Schlagwort-Archive: Pfefferfließ

Rieben: Ein Gipfelkreuz, das Pfefferfließ und die schöne Niederung

Viele brandenburgische Landstriche werden maßgeblich bestimmt von Urstromtälern, was auch für die Stadt Berlin gilt. Für wen das Wort „Urstromtal“ weder nach guter alter Zeit klingt, noch in der Vorstellung verschiedene reizvolle Landschaftsbilder aktiviert oder abseits von jeglichem Sinngehalt einfach nur wohlklingend ist, stellt es möglicherweise ein sanft-traumatisches Überbleibsel aus dem Geographie- bzw. Erdkunde-Unterricht dar.

Rückblick nach Rieben
Rückblick nach Rieben

Falls von Interesse (falls nicht, geht es unter dem Waldbild weiter): so wie ich das behalten habe, liegt am Ende des unfassbar lange dauernden Bremsvorgangs eines jeden Gletschers ein Haufen Schutt und Gerümpel von unterwegs. Die Endmoräne. Diese ist zugleich eine Art Souvenir-Sammlung von überall, wo der Gletscher vorbeigekommen ist, schmirgelt diesem als Grundmoräne quasi in Echtzeit den weiteren Weg frei und hat letztlich, wenn sich einfach zu viel angesammelt hat, den endgültigen Stillstand der formlosen Eismasse zu verantworten. Mancher dicke Fels, der vielleicht lieber in Skandinavien geblieben wäre, verbringt sein weiteres Dasein daher beispielsweise kurz hinter Prenzlau. Am Ende klebt der Gletscher bewegungslos hinter seiner Endmoräne, fängt irgendwann an abzutauen und sickert und rinnt durch das ganze Geröll und Gestein ins davorliegende Land. Der stete Zufluss formt sich ein Tal, und da ist es dann irgendwann, das Urstromtal. Bleibt noch die Frage, wer die Täler dann bewässert, wenn der Gletscher einmal alle ist. Doch das scheint sich jeweils gefunden zu haben.

Im morgendlichen Kiefernwald am Hoheberg
Im morgendlichen Kiefernwald am Hoheberg

Eines dieser Urstromtäler zieht sich, benannt nach dem Städtchen Baruth, südlich von Berlin entlang. Es reicht von der Elbe im Westen vorbei am Spreewald bis hin zur Oder im Osten und sorgt unterwegs unter anderem für die besonderen Landschaften im Einzugsbereich der Nuthe. Mittendrin liegt der Naturpark Nuthe-Nieplitz, benannt nach seinen zwei bestimmenden Flüsschen, und durch den zieht sich länglich die unter Naturschutz stehende und sehr wasserreiche Nuthe-Nieplitz-Niederung, in der beide Flüsse zusammenfinden. Hier und da stehen mittendrin auch ein paar Berge.

Strand am Glienicksee
Strand ohne Badegäste am Glienicksee

Rieben

Am Rande dieser Niederung liegt, nicht weit von der Spargelstadt Beelitz, das hübsche Dorf Rieben. Alle Gärten sind besonders aufgeräumt, wie das so ist, wenn der Frühling erwartet wird, aber noch nicht losgelegt hat. Gleich von hier verleiten Schilder zum kompakten Rundweg um den Riebener See oder dem mittellangen Sieben-Seen-Weg, und in der Tat sind hier auffällig viele Menschen freizeitlich und bester Dinge unterwegs. Doch wir wollen heute länger draußen sein, denn dieser Tag ist nach einer schmuddelig-stürmischen Woche mit Schneetreiben und waagerechtem Regen durchdrungen von Vorfrühling, die Sonne kräftig und ihr Licht so klar und verlockend, dass man jede Stunde davon nutzen will. Der Februar sieht heute schon sehr nach März aus.

Direkter Aufsteig zum Weinberg
Direkter Aufsteig zum Gipfelkreuz des Weinberges

Rieben ist ein flämingtypisches Straßendorf, dementsprechend gibt es viele von diesen riesigen Hoftoren in kräftiger Farbe, die oben sanft gerundet sind, und vor jedem vierten davon steht ein bunter Wagen oder Stand, wo man Eier kaufen kann oder Kartoffeln, wahlweise auch süß oder herzhaft gefüllte Konservengläser aus heimischer Produktion. Das Gasthaus hat noch Winterpause bis zum nächsten Wochenende, und damit es ist nicht das einzige im Umkreis. Es ist eben doch noch Februar, zumindest gastronomisch.

Moderater Abstieg vom Weinberg
Moderater Abstieg vom Weinberg

Vorn auf der Straße unterhalten sich zwei Fahrende, einer sitzt im Auto, einer auf dem Rad. Vom Dorfrand steigt ein Weg auf durch lichten Kiefernwald, hinauf in die bewaldeten Hügel des Hohebergs. Das niedrige Sonnenlicht fällt durch die hohen Stämme staubig auf den weichen Boden und lässt dem Wald noch seine Morgenkühle, daher wird auch in jedem Ameisenhaufen am Weg noch kein Finger gekrümmt. Mitten im Walde liegen gut windgeschützt beackerte Felder, der dunkle und frisch aufgeworfene Boden wirkt regelrecht erwartungsfroh. Und muss noch etwas warten. Weiter oben sind die Waldarbeiter zu hören.

Kirchentür in Dobbrikow
Kirchentür in Dobbrikow

Plötzlich liegt voraus ein großer, unerwartet umzäunter Campingplatz, genau da, wo wir eigentlich lang wollten. Glücklicherweise ist eine kleine Hinterpforte offen, und auch beim Ausgang beim Glienicksee haben wir Glück, das eigentlich versperrte Tor ist gerade offen, weil heute klar Schiff gemacht wird für die Saison-Eröffnung im März. Naja, ansonsten hätte man außenrum gehen können. Am teils noch vereisten Glienicksee gibt es vom Campingplatz aus einen Strand mit schönem Terrassencafé. Aber eben erst ab nächste Woche.

Teils nasser Weg bei Dobbrikow
Teils nasser Weg bei Dobbrikow

Nach der Teepause mit Blick auf den Strand führt ein schnurgerader Weg durch raschelndes Laub vom Glienicksee zum Vordersee, begleitet von einem Pappelwäldchen am sanften Hang. Das Ufer des Hintersees bietet ein paar schöne Badestellen an, und gegenüber ist schon Dobbrikow zu sehen. Langsam klärt sich die ungestellte Frage, wie der Sieben-Seen-Weg zu seinen sieben Seen kommt, denn allein rund um Dobbrikow liegen schon vier kleinere. Der Ort selbst liegt zwischen Vordersee und Bauernsee, die sogar miteinander verbunden sind.

Weiche Katzen am Wegesrand
Weiche Katzen am Wegesrand, mit Hardcover

Dobbrikow

Doch liegt Dobbrikow auch am Weinberg, einer kleinen, doch bemerkenswerten Erhebung mit steiler Nordflanke. Wer über diese an kalten Tagen den Aufstieg wagt, wird oben nicht mehr frieren. Keineswegs übertrieben scheinen daher auch das Gipfelkreuz und die Schutzhütte, von denen sich ein weiter Panorama-Blick in Richtung Osten bietet. In dieselbe Richtung liegt ein herrlicher Rodelhang, auf dem sich im Winter alle Altersgruppen tummeln. Heute könnten das eher die allerersten Bienen sein, doch im Detail treffen wir keine von ihnen.

Wärmendes von innen
Wärmendes von innen für draußen

Der kernige Zustieg von Norden und der gelassenere von Süden sind mit knorrigen Geländern ausgestattet, die im Zusammenspiel mit alten Eichen und sandig-wurzeligem Boden schöne Bilder schaffen. Am Ende des Abstiegs liegt ein sumpfiges Tal mit benachbartem Bruchwald, aus dem extrem laut exotische Vogelstimmen tönen – jedoch nur als Widerhall, wie sich herausstellt. Ein paar Minuten später lokalisieren wir die Voliére in einem Garten und wissen hier vor Ort, wie laut die Vögel wirklich sind. Zwischen den Seen spazieren wir durch das schöne Dorf, in dessen Herzen eine kleine private Sternwarte möglichst finsteren Nächten entgegenfiebert. Das dürfte hier ganz vielversprechend sein, tief in der Nuthe-Nieplitz-Niederung.

Wäldchen bei Hennickendorf
Wäldchen bei Hennickendorf

Vorbei an der Kirche mit ihrer schönen blauen Tür und Vorgärtchen, die bunt sind von Frühblühern, berühren wir kurz das Ufer des Bauernsees und die nächste Einkehrmöglichkeit, die in Kürze ihre Winterpause beendet. Zwei eilige Schwäne queren in wenigen Sekunden den See, mit dem eindringlichen Tönen Ihres Flügelschlags.

Der nächste Weg steht zum Teil unter Wasser. Da ohne Gummistiefel, nutzen wir die hohe Kante, die das struppige Gras zwischen Wegrand und breitem Wassergraben aufbäumt. Ganz hoch am Himmel, gerade so noch sichtbar, zieht eine einzige Gans nur Richtung Hauptstadt und krakeelt wie ein ganzer Schwarm von ihresgleichen. So viel zur Lautstärke von Vögeln – es ist doch immer eine Frage der Relation.

Rückblick auf Hennickendorf
Rückblick auf Hennickendorf

Nach einem Stück entlang der Straße und einem Wäldchen machen wir die Bekanntschaft des Pfefferfließes, dem hier auch eine eigene Wanderrunde gewidmet ist. Von Süden bei Luckenwalde kommt es her und ist hier schon so breit, dass man nicht ohne Weiteres darüberspringen könnte. Gemeinsam mit der Nieplitz landet es im großen Blankensee und beide schließlich einen See und wenig später in der Nuthe.

Im stillen Grunde des Pfefferfließes
Ponytrek im stillen Grunde des Pfefferfließes

Der nächste Waldhügel lässt sich auf einem Pfad vorbei am Gipfel queren und wirft uns aus an Station 6 von einem Trimm-Dich-Pfad. Was man hier machen soll, wird in der Darstellung „Flanken“ genannt. Die zeichnerische Umschreibung wirft Rätsel auf, was die verfügbare Körperbeherrschung normal muskelbefähigter Menschen betrifft. An einem schräg ansteigenden Rundholz soll man, gestützt auf einen einzigen ausgestreckten Arm, den kompromisslos ausgestreckten Körper jeweils von einer auf die andere Seite bringen. Zum kleinen Trost und zur verlustarmen Erhaltung des eigenen Selbstwertgefühls wird in den Ausführungs-Empfehlungen zwischen Sportlern und Nichtsportlern unterschieden. Doch falls das Zweck der Sache war: der Ehrgeiz ist geweckt. Doch der Zeitpunkt will partout nicht passen. Wie zur Bekräftigung des kaum gefassten Vorsatzes fliegt leichten Schrittes und bester Laune ein Mädchen aus dem Wald an uns vorbei, wirft einen freundlichen Gruß hinüber ohne knappe Atemluft und strebt der vorausliegenden Station entgegen, sich dort zu trimmen.

Im Talgrund des Pfefferfließes
Im Talgrund des Pfefferfließes

Hennickendorf

Hinter einer wohlgesetzten Eiche mit perfekter Krone liegt ein Hügel, dahinter Hennickendorf, ein weiteres von diesen schönen Dörfern und das letzte für heute. Die Kirche ist von auffälliger Gestalt und gewisser Raffinesse, wenn auch aus bewährten märkischen Zutaten. Backsteinumrahmt sind die hohen Mauern aus Feldsteinen, der turmlose Giebel gestuft und doch mit einer Uhr. Oben auf dem höchsten Giebelzinken hockt etwas gewagt ein ausgewachsenes Storchennest, im Rahmen der Sicherheit der Langbeinigen angepflockt mit einem eigens installierten eisernen Kruzifix. Das sollte halten, mit Gottes Hilfe.

Schilf am Pfeffergraben
Schilf am Pfeffergraben

Vorbei an einer Krokuswiese bei der Kreuzung mit den vielen Armen halten wir auf den Mühlstückenberg zu und verlassen den Ort über die Straße Am Schwemmegraben. Ein Blick zurück zeigt ein friedliches Dorfbild, am Rande flammt kräftig ein großes Feuer aus knochentrockenem Holz und macht Vorfreude auf etwaige Osterfeuer in Monatsfrist. Vom Waldrand kommen in tiefer Gelassenheit vier Gestalten getrödelt, zwei Menschen, ein Esel und ein Hund. Später alle paar Minuten Mädchen zu Pferde oder zu Pony, mal mit sagenhaft langem Zopf, mal mit kurzem Pferdeschwanz am Haupt und allesamt fröhlich.

Holz für Rieben
Holz für Rieben

Das Pfefferfließ hat sich zwischen den Dörfern einen verzauberten Talgrund geschaffen, still und breit und saftig grün, den die sinkende Sonne jetzt mit abendlicher Wärme versieht. Ein herrlich gemütlicher Weg begleitet den Waldrand, kurzeitig sogar als hohle Gasse unter den randständigen Wipfeln. Am Fuß einer wuchtigen Eiche hockt ein mit einfachsten Mitteln zusammengenageltes Bänkchen, zwei dicke Baumscheiben und ein Brett, perfekt hier und jetzt für eine Rast. Kurz öffnet sich am querenden Waldweg ein weiter Blick nach Norden, quasi in die allernächste Zukunft des Pfefferfließes, das hier im Grunde keinerlei Umweg macht, weiter südlich jedoch besonders verspielt seine Mäander ausprägt und einst sogar zwei Mühlen in Schwung brachte.

