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Berliner Spaziergang – Plänterwald: Bunte Schachsessel, die blasse Trennschärfe und ein Fenster zum Himmel

Wie zwei Bengels auf dem Schulhof balgen sich dieser Tage Frühling und Sommer, stellen sich Beine, grätschen und greifen auch mal unorthodox ins struppige Scheitelhaar. Die Siege werden nicht tageweise abgefeiert, sondern ziehen sich jeweils episodisch durch die Zeiträume zwischen zwei Sonnenaufgängen. Den ganzen Mai ging das schon so zwischen allen Wettern und Temperaturlagen hin und her, bis am Monatsübergang wie schon in so manchem Jahr spontan auf Sommer umgeschaltet wurde.

Mauerwegstreifen an der Kiefholzstraße

Der letzte Maitag und auch die darauffolgenden Tage des Juni standen spontan im Zeichen von kurzen Ärmeln und Sandalen, wehenden Kleidern und losen Hosen. Cabrios fuhren offen, Radler kurbelten vergnügter als zuvor. Alle Vögel, die man über den Lauf des Frühlings so hören möchte, waren oder sind noch Teil der Geräuschkulisse. Viele Paare haben sich gefunden und daher wird es ab jetzt wird es nach und nach stiller in Sachen Tirili.

Bassin im Schulenburgpark

Noch vor Ablauf einer Woche ging das Wettergeschehen dann wieder zurück auf Anfang Mai. Kräftige Winde schütteln seit Tagen alles Bewegliche, Hälse werden wieder bedeckt und Kapuzen übergezogen. Die freien Tage rund um Pfingsten fallen damit in Wind und Wasser, und wer den Strand von See oder Meer im Sinne hatte, musste stark sein – oder einfach stoisch aushalten, wenn es ins Bierglas regnet. Hin und wieder bricht die Sonne für ein Viertelstündchen durch und prahlt mit voller Juni-Kraft, doch das ist weniger noch als ein laues Tröstchen. Kann man also auch gleich in Berlin bleiben, wo sich die ständigen Wechsel im Wetter gut mit der Vielfältigkeit arrangieren lassen, welche die Stadt an so vielen Stellen und Vierteln bietet.

Schacheckchen im Park am Buschkrug

S-Bhf. Plänterwald

Vom Bahnhof Plänterwald mit seinem hübschen kleinen Vorplatz kann man sich nicht nur in Richtung Spree, Treptower Park und Plänterwald entfernen, es gibt auch einen kleinen Pfad am Fuß der Gleisböschung, der nach einem kleinen Schlenker zum idyllischen Grünzug des Mauerwegs führt. Wesentlich mitgestaltet wird die Idylle vom Heidekampgraben, der ja mit seinem schönen Namen schon ein Versprechen abliefert.

Gutshof Britz, bei den Tiergehegen

Gleich am Rand der Kleingartenanlage Sorgenfrei, wo Schilder aus dieser Richtung den Weg zur S-Bahn weisen, taucht man bei einer grauen Skulptur ein in diesen schmalen Streifen Grüns und verschwindet umgehend tief in die Natur, zumindest gefühlt. Das lichte Bild mit den mitteljungen Birken, den bewegten Gräsern und den geschwungenen Wegen ist vertraut von vielen anderen Stellen am Außenrand des einstigen West-Berlins. Heute strahlt es ebenso intensiv Frieden aus, wie der einstige Todesstreifen für negative Emotionen, Sorge und Leid sorgte. Hier öffnen sich kleine Wiesen, durch Regen und Wärme schon hochgewachsen und im Wind des Tages wogend, da und dort stehen großzügige Bänke als Angebot. Der Mauerweg scheint zu kichern und wissend „Mauer weg!“ zu wispern.

Mauerwegstreifen kurz vorm Dammweg

Das Wasser des Heidekampgrabens steht zwischen seinem üppigen Grün schattig und schwarz, obwohl es kaum mehr als knöcheltief ist. Dichtes Schilf und hochgewachsene Schwertlilien stehen am Rand. Am jenseitigen Ufer liegen Gärtchen, über denen sich in vereinzelten Blickfenstern immer wieder das aktuell höchste Haus Berlins erhebt, Nebengebäude eines bestehenden Hotels. Das in seiner architektonischen Originalität etwas bemüht wirkende Turmhochhaus an der Warschauer Brücke weist es mild lächelnd in die Schranken und kann damit ein paar Sympathiepunkte einheimsen.

In der Märchensiedlung

Immer wieder schweifen winzige Pfade mit wurzeligem Grund ab, teilt sich der Weg in einen Ast für eilige Radfahrer und einen anderen für Schlenderer oder Hundepersonal auf Leergang. An Tagen mit knallender Sonne gibt es hier schönste Schattenplätzchen, auf denen sich durch das stete, wenn auch lose Hin und Her eine gewisse Grundunterhaltung darbietet. Dabei ist diese wenig genug, um beim Lesen oder ähnlichem nicht groß zu stören.

Märchenbrunnen im Schulenburgpark

Beim Überqueren des meist leicht belebten Dammweges bietet sich ein Abstecher ins hübsche, denkmalgeschützte Siedlungsviertel mit den leicht gekrümmten Straßen an, welche allesamt nach Sternzeichen benannt sind. Das lässt sich aber auch gut und gern für einen anderen Tag aufheben, denn es könnte vielleicht vom bald kommenden, recht besonderen Park ablenken. Doch erstmal folgt noch eine Fortsetzung am stets leicht kurvig stehenden Heidekampgraben, der vor dem Unterführungshalbrund der S-Bahn-Trasse in ein kleines Teichoval voller Entengrütze ausbaucht. Für noch mehr Atmosphäre sorgen ein paar Hängeweiden.

Märchenbrunnen mit Blick aufs Bassin

Märchensiedlung

Gleich hinter dem Durchgang landet man in der verträumten Gartenstadt der Märchensiedlung, die quasi in unmittelbarer Nachbarschaft mit der markanten High-Deck-Siedlung beiderseits der Sonnenallee liegt. Beide liegen nur fünf Jahrzehnte auseinander, wirken jedoch von der Empfindung und vom Erscheinungsbild her wie aus verschiedenen Jahrhunderten. Und beide sind sie auf ihre Weise faszinierend. In der Märchensiedlung zwischen Planeten- und Rübezahlstraße gibt es neben kleinen Vorgartenstreifen auch einen tiefer liegenden, großen Innenhof voll üppigen Grüns, in welchen sich hier und da über den Gartenzaun ein Blick erhaschen lässt.

Kiez-Bäckerei an der Sonnenallee

Der weniger verspielte Häuserblock zwischen Gretel- und Drosselbartstraße dürfte zeitlich etwa auf der Mitte liegen und bietet damit ein schlüssiges Bindeglied. Wer noch den Abstecher zum Beton-Koloss der High-Deck-Siedlung einschieben will, kann sich dort eine sehenswerte Spielart der Trennung von motorisiertem und rein muskulärem Verkehr anschauen, die schon öfter als Filmkulisse herhalten durfte.

Pfad über den Venusplatz am S-Bhf. Köllnische Heide

Nach ein paar Straßenbögen ist der Von-der-Schulenburg-Park erreicht, ein Gartendenkmal, welches mit weiten Wiesen, alten Bäumen und der eleganten Anlage samt Bassin durchaus mondän wirkt und mit seinem stilistisch spannenden Märchenbrunnen der Siedlung einen gelungenen i-Tupfen aufsetzt. Die kleine, eher versteckt liegende Parkanlage wirkt weitläufiger als sie ist, das langgezogene Wasserbecken wird zu beiden Seiten von alten Platanen bestanden und ist lang genug auch für Enten, welche eine extralange Landebahn benötigen. Ein detailreicher Märchenspielplatz macht die Sache rund.

