Berlin/Buch: Die Panke, der Jungwald und der Fahrtwind der Anderen

Die Panke ist ein kleiner Fluss, vielleicht auch ein großer Bach, und wird von Anfang bis Ende treu  von der Berliner S-Bahn begleitet. Wer den Lauf dieses kristallklaren Gewässers erkunden will, kann das zu Fuß an einem knackigen Tag erledigen oder die einzelnen Entdeckungen passend portioniert auf zehn S-Bahn-Stationen verteilen, die sich auf drei Linien abspielen. Wahlweise lässt sich auch etwas U-Bahn untermischen – bevorzugt natürlich der Bahnhof Pankstraße, der so betrachtet also nichts mit rebellischer Jugendkultur, zentrischen Frisuren und effizienter Drei-Akkord-Musik zu tun hat.

Blick auf den Grund der Panke
Blick auf den Grund der Panke

Die ursprüngliche Panke-Quelle soll etwas nördlich des Bernauer Bahnhofs liegen, auf Höhe der Siedlung Pankeborn, ihre ursprüngliche Mündung knapp 30 Flusskilometer später in Sichtweite zum S-Bahnhof Friedrichstraße. Beide sind zutiefst unromantisch. Was sich jedoch dazwischen abspielt, ist an den meisten Stellen verspielt, charmant und zauberhaft zu nennen und lässt einen effektiv abkoppeln vom Tempo und der baulichen Dichte der Stadt, durch die man sich bewegt.

Berlin hat zwar schon ganz klar den September erreicht, doch die Stadt ist nach drei kurzen Tagen unterhalb der 25-Grad-Marke schon lange wieder großflächig aufgeheizt und versucht sich Tag für Tag im Erreichen und Übertreffen der 30. Dank des tiefen Sonnenstandes bringen die Nächte etwas Linderung, doch die tageswarme Bausubstanz kann dazu nur kalt lächeln. Zum Ende der Woche ist einmal aufs Neue das allerletzte Sommer-Wochenende des Jahres angesagt, und die Ufer der Spree werden überall in der Stadt dementsprechend entspannte Impressionen bieten, bevölkert von verschiedensten Konstellationen von Menschen.

Brennesselpfad entlang der Panke in Buch
Brennesselpfad entlang der Panke in Buch

Wer eine geringe Bevölkerungsdichte unmittelbar um sich herum ersehnt, kann auch zwischen der Panke und dem Seegraben, einem ihrer Zuflüsse, nach warmen Tagen und einer kurzen S-Bahn-Fahrt oder ein paar Fahrrad-Kilometern angenehm Zuflucht finden. Für letzteres steht ab dem inselgelagerten Berliner Dom der Fernradweg Berlin-Usedom zur Verfügung, und allein das Wort Usedom klingt ja schon erfrischend, denkt man an den weit mehr als pankelangen Sandstrand, der zugleich die Mutgrenze zur immer etwas zu kalten Ostsee bildet.

Reinspringen und ein paar Züge schwimmen kann man an Panke und Seegraben zwar nicht, doch einer Erfrischung im Liegen steht dem nicht im Wege, der sich der beachtlichen Kälte des flach fließenden Wassers gewachsen fühlt. Und den erstaunten Blicken von etwaigen Passanten – je nachdem, welche Körperhälfte mit der nötigen Diskretion gerade gewässert wird.

Radweg Berlin-Usedom hinter der S-Bahn-Unterführung
Radweg Berlin-Usedom hinter der S-Bahn-Unterführung

Auch zu Fuß lässt es sich hier gut aushalten an Tagen, wo die Sonne gnadenlos brezelt und die Luft flirrt beim Blick in nahe Fernen. Die meisten Wege lassen vergessen, wie heiß es draußen ist, und die Luft scheint immer etwas bewegt zu sein. Das liegt an den vielen Bäumen, die lose genug gestreut sind, um bei fast jedem Blick nach oben freie Sicht zum Himmel zu gestatten, jedoch auch nah genug beisammen und am Weg stehen, um wohltuenden Schatten zu liefern.

Da einiges in dieser Landschaft noch relativ neu ist, trifft man hier auf kuriose kleine Wälder, die allesamt noch etwas niedrig sind. Dazwischen stehen unvermittelt betagte Baumriesen wie zum Beispiel eine enorme Buche. Eingebunden in das Ganze sind ausgedehnte Waldweiden, eingezäunte Gebiete, die durch Tore betreten werden dürfen. Innerhalb dieser Tore vertreiben sich englische Parkrinder und osteuropäische Konikpferde ihre Tage, ferner schottische Hochlandrinder sowie doppelt befellte Galloways. Auch wenn die Chance recht gering ausfällt, den internationalen Wiesenrupfern direkt zu begegnen, sollte man auf ein entsprechendes Treffen vorbereitet sein. Am wichtigsten dabei sind Respekt und Abstand, beides in ausreichendem Maße.

