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Ketzin: Fahrende Berge, platte Reliefs und die Spitze für Später

Das neue Jahr läuft nach den ersten Wochen schon erstaunlich rund, etwas Winter gab es schon und auch ein paar milde Tage. Nur die Sonne zeigt noch immer Berührungsängste, obwohl sie nach vielen grauen Wochen sicherlich überall mit applaudierenden Blicken und aufgehellten Gesichtern begrüßt würde.

Dampferanleger an der Havelpromenade in Ketzin

Die Wahl der Kleider beim Verlassen der Wohnung ist noch immer Glückssache, meist ist man deutlich zu warm eingepackt, manchmal aber doch zu dünn und dann droht schnell irgendein Infektgeschehen, dessen Geräusche in dieser Zeit ja umgehend den stillen Argwohn der verunsicherten Umwelt hervorrufen.

Altstadtgasse in Ketzin

Ohne Irritationen hingegen ist die Natur in Sachen Kraut, Huf und Schnabel. Wer es darauf anlegt und entsprechende Landschaften ansteuert, wird mit großen Mengen von voluminösen Zugvögeln belohnt, die dem Tag eine nie ganz abreißende Klangkulisse hinterlegen. Manchmal darf sich diese fortwährende Tonspur im Traum sogar noch fortsetzen. Auch die ganz zeitigen Blüten des Januars strecken ihr Gelb schon ins Licht, wenn es dann mal kurz da ist. Am Boden sind das die allerersten Winterlinge, die mit gewisser Vorsicht auch beim höchsten Sonnenstand noch ihre Blüten kugelig lassen, in Buschhöhe dann die diffus verteilten Sternchen des Winterjasmins, die der Farbe teils schon Fläche geben.

In der Paretzer Dorfkirche

Hoch über all dem wölbt sich ein Himmel, der mehr oder weniger farblos daherkommt, auch formlos. Undurchbrochene Schleier ohne Struktur, die den Tag darunter vor allem grau und das Wohnzimmer besonders einladend wirken lassen. In dieser Grundstimmung ist es dann ein regelrechtes Fest, und sei es nur für Minuten, wenn der Wind den faden Teig da oben auseinandertreibt und den Blick auf die Sonne und den klaren Himmel freigibt. Was diese sogleich mit der Erdoberfläche anstellt, ist weit mehr als hohe Kunst und berührt umgehend alle Sinne, das Herz und auch die Seele. Aus landschaftlichem Einheitsbrei wird sinnenfreudiger Bildzauber, und kaum jemand wird die Finger vom Auslöser lassen können, und sei es nur des klaren Lichtes wegen.

In der Grotte im Schlosspark Paretz

Im Aufbruchsmonat Januar ist die Weite schön, die keinen Fitzel möglichen Lichtes verschenkt. Darüber hinaus haben sich mannigfaltige Uferkanten als passend erwiesen, um die naturellen Bedürfnisse zu stillen und den erholsamen Ausgleich zur Arbeitswoche zu schaffen, allumfassend abzuschalten und vielleicht ein paar mehr Glückshormone zu verschütten. Zwischen Potsdam und Brandenburg gibt es reichlich davon, meist gut gemischt mit besonderer Architektur und wildromantischen Uferlinien, die stets ein wenig undurchschaubar bleiben.

In den Paretzer Erdelöchern

Ketzin

Zwischen Potsdam und Brandenburg fließt die Havel am beschaulichen Städtchen Ketzin vorbei, das mehr Dimensionen aufweist, als man beim Durchfahren oder einem Kurzbesuch denken sollte. Sind die Wasserlandschaften hier von Hause aus schon ohnegleichen, wird das bei Ketzin noch auf die Spitze getrieben. Neben der weit verzweigten und oft seenweiten Havel selbst gibt es mitten in dieser eine Reihe großer Inseln und nördlich davon ein verwirrendes und scheinbar endloses System von Stichteichen, die als Erdelöcher Ketzin in einen Begriff gefasst werden. Ähnliches gibt es in kleinerer Ausprägung auch südlich der Havel bei Deetz oder unweit von Paretz.

Bei so viel umgebendem Wasser kann an der Uferpromenade der Stadt durchaus der Eindruck aufkommen, sich auf einer Insel zu befinden. In den blattlosen Zweigen von Büschen und Gebäum hat der Morgennebel viel Wasser zurückgelassen, das jetzt in Form halbgefrorener Tropfen auf den ersten Windstoß wartet und im Gegenlicht für zahllose Glanzpunkte sorgt. Gepflasterte Altstadtgassen verlieren von der Kirchhöhe ein paar Meter, bis sie schließlich am oder im Wasser enden. An der mittleren Promenade ist der Steg des Dampferanlegers pavillonartig überdacht, und diese Stelle samt ihrem versunkenen Ausblick erinnert an eine kleinere Ausgabe des Steges, der sich am Ostrand der Stadt Brandenburg befindet.

Am Stadtufer in Ketzin

Bereits hier auf der Promenade mischt sich der Rundweg Ketzin-Paretz unter die eigenen Schritte, sucht sich mit sicherem Gespür die allerschönsten Wege, Pfade und Schleichwege und verliert dabei selten das Wasser aus dem Blick. An der Fischerei südlich der Altstadt verbreitet ein kleiner Sticharm kurzzeitig Spreewald-Stimmung, bevor der Weg entlang einer Reihe jüngerer Kopfweiden in Richtung Strandbad abdreht.

Havelpromenade in Ketzin

Neben den Tönen weit entfernter Kraniche und Gänse oder vereinzelter Reiher gehört auch nahes Möwengeschrei zur Klangkulisse und schafft unbedingt Urlaubsgefühle. Ohnehin fühlt sich dieser lichte Tag am offenen Wasser nach einer langen Periode in grau nach Urlaub an, wozu natürlich auch die Altstadtgassen mit ihren Sichtlinien und nicht zuletzt die Fähre beitragen, deren niedertouriges Bullern bald schon zu erahnen ist. Vorher liegen noch breite Schilfgürtel und kleine Bruchwälder am Weg.

Fischergasse in der Altstadt, Ketzin

Fähranleger Ketzin

Noch vor dem Fähranleger lockt neben einem Strändchen eine Rastbank mit Blick aufs kielbasierte Verkehrsgeschehen. Die Bank steht leicht erhöht, zu ihren Füßen schlagen kleine Wellen ans teilgefasste Ufer und trüben trotz der Wasserbewegung nicht den glasklaren Blick zum sandigen Grund. Muschelsplitter reflektieren teils irisierend die Sonnenstrahlen, die jetzt ungehindert vom Himmel fluten und der Flusslandschaft etwas verleihen, das einen tief und zufrieden durchatmen lässt. Das Wasser ist unfassbar kalt.

An der Fischerei, Ketzin

Kaum dass die Fähre angelegt hat, ist sie auch schon wieder auf dem Weg ans andere Ufer. Das geschieht vermutlich hastiger als in der Regel, denn von rechts stampft gegen den Strom ein Schubboot heran, im Laderaum eine Bergkette aus Splitt. Unerwartet lässt das Horn einen markdurchdringenden Ton los, der das Zwerchfell nicht unberührt lässt und eines Hochseedampfer würdig ist.

Weidenweg zum Strandbad

Am anderen Ufer rollen sofort die nächsten Passagiere auf das Deck und dürfen sich noch in Geduld üben, denn kaum dass der Splitt hinter der nächsten Kurve verschwindet, kommt ein anderer Schuber aus der anderen Richtung – flussabwärts und übervoll mit feinstem Schrott. Der lange Kahn bewegt sich vergleichsweise gelöst, da die Strömung mit ihm ist. Keine wulstige Bugwelle also, da das tonnenschwere Aggregat unter Deck eher plaudert als wettert.

Havelufer kurz vor der Fähre

Bald darauf fällt der Blick landeinwärts über Schaf- und Pferdeweiden sowie sozialen Wohnungsbau für Schwalben, weiter hinten ist als östlicher Außenposten von Ketzin der markante Turm einer Villa zu sehen, die auch gut ins Potsdamer Umland passen würde und irgendwie nach Schinkelschüler aussieht. Ein Gegenstück dazu bildet als Vorbote von Paretz die Windmühle, deren Flügel sich wintermüde in den Himmel recken.

Havelfähre mit kleiner Notfähre daneben

In einem Wegknick werden wir augenzwinkernd-derb in die aktuelle Zeit zurückgerufen, deren Sinn für den Genuss und das Schöne manchmal seltsame Früchte trägt. Auf einem Trafohäuschen steht eine schwere und bunte Getränkedose, darin versammeln sich ein Patent, auf das die Welt wohl lange schon gewartet hatte, und ein Gemisch aus Zucker, Gewürzen, Wasser und Zucker. „Selbsterhitzender Glühwein to go“ verspricht nach einem speziellen Knick-Knack im Dosenboden binnen drei Minuten dampfenden Glühwein in angemessener Temperatur und erforderlichenfalls auch fern aller Zivilisation. Glaubt man den Erfahrungen verschiedener Nutzer, liegt die Erfolgsquote immerhin bei sechzig Prozent. Bei den anderen gibt es dann zwar allenfalls lauwarme Würzplempe, doch für den Lacher zwischendurch dürfte es allemal reichen. Als klimatischer Ausgleich für die Juxsekunden sollte man jedoch einmal weniger in die Karibik fliegen.

