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Blankensee: Sand im Kamm, der Bunte Markt und die Doppel-Bärchen

Mit einem Mal ist es so, als wär’s nie anders gewesen – am Boden, im Buschwerk und in den Baumkronen ist es füllig grün, Gräser wogen im Wind und überall wo Platz ist zirpen die Grillen. Das Grün ist dieses ganz frisch gewachsene, welches in seiner Anfangsphase das Licht im Wald ein wenig flirren lässt, die Gräser waren vor ein paar Tagen noch nicht mal zu erahnen und die Grillen agieren schon derart souverän, als ginge nächsten Montag der Sommer in die Spur.

Ausdruckstanz auf dem Kamm der Glauer Berge

Eine Farbe der Maientage ist ganz klar das Gelb, das sich mit den großzügig verstreuten Butterblumen dotterkräftig ins saftige Gras mischt oder licht und flächig mit den Rapsflächen das Blickfeld ausfüllt und dabei nahezu unfotografierbar ist. Der etwas neonspröde und zugleich tiefgesättigte Gelbton scheint auch fortgeschrittene Sensoren auszutricksen und möchte am liebsten im Original und also unter freiem Himmel bestaunt werden.

Rastplatz auf dem Fuchsberg

Während Nase und Auge mit dem Wahrnehmen kaum hinterherkommen, gibt es auch für die Ohren schon erhoffte Neuzugänge, die alle klingen, als wären sie gesegnet mit Humor. Der Kuckuck, wohl der Vogel mit dem unverhandelbarsten Wiedererkennungswert, bringt allein durch seine beharrliche Variantenfreiheit die Mundwinkel etwas nach oben oder lässt für einen Augenblick an unbeschwerte Kindertage denken. Ist eben noch hier, gleich darauf dort und tönt einem fünf Sekunden später direkt vom nächsten Baum ins Ohr.

Lindenhof in der Friedensstadt Weißenberg

Zu den regelrechten Spaßvögeln und Plaudertaschen gehört hoch im Wipfelwald der gelbe Pirol mit seinem Gedudel aus schnell gespielten Versatzstücken des Freejazz. Drunten im Schilfgürtel märkischer Seen findet er einen Partner auf narrativer Augenhöhe mit dem Drosselrohrsänger, der auf verschmitzte Weise plaudert, schimpft und berichtet und für den Zuhörer meist mit dem Duft von offenem Wasser und Schilfgeraschel verbunden sein wird. Die Schwalben sind zwar schon eine Weile da, verhalten sich fürs Erste aber noch still. Und die Mauersegler lassen auf sich warten.

Pfad am Wildgehege Glauer Tal

Davon abgesehen ist Anfang Mai für viele Menschen eine Zeit fürs Gedenken, das Gedenken an die Toten, die in einem unfassbaren Krieg umkamen. Ein Krieg, so unvorstellbar, dass er selbst durch die vielen vorhandenen Bild- und Filmdokumente für Nachkriegsgenerationen nicht an Abstraktheit verliert. Hierzulande fand er an einem 8. Mai sein amtliches Ende.

Weitgehend losgelöst von den Nationalitäten der Gefallenen, Ermordeten und Umgekommenen besuchen in diesen Tagen traditionell viele Menschen verschiedenste Orte und Stätten, die an diese Ereignisse erinnern. In diesem Jahr ist das mit Spannungen unberechenbarer Art verbunden, Gedenken und Ruhe werden nur bedingt zusammen gehen.

Achtbeiner am Naturparkzentrum Glauer Tal

Wer sich trotzdem nicht völlig rausnehmen möchte, kann rund um Berlin oder auch in der Stadt selbst verschiedenste Orte finden, die klein und entlegen sind und dieselbe Art von Gedenken ermöglichen. Einer davon ist die Friedensstadt am Fuß der Glauer Berge, die vor gut 100 Jahren gebaut wurde, bereits nach 15 Jahren in missbräuchliche Nutzung geriet und deren Bild dann fast sechzig Jahre von militärischen Uniformen bestimmt wurde. Erst Mitte der Neunziger Jahre ließ sich wieder an die ursprünglichen Ideen des Gründers anknüpfen.

Friedensstadt Weißenberg

Das Ortsbild versteckt keine der Riefen der Geschichte. An den vielen Stellen, wo sicherlich jedem zweiten Besucher eine Frage erwächst, steht meist ein paar Meter weiter eine kleine Schautafel, die informativ, anschaulich und ohne schlauen Zeigefinder die geraffte Antwort liefert. Auf den ersten Blick oder bei bloßer Durchfahrt wirkt die Siedlung spröde und abweisend, doch ein Rundgang ist lohnend. An fast jeder nächsten Ecke ergibt sich ein neuer Kontrast, viele Orte strahlen Friedlichkeit aus. Werdendes steht neben Vergehendem, staubige Brachen grenzen an hübsch gestaltete Parkstreifen oder fantasievoll bunte, zaunlose Hintergärten.

Dorfmitte von Blankensee

Davon losgelöst kann man auch den Mai als Monat feiern, insbesondere nach den sechs Monaten mehr oder weniger Kälte und Frieren, und so lässt sich der Besuch der besonderen Siedlung in eine besondere Runde einbinden. Vier Orte liegen auf dieser Tour, die jeder einzeln schon als Ausflugsziel taugen würden und allesamt grundverschieden sind. Mit dabei sind einige Höhenmeter samt Bergkamm und Gipfelkreuz sowie eine ganze Reihe zauberhafter Pfade, die uns zum Teil der Zufall in die Karten spielte.

Nieplitz im Schlosspark Blankensee

Blankensee

Der sagenhafte Dorfladen wurde schon in einem früheren Dezember besungen, und er hätte es auch heute wieder verdient. Wer hier sitzt, fühlt sich wie im Urlaub. Kreuzung, Häuser und Geschehen wirken ein wenig wie in einem Dorf im Hinterland der Ostseeküste. Blankensee als Dorf scheint zusammengebaut aus einem gut bestückten Premium-Dörfer-Baukasten, der Grundriss ist unregelmäßig und keine Ecke gleicht einer anderen. Es gibt verschiedene Gastronomie, einen Feuerwehrturm mit Besuchertoilette und einen Imkerladen mit schickem Automaten. Hier kann man sich auch nach Ladenschluss verschiedenste Sorten Honig oder auch eine Tüte Honig-Doppelbärchen ziehen, die in ausgewogener Mischung fruchtig und nach Honig duften.