Weg entlang der Panke bei den Karower Teichen
Weg entlang der Panke bei den Karower Teichen

Buch

Unweit des Bahnhofs Buch locken gleich zwei Uferwege an die grasigen Bettkanten der eingesenkten Panke, die hier schon circa einen Meter breit ist und beeindruckend glasklar über ihren sandigen Grund eilt. Der fühlt sich so weich an, als wäre er aus märkisch eingefärbtem Sahara-Sand gelegt worden. Wer einmal so mutig war, seinen Zeigefinger in die unheimlich pulsierende Kochquelle bei Kunsterspring nördlich von Neuruppin zu halten, kennt ein ähnliches Sandgefühl.

Alles, was hier wächst im Bach, sieht so appetitlich aus, frisch und knackig grün, dass es wohl kein Salatfreund von seinem Teller weisen würde. Am rechten Ufer verläuft der Pankeweg, biegt aber schnellstens ab, als es geradeaus kaum erkennbar durch die hohe Wiese pfadet. Wer dennoch geradeaus geht, sollte lange Hosen tragen oder unempfindliche Unterschenkel haben, doch lohnend und schön ist es. Ein pensionierter und zahnloser Bahndamm hilft hinüber ans linke Ufer, wo zwischen hohen Brennesseln ein klitzekleiner Pfad direkt entlang des urwüchsigen Ufers führt, ein paar Minuten nur. Die Panke tut hier ein winziges Bisschen, als flösse sie gerade im Mittelgebirge.

Zwischen Ententeich und Schilfteich, Karower Teiche
Zwischen Ententeich und Schilfteich, Karower Teiche

An der Brücke stößt von links der Pankeweg hinzu, der für kurze Hosen, und voraus ist das rege Speichentreiben auf dem beliebten Radweg nicht zu übersehen. Noch davor beendet die Feuerwehr gerade eine Übung, auf einem eigens dafür vorgesehenen Übungsgelände, und macht langsam Feierabend. In den Fahrerhäusern erleichterte Gesichter der alltäglichen Helden, die hoffentlich gleich ihre schweren und warmen Monturen verlassen können.

Direkt hinter der Bahnunterführung lockt ein herrlicher Pfad über die Wiesen vorbei an einer einzelstehenden Prachteiche, vielleicht ist es auch eine Linde. Doch wir wollen ein Stück Richtung Stadt und schwenken auf den Radweg ein. Vor der Autobahn lockt noch so ein Pfad, danach wird der Weg etwas schmaler und ein gegenseitiges Ausweichen mit den Radfahrern bleibt nicht aus. Fast alle fahren in Richtung Stadtgrenze, so dass man sich Sorgen machen muss, ob in Berlin überhaupt noch ein paar Radler übrigbleiben. Alle sind zügig unterwegs, die einen wirken dabei sportlich verspannt, die meisten anderen genießerisch entspannt. Das ständige Ausweichen macht irgendwann etwas quengelig, doch die großen und kleinen Pedal-Verbände bringen zumindest regelmäßige Windschwälle mit sich, die ähnlich erfrischend sind wie der Anblick der etwas tiefer fließenden Panke.

Aussichtsplattform auf den Schilfteich, Karower Teiche
Aussichtsplattform auf den Schilfteich, Karower Teiche

Nachdem auch mal zwei Räder von hinten kamen, verlassen wir den Weg an einer Gruppe von größeren Kindern, die von zwei Erwachsenen gerade etwas Spannendes hören, was hier mit den Teichen zu tun hat. Ein angenehm halbschattiger Damm mit einigen größeren Bäumen führt zwischen Ententeich und Schilfteich hindurch, beides einstige Fischteiche, die auf blubbernde Weise in fließender Verbindung stehen. An drei Stellen gibt es leicht erhöhte Aussichtsplattformen, von denen sich das behäbige Teichtreiben des heißen Nachmittags beobachten lässt. Beteiligt sind neben sympathietragenden Schwänen und Enten auch ein paar Kormorane, die auf zwei ehemaligen Bäumen mitten im Teich wohnen.

Westlich der Karower Teiche
Westlich der Karower Teiche

Vor der Landstraße biegt ein schöner Weg entlang eines Wiesenstreifens ab, mit einem schier endlosen knorrigen Holzgeländer entlang von Rosen- und Holunderbüschen. Am Ende stehen wir jenseits der Straße vor einer Unklarheit des Wegeverlaufes und infolgedessen mit einem Fuß im Schlamm eines strömungsarmen Froschparadieses. Doch die Beschilderung führt schließlich auf den rechten Weg und auf der richtigen Seite des Wassers unter der Autobahn hindurch.

