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Grobskizziert – Eichenbrandt: Drei gute Gründe und die körperlose Axt im Walde

So wie in diesem Jahr der September nach der letzten August-Stunde umgehend den großen Schalter von sommerlich mild auf herbstlich kühl umlegte, macht nun auch der Oktober Ernst, punktgenau und ab dem ersten Tag. Verwöhnte der letzte Septembertag noch wohlig-versöhnlich mit sanfter Wärme und Potential für freie Schultern, riss ihm der Oktober den bunten Altweibersommerfummel vom Leibe und ließ ihn direkt im nächsten tiefen Brunnen verschwinden, mit grauem und direktem Blick.

Wald im mittleren Gamengrund

Als wenn das noch nicht reichen würde, baute sich zwei Tage später ein Sturmtief auf, das von Tag zu Tag mehr mit seinen Bizepsen rollte und sich weitere zwei Tage später mit aggressiver Wucht entlud, bevorzugt über Norddeutschland. In nur zwei Stunden wurde in Brandenburg und Berlin so viel Lebend-Holz zerlegt, wie es nur ein Sturm bewirken kann, der viel zu zeitig kommt und alle Kronen noch belaubt erwischt, mit voller Angriffsfläche. Mehrere Menschen überlebten dieses schwere Sturmereignis nicht, zumeist aufgrund stürzender Bäume.

Der Name des Vandalen musste mit dem Buchstaben X beginnen, gemäß der alphabetisch durchlaufenden Namensvergabe. Da beim X nur eine bestimmte Auswahl an halbwegs glaubhaften Namen verfügbar ist, wurde es wieder eine Variante von Xaver, diesmal Xavier. Nicht der erste Xavier in diesem Jahr, doch leider folgenreich und unvergesslich wie einst Kyrill.

Freigeräumter Weg nach den Sturmtagen, bei Eichenbrandt

Tage später ist es beim Bewegen in der Stadt und auf dem Land gleichermaßen kaum zu fassen, was die Naturgewalt alles verursachte und was die Feuerwehren und sonstigen Helfer in dieser kurzen Zeit geleistet haben. Eine Zeit, in der die Zahl der Einsätze in den vierstelligen Bereich ging und es fast unmöglich gewesen sein muss, Prioritäten zu vergeben, weil ja irgendwie alles ineinander verzahnt ist.

Im Umland gibt es nach fast einer Woche noch immer Probleme auf den Straßen, und an fast allen Fahrbahnrändern zeugen liegende Laubbäume mit aufgeworfenen Wurzelballen von der Wucht des Sturmes.

Einstieg in den Gamengrund bei Leuenberg

Tiefer Wald

Abgesehen von solchen Großereignissen äußeren Aufruhrs oder auch damit verflochten gibt es Zeiten innerer Unrast auch in jedem kleinen Menschenleben. Zeiten, die in vielen Hinsichten so vollgestopft sind, dass man in der nächstgelegenen Freizeit einfach nur stundenlang durch die Botanik streifen möchte, ohne einen einzigen Menschen zu treffen, wortwörtlich. Ohne jegliches Gerangel, Gedrängel oder Ausweichen, ohne Notwendigkeit zur räumlichen Rücksichtnahme oder wortlosen Argumentation. Einfach den Wind ins eine Ohr rein und aus dem anderen wieder rauslassen und dazwischen gerade so viel Synapsentätigkeit, um nicht über die eigenen Beine zu stolpern. Widerstandslos und willig Regentropfen erdulden, die genau in die kleine Kragenlücke am Nacken tropfen oder gekrümmte Stöcker, die durchs eigene Darauftreten zeckend an den Unterschenkel knallen. Das Ganze bevorzugt tief in schönem, besonderem Wald.

Langer See oder Mittlerer See im mittleren Gamengrund

Wenn selbst der Weg dorthin sich noch zum gelinden Hindernisparcours gestaltet, ist es umso wohltuender, vor Ort den ersten Schritt zu tun, tief einzuatmen und diese hochqualitative und von Stille getragene Luft durch den ganzen Körper strömen zu lassen. Wenn irgendwann der märkische Ruhepuls erreicht ist, schalten sich nach und nach die Sinne zu. Mit jedem bunt belaubten Baum, jedem Duft von Harz und Kiefernnadeln, dem pulsierenden Rauschen der restlichen Winde in den Wipfeln und der punktuellen Kälte der allerletzten Böen kehrt mehr Ruhe ein im eigenen Gebälk. Bis man schließlich nur der Linie auf der Karte folgt, wenn das denn geht vor lauter umgelegten Bäumen, und ruhig wird und friedlich. Schließlich.