Villa am Ketziner Stadtrand

Paretz

Schnell landet also unsere Aufmerksamkeit wieder bei der Havel, die sich zwar hinter einem breiten Schilfgürtel versteckt, jedoch trotzdem zu sehen ist, da die Schritte nun auf der Krone eines kleinen Deiches verlaufen. Weiter vorn sind schon die Häuser von Paretz zu sehen, einem Dorf der Sonderklasse. Mit dem Schloss und allem was dazu gehört diente es vor gut zweihundert Jahren dem Preußenkönig und seiner weithin geschätzten und bezaubernden Luise als Sommerfrische, fein und vergleichsweise klein. Hier genossen sie eine Normalität fern von allem Höfischen und legten damit wegweisende Schritte vor.

Die Havel unter aufziehenden Wolken

Schöne und geliebte Häuser reihen sich entlang der gepflasterten Weidendammstraße, die sich im sanften Bogen zum Schlosspark hin zieht. Vor einer der Mauern, die von der Sonnenstunde verwöhnt werden, haben sich wahrhaftig die allerersten Winterlinge breit gemacht. Ganz dicht an der Mauer sind mit der Lupe auch schon zarteste Schneeglöckchen auszumachen, deren Stengel noch so dünn sind, dass sie keinem groben Windstoß standhalten dürften.

Allererste Frühblüher vor der warmen Mauer

Hinter den ersten Nebengebäuden des Schlosses fällt der Blick im kleinen Hügelpark auf die süße Dorfkirche, eine offene Kirche. Drinnen gibt es viele Reliefgestaltungen, doch ein Großteil davon erweist sich als gekonnte Handhabung des Pinsels und raffiniertes Gedankenspiel von Licht und Schatten, nicht zuletzt am hohen Tonnengewölbe der Decke. Freundlicherweise ist die Sonne gerade noch draußen, so dass auch die bunten Fenster ihre Wirkung zeigen können.

Paretzer Dorfstraße

So klein der Dorfpark auch ist, in seinem leichten Hügelland ergeben sich mehrfach reizvolle Sichtachsen und Blickarrangements. Die locken wie beabsichtigt hin zum Schloss, wo es in der Remise und im Schloss selbst sehenswerte Ausstellungen gibt. Das Schloss selbst wurde nach dem Auszug der letzten hohenzollerschen Bewohner nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen verschiedenster pragmatischer Nutzungen mehr und mehr entstellt und erinnert zum Teil eher an ein Kreiskrankenhaus oder preiswert gebautes Kulturhaus. Ein Flügel des Schlosses sieht bis heute geschunden aus, und der Park lässt nur erahnen, dass er einmal gestaltet war.

Neue Grotte im Schlosspark Paretz

Hoffnung macht weiter hinten im Park die wieder errichtete und schön bepflanzte Grotte mit ihren Aussichtsplattformen, von denen der Blick weiter über nassen Wiesen mit Havelahnung reicht. Das einst übergebügelte Park-Accessoire wurde weitgehend neu errichtet, dank Ausgrabungsfunden konnte hier manches Originalteil verbaut werden. Die Höhe lässt sich durch eine enge Treppe aus grobem Gestein verlassen und sorgt bestimmt für manches Grinsen bei jenen, die unten mit eingezogenem Hals aus dem Portal treten.

Dorfkirche Paretz im kleinen Park

Beim Gasthaus Gotisches Haus, das auch zum Gesamtensemble gehört, kommt man zum Parkring, auf dem sich das Dorf gut verlassen lässt. Hinter dem letzten Haus wird es dann mehr und mehr wildromantisch, mit einem guten Grad an Rumpligkeit insbesondere in der laublosen Jahreszeit, wo alles blasse Gehälm noch so zerzaust liegt und ragt, wie es die Wetter hinterlassen haben.

Pfad zwischen den Erdelöchern

Kleine Brücken und Dämme ermöglichen den Weg mitten durch ein Wasserlabyrinth, das im Süden verwunschen, im Norden weit ist und mehr oder weniger zum Paretzer Polder gehört. Überall ruht das Wasser unberührt, darin koboldige Grasinseln und moosbedeckte Baumruinen, die dem endgültigen Versinken entgegenmodern. Ein entscheidendes Pfadstück schafft die Verbindung zum Ufer des geradlinigen Nauen-Paretzer Kanals, und auch er liegt spiegelglatt.

Uferweg am Nauener Kanal

Rechts in den nassen Wiesen tragen ein paar exotische Gänse lautstark einen Revierkampf aus. Der ansässige Graureiher trollt sich bei dem Lärm und weiter hinten sprinten am Himmel vier Schwäne gen Nauen, mit diesem eindringlichen und rätselhaften Geräusch, das es nur beim Flug der Schwäne gibt. Schon erstaunlich, wenn man bedenkt, dass so ein Vogel weit mehr als zehn Kilo in die Luft bringt, etwa doppelt so viel wie ein ausgewachsener Kranich.

Nordische Impression kurz vor der Schleuse

Schleuse Paretz

Kurz vor der blauen Bogenbrücke schwenkt der Weg vom Kanalufer in die Wiese, die von großen Pfützen durchzogen ist und quasi schon ein bisschen herumpoldert. Voraus sind die Gebäude der Schleuse zu sehen, die von nahem eher an ein Wehr denken lässt. Alles zusammen erinnert ein bisschen an friesische Szenen, was den Urlaubsgedanken gerade noch etwas verfeinert.

Paretzer Schleuse

Ein Treppchen führt hinunter zum Schleusenbecken, wo sich unsere Wege nun mit denen zweier Familien und eines gassigehenden Paares kreuzen. Ein Zaunpfad schafft vorbei am kleinen Bootshafen die direkte Verbindung zu jener Stelle, wo der eine Kanal auf den anderen trifft, kurz bevor jener wiederum sein Havelwasser mit dem eigentlichen Lauf der Havel vermischt.

Sacrow-Paretzer Kanal vor dem größten See der Insel Töplitz

Göttinsee am anderen Ufer

Gleich hinter dem jenseitigen Ufer liegt wie eine weitere Laune des verspielten Flusses der weite Göttinsee, ein See von besonderer Art. Besonders deshalb, weil er zum einen mit Havelwasser gefüllt ist und dennoch von der dammschmalen Uferlinie der Insel Töplitz umgeben wird – abgesehen von einer winzigen Lücke. Wer im Norden der Insel dem Dammpfad bis ganz nach Westen folgt und sich nicht scheut, auf demselben Weg zurückzugehen, steht schließlich auf einer schmalen Spitze inmitten der Havel, wie das nirgends woanders möglich ist.

Uferweg gegenüber der Töplitzer Havelspitze

In Sichtweite zu dieser Stelle wird der breite Weg am Paretzer Ufer zum urigen Pfad, der sich eine Weile am hohen Schilf entlangschlägt. Kurz hinter einem Strändchen mit Rastplatz beginnt die Biege nach Paretz, wo jetzt geprüft werden kann, ob die Blümchen bei verhangenem Himmel noch immer geöffnet haben. Kurz hinter der Kirche beginnt ein einladender Fußweg, der vorbei am Eiskeller des Dorfes zur Landstraße führt. Dank der Bockwindmühle, der Pferdewiesen und der Villa von vorhin ist deren gerade Linie kein Problem.

Schläfrige Windmühle am Rand von Paretz

Die Ketziner Bergstraße bereitet nun auf die finalen Höhenmeter der Runde vor. Hinter den letzten Häusern kommt dann auch der ziegelsteinerne Wasserturm in den Blick, der am Rand eines wiesenbedeckten Hügels steht. Hier kann man herrlich Kinder freilassen – rennend und hopsend, blumenpflückend oder auch purzelnd und rollend. Bei letzterem beiden ist nur vereinzelt Vorsicht geboten, weil an manchen Stellen prächtige Disteln wurzeln.

Ketziner Wasserturm mit Wiesenhügel

Der Turm ist von schlichter Eleganz und wirkt am besten aus naher Ferne, aus der Nähe ist er eher zweckdienlich und eingezäunt. Gleich danach löst sich dann das Rätsel des letzten Turmes, der früher am Tag schon aus verschiedenen Richtungen gesichtet wurde und sich der Zuordnung entzog. Keine Kirche, kein Rathaus und keine Villa, sondern pragmatisch und trotzdem wunderschön der Turm, in dem die Feuerwehr ihre Schläuche zum Trocken aufhing oder heute noch aufhängt. Weit oben am Himmel zieht eine lange Gänse-Eins entlang und sieht nach großer Reise aus, trotz fortgeschrittenen Winters.