Bildprägendes Hotel-Hochhaus

S-Bhf. Köllnische Heide/Planetenviertel

Bestens passend zum Bedarf nach einer ersten Pause und der Lust auf einen dampfenden Kaffee ist der vielgesichtige Kiez rund um den S-Bhf. Köllnische Heide, wo die Planetenstraße die Sonnenallee quert und den Namen der langen Sonnenallee an dieser Stelle zu einen konkreten Bezug verankert. Passend dazu gibt es in Rufweite den Venusplatz und die Siriusstraße, in Schreiweite die Jupiterstraße und bald darauf die erweckte Frage, ob es eine Planeten Delphin oder ein so lautendes Sternzeichen gibt. Doch die bleibt fürs Erste unbeantwortet. Jetzt gehen wir erstmal in die Kiez-Bäckerei an der Ecke, wo einen hinter der verlockend bestückten Kuchentheke beste türkischstämmige Gastfreundlichkeit empfängt. „Wie viele Leute bist Du? Egal, kriegen wa irgendwie unter!“

Unterm Autobahn-Dreieck Neukölln

Herzlich geht es zu, und dementsprechend gut besucht von manch berlinerndem Stammgast, plaudernd-wortreichen Damenrunden oder Passanten wie uns ist das drinnen und draußen gemütliche Café, wo sich frühstücken, imbissen oder einfach Kaffee trinken lässt. Vieles muss bei nächsten Malen probiert werden. Direkt gegenüber gibt es gleich eine zweite Option, welche mit ähnlichen Reizen lockt und von steinernen Figuren umgeben ist. Die gehören thematisch noch klar zum Märchenviertel, stehen aber an den planetennamigen Straßen. Doch gänzlich trennscharf ist das hier ohnehin nicht immer zwischen Märchenfiguren, Planeten und Sternzeichen und auch eingestreuten Sagengestalten, denn neben der Delphinstraße gibt es drüben bei den Sternzeichen auch die Einhornstraße. Wahrscheinlich sitzt an jedem zweiten ungeraden Sonntag im Monat am Nebentisch der Klaus vom Planeten Delphin, Sternzeichen Einhorn, Aszendent Drosselbart.

Am Neuköllner Schifffahrtskanal

S-Bhf. Köllnische Heide

Die ganze Ecke ist wiegesagt enorm vielgesichtig. Die Kiezbäckerei ist stilistisch in einem der Häuser der Märchensiedlung untergebracht, auf der anderen Seite der Sonnenallee das zweite Frühstückscafé zählt schon zu einem Block neueren Datums mit einer kleinen, zwei flache Stufen höhergesetzten Ladenzeile im Untergeschoss, wo Haare schön, Nägel hübsch und Hautbildstecher gerahmt werden von einem Pizzaservice und einem Späti. An der langen Seite des Venusplatzes stehen wuchtige, fast etwas mondäne Bürgerhäuser.

Britzer Hafensteg

Der von gewaltigen Platanen umringte Platz ist zum größten Teil von einer bunten Blühwiese bedeckt, die wohl nur zweimal im Jahr gemäht wird und somit eine große Vielfalt an Wachsendem und Schwirrendem hervorbringt. Mitten hindurch geht in elegantem Schwung ein breiter Trampelpfad. Und rechts schaut zwischen den Häusern mal wieder der Hotelturm hindurch, der jetzt hier gar nicht sonderlich hoch, sondern eher stämmig aussieht. Die Wolken haben sich in der laufenden Viertelstunde zu etwas Heiterkeit entschlossen, doch eine Ecke weiter warten schon die nächsten düsteren Massive.

Hafen Britz-Ost mit Autobahnbrücke und Eisbrecher

Jenseits der Wiese wird der Blick angezogen vom eleganten Bahnhofsgebäude des S-Bahnhofs Köllnische Heide, einer von den weniger bekannten Bahnhöfen Berlins. Und auch leicht verwirrend, da doch das Waldgebiet Köllnische Heide eher in Richtung Köpenick liegt. Viele, die in anderen Stadtteilen wohnen, werden den Bahnhof am ehesten daher kennen, wenn Sie vom östlichen Ring kommend gen Schöneweide wollten und versehentlich in der Ringbahn saßen. Oder vom südlichen Ring kommend in der Ringbahn bleiben wollten und versehentlich im Grünauer saßen. Jedenfalls ein sehr schickes Empfangsgebäude mit schmalen, hohen Lichteinlässen und einem großflächigen Dach. Und mit direktem Anschluss an die Sonnenallee und zwei besuchenswerte Frühstückscafés.

Im Park am Buschkrug

Bis zum nächsten nennenswerten Parkgrün folgt nun ein spröder Abschnitt, der für uns als willkommene Knochenbeilage durchgeht (auch das ist Berlin), sich jedoch auch gut und genussverlustfrei mit einem Kurzstreckenfahrschein überspringen lässt. Die Verlängerung der Delphinstraße erfolgt in einem schmalen Gehweg zwischen Hecken und einer hübschen Häuserzeile, die ebenfalls nach Siedlung aussieht. Entlang großer Gewerbeflächen und rudelweise Bussen wird es nun minütlich lauter. Das ist kein Wunder, denn neben der verkehrsreichen Grenzallee liegt auch ein verschachtelter Autobahnknotenpunkt ums Eck. An der Szenerie von Hochhaus, Bogenbrücke und klobigen Gewerbebauten ist gerade gar nichts romantisch, eine Fasziniation geht von diesem Bild dennoch aus. Nicht zuletzt ist das dem aktuellen Wolkenbild geschuldet.

Wasserlauf im Park am Buschkrug

Autobahn-Dreieck Neukölln und Kanalkreuz

Kurz nach der wohl einzigen Autobahnauffahrt in Deutschland, die komplett ohne Hinweisschild daherkommt und wohl als Feldversuch auf menschliche Wahrnehmung und gesunden Menschenverstand setzt, liegt der lange Bau einer weltweit vertretenen Hühnerbraterei. Dahinter verschwindet, ebenfalls frei von Hinweisen, eine Zufahrt, in der ein Radweg wurzelt. Fünf Arme Autobahn sind hier gebündelt und verwoben, flechten sich in mehreren Ebenen durcheinander. Autobahnromantik in Reinbeton von unten, doch zumindest ein guter Regenschutz, falls es mal regnen sollte. Schon bald wird die schnelle Piste akustisch von einer umrankten Wand abgekoppelt, fängt nun eher der stille Neuköllner Schifffahrtskanal die Aufmerksamkeit. Am Ufer steht einzeln eine mächtige Kastanie und empfiehlt die Stelle für ein Päuschen.

Hochplateau überm Park am Buschkrug

Der Kanal lässt sich auf dem holzbeplankten Britzer Hafensteg überqueren, von der Stahlfachwerk-Brücke übersieht man gut das große Wasserstraßenkreuz, welches der abbiegende Teltowkanal gemeinsam mit dem erwähnten und dem von Osten hinzustoßenden Britzer Verbindungskanal bildet. Alle drei stehen sie mit dem Wasser der Spree in direkter Verbindung, und die große Kreuzung sieht schon ein wenig beeindruckend aus. Im Hafen Britz Ost liegt das Bild unterstützend der kleine Eisbrecher Seeadler, vorrangig schwarz, mehr als fünfzig Jahre alt und von der Bauart her fast noch etwas betagter aussehend. Das kompakte Stahlgefährt erinnert ein bisschen an die kraftvollen, wendigen Barkassen im Hamburger Hafen.

Akazienwäldchen an der Blaschkoallee

Jetzt folgt echte Knochenbeilage, doch nur ein kurzes Stück. Zwischen abgeparkten Hängern und Lastern wackelt ein Fahrschüler auf dem Mopped zwischen Hütchen hindurch. Auf der Buschkrugbrücke wird dann der Teltowkanal überquert und fürs Erste verabschiedet. Ein Burger-Kiosk in Hochuferlage würde einladen, ist aber heute geschlossen. Gegenüber erstreckt sich das Gelände des einstigen West-Berliner Spaßbades Blub, aktuell wird hier eine Wohnanlage mit flottem Marketing-Namen errichtet, der vermuten lässt, dass alle halbwegs originellen Namen schon aufgebraucht bzw. vergeben waren.

Rathaus Britz

Park am Buschkrug

Ein Schleichweg befreit vom Grundrauschen der Buschkrugallee und setzt sich im Kienheideweg fort, vorbei an einem kleinen, umzäunten Rosengarten. Einige Höhenmeter später landen wir im erwähnten nächsten Park, der ausreichend Stoff für einen längeren Aufenthalt bietet. Der Park am Buschkrug ist leicht hügelig, zu etwa gleichen Teilen von Wald und Wiese bedeckt und überreich an thematischen Spielplätzen und sympathischen Trimm-Dich-Strecken in vier Gruppen. Dazwischen gibt es gediegene Treppen mit breiten Stufen, schöne Plastiken und Mosaik-Objekte und ganz am Rand auch einen überdachten Flachbau mit Gastronomie. Ein Ort, der allein schon als kleines Ausflugsziel taugt und zugleich die einzige größere Grün- und Parkfläche im weiteren Dreh darstellt.

Am West-Berliner Fennpfuhl

Vorbei am Dracula-Spielplatz gelangt man zur Kreuzung an den Säulen mit den Namen europäischer Hauptstädte, kann von dort entlang des verspielten Wasserlaufes aufsteigen und die Wasser zum Laufen bringen, die Schleusentore öffnen oder schließen. Weiter oben steht mitten auf einer hoch gelegenen Wiese ein Tor, aus zwei Mosaik-Säulen wuchert ein eisernes Rosengeflecht als Torbogen. Gleich benachbart steht sich ein Paar gewaltiger Mosaik-Sessel gegenüber, zwischen sich ein Schachbrett. Und auch der Stufen-Abstieg zum U-Bhf. Blaschkoallee wird von Mosaik-Elementen begleitet. Wer war jetzt eigentlich Blaschko? Das war ein Mediziner, nicht aus der Slowakei, sondern aus dem brandenburgischen Freienwalde stämmig, welcher um die vorletzte Jahrhundertwende vor allem Geschlechtskrankheiten den Kampf angesagt hatte. Und Alfred hieß. Alfred Blaschko.