Abendliche Eichenallee bei Heidekrug

Die Möglichkeit auf solche Entlegenheit findet sich zuhauf in den einsamen Nordregionen von Prignitz und Uckermark, sicherlich auch in den eindrucksvollen Weiten rund um die einstigen Lausitzer Tagebaue. Doch es geht auch weniger entlegen. Schon kurz hinterm Berliner S-Bahn-Bereich gibt es eine Möglichkeit, zwei bezaubernde und zudem ausgeprägte Eiszeitrinnen zu einer entlegenen Tour zu verbandeln, auf der man scheinbar ununterbrochen durch tiefe Wälder zieht. Selbst die Querverbindung zwischen beiden haut in diese Kerbe und gibt sich trotz flacher Ausprägung wie ein versunkenes Waldtal.

Gamengrund

Der Gamengrund ist ein wahrer Zauberkünstler, was vielfältige Naturschönheit und Waldromantik betrifft. Zwischen den westlichen Strausberger Seen und dem Oderbruch bei Falkenberg liegen nur reichlich zwanzig Kilometer, doch auf dieser Strecke wird in der meistenteils bachlosen Landschaftsfurche eine Vielfalt entfesselt, die wohl fast jeden wiederkehren lässt, der einmal hier war.

Nördlicher Gamengrund bei Krummenpfahl

Mehr als ein Dutzend schlanke Seen und verträumte Weiher ruhen in der Tiefe dieses Grundes, der manchmal siebzig Meter ins umliegende Land eingegraben ist, manchmal nur etwas über zehn. Die Vielfalt des Waldes reicht von hochgewachsenem Erlenbruchwald bis hin zu Fichtenwäldern, die an Gebirge denken lassen, besonders in verschneiten Wintern. Sie sind so dicht und dunkel, dass hier einfach Wesen leben müssen, die sonst am ehesten im Märchenbuch zu finden sind. Dann wieder gibt es lichte Hänge mit flächigen Teppichen aus Buchenlaub. Dazwischen, meist ganz unten, stehen jahrhundertalte Baumriesen mit glatter Buchenhaut oder zerfurchter Eichenborke, riesige Douglasien und auch mal eine Tanne.

Nadelränder am oberen Grenzgrund

Ein Haus gibt es im Gamengrund nur ganz am Rand von Tiefensee oder bei Leuenberg, dann kurz vorm letzten See im Norden die in Terrassen angelegte Laubensiedlung für das Wochenende. Die liegt unterhalb des Dorfes Krummenpfahl, scheinbar in einem Talkessel.

Wenn man, egal an welcher Stelle, diesen entrückten Grund wieder verlässt und sich zuvor so ganz woanders wähnte, wird man zum einen seine Tiefe in den Beinen merken, zum anderen oben im Lichte staunen, dass man wirklich hier in Märkisch Oderland über die Felder schaut. Kurz hinter Strausberg, oder kurz vor Bad Freienwalde.

Grund ohne Namen

Etwas weiter östlich gibt es ein Pendant, das in vielen Belangen weniger eindeutig ist als der Gamengrund und ebenfalls für Schönheit steht und Einsamkeit. Fährt man mit dem Finger über ein Geländemodell, gibt es eine größere Lücke, wo die Fingerkuppe ohne Führung ist und nach dem Anschluss suchen muss. Was am kurmondänen Rand von Bad Freienwalde als Brunnental beginnt, setzt sich leicht nach Westen versetzt als Geländerinne fort, vorbei an Steinbeck, Biesow und Blumenthal, bis es schließlich so nobel im Straussee sein Finale findet, wie das der Gamengrund im Fänger- und im Bötzsee tut. Auf knapp ein Dutzend langgezogene Seen und Pfühle kommt auch dieser namenlose Grund, und auch hier gibt es so manche steile Flanke sowie ein paar versumpfte Ecken, in denen Mysthik wohnt zu jeder Tageszeit.

Rastmöglichkeit nördlich von Gielsdorf

Heidekrug

Die Wälder dazwischen vollbringen an einer Stelle das kleine Kunststück, selbst über die Höhe ein schönes Waldtal anzubieten, wenn auch ein flaches. Nach einem spürbaren Aufstieg aus dem Gamengrund kommt man vorbei an Heidekrug, einem Platz im Wald, der nichts von dem erfüllt, was sein Name an Erwartung weckt. Keine Waldeinkehr ist hier, auch keinerlei Romantik oder Landlust-Szenen, dafür ein gepflegter Wetter-Radar-Turm sowie verfallende Kasernen, zwischen denen man sich gegenseitig mit kleinen Portionen Farbe beschießen kann.

Grenzgrund

Kurz hinter einer urigen Rasthütte, in der dank eines soliden Abzuges manchmal ein schönes Feuer lodern darf, beginnt kaum spürbar und mit weitem Blick durch lichten Wald der Grenzgrund. Seine Waldvielfalt spielt fast in einer Liga mit dem Gamengrund. Ganz langsam bilden sich die Flanken aus und gewinnen nach und nach an Steilheit, und zum Ende gipfelt das Ganze schließlich weglos und fast etwas dramatisch in einem ausgeprägten Seitental des namenlosen Grundes.

Herbstlicher Gamengrund bei Wesendahl

Unten liegt langgezogen und tief eingesenkt der Große Lattsee. Wie bei fast allen Seen dieses Talgrundes besteht freie Wahl der Uferseite. Westlich läuft ein schmaler Pfad, durch dichten Wald, wild und romantisch, unter dem laubbedeckten Hang am Ostufer ein gediegener Weg, der ein paar schöne Badestellen bietet – falls das gerade von Belang ist.

Eichenbrandt

Dort, wo beide Wege enden, quert eine breite Forststraße, die im Anstieg hier und dort noch altes Pflaster sehen lässt. Nach so viel Wald und Stamm und Wipfeldichte sind jetzt Licht und freier Blick willkommen, und davon gibt es reichlich auf dem letzten Stück der Runde. Immer der Linie des Waldrandes folgend gelangt man vorbei an einem verlassenen Gehöft und einer herrlichen Eichenallee ins gemütliche Dörfchen Eichenbrandt, das sich als Startort anbietet. Nicht zuletzt deswegen, weil dann die erwähnten ersten Schritte durch eine zutiefst beruhigende Reihe von Kastanien führen, bevor der Weg sich absenkt in die Wälder. Eine gute, eine wunderbare Starthilfe im Streben nach dem märkischen Ruhepuls.

 

 

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): keine direkte Verbindung; wahlweise Regionalbahn über Lichtenberg und Werneuchen nach Werftpfuhl, von dort Wander-Zuweg in den Gamengrund (ca. 3 km)

Anfahrt Pkw (von Berlin) über Landstraße, wahlweise über Werneuchen oder Strausberg (ca. 1 Std.)

Länge der Tour: ca. 17 km (Abkürzungen gut möglich)(dargestellte Tour/Download-Wegpunkte sind problembereinigt)

 

Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

 

 

Links:

Seite der Naturwacht Gamengrund (mit Tourenvorschlägen)

Informationen zum Gamengrund

Flyer zum Wandern im Gamengrund (PDF)

Flyer zum Wandern im Gamengrund (PDF)

 

Einkehr:

Gasthaus am Berg, Werftpfuhl

(in Leuenberg, Werneuchen und Tiefensee div. Gastronomie)

 

 

Buchholz: Laubeuphorie, Apfelbäume und die stille Schönheit

Nach längerer Brandenburg-Abstinenz wünscht man sich idealerweise eine Tour, die möglichst viel von dem vereint, was die märkischen Landschaften ausmacht. Quasi eine eierlegende Wollmilchsau unter den Brandenburg-Touren, die keinen Schönheitswettbewerb, kein Wettrennen und auch keinen Faustkampf gewinnen muss, nur eben die grundlegenden Bedürfnisse stillen soll. Dazu muss man sich gar nicht weit von Berlin wegbewegen. Es gibt jedoch auch nichts, was dagegen spricht.

Gelbes am Anger in Buchholz
Gelbes am Anger in Buchholz

In diesem Fall greife ich gern zum Basis-Baukasten und nehme zunächst zwei bis drei Dörfer in halbwegs offener Landschaft, am besten mit Feldsteinkirchen. Dazu verschiedene Arten von Wegen, also Alleen, buschbestandene Feldwege und solche durch Wald, in dem am besten sowohl Nadel- als auch Laubbäume stehen. Etwas Wasser kann auch nicht schaden, im Idealfall fließendes und stehendes bzw. längliches und rundliches. Wenn dann noch ein verträumt morastiger Talgrund zur Auswahl steht, ist alles bestens.

Buchholz

Orte mit Namen Buchholz gibt es im deutschsprachigen Raum wirklich unfassbar viele, allein in Brandenburg kommen schon einige zusammen. Eichholz und Birkholz sind hier schon seltener. Eines dieser Buchholze liegt zwischen Altlandsberg und Strausberg und ist so ein richtig märkisches Dorf. Eher länglich, mit offenem Anger, auf dem sich die Kirche erhebt, aus Feldsteinen gebaut. Grundstücke und Gärten grenzen rückseitig direkt an Felder und Wiesen.

Robinienallee von Buchholz zur Wesendahler Heide
Robinienallee von Buchholz zur Wesendahler Heide

Die Wiese auf dem Anger ist fast vollständig vom goldgelben Laub der großen alten Linden bedeckt, die rundherum stehen, der Briefkasten dazwischen ist daher schwerer auffindbar als sonst. Zwischen den Bäumen, deren Rinde stellenweise rot übertüncht ist von sonnenbadenden Feuerkäfern, stehen einladende Bänke. An einer davon ist von Mitdenkenden ein Flaschenöffner fest verschraubt worden. Den brauchen wir jetzt nicht, doch die Bank nehmen wir gerne. Ein Auto schleicht vorbei, mit weichem Grünzeug im Anhänger, aus zwei offenen Fenstern ragen drei Mädels und sind über die Maßen vergnügt. Papa steuert die Fuhre souverän und mit stillen Grinsen.

Waldfeld in der Wesendahler Heide
Waldfeld in der Wesendahler Heide

Die Stimmung ist nicht nur deswegen friedlich und gemütlich. Nicht diese trügerische Dorfstille, wie man sie aus manchem Krimi kennt, sondern eine aus allerhand Schönheit und Entspanntheit. Dort radeln ein paar Kinder hin und her, hier wird ein generationenübergreifender Schwatz gehalten. Dazu die Stille der herbstlichen Landschaft und die bewahrende Kraft der Sonne, die ihren Hintern dieser Tage nicht mehr allzu hoch bekommt.

Am Ende des Dorfes zweigen gleich mehrere verlockende Wege ab und verlangen umgehend eine Entscheidung. Wir bleiben beim Plan und schwenken nach links in die herrliche breite Allee hin zum Walde. Während die ersten Bäume hier schon laublos sind, die meisten anderen prächtige Variationen zwischen gelb, gold und goldbraun auffahren, zeigen sich die großen Robinien dieser Allee noch relativ ungerührt in schönstem Grün. Viele der tiefen Furchen ihrer ausgeprägten Rinde liegen talschattig im Dunklen, währenddessen die sonnenbeschienen Flanken moosgrün in tiefwarmem Licht erscheinen.

Nachmittags im Gamengrund
Nachmittags im Gamengrund

Am Ende der Allee strömt aus dem kühlen Wald würziger Duft aus dem ätherischen Öl der Kiefern, dem Laub der Eichen und der Eicheln selbst und noch all dem, was auf dem Boden wächst und welkt. Es ist betörend, wirklich. Geradeaus ginge es direkt zur Spitzmühle zwischen Fängersee und Bötzsee, doch wir biegen ab. Der lichte Weg führt dicht am Waldrand entlang und traut sich doch nicht ganz heraus, der Blick aufs Feld ist dennoch frei. Links und rechts stehen jetzt keinerlei Blümchen mehr, dafür umso mehr besonders gerade gewachsene, hochstielige Pilze, kein Schmaus für die Pfanne, doch fürs Auge. Nette kleine Wichtigtuer, die ihre Wochen unterm Licht genießen.

Kurz geht es tiefer in den Wald und vorbei an einem Ameisenhaufen, wo selbst die Nachsaison so langsam zum Erliegen kommt. Nur wenige Schwarztaillierte sind hier noch unterwegs, und das nur träge und kaum abgesprochen. Von vorne ist jetzt schon das Tierheim zu vernehmen, das oberhalb der Wesendahler Mühle liegt und damit kurz an Strausberg denken lässt. Noch davor liegt ein Feld, vom Wald umgeben, und ehe es zu sehen ist, da ist es schon zu riechen. Das Feld liegt brach, doch darüber hängt mit großer Wucht ein Aroma, gemischt scheinbar aus abgehangenen Fischernetzen, Jungsumkleide und dem Mist von Allesfressern. Hier wurde frisch gedüngt, und es riecht so gar nicht nach Chemie. Da ist sie also wieder, die würzige Landluft aus der Erinnerung der Kindheit und dem klugen Wort der Väter.

Auslagen in den Farben der Saison, Gamengrund
Verschiedenfarbige Auslagen, Gamengrund

Der Weg verläuft etwas im Walde und hält effektiv mit Waldluft gegen, so dass keine Nase so lange gerümpft bleiben muss, dass Falten zu befürchten wären. Rund um das Tierheim begleiten teuflische Holzskulpturen den Wegrand, einprägsam von Gestalt. Kurz hinab Richtung Wesendahler Mühle mit ihrem gut erhaltenen Mühlrad, und schon nach wenigen Schritten beginnt ohne viel Spektakel einer der zauberhaftesten Talgründe, die Brandenburg zu bieten hat. Sein nördliches Ende berührt fast schon das Oderbruch, und auf dem Weg dorthin ist er reich an Abwechslung, Schönheit und dabei weitgehend unberührt. Obwohl sich der Gamengrund selten mehr als dreißig Meter tief in die Landschaft senkt, erwächst an vielen Stellen der Eindruck, man würde durchs Mittelgebirge spazieren. Zwischen seinen Hangflanken gibt es gleichermaßen vielfältige Laubbestände wie auch märchenhafte Fichtenwaldpassagen, dazu immer wieder Seen von nennenswerter Größe und das alles verbindend die herrlichsten Wege und Pfade. Das Licht einer jeden Jahreszeit kann hier ganz besonders schön seine Spiele treiben.

Chaussee von Wesendahl Richtung Strausberg
Chaussee von Wesendahl Richtung Strausberg

So auch heute, wo die schon den ganzen Tag tief stehende Sonne ihre staubigen Strahlen leicht aufmüpfig durch die goldenen Wipfel drängt und breit auf den Waldboden wirft, der fast ausschließlich von leuchtenden Laubteppichen bedeckt ist. Mal pflügt der Fuß lautstark durch aufgekruscheltes Eichenlaub, mal braucht man ihn über großen platten Ahornblättern kaum anzuheben. An einigen Stellen geht dieses Gelb fast mit scharfer Grenze in goldbraunes Buchenlaub über, das dem Wald gleichermaßen verhangene Romantik verleiht wie das Goldgelb herbstliche Euphorie.

Meistenteils ist man hier als Hanghuhn unterwegs, da der Weg stets leicht dem Grunde zugeneigt ist. Der ist auf diesem kurzen Abschnitt von kleinen, doch eindrücklichen Kalkmooren durchzogen, Schilfflächen und Urwüchsigkeit der Vegetation zeugen davon. Die Existenz dieser Moore hier ist zahlreichen kleinen Quellen zu verdanken, die direkt im Gamengrund das schattige Licht der Welt erblicken. Wie der Boden beschaffen ist, spürt man recht verbindlich, wenn man am kleinen Weiher nördlich der Landstraße auf alten, halb versunkenen Eisenbahnschwellen zum Ufer wappt und der Grund weich nachgibt. Wer absolute Sachlichkeit nicht zu seinen Grundeigenschaften zählt, sollte sich hier zwischen den Dämmerungen besser nicht aufhalten. Der Puls könnte steigen.

Äpfel links und rechts vom Zaun
Äpfel links und rechts vom Zaun

Der Weg zieht sich biegefreudig unterhalb des stattlich geneigten Hanges entlang. Bei der ersten Gelegenheit wenden wir uns nach links und direkt in den Aufstieg, der von goldenem Ahornlaub über goldbraunes Buchenlaub bis zum braunem und hartem Laub der Stieleichen führt, dem spitzrandigen. Und oben direkt in eine kurze Allee entlässt, mit freier Sicht auf die leicht gewellte Landschaft. Voraus liegen die weiten Apfelplantagen von Wesendahl.

Weg von Wesendahl nach Buchholz
Weg von Wesendahl nach Buchholz

Das spalierartige Obst steht Weinreben gleich in schnurgeraden Reihen, die erst am Horizont zu enden scheinen. Alle Äpfel sind geerntet, nicht einmal der eine Apfel ist zu finden, der eigentlich immer noch zu finden ist. Auch draußen an der Landstraße stehen Apfelbäume, windflüchtend und zugänglich für jedermann. Anscheinend ebenfalls wohlschmeckende Sorten, denn auch hier ist kein einziger Apfel mehr zu finden, nicht am Baum und nicht im zottigen Gras darunter. Die Bäume entlang der Chaussee nach Strausberg sind komplett entkleidet und präsentieren schon ihr filigranes Astwerk, mit kleinem Fingerzeig zum Winter.