Zum schönen Tagesabschluss schlendern wir noch eine der Altstadtgassen hinab zum Wasser und schauen von der Havelpromenade ins schwindende Licht des Tages, das den ersten Staßenlaternen schon den Impuls gegeben hat. Drüben im Schilf huscht es da und dort. Das zarte Schlagen der Kirchturmuhr geht über in die patschenden Flossentritte zweier startender Schwäne, die schon bald nicht mehr zu hören sind.











Anfahrt ÖPNV (von Berlin): S-Bahn bzw. Regionalbahn nach Potsdam, dann weiter mit dem Bus (1,5-2 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): Landstraße (ca. 1-1,25 Std.)

Länge der Tour: ca. 14 km (Abkürzungen gut möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Tourismus-Seite Ketzin

Touristische Information zu Ketzin

Information zu Paretz

Schloss und Park Paretz

Fähre Paretz

Einkehr: div. Gastronomie in Ketzin
An der Fähre, am Fähranleger
Gotisches Haus, Paretz

Limsdorf: Weiche Flanken, Schwedenpfade und die gelben Spätlinge

Zwischen dem ersten und dem vierten Advent war die Sonne nur an zwei Tagen zu sehen. In diesen Momenten erinnerte man sich lose und wohlwollend, dass es die ja auch noch gibt und dass es visuell eine vollkommen andere Kragenweite ist, wenn diese Lampe aller Lampen ihre Strahlen frei von Knauserei über Land- und Ortschaften wirft.

Badestelle mit Inselblick am Grubensee

Durchaus also eine gewisse Vorfreude auf knackig kalte Wintertage mit blauem Himmel, ein bisschen auch auf den fernen Vorfrühling – doch erstmal steht der Wunsch nach weißer Pracht. Ganz in der Tradition der Jahreszeiten dieses Jahres erfolgte deren Auslieferung pünktlich zum ersten Dezember-Wochenende, sodass in den Landschaften, Dörfern und Städten jegliche Kontur mit frostig-weichem Schwung nachempfunden wurde.

Uferpfad am südlichen Grubensee

Mit dem haftbaren Weiß des Backschnees geht neben der guten Verarbeitbarkeit durch zielstrebige Kinderhände auch eine Beständigkeit einher. So dürfen mehrere Tage vergehen, ehe weiß und plastisch zu grau und matschig wird. Dementsprechend viele und zudem meist hochgewachsene Schneemänner entdecken mit Holz-, Stein- oder Zapfenaugen das trübe Licht der ersten Dezembertage.

Am Springsee

Alles, was die Vorweihnachtszeit ausmacht, findet auch in diesem Jahr mehr oder weniger ausgebremst statt. So sind einmal aufs Neue Phantasie, Einfallsreichtum und das Erkennen der momentanen Möglichkeiten gefragt, damit Glühwein in harmonisch-romantischer Atmosphäre verschlürft werden kann und liebenswerte kleine Gaben über Ladentische wechseln. Wo mit Licht gezaubert wurde, hat man nicht gespart und erfolgreich aufhellendes Ausgleichsvolumen für die Herzerwärmung geschaffen.

Waldgrund nach Möllendorf

Nachdem Gedanken und Finger über längere Zeit durchs wilde Brandenburg und tief gewucherte Dateiordner gewandert sind, ist es jetzt an der Zeit, wieder ganz real die Sohle auf weichen märkischen Boden zu bekommen, die reine Luft durchzuziehen und sich der rauschenden Stille hinzugeben. Das Glück des Zufalls beschert beim Wiedereintritt gleich einen Volltreffer, mit einem ganzen Tag voll verspielter Waldpfade, schilfiger Seeufer und moosiger Hangflanken, die auch absolute Tollmuffel zum Herumtollen bewegen sollten.

Limsdorf

Limsdorf liegt auf der Höhe der Beeskower Platte oberhalb einer kleinen Kette von Seen, die gewissermaßen den großkalibrigen Scharmützelsee nach Süden fortsetzen, und das bis fast zur Spree. Eine Schiffbarkeit für selbstgeschnitzte Boote aus Baumrinde ist dabei fast durchgängig gegeben, auch für Enten und vergleichbare Kielgrößen sollte das Wasser unterm Kiel in der Regel ausreichen.

Badestelle mit Kiosk am Grubensee

Auf dem kleinen Parkplatz in Limsdorf steht ein stattlicher Weihnachtsbaum, sicherlich so hoch wie zwei Esel lang sind, dazu schön geschmückt und üppig mit Lichtern bestückt. Die passenden Esel warten beim Hof gegenüber schon mit aufgestellten Ohren und nutzen gern ihren breiten Laufsteg vor dem Zaun. Weiter hinten stellen sich neugierig ein paar Ziegenböcke auf die Hinterbeine und lassen trotz des trüben Wetters die Hörner nicht hängen. Dazwischen wechseln schweigsam und ohne Eile plustrige Hühner von da nach dort.

Einstiegsstelle am Grubensee

Parallel zur Straße verbindet im Walde ein weicher Weg das Dorf mit dem Grubensee, dem ersten See am Weg. Die Straße schlängelt sich in Kurven zwischen ihm und seinem kleinen Nachbarn hindurch, wie man das oft im nördlichen Südschweden sieht. Am Wanderparkplatz macht sich gerade eine Handvoll Taucher bereit. In bereits aufgepellter Montur versuchen sie, die Flaschen mit der Pressluft anzulegen. Wie es aussieht, sind diese weitaus schwerer als man so denkt. Auch denkt man, so als Außenstehender, bei dem Wetter muss man dieses Hobby wirklich sehr lieben oder es sehr nötig haben, doch zum einen sollten wir selbst nicht so laut reden, zum anderen ist es unter Wasser ja mehr als egal, was das Wetter draußen anstellt. Eigentlich.

Waldhang des Schwenower Forstes zum Grubensee

Gleich hinter der Straße beginnt eine wunderbare und duftende Uferlandschaft, die den Blick immer wieder von den wogenden und steil ansteigenden Kiefernhängen voll Moos und Gras zur Uferlinie mit ihren Schilfgürteln und Strandstellen schweifen lässt, von dort auch weiter zu den Inseln und dem Ufer gegenüber. Dann gleich wieder zurück, denn schon gibt es im Waldhang die nächste ausgeprägte Scharte zu entdecken, weiter oben die stets geschwungene Kante hin zum freien Feld. Gleichzeitig lenkt der leise Ton der Wellen an der leicht hochgekreppten Uferkante den Blick zurück ins glasklare Wasser, das über dem sandigen Grund sanft wellt.

Vertrauen wagen

Hier und da gibt es morsche Stege, auf die man besser keinen Fuß mehr setzt, doch der Atmosphäre sind sie sehr zuträglich. Nach und nach wird der Pfad schmaler und verspielter, geht mal etwas in die Höhe oder umkurvt im kleinräumigen Slalom die regendunklen Stämme. Die gibt es hier an vielen Stellen in besonderen und virtuos zu nennenden Ausprägungen, welche an Waldgeister oder Stammesfürsten denken lassen und jede Märchenszenerie bereichern sollten.

Mal wächst ein Stamm im wohlgeformten Bogen und lädt zum Lümmeln ein, mal macht sich weit über Kopfhöhe ein Nebenast selbstständig und wächst schließlich dicker weiter als der Hauptstamm selbst, woanders finden sich ganze Sträuße aus Stämmen, zu deren Umfassen man die Armlängen einer Familie bräuchte.

Uferpfad mit Blaubeerkraut

Nach einem Birkenwäldchen buckelt der Weg kurz. Danach setzen sich die Kiefernstämme fort, über deren Wurzelwerk jetzt das Blaubeerkraut dichter und dichter wird. Ganz an der Südspitze des Sees kommt der Pfad noch einmal richtig ins Schlängeln und bahnt sich seinen Weg durch eine Herde winterblasser Farnstauden.

Birkenwäldchen an der Südbucht des Grubensees

Der liebenswert schöne Pfad setzt sich auch am Westufer fort, schwingt sich schließlich über eine kleine Anhöhe und verlässt das Ufer erst kurz vor den Campingplätzen, die es wirklich gut abgefasst haben. Jenseits der Straße gedeihen ganze Teppiche saftigen Weißmooses. Nach wenigen Metern auf einem kleinen Damm liegt schon der nächste kleine See voraus. Gerade erhalten zwei heranwachsende Schwäne ihre ersten Lektionen in Sachen Anmut und Hochherrschaftlichkeit. Die beiden Alten haben ihre liebe Müh, doch die Richtung stimmt.