Rosengarten beim Schloss Britz

U-Bhf. Blaschkoallee

Jenseits der Blaschkoallee verschwindet man gleich wieder im Akazienwäldchen, einer lichten Wiese, die lose mit eben diesen Bäumen bestanden ist und wie eine kleine Hochebene wirkt. Von oben lässt sich auf die Türme und die Fassade der prächtigen Britzer Rathausanlage schauen, beim Verlassen des Parks fällt der Blick auf einen farbenprächtigen Hindu-Tempel mit zahllosen steingemeißelten Gottesfiguren in der oberen Fassade. Der Tempel ist einer von eher wenigen Hindu-Tempeln auf der nördlichen Erdhalbkugel und steht Besuchern mit unbeschuhten Füßen offen.

Im Rosengarten

Falls Fragen erwachsen, hier in aller Kürze ein paar sehr allgemein gehaltene Informationen: der Hinduismus, nach Christentum und Islam die weltweit drittgrößte Glaubensgemeinschaft, ist ein ganzer Komplex von Glaubensrichtungen. Der Buddhismus ging aus dem erheblich älteren Hinduismus hervor, dementsprechend haben beide eine Reihe von Gemeinsamkeiten, ebenso gibt es markante Unterschiede. Weltweit gibt es weit mehr als eine Milliarde Hindus, von denen der allergrößte Teil in Indien lebt.

Schlosspark Britz

Gleich geht es weiter im dichten Grün, das zum Fennpfuhlpark gehört. Dieser sieht gänzlich anders aus als sein liebevoll angelegter Namensvetter in Lichtenberg. Still, verwunschen und naturromantisch liegt der Weiher weit unten im Schatten, schattig sind auch die Wege entlang seiner Ufer und Wohnhäuser sind allenfalls zu erahnen. Nach einer Wiese mit wogenden Gräsern schafft ein breiter Weg entlang eines bemerkenswerten Schulgeländes die Verbindung zur Fuhlhamer Allee, wo jetzt mit dem Schloss und dem Kirchteich das Herz von Britz erreicht wird.

Schloss Britz

Schloss und Gutspark Britz

Schon fällt der Blick in den Schlosspark mit seinen alten Bäumen, doch vorher nehmen wir in einem Abstecher noch den Rosengarten mit. Gerade ist die Hochzeit der Rosen, und dementsprechend gibt es hier verschiedenste Exemplare zu bestaunen, mit Auge und Nase und auch sonst. Eine hübsche kleine Anlage mit verschiedenen Ebenen, einem Pergola-Gang und ein paar schattigen Bänken. Ein kleines Tor gestattet tagsüber den Übergang in den Schlosspark, gleich dahinter steht ein riesengroßer Gingkobaum und qualifiziert sich laut Texttafel als Baum mit außerordentlich hoher Stadttauglichkeit.

Allee im Schlosspark

Schon nach zwei Abbiegungen öffnet sich dann dieser herrliche Blick zum Schloss mit der Fontäne des Springbrunnens davor. Unterwegs gilt es noch, das Milchmädchen über seinen zerbrochenen Krug zu trösten und vom sprudelnden Brunnen aus einen Blick zurück in die herrliche Allee zu werfen. Hier und da rücken sich ein paar Palmen ins Bild, in großen, orangerietauglichen Bottichen. Eine weitere Pforte gestattet den Übergang zum Gutshof Britz, einer Anlage mit großem kopfsteingepflasterten Innenhof. Drum herum stehen eine Menge schöner Stall- und Wirtschaftsgebäude, in denen heute ein Museum, Kultur und Gastronomie untergebracht sind, auch eine Musikschule gibt es.

Freilichtbühne auf dem Gutshof

Ins Auge fällt zudem die Freilichtbühne, welche modern und minimalistisch gebaut wurde und über ein Zeltdach verfügt, genauer genommen also vorrangig eine Freiluftbühne ist. Hauptanziehungspunkt gerade für Familien dürften aber die verschiedenen Tiere sein, deren Gatter sich dahinter anschließen. Ein pittoresker, leicht gebogener Alleegang führt hindurch zwischen goldigen Pferden und still versonnenen Ziegen, vorbei an Ruhe ausstrahlenden Rindern und vielbeschäftigten Schafen. Nur ein paar Minuten entfernt lässt sich übrigens der Britzer Kirchteich auf einem Spazierweg umrunden, wobei sich die Kirche sehr schön in Szene setzt.

Gutshof Britz

Direkt am südöstlichen Ausgangstor beginnt dann einer von diesen waldschattigen Grünzügen, die es in West-Berlin an vielen Stellen gibt und wo man manchmal meint, sie würden sich mehr oder weniger gleichen. Und immer wieder feststellen darf, dass es so nicht ist. Links und rechts des etwa hundert Meter breiten Streifens stehen Hochhäuser und andere Gebäude, und doch hat man oftmals das Gefühl, tief im Grünen und fernab von Siedlungen unterwegs zu sein. Alles ist saftig, grün und würzig duftend, was auch den jüngsten Regengüssen zu verdanken ist. Auffällig sind die zahlreichen Spielplätze, welche den Waldweg begleiten und jeweils ein wenig anders sind als der vorhergehende.

Ziegengehege am Gutshof

An der rumpligen Rückseite einer kleinen Ladenzeile mit Mülltonnen und Entlüftungsgebläse endet der Waldweg recht schnöd. Nur ein paar Meter weiter führt ein Durchgang auf einen großen Parkplatz, über dem sich jetzt mehr und mehr eine voluminöse, tiefdunkle Wetterwolke festsetzt, drohend auftürmt. Das lang angekündigte Gewitter – das könnte es sein. Der Parkplatz übrigens wird dann und wann zum Marktplatz, so auch heute. Nur wenige Buden stehen noch, darunter die Hähnchenbraterei und der Experte für orthopädisches Strumpfwerk, die meisten jedoch sind schon im Abbau oder der Abreise begriffen.

Kleine Allee zwischen den Tiergehegen

Ganz links gibt es ein großes Geschäft für osteuropäische Lebensmittel, gleich rechts findet uns ohne Umschweife und zum richtigen Zeitpunkt der einladende Schankgarten einer richtig schönen Berliner Gaststätte. Hier ist alles so, wie man es sich an so einem Platz wünscht. Ein Tisch unterm Vordach ist frei und die Einkehr bekommt jetzt die Zeit, welche sie braucht. Die Küche weiß neben manch anderem, wie man richtig gute Bratkartoffeln macht, das ist immer schön und keineswegs selbstverständlich.

Grünzug Britz-Süd

U-Bhf. Britz-Süd

Ziemlich genau nach dem Zahlen bricht dann das Unwetter los. Wir wollen wie gehabt die Schirme aufspannen und losgehen, doch der graue Vorhang geht im 45°-Grad-Winkel herab, da schützt kein Schirm und meist auch keine Regenpelle. Also verlängern wir noch um ein Käffchen in Tresennähe und sitzen den so starken wie kurzen Wolkenbruch gemütlich aus.

Zeitweiliger Marktplatz Britz-Süd

Auch drüben beim Eingang zum U-Bahnhof gibt es noch so eine bungalowflache Ladenzeile, die vor allem mit Dienstleistern bestückt ist. Beim hübsch überdachten hinteren U-Bahn-Ausgang ist der Weg gesperrt, weithin und ernst gemeint. Die Umgehung auf einem mit Kiefern bestandenen Grünzug bringt uns zur Bruder-Klaus-Kirche, an der wir sonst vorbeigegangen wären. Das moderne katholische Gotteshaus hat ein riesiges, von einem winzigen Türmchen gekröntes Ziegeldach. Von Westen her lässt ein langes Dachfenster den Hauptteil des Lichtes in das Kircheninnere. Ein Blick ins Kirchenschiff ist vom Vorraum aus möglich, der komplett hölzerne, recht eindrückliche Dachstuhl liegt frei für den Blick. Der Lichtstreifen des langen Fensters wird um das Wort Hoffnung ergänzt, das kann man derzeit gar nicht oft genug vor die Augen bekommen. Nach Osten hin zeigen ebenholzdunkel drei hölzerne Tore, so groß, dass sie klassische Scheunentore würden winzig erscheinen lassen.