Fischtreppe mit knietiefem Wasser, südlich des Bogensees
Fischtreppe mit knietiefem Wasser, südlich des Bogensees

Passende Rastbänke waren bisher keine, und gerade als es höchste Zeit für eine Pause ist, sehen wir links eine aus klobigen Steinquadern gebaute Fischtreppe, die flossenlahmen oder dehydrierten Fischen dabei hilft, mehrere Zentimeter Gefälle zu überwinden und dabei vom fast schon eisigen Wasser des Lietzengrabens durchrannt wird. Das klingt erfrischend, liegt halbwegs schattig, und die Uferböschung ist sogar mit frischem Schilfstroh ausgelegt. Die vierstufige Treppe ist noch neu, so sagt die Tafel nebenan, doch ihre groben Stufen sind schon herrlich ausgelatscht. Das Wasser hier so tief, dass ein mehr als knöcheltiefes Fußbad bestens möglich ist. Das ist perfekt jetzt.

Zwischen den Karpfenteichen, Bogensee-Kette
Zwischen den Karpfenteichen, Bogensee-Kette

Durch ein metallenes Tor betreten wir die erste Waldweide. Zugegeben, der Puls erhöht sich um zwei Schläge pro Minute, ungefähr. Gleich danach geht es zutiefst romantisch zwischen zwei weiteren Teichen hindurch, der eine mit einer stattlichen Schilfinsel, der andere mit flächigen Blumenteppichen, durch die sich Enten ungerade Wege bahnen. Unter den Sohlen knacken frische und auch abgelagerte Eicheln, denn hohe Eichen stehen stattlich hier im Uferschatten und bilden einen gefälligen Kontrast zum lichten Birkenwäldchen, das als nächstes kommt, mit frischem Wiesenteppich drunter. Ein paar Minuten später liegt links des Weges ein zappendunkles Fichtenstück, ähnlich jung wie die Birken und so komplett anders vom Erscheinungsbild.

Zweiergespann im Laubteppich
Zweiergespann im Laubteppich

Der Hauptweg ist zuletzt eine ausgewachsene Allee von borkenstämmigen Linden. Mit etwas gutem Willen sieht es aus wie hier und dort auf dem Gebiet der weiten Streusiedlung Burg im Spreewald. Am Auslasstor zur Straße kommt ein Rennrad zum Stehen. Es ist zu sehen, dass er nicht friert, der Fahrer. Gekleidet ist er in ein ziemlich schniekes Wams aus Neopren, das schnellen Fahrtwind sicher abhält, doch auch die Rumpf- und Herzenswärme eher drinlässt. Fragt nach dem See, von dem wir gerade kommen. Doch der ist eher zum Schlammwaten geeignet und zum tragischen Versinken, und wir empfehlen ihm anstatt, sich analog zur Panke von vorhin ausgestreckt in den kalten Seegraben zu legen, nur ein paar Meter weiter.

Er lehnt ab und fragt nach Seen in der Nähe. Als mir der Gorinsee nicht einfallen will, hat er schon voraus die Arkenberge gesichtet, die jüngst den Teufelsberg im Grunewald in die Schranken verwiesen haben und seit Kurzem als Berlins höchste Gipfel gelten. Soweit ich weiß, liegt unterhalb des Osthangs ebenfalls ein See. Das gefällt ihm, liegt auch eher in seiner Richtung, also saust er los nach schnellem Dank und hängt sich eiligst in den würzigen Windschatten eines kreuzenden Treckers.

Birkenwald im Bucher Forst
Birkenwald im Bucher Forst

Der Seegraben bildet hier die Außengrenze eines ausgedehnten Bruchwaldes und erinnert nochmals an den Spreewald, jetzt durchaus den inneren. Eine Familie hat ihr Picknick ausgepackt an einem Rastplatz und genießt den kühlen Platz im Schatten, der erstaunlicherweise nicht von Mücken bevölkert ist. Ein seltsames Phänomen schon diesen ganzen Sommer. Vielleicht sind auch die Vögel effizienter diese Jahr und schnappen sich immer genau so viele Mücken wie gerade ausgewachsen sind.

Pappelreihe kurz vor der Schönerlinder Chaussee
Pappelreihe kurz vor der Schönerlinder Chaussee

An der erwähnten Riesenbuche geht es wieder in den Schattenwald hinein. Am großen Hauptweg, der schnurgerade ist und scheinbar keine Enden hat, lockt bald ein Schild zum Hobrechtsfelder Speicher, der schon Erwähnung fand vor etwa einem Jahr, Stichwort Energy Balls. Doch die Hitze dieses Tages hockt bestärkend auf dem inneren Schweinehund, und so wunderbar ein Kaffee wäre in absehbarer Zeit an diesem schönen Ort, so sehr lockt auch das faule Herumsitzen in einem schattigen Biergarten. Also kürzen wir ein wenig ab und gehen weiter geradeaus. Der Weg führt leicht verwachsen vorbei an üppiger Goldroute und an riesigen Stößen gründlich abgelagerten Laubholzes. Dazu der Duft von Laub der Pappeln, der unweigerlich und sehnsuchtsvoll in diesen Monat gehört.

Bei Hobrechtsfelde-Süd
Bei Hobrechtsfelde-Süd

Entlang der Schönerlinder Straße verläuft ein Rad- und Fußweg, der ebenso breit ist wie die Straße selbst, doch etwas tiefer liegt und fast wie ein Parkweg wirkt, nicht langweilig. Autos kommen nur selten, auch wenn die großzügige Breite anderes befürchten lässt. Es läuft sich hervorragend jetzt, nachdem zuletzt die Beine etwas storchengängig waren.

Zepernick

Direkt hinter dem Gelände des Seniorenheims führt unauffällig ein kleiner Schleichpfad in den Wald, der wie erhofft an der Buchenallee endet, in einem Wohngebiet mit einigen schönen Villen. Am Ende geht es wieder in den Wald hinein, den feuchten und ganz besonders schattigen. Noch vorher lockt eine Bank zum Beinestrecken. Ein Schäferhund an einer Leine kommt von links und schlägt Krawall. Der am anderen Ende der Leine sagt, dass er sich aufregt, weil dort, wo wir jetzt sitzen, gestern niemand saß. Ob der alt werden wird, der Hund, wenn er sich über Dinge dieser Größenordnung jedesmal ernsthaft aufregt?

Herrlicher Dammweg durch die Pankewiesen, Röntgental
Herrlicher Dammweg durch die Pankewiesen, Röntgental

Röntgental

Nach dem zweiten Unterqueren der S-Bahn-Gleise unweit des Bahnhofs Röntgental darf man direkt geradeaus und spaziert bald auf einem urgemütlichen Dammweg über die Wiesen der Panke. Mitten im saftigen Grase sitzen Leute und genießen die schon spürbar nahende Abendluft des Bachtales. Der Tag atmet aus, kühl und beruhigend, was vom frischen Heu der jüngsten Mahd noch bekräftigt wird. Auf dem Weg nach Usedom dreht sich kaum noch ein Rad, die Panke plätschert friedlich nebenher und die Sonne steht schon tief. Auch darauf ist Verlass jetzt im September, da kann sie heizen wie sie will den ganzen Tag, die liebe Sonne.

Spreewald-Impression an der Insel im Bucher Schlosspark
Spreewald-Impression an der Insel im Bucher Schlosspark

Zum schönen Abschluss biegen wir links ab in den Schlosspark Buch, der uns neben einladenden Wegen und schattigem Baumbestand mit weiteren Spreewald-Impressionen versorgt, inklusive Laub und Enten auf dem stillen Wasser der verzweigten Pankearme – und so mancher Brücke. Was jetzt noch fehlt, ist nur ein Tisch unter Kastanien, darauf ein frisch gezapftes Eis. Es soll sich finden, direkt hinter dem Süd-Portal des Parkes.

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): mit der S-Bahn bis Buch (ca. 30 Min. ab Zentrum)

Anfahrt Pkw (von Berlin): ca. 40 Min. (über Autobahn oder über die Dörfer)

Länge der Tour: ca. 14,5 km, Abkürzungen gut möglich

Download der Wegpunkte

Links:

Karower Teiche

Bogenseekette und Lietzengraben-Niederung

Schlosspark und Stadtgut Buch

Einkehr: in Buch verschiedene gastronomische Angebote (meist Imbiss),
Ristorante Il Castelle mit schönem Kastanien-Biergarten (am östlichen Schlosspark-Portal)

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Ein Gedanke zu „Berlin/Buch: Die Panke, der Jungwald und der Fahrtwind der Anderen“

  1. Glasklar ist das Wasser der Panke und eisekalt, als wenn man doch gerade auf einen Gebirgsbach getroffen wäre: „Berlin ist immer wieder für eine Überraschung gut!“ Vielen Dank für die feine Berlin-Pankenbach-Geschichte!

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