Uferpfad am Westufer

Beim Umrunden des Sees steht sogleich die Wahl zwischen dem flachen Weg auf Uferhöhe und einem gewundenen Höhenweg, der den Fuß schon etwas in den Schuhen herumrutschen lässt, kam man doch nicht als Hanghuhn auf die Welt. Das zeigt sich zuletzt auf den drei Dutzend Abstiegsschritten. Der nächste breite Weg läuft dann unterhalb eines sanften Hanges, der ein wenig nach Düne aussieht. Voraus stehen wohlplatziert und recht gerade ein paar kleine Kiefern mit obstbaumrunden Kronen, entlang des Ufers dann heranwachsende Kopfweiden, noch ohne jede Spur von Frühlingssaft.

Kalkmoor um die Ecke vom Melangsee

Links fällt leise gurgelnd das Wasser, hin zum Melangsee, dem nächsten in der Reihe. Die Landschaft verändert sich nun, das bald erreichte Ufer wird von einem breiten Streifen Bruchwald erweitert und sieht stark nach Quellland aus. Nach kurzem Aufstieg aufs Hochufer bestätigt sich das, denn unten ist breitflächig entspringendes Wasser zu erkennen.

Mühlenfließ nahe der Försterei Grubenmühle

Eine weitere Bekräftigung liefert die weite Wiesenbucht eines Kalkmoores, zu dem es eigens eine Informationstafel gibt. Wer hier als Kuh zu grasen hat, sollte es gut abgefasst haben – saftiges Gras, schattige Rückzugswäldchen und ein überschaubares Einsatzgebiet. Von hier noch nicht zu sehen ist als weiteres Plus die stetige Zufuhr von Frischwasser in der anmutigen Gestalt des Mühlenfließes.

Obstwiese im Talgrund des Mühlenfließes

Bald ist der Bach erreicht, der gerade etwas zu breit ist, um ihn folgenlos überspringen zu können. Durch Erlenbruchwald kommt er zunächst recht brav daher, um auf dem Weg zum nächsten See übermütig ins Mäandern zu geraten.

Försterei Grubenmühle

Kurz hinter der Brücke übers Bächlein erstreckt sich eine sanfte Wiese voller Obstbäume, die man auch mal im mittleren Frühjahr besuchen sollte. Hinten wird sie begrenzt durch hochgewachsene Erlen, die den Lauf des Baches nachvollziehen lassen. Kurz dahinter liegt schon das Forsthaus Grubenmühle, nach allen Regeln der Landlust ausgestattet und im besten Maß mit Weihnachtslicht veredelt. Gemütlich sieht es aus, obwohl nicht mal die Esse raucht.

Das bunteste Bild im Beitrag

Links des Wiesengrundes erhebt sich ein bewaldeter Buckel, auf dem in losen Abständen solche Behausungen stehen, deren Ursprung mal ein Wohnwagen war. Keins sieht aus wie das andere und bei einigen ist es kaum noch möglich, das Schneckenhaus auf Rädern klar zu lokalisieren. Vorzelte, Anbauten und Überdachungen sowie Terrassen und Veranden zeigen Erfindergeist und Handgeschick, keine der Kreationen sieht so richtig daneben aus. Nicht zuletzt gibt es in Gipfelnähe noch eine Gastwirtschaft, die derzeit Winterpause hält, leider. Denn jetzt ist er da, der verheißene Nieselregen, der den Tauchern von vorhin so gänzlich schnuppe sein kann.

Bächlein auf dem Weg zum Springsee

Doch auch wir haben Glück, denn an der Stelle, wo der Mühlenbach das Kinn hebt, sich den Schlipsknoten zurechtrückt und nach dem wilden Ritt besonders geordnet dreinschaut, erwartet uns ein farbenfroh renovierter, sehr solider Unterstand. Der erwachte Seewind bläst zwar mitten hindurch, doch der staubfeine Regen kann uns für die Zeit der Teepause egal sein. Die seeseitige Aussicht fällt auf einen Steg mit pittoresk vertäuten Booten, deren matter Lack vergangener Tage im fahlen Grau des Tages regelrecht quietscht. Der See liegt still und der Himmel darüber versichert, dass die Bewässerung so bald nicht enden wird.

Zeltplatz am Springsee

Der nächste Campingplatz schließt gleich an, und ich möchte behaupten, wer hier einen Platz erwischt hat, hat in Sachen Camping einen Sechser im Lotto erwischt. Das Gelände nutzt den steilen Uferhang, der neben dem Geschenk des direkten Seeblicks so herzhaft durchfurcht und terrassiert ist, dass es eigentlich keinen Platz geben kann, der nicht ein besonderer wäre. Abenteuerliche Stiegen und winklige Steilpfade führen über Buckel und durch Furchen, zum Teil unterstützt durch Stufen aller Art. Als i-Tupf bahnt sich mittenhindurch ein richtiger Bach seinen Weg hinab zum See und inszeniert sich auf den letzten zwanzig Metern noch mit einigem Chichi.

Waldweg hinauf nach Möllendorf

Am Springsee beginnt ein breiter Weg, der durch ein bachloses Tal sanft in den Wald hinaufsteigt und auch hier von lebhaftem Reliefspiel begleitet wird. Zwischen den unzähligen sanften Rundungen haben sich ein paar kleine gelbe Pilze noch in den fortgeschrittenen Dezember verirrt und stehen im hohen Moos ihren Mann.

Später Hutträger beim Krafttraining

Nach dem höchsten Punkt wird nun erstmals der Wald richtig verlassen. Die Weite tut jetzt durchaus wohl, auch wenn sie mit einem kalten, ungebremsten Wind quittiert wird. Voraus liegt Möllendorf, das sich in Form gemurmelter Tierlaute schon ankündigt hatte.

Möllendorf

Das abgeschiedene Dorf hat viel Schönes zu bieten, sowohl in der Anlage als auch in den einzelnen Bestandteilen. Die Mitte bildet, begleitet von einem optionalen Wasserlauf, ein kleiner Anger, auf dem außer zwei ansehnlichen Feldsteingebäuden mit Funktionscharakter keine Häuser stehen. Dafür gibt es viel Platz zum Spielen oder zum Feiern von Festen. Gleich hinterm Ortsrand kauert noch ein kleiner Friedhof, der irgendwie an Westernfilme denken lässt.

Dorfanger von Möllendorf

Das einzige längere Stück Asphalt dieses Tages verbindet auf direktem Wege Möllendorf mit Limsdorf und nimmt dabei eine kleine Anhöhe und ein Wäldchen mit. Verkehr gibt es kaum, und da der Regen nun langsam zu mehr Kraft findet, ist es angenehm, jetzt Strecke machen zu können auf dem griffigen Untergrund. Obwohl in vielen Häusern gerademal der Drei-Uhr-Kaffee aus dem Filter tröpfelt, ist es so dunkel wie den ganzen Tag schon und noch ein bisschen mehr.

Kein Dorfköter treibt sich draußen herum und erst recht keine Miez, sogar die wetterfesten Esel haben sich in ihre Kammern zurückgezogen. Dafür hat jetzt der Baum am Parkplatz seinen Auftritt und läutet in der zeitigen Dämmerung das kleine Fest der Lichter ein, das sich auf der Fahrt ins zunehmende Dunkel von Dorf zu Dorf noch fortsetzt.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
von Bhf. Ostkreuz über Königs Wusterhausen nach Beeskow, dann weiter mit dem Bus (nur Mo-Fr, ca. 1,75-2,5 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): Autobahn bis Storkow, dann über Storkow und Kehrigk nach Limsdorf (ca. 1,5-1,75 Std.)

Länge der Tour: 13 km (Abkürzungen gut möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Kurzinformation zu Limsdorf

Badestelle Springsee

Einkehr: Eiscafé Schmidt, Limsdorf
Kiosk an der Badestelle am Grubensee, nahe der Landstraße
Zur Quelle (auf dem Campingplatz südlich des Springsees)

Althüttendorf: Blattgold, zwei Portale und die Berge im Tal

Das bisherige Jahr war lang, mit all seinen Eigenartigkeiten – und ist gleichzeitig einfach so vorbeigerannt. Dabei waren alle Jahreszeiten mit einem guten Maß an Normalität ausgestattet. Davon abgesehen blieb es erstaunlich lange kalt, manche Mütze hatte bis in den späten Mai noch ihren Dienst zu verrichten. Zwischendurch gab es immer mal wieder brauchbare Mengen von Regen, sodass die Bäume in Stadt und Land ein wenig durchatmen konnten.