Bruder-Klaus-Kirche

Rudower Straße

Vom Ende der Baustelle geht es nun wieder weiter wie geplant, durch die parkgrünen Innenhöfe des Bruno-Taut-Rings, dann durch grüne Pfadgassen entlang kleiner Gärtchen. Die geleerten Wolken haben umgehend große Pfützen hinterlassen, sodass hier und da etwas Umhertanzen angesagt ist. Fast ohne Vorahnung wirft einen die letzte kleine Grünfläche an der breiten Rudower Straße aus. Der Bereich um die Kreuzung hat mit allerlei Geschäften und Gastronomie mit Siebziger-Jahre-Touch durchaus etwas Kieziges, auch wenn er durch seine Weite zunächst eher spröde wirkt. Fisch, Döner und Torten sowie ein Zeitungsladen auf der einen, Goldhähnchen und Rudower Quelle und Fontane-Apotheke auf der anderen Seite, um nur ein paar zu nennen. Dazu gibt es vier Bushaltestellen an allen vier Kreuzungsarmen.

Innenhof-Pfade am Bruno-Taut-Ring

Durch den Innenhof einer niedrigeren Plattenbausiedlung zieht sich ein Grün- und Spielstreifen, der von einem Brunnen mit Mosaik-Anleihen eröffnet wird. Auch eine wellige Fläche für Skater und Räder gibt es, groß angelegt mitsamt Brücke. Ab jetzt wird die Tour beschaulicher, nach und nach. Ein breiter Spazierweg taucht tief ein in ein ganzes Knäuel von Kleingartenanlagen, das abgsehen von einigen Hauptwegen frei von Autoverkehr ist. So lässt sich entspannt in die Gärten schauen, wo gerade alles blüht, allen voran natürlich die Rosen. Hunderte Gärten sind das, entsprechend groß die Vielfalt an Rosen und allem anderen. Viele Menschen sind nicht da, da ja kein Prachtwetter angesagt war.

An der Rudower Straße

Nach etwas Zickzack landen wir am Uferweg, welcher den Teltowkanal begleitet. Drüben säuselt die Autobahn, versteckt hinter Schallschutzwänden, gleich darunter verläuft gemeinsam mit dem Radweg einer der Grünen Hauptwege für Leute zu Fuß. Der Kanal bleibt hier im Hintergrund, der Weg wird beiderseits vom üppigen Grün der Jahreszeit gestaltet. Nach einem Parkplatz wandelt sich das Asphaltband zum leise knirschenden Splittweg und der Bogen der nächsten Kanalbrücke kommt in Sicht. Am jenseitigen Ufer sind die passiven Teile von Schubverbänden abgeparkt, leer und im Standby.

Innenhof am Goldhähnchenweg

Erneut wird nun der Teltowkanal überquert und damit die einstige Grenzlinie überschritten, wir sind nun wieder auf Treptower Seite unterwegs. Nach einem kurzen Stück unterhalb der Johannisthaler Chaussee wechseln wir in die nächsten Kleingartenanlagen. Im Unterschied zu vorher ist hier nahezu jeder Garten per Auto zu erreichen, das Ganze ist entsprechend etwas ungemütlicher und manche Pfütze kommt somit nie ganz zur Ruhe. Einige wenige Schleichpfade lassen sich auch hier finden, und die werden alle beide mitgenommen. Am fünften der Spartenheime, von denen bisher alle belebt waren an diesem Pfingstwochenende, ist gerade eine große Gesellschaft beim Feiern, mindestens jede und jeder Zweite ist elegant und zumeist farbenfroh gekleidet, was in dem grünen Rahmen für ein schönes Gesamtbild sorgt.

Durch die Kleingärten zum Teltowkanal

Der Königsheideweg ist die nördliche Begrenzung der Gärten und wir wechseln in den dichten Wald der Königsheide, das erste größere Waldgebiet heute. Auch hier scheint es geregnet zu haben, und so dampft es regelrecht aus dem dichten Wald, schiebt würzigen Duft aus allen Poren. Die erste Pfadpassage ist so schmal, dass wir quasi ununterbrochen vom klammen Laub gestriffen werden und bald gutgehend eingeweicht sind. Doch die Temperatur hat sich im Laufe des Tages in moderate Höhen hochgeschaukelt, und so geht das in Ordnung. Unzählige Pfade queren unsere Spur und es stellt sich die Frage, ob es irgendwen gibt, der sie alle kennt, sich vollständig in diesem größeren Wald auskennt.

Teltowkanal kurz vor der Johannisthaler Chaussee

Am Ostrand liegt das Breite Fenn, ein Feuchtgebiet und Überrest der ursprünglichen Spreeniederung. Doch das ist komplett und zudem weiträumig umzäunt, man bekommt also selbst vom Zaun aus nichts zu Gesicht. Daher sollte man an einer entscheidenden Stelle nicht nach rechts, sondern nach links gehen und sich dann gleich wieder rechts halten. Bzw. wenn man kurz nach einem rechten Abbiegen auf den Zaun stößt, gleich wieder zurückgehen und sich dann bei erster Gelegenheit rechts halten.

Pfad durch die Kleingärten Richtung Königsheide

All das wissen wir leider noch nicht, und so folgen wir dem zwar vorhandenen, doch äußerst schmalen Pfad quasi in dauerhafter Tuchfühlung mit dem Maschen des hohen Drahtzauns. Irgendwann ist alles so nass, dass es auch schon egal ist. Ohne Sucherei kommen wir zum Weg, der am Heizwerk des ehemaligen Kinderheims Makarenko vorbei zur Südostallee führt. Ab hier kann nun langsam getrocknet werden, damit wir letztlich auch in die S-Bahn gelassen werden.

In der grünen Königsheide

Da die Tour heute irgendwie im Zeichen von Siedlungshäusern stand, wird jetzt auch noch die hübsche Siedlung an der Friedrich-List-Straße mitgenommen, einer der vielen Orte in Berlin, wo man sich wie auf dem Dorf fühlt. Schleichwege durch die Gärtchen zwischen Straße und Schwarzem Weg, die es vor Kurzem noch gab, verbergen sich heute erfolgreich, sind vielleicht nur von der anderen Seite kommend ermutigend zum Eintritt. Oder einkassiert worden. Doch auch die Straße hat Anschluss an den Schwarzen Weg, von dem nun schon der S-Bhf. Schöneweide zu sehen ist.

Siedlungshäuser Friedrich-List-Straße

S-Bhf. Schöneweide

Der letzte Besuch hier liegt schon eine Weile zurück, das war noch vor dem großen Umbau, als die Damen vom Bäckerladen im Durchgang bedauerten, dass sie wohl vor Renteneintritt hier nicht mehr arbeiten würden. Da hatten sie wohl Recht, denn es hat ja eine ganze Weile gebraucht, weit mehr als zehn Jahre. Der Platz hinterm Bahnhof mit seinem Wäldchen im großen Öhr der Straßenbahnwendeschleife zählte während der Lehre jeden Tag zu meinem Arbeitsweg, weil ich dort frühmorgens von der S-Bahn in den Bus umstieg. Kann gut sein, dass ich seitdem nicht mehr hier war.

Hinterm Bahnhof Schöneweide

Jetzt ist es weit und groß, fast ohne Grün, und mutet nahezu wie ein kleiner ZOB an. Fast immer ist in der weiten Kurve etwas in Bewegung, sieht manchmal wie eine Choreographie zwischen gelben Bussen und gelben Bahnen aus. Hinauf zum Bahnhofsdurchgang führt eine breite Treppe, der Eintritt wurde mit großen historischen Ansichten des Bahnhofs gestaltet. Die S-Bahn rollt ein, die Schrift vorn am Zug und der Zugrichtungsanzeiger unterm Bahnsteigsdach sind sich nicht gänzlich einig. Egal – falls wir versehentlich an der Köllnischen Heide stranden sollten, ließe sich daraus auf jeden Fall etwas Gutes machen!












Anfahrt ÖPNV (von Berlin Zentrum):
mit der S-Bahn bis Plänterwald (ca. 0,25 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): nicht sinnvoll

Länge der Tour: 16 km (Ab-/Verkürzungen vielfach möglich)



Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

 

 

Einkehr (Auswahl): S-Bahn-Stübchen (Kneipe) am S-Bhf. Plänterwald
Kiez-Bäckerei, ggbr. S-Bhf. Köllnische Heide
Imbiss Z-Burger, Buschkrugallee/Brücke über den Teltowkanal
Café am Buschkrug, im Park am Buschkrug
Buchholz, Gutshof Britz (am Schloss)
Gaststätte Zum Bierseidel, am U-Bhf. Britz-Süd
div. Angebote, Rudower Str./Grüner Weg
Vereinsheime in den Kleingartenanlagen (z. B. Gaststätte Britzer Wiesen, Wirtshaus Heide am Wasser)


Berliner Spaziergang – Kreuz-/Schöneberg: Bienenkraut, stilles Blau und der Knick im Kanal

Der Sommer feiert sich selbst im ganzen Land und hat durch den steten Wechsel von Sonnenkraft und Wolkenbruch eine Farbenfreude und Üppigkeit wie schon lange nicht mehr. Die Vielfalt aller erblühten Pflanzen lässt kaum einen Farbton ungenutzt und der Duft aus reifem Korn und blühenden Linden wird von einer steten Brise durch Gärten und Landschaften getragen, wo er seinen jeweils letzten Schliff erhält. Es ist ein Sommer der Düfte, so viel ist klar.