Alleeweg nach Buchholz
Alleeweg nach Buchholz

Wesendahl

Auch Wesendahl strahlt diesen Frieden von vorhin aus, obgleich das Dorf an einer stillen Durchfahrtstraße liegt. Laub wird gefegt und auch hier ein Schwatz gehalten, der Garten noch in Form gebracht, bevor die dunkle Zeit zugreift. Beim Apfelhof vor den großen Lagerhallen stapeln sich diese riesengroßen Kisten, in denen kleine Kinderhorden große Höhlen schaffen könnten mit einem Besenstiel und ein paar Decken und ganze Ferienwochen damit ausgestalten. Hier zeugen sie davon, dass dieses Jahres Apfelernte durch ist. Wovon man sich in den meisten Obsttheken der Geschäfte überzeugen kann, wenn man genauer auf das Etikett schaut.

Wer sich die Suche auf Etiketten ersparen möchte, kann hier direkt im Hofladen feine Äpfel bunkern oder, besser noch, zur rechten Zeit selbst Hand an die wohlbestückten Bäume legen. Alleine das ist schon einen Ausflug nach Wesendahl wert, denn es macht Spaß und ist in vielen Hinsichten anregend – nicht zuletzt auch in der Erdbeerzeit.

Am Ortsrand von Buchholz, kurz vor dem Saloon
Am Ortsrand von Buchholz, kurz vor dem Saloon

Das Gutshaus visavis der Kirche muss in den letzten Jahren aufgemoppelt worden sein und steht jetzt prächtig da und sehr zufrieden. Geht man daran vorbei, beginnt auf ein paar Metern Kopfsteinpflaster der verträumte Alleeweg, der mit weiten Blicken nach Westen über die Felder nach Buchholz führt, niemals gänzlich geradeaus und flankiert von teils sehr alten Bäumen. Einziges Sichthindernis ist hier der Spitzberg mit seinen knappen neunzig Metern Höhe, immerhin, und die auch noch bewaldet.

Gemeinsam mit dem lieblichen Duft des Pappellaubes kommen die ersten Häuser von Buchholz in Sicht – schade fast, der Weg hätte ruhig noch ein paar Viertelstunden länger sein können. Eine Katze verzieht sich schnell über die Mauer des ersten Hofes, ein paar Gänse schnattern irgendwo hinten und jemand sägt im schwindenden Licht. Vorbei am solide gebauten Saloon, der hier in Personalunion als Jugendtreffe, Gemeindezentrum und als Kino funktioniert, kommt der Anger in Sicht. Es könnte ewig noch so weitergehen, doch ist es jetzt auch schön, am Ziel zu sein. Jeder Wunsch von heute morgen ist erfüllt.

 

 

 

Anreise ÖPNV (von Berlin): mit S-Bahn und Bus über Altlandsberg, Strausberg oder Werneuchen (am Wochenende ca. 1-1,5 Std., in der Woche deutlich länger)

Anreise Pkw (von Berlin): Landstraße nach Altlandsberg, von dort über Vorwerk nach Buchholz oder wahlweise Wesendahl (ca. 1 Std.)

Tourdaten: ca. 10 km, Abkürzungen möglich

Download der Wegpunkte

Links:

http://www.altlandsberg.de/index.php?page=kp_buchholz

https://de.wikipedia.org/wiki/Gamengrund

http://www.kalkmoore.de/fileadmin/gemeinsam/1_EU_LIFE_Kalkmoore/Infomaterial_Infotafeln/Infotafeln/UGG_Infotafel.pdf

http://www.altlandsberg.de/index.php?page=kp_wesendahl

http://www.obstgut-franz-mueller.de

http://www.camargue-pferdehof.de

 

 

Einkehr: Bistro Zur Pferdeschänke, Wesendahl (mit Sonnenterrasse; geöffnet am Wochenende)(keine eigene Erfahrung)
Hofladen und Selbstpflücke vom Obstgut Müller (Wesendahl)
Armenhaus, Altlandsberg (beim Storchenturm am Scheunenviertel; gutes Essen in gemütlich trutzigem Gewölbe)