Kurz hinter Althüttendorf

So wie der Winter schneereich, der Lenz frühlingshaft und der Sommer badefreundlich waren, gibt sich nun auch der Herbst. Die schönen Seiten mit den Düften und Farben, blühenden Heiden und üppig behängten Obstbäumen standen schon Ende August in den Startblöcken und gehen derzeit dem großen bunten Finale entgegen. Danach beginnt für viele Gemüter der große Katzenjammer des grauen, klammen und dunklen Novembers. Für andere hingegen setzt sich die schönste Zeit des Jahres fort, mit weniger gesättigten Farben, dafür mit Mehraufwand an der Garderobe, denn mit rein in die Schuhe und Jacke an ist es nun nicht mehr getan.

Südliches Portal zu den Ihlowbergen

Wem es an gut beworbenen oder allseits bekannten Touristenzielen während der hellen Monate zu voll ist, dem öffnen sich jetzt all diese Türen für fast privaten Genuss. Freilich mit dem Preis, dass vieles nicht mehr offen hat, es also rundum etwas stiller ist. Doch dafür hat man speziell in den letzten anderthalb Jahren griffige Strategien entwickelt, um den Tag am Ende nicht hungrig zu verlassen. Durch Nutzung mitgebrachter Teller und Besteckteile lässt sich auch ein riesiger Spreewald-Döner stilvoll und ohne größere Fallverluste in der romantischen Atmosphäre eines Kahnhafens verschmausen, dem die schwindende Sonne die Lichter anknipst. Das laute und teils polternde Geschnatter der Tagestouristen wird durch das zurückgenommene der vorwinterlichen Enten ersetzt, die wie all Vogeltiere etwas leiser gestellt sind.

Am Rand der Kiesgrube

Wer die oppulente Farbsause der Laubwälder genießen will, ohne dafür gleich ein Ticket zur Ostsee zu lösen, erhält eine außerordentliche Darbietung schon im Grumsiner Forst, der seit einiger Zeit als ausgedehnter Buchenwald bekannt ist. Der große und recht ursprüngliche Wald, der gerade auf dem Weg zurück zum Urwald ist, liegt zwischen Joachimsthal und Angermünde und ist per Bahn gut über letzteres zu erreichen. Will man übrigens unterwegs gern Wissenswertes zum Welterbe-Wald und seinen Besonderheiten erfahren, gibt es von Zeit zu Zeit geführte Touren beim dafür zertifizierten Wanderjenossen, einem thematisch benachbarten Blog.

Blick in den Tagebau

Althüttendorf

Wer schon einmal den großen Grimnitzsee umrundet hat, ist dabei durch Althüttendorf gekommen, das je nach Windrichtung im akustischen Schatten der nahen Autobahn liegt und dessen Dorfbild unabhängig davon eine beständige Verträumtheit zeigt. Dabei blieben vielleicht die Wanderkirche und der hoch überm See gelegene Friedhof mit der mächtigen alten Eiche im Gedächtnis hängen, bei jüngeren Besuchen vielleicht auch die drei ehrfurchtgebietenden Damen am kirchnahen Dorfplatz. Die werden dort als Nornen bezeichnet und heißen damit ähnlich sonderbar wie sie aussehen.

Am Ufer des Großen Schwarzen Sees

Von Althüttendorf lässt sich eine facettenreiche Runde zum Grumsin schlagen, die eine Reihe besonderer Orte berührt. Der Name der Straße, auf der das Dorf durch ein steinernes Portal verlassen wird, übernimmt eine Vorschaufunktion, denn ihr Verlauf führt ohne weiteres Abbiegen Zu den Ihlowbergen. Der Weg dorthin überquert zunächst die Autobahn, wobei man gleich noch einmal tiefer durchatmen und sich freuen kann, dass für die nächsten Stunden keine Eile und kein Blick auf die Uhr den Tag bestimmt.

Tummelplatz bei Sperlingsherberge

Bei entsprechender Windrichtung dauert es zwar eine ganze Weile, bis man von den hochdrehenden Motoren im Viersekundentakt nichts mehr hört, doch im Blick kehrt schon vorher ausreichend Ruhe ein, denn die leicht hügelige Landschaft strahlt tiefen Frieden aus. Ohnehin bleibt über die gesamte Zeit der Eindruck, sich durch eine mit ungeheurem Budget gestaltete Parklandschaft zu bewegen, wird ein Titelbild natursinniger Lifestyle-Zeitschriften nach dem anderen durchgewinkt. Für gewisse Euphorie in der Wahrnehmung sorgen zahllose Formationen von Gänsen, die gerade hoch am Himmel ihre Entscheidung für die nächsten Monate treffen.

Grimnitzsee in der frühen Abenddämmerung

Die mehr und mehr überwachsene Pflasterstraße schwingt sich, vorbei am Langen Berg mit seinem schlichten Funkturm, durch Alleeränder mit Buschwerk und verschieden alten Bäumen, umrundet dabei eine große Weide mit wohlplatzierten Hute- und Einzelbäumen und gewinnt in einer sanften Hohlgasse an Höhe. Der Abzweig zu den Ihlowbergen verwundert insofern, als dass es nach unten geht und auch dort bleibt. Dass dennoch alles seine Richtigkeit hat, wird bald auf Tafeln klargestellt.

Aaltütendorf

Ihlowberge

Ob nun plausibel, logisch oder nicht, diese von Menschenhand geschaffene Geländefurche ist der erste der besonderen Orte am Weg und entführt in eine kleine eigene Welt. Durch ein Tor aus mammutschweren Monolithen tritt man ein in den kleinen Canon mit seinen lichten Birkengehölzen, sandigen Schwalbenhängen und dem steinernen Rund im Zentrum. Schon von Weitem zu sehen ist die Reihe markanter Drei-Mast-Gebilde, welche zunächst eindrucksvoll und schön sind, dann aus der Entfernung den Sinn ergeben, von dem vorher zu lesen war.

Hinter Althüttendorf

Kurz danach folgt das nördliche Steintor aus siamesischen Felszwillingen, dessen strahlenförmige Sprengkanäle fast schon künstlerisch beabsichtigt wirken. Ein Schafstall und Weidezäune verweisen auf wollige Landschaftspfleger, die hier manchmal an den Halmen rupfen und damit den Ort noch mehr zu einem Verweilort machen. Ein Apfelbaum mit reichlich Früchten über und unterm Stamm entlässt uns schnurpsend aus dem Tal der Berge.

Am Grund der Ihlowberge

Vom nächsten Feldweg fällt der Blick auf den Ausleger eines Tagebaus, den man nicht erwartet hätte inmitten dieser urigen und zugleich lieblichen Landschaft. Die Entlegenheit nutzen auch der Schützenverein und die Motocross-Piloten, die hier kaum jemanden stören dürften mit ihren jeweiligen Zündungslauten.

Die Wegentscheidung an der folgenden Gabelung ist weder einfach noch von Bedeutung, da sich beide Äste bald wiedertreffen. Der rechte ist absteigend, sieht bunter aus und versammelt dramatisch geborstene Weidenopas am Wegesrand, die scheinbar aus jedem Bersten neue Kraft schöpfen und skulptural weiterleben.

Steinplatz in den Ihlowbergen

Bald darauf beginnt ein sagenhaft schöner Feldweg in Richtung Groß Ziethenw, wo mit dem Besucher- und Informationszentrum zum Geopark die touristische Mitte der südlichen Grumsinregion liegt. Auch dieser gemütliche Alleeweg, der wie aus dem Leitfaden für die schönsten Wege gebaut scheint, wird von Wuchswerk verschiedener Höhe gesäumt und zieht die sanften Landschaftswellen nach, ohne gleich in den Waden zu zwicken. Über längere Zeit begleiten ihn junge Nussbäume, die im sanften Wind gerade die letzten fußsohlengroßen Blätter abwerfen.

Nördliches Portal

Während im Süden die tiefe Grube des Tagebaus konkret wird, überragt im Norden das Wipfelwerk des Gruminser Forstes die Landschaft und gibt eine ungefähre Vorschau auf den Fortschritt der Laubfärbung. Von fern sind Stimmen zu hören und in mehreren Richtungen lassen sich bunte Jacken ausmachen, getragen von Leuten verschiedener Generationen. Silber ist hier durchaus nicht die dominierende Note.

Weg nach Groß Ziethen

Kiesgrube Althüttendorf

Obwohl alle die Aussichtsplattform anpeilen, den zweiten besonderen Ort, wird sie gestaffelt erreicht und kann nacheinander genossen werden. Das Geländer ist kräftig, die Böschung mit grobem Gestein von hier befestigt. Von oben sieht es richtig nach großem Tagebau aus – weit hinten zeigen sich offene Flächen und schwere Technik für die Kiesernte, im Vordergrund zumeist brach liegende Gebiete, die schon von erster Vegetation bedeckt werden. Auch die flachen und tieferen Riesenpfützen gibt es, die großen Vögeln gute Nachtlager abgeben. Die Kanzel mit ihrem speziellen Blick ist ein kurioses und zugleich passendes Kontraststück hier im Geopark.

