Grobskizziert – Bestensee: Pralle Trauben, schräge Typen und das geschärfte Profil

Muttern war mit ihren Unentwegten, einer rüstigen Truppe gefestigter Charaktere, in Bestensee unterwegs und erzählte ganz begeistert von einem hervorragenden, unterhaltsamen und besonders landschaftlichen Tag. Als ich daraufhin irgendwas zu Bestensee anmerken wollte, gingen hinter meiner Stirn neben dem großen Café am Bahnhof und dem neuen Weinberg nicht sofort Bilderalben, Landschaften und charmante Details auf. Ich war daraufhin ein wenig verdutzt, wurde in  der Folge sofort neugierig.

Dorfaue in Bestensee

In der Tat hatte ich ein nettes Örtchen mit etwas Stadtcharakter vor dem geistigen Auge, doch nicht viel mehr. Beim Blick auf die Karte kam die Erinnerung etwas in Schwung, wuchs an um den süßen Dorfanger, der die Kirche außen trägt, sowie die Nähe zum schönen Sutschketal, das keine zwanzig Minuten entfernt liegt. Die Karte zeigte darüber hinaus, dass interpretationsoffene Marketingleute ohne rot zu werden von der Sieben-Seen-Stadt Bestensee reden könnten.

Barfußpfad im Lausl-Park

Kulturhistorischer Wanderweg

Im Laufe des Tages zeigte sich, dass auch ganz ohne kesses Marketing gute Ideen von fleißigen Händen umgesetzt wurden, Sehenswertes und Besonderes durch einen kulturhistorischen Wanderweg verbunden wird. Ganz gleich, ob all das einem tüchtigen Bürgermeister zu verdanken ist oder Initiativen von Einzelnen oder Mehreren, es ist an vielen Stellen im Ort zu sehen, hat überall dort Hand und Fuß und macht richtig Spaß.

Kram am Rundpfad im Lausl-Park

Der Weg ist nur drei Kilometer lang, doch er sammelt an seinem Rändern viel Sehenswertes und Phantasievolles, dazu schöne Aussichten und vielfältige Landschaften. Schließlich gibt es sogar drei bis vier Einkehrmöglichkeiten, um den Aktivphasen einen direkten Ausgleich entgegenzuhalten.

Groß Bestener Ureinwohner am Fuß des Mühlenberges

Wald der Generationen

Wer die Wegspur kurz verlässt und sich in den nicht mehr als schulterbreiten Kirchsteig wagt, landet bald am Wald der Generationen. Der liegt unterhalb des Südhanges vom Mühlenberg, den klassisch märkischer Kiefernwald bedeckt. Der Wald der Generationen ist eine charmante Idee, bei der jeder Baum einem Anlass gewidmet ist. Die am Rande stehende Tafel ist schon voll mit um die hundert solcher Anlässe wie der Geburt von klein Ida oder der Goldenen Hochzeit von Herrn und Frau Wunderwelt, dem fünften Todestag vom alten Soundso oder Tims Konfirmation.

Reifende Trauben am Südhang des Mühlenberges

Entsprechend viele Bäume bevölkern die lichte Wiese und lassen von jeder Stelle Durchblick auf drei vierschrötige Typen mit breiten Schultern sowie eine Dame mit Sternenhaupt, vielleicht eine entfernte Verwandte der Frau Libertas, die in Übersee seit vielen Jahrzehnten den Wasserzugang nach New York im Auge behält. Das Trio mit den großen Sohlen kommt vom Stamme der Bestwaner, und wer davon wirklich noch nie etwas gehört hat und gleich richtig in die Materie einsteigen möchte, findet Abhilfe im Buch „Bestenseer Märchen“. Wem etwas Halbwissen reicht, der findet vor Ort eine kompakt getextete Tafel.

Weg durch den Weinberg

Lausl-Park

Zu den Märchen passt auch ganz gut die farbenfrohe und verspielte Welt des Lausl-Parks am alten Anger. Auf kleinstem Raum gibt es hier ein Museum mit Seltenheitswert und einen verspielten Hofgarten, dazu einen liebevoll bestückten Parkrundweg mit graphisch ansprechenden Schautafeln, die man nicht schon an anderen Stellen gesehen hat. Teilweise bekannte Inhalte wurden hier so gelungen aufbereitet, dass man es kaum schafft, an eine links liegenzulassen. Falls doch, geht man sicherlich noch mal zurück und will doch sehen, was da zu sehen ist. Blickfänger deluxe.

Mühle am Bestenseer Weinberg

Inbegriffen ist ein um die Ecke gehender Barfußpfad mit einem üppigen Spektrum an Untergründen. Den Weg begleiten alte Geräte, geordnet nach Themen und rustikal überdacht, umgeben wird das Areal von urwüchsiger Natur mit Feuchtgebietsanteil. Zum Betreten und Besuchen wird ausdrücklich eingeladen, sowohl von der schnuckeligen Dorfaue her als auch von der Hauptstraße.

Wiesen am Klein Bestener See

Für Bestenseer bzw. Leute aus der Umgebung bietet der Verein Lebensart und Sammellust noch ein vielfältiges Spektrum von Veranstaltungen für alle Altersgruppen, von Linedance über Bastel- und Spielenachmittage bis hin zu Grundlagen der Smartphone-Bedienung oder Kursen zur effektiven Kräuternutzung.

Kiessee am Ortsrand

Weinberg

Noch einmal zurück zum Mühlenberg: neben dem Wald der Generationen wird der Hang bedeckt von einem nicht allzu kleinen Weinberg, der über die Jahre zu beachtlicher Form gefunden hat. Große, prall bestückte Trauben zwischen blau und grün hängen in den Stöcken, oben am Waldrand gibt es neben dem Weingott Bacchus noch eine kleine Weinlaube. Der Historische Wanderweg führt mitten hindurch.

Uferpfad am Kiessee

Unterhalb der Rebreihen gibt es neben einem überdachten Portal eine offene Hütte, die sich für Winzerfeste oder andere Veranstaltungen nutzen lässt, direkt daneben steht ein kleines frei gezimmertes Modell der Bockwindmühle, die der Erhebung einst zu ihrem Namen verhalf.

An der Taille der Kiesseen

Wer der Spur des Wanderweges nach Westen folgen würde, könnte noch einen Zipfel des verträumten Sutschketals besuchen und dort sicherlich Lust auf mehr bekommen – das Sutschketal mit dem Krummen See ist dann eigentlich eine eigene Geschichte und somit auch einen eigenen Ausflugstag wert.

Eichenallee zum Strandbad an den Kiesseen

Südwesten

Wer mehr Auslauf wünscht, kann vom Bahnhof ausgehend in alle Richtungen gehen und wird jeweils andere Landschaften entdecken. Nach Südwesten kommt man bald zu weiten Wiesen, die derzeit sommerlich bunt blühen oder frisch abgemäht vom Boden duften. Vom Bauernsee und dem Klein Bestener See bekommt man dabei nicht viel mit – wer sich auskennt, kann sich ihr Vorhandensein anhand der Bruchwälder herbeivermuten.

Sommerwiese bei den Lauben

Hinter einem Waldstück liegen dann die beiden Kiesseen mit ihren schönen Badestellen und dem Strandbad. Entlang der Waldränder und Wiesen oder auch unmittelbar am Ufer winden sich schöne, stille Wege. Das Wasser ist klar, die gut verteilten Sichtfenster wirken allesamt beruhigend. Hier und da ein Ruderboot, hinten am Strand entfernte Strandgeräusche und dazu passend eine kaum wahrnehmbare Prise Sonnencreme gemischt mit Tabakrauch. Vom umzäunten Strandgelände führen gemütliche Eichenwege und nadlige Waldpfade zurück nach Bestensee, unterwegs bieten sich vom Bergfeld weite Blicke über schier endlose Wälder.

Waldpfad nach Klein Besten

Süden

Direkt nach Süden kann man sich stets dicht am Ufer des großen Pätzer Vordersees halten und ist hier meist auf schattigen Pfaden unterwegs, die stellenweise abenteuerlich schmal werden. Weiter südlich wird die sachlich gehaltene Neusiedlung Wustrocken berührt, doch das stört nicht groß, da es zum See hin stets urwüchsig und schön bleibt.

Uferpfad am Pätzer Vordersee

Das Spiel mit den Pfaden lässt sich vorbei am Schweinewinkel bis zur Südbucht des Sees betreiben und auch gern zu einer vollständigen und reizvollen Seeumrundung erweitern, die sich nur rund um Pätz etwas vom Seeufer entfernt. Das darf dann an dieser Stelle gleich die Richtung Osten mit abdecken.

Gartenwiese in Bestensee

Norden

Im Norden schließlich gibt es den Fanggraben, der hier und da schon ein wenig Spreewald-Stimmung öffnet. Direkt am Wasser liegt auch das über zweihundert Jahre alte Königliche Forsthaus, das direkt mit Friedrich dem Großen zu tun hat. Heute gibt es hier ein wunderschön gelegenes Restaurant, von dessen Terrasse man mit etwas Glück einen Eisvogel beobachten kann.

Ehemaliges Königliches Forsthaus am Wehr

Direkt daneben steht noch eine luftige Weinscheune und zwischen beiden liegt ein süßer Ententeich. Vorbei am Rügendamm schlängelt sich in Richtung Todnitzsee ein Waldpfad parallel zur Straße, der an heißen Tagen eindrucksvoll den klimatischen Unterschied zwischen Naturboden und versiegeltem Boden zeigt.

In der Südbucht des Todnitzsees

An der Südbucht des Todnitzsees hilft zwischen wurzeligen Pfaden ein metallenes Brücklein über den Fanggraben, der hier einiges breiter ist als am Forsthaus und allenfalls von Olympioniken überspringbar wäre. Nur ein paar Minuten weiter reicht der dünensandfeine Strand großzügig von der Uferlinie bis hoch zum Sportplatz.

Brücke über den Seenverbinder zum Todnitzsee

Zwischen Strand und Ortszentrum erstreckt sich ein leicht hügeliger Nadelwald, dessen Bäume so licht verteilt sind, dass man locker ein fünfhundert Meter entferntes Reh entdecken könnte. Durchzogen ist der Wald von einem unregelmäßigen Weg- und Pfadenetz, das einfach Spaß macht. Selbst wenn man also gar nicht baden gehen möchte oder die Jahreszeit nicht danach steht, der Weg zum Strand dürfte das ganze Jahr über ein gern benutzter sein.

Stadtwald zwischen Strand und Stadt

Schöne Touren lassen sich als Weg zum nächsten Bahnhof gestalten, im Norden Königs Wusterhausen, im Süden Groß Köris, gleichermaßen gibt es für tagesfüllende Rundtouren eine Hand voll Möglichkeiten. Am Ende des Tages gab es schließlich neben einer stattlichen Sammlung von Mückenstichen auch eine ganze Reihe Eindrücke, Stimmungen und bleibende Bilder fürs Langzeitgedächtnis. Beim nächsten Treffen mit Muttern konnte dann dementsprechend gefachsimpelt werden.

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): Regionalbahn von Berlin-Ostkreuz (ca. 30 Min.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): Autobahn bis Abfahrt Mittenwalde/Bestensee, dann Landstraße (ca. 1 Std.)

Länge der Tour: ca. 13 km (Abkürzungen vielfach möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Lausl-Park Bestensee

Kulturhistorischer Wanderpfad Bestensee

Weinberg Bestensee

Einkehr: Imbiss im Lausl-Park
Ristorante Bel Lago, Bestensee
La Villa Due, Klein Besten
Steakhaus 1775, Bestensee
Die Weinscheune, Bestensee










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