Aufstieg zum Kamm der Glauer Berge

Der Dorfladen ist legendär, das Café Fritz gehört dazu. Vorn an der Ladentür geht es zwischen spontanen Ruhephasen hoch her, Einheimische wechseln mit trödeligen Spaziergängern oder Radlern verschiedener Tempo-Klassen. Während auf den umgebenden Straßen die maierwachten Biker ihre Ringmuskulatur auf dem Tank ablegen und ihren urigen Gasthof im Walde ansteuern, haben hier weitaus ältere Radsport-Herren ihre drahtigen Gliedmaßen in synthetische Pellen verpackt, deren Farbkombinationen teils sehr laut fürs Auge sind. Unklar bleibt oftmals auch, was jetzt eingesetztes Polster ist und was nicht.

Kammpfad mit Flieder

Auf jeden Fall haben sich alle einen guten Appetit angeradelt und lassen den Füllstand der Theke rasch sinken – belegte Brötchen, Kuchenstücke und Schmalzstullen gehen gut weg. Manche Frohnatur spickt den Prozess mit einem originellen Spruch, den wohl jeder im Raum schon öfters gehört hat. Wem all das alles doch zu trubelig ist, der kann sich hinten in den Hof verkrümeln oder noch eine Pforte weiter in den idyllischen Wiesengarten, der saftig grün ist vom jüngsten Schauer.

Dünenrücken der Glauer Berge

Wir wollen nichts verpassen von dieser herrlichen Atmosphäre vor dem Laden und finden einen freien Tisch. Sitzen gut und plaudern, die Unterhaltung stimmt, und so verlängern wir um eine zweite Tasse. Vielleicht auch, weil der Aufstieg zum Bergkamm gleich bevorsteht. Holen noch ein Kuchenstück für die verdiente Rast am Gipfelkreuz, bevor endlich die Loslösung erfolgt, schweren Herzens. Und voller Neugier auf die ganzen kaum bekannten Stationen dieser Runde.

Am Anfang steht die Nieplitz, von deren Brücke sich eine pittoreske Vorschau auf den hochherrschaftlichen Abschluss der Runde ergibt – ein ansehnlicher weißer Parksteg, der sich mit noblem Spiegelbild über den Fluss krümmt. Im benachbarten Park steht ein Bauwerk von angenehmer Dekadenz, wohl nur dafür geschaffen, nach dem Erklimmen einer Stiege recht herrschaftlich von oben in den Park hinabschauen zu können.

Wiese auf den Glauer Bergen

Glauer Berge

Nach kurzem Verfransen in den bunten Nieplitzwiesen beginnt direkt an der Landstraße der Aufstieg, der nicht lange fackelt. Der Höhenrücken verleugnet nicht seine Dünenständigkeit, je weiter man an Höhe gewinnt, desto flächiger zeigt sich der Sandrücken. Immer schmaler wird der Weg, bis schließlich auf dem Kamm nur noch ein hinreißender Pfad übrig ist, der hakenschlagend und teils gitterhaft ausfransend seinen Weg nach Osten geht. Untypisch, erstaunlich und sehr passend für diese Woche im Jahr ist das reiche Vorkommen von Fliederbüschen hier auf der sandigen Höhe. Kleine gelbe Blütensterne kontrastieren schön dazu, dazwischen liegt der Weg.

Aussicht zum Blankensee

Der geht dann wieder in die Breite, in voller Sandigkeit und durchzogen von knorrigen Wurzelarmen, und streift eine größere Fläche offener Düne. Dahinter schwindet kurz die Klarheit, wo der Fontane-Weg nun geblieben ist, ungewollter bzw. verfrühter Höhenverlust droht. Doch bald ist die Markierung wieder da und ein späterer Zufallspfad erlaubt sogar eine sinnvolle Abkürzung, die einen in Kauf genommenen Höhenverlust vermeidet.

Aussichtsbank am Fuchsberg

Fuchsberg

So gelangen wir vorbei an markanten Geländescharten, die ähnlich prägnant ausfallen wie bachgeschaffene Nebentäler, fast direkt zum großen Wegweiser auf einer Trockenwiese, über der die Wolken mittlerweile sehr plastisch den blauen Himmel bevölkern. Gleich um die Ecke liegt nun ein herrlicher Aussichtspunkt, mit Rastraufe und Gipfelkreuz. Der Panoramablick reicht über den benachbarten Löwenberg, gut erkennbar am Aussichtsturm, über den glitzernden Blankensee bis weit ins Land und über die offenen und bewaldeten Weiten der Nuthe-Nieplitz-Niederung. Ganz im Westen ist bei guter Sicht eine ferne Höhe auszumachen.

Stüfchen unweit des großen Wegweiser, Glauer Berge

Friedensstadt Weißenberg

Der sanfte Abstieg verläuft über einen Wiesenweg, umrundet dann die Tier- und Pflanzenwarte und erreicht die Friedensstadt über eine abenteuerliche Treppe, die einst zum riesigen Terrassen-Café gehörte. Unten bei den Häusern herrscht buntes Treiben, aus einem Findlingsblock sprudelt Wasser, dicht drum herum hocken kommunikative Bänke. Über all dem steht am Giebel ein ausführliches Zitat von Herrn Weißenberg, dem visionären Initiator der Friedensstadt und Gründer der Johannischen Kirche, die sowohl hier als auch bei Blankensee eine Rolle spielt.

Tiergehege am Abstieg

Die Siedlung ist wie beschrieben eindrucksvoll uneinheitlich, hier und da sind noch gut die Grundstrukturen zu erkennen, insbesondere am angerähnlichen Lindenhof, der hier mit seinen Siedlungshäusern wie ein eigenes kleines Dorf wirkt. Viele bunt gemischte Kinder sind zu zweit oder in Trupps unterwegs beim Spielen und schlitternden Staubaufwirbeln, Wettrennen und Fangen oder beim gemeinsamen Bestimmen, wer das nächste Spiel bestimmt. Begegnen uns immer wieder, an den allen möglichen Ecken der vielfach verschränkten Siedlung, Wald, Wiese, Kieshaufen. Es ist hinreißend und echt, fast wie ein Bild aus der eigenen Kindheit, wo Strom keinerlei Rolle spielte oder man ihn allenfalls für die kleine Taschenlampe in der Hosentasche brauchte. Wo die Eltern derweil sind, klärt sich schon bald.