Blick zum Buchendach des Grumsin

Grumsiner Forst

Doch jetzt zieht der große Wald mit aller Macht und wir wählen den direkten Weg, der im sanften Anstieg und niemals ganz gerade zwischen Pfühlen hindurch zum Waldrand strebt. Beim Eintritt in den Buchenwald geht es sofort zur Sache, das Fest der Farben beginnt. Die Sonne sorgt mit Schattenspiel, durchleuchteten Blättern und großem Lichtpinsel für Üppigkeit in allem, was mit dem Laub der Bäume zu tun hat.

Unterwegs zur Aussichtskanzel

Im Randbereich geben sich die Wipfel noch zwischen grün und gelb über fahlbraunem Laubteppich, doch je tiefer es in den Wald hinein geht, desto mehr übernehmen die goldenen und goldbraunen Töne. Schon bald ist außer den glatten Stämmen der Buchen alles leuchtend golden, ganz gleich ob man den Blick hebt oder senkt. Der blaue Himmel tut das Übrige.

Aussichtskanzel über dem Tagebau

Das Ostufer des Großen Schwarzen Sees begleitet ein Weg, der unterhalb eines laubbedeckten Hanges verläuft. Hier zeigt sich eindrucksvoll das volle Spektrum – unten der dunkle Laubteppich, aus dem in dichten Abständen Steinbrocken in den Größen aller gängigen Kürbisarten ragen. Dazwischen liegt kreuz und quer großes Bruchholz und Geäst, leitet den Blick zu den Wurzelfüßen der Buchen und von dort an den grauen Stämmen direkt nach oben in die leuchtenden Kronen. Noch sind sie so dicht, dass kaum etwas vom Himmel durchscheint.

Blick in die Kiesgrube

Wer einen stillen Flecken gefunden hat, für einen langen Moment stehenbleibt und die Augen schließt, kann eines der anmutigsten Geräusche hier hören – fallende Buchenblätter. Aus der großen Höhe der Wipfel beschleunigen sie vom Gondeln übers Segeln zum Fallen und treffen schließlich am Boden auf den dichten Teppich derer, die früher dran waren. Da alles lose aufeinander liegt, bleibt es nicht beim Geräusch des auftreffenden Blattes, sondern wird zum feinsten Dialog, wenn alle Beteiligten aufeinander zu oder in sich zusammenrutschen. Klingt so beschrieben etwas spinnert, doch vor Ort ganz herrlich und macht direkt Lust auf ein paar Minuten Verlängerung der kleinen Darbietung.

Weg hinauf zum Grumsin

Bevor die Dämmerung einsetzt, sollte man jedoch den Kopf wieder geraderücken und die Augen öffnen, sich losreißen und zusehen, dass man aus dem Wald kommt, denn wenn es hier dunkel wird, dann wird es richtig dunkel. Und wer sagt, dass der Grumsin nicht auch ein Wesen sei? Zu beachten ist, dass im gesamten Wald nur eindeutige Wege benutzt werden sollten, damit die Werdung des Waldes zum Urwald durch nichts verzögert wird.

Im südlichen Grumsiner Forst

Sperlingsherberge

Eine schöne Art, den Grumsin zu verlassen, gibt es bei Sperlingsherberge, wo sich eine regelrechte Wegstufe durch eine markige Geländekante furcht und von draußen kommend an ein Portal erinnert. Gleich daneben befindet sich nun der dritte besondere Ort am Weg, der vor gar nicht all zu langer Zeit liebevoll gestaltet wurde.

Nebental im Grumsiner Forst

Verbunden durch freigemähte Wiesenwege gibt es hier eine riesige Sonnenuhr, einen freiliegenden Steilhang mit unmittelbarem Blick in die Erdgeschichte und regionale Besonderheiten, ferner ein Modell des hiesigen Geländeschnitts und schöne Rastbänke. Dazwischen wogen hochstehende Gräser, da und dort stehen Wacholderbäume wie Figuren im Park und weiter hinten lockt ein Bogen großer Stufen in die Wiesenhöhen. Wer noch nie Lust hatte herumzutollen, könnte erstmals in Versuchung geraten.

Am Großen Schwarzen See

Den schönen Weg von der Aussichtsplattform zäumen wir jetzt von der anderen Seite auf, haben die Nussbäume nun rechts und können nochmal einen Blick auf die Wipfelkappe des Waldes werfen, nun mit taufrischem Wissen um alles Schöne darunter. Aus dem Reich der Pilze hat sich übrigens nicht ein einziger sehen lassen, dafür fand sich eine letzte Mücke bereit für etwas Quengelei während der Rast.

Auch der Weg nach Neugrimnitz sieht nach Parklandschaft aus, was der Blick auf die Karte bestätigt. Eine Gruppe Radfahrer lauscht gerade dem wohlmodulierten Vortrag des Ältesten, der nach vielen Worten aussieht und sein Wissen verschmitzt weitergibt. Die Jüngsten dürfen Kraft ihrer Jugend sanft mit den Augen rollen, die zugehörigen Elternteile haben den Kopf ein wenig in den Nacken gelegt und stieren in den Himmel oder zählen ihre Fingernägel durch. Das Senken der Stimme zu einem abschließenden Satz kommt dann scheinbar schneller als erwartet, und Sekunden später fahren alle fröhlich weiter.

Uferweg am Großen Schwarzen See

Neugrimnitz

Am Ententeich biegen wir ab in die Straße Kellerberg. Vorbei am Dorfplatz, bei dem die meisten Eventualitäten im Jahreskreis bedacht wurden, senkt sich diese nun eine Etage tiefer und vollzieht dabei einen Wandel von nüchtern nach festlich, denn die begleitenden Ahornbäume geben der geschickt gepflasterten Straße das Antlitz einer Kurpromenade und tauchen alles in kräftiges Gelb. Allmählich rückt sich die Autobahn wieder in die Wahrnehmung, doch der Wind hat abgeflaut und etwas gedreht, sodass der Lärm bis zuletzt gedämpft bleibt.

Bei Sperlingsherberge

Gleich hinter der Unterführung lockt ein oft gegangener Weg zum Rand des westlichen Grumsiner Forstes, der von Wanderwegen weitgehend unberücksichtigt blieb und beim Durchstreifen etwas Pioniergeist einfordert. Doch die Beine sind heute schon so müde, dass nicht mal die Radfahrer und Fußgänger jenseits der Kuhweide ausreichend Neugier darauf machen, diesen ufernahen Weg noch heute zu erkunden. Wir bleiben also auf dem lauten Weg entlang der Autobahn, der trotz allen Lärms immer schon schön war und jetzt noch etwas aufgemoppelt wurde.

Althüttendorf

Bei den ersten Häusern von Althüttendorf lässt der Pegel nach, sodass wir abendliche Gänsescharen hören, ganz weit oben. Auf Höhe der flügellosen Bockwindmühle fällt der Blick durch die Apfelbäume unweigerlich zum Grimnitzsee, der heute vormittag blauer noch als blau war, jetzt unter den aufgezogenen Wolken silbrig schimmert und die Dämmerung herbeiwinkt. Weiter hinten rasten große Gänsescharen in der schilfigen Bucht, und je länger man hinschaut, desto mehr Schwäne lassen sich dazwischen entdecken.

Bei Neugrimnitz

Besser geht das gleich noch vom Eulenturm, vor dem in patinierten Lederpellen eine Horde nicht zu alter Biker steht, ausschließlich mit Gespannen. Vermutlich fünfzig oder sechzig Jahre alt sind die gewienerten Maschinen und lassen kernige Stimmlagen ohne Spielarten von Autotune erwarten. Die meisten der Jungs und Mädels lassen die obligatorischen Wannen vermissen, plaudern miteinander und kommen dabei ohne viel Text aus, der zudem vorrangig in Hauptsätzen angeordnet ist. Vermutlich Leute aus dem Norden.

Hinter Neugrimnitz

Nachdem wir wieder vom Ausguck abgestiegen sind, nickt eine dem anderen und der allen Übrigen zu, woraufhin die Maschinen eine nach der anderen angeschmissen werden. Nichts wirkt künstlich, nichts gewollt infernalisch. Es klingt einfach so, wie es klingen soll und summiert sich selbst im Chor der Aggregate nur wenig. Und dann sind sie auch schon weg und nicht noch eine Ewigkeit zu hören.

Abendlicher Grumsinsee bei Althüttendorf

Kurz vorm Dorf werden gerade ausgewählte Pferde kontrastierender Designs von der Weide geholt, andere bleiben über Nacht, wie es aussieht. Am kleinen Strand haben sich ein paar Pärchen auf den besten Plätzen verteilt und warten in der heranschleichenden Abendkühle ab, ob sich die Sonne wohl zu etwas Spektakel hinreißen lässt. Doch sie steht noch ziemlich hoch, der Himmel ist zudem verhangen und letztlich werden wohl nur die Geduldigsten belohnt – oder jene, die an eine kuschlige Decke gedacht haben.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
Regionalbahn von Berlin-Ostkreuz über Eberswalde (ca. 1,25-1,5 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über Autobahn (ca. 1 Std.)