Verkleideter Steg am Riebener See
Verkleideter Steg am Riebener See

Zwischen Pfefferfließ und Pfeffergraben liegt im Wald ein  Forsthaus, dezent und leicht zu übersehen. Kurz hinter der kleinen Holzbrücke über den Pfeffergraben bietet sich dann die schönste Rastbank des Tages unter einer Gruppe von Birken und mit einem Blick über die klammen Wiesen bis hin zum Hoheberg, dem höchsten Berg im weiteren Umkreis. Ein kleiner roter Traktor mit allerhöchstens zwei Zylindern unter der schmalen Haube zottelt eine Fuhre ätherisch duftenden Kiefernholzes über den sandigen Weg, die wohl für Rieben bestimmt ist.

Riebener See
Breiter Schilfgürtel am Riebener See

Ein Wäldchen später steht rechts ein seltsames Gebilde im Uferschilf – ein Vogelbeobachtungssteg, wie er noch nicht gesehen wurde. Der lange Zugang bis zur kleinen Plattform am Ende ist bis auf verschiedene Gucklöcher komplett mit dünnem Holz verkleidet, so dass sich unbeobachtet anpirschen kann, wer Neugier auf die gefiederte Privatsphäre verspürt. Am Ende wartet ein gemütliches Kabäuschen mit Sichtschlitzen für jede Beinlänge und Kopfhöhe. Viel ist nicht los auf dem Riebener See, bis auf zwei lümmelnde Schwäne am seezugewandten Rand des breiten Schilfgürtels und einen Versteck spielenden, sehr agilen Haubentaucher sind keinerlei Schnäbel oder Bürzel zu sehen. Der See liegt glatt und eben auch still. Das dürfte ein paar Wochen später gänzlich anders aussehen und auch völlig anders klingen. Andererseits – was wissen wir denn, was sich im Verborgenen im Schilf schon jetzt abspielt!

Apfelbaumallee vor Rieben
Abendliche Apfelbaumallee vor Rieben

Das letzte Stück nach Rieben liegt voraus. Am Ende des vorletzten Wäldchens beginnt eine junge Allee von Apfelbäumen und führt bis zum finalen Berglein der Tour direkt am Rand des Dorfes, dem Kolberg.

Auch Rieben strahlt jetzt diesen Abendfrieden aus, hier wird ein Schwatz gehalten, da ein privates Blümchen noch verkauft am Straßenstand. Das Licht des Tages ist noch da, doch zieht der Himmel langsam zu mit Wolken und damit die Dämmerung ein wenig vor. Es ist ja schließlich noch nicht März.

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): mit der Regionalbahn bis Michendorf, von dort mit dem Bus Richtung Dobbrikow (Bus verkehrt leider sehr selten)(ca. 1,75 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): entweder Bundesstraße über Ludwigsfelde, Trebbin, dann Richtung Beelitz und über Zauchwitz nach Rieben (ca. 1,25 Std.),
oder Autobahn bis Abfahrt Michendorf, dann über Beelitz und Zauchwitz nach Rieben (ca. 1 Std.)

Länge der Tour: ca. 19 km, Abkürzung oder Teilung möglich (breiter Feldweg von Dobbrikow zum Forsthaus zwischen Pfefferfließ und Pfeffergrund)

Download der Wegpunkte (wer probieren möchte, ob am Campingplatz Glienicksee die Tore geöffnet sind: bei WP8 weiter mit WP41-48, dann in Dobbrikow weiter bei WP13)

Links:

Naturpark Nuthe-Nieplitz

Rundwanderweg Riebener See (PDF)

Campingplatz am Glienicksee

Seite des Ortes Dobbrikow

Einkehr:

Landgasthof Rieben, Rieben (noch nicht besucht)
Gaststätte im Feriendorf am Weinberg, Dobbrikow (noch nicht besucht)
Sommerkiosk am Vordersee, Dobbrikow (noch nicht besucht)
Café Die Scheune, Dobbrikow (noch nicht besucht)
Zur alten Brauerei, Beelitz (noch nicht besucht)
Jägerhof Seddin, Seddin (gute Küche, schöne Terrasse zum See)