Engelbecken

Freie Tage, lange Wochenenden oder ganze Urlaubswochen lassen sich in den meisten Gesichtern ablesen, die wunderbare Entspannung in so vielen Dingen ist nahezu greifbar, ein geschmeidiger Seelenbalsam nach dem ganzen Bangen und Zweifeln, was die Ferienzeit betrifft. In den Städten sind die Parks gut gefüllt, die Stimmung friedlich und ohne große Fragezeichen. Die momentanen Möglichkeiten werden ergriffen, umarmt und gewürdigt, zugleich noch besonders und schon wieder normal empfunden.

Streetart an der Bülowstraße

In der größten Stadt an der Spree sind nun wieder Hartplasterollen auf Gehwegpflaster zu hören, dazu ein paar mehr Sprachen von außerhalb und die auch öfter. Touristen von da und dort ertasten zaghaft die besuchte Stadt, die noch nicht ganz auf voller Fahrt läuft. Und scheinen auf eigene Faust ganz eigene Reize zu entdecken, die eher nicht in Damusstehin-Empfehl-Büchern stehen, sondern der ganz eigenen Neugier entspringen, vielleicht befeuert von Freundestipps über drei Ecken.

Im Park am Gleisdreieck

Für Leute von hier ist dieser Sommer eine ganz besondere Möglichkeit, ihr Städtchen selbst unter Lupe und Latsch zu nehmen – nicht so beklemmend stillgelegt wie noch vor wenigen Monaten, doch auch noch nicht so hackentretend überfüllt, wie es beliebten Touristenzielen eben beschieden ist. Alle Botanik ist saftig, grün und voll Volumen, die Tierwelt dem Anschein nach präsenter als gewöhnlich.

Am Urbanhafen

Wer die vielen grünen Korridore nutzt, kann so auch stundenlang flanieren, ohne klimatisch in Bedrängnis zu geraten. Ein kühler Ayran, die beste Wahl für heiße Tage, oder ein zapffrisches Blondes mit oder ohne Geschmack oder Umdrehungen ergibt sich in regelmäßigen Abständen, die Dichte der Gelegenheiten nimmt freilich in Richtung Speckgürtel nach und nach ab, der Literpreis im Gegenzuge eher zu.

Bunter Mittelstreifen auf dem Tauentzien

Ostbahnhof

Der Vorplatz hinter dem Ostbahnhof war zu besten Lebzeiten des Kaufhauses erfüllt von einem beschaulichen Markttreiben mit Klamotten, Kartoffeln und Krimskrams. Das ist über die Jahre eingelaufen zu einer kurzen Zeile von Nahrungshändlern, die ein Quäntchen Vertrauensvorschuss voraussetzen. Eine schöne Zusammenfassung des jetzigen Vorplatzes bietet das Schild des orangenen Containers „Bei Joe/Pizza Picos, Deutsche Küche/Pizza Pasta Cocktails“, das bei voller Außenbestuhlung und offenem Schirm durchaus einladt. Die Quoten-Grünpflanze und der beigestellte Touri-Zocke-Geldautomat machen das Service-Pack komplett – mehr bracht man erstmal nicht, wenn man nach langer Zugfahrt aus dem Bahnhof gefunden hat.

Kirchblick von den Bikini-Terrassen

Das Kaufhaus, das dem Ostbahnhof in der Vergangenheit zu einigem Gewusel verhalf, war während der letzten gut zehn Jahre der DDR das modernste und größte aller Centrum-Warenhäuser, geriet aber zuletzt durch die jüngeren Kaufgewohnheiten ins Hintertreffen, wurde von Jahr zu Jahr stiller und letztlich stillgelegt. Nach dem chassiserhaltenden Umbau trägt der große Quader jetzt neben viel Fassadenglas einen Namen, der dem Zeitgeist genügen soll. Diesem und den genannten Kaufgewohnheiten entspricht auch der aktuelle Hauptmieter, der auf seine Art auch wieder ein Kaufhaus ist.

Neu verputztes Centrum-Warenhaus am Ostbahnhof

Luisenstädtischer Kanal

Von der Schillingbrücke fallen in beide Richtungen spannende Flussblicke, nach Osten zur schönen Oberbaumbrücke und dem Treptower Park, in die andere Richtung hin zum Fernsehturm und der Wiege Berlins. Jenseits der Spree lässt sich schon bald unter die Straßenebene abtauchen, wie das in Berlin nur an wenigen Stellen so reizvoll möglich ist. Vor langer Zeit teilte sich der Luisenstädtische Kanal mit der Spree und dem Landwehrkanal das Wasser und stellte zwischen beiden eine Kanalverbindung von markanter Form dar. Das ist nicht ohne Grund so, denn hier hatte wieder einmal der Landschaftsarchitekt und Stadtplaner Lenné seine fähigen Finger im Spiel. Er wollte nicht nur eine pragmatische Abkürzung, sondern im selben Streich ein Stück städtisches Schmückwerk, das einem neuen Stadtviertel seine eigene Note verleiht. Der Plan ging auf und brachte für längere Transportschiffe die Herausforderung mit, auf dem kleinen Engelbecken im Winkel von neunzig Grad abzubiegen.

Die Spree am Ostbahnhof

Einiges später kamen nach drei entstellenden Jahrzehnten als Schuttdepot und Todesstreifen Arbeiten in Gang, die dem Kanalverlauf bereits sechs Jahre nach dem Mauerfall große Teile seiner einstigen Anmut zurückgaben, wenn auch ohne Wasserweg. Weitere folgten mit den Jahren, und mittlerweile kann man vom Urbanhafen bis kurz vor der Spree spazieren und wird dabei nur von einer größeren Straße unterbrochen.

Der Luisenstädtische Kanal auf dem Trockenen

Nur wenige Stufen sind es jeweils von der Straße hinab zum Grund des Engelbeckens, das gern synonym für den sperrigen, wenn auch schönen Kanalnamen verwendet wird, doch diese Stufen entführen in eine andere Welt. Würde man nicht ab und an den Kopf heben, ließe sich glatt vergessen, dass mitten durchs dicht besiedelte Kreuzberg spaziert wird. Blickfangend ist im ersten Teil die Thomaskirche mit ihrer großen Zylinderkuppel, später dann die Michaelkirche mit ihrer markanten Fassade, in deren Schiff unter freiem Himmel das Pfarrhaus und eine größere Wiese zu finden sind.

Engelbecken mit bewirtschafteter Terrasse

Engelbecken

Am Platz vor der Kirche liegt nahezu quadratisch das eigentliche Engelbecken, die einzige Stelle des Kanals, auf der Schwäne und Enten schwimmen können, ohne Staub aufzuwirbeln. Dafür haben sie reichlich Platz, denn eine Umrundung beansprucht mindestens fünf Minuten, immerhin. Wer die Vogelwelt oder auch die anderen Gäste ausführlich studieren möchte, kann sich auf ein kaltes oder heißes Getränk ins Café setzen.

Falls man nun gar nicht so weit gekommen oder nach dem Umrunden des Engelbeckens wieder auf dem Bethaniendamm gelandet ist, muss der Kurs nicht korrigiert werden, denn schon bald lockt ein kleiner Einschlupf in den Nachbarschaftsgarten Ton-Steine-Gärten. Dieser bietet nicht nur den beteiligten Gründaumen Seelenfrieden und innere Rast, sondern auch durchreisenden Besuchern vielfältige Eindrücke sowie verschiedensten Sechsbeinern Speis und Trank.

Nachbarschaftsgarten hinter dem Haus Bethanien

Der bunte Nutz- und Bauerngarten ist nicht groß, doch eine ganze Reihe krautiger Pfade führt hindurch und erweckt den Wunsch, nicht einen von ihnen zu verpassen. Köstlich duftet es von überall, würzig vermischt sich mit duftig und streng mit aromatisch. In den Blütenständen verschiedenster Gestalt tummeln sich weit mehr als die drei Schmetterlingsbildnisse, die man eben so kennt, oftmals teilen sich Summende, Schwebende und Flatternde oder auch Käfernde dieselbe Stängelei. Bei Leuten, die gern kochen, werden sofort einige Ideen für morgen durch den Kopf geistern.

Großnasige mit Niederdruck am Mariannenplatz

Mariannenplatz

Vor dem Haus Bethanien mit seiner hellen, detailverliebten Fassade erstreckt sich breit der Mariannenplatz, auf dem sich über viele Jahre manch chemisch erzeugte Träne ihren Weg gebahnt hat, bevorzugt um Anfang Mai herum. Heute liegt auch hier der Sommer mit seinem Frieden über dem Tag, wird sich gesonnt oder mit den Kindern Ball gespielt. Von weiter hinten ist ein gedämpftes Problemgespräch zu vernehmen, das trotz seiner Leisheit plakativ wirkt und einer Spontanperformance gleicht. Würde durchaus passen. Immer wieder besuchenswert sind auch die wackeren Feuerwehrleute am Brunnen mit ihren dicken Sattelnasen. Der Wasserdruck reicht heute nur bei einer der beiden Spritzen für einen schönen ballistischen Bogen.

An der Adalbertstraße beginnt nun einer der Teile von Kreuzberg, der Türkei-Liebhaber vielleicht ein bisschen in Urlaubsstimmung versetzen kann. Zwischen unzähligen Kneipen, Bars und Restaurants mit bunten Namen und einfallsreichen Fassaden gibt es immer wieder orientalische Impressionen, die dem laufenden Publikum und den Sprachfetzen, den Düften der Gemüsemärkte und Imbisse sowie der Stimmung insgesamt geschuldet sind. Es ist noch immer so besonders hier, wie es das kurz nach der Wende oder überhaupt schon immer war.

Am Kottbusser Tor

Kottbusser Tor

Gegenüber des Dönerladens mit der schärfsten Soße überhaupt liegt fast übersehbar ein kleiner Hof mit Wasserspielplatz, der gleichberechtigt auch das Friedrichshain-Kreuzberg-Museum beherbergt. Eine winzige Oase im lauten Gewühl des Verkehrs rund ums Kottbusser Tor, dessen Kreisverkehr auf ewig eine gewisse Unsicherheit beim Abbiegen mitbringt, egal ob man nun auf dem Rad oder im Auto unterwegs ist.

Wer direkt zwischen Unterführung und Kreisverkehr Hunger bekommt, muss sich nicht wundern bei all den Düften. Schwierig dürfte jedoch die Entscheidung fallen, denn hier lagern dicht an dicht zahlreiche Imbisse mit unentrinnbaren Argumenten für Nase und Auge, die schon beim bloßen Schauen direkt an die Zunge durchstellen. Der Gemüsestand mit den weitläufigen Auslagen tut sein Übriges.

Wenig Verkehr in der Admiralstraße

Jenseits der Skalitzer mit ihren Verkehrswirbeln gibt es zur Admiralstraße eine weitere Haus-Unterführung, hinter der es nun wieder herkömmlicher aussieht, auch die Welt der Düfte betreffend. Hinter einer hohen Sanduhr mit in Blech geschlagenen Charakteren drumherum und der Architektur jüngerer Jahrzehnte ist schon die Admiralbrücke zu sehen, auf der zu dieser frühen Mittagsstunde noch kein Mensch sitzt. Beim Späti fragen wir nach einem kalten Ayran, bekommen stattdessen einen Döner angeboten und zuletzt den Wunsch mit auf den Weg, die Sonne zu genießen.

Breiter Blick auf das Urban-Hafenbecken

Urbanhafen

Rund um den Urbanhafen wird auf der Hafenmauer sitzend oder auf den Uferwiesen fläzend neben der Sonne gleich der ganze Tag genossen, verquatscht oder einfach nur vertan, und wie immer steht hier am weiten Hafenbecken eine große Schar von Schwänen, die sich teils versammeln, teils unters Volk mischen. Schatten gibt es genau so viel wie Sonnenplätze, Angebot und Nachfrage passen aufeinander. Nur selten quatscht jemand lauter als nötig in sein Endgerät, ebenso selten wird auf seinen Weg bestanden, wenn ein Ausweichen nötig ist. Keine verbiestert rammelnden Stromräder, allenfalls genießerische Zügigkeit aus der eigenen Wade. Die Kreuzberger Entspanntheit fühlt sich echt an im Vergleich zu einzelnen anderen Kiezen, wo die Selbstpräsentation bereits in Fleisch und Blut übergegangen ist und den eigentlichen Menschen überlagert. Es ist durchweg angenehm.

Hafenkiosk mit Räumlichkeiten

Schwierig wird es nun, am Hafenkiosk des fest vertäuten schwarzen Zweimasters vorbeizukommen. Wir verschwenden keine Kraft mit Gegenwehr und finden einen der vielen schönsten Plätze mit Wasserblick. An den Nebentischen wird auf besonders schattigen oder besonders sonnigen Plätzen gelesen, palavert oder mit loser Hand skizziert. Auch zeigen junge Leute ihren Eltern aus der ferneren Provinz die schönsten Seiten ihrer neuen Heimat, Kreuzberg is gar nicht mehr so, küssen Großmütter feucht die Wangen ihrer zu langsam weggedrehten Enkel und wissen ihren Kindern guten Rat für dies und das. Dennoch finden die niedersächselnden Besucher wortreich, dass es doch nirgends so schön ist wie in Hannover.

Blick von Bord des vertäuten Zweimasters

Mehrfach wird am Ausschank das bestellt, was die Dame da zwei vor mir hatte, das sah so köstlich und erfrischend aus oder auch so frisch und knackig. Gemeint waren unter anderem der Eismilchkaffee oder die herrlich-farbenfreudige Salatschale aus Blättern, Körnern und Bohnen. Unter Deck werkeln elegante Thresenmänner, an der frischen Luft darf jeder Platz gewählt werden. Auch der, wo Kate-Winslet einst auf der Titanic stand. Drum herum und zwischendrin fliegen die stillen Schwalben ihre gewagten Manöver, etwas vor der Uferkante quäkt der Blesshuhn-Nachwuchs seine vorwurfsvolle Laute.

Hinter der Baerwaldbrücke teilt sich die Straße und lässt einem breiten Mittelstreifen Raum. Gleich zu Beginn darf eine kunterbunte Wiesenfläche in die Höhe krauten, nicht viel größer als zwei Klassenzimmer. Vom Pfad zwischen den beiden Pforten können halbwegs Geduldige auch hier eine große Vielfalt an Bienen und dergleichen entdecken und nehmen als Andenken vielleicht einen echten Mückenstich oder einen Brennesselbiss mit. Mehr und mehr gibt es solche Flächen kleiner Wildnis in der Stadt, bei denen es weniger auf Größe als auf gleichmäßige Verteilung ankommt. Angenommen werden sie gut, wie klar zu sehen ist.

Gern besuchter Insekten-Garten

Hinter der Kindervilla Waldemar mit ihren schattigen Spielflächen liegt einer der schönsten Biergärten am Kanal, der leider vor Kurzem abbrannte und erst wieder aufgebaut werden muss. Schräg gegenüber der Heilig-Kreuz-Kirche, die nicht nur als Gotteshaus dient, liegen drei Friedhöfe, die tagsüber einen ruhigen Durchgang zum Mehringdamm gestatten, zu anderen Zeiten ist die südlich verlaufende Baruther Straße eine gute Alternative. Wer die Augen ein bisschen aufsperrt und mit der Berliner Historie grundlegend vertraut ist, kann auf den Grabsteinen einige Namen entdecken, die direkt und nachwirkend mit der Stadt zu tun haben. Anmutige Grazien klappern auf Omas altem Rad über den Friedhof, gerade schnell genug, damit das offene Haar links und rechts des versonnenen Blickes schon etwas weht.

Mehringdamm

Nach dem Verlassen des Friedhofs auf dem lärmigen Mehringdamm ist gegenüber die Kastellburg der Dragoner-Kaserne kaum zu übersehen, die ein wenig nach Lego aussieht und heute das Finanzamt beherbergt. Dahinter liegt das Dragoner-Areal, um das seit längerem hart verhandelt wird – mit Erfolg, zumindest teilweise, denn Sozialwohnungen wurde hier dem Vernehmen nach der Vorzug gegenüber Luxusappartements gegeben, so sagt es ein gewichtiger Vertrag.

Park am Gleisdreieck Nahe Möckernkiez

Am ersten regulären Wohnhaus steht gewunden eine Schlange, so lang, wie sie noch vor zwei Monaten an den Teststellen zu sehen waren, als wieder ging, was lange Zeit nicht ging. Als ein positiver Test mehr Mehrwert brachte als nur im Baumarkt die dringend benötigten Schrauben zu erwerben oder das Teflonband zum Abdichten des lecken Rohrs. Hier geht es konkret um einen Gemüsedöner, der entweder richtig gut ist oder in einem dieser Bücher steht, die jetzt so langsam wieder an Gewicht gewinnen.

Wer das wohl im letzten knappen Jahr im Blick behalten hat, wo man unbedingt gewesen sein muss oder wo unbedingt hineinzubeißen ist? Wer Trends beobachtet hat, wo gar keine Leute waren? Oder einfach erfinderisch genug war und tatsachentolerant? An der gleich benachbarten Currywurst-Legende jedenfalls wartet kein Mensch, ebenso beim gewöhnlich gut besuchten Döner Ecke Yorckstraße.

Historische Ladenstraße des Technik-Museums am Gleisdreieck

Hinterm Rathaus Kreuzberg, das genauso aussieht, wie man es sich vorstellt und so ganz anders als das zinnenbewehrte Finanzamt um die Ecke, geht die Yorckstraße in ihre erste Biege. Zu Fuß kann man problemlos geradeaus auf der Hornstraße weitergehen, deren begrünter Mittelstreifen Schatten, Spielplätze und gelangweilte Bildschirmrumwischer auf Bänken bietet. Deren fließende Sitzhaltungen zeigen an, dass die berockte Großmutter ganz weit weg ist und ihnen daher nichts husten kann.

Wie ein Entree liegen mit einem Mal die extrabreiten Stufen zum Park am Gleisdreieck da. Oben gibt es einen herrlichen Niederflur-Kletterwald voller Stangen, zwischen diesem und dem Imbiss schon wieder eine kleine wilde Insel für Insekten, voll hüfthohen Krautes. Allein im Stangenwald ließe sich mit Kindern gut ein halber Schultag füllen, ein paar Meter weiter liegt dann entlang der Wiesenterrasse noch einen Streifen voller Entdeckungspotential. Anstatt Spielgeräten gibt es hier etwas Relief und liegende Stämme, verschiedene Untergründe und Wasser, Platz für Platsch und Mansch und dazwischen allerlei Pflanzen und Getier.

Im Park am Gleisdreieck

Möckernkiez

Direkt benachbart ist der relativ neue Möckernkiez, der in der Planung sicherlich gut gemeint war, aber so gar nicht nach seinem gemütlichen Namen aussieht. Insgesamt wirkt er blutleer und hat ein paar schöne Chancen verschenkt, was insbesondere in der charaktervollen Nachbarschaft zum Gleisdreieck-Park auffällt. Davon abgesehen dürfte eine Wohnung hier trotzdem ein Treffer sein.

Zum Park am Gleisdreieck muss nichts gesagt werden – in allem Neuentstandenen in Berlin findet sich hier ein einzigartiger Ort, der mitten in der Stadt so weitläufig sein darf, so viele Gesichter trägt und herrliche Blickachsen öffnet. Hier kann man sich herrlich verlieren oder einen schönen Platz finden und diesen für Stunden nicht verlassen.

Umschlossen von seinem Areal ist das Technikmuseum, von dem eigentlich immer irgendetwas heraussschaut. Zwischen Festplatz und Landwehrkanal spannt sich schnurgerade die sogenannte Historische Ladenstraße. In zwei Zeilen von Lagerhäusern mit langen Vordächern parken in dieser nahen Außenstelle des Museums unzählige verschiedene Geräte zum Bewegen von Menschen und Waren.

Im Schankgarten Eule

Die Straße endet vor dem Kanal am emporragenden Rotorblatt eines Windrades, sicherlich nicht dem derzeit größten und dennoch sehr eindrucksvoll. Eine Fahrradbrücke führt über den Landwehrkanal zum Parkteil am Anhalter Bahnhof, das dortige Tempodrom mit seinen Dachzacken war vorhin schon gut zu erkennen. Doch heute bleiben wir südlich des Kanals und spazieren auf der Luckenwalder Straße zum seltsam verloren gelegenen Eingang zum Kreuzungsbahnhof Gleisdreieck, an dem die meisten ja eher umsteigen.

Gleisdreieck

Verloren ist hier heute gar nichts, denn unzählige Rucksackler aus aller Welt bzw. in alle Welt stranden hier für eine knappe Stunde oder mehr. Der Grund ist eine der Teststationen, wo man kurzfristig das große Besteck der Testerei, sprich einen PCR-Test, machen kann, der Verbleib gestattet, verordnet oder eben Weiterreise möglich macht.

Weg zum Bülowbogen

Unter der U-Bahn-Trasse führt ein Durchschlupf zurück ins Parkgelände mit seinen verschiedenen Spielflächen für Kurz und Lang. Zwei Hochbahntrassen in Reihe liegen voraus, so dass fast zu jeder Minute ein schnell kriechender gelber Zug zu sehen ist, der mit dem unteren oder oberen Gleisdreieck-Bahnsteig zu tun hat. Dass die U-Bahn hier so gar nichts mit U zu tun hat, stört da überhaupt nicht. Die nördliche Hochtrasse klemmt eng zwischen neuen Häusern des teuren Segments und lässt damit einige Fragen offen.

Neben den rollenfreundlichen Asphaltbändern gibt es immer wieder offenen Schotter und Sand, aber auch große Holzterrassen und weite Wiesen, so dass hier gut vergnüglicher Sport getrieben werden kann, zugleich aber auch verschiedenste Kleinstbiotope im Spiel sind. Im Kontrast zu den offenen Flächen steht der herrlich schattige Waldspielplatz an der Kleingartenkolonie, die in ihrem Noch-Immer-Bestehen in dieser Lage selbst ein kleines Wunder ist und an ein gallisches Dorf denken lässt. Oder einfach Glück gehabt hat.

Amerikanische Kirche im Bülowbogen

In einem Dschungel aus üppig bewachsenen Pflanzenkübeln und mannigfaltig verbauten Holz-Paletten, vertischten Kabelrollen und aus Holzresten generierter Bestuhlung kann man sich im Café Eule einem wohltemperierten Päuschen hingeben, mit Sicht auf die Parzellen. Ganz am Rand des gepflasterten Areals steht ein Kiosk, wo es eine bunte Mischung aus allem gibt, was Kehle und Gaumen zur Sommerzeit erfreut. Zu empfehlen an heißen Tagen sei besonders die eiskalte, frisch gepresste Zitrone, auch die Optik des Kuchens hält, was sie verspricht.

In der Bülowstraße

Bülowbogen

Den südlichen Rand der Schrebergärten markiert die Hochbahntrasse, unter der man zum Bülowbogen durchkommt. Auch hier gibt es wieder eine großzügige Bienenweide, entlang der Rampe zum kleinen Skaterpark. Der Bülowbogen, den manche noch mit dem Namen Pfitzmann verbinden werden, umschmiegt die Amerikanische Kirche auf dem Dennewitzplatz. Auch hier steht eine Schlange an, ähnlich lang wie die vorhin, doch mit höherem Altersdurchschnitt. Und hat nichts zu tun mit Reiseführern für Berlin, denn hier gibt gerade eine der zahlreichen Tafeln aus, was übrig blieb.

Streetart in der Bülowstraße

In der Alvenslebenstraße stoßen wir überraschend auf die Kirchbachspitze, einen lehmbraunen Kletterfelsen des DAV mit Gipfelstange, derzeit gesperrt. Ihr alpin-reales Gegenstück ist in der Texelgruppe in Südtirol zu finden und liegt gut dreitausend Meter höher. Was ja jetzt auch nicht so viel ist. Gleich gegenüber des Gipfels geht es los mit der großflächigen Straßenkunst, welche die nächste Viertelstunde begleitet. Der Detailreichtum ist groß, die Fassade kommt dem zum Teil sogar dreidimensional entgegen.

Weitere Streetart ein paar Schritte weiter

Galerie Bülowstraße

Die Steinmetzstraße wurde als Promenade gestaltet, ist weitgehend verkehrsfrei. An der Ecke stehen zweimal zwei Brunnen, die allesamt baugleich sind und irgendwie zwischen Siebzigern und Achtzigern aussehen. Der linke Bürgersteig der Bülowstraße duftet dann nach Rasierwasser und Haarpflegeprodukten. Alle Herren auf dem Bürgersteig sehen so aus, gehen so aufrecht und duften, als ob sie frisch vom Coiffeur oder Barbeur kämen. Keinesfalls einfach nur vom Friseur oder Haarschneidermeister. Elegant, glänzend und mit dem letzten Schliff thront jedes Haupt über seinem Brustkorb, Maskulinesse und Revierehre schwingen mit in jedem Schritt und seiner Richtung.