Länge der Tour: ca. 18,5 km (Abkürzungen gut möglich)


Download der Wegpunkte (–> Wegpunkte und Track folgen in Kürze)
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Weltnaturerbe Grumsin

Geopark am Eiszeitrand

Eulenturm (Vogelbeobachtung) Althüttendorf

Kiesgrube Althüttendorf

Einkehr:

Waldschänke, Althüttendorf (etwas außerhalb beim Ferienpark)
Imbiss Ortlieb, Althüttendorf

Grobskizziert – Bestensee: Pralle Trauben, schräge Typen und das geschärfte Profil

Muttern war mit ihren Unentwegten, einer rüstigen Truppe gefestigter Charaktere, in Bestensee unterwegs und erzählte ganz begeistert von einem hervorragenden, unterhaltsamen und besonders landschaftlichen Tag. Als ich daraufhin irgendwas zu Bestensee anmerken wollte, gingen hinter meiner Stirn neben dem großen Café am Bahnhof und dem neuen Weinberg nicht sofort Bilderalben, Landschaften und charmante Details auf. Ich war daraufhin ein wenig verdutzt, wurde in  der Folge sofort neugierig.

Dorfaue in Bestensee

In der Tat hatte ich ein nettes Örtchen mit etwas Stadtcharakter vor dem geistigen Auge, doch nicht viel mehr. Beim Blick auf die Karte kam die Erinnerung etwas in Schwung, wuchs an um den süßen Dorfanger, der die Kirche außen trägt, sowie die Nähe zum schönen Sutschketal, das keine zwanzig Minuten entfernt liegt. Die Karte zeigte darüber hinaus, dass interpretationsoffene Marketingleute ohne rot zu werden von der Sieben-Seen-Stadt Bestensee reden könnten.

Barfußpfad im Lausl-Park

Kulturhistorischer Wanderweg

Im Laufe des Tages zeigte sich, dass auch ganz ohne kesses Marketing gute Ideen von fleißigen Händen umgesetzt wurden, Sehenswertes und Besonderes durch einen kulturhistorischen Wanderweg verbunden wird. Ganz gleich, ob all das einem tüchtigen Bürgermeister zu verdanken ist oder Initiativen von Einzelnen oder Mehreren, es ist an vielen Stellen im Ort zu sehen, hat überall dort Hand und Fuß und macht richtig Spaß.

Kram am Rundpfad im Lausl-Park

Der Weg ist nur drei Kilometer lang, doch er sammelt an seinem Rändern viel Sehenswertes und Phantasievolles, dazu schöne Aussichten und vielfältige Landschaften. Schließlich gibt es sogar drei bis vier Einkehrmöglichkeiten, um den Aktivphasen einen direkten Ausgleich entgegenzuhalten.

Groß Bestener Ureinwohner am Fuß des Mühlenberges

Wald der Generationen

Wer die Wegspur kurz verlässt und sich in den nicht mehr als schulterbreiten Kirchsteig wagt, landet bald am Wald der Generationen. Der liegt unterhalb des Südhanges vom Mühlenberg, den klassisch märkischer Kiefernwald bedeckt. Der Wald der Generationen ist eine charmante Idee, bei der jeder Baum einem Anlass gewidmet ist. Die am Rande stehende Tafel ist schon voll mit um die hundert solcher Anlässe wie der Geburt von klein Ida oder der Goldenen Hochzeit von Herrn und Frau Wunderwelt, dem fünften Todestag vom alten Soundso oder Tims Konfirmation.

Reifende Trauben am Südhang des Mühlenberges

Entsprechend viele Bäume bevölkern die lichte Wiese und lassen von jeder Stelle Durchblick auf drei vierschrötige Typen mit breiten Schultern sowie eine Dame mit Sternenhaupt, vielleicht eine entfernte Verwandte der Frau Libertas, die in Übersee seit vielen Jahrzehnten den Wasserzugang nach New York im Auge behält. Das Trio mit den großen Sohlen kommt vom Stamme der Bestwaner, und wer davon wirklich noch nie etwas gehört hat und gleich richtig in die Materie einsteigen möchte, findet Abhilfe im Buch „Bestenseer Märchen“. Wem etwas Halbwissen reicht, der findet vor Ort eine kompakt getextete Tafel.

Weg durch den Weinberg

Lausl-Park

Zu den Märchen passt auch ganz gut die farbenfrohe und verspielte Welt des Lausl-Parks am alten Anger. Auf kleinstem Raum gibt es hier ein Museum mit Seltenheitswert und einen verspielten Hofgarten, dazu einen liebevoll bestückten Parkrundweg mit graphisch ansprechenden Schautafeln, die man nicht schon an anderen Stellen gesehen hat. Teilweise bekannte Inhalte wurden hier so gelungen aufbereitet, dass man es kaum schafft, an eine links liegenzulassen. Falls doch, geht man sicherlich noch mal zurück und will doch sehen, was da zu sehen ist. Blickfänger deluxe.

Mühle am Bestenseer Weinberg

Inbegriffen ist ein um die Ecke gehender Barfußpfad mit einem üppigen Spektrum an Untergründen. Den Weg begleiten alte Geräte, geordnet nach Themen und rustikal überdacht, umgeben wird das Areal von urwüchsiger Natur mit Feuchtgebietsanteil. Zum Betreten und Besuchen wird ausdrücklich eingeladen, sowohl von der schnuckeligen Dorfaue her als auch von der Hauptstraße.

Wiesen am Klein Bestener See

Für Bestenseer bzw. Leute aus der Umgebung bietet der Verein Lebensart und Sammellust noch ein vielfältiges Spektrum von Veranstaltungen für alle Altersgruppen, von Linedance über Bastel- und Spielenachmittage bis hin zu Grundlagen der Smartphone-Bedienung oder Kursen zur effektiven Kräuternutzung.

Kiessee am Ortsrand

Weinberg

Noch einmal zurück zum Mühlenberg: neben dem Wald der Generationen wird der Hang bedeckt von einem nicht allzu kleinen Weinberg, der über die Jahre zu beachtlicher Form gefunden hat. Große, prall bestückte Trauben zwischen blau und grün hängen in den Stöcken, oben am Waldrand gibt es neben dem Weingott Bacchus noch eine kleine Weinlaube. Der Historische Wanderweg führt mitten hindurch.

Uferpfad am Kiessee

Unterhalb der Rebreihen gibt es neben einem überdachten Portal eine offene Hütte, die sich für Winzerfeste oder andere Veranstaltungen nutzen lässt, direkt daneben steht ein kleines frei gezimmertes Modell der Bockwindmühle, die der Erhebung einst zu ihrem Namen verhalf.

An der Taille der Kiesseen

Wer der Spur des Wanderweges nach Westen folgen würde, könnte noch einen Zipfel des verträumten Sutschketals besuchen und dort sicherlich Lust auf mehr bekommen – das Sutschketal mit dem Krummen See ist dann eigentlich eine eigene Geschichte und somit auch einen eigenen Ausflugstag wert.

Eichenallee zum Strandbad an den Kiesseen

Südwesten

Wer mehr Auslauf wünscht, kann vom Bahnhof ausgehend in alle Richtungen gehen und wird jeweils andere Landschaften entdecken. Nach Südwesten kommt man bald zu weiten Wiesen, die derzeit sommerlich bunt blühen oder frisch abgemäht vom Boden duften. Vom Bauernsee und dem Klein Bestener See bekommt man dabei nicht viel mit – wer sich auskennt, kann sich ihr Vorhandensein anhand der Bruchwälder herbeivermuten.

Sommerwiese bei den Lauben

Hinter einem Waldstück liegen dann die beiden Kiesseen mit ihren schönen Badestellen und dem Strandbad. Entlang der Waldränder und Wiesen oder auch unmittelbar am Ufer winden sich schöne, stille Wege. Das Wasser ist klar, die gut verteilten Sichtfenster wirken allesamt beruhigend. Hier und da ein Ruderboot, hinten am Strand entfernte Strandgeräusche und dazu passend eine kaum wahrnehmbare Prise Sonnencreme gemischt mit Tabakrauch. Vom umzäunten Strandgelände führen gemütliche Eichenwege und nadlige Waldpfade zurück nach Bestensee, unterwegs bieten sich vom Bergfeld weite Blicke über schier endlose Wälder.

Waldpfad nach Klein Besten

Süden

Direkt nach Süden kann man sich stets dicht am Ufer des großen Pätzer Vordersees halten und ist hier meist auf schattigen Pfaden unterwegs, die stellenweise abenteuerlich schmal werden. Weiter südlich wird die sachlich gehaltene Neusiedlung Wustrocken berührt, doch das stört nicht groß, da es zum See hin stets urwüchsig und schön bleibt.

