Treplin: Der Mühlenpool, die Hundertwundertüte und Tante Magdas Luke

Den schönsten Schneewinter seit langem hat dieser Februar serviert und dann gegen Ende unerwartet eine Konfettibombe dicken Vorfrühlings platzen lassen, die alle Leute auf der Straße für eine knappe Woche hellere Gesichter tragen ließ. Gefühlt waren die fünf Tage zwei Wochen lang und der Frühling also längst schon angekommen.

Im Tal des Mühlenfließes bei Treplin

Alles strömte nach draußen, Leichtigkeit und ein vorübergehendes Vergessen der Situation wurden zelebriert, mit kurzen Hosen, Strohhüten und beschwingtem Schritt. Ein Spaziergang galt nicht mehr als piefig, vielmehr als gelebte Freiheit, und alle Sorten von Menschen begegneten sich außer Haus beim Schritte setzen. Die plötzliche Mützenlosigkeit offenbarte ein regelrechtes Panoptikum notdürftig gezähmter Haarschöpfe nach den langen Zeiten ohne das Friseurhandwerk.

Kastanienallee vor Hohenjesar

In seinen allerletzten Tagen besann sich der Februar, straffte die Gesichtszüge und gab der Realität des Spätwinters die Hauptrolle zurück – auch wenn der März vor der Tür schon leise mit den Füßen trappelte und dies durch tausend Vogelkehlen bekräftigt wurde. Nach unerwartetem Bibbern wurden nochmal dicken Jacken und Handschuhe hervorgeholt, anstelle von Resignation jedoch der Kopf in den Nacken geworfen bei der baldigen Aussicht aufs nächste Kalenderblatt.

Russische Kapelle hinter der Kirche von Hohenjesar

Bei der Planung der passenden Tour für einen Tag zwischen den letzten Frösten und den ersten Bienen rief es auf der Karte von verschiedensten Ecken „Kommt doch zu miiiir!“. Irgendwann hatte sich das Gemüt dann auf die Gegend um Alt Rosenthal und Worin eingependelt. Und rutschte doch immer weiter nach Osten ab, bis schließlich kurz vor der Oder bei Frankfurt alles richtig schien.

Uferpfad am Hohenjesarschen See

Als die Tour schließlich stand und zumindest auf der Karte sehr verheißungsvoll aussah, fiel auf, dass bislang kein Meter davon begangen wurde. Komplettes Neuland ist mit den Jahren selten geworden, so ein reinweißer Fleck durchaus überraschend, und große Neugier war die Folge. Verraten werden darf: es wurde eine exklusive Wundertüte voller schöner Dinge, ganz klar mit dem Zeug zum Klassiker und einem Ruf nach Besuchen zu den anderen Jahreszeiten. Da trifft es sich gut, dass dieser ganz besondere Tag den hundertsten Beitrag hier füllen soll – auf so ein glückliches Zusammentreffen hatte ich leise gehofft, auch wenn die laufende Nummer mit der ersten Doppelnull nur eine Zahl wie alle anderen ist.

Altes Mühlengemäuer unterhalb von Treplin

Treplin

Treplin liegt Luftlinie zehn Kilometer vom Oderstrom entfernt im Lebuser Land, am seitlichen Ausleger eines Seensystems, dass sich zwischen Seelow und der Drahendorfer Spree erstreckt. Diesen Ausleger sieht nur, wer ihn auch sehen will, denn eine nasse Verbindung gibt es in der Tat nicht. Dafür plätschert direkt im Dorf ein richtiger kleiner Dorfbach, wie er häufiger im Sächsischen anzutreffen ist oder dort, wo es eben etwas hügeliger ist. Der hat zwei Ursprünge, schlängelt sich nach dem Zusammentreffen beider Arme nach Herzenslust zwischen den Gärten und Wiesen hindurch und ist mit zunehmendem Gefälle unterwegs ins nächste Tal.

Dorfbach in Treplin

Weiter südlich im Dorf steht die Kirche mit ihrem vergleichsweise neuen Dach auf einer sanften Anhöhe, über ihr lassen große Wolkengebilde nur wenig blau durchscheinen. Auf dem Wirtschaftshof dahinter wartet ein beerenförmiger Erdbeerkiosk mit geschlossenen Augenlidern auf die nahende Saison. Am anderen Ende von Treplin geht es nach dem ersten Bachkontakt und ein paar Minuten Straße bald schon in den Wald, vorbei am Forsthaus sanft hinab ins Tal des Mühlenfließes. Ein paar Forstleute bestücken gut gelaunt die Pritsche ihres kleinen Fahrzeuges. Verwitterte Wegweiser machen neugierig auf Rundwege um den Trepliner See oder zur Mühle.

Kirche von Treplin

Beständig fällt der Weg sanft ab, landet schließlich in einer laubbedeckten Landschaftskerbe. Hier liegt einiges quer, abgestürzte Äste oder ganze dicke Stämme, und ein gewisses Maß Gymnastik ist zu leisten, das gut und gern als Ausdruckstanz durchgehen würde. Unten angekommen liegt in gewisser Breite eine stille Wasserwelt, rechts tönt vom stattlichen Biberdamm ein leises Gurgeln herüber.

Grüner Grund am Dorfrand von Trepllin

Die Grenze zwischen Bruchwald und mäanderndem Bach ist undeutlich, obwohl in dieser Jahreszeit rein gar nichts die Sicht versperrt. Das Wasser liegt mal breit und ruhig, mal kräuselt es in Eile durch eine Enge aus Holz und Steinen, dann wieder gibt es sich verspielt, wählt mehrere Wege zugleich und nutzt die ganze Talsohle aus. Laub und Stämme sind eher noch fahl als klar einer Farbrichtung zuzuordnen. Das unaufgeräumte Waldtal in Verbindung mit den Sonnenstrahlen, die es bis hierher schaffen, lässt an Aufbruch denken, an schöne jahreszeitliche Stimmungen der vorausliegenden Wochen. Bunte Punkte finden sich noch keine am Waldboden, doch das Laub des glänzend lackierten Scharbockskrauts verspricht einen breiten Blütenteppich in absehbarer Zeit. Die letzte Spur der Morgenkälte zwickt ein wenig in den Wangen.

Hohlweg hinab ins Tal des Mühlenfließes

Herrenmühle

Bald erstreckt sich rechts des Weges nasses Grasland, komplett durchtränkt, gleich riesigen Pfützen. Alte Eichen halten in flehender Geste ihre langen Äste darüber, kräftige Stämme liegen weich gebettet und rindenlos und warten auf die nächste Phase ihrer Morschung. Irgendwann reißt der Blickkontakt zum glitzernden Wasser ab, der Bach verkrümelt sich in schilfiges Feuchtland und landet bald schon im Mühlteich der Herrenmühle. Der Weg läuft weiter am Fuße des Hangs entlang, dessen Flanke zum Teil steil aufsteigt, an einer Stelle an einen überwachsenen Burgwall denken lässt.

Mäanderndes Mühlenfließ bei Treplin

Die erste Spur der Nutzung als Mühle ist ein Wehr, das eher zu hören als zu sehen ist. Ein überwachsener Damm lässt einen Pfad durch zu den anderen Teichen, das Wasser fällt vom großen zum kleineren Teich einen knappen halben Meter. Beide liegen noch halb unter Eis. Auch das Hofensemble der Mühle ist zunächst eher zu hören als zu sehen, da ein Hund anschlägt und die nächsten Minuten nicht verstummt. Kein Grund, an den Tafeln des kleinen Lehrpfades vorbeizulaufen, die teils Spannendes über Wasserlauf und Mühle zu berichten haben. Ein genießerischer Blick auf die Hofanlagen ist dann doch nicht drin, da sich die Stimme des Tieres jetzt überschlägt, was man auch von seinem Hin- und Hergerenne sagen könnte. Die Aufgabe wird ganz klar übererfüllt und lässt mit schwerem Schlucken an linderndes Krügerol denken. Schön jedenfalls, als es wieder leise ist im Tal.

Schilder diverse

Ein frischer Wanderwegweiser zeigt nach Lebus, das keine zehn Kilometer entfernt ist. Auch ein Jakobsweg schlägt hier eine Extraschleife, um diese schöne Landschaft mitzunehmen. Kurz darauf kündigt sich voraus ein Landschaftswechsel an, der mit freier Sicht verbunden ist. Erst öffnet sich das Tal nach rechts und geht gehörig in die Breite, großzügig grundiert mit dichtem, winterblondem Schilf. Darüber ist der Himmel nun erheblich blauer, die Sonne trifft öfter die Gesichtshaut und kurbelt damit manches an.

Bruchwald im Talgrund bei der Herrenmühle

Noch bevor auch die Hangflanke zur Linken wiesenoffen wird und sanfter, beginnt eine prachtvolle Allee von Kastanien, die bis ins nächste Dorf reicht, fast einen ganzen Kilometer. Große Bäume und kräftige Stämme mit den typischen Charakterfurchen, und der Weg so ganz leicht mit einem im Tee, nie ganz gerade, einfach zauberhaft. Das muss ein Schauspiel sein im Mai, ein Duft und ein Gesumme.

Mühlteiche der Herrenmühle

Hohenjesar

Der Salomonweg steigt sanft hinauf nach Hohenjesar, das an einigen Stellen nicht ganz klar von Alt Zeschdorf abzugrenzen ist, dem Gegenstück am anderen Ufer dreier Seen. Die Vorgärten liegen so aufgeräumt, wie das für diese Jahreszeit typisch ist, bereit für Rabatten und Blüten und Grünzeug dazwischen. Chrysanthemen und Stiefmütterchen und auch Alium, diesen leicht sphärischen Bommeln am langen Stengel. Auf einer Ecke hält ein betages Häuslein mit letzter Kraft seine Mauern beisammen. Zumindest das Fundament ist für die Ewigkeit gebaut, aus gespaltenen Findlingen und größeren Feldsteinen mit einer lückenlosen Reihe Ziegelsteinen darüber.

Südliches Ende der Kastanienallee

Auf der Wiese direkt davor spielt sich im Stillen ein kleines Spektakel der Sonderklasse ab. Die ganze Wiese ist so voll von Krokussen, dass vom Gras kaum etwas zu sehen ist. Die Krokusse eher so klein wie wilde und trotz Sonne kaum geöffnet, so dass die zeitigen Bienen hier ihre erste Herausforderung finden. So winzig ist die Öffnung ganz an der Spitze, dass es selbst bei den kleinen Wildbienen quietschen dürfte, wenn sie sich da reindrängeln, um beste grüne Energie abzuziehen.

Kastanienallee bei Hohenjesar

Voraus ist die Kirche mit ihren hochliegenden Fenstern zu sehen, eher Lichtscharten. Sie wird sich später als Schlosskirche entpuppen, was auch einige stattliche Pfosten an einer langen Auffahrt erklärt. Auf den ersten Blick scheint das Kirchenschiff nach oben offen, doch in der Tat wurde pragmatisch und wirksam ein pfiffiges Flachdach aus Wellprofilen aufgesetzt, das seine grundlegende Funktion erfüllen sollte. Eine Treppe führt hinauf zum Kirchhof, und die sollte man keinesfalls links liegen lassen.

Krokuswiese vor dem Haus

Wer es bis zum Kirchturm geschafft hat, entdeckt von dort nämlich eine kleine Kapelle, die einem Märchenbuch entsprungen scheint und irgendwie nach Slawen oder Balten aussieht. In der Tat ist ihre Entstehung wenig blumig, doch was sie ein Jahrhundert später ausstrahlt, ist es um so mehr. Hier waren Könner ihres Fachs am Werk. Dem Anschein nach wurden weder ein Nagel noch eine Schraube verwendet, allein Balken und Holzdübel und handwerkliches Können.

Schlosskirche in Hohenjesar

Wer die Umgebindehäuser aus der Oberlausitz und den benachbarten Regionen Tschechiens und Polens kennt, wird sicherlich kurz daran denken. Durch das farbige Fensterglas lässt sich auf Zehenspitzen ein Blick in den Innenraum erhaschen, mit Zitaten an die zurückliegenden Jahreszeiten – Korngarbe und Adventskranz. Draußen beeindruckt das blassgraue Holz, das seit den zurückliegenden Zwanzigern allen Winden und Wettern ausgesetzt war. Wer sich die Zeit nimmt, hat auch am Dach und der Giebelwand so einiges zu kieken.

Russische Kapelle auf dem Kirchhof

Das waren jetzt schon drei große Kaliber – das naturromantische Bachtal mit der Mühle, die herrliche Kastanienallee und die russische Kapelle hinter der Kirche. Für gewöhnlich ist man froh, wenn sich auf einer Tagestour drei solcher sehenswerten Orte aus den Bereichen Natur, Kultur und Wegeschönheit verbinden lassen. Es fällt also beim Verfassen dieses Textes durchaus schwer, den Fuß auf der verbalen Bremse zu lassen.

Bunte Fenster und zurückliegende Jahreszeiten

Von der Kirche führt eine anmutige Straßenkehre hinab auf die Ebene der Seen. Noch ehe die Wasserhöhe erreicht ist, lässt sich über eine urige Stiege direkt zum Ufer abkürzen. Auch diese weite Wasserfläche liegt noch größtenteils unter Eis, das freilich niemanden mehr tragen dürfte, allenfalls besonders zierliche Enten. Zwischen einem breiten Schilfgürtel und dem flachen Wiesenhang beginnt nun ein Uferweg, der nach und nach Fahrt aufnimmt hinsichtlich seiner besonderen Gestalt.

Halbgefrorener Hohenjesarscher See

Zunächst läuft er als leise Trampelspur am Schilf entlang und lässt noch Zweifel offen, ob es überhaupt weitergeht. Eine Weide steht schon unter Saft und konkurriert mit ihrem wogenden Silberschopf gegen das vom Gegenlicht vergoldete Schilf. Nach und nach wird die kleine Flanke steiler und der ufernahe Pfad zu einer Allee, die sich zwischen hochgewachsenen Erlen und auch Pappeln hindurchquetscht. Verengt sich zwischen alten Bäumen zum Slalomkurs und muss Wurzelbuckel übersteigen. Viele der dicken Stämme mit ihrer tief gefurchten Rinde wurden vom Efeu erobert, dessen Stämme teils so dick sind, dass sich darum keine Hand mehr schließen lässt. Trotz Schattenlage fasst sich so ein Stamm warm an, wohl des struppigen Pelzes wegen.

Lichtspiele und Frisuren

Dieser Weg ist kaum länger als eine Drittelstunde, doch allein seinetwegen würde sich die weite Anreise lohnen. Am anderen Ufer ist unter nordischem Wolkenbild Alt Zeschdorf zu sehen, schräg gegenüber die Brücke über den schmalen Damm zwischen den Seeteilen. Im Norden fällt der Blick auf die hanggelegenen Wochenendhäuser und den Zeltplatz. Zwei Enten posieren und poussieren auf dem glitzernden Wasserspiegel – der Frühling ist nah.

Uferpfad bei Hohenjesar

Wer die Abwechslung auch im Kleinen mag, schlägt einen kurzen Bogen durch die Gärten und überwindet dabei ein paar Höhenmeter, der Abstieg kann über eine steile Stiege erfolgen. Zwischen dem Hohenjesarschen See und dem ähnlich großen Aalkasten dürfen Motorlose übers Mühlenfließ, das sich vom Aalkasten bald Richtung Oder wendet und dort auf seinen allerletzten Kilometern noch die Landschaft unterhalb der Lebuser Adonishänge veredelt.

Uferpfad gegenüber von Alt Zeschdorf

An den Wochenendgärten ist noch kaum Betrieb, vielleicht der nachgereichten Kälte wegen. Am Zeltplatz steht beim Seecamp eine Tafel draußen, aufgekreidet stehen Pfannkuchen und Kaffee, doch es sieht nicht aus, als wenn geöffnet wäre. Da die zweite Pause nur ein paar Minuten zurückliegt, gehen wir vernünftig weiter und bereuen es kurz darauf ein bisschen – zum einen wegen des versäumten Genusses, zum anderen wegen der verpassten Chance, etwas Geld hier zu lassen. Beide Probleme haben sich kurz darauf in Luft aufgelöst.

Und nochmal Uferpfad, kurz vor den Hanggärten

Alt Zeschdorf

Im Ort sind nun schon ein paar mehr Bienen unterwegs, vermutlich dank der warmen Hauswände, die auf die Schneeglöckchen und Krokusse in den Vorgärten abstrahlen. Drüben sägt wer was, weiter hinten wird etwas verbrannt. Ein paar Meter voraus sprintet ein Eichhörnchen über die Straße, verschwindet in einem grünen Weg und macht uns neugierig. Leicht abwärts geht es hier zur Badestelle, wo es neben einer großen Wiese auch einen kleinen Strand gibt. Ein breiter Steg ragt in den See hinein und gestattet Blicke übers Wasser und hinüber nach Hohenjesar.

Am Verbinder zum Aalkasten

Auf halber Hanghöhe steht eine Bretterbude, davor plaudern ein paar Leute, wirken eher privat. Doch es gibt ein kleines Kommen und Gehen, und so werden wir wieder neugierig. Beim Näherkommen ist zwischen den Menschen eine Luke zu sehen, drin sitzt eine Frau mit freundlichem Gesicht – und erneut sieht es nach Kinderbuchillustration aus. Wahrhaftig hat hier Tante Magdas Imbiss offen, und das schon den ganzen Winter über, so gut wie jeden Tag. Selbst bei minus sechzehn Grad. Die Kundschaft freut es sehr. Und uns nicht minder, denn eine Einkehr am Weg ist immer am schönsten.

Am Badeplatz in Alt Zeschdorf

Tante Magdas Imbiss

Nach kurzem Plausch mit einem Stammkunden aus dem Dorf wird schnell klar, dass hinter der Scheibe eine gute Seele des Dorfes werkelt. Nach diversen Bestellungen und etwas Geplauder mit der Dame selbst weiß ich, dass sie vom Südrand Polens kommt und hier mit kleiner, feiner Karte eine ansprechende internationale Mischung auf die Teller bringt – polnische Piroggen und Gemüsesuppe, ungarisches Goulasch, dazu Knödelscheiben als Gruß aus Böhmen. Gar nicht zu reden von den süßen Sachen, doch die müssen bis zum nächsten Mal warten. Die Frage, ob wir nach der Suppe wirklich jeder noch eine ganze Portion Goulasch wollen, war nicht unberechtigt. So bleibt für Feines zum Kaffee am Ende wirklich kein Platz mehr.

Frisch geworfenes Lämmchen

Nach mehreren Pendelgängen zwischen Kiosk und Strandbank reißen wir uns los und sind froher also sonst, dass noch ein gutes Stück Weg übrig ist, um schon mal erste Energieeinheiten abzubauen. Von Alt Zeschdorf hinüber nach Hohenjesar führt ebenfalls ein schmaler Damm, der die zwei Teile des Hohenjesarschen Sees ansprechend tailliert. Links am Hang stehen Schafe, dazwischen liegt noch etwas wacklig ein blütenweißes, wolliges Lämmchen, das gerade so alt sein wird, dass die Wolle nicht mehr pappt und die luftgefüllten Locken wärmen können.

Damm zwischen den Seen und den Dörfern

Im kleinen Park werden gerade die Bäume von morschem Geäst befreit, gegenüber sind allerhand Pferde unterwegs. Ein Pfad verlockt in den Rundweg um den Schlosssee, eröffnet wird mit einer enorm dicken Buche. Gleich daneben ist nun endgültig erkennbar, dass der Doppelort ein beliebtes Urlaubsziel sein dürfte, den alle Welt vielleicht längst kennt. Hinter einer Reithalle erstrecken sich elegant in blau gehaltene Stallungen und Arkaden an der Stelle, wo vormals wohl ein Schloss stand. Hier erklärt sich jetzt auch die Auffahrt mit den Pfosten von vorhin, welche das Areal der Hufe direkt mit dem der Kirche verbindet.

Rückblick auf Hohenjesar

Direkt an die Stallungen grenzt ein einladendes Ausflugslokal, gegenüber liegt ein Strändchen. Kurz hinter der Kirche drehen wir ab zum westlichen Dorfrand, von dem sich nochmals ein schönes Dorfbild mit Kirche bietet. Der restliche Weg verlangt nur wenig Konzentration und verläuft anfangs oberhalb der schönen Kastanienallee. Doch erst müssen wir noch einer grölenden Horde Drachen entkommen, die ein weitläufiges Areal von Viehställen bewachen.

Die Wipfel der Kastanienallee vom oberen Weg aus gesehen

Sie kommen in Gestalt dreier muskelbepackter Riesenköter daher, bei denen auf jegliche Art von Fell verzichtet wurde, teils auch auf Farbe, und die äußerlich restlos frei sind von Lieblichkeit. Die einzige Grenze zwischen der Drachenmeute und uns ist ein zweidrahtiger Weidezaun unter Strom, nicht höher als die Stirn des kleinsten der Fabelwesen und nicht dicker als ein Streichholz. Also eher eine sehr theoretische Barriere. Bestärkt von rationalen Argumenten, die wir uns in gedämpftem Tonfall glaubhaft zuraunen, stehlen wir uns im größtmöglichen Abstand an der lärmenden Horde vorbei. Und bleiben ungeschoren. Selten war eingekehrte Ruhe so schön.