Vergehendes Terrassenlokal über der Friedensstadt Weißenberg

Der Staub wurde eben erwähnt, da ist es nicht weit zum Durst. Vorhin sahen wir einen schönen Pavillon mit Biergarten, die Läden hochgeklappt. Doch obwohl die Spülbecken gefüllt sind und die Gläser frisch tropfen, gibt es hier nichts für die Kehle, erst nächste Woche beginnt die Saison, für die gerade alles klargemacht wird. Doch wenigstens einen Hinweis, da lang, noch vorbei an der Ladenzeile, da is schon zu, und noch hinterm Café Tassé in der Markthalle, die is bis dreie offen, da könnse sich was rausholen. Markthalle, echt?

Giebelschrift am Frieda-Müller-Haus

Bunter Markt

Unterwegs treffen wir noch auf einen weiteren Trupp Kinder, die sich allesamt im ausladenden Unterrock einer riesigen Konifere ihre Höhle erfunden haben und einander Geflüstertes zuraunen. Hinter der nächsten Wiese steht schon die Markthalle, die wahrhaftig so heißt und noch weit mehr so ist, als wir uns hätten vorstellen können. Gut, dass der Kiosk noch nicht offen war, sonst wären wir hier womöglich vorbeigelaufen.

Siedlungshäuser am Lindenhof, Friedensstadt Weißenberg

Drinnen sind zich Stände aufgebaut, von Handwerk, Kunst und Handarbeit über Kitsch und Antikes bis zu schönstem Trödel, natürlich auch Verschiedenes zum Sattwerden und Durstlöschen. Die Atmosphäre ist herrlich, es ist gut gefüllt und Bunter Markt ist tatsächlich der passende Begriff. Beim Hinterausgang gibt es auch noch einen Grillstand und sogar kleine Livemusik. Einmal im Monat findet das hier statt, und wenn uns heute auch die Muße fehlt, ist einer der nächsten Termine gesetzt für den ausführlichen Besuch, der sicherlich mit zwei vollen Beuteln enden wird und die Sorge um herzige Weihnachtsgeschenke in Luft auflöst. Wer schon einmal den Weihnachtsmarkt der Johannischen Kirche in Blankensee besucht hat – so ähnlich kann man sich das vorstellen, nur eben ohne Schal und Handschuh.

Ladenzeile am Festplatz, Friedensstadt Weißenberg

Eine staubige Brache später folgt das nächste faszinierende Gebäude, weder Ruine noch verfallend, irgendwie zwischen allem. Vom etwas erhöhten Weg fällt der Blick hinab in die Niederung, wo eine kleine Tribüne über einen großen Sportplatz wacht. Es dürfte spannend sein, dieses Ort hin und wieder aufzusuchen und jeweils auf die Pirsch zu gehen nach Stellen, wo sich was verändert hat.

Parkweg zur Markthalle

Unterhalb des Hanges der Glauer Berge ist es vielleicht eine Viertelstunde bis zum Friedhof, der nicht nur seiner Fachwerk-Kapelle wegen eine besondere Wirkung ausstrahlt. Den Lehren der Johannischen Kirche folgend sieht hier jeder Grabstein aus wie der daneben, wie ein Ruhekissen in aufgeklopfter Echtgröße. Weiter hinten gibt es noch eine Wiese mit Holzkreuzen, unter denen vielleicht auch die polnischen Zwangsarbeiter ruhen, die hier in der NS-Zeit ihren Tod fanden. Auf dem Friedhof ist richtig Betrieb, überall wird gehackt und gefegt und gejätet, viele sitzen auch einfach gemeinsam auf dem Boden und erzählen miteinander.

Friedhof der Johanneschen Kirche bei Glau

Glau

Auf dem Weg nach Glau fallen die ersten Tropfen, das ist jetzt wohltuend und nimmt den Staub etwas aus der Luft. Rechts des Weges steht ein kleines Dreigestüf, um ohne Peinlichkeiten auf einen Pferderücken zu gelangen, links dahinter folgt ein winziger Friedhof mit ehrwürdigen Familiengräbern an der rechten Seite. Kurz darauf stehen wir vor der Dorfaue, die mit ihrem halben Rundling und den großen abgerundeten Toren daran erinnert, dass man im Fläming ist.

Dorfaue im Dorf Glau

Das Dorf liegt im Glauer Tal, aus dem es jetzt wieder einige Höhenmeter hinauf geht. Der Wald ist übervoll von Maigrün mit kleinen gelben Punkten links und rechts des Weges. Es duftet süß und aromatisch, auch wenn nirgendwo Waldmeister zu entdecken ist, dann noch lieblich, und bald zeigen sich kleine Felder blühender Maiglöckchen als Erklärung. Waldstücken wechseln mit Feldern und Wiesen, hier und dort liegen frischgefallene Pferdeäpfel, die hier unbedingt hingehören. Bald ist weiter vorn auch der passende Hintern zu sehen, bevor er im nächsten Wald verschwindet.

Glauer Tal am Ravensberg

Am Fuß des Ravensberges, dessen Gipfel wir umgangen haben, beginnt nun die flache Niederung des Glauer Tals, die sich entlang des Faulen Grabens bis nach Glau zieht. Eine andere Welt, mit weitem Blick zum betürmten Löwenberg und das Tal hinab in Richtung Blankensee. Entlang des Plattenweges gibt es einen Wassergraben, dahinter dichtes struppiges Buschgebäum, dessen Stämmchen dem Anschein nach alle im Wasser stehen.

Bald nach dem Einsetzen des nächsten Niesels verdichtet sich dieser zu einem richtigen Regen. Kiefern halten einiges ab, und so stellen wir uns ein Weilchen unter und holen die abhanden gekommene zweite Rast notdürftig im Stehen nach, während es draußen kühler wird und würzig duftet von überall her. Zwei Autos passieren derweil, ohne Staub aufzuwirbeln.

Birkenwald im Wildgehege

Wildgehege Glauer Tal

Hinter dem nächsten Wäldchen sind Kinderstimmen und zugehörige Familiengeräusche zu hören, kurz darauf sehen wir auch schon eine Rastraufe und den filigranen Zaun, der das große Wildgehege umgibt. Stattliche Hirsche in Rot und Dam soll es hier geben, auch Muffelwild, das ja durch die Schönower Heide als Großmeister im Verstecken bekannt ist. Damwild können wir später kurz sichten, darunter zwischen den Birkenstämmen auch eins in weiß, sodass bis zuletzt ein kleines Fragezeichen bleibt.

Nach dem ersten Zaunkontakt verfransen wir uns kurz, den alten Weg gibt es nicht mehr, doch wenn man vom Raufeblick einfach dem Zaun folgt, kommt man ohne ziepende Ästchen und eingezogenen Kopf auf einen der schönsten Pfade weit und breit. Die liegengebliebene Klappbrücke irgendeiner Armee reicht hier noch über ein austrocknendes Fließ, bevor dieses zauberhafte Stück Weges beginnt. Erst öffnet sich der Blick über eine saftige Wiese, die voll ist von pludrigen Butterblumen, dann geht es als Gasse durchs Buschwerk. Links begleitet den Weg eine lange Reihe von Bäumen.

Pfad zum Naturparkzentrum

Hinter dem feuchten Teil  der Wiese grasen Kühe auf viel Platz, weiter hinten stehen andere knöcheltief im Stroh oder haben ihren Kopf schon in eine Strohrolle hineingefuttert. Zwischen beiden Lagern rennt und karjohlt mit der Energie eines kleinen Kindes ein Kälbchen, im unregelmäßigen Hopserlauf und hochvergnügt. Ein Gleichaltriges versucht mitzuhalten und schafft es eine Weile, doch dreht irgendwann ab und holt sich etwas Kuhwärme von der Mutter.

Abendbrot unweit von Glau

Naturparkzentrum am Wildgehege Glauer Tal

Nach etwas Straße geht es am Parkplatz auf schönen Pfaden mit allerlei Stationen und Tafeln in ein verspieltes Gelände mit großen Wiesen, einem weiten Schafgatter sowie der schönsten Riesenspinne, die man je gesehen hat. Sie hockt über einem Netz zwischen den Hügeln der Spielplätze und sieht zwar eindrucksvoll, doch gar nicht angsteinflößend aus, sodass man ihr auch als Spinnenvermeider gern näherkommt.

Hinterm Schafgehege ist eine kleine Arena aus Strohrollen aufgebaut, in der man herrlich herumklettern, toben und springen kann, ohne dass sich irgendwer um irgendwas Sorgen machen muss. Das Stroh am Boden ist so dick, dass man weich einsinkt, doch nicht bis zum Boden kommt, ein herrliches Gefühl. Und damit verbunden die seltene Option, sich einfach mal an Ort und Stelle umplumpsen zu lassen.

Spielpark beim Naturparkzentrum Glauer Tal

Gerade noch freut sich ein Bengel über die Effekte selbst gepumpten Wassers in den Rinnen des Wasserspielplatzes und ruft seinen Kumpel zum Mitstaunen und schaumalwasichhierundso, da fängt es richtig an zu pladdern. Wir werfen noch einen kurzen Blick ins verglaste Naturparkzentrum, wo sich die Wärme des Tages gesammelt hat. Für den Nachmittagskaffee ist es leider zu spät. Auf frischem, hellen Holzmulch verlassen wir das Gelände durch wasserreichen, üppig grünen Wald.

Auf dem Weg zum Wildgehege haben sich Pfützen gebildet. Ein drittes Mal geht es über den Faulen Graben, bevor dann ein gemütlicher Alleeweg unterhalb des kaum wahrnehmbaren Mühlenberges auf Blankensee zuführt. Trotz des anhaltenden Regens ist dieser von der sinkenden Sonne warm durchleuchtet. Zu beiden Seiten steht das Korn schon fast kniehoch, das ging jetzt schnell. Vorhin gab es sogar schon den würzigen-kräuterigen Duft einer ersten Wiesenmahd.

Weg nach Blankensee

Blankensee

Einmal schräg über die Straße bietet sich überraschend ein kleiner Schleichweg an, der nun über Wiesen- und Waldpfade direkt zur Seepromenade verbindet. Rechts liegen unter schweren Wolken weite Wiesen, bis hin zum nächsten Schilfgürtel. Erwartungsgemäß wird es jetzt hier recht voll, denn selbst lauffaule Besucher von Blankensee werden den bekannten Holzsteg überm See aufsuchen, auch wenn der bald mal etwas Zuwendung bräuchte.

Blankensee mit Wetterwolken

Vorn auf der einzelstehenden Aussichtsbank am See haben sich zwei Mädels eingerichtet, genießen lose plaudernd das Schauspiel von ölig glitzerndem See unter dramatisch aufgebautem Wolkenhimmel, während unten Schwäne ihre aufwändigen Starts hinlegen, ganz oben die Kraniche mit der Thermik spielen und eine Ecke weiter scharenweise Gänse und Enten versuchen, die Sprachbarriere zu überwinden.

Auf dem Steg haben sich Vogelkieker versammelt, mit kleiner und größerer Optik. Die mit den ganz großen Rohren saßen heute zu Beginn des Tages beim Dorfladen am Nebentisch und plansimpelten über den Verlauf des Tages und die erhoffte Ausbeute, die sind hier schon längst durch und jetzt an irgendeinem wenig bekannten Platz mit vielen Vögeln und noch mehr Abendstimmung.

Uferweg an der Nieplitz zum Schlosspark

Dann gibt es noch die akademischen Betrachter mit hohen Brauen über beflissenen Augen, dabei den Kopf im selbstbestätigenden, weichen Nicken, natürlich auch die Heranwachsenden im schwierigen Alter, die mitmussten, auch wenn der Steg kein Welahn hat, und schließlich die geduldigen Genießer, die ein paar Minuten oder eine Viertelstunde auf ihre Bank gelauert haben und jetzt ihren verdienten Platz genießen. Die Stimmung ist friedlich, die Menschen nicht lauter als die Vögel auf dem See oder das Rauschen des Windes im griffnahen Schilf.

Brücklein im Schlosspark Blankensee

Noch vor der Brücke über die Nieplitz beginnt ein Uferpfad, der perfekt zur letzten Viertelstunde passt. Links eilt das gerade ein wenig hinabgestürzte Flüsschen vorbei, rechts liegen Teiche mit breiten Schilfgürteln, und über den Weg hängen wie gewachsene Vorhänge die Äste von Weiden. Wäre die Tageskraft nicht schon am Ende, würde man diesen Weg vermutlich noch ewig in die Länge ziehen. Links in den Wiesen sind große Teppiche schlohweißer Blümchen zu sehen.