Uferpfad am Pätzer Vordersee

Das Spiel mit den Pfaden lässt sich vorbei am Schweinewinkel bis zur Südbucht des Sees betreiben und auch gern zu einer vollständigen und reizvollen Seeumrundung erweitern, die sich nur rund um Pätz etwas vom Seeufer entfernt. Das darf dann an dieser Stelle gleich die Richtung Osten mit abdecken.

Gartenwiese in Bestensee

Norden

Im Norden schließlich gibt es den Fanggraben, der hier und da schon ein wenig Spreewald-Stimmung öffnet. Direkt am Wasser liegt auch das über zweihundert Jahre alte Königliche Forsthaus, das direkt mit Friedrich dem Großen zu tun hat. Heute gibt es hier ein wunderschön gelegenes Restaurant, von dessen Terrasse man mit etwas Glück einen Eisvogel beobachten kann.

Ehemaliges Königliches Forsthaus am Wehr

Direkt daneben steht noch eine luftige Weinscheune und zwischen beiden liegt ein süßer Ententeich. Vorbei am Rügendamm schlängelt sich in Richtung Todnitzsee ein Waldpfad parallel zur Straße, der an heißen Tagen eindrucksvoll den klimatischen Unterschied zwischen Naturboden und versiegeltem Boden zeigt.

In der Südbucht des Todnitzsees

An der Südbucht des Todnitzsees hilft zwischen wurzeligen Pfaden ein metallenes Brücklein über den Fanggraben, der hier einiges breiter ist als am Forsthaus und allenfalls von Olympioniken überspringbar wäre. Nur ein paar Minuten weiter reicht der dünensandfeine Strand großzügig von der Uferlinie bis hoch zum Sportplatz.

Brücke über den Seenverbinder zum Todnitzsee

Zwischen Strand und Ortszentrum erstreckt sich ein leicht hügeliger Nadelwald, dessen Bäume so licht verteilt sind, dass man locker ein fünfhundert Meter entferntes Reh entdecken könnte. Durchzogen ist der Wald von einem unregelmäßigen Weg- und Pfadenetz, das einfach Spaß macht. Selbst wenn man also gar nicht baden gehen möchte oder die Jahreszeit nicht danach steht, der Weg zum Strand dürfte das ganze Jahr über ein gern benutzter sein.

Stadtwald zwischen Strand und Stadt

Schöne Touren lassen sich als Weg zum nächsten Bahnhof gestalten, im Norden Königs Wusterhausen, im Süden Groß Köris, gleichermaßen gibt es für tagesfüllende Rundtouren eine Hand voll Möglichkeiten. Am Ende des Tages gab es schließlich neben einer stattlichen Sammlung von Mückenstichen auch eine ganze Reihe Eindrücke, Stimmungen und bleibende Bilder fürs Langzeitgedächtnis. Beim nächsten Treffen mit Muttern konnte dann dementsprechend gefachsimpelt werden.

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): Regionalbahn von Berlin-Ostkreuz (ca. 30 Min.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): Autobahn bis Abfahrt Mittenwalde/Bestensee, dann Landstraße (ca. 1 Std.)

Länge der Tour: ca. 13 km (Abkürzungen vielfach möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Lausl-Park Bestensee

Kulturhistorischer Wanderpfad Bestensee

Weinberg Bestensee

Einkehr: Imbiss im Lausl-Park
Ristorante Bel Lago, Bestensee
La Villa Due, Klein Besten
Steakhaus 1775, Bestensee
Die Weinscheune, Bestensee










Wilmersdorf: Tanzende Laken, müde Rüssel und der Duft des jungen Sommers

Nach einem bemerkenswert kühlen Mai mit regelmäßigem Nass von oben hat der Juni direkt auf Sommer umgestellt und spielt sich seitdem in den Zwanzigern der Thermometerskala ab, sogar eine längere Vorschau auf den Hochsommer war schon dabei. Das ist durchaus willkommen, ermutigt zum endgültigen Weghängen der Übergangs- und Winterpellen und passt auch viel besser zum bunten Geschehen, dass sich selbstbewusst zum allgegenwärtigen Grün des Mai gesellt hat.

Sumpfwald am Madlitzer See

Was die Tonkulisse angeht, ist auch im sechsten Monat des Jahres treu dabei die Meise und darf damit als hartgesotten und äußerst universell gelten. Alle schon vom Mai bekannten Kehlen sind nach wie vor zu hören, dazu diverse neue Feinheiten, für die jedoch das landläufige Wald-und-Wiesen-Wissen gewöhnlicher Spaziergänger zu knapp ist.

Mohn am Wegesrand, von sich selbst berauscht

Erfüllend ist er, der Klang dieser großen Vielfalt, die an der Schwelle zwischen Frühling und Sommer ihren Höhepunkt erreicht. Wenn dann alle Partner gefunden, alle Nester gebaut sind, das Brutgeschäft erledigt und alle Eier aus dem Gröbsten raus, schmilzt diese Klangvielfalt irgendwann zur vergleichsweise Stille des hohen Sommers zusammen, wo eher das Grillenzirpen dominiert und das Rauschen des Windes in den hohen Gräsern.

Schlosspark Alt Madlitz

Endlich hört man auch wieder das Klirren von Geschirr und Besteck in den Gaststätten, sieht Kellner wieseln und entspannt zurückgelehnte Leute in den Biergärten sitzen, inklusive froher Gesichter und leisem Kichern. Ein gutes Stück Normalität findet wieder statt und erlaubt unterwegs besondere Vorfreude auf die Einkehr am Wege oder die faule Abrundung des Tages hinterher.

Dorfteich und Kirche in Wilmersdorf

Wilmersdorf

Davon abgesehen verlangt die tief eingekerbte Gewohnheit des eigenartigen Jahres noch immer nach einsamen Wegen, auf denen lediglich in den Weg ragende Blätter, herabhängende Blüten und querkriechende Schnecken zum Ausweichen veranlassen. Dazu kommt noch eine große Sehnsucht nach bunten Kornrändern, die neulich in der Uckermark nicht zu finden waren. Und dann ein paar verlässliche märkische Zutaten wie alter Laubwald, gewundene Seen und vielleicht noch sowas wie eine Mühle oder ein Schlosspark. Notfalls auch beides.

Auf halber Strecke zwischen der Spreestadt Fürstenwalde und Frankfurt an der Oder gibt es in mildhügeliger Landschaft eine ganze Reihe Dörfer, gleichmäßig verstreut und dennoch selten in Sichtweite zueinander. Einige davon haben Schloss und Park, andere wiederum liegen an einer Seenkette, die von Seelow im Norden bis hinab zur Spree reicht. Wilmersdorf ist eins davon und hat neben einem schönen Teich mit großblütigen Seerosen eine anmutige Kirche, zu der man wahlweise über ein kleines Brücklein gelangt.

Apfelallee bei Wilmersdorf

Vom letzten Haus am südlichen Dorfrand führt eine mitteljunge Apfelbaumallee zum dichten Laubwald, der saftig grün sowie mit einigen feuchten Stellen durchsetzt ist und schon bald an einen überwachsenen Schlosspark erinnert. Das liegt zum einen an einer gewissen fahrigen Strukturiertheit mit Hügeln und Pfadgassen, die in softwarefreier Realitätserweiterung Ruinenteile sehen lässt, wo gar keine stehen.

Im Wald zwischen Wilmersdorf und Alt Madlitz

Zum anderen sorgt neben verspielten Wegwindungen ein System von Gräben, Schilf und Weihern für den Eindruck einer weitläufigen Anlage aus Menschenhand, auch wenn vieles davon trocken liegt. Dies bestätigend kommen bald ein paar Brücklein zu Hilfe, die nun konkret sind und vorhanden, teils auch etwas morsch.

Im äußeren Schlosspark Alt Madlitz

Zuletzt ist es der markante Bestand an Bäumen und Büschen, der sich vielfältig zeigt und walduntypisch mit seinen großgewachsenen Büschungen aus Lebensbaum und Buchs und den alten Stämmen verschiedenster Baumarten dazwischen. Später ist zu lesen, dass hier vor zweihundertfünfzig Jahren der erste Landschaftspark im englischen Stil auf Brandenburger Boden gestaltet wurde. Lenné übrigens hatte mit dem noch nichts zu tun, nicht zuletzt da er erst einiges später auf der Bildfläche erschien.

Pavillon namens Monopteros im Schlosspark

Wer mit der charmanten Rumpligkeit der wilden Außenbereiche des Parks nicht viel anfangen kann, dem hilft es vielleicht zu wissen, dass hier seinerzeit kluge Köpfe wie der Bildungsspezi Wilhelm von Humboldt oder die Romantiