr stammt auch der weiche Korb aus Schilfgeflecht, der mittig am Lenker hängt. Darin sorgsam abgelegt wie ein Neugeborenes sind Bierflaschen, Hals zu Hals gestapelt oder Krone zu Krone. Die sind vermutlich gleichzeitig Plan A, Plan B und sichere Bank für alle vier, falls der im Kahn nichts für das Dreibein liefern kann.

Leest

Hinter einem Pferdehof geht es im Bogen hinauf zur Landstraße und über die Autobahn, rechts davon liegen zwischen Leest und Eichholz die beiden höchsten Erhebungen der Insel. Hinter der Obstplantage begrüßt ein großes Schild die Gäste auf der Insel, und am abzweigenden Wege treffen wir nun auf die ersten blühenden Kirschbäume dieses Jahres – ein wunderbares Geschenk zum Abend und eine schöne Vorausschau auf die Zeit der Obstblüte am Ende dieses Monats.

Der Fußgängersteg bei Einhaus
Der Fußgängersteg bei Einhaus

Zurück in Töplitz lockt hinterm Friedhof noch ein kleiner Schleichweg hin zur Kirche, deren Kirchhof trotz seiner Winzigkeit verzweigt und auch verwunschen wirkt. Die Kirche selbst ist offen, drinnen empfängt eine große Klarheit in der Gestaltung, dazu die unvergleichliche Stille eines solchen Raumes und nicht zuletzt die charakteristische Luft aus Holz und Stein und Kerzenwachs. Ein bunter Strauß steht am Altar und zeigt hier noch einmal, wie fortgeschritten schon der Frühling ist.

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): 1-2stündlich mit Regionalbahn und Bus 612 über Potsdam und Bhf. Golm (ca. 1,25-1,5 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über Land (Charlottenburg-Spandau-Groß Glienicke-Neu Fahrland-Marquardt, dann kurz Berliner Ring, wahlweise auch Steglitz-Wannsee-Potsdam-Bornstedt-Leest) oder über den Berliner Ring, Ausfahrt Leest (ca. 1 Std.)

Länge der Tour: ca. 18,5 km, Abkürzungen, Teilung und Varianten sehr gut möglich (die Insel hat ein dichtes Netz an Wanderwegen)

Download der Wegpunkte

Links:

Tourismus-Informationen von der Insel

Weingut Töplitz

Informationen zum Werderaner Ortsteil Töplitz

Ideen für ein Wassertaxi zwischen den Ortsteilen von Werder

Einkehr: Hotel Mohr, schräg gegenüber der Töplitzer Kirche (keine eigene Erfahrung)
Landgasthaus Mühlenberg (an der Straße Zur alten Fähre)(zwischen Töplitz und Neu Töplitz) (keine eigene Erfahrung)
Besenwirtschaft des Weingutes auf dem Weinberg, Neu Töplitz (keine eigene Erfahrung)
Hafenrestaurant und Biergarten am Yachthafen Ringel (italienische Küche)