Buschiger Weg gen Wald und Mühltal

Um so wohltuender ist nun der meditative Weg zwischen Busch- und Baumwerk, der ganz leicht abwärts führt, die Schritte von selbst geschehen lässt. Kurz nach dem verlockenden Abzweig zur Herrenmühle lässt sich vor dem Waldstück auf die Wiese abzweigen, zuletzt über ein paar bucklige Meter Pfad zum Hohlweg hinab ins Bachtal queren. Gen Norden werden die Reststoppeln der abgemähten Kornfelder von der tiefen Sonne nahezu plüschig beleuchtet.

Kurz vor dem Abstieg in den Wald

Nach etwas Fichtenwald erreichen wir den Talgrund und sehen, wie sich das Wasser im nassen Stoppelland breitmacht. Das späte Licht lässt die prall gefüllten Pollen-Würmchen der Birken erglühen. Kurz vor Schluss wird jetzt noch ein weiterer besonderer Ort hinzugefügt, als wir die zerfallenen Gemäuer der Mühle erreichen, die deren Grundriss anschaulich wiedergeben.

Gekämmte Stoppelfelder

Das Wasser flutet nach einem meterhohen Sturz einen der einstigen Mühlenräume zum steingefassten Schwimmbecken und liegt kurz darauf schon wieder spiegelglatt, als wäre nichts gewesen. Das zottige Gras der Ufer reicht hoch bis zum Rastpavillon und wird gegen Ende der Dämmerung sicherlich ein Eigenleben entwickeln. Hochromantisch ist es hier und etwas mystisch, ein flüchtiger Gedanke an Caspar, David und auch Friedrich flackert auf. Das ist jetzt so eine Situation zum Zeiteinfrieren, zum Festhalten des Moments, damit der Tag nur nicht zu Ende geht.

Am alten Mühlgemäuer bei Treplin

Doch mit einem Mal wird es belebt hier unten. Es ist ja auch eine zauberhafte Zeit, wenn der Tag ausatmet, die Luft im Tal spürbar kühler wird und das letzte Licht in den Baumwipfeln immer höher wandert. Einige Vater-Kind-Gespanne nutzen die Zeit nach dem Abendbrot zum kurzen Ausschwärmen vor der Gutenachtgeschichte, ein Pferd wird nochmal ruhig durchbewegt und zwei verhuschte Radfahrer erreichen ihr Ziel wohl später als gedacht.

Der Trepliner Dorfbach auf dem Weg ins Mühltal

Den Weg hinauf ins Dorf begleiten die verspielten Windungen des Dorfbaches, mal erdig in einer Furche, mal flach in der Wiese oder hübsch steinig inszeniert in einem Garten. Eine eilige Katze sieht zu, dass sie noch einen warmen Ofenplatz abfasst, denn es wird schneller kühl jetzt, auch hier oben. Die Abendamsel empfängt uns mit dem schönsten Lied des Frühlings, die Kirche legt fünf ruhige Schläge dahinter. Auch dieser Tag, er ist schon jetzt Legende.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
Regionalbahn nach Frankfurt/Oder, von dort mit dem Bus (ca. 1,25-1,45 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über Land auf B1/B5 (ca.1,5-1,75 Std.)

Länge der Tour: ca. 16 km (Abkürzunge vielfach möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Information zu Treplin

Information Hohenjesar/Alt Zeschdorf

MOZ-Artikel zur Russischen Kapelle

Zeitungsartikel zu Tante Magdas Imbiss

Einkehrmöglichkeiten: Tante Magdas Imbiss, an der Badewiese in Alt Zeschdorf
Seecamp am Oderbruch, am Zeltplatz nördlich von Alt Zeschdorf
Gaststätte Am Seeberg, Hohenjesar
Gaststätte Glück auf, Treplin

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6 Gedanken zu „Treplin: Der Mühlenpool, die Hundertwundertüte und Tante Magdas Luke“

  1. Was für ein schöner Eingangssatz, der die Stimmung der letzten Wochen perfekt beschreibt. Und ein schöner Bericht. Vielen Dank dafür. Ich freue mich schon aufs Nachwandern.
    Grüße aus Berlin, Carsten

  2. Lieber Gregor, mit deinen Worten und Bildern hast du mich für diese mir unbekannte Ecke Brandenburgs neugierig gemacht. Mal schauen, ob man mit Öffis gut hinkommt. Wenn ja, wird nachgewandert. 🙂

  3. Liebe Peggy, danke schön – das finde ich kurios, dass auch jemand wie Du noch nicht in diese Ecke vorgedrungen bist – und wünsche Dir schonmal viel Spaß dort, vielleicht schon mit etwas mehr Duft vom ersten Grün in der Luft!

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