An der Ecke Potsdamer Straße geht es dann in die Vollen mit der Fassadenkunst, die es in Größen von Miniposter bis traufhöhenhoch gibt. In zich Stilen, eins von der größeren Sorte wird gerade frisch hochgezeichnet. Der Ehrenkodex wurde an keiner Stelle verletzt, alles ist intakt. Bildgeschichten werden erzählt von einer ganzen Wand voller Einzelheiten oder nur einem einzigen Gesicht, einem markanten Blick, einer Körperhaltung. Manches kommt ohne Farbe aus, anderes feiert die Buntheit, wieder anderes deren Nuanciertheit.

Begegnungsstraße Maaßenstraße am Nollendorfplatz

Noch vor dem Nollendorfplatz drehen wir ab, um den Schatten der kurzen Nollendorfstraße zu genießen. Ungewöhnlich – hier steht eine kurze Reihe hoher Laubbäume wie nach Konzept in einer ebenfalls verkehrsfreien, gepflasterten Straße zwischen eleganten alten Hausfassaden. Eine besondere Straße, selbst für Berlin mit seiner stadtweiten verspielten Vielfalt in diesen Dingen.

Regenbogenkiez

Rechts fällt der Blick auf den U-Bahnhof Nollendorfplatz, hinter dem die U-Bahn in Richtung Westen wieder die Unterwelt abtaucht. Was nachts die Beleuchtung seiner Kuppel in alle Richtungen mitteilt, lässt sich auch beim taghellen Hindurchflanieren wahrnehmen, in der entspannten Verspieltheit des Straßenlebens, in den Fassaden der Bars und den Themen vieler Geschäfte. Die Gegend zwischen vier schönen Berliner Plätzen gilt als weltweit erster Regenbogenkiez, der schon in den Goldenen Zwanzigern des letzten Jahrhunderts für sein Nachtleben und seine Buntheit bekannt war und das bis heute lebendige Bild dieser lebensdurstigen Zeit mitgeprägt haben dürfte.

Viktoria-Luise-Platz

Nachdem hier mit vielen gelassenen Haaren das Dritte Reich überstanden war, erwachte der Kiez aufs Neue und ließ sich auch von den verstaubten Jahrzehnten der jungen Bundesrepublik nicht unterkriegen, in der Abweichungen vom gewohnten Hetero-Rollenbild strafrechtlich verfolgt wurden. Zuletzt war das in der Ausnahme-Fernsehserie Kudamm 56/59/62 anschaulich zu sehen. Der betreffende Paragraph übrigens verschwand tatsächlich erst Mitte der 1990er Jahre aus den Gesetzbüchern.

Abgesehen vom lebhaften Treiben auf den Trottoirs und den allgegenwärtigen Regenbogenfarben geht es hier wieder besonders friedlich und entspannt zu, wozu auch eine noch junge Idee beiträgt. Die Maaßenstraße wurde zwischen Nollendorf- und Winterfeldtplatz zu einer Begegnungsstraße umgestaltet, und das keinesfalls halbherzig wie an anderen Stellen in der Stadt. Eine Hälfte der Fahrbahn bietet nun reichlich Platz für Bänke, Pflanzkübel und Bistro-Tische, hat stark einladenden Charakter und wird von allen Altersgruppen gern angenommen.

Kurz vor dem Regen am südlichen Wittenbergplatz

Einzelne hochgezüchtete und hingebungsvoll polierte Karossen drehen auch hier ihre Runden wie um den Marktplatz einer Provinzstadt, doch auf Interesse oder gehobene Blicke können die Lenker kaum hoffen, auch wenn der lässig heraushängende Arm noch so ansehnlich ist. Hier ist alles andere interessanter, seien es gewagte Hüte, extrahohe Sohlen oder die Haltungsbestnote auf dem Elektroroller, dessen Trittbrett jedes Paar Sohlen in einen unvorteilhaften Dialog zwingt – eigentlich. Oder einfach nur die Omi, die schon immer hier wohnt und nicht einfach rausgeht, wenn sie rausgeht, sondern sich schon etwas in Schale wirft. Jegliche Spielart von Bohnenkaffee in den Cafés ist besonders wohlgeraten, eventueller Schaum überdauert locker eine Viertelstunde, ohne seine Fassung zu verlieren.

Lebensalterbrunnen auf dem Wittenbergplatz

In der Motzstraße gibt es zwei normale Fahrspuren für Autos, trotzdem wirkt sie fast genauso gemütlich wie die Maaßenstraße und könnte so auch im sympathischen Erlangen, Potsdam oder auch dem herrlichen Viertel südlich des Sendlinger Tors in München liegen. In der Farbenmischzentrale, die thematisch kaum besser platziert sein könnte, kann man internationale Tapeten bekommen. Von all dem abgesehen steuert die Motzstraße auf den ovalen Viktoria-Luise-Platz zu, dessen Fontäne schon zeitig zu sehen ist. Rund um den Brunnen sitzen Leute auf den Bänken, viele mit einem Eis auf der Faust, für das jetzt der richtige Moment ist, endlich.

Viktoria-Luise-Platz

Auf dem steinernen Bankenrund haben sich zwei Damen niedergelassen, die gedämpft über Literatur palavern. Ein junger Vater fängt immer wieder sein wieselflinkes Erstgeborenes ein, während das Zweitgeborene seiner Mutter auf den Leib gebunden schläft und noch nicht älter als zwei Nächte sein kann. Ein Mädchen in kunstvollem Komplettschwarz hat sich gekonnt auf die glatte Steinfläche gegossen, ist verschmolzen mit der Musik aus den Ohrstöpseln und müsste eigentlich hier und jetzt gemalt werden.

Klassischer Blick auf dem aufgemoppelten Tauentzien

Währenddessen wird es langsam ernst mit dem Gewitter, das sich schon länger ankündigt. Eine Zwischendämmerung dimmt das Licht, Staub und Blätter werden auf Augenhöhe gewirbelt und von allen Seiten scheint es still zu raunen. Der Schlenderschritt weicht einem entschlosseneren, der rasch zum Wittenbergplatz führt, welcher ganz im Zeichen der Außengastronomie steht. Das Wetter hält sich noch kurz zurück und lässt einen langen Moment zum ausführlichen Beschauen des Lebensalterbrunnens.

Tauziehnstraße

Den Tauentzien sind wir ewig nicht lang, und das lohnt sich jetzt, denn nach langen stiefmütterlichen Jahren ist der Mittelstreifen mit seinen symbolträchtigen Blickachsen richtig schön geworden, fast ein bisschen prächtig. Die Neugier uns zieht weiter Richtung Kirchdoppel, denn vom Breitscheidplatz mit seinem verspielten Weltkugelbrunnen ist Live-Musik zu hören, als liefe heut die Féte de la Musique.

Breitscheidplatz mit Turmbauten

Was hier zu hören ist, bietet jedoch anstatt räumlicher Verteilung zeitliche Langstrecke. Über volle drei Monate findet nach einer stark eingedampften Straßenmusiksaison der Kultursommer 2021 statt, der eine Handvoll verschiedener Formate unter einem Dach vereint. Musiker, Kulturgruppen und Theater können sich hier einem breiteren und vor allem leibhaftigen Publikum zeigen und prüfen, ob der Funke überspringt. Alle, die hängenbleiben, saugen es sichtlich auf, direkt vor einer Bühne zu stehen, die doch so ganz anders ist und so viel mehr als ein gleichgroßes Projektorbild vom hochauflösenden Livestream. Der Regen stört niemanden, zumal die Bühnen überdacht sind und somit weder Klampfen, Künstler noch Kostüme großartig nass werden können.

Wer übrigens vor dem Gang zum ruppigen Mikrokosmus des Bahnhofs Zoo noch kurz einen Emporenplatz über der Bühnenlandschaft haben möchte, steigt ein paar Stufen aufs Oberdeck des Bikini-Hauses und kann dort entweder Affen mit roten Hintern, Einkäufern unter Glas oder eben der Musik auf dem Platz seine Aufmerksamkeit schenken.

Auf den Bikini-Terrassen

Und wer nach einiger Zeit vielleicht genug gehört hat und neben Ruhe für die Ohren auch gleichzeitig Ruhe für die Augen wahrnehmen möchte, sollte nicht am achteckigen Schiff der Neuen Kirche vorbeigehen, die mittlerweile seit fünfzig Jahren hier steht. Nach dem Platznehmen im Innenraum beginnt der Blick langsam zu schweifen, der Kopf folgt mit kreisenden Bewegungen. Der Puls wird ruhig und betont bald jeden seiner Schläge. Um wieder aufzustehen, bedarf es einiger innerer Überredung. Diese blaue Puderdose, sie ist ein besonderer Ort.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
mit der S-Bahn nach Ostbahnhof

Anfahrt Pkw (von Berlin): nicht sinnvoll

Länge der Tour: ca. 14 km (beliebig erweiterbar, per ÖPNV beliebig abkürzbar)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Einkehr: große Vielfalt von Angeboten direkt am Weg