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Klein Kreutz: Drei Berge, das Schilfreich und der Flirt mit der Havel

Das Jahr 2019 hat den Betrieb aufgenommen, und so wie die zweite Dezemberhälfte des letzten Jahres haben auch die ersten Januarwochen jeden Tag wenigstens etwas Niederschlag gebracht. Die gnadenlose Großwetterlage dieses dürren Sommers ohne Ende ist also definitiv durchbrochen. Was nun Lichtmangelerscheinungen und Winterdepressionen oder dem Abspielen von Musik mit wenigstens einer Prise Blues in ihrer DNA verlässlich Vorschub gewährt, bedeutet für die vom letzten Jahr erheblich runtergerockte Natur ein erstes Aufatmen. Trockengefallene Dorfteiche und Grabensysteme oder Bruchwälder mit raschelndem Unterholz können auf Wassernachschub hoffen und damit manch trauriger Anblick wieder im Bereich des Normalen verschwinden.

Blick über den Beetzsee

Der Deutsche Wetterdienst verheißt auch für heute tagesbegleitendes Tröpfeln verschiedener Stärkegrade und bestätigt damit die Zeitungsmeldung vom Vortag, nach der die Spree auf ganzer Länge wieder vorwärts fließt. Die aus dem Mecklenburgischen kommende Havel setzt noch einen drauf und deutet an einzelnen Uferstellen klar erkennbar etwas Drüberwasser an, was gut zu den überschwemmten Wiesen in ihrem Hinterland passt und all den ausgedehnten Pfützen auf den Straßen.

Es ist wirklich unwirtlich da draußen vor der Tür, sogar die hartgesottenen Krähen klingen etwas klagender als sonst, fast vorwurfsvoll. Die Dämmerung beginnt direkt nach dem Hellwerden, der wassergetränkte Wind scheucht um die Häuser und die nicht für Schnee ausreichende Kälte will bis unter die innerste Kleiderschicht krauchen. Manches ungelesene Buch, sorgfältig herausgeschobene Vorhaben oder die Aussicht bloßen Müßiggangs bieten zudem eine verlockende Alternative zum Verlassen der Wohnung, das der Drang nach freiem Himmel, reichlich Platz und frischer Luft mit Nachdruck fordert. Da zu diesem Nachdruck noch die Neugier auf nie gegangene Wege und eine lange Havel-Abstinenz kommt, kommt es letztlich doch so, wie es kommen muss.

Schon auf der Hinfahrt Richtung Brandenburg wechseln die Wetter in kurzen Abständen. Immer wieder hinterlassen die Regentropfen ihre Bremsspuren auf den Scheiben, mal in nachvollziehbaren und sekundenlang verweilenden Strichen, dann wieder in flächigen Vorhängen mit leicht gewelltem Rand, der die Sicht nach draußen in Unschärfe verschwimmen lässt und Interpretation fordert von allem, was vorbeifliegt. Bekanntermaßen gilt die Havel als durchaus einflussreiche Wetterscheide, und so bleibt bis fast zuletzt die Hoffnung, sich auf der richtigen Seite des Flusses aufzuhalten. Erst ganz am Ende des Tages wird sich zeigen, ob dem so war.

Blick vom Weinberg zur Stadt Brandenburg, Klein Kreutz

Klein Kreutz und Groß Kreutz – das ist einer der wenigen Fälle, wo bei ähnlicher Namenslage und anzunehmender Beziehung beide Orte nicht nur entfernt voneinander sind, sondern zudem noch durch einen wirklich breiten Fluss getrennt werden. Dessen nächstbenachbarte Brücken liegen gute dreißig Kilometer auseinander – eine in Brandenburg selbst, die nächst flussaufwärts erst kurz vor Werder. Während das größere Groß Kreutz gewissermaßen auf dem Festland liegt, gibt sich das Land zwischen Tremmen und Klein Kreutz auf der Karte fast wie eine große Halbinsel mitten im Land, umgeben von einer fünfzig Kilometern langen Uferlinie, die komplett von Havelwasser befeuchtet wird. Nur ein paar Bäche steuern hier und da noch ein einige Liter von kürzerer Reisezeit bei.

Klein Kreutz

Klein Kreutz hat alles, was ein Dorf braucht und noch etwas mehr. Zur Grundausstattung von Kirche, Feuerwehr und gediegener Dorfstraße gesellen sich neben Spiel- und Sportplätzen und einem echten Bäcker noch ein halbseitig bewaldeter Weinberg sowie ein urwüchsiges Flussufer hinzu, ferner ein ausgedehntes Feuchtgebiet mit schönem Dammweg mittendurch. An manchen Stellen verströmt Klein Kreutz das Flair eines norddeutschen Küstenortes, weiter drinnen sieht es teilweise aus wie am Mittelgebirgsrand. Straßennamen wie Klein Kreutzer Havelstraße, Klein Kreutzer Bergstraße oder Alte Weinberge bekräftigen diese Mehrschichtigkeit.

Auf dem Weinberg, Klein Kreutz

Der Spielplatz hinter der alten Feuerwehr spricht mit seinem rustikal möblierten Potential zwischen Rumturnen und Abhängen fast alle Jahrgänge unterhalb der achtzehn an und deutet mit etwas Flanke schon die bergige Seite des Ortes an, die neben Kiekeberg und Weinberg noch eine namenlose Zwischenerhebung zu bieten hat. Es sind zwar nur Berge im märkischen Maßstab, doch der Aufstieg sollte jeweils dafür ausreichen, dass am Ende niemandem mehr kalt ist unter seiner Jacke.

Drei Berge sollen heute am Weg liegen, ein jeder von ihnen mit eigenen Charakterzügen. Der Weinberg ist der erste in der Reihe und bietet als einziger eine schöne Sicht auf die Stadt Brandenburg, in der auf den ersten Blick ein paar Türme zu fehlen scheinen. Doch das regelt sich auf dem weiteren Weg nach Westen. Der Anstieg führt vorbei am herrlich gelegenen Kindergarten, der sich vermutlich nicht mit irgendwelchen klangvollen Konzeptbezeichnungen schmücken muss – die Lage ist selbsterklärend. Dass es dort das ebenfalls selbsterklärende Café Blubberlutsch gibt, ist dennoch eine Erwähnung wert und dürfte bei jedem Erwachsenen sofort ein international gültiges Klangbild im Kopf aufrufen und abspielen.

Im Havel-Bruchwald bei Klein Kreutz

Weinberg

Gleich dahinter geht es vorbei an Obstwiesen hinauf in den Wald, der Laub- und Nadelholz geschickt mischt und damit die ganze Ostflanke abdeckt. Die nur sporadisch von Bäumen bestandene Westseite ist vielleicht klimatisch bedingt, auf jeden Fall hält sie den erwähnten Blick auf die einmalig schöne alte Stadt an der Havel frei und lässt jeden besonders zufrieden blicken, der in kalter Verachtung von Gewichtsersparnis an ein Fernglas dachte.

Der knackige Abstieg vom Gipfelplateau verläuft auf sandigem Pfad und führt fast ohne Übergang in die nächste besondere Landschaft, die nun eher von Nah- als von Fernsichten lebt. Ein schnurgerader Damm führt durch ein Feuchtgebiet, das mit etwas Wohlwollen an die markanten Moorflächen erinnert, die man überall im Lande treffen kann, wenn auch nicht gerade häufig. Der durchgängige Nieselregen hat dafür gesorgt, dass die Wiesen ringsherum unter Wasser stehen und der Bruchwald so feucht ist, dass dort die Schwanenkinder ohne elterliche Aufsicht durch den Unterholz-Dschungel tingeln. Alles Wasser hier steht schon mit der Havel in Kontakt, die etwas weiter hinten ihre urwüchsige und schilfreiche Uferlinie spinnt. Am jenseitigen Flussufer mündet in ausgedehnten Schilfflächen die wenig bekannte Emster, die man eher in ein anderes Bundesland packen würde und die unweit von Lehnin ihren Ursprung hat, gar nicht weit von hier.

Junger Schwan im Bruch

Eine Bank am zauberhaften, stillen Weg ist der Platz für die erste Pause, schließlich ist bereits ein Berg bezwungen. Das flache Wasser des winterbleichen Bruchwaldes ist klar, leicht golden und vermutlich eisig kalt. Die grauen Schwäne tun, als wären sie nicht da. Sind schon groß wie ihre Eltern, doch zugleich kommt irgendwo aus ihrer Mitte noch das gedämpfte Gepiepse, das vom anhaltenden Kükenstatus zeugt.

An einer kleinen Brücke endet der Dammweg, kurz darauf quert die breite Dorfstraße und lässt von links und rechts tüchtige Geräusche hören. Da sind sie wieder, die Vorhaben, die man aufs neue Jahr vertagt hatte und jetzt beherzt angeht, um bei Sonnenuntergang mit einem wirklich guten Gefühl ins Haus zu gehen. Schubkarren sind dabei und Schaufeln, Leitern und sogar ein Rasenmäher. Was geschafft, nicht nur gequatscht, gleich getan. Und in Stunden erledigt, was einen übers letzte Jahr mit weit mehr Zeitaufwand beim Aufschieben belastete.

Hinter Klein Kreutz

Auch beim Zimmereibetrieb nutzt einer die Gegenheiten des Wetters, um den buckligen Hof zu plätten mit einem dieser vibratorischen Teile, die wirklich im ganzen Dorf zu hören sind. Direkt daneben führt ein kleiner Pfad am Zaun vorbei und setzt den schnurgeraden Spazierweg hinterm Dorf fort. Rechts ist der Stufengiebel der Kirche vor der Kulisse des Weinberges zu sehen, eher als Bergdorfimpression, nach links gen Sportplatz erahnt man hinterm Sportplatz einen Altarm der Havel und hört sie zudem fließen – vermittels stampfender Dieselmotoren von Schubverbänden, die sich angestrengt stromaufwärts kämpfen.

Am Rand des Ortsteils Klein Kreutzer Eigenheime beginnt ein Weg, der nach all den Besonderheiten des Einstiegs nun das Verlangen auf Platz und Weite bedient. Der Wind kommt stramm von vorn, und so wie den ganzen Tag schon schauert es gelegentlich. Schön ist dabei, dass die Pausen dazwischen meist länger sind als die Zeiten des Niederschlags selbst, die Schirme die meiste Zeit geschlossen bleiben können. Wenn sie offen sind, gibt ihre wettergegerbte Mechanik alles im strammen, launischen Blasewind.

Bei den Wochenendgärten am Beetzsee

Die Luftlinie zur Stadt Brandenburg schrumpft nach und nach, und in der Tat kommt mit jedem Kilometer ein weiterer vermisster Turm hinzu zur Silhouette der Stadt, zuletzt ist die Friedenswarte auf dem Marienberg nicht nur schemenhaft, sondern in ihrer griffigen Siebziger-Jahre-Form erkennbar. Rechts des Weges erstrecken sich Spargelfelder, deren Abdeckplanen gekonnt befestigt wurden, keine von ihnen ist aufgeworfen. Auf Höhe des grasgrünen Segelflugplatzes beginnt rechts des Feldweges ein schöner Wiesenweg entlang von Büschen, der den Wind etwas entschärft. Weiter hinten lagern Schwäne auf den Feldern.

Stiller Teich bei den Wochenendgärten

Am offenen Foyer zum Flugplatz, der auch „Airport Brandenburg Sailplaning Regional“ heißen könnte, stehen frei zugänglich zwei tapsige Betonflieger zum Rumklettern. Gleich dahinter quert an einem maximal reduzierten Buswartehäuschen die Landstraße, begleitet von einem Radweg, der scheinbar erst gestern aus der Asphaltquetsche kam. Schon kurz darauf beginnt die zentrale Passage dieser Tour entlang des havelgefüllten Beetzsees Süd, die reich ist an Vielfalt und Eindrücken und daher scheinbar länger, als sie wirklich ist.

Bucht des Beetzsees

Das Spiel mit der Uferlinie gleicht einem Flirt auf Abstand und erinnert an die legendäre Schachpartie in einem wirklich alten Film, in der Faye Dunaway und Steve McQueen auf sagenhaft minimalistische Weise einige Standards der Flirtkunst aus der filmischen Taufe hoben. Immer wieder lockt die Sicht auf das Ufer mit dem gekrümmten Zeigefinger, stößt einen dann mit brüsk erhobenem Kinn wieder zurück, um gut abgezäunt sogleich wieder einen verheißungsvollen Blick zu gestatten. Ein erhoffter Zuweg schließlich ist vorhanden, doch vom erhöhten Wasserstand überschwemmt, der Blick aufs Wasser vom hohen Schilf zensiert. Die definitiv letzte Chance schließlich ist weder versperrt noch umzäunt oder überschwemmt, endlich darf das Auge in voller Breite übers Wasser bis hin zum anderen Ufer schweifen. Obendrein gibt es noch einen kleinen Bootshafen mit Badestrand, ein paar Fischerei-Accessoires und eine bequeme Bank.

Dammweg zwischen den Grundstücken

Auf dem Weg dorthin windet sich der Weg hindurch zwischen Teichen oder Buchten und folgt einem winzigen Pfad zwischen Wald und Schilfgürtel, berührt wassernahe Gebiete von Wochenendgrundstücken mit kleinen Ruderboothäfen und entlegene Siedlungen mitten im Wald, mit vereinzelten privilegierten Lagen, die laut Schild von einem Partnerbetrieb der Polizei umsorgt werden. Überhaupt schafft im unmittelbaren Umkreis dieser schicken Bungalows eine kleine Flut von Verbotsschildern etwas Farbe im monochromen Winterwald. Neben den gelben Schildern für jedermann, die im gutsortierten Baumarkt im Regal hängen, gibt es auch zahlreiche individuelle Anfertigungen, die in ihrer Absurdität gutes Futter für ein kleines Kabarettprogramm abgäben. Eine Dame auf dem Weg zum Domizil hat sichtliche Schwierigkeiten, ihr altersgerechtes und etwas großgeratenes Hochbeinauto in Weiß auf dem Wiesenweg zu zentrieren, so dass wir vorsorglich ausweichen.

Überschwemmter Stichpfad zum Ufer des Beetzsees

Der Weg verläuft teils als winziger Pfad im Wald, dann als weicher Wiesenweg durch losen Wald oder breit auf Schotter, teils entlegen oder eben vorbei an Grundstücken. Immer präsent ist der Schilfgürtel des Sees, der uns nun hier am kleinen Hafen endlich die erhoffte Lücke gewährt. Der Wind, der oben die Wolken am Himmel entlangjagt, peitscht hier unten den Beetzsee bis hin zu Schaumkronen auf und drückt alles Schilf landeinwärts. Im Zusammenspiel mit dem sichtbaren Ufer blitzt kurz ein Gedanke an die Halbinsel Darss auf, wo es jetzt auch so aussehen könnte.

Strandhafen am Beetzsee

Die Zugänge zu den Bootsstegen sind komplett unter Wasser, wenn auch nur knöcheltief, und leider bestätigt sich der Verdacht auf ein Leck in einem meiner Gummistiefel. Mit dem Blick auf baumlange Reusenstangen auf dem Trockenen und den Hafen unter Wasser ist es nun höchste Zeit für heißen Tee und etwas bunt gemischte Energiezufuhr. Auch diese Pause wird vom Regen verschont, dafür ist der Wind umso stärker hier am Wasser und irgendwann das Weitergehen sinnvoll für den Wärmehaushalt.

Weg über die Wiese zu den Teichen

Hinter den letzten Häuschen beginnt auch auf der rechten Seite des Weges wieder eine wasserreiche Schilflandschaft, danach führt der Pfad unvermittelt über eine große Wiese mit riesigem Scheunengebäude, in dem hunderttausende Backsteine verbaut sein müssen. Gleich dahinter treffen wir auf den aus anderen Jahren bekannten Wanderweg mit dem Storchenkopf, der auf Zweitageslänge alle drei Beetzseen umrundet und auch noch weiter nördlich anzutreffen ist.

Teichlandschaft zwischen Beetzsee und Fuchsbruch

Wer vom Flirt mit der Uferlinie noch nicht genug hat oder dem See noch näher kommen möchte, könnte auf Wegen und Pfaden noch ewig weiter gen Norden streben, so zumindest sieht es die bekannteste freie Karte im Internet. Gummistiefel sollte man dafür auf jeden Fall anhaben, solange die Jahreszeit mit dem niedrigen Sonnenstand anhält. Wir hingegen wollen das montane Kernthema der Tour nicht aus den Augen verlieren und drehen vor dem Queren eines breiteren Stichkanals rechts ab, Richtung Binnenland. Der Kanal und eine Reihe von Teichen begleiten den Weg mit dem Storchenhaupt, auf dem uns der erste Mensch des Tages entgegenkommt. Vor ihm, in elegantem Braun und zielstrebiger als er, eilt einer von diesen glatthaarigen Waldis, die mit etwas Quietschen durch ein Standard-Abflussrohr passen würden, eins ohne Knick. Der aktuelle Niesel lässt die Teiche links und rechts des Weges im trüben Grau versinken, und alle Vögel auf dem Wasser scheinen noch verhaltener als früher am Tag. Doch für sie ist all das ja Tagesgeschäft.

Aufstieg zum Wasenberg

Wasenberg

Hinter der Landstraße lockt ein schöner Radweg geradeaus nach Fuchsbruch, und wären wir bereits durchweicht, wir würden diese Option dankbar annehmen. So aber ist es möglich, auf den querenden Radweg abzubiegen und nach Höhenluft zu streben. Am Stichkanal starten gerade vier Seidenreiher durch dessen schmale Wipfelgasse, ein grauer folgt mit etwas Abstand. Ein paar Bäume später treiben bewegliche Schwärme faustgroßer Vögelchen ihr flinkes Spiel in den laublosen Baumkronen. Gleich darauf präsentiert der Wasenberg auf seiner Südflanke den elegant geschwungenen Aufstiegsweg. Berg Nr. 2 ist auf seinem Gipfelplateau bedeckt von einem lichten Birkenhain, den eine mustergültige Eiche am höchsten Punkt um sich geschart zu haben scheint wie graues Volk, um selbst darin noch mehr zu leuchten. Am Ende scheint der Plan nicht aufgegangen – sie ist schon eindrucksvoll, die Eiche, doch der finnische Charme der vielen weißen Stämme bestimmt die Impression ganz klar.

Auf dem Wasenberg

Nach all diesen besonderen Landschaften des Havellandes folgt nun eine nachgerade bodenständige und regelrecht entspannende Passage mit der bewährten Mischung aus weitem Feld und verschieden Wäldern, die dazu noch großzügig ätherische Düfte aus Kiefernhand beimischt, würzig und altvertraut. Auch hier ist da und dort dem Spargel schon sein Bett bereitet. Der Himmel zieht sich immer mehr zu, der Horizont wird minütlich diesiger und die unbelaubten Bäume zeigen sich besonders kahl. Vier benachbarte Kopfweiden mit langen Austrieben versuchen sich in einer mildeuphorischen Choreographie, was rührend wirkt und durchaus Wirkung zeigt.

Nördlich von Fuchsbruch

Langmathenberg

Wir schwenken ein nach Süden und bewegen uns im matschigen Pfützenslalom auf den letzten Berg zu, den Langmathenberg, der sich langsam aus dem Dunst des Horizontes schält. Die Pelle ist nun langsam durchgeweicht, die Kälte hat leichteres Spiel in ihrer Kraucherei und der auffrischende Wind rasselt mit dem Säbel, was die Wettersituation auf dem dritten Gipfel betrifft. Eine ferne Dame hat sich von ihrem Hund zu einer kurzen Runde überreden lassen und hält sich an den allerkürzesten Weg, direkt am Fuß des Berges. Auf dem Gipfel gibt es keine Wege, so dass wir uns an Tierpfade halten und nach dem Zustieg direkt durchs Unterholz gen Gipfel abzweigen, teils gebückt und teils gezaust. Das Gipfelplateau ist wiederum anders, ungezähmt mit viel struppigem Gras, lose verstreute Bäume und auch hier keine Sicht auf irgendwas, wie schon beim letzten Berg. Im Abstieg breitet sich dann im Westen der See von Fuchsbruch aus, mit der gleichnamigen Siedlung, in der schon behagliche Nachmittags-Lichter aus den Fenstern scheinen.

Vier fröhliche Weiden am Weg

Fuchsbruch

Wie in der ganzen Region wurde in letzter Zeit viel Mühe in eine verlässliche und haltbare Wanderbeschilderung gesteckt, auf die wir schon am Seddinsee trafen oder bei Lehnin. Auch hier quert wieder ein Weg, und auch hier gibt es einen schönen überdachten Rastplatz. Doch eine klamme Pause mit Dach überm Kopf hat jetzt nur wenig Zugkraft, zumal der Tee fast alle ist und das Ziel schon greifbar. Von Wind, Nässe und sonstigem Wetter doch leicht eingeschüchtert und müden Beines haben wir fast schon auf Autopilot mit gedrosselter Wahrnehmung geschaltet, als der Weg hinter den letzten Häusern noch einmal richtig reizvoll und besonders wird. Unterhalb einer sanften Waldflanke erstreckt sich links ein weites Schilf- und Teichland, das in der milchigen Dämmerung eine besondere Faszination entwickelt. Noch einmal erwacht der dösende Geist und wird am Ende mit dem gleichmäßigen Hinabrollen nach Klein Kreutz belohnt, das vorbei führt an Häusern, die diesen exklusiven Blick vermutlich gar nicht mehr als solchen wahrnehmen. Wie das so ist mit Völkerschlachtdenkmal, Reichtstag und Landungsbrücken, mit den besonderen Dingen direkt vor der Haustür.

Zustieg zum Langmathenberg

Auf schnellstem Wege wechseln wir in die Stadt Brandenburg und kommen dort auf der anderen Seite der Havel zurück zur Frage von vorhin. In der Tat gibt es zunächst keinen spürbaren Unterschied, während wir die Steinstraße entlanggehen, nach Nahrung und Gemütlichkeit suchen und bald fündig werden. Doch nachdem der Teller leer ist und der beheizte Raum verlassen, zeigt sich die Güte der Entscheidung, den ganz großen Schirm mitzunehmen. Dieser Regen jetzt macht in wenigen Minuten nass, und hätte es den ganzen Tag auf diese Art geschüttet, wäre jeder Regenschutz vergeblich gewesen und jede Abkürzung ein Segen.

Blick vom Langmathenberg auf Fuchsbruch

So können wir nur stillvergnügt unter dem großen Schirm hervorschauen, die schönen Spiele gelben Laternenlichts auf nassem Altstadtpflaster genießen und dazu die zahllosen Erinnerungen vom letzten Sommer aufrufen. Mit denen scheint sogar der Strumpf im lecken Stiefel trocken.










Anfahrt ÖPNV (von Berlin): von Berlin-Alexanderplatz mit der Regionalbahn nach Brandenburg/Havel, von dort mit dem Bus weiter (ca. 1,5 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): auf der Autobahn über Brandenburg/Havel oder über Land über Wustermark und Ketzin (jeweils ca. 1,5 Std.)

Länge der Tour: ca. 18 km (Abkürzungen mehrfach möglich)

Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Schachpartie aus dem Film „Thomas Crown ist nicht zu fassen“ (1968)

Informationen zum Beetzsee

Einkehr: Sportlerklause Klein Kreutz (am Sportplatz)
zahlreiche Angebote in der Stadt Brandenburg