Hinterm Bruch geht es nun links durch den Schlosspark, der klein, fein und verspielt ist. Auch wenn es vielleicht nur fünf Brücklein sind, scheinen bei jedem Blickschwenk immer neue hinzuzukommen. Ein herrschaftliches Portal entlässt aus dem Park. Direkt dahinter sollte man unbedingt ein paar Schritte nach links gehen, denn hier ist der erwähnte Bienenladen. Selbst wenn geschlossen ist – der Honig-Automat hat rund um die Uhr geöffnet, vermutlich sogar an jedem Tag des Dezembers.

Imkerladen mit Allzeit-Automat

Sollte man also wirklich einmal in eine Honig-Not geraten, ganz gleich ob un- oder verschuldet, und keinerlei Aufwand scheuen wollen, finden sich hier zu jeder Zeit Lösungen. Die Doppel-Bärchen übrigens, die man hier auch bekommt, sind immer Hand in Hand bzw. Tatz in Tatz und taugen damit gut als Botschafter des Friedens. Vielleicht sollte man sie einmal pauschal in alle Hauptstädte der Erde verschicken.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
Regionalbahn von Berlin-Hbf. oder -Südkreuz nach Trebbin, dann Rufbus Kranich Express (ca. 0,75-1 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): B 101 über Berlin-Marienfelde und Trebbin (ca. 1-1,5 Std.)

Länge der Tour: ca. 17,5 km (Abkürzungen gut möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Informationen zu Blankensee

Faltblatt Glauer Berge (PDF)

Friedensstadt Weißenberg

Glauer Tal – Wildgehege

Naturparkzentrum Glauer Tal

Einkehr: div. Möglichkeiten in Blankensee
div. (Imbiss-)Möglichkeiten in der Friedensstadt
Kleines Café im Naturparkzentrum

Stücken: Das Zweistromland, ein Dezemberstorch und die Schwingungen am Himmel

Still und leise kam der Dezember herangeschlichen und übt sich nun im kurzen Wechsel von klamm-ungemütlichen Novembertagen und ersten Anflügen von Winterweiß, die jedoch selten eine Doppelstunde überstehen. Die hochfliegenden Formationen großkalibriger Zugvögel haben Mitteleuropa den Rücken gekehrt, und von den kahlen Bäumen knarzt und krakt es aus respekteinflößenden Krummschnäbeln dunkelgekleideter Kälteexperten, zwischen denen die wenigen Wintermeisen gleich doppelt so niedlich klingen wie ohnehin schon.

Feuchtwiesen vorm Blankensee, bei Körzin

Die ausgehende Adventszeit bringt nun neben nächtlicher Eiseskälte wieder diese Tage mit sich, die es zwischen den Dämmerungen auf weniger als acht Stunden Lichtausbeute bringen. Das kann völlig ausreichend sein, wenn Sonne im Spiel ist und auch Himmelblau. An trüberen Tagen hingegen sorgt es dafür, dass jeder seine beheizbaren vier Wände dreifach zu schätzen weiß. Selbst Leute, die sonst gerne draußen sind, beeilen sich mit dem Abarbeiten monatstypischer Listen und sinken dann zuhause seufzend ins erstbeste Sitzmöbel, zumindest für einen wohlverdienten Augenblick von der unverhandelbaren Länge eines dampfenden Getränks.

Wer in dieser Zeit seine freien Stunden an der frischen Luft verbringen möchte sieht zu, dass von dem knappen Lichtkontigent nichts verschenkt oder beschnitten wird. Keine ausgeprägten Tallagen also, nicht tiefe Wälder und überhaupt gar nichts, was Schatten werfen kann. Als höchstes Zugeständnis allenfalls ein Waldrand. Freie Weite ist passend, wo die Abwechslung maßgeblich in den Horizontlinien stattfindet, im Detail betrachtet gerne auch vor Ort.

Weg zur Kirche in Stücken

Davon reichlich bietet das Land, welches sich im Südwesten zwischen Nuthe und Nieplitz aufspannt. Wie das nach einem ähnlichen Rezept verfasste Havelland ist es frei von großem Spektakel und daher vergleichsweise unbekannt, und es bietet mit seinen großzügigen und wasserreichen Landschaften eine Faszination, die sich schwer mit anderem in Brandenburg vergleichen lässt und Gedanken an ein Müritzland en miniature aufflackern lässt. Die Natur hat hier mit großem Pinselstrich gemalt, nicht mit feinen Linien und Getupfe, und diese sympathische Großspurigkeit verleiht ein exklusives Gefühl, da man all das in den meisten Augenblicken ganz für sich allein haben darf.

Dennoch ist es kein fixiertes Bild, denn irgendwo bewegt sich immer irgendwas. Vergleichbar dem Blick in einen klaren Sternenhimmel wird es immer mehr, je länger man in eine Richtung schaut und versucht zu fokussieren beim fahlgrauen Licht des nahenden Winters. Wenn sich fürs Auge einmal wirklich nichts bewegt, dann ist etwas Lebendiges zu hören, und eher als rauschende Wipfel sind das hier ganze Scharen großer Zugvögel, die noch einmal die Jahreszeit betonen, die eigentlich schon im Begriff zu gehen ist. Die Vögel hingegen scheinen bereits ihr Reiseziel erreicht zu haben, sonst wären sie nicht mehr hier, sondern auf dem Weg ans Mittelmeer.

Dorfstraße in Stücken

Stücken

Schöne Ausgangspunkte finden sich zwischen der Stadt Beelitz, bekannt für ihren Spargel, und dem beschaulichen Trebbin. Erstere liegt an der Nieplitz, das zweite an der Nuthe, und beiden gemein ist, dass in letzter Zeit viel Geld darauf verwendet wurde, das pittoreske Stadtbild aufzuhübschen – jeweils mit sichtlichem Erfolg. Auf der Mitte zwischen beiden liegt das hübsche Dorf Stücken, von dem sich gut eine Umrundung des Blankensees beginnen lässt. Die hält bis auf eine Ausnahme respektvollen Abstand zum Ufer und verleiht damit dem einen, kurzen Strandbesuch doppeltes Gewicht.

Auch wenn sich also der umrundete See nur selten zeigt, ist es bereichernd, von ihm zu wissen, denn ein größeres Wasser zu umrunden ist ja immer eine kleine Leistung, dank der später das verdiente Abendbrot noch etwas besser schmecken darf.

Stücken ist eins von den Dörfern, das seinen Charme abseits der Durchfahrtstraße entfaltet. Am großen Rastplatz zweigt die Dorfstraße ab und schlägt bis zum Ortsrand einen weiten Bogen, der mit schönen Häusern, einer eingekuschelten Kirche und mehreren Einkehrangeboten zu unterhalten weiß. Das heben wir jedoch für die letzten Schritte auf, die im Idealfall in der weihnachtlich erleuchteten Dämmerung stattfinden sollen.

Weg in die Feuchtwiesen des Königsgrabens, bei Körzin

Von der schmiedeeisernen Kirchpforte lockt ein breiter Weg zur feld- und backsteingerahmten Kirchentür, der flankiert wird von verschiedensten Nadelbäumen, die sich auch in Alter und Dicke erheblich unterscheiden. Alles zusammen ergibt für einen Augenblick das Gefühl von Nachhausekommen. Unterhalb der römisch bezifferten Uhr hängt ein großer gelber Weihnachtsstern, der sich vom Wetter unbeeindruckt zeigt. Und ebenfalls der Dämmerung entgegensieht, die seine Stunde sein wird.

Draußen auf der Straße quert ein eiliger Trecker, weiter hinten verlässt eine Familie ihren Wagen und strebt wohin, wo um die Ecke offenes Feuer lodert. Mitten im Dorf quert eins der vielen Mühlenfließe im Brandenburgischen. Dieses hier entspringt nahe des Seddiner Sees und strömt zu den ausgedehnten Feuchtwiesen im Westen des Blankensees. Diese unwegbaren Wiesen gibt es überall in der Nuthe-Nieplitz-Niederung, und gemeinsam mit herbstlich abgeernteten Feldern erklären sie die hohe Beliebtheit dieser Landschaft bei all den durchreisenden und verweilenden Wasservögeln.

Blick über die Feuchtwiesen und den Blankensee zu den Glauer Bergen

So glasklar, wie das Mühlenfließ aussieht, muss es sehr kalt sein. Schon am Wiesenweg entlang des Ufers wird nochmals deutlich, dass in der letzten Woche fast täglich Regen fiel, hier scheinbar erheblich mehr als dort. Die gefütterten Gummistiefel zahlen sich aus und ersparen klamme Zehen für den Rest der Tour. Vorn quert ein befestigter Weg, auf dem winterlich Gekleidete mit oder ohne Hund und meist den Händen in den Taschen ihre Dorfrunde beenden und sicher auch zum heimeligen Feuerflackern wollen.

Am Ende der Pappelreihe geht es links durch ein Wäldchen. Auf dem breiten Weg ist Pfützenslalom angesagt, und die Dunkelheit selbst im kleinsten Kiefernwald bestätigt, dass die offene Landschaft für heute gut entschieden war. Hinterm Wald öffnet sich nach Westen eine lange Blickfreiheit, an deren Ende Kraniche zu hören sind, so einige. Das ist immer etwas erhebend. Es ebbt nicht ab, und was zunächst noch klang wie zweidrei Handvoll dieser Vögel, wird zu Hunderten bis hin zu Tausenden. Eine Klangkulisse, die man sonst eher vom November kennt.

Die Nieplitz bei Stangenhagen

Dann kommen sie näher, und es wird sichtbar, das ganze Ausmaß. Abertausende wechseln von den Äckern zu den Abendlagern rund um den Blankensee oder weiter zu den Nuthewiesen und vielleicht bis hin nach Zossen. Jetzt wird der Flugraum knapp, und es mischen sich die archaischen Saurierlaute der Kraniche mit dem eloquenten Palaver aus hundert Gänseschnäbeln – es ist nicht auszuschließen, dass da so einiges durcheinanderkommt am Himmel. Eben immerhin noch klein in der Weite dieser Landschaft, sind wir jetzt nur noch winzig angesichts der dritten Dimension, die das Klangspektakel hinzufügt. Es lädt ein zur Euphorie.

Nachdem der erste Schwung vorbei ist, lassen wir den Blick sinken und hätten fast den Abzweig verpasst, der durch ein kleines Bruch direkt in die Wiesen führt. Mitten durch dieses erstaunlich grüne Grün zieht der Weg seine sanften Kurven, voraus gewinnen im diesigen Tagesgrau die Häuser des Weilers Körzin an Gestalt. Versprechen dicht des Wegs die Maulwurfshügel anhaltend trockene Füße, stehen schon einen Steinwurf weiter die Wiesen flächig unter Wasser. In ihnen stakst ein Storch herum, wahrhaftig, und versucht gar nicht erst, wie ein Silberreiher auszusehen. Ein Storch im Dezember – das muss gleich raus als Bild an die naturversessene Freundin, gleich noch ein O-Ton hinterher, nicht vom Storch, sondern vom Himmel. Die Antwort kommt sofort.

Körzin

Vom Körziner Dorfrand bietet sich ein vieldimensionales Bild in Richtung Norden. Ganz vorn die Kuhweide, grenzend an die Wiesen voller Wasser. Dahinter kahle Bäume in der Ferne und weiter hinten ganze Pappel-Reihen, dann im Hinterkopf gewusst der große See und schließlich als Horizont der sanfte Höhenzug der Glauer Berge, deren Querung einen schon ins Schnaufen bringen kann.

Uferpfad am Pfefferfließ, am Rand von Stangenhagen

Ein Dutzend Häuser bieten viel Futter fürs Auge. Einige haben sich hier ihren Traum verwirklicht oder sind noch dabei, wie der Bursche, der mit seinem Jüngsten einen Gartenacker umgräbt, beide mit großen Atemwolken vor der Nase und gegenseitigem Verständnisnicken. So klein die Siedlung ist, gibt es hier neben Einkehrmöglichkeiten und einem Pferdehof auch eine der wenigen Falknereien im Lande Brandenburg. Das erklärt die großzügigen Parkplatzangebote, und davon abgesehen kann man natürlich herrlich in die Wiesen ausschwärmen oder eine gediegene Runde von etwa einer Stunde drehen. Gegenüber auf der Weide grasen Pferde und Kühe friedlich, trotz gleicher Interessenlage. Ein Pferdemädchen sorgt nebenan für Hufe in Bewegung.

Stangenhagen

Entlang der Bundesstraße scheint dann alles etwas größer gebaut, als es nötig wäre – breite Straße, edler Radweg, riesiges Geländer. Man erwartet umgehend ein Gewerbegebiet. Doch stattdessen schlägt der Radweg einen freundlichen Bogen um ein paar Bäume, und mit der Nieplitz und dem Pfefferfließ werden zwei breite Wässer überquert, die links und rechts mit urigen Landschaften locken. Kurz vor Stangenhagen beginnt am Ende eines althergebrachten Dammweges ein reizvoller Uferpfad entlang des Pfefferfließes, hin zu einem Vogelbeobachtungsturm. Wer noch eine halbe Stunde übrig hat, dem sei der wasserreiche Abstecher empfohlen, der zudem noch die schöne Stangenhagener Dorfstraße mitnimmt.

Uferhang voller Schafe, bei Stangenhagen

Vorbei an der kuriosen und durchaus sympathischen Kirche, die es wohl unter die Top 25 der sachlichsten Kirchbauten der Welt schaffen dürfte, steigt die Straße langsam an, bis sie bei einem kramigen Hof mit einem gelangweilten Hund den Ort verlässt, der nach einer kurzen Anhöhe nicht mehr zu sehen ist. Zwei urige Aussichtsbänke lassen kaum eine Wahl. Hier sitzend ruht der Blick theoretisch auf der weiten Wasserfläche, in der Tat fällt er heute auf enorm viele Schafe, die immer noch mehr werden, je länger man den Blick auf dem schon halb berupften Wiesenhang ruhen lässt. Analog der Situation vorhin. Das lenkt davon ab, dass der Blick aufs Wasser ohnehin vom klammen Uferwald verstellt ist, und führt zu manchem Blickaustausch mit den wettergerecht bekleideten Käuern.

Unterhalb einer bewaldeten Erhebung wird die Spur von knorrigem Robinienwald begleitet, links lässt sich wahlweise auf der Weide laufen. Dann beendet eine buschige Gasse auf schöne Weise den Weitblick, und schließlich, auf Höhe dreier grundverschiedener Grundstücke mit exklusivem Seeblick, kommt nun zum ersten Mal die weite Wasserfläche in Sicht, mit Blick aufs ferne Blankensee, in diesem Fall das Dorf. Passend dazu gibt es schöne Bänke hier und da. Der Weg hält noch immer seine Höhe, die etwa zehn Meter über dem Seespiegel liegt. Landseits wird mehr und mehr eine ausgedehnte Streuobstwiese sichtbar, die nach mehr aussieht als nur einem ausgefallenen oder landlustigen Freizeitvergnügen.

Aussichtsbänke an der Streuobstwiese, mit Seeblick

Endlich kommt der Abstieg, gefolgt von mysthischen Minuten in einem herrlich schwarzwassrigen Bruchwald, dessen Geräusche zur Dämmerstunde man lieber nicht kennen will. Wieder im Licht besteht je nach Wetter, Jahreszeit und Beweidung die Wahl zwischen der stillen Landstraße oder dem Weg am Bruchrand quer über die Wiese. Wer für die Straße entscheidet, kann bis zum Rand von Blankensee gleich drauf bleiben, wer von der Wiese kommt, dem empfiehlt sich ein Bogen vorbei an ein paar Häusern, gefolgt von kaum erkennbaren Schleichwegen und einer abschließenden Wiesenquerung. Das letztgenannte Gemisch ist eindeutig reizvoller.

Blankensee

Am Rand von Blankensee lässt sich schon erkennen, dass dies ein spezielles märkisches Dörfchen ist. Der Weg vom großen Parkplatz hinab zum Ufer lässt an Sanatorium und Kur denken, sieht ein bisschen nach „Bad Blankensee“ aus. Im Herzen des Ortes und auch drumherum wartet einiges, das zu entdecken lohnt, nicht unbedingt alltäglich ist. Als Stichworte abseits der Strecke seien genannt das markante geformte Kirchenzentrum Waldfrieden, die langgezogenen Glauer Berge und vor allem das Naturparkzentrum mit dem weitläufigen Wildgehege. Beides ist gelegen vor den Toren der vielgesichtigen, etwas sonderbaren Friedensstadt. Im Dunkeln leuchten dort die Fenster aus den hanggelegenen Häusern und schaffen durchaus etwas Mittelgebirgsflair.

Der kleine Strand am Blankensee, Blankensee

Selbst ohne Verlassen der Blankenseer Ortslage ließe sich ein schöner Tag verbringen, mit Schloss und Park und Uferwegen, schönen Brücken und einem Abstecher zur Kapellenruine am Seechen, einem Besuch beim Imkerladen oder dem Bauernmuseum mit der Museumsschänke. Der Ort, den man nicht verpassen sollte, ist der Bäcker-Dorfladen mit kleinem Café in der Dorfmitte. Dieser Laden strömt Herz und Seele aus und entlässt niemanden mit leeren Taschen oder leerem Magen. Wer übrigens getrunkenen Kaffee gleich wieder wegbringen will, findet eine der charmantesten Toiletten im Lande gleich um die Ecke, angedockt an ein Feuerwehrhäuschen in Kapell-Gestalt und mit angemalter Mülltonne.

Unten also bei den „Kurhäusern“ kommt jetzt endlich die Stelle, die einen direkt ans Ufer lässt, unverschilft und ohne Blickbegrenzer. Eine Bank steht hier, auf der man sich den strammen Seewind durch die Haare blasen lassen kann, und spätestens jetzt kommt der Gedanke an eine kleine Müritzumrundung wieder, deutlich und kontrastreich. Je länger man nachdenkt, desto mehr Entsprechungen finden sich. Keinesfalls ist es eine Miniatur in Einszueins, doch Stimmung und Gefühl, Unnahbarkeit und Naturnähe, Wildheit und Weite der Horizonte, all das ist nahe dran an dieser Landschaft rund um den größten deutschen See. Etwas vor dem Ufer treiben mit winterlich sparsamer Gestik verschiedene Sorten von Enten, von den Wellen im Ganzen durchgeschaukelt.

Steg mit freier Sicht auf den See, Blankensee

Ewig könnte man hier sitzen, doch zum einen bleibt der Wind nicht ohne Wirkung und die Thermoskanne zeigt schon Boden, zum anderen wird die Sonne bald weg sein, die Landschaft nur noch schemenhaft zu sehen und wir nur schwarze Schatten für die Handvoll Autos, die hier fahren. Also weiter auf den schönen Plankensteg, der einen überm Wasser wandeln lässt, in Augenhöhe mit dem hohen Schilf und in bester Hörweite zu allem, was sich darin abspielt. Einige Spaziergänger zücken Ferngläser und suchen übers weite Wasser, ein paar ältere Damen blieben lieber auf dem griffigen Laternen-Weg, denn der nasse Steg ist rutschig nach den letzten Tagen und dem spröden Wetter. Bei einer winzigen Fallstufe führt eine Brücke über die Nieplitz, deren Uferpfad mit seinen wehenden Trauerweiden stark verlockt.

Weiteren Verlockungen müssen wir widerstehen – dem komplexen Honigladen, dem urigen Museumshof und dem Portal zum Schlosspark, doch beim Bäcker, der eigentlich längst zu haben müsste, geht der Widerstand doch in die Knie. Kurz aufwärmen, was Heißes trinken, das wäre schön, so vor der letzten Stunde Weges. Hier ist noch ordentlich Betrieb, doch die Theken werden jetzt wirklich abgeräumt, die Kühlregale abgehängt. Am Grund der großen Thermoskaffeekanne sind gerade noch zwei Tässchen drin, und so gelingt die erhoffte Unterbrechung.

Hier gibt es alles, was wichtig ist, darüber hinaus noch einige Regalen mit Regionalem. Ein paar davon stehen um einen tragenden Pfeiler, und um das Ganze dreht ein kniehoher Knirps stiefeltapsend seine Runden und zählt verlässlich mit, wobei die Drei die Obergrenze darstellt und daher öfters aufgerufen wird. Beim Verkünden der Zahl wird stets kurz innegehalten. Es ist ein sympathisches Treiben hier drinnen, zusammengesetzt aus verschiedensten Leuten. Zuletzt schlurft noch eine ältere Dame aus dem Dorf hinein und braucht dringend irgendein schickes Brot, weil sich überraschend die Kinder angemeldet haben. Bekommt sie, ihr schickes Brot mit Doppelnamen, von hinten vorgeholt.

Das lebendige Herz von Blankensee

Wieder draußen ist jetzt das Schwinden des Tageslichts unübersehbar, wohingegen die entfernten Schwingenchöre verlässlich den Hintergrund gestalten. Das mit dem Licht ist nicht tragisch, denn auf dem ruhigen Sträßlein würde man schlimmstenfalls sogar bei völliger Dunkelheit bis zum ersten Fensterlicht von Stücken finden – dank der schlichten Sensorik, die Stiefelsohlen auf Asphalt ermöglichen. Doch die fast schon greifbar hohe Luftfeuchtigkeit sorgt für eine diffuse Streuung des verbliebenen Dämmerlichtes und schafft an den Horizonten rundum graulastige Aquarelle mit Waldkanten und Wipfellinien, erstarrten Weiden, Schilfinseln und pfützenglänzenden Wiesenflächen. Irgendwo ganz weit hinten im hohen Grase stehen unbewegt wildlederfarbene Pferde mit Siebziger-Jahre-Mähnen, im erstarrten Formationstanz in den Wind gedreht.

Nur wenige Fahrzeuge stören den Autopilot der Schritte, fordern nur jeweils ein kurzes Verlassen des Asphalts ein. Noch einmal wird im Süden kurz die Wasserfläche sichtbar, in deren nassen Uferbereichen detailreich all die Vogelleiber zu ahnen sind, die sich in die Verteilung der Schlafplätze arrangieren. Anfangs noch wuselig, dann mehr und mehr geordnet.

Die einzige Stelle, wo die Straße durch Grundstück und Buschhecke etwas schmaler wird, ist bei den Häusern von Breite. Dahinter bestimmt das Wasser des Königsgrabens und seiner Adern die Niederung, und vor dem Flankieren des Weinbergs ist sogar noch eine letzte Rast drin, mit den allerletzten Schlückchen warmen Tees. Erst hinter der Höhe kommt Stücken in Sicht und sieht mit all seinen Fensterlichtern nun besonders heimelig aus.

Stille Straße durch die weite Niederung, bei Breite

In der Ortsmitte zeigt sich, dass diese Stimmung sich noch steigern lässt. Hinter einer offenherzigen Hofeinfahrt ist im Fliederhof ein allerliebster kleiner Adventsmarkt aufgebaut, der unmittelbar mit stillen Fackeln und kienknackenden Feuerschalen lockt, darüber hinaus beim Nähertreten mit Düften von Flüssigem und Festem sowie allerlei Ergebnissen menschlicher Handfertigkeit. Friedlich ist die Stimmung, die Dimension überschaubar und Futter da für alle Sinne. Die Finsternis der längsten Nächte hat in Minuten übernommen, betont jede der bewegten Flammen und wäre jetzt an keinem anderen Ort willkommener.

 

 

 

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): wochtags über Regionalbahn nach Michendorf, von dort Bus (ca. stündlich)(ca. 1,15 Std.); am Wochenende seltener, alternativ über Potsdam (ca. 1,45 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über A 115 (Avus), dann Saarmund abfahren (ca. 1 Std.); alternativ über B 101 und A 10, dann Michendorf abfahren (ca. 1,25 Std.)

Länge der Tour: 17,5 km (ohne Südhaken 15,5 km)

 

Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

 

Links:

Internetauftritt von Stücken

Nuthe-Nieplitz-Niederung

Informationen zu Blankensee

Naturpark-Zentrum am Wildgehege Glauer Tal

Landbäckerei Röhrig in Blankensee

 

 

Einkehr:

Landhaus zu Stücken, Stücken
Fliederhof Syring (Café-Restaurant)

Restaurant Landlust, Körzin
Café Zum Kirschbaum, Körzin

Landhaus Waldfrieden (geöffnet zu Johannischen Kirchenfesten), Blankensee
Museumsschänke am Bauernmuseum, Blankensee
Landbäckerei Röhrig (mit Laden und Café), Blankensee

Gastronomie im Naturpark-Zentrum Glauer Tal (knapp 1 km östlich von Blankensee)