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Frankfurt an der Oder: Ermutigung zu Streifzügen

Gäbe es einen Wettbewerb um die schönsten Städte im Land Brandenburg, würde Frankfurt an der Oder vermutlich nicht auf dem Siegertreppchen landen, selbst wenn dieses fünf anstatt drei Stufen hätte. Und dennoch ist es diese Stadt wert, in regelmäßigen Abständen besucht zu werden, da sie eine Vielzahl erlebenswerter Kontraste zeigt sowie immer wieder Überraschungen bietet. Einer meiner allerliebsten Lehrmeister aus zurückliegenden Jahren offenbarte mir vor Kurzem, dass er bei sich ein Interesse für Nachkriegs-Architektur entdeckt und infolgedessen ein Auge und echte Genussfähigkeit dafür entwickelt hat. Auch in dieser Hinsicht überlagern sich im Stadtgebiet so einige Spannungsfelder.

Im Kleistpark
Kleistpark im Dezember

An vielen Ecken fühlt man sich an andere Städte in moderater Bahn-Entfernung erinnert, wie z. B. Dresden, Rostock, Cottbus, Weißwasser oder Eisenhüttenstadt. Und soweit ich das einschätzen kann, sind nirgendwo anders Hochhäuser so euphorisch in lebhaft geschwungenes Gelände geplant worden, wie man das sehen kann, wenn man auf einer der breiten Zubringerstraßen in die Stadt hinein fährt.

Brauerei über den Kleingärten
Brauerei über den Kleingärten

Die zwei faszinierendsten und großen Kontraste der Stadt liegen auf der Hand und ergeben sich aus der Lage Frankfurts zum einen an der Grenze zu Polen und zum zweiten inmitten des innigen, versunkenen Naturraums der Oderauen – so befinden sich direkt nördlich und südlich der Stadt zwei ausgedehnte Naturschutzgebiete mit Wasser in allen möglichen Gestalten, die beide bis ins Stadtgebiet hineinreichen.

Stadtrandnahe Oderauen im Kontrastlicht
Stadtrandnahe Oderauen im Kontrastlicht schwerer Schneewolken

Kleinere Kontraste und Überraschungen sind zu finden, wenn man sich durch die verschiedenen Stadtgebiete und Vorstädte treiben lässt, wahllos oder gern auch etwas geplant.

Wer mit der Bahn anreist und noch nie hier war, betritt das unbekannte Land auf die schönstmögliche Weise. Kurz nach Verlassen des Bahnhofsgebäudes steht der Reisende nach dem Durchschreiten einiger Rundbögen auf einer Art Aussichtsplattform und bekommt sofort einen Panorama-Blick auf die Tallage der Stadt geboten, die einem direkt zu Füßen liegt – mitsamt Słubice jenseits des Oderstromes, einst eine der vier Frankfurter Vorstädte und jetzt wieder im Zusammenwachsen mit Frankfurt begriffen. Die Bindung zwischen beiden wird von Jahr zu Jahr ausgeprägter, wovon nicht zuletzt das Bestehen des interkulturellen Vereins Słubfurt sowie grenzübergreifende Busverbindungen zeugen. Ein hoffnungsvoller Prozess, der sich in verschiedenen Bereichen sehr schön beobachten lässt.

Blick von Norden auf die Skyline von Frankfurt
Leicht geschminkter Blick von Norden auf die Skyline von Frankfurt

Von diesem erhabenen Platz steigt man regelrecht hinab und quert bald eine der charakteristischen Furchen im Gesicht der Stadt. Ein schmaler und lieblicher Parkstreifen, im Süden als Anger mit seinen Gärten, nördlich davon als Lenné-Park, zieht sich mit kurzer Unterbrechung ausgestreckt entlang der Stadtmitte, in der historische und jüngere Bauten auf engstem Raum stehen. Bestes Beispiel hierfür sind zwei der Frankfurter Wahrzeichen: der Oderturm und die Marienkirche. Beide trennen keine 150 Meter, dafür aber um die 700 Jahre.

Weihnachtsmarkt in der Marienkirche
Über dem Weihnachtsmarkt in der Marienkirche

Vor der Gubener Vorstadt leicht südlich des Zentrums liegt mitten in der Oder und noch diesseits der Grenze die ausgedehnte Insel Ziegenwerder, die den Vergleich mit jeglicher Landesgartenschau überhaupt nicht scheuen muss und über zwei Brücken zu erreichen ist. Hier treffen in entspannter Harmonie verschiedenste Optionen aufeinander, wie sich im Freien die Zeit nach Feierabend gestalten lässt. Wer die Insel einmal durchstreift hat, möchte vermutlich jede dieser Möglichkeiten einmal ausprobieren. Und wer von Norden nach Süden schlenderte und Lust auf noch mehr Botanik bekommt, ist nach einem kleinen Schlenker über die Straße gleich im Naturschutzgebiet Eichwald und Buschmühle, das südliche der vorhin erwähnten.

Stadtufer im Sommer
Stadtufer im Sommer

Was die Bebauung der Stadt betrifft, treffen in den verschiedenen Vierteln verschiedenste Jahrzehnte des letzten Jahrhunderts aufeinander. Dazwischen liegen an vielen Stellen schöne Parkanlagen. Selbst ein ausgeprägtes Bachtal führt von Klingethal kommend mitten durch die Stadt und berührt dabei einen kleinen Botanischen Garten.

Im Norden der Stadt liegt unterhalb eines markanten Hanges der Stadtteil Neue Welt mit klar dörflichem Charakter, jenseits des Hanges thront über der Stadt die hiesige Brauerei als weithin sichtbare Landmarke. Die Neue Welt ist die Schnittstelle zur Natur im Norden. Aus der Siedlung führt ein Weg direkt in das von Wasser, Schilf und Deichen bestimmte Auenland des Oderstroms, dessen Ausstrahlung hier bereits zu spüren ist. Mit einem Mal ist man tief und mitten in der Natur, strauchig-alte Kopfweiden begleiten die Schritte und die Skyline Frankfurts scheint schon unwirklich, wenn man sich kurz umdreht. Und sieht wieder faszinierend aus, wenn sie dann vom Oderstrand gesehen weit hinten überm Wasser schwebt, einer Erscheinung gleich.

Blick rüber nach Słubice
Blick rüber zum Słubicer Ufer, auch im Sommer

Jeder größere Spaziergang durch Frankfurt wird seine spröden und seine zauberhaften Momente haben, seine spannenden und seine lieblichen. Nichts davon wird fehlen, darauf ist Verlass. Für wen so eine Mischung interessant klingt, den möchte ich ermutigen, die Reise anzutreten.

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): mit der Regionalbahn (ca. 1 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): auf der Autobahn oder über Land (ca. 1,5 Std.)

Länge der Tour: ca. 12 km (Abkürzungen gut möglich)

 

Download der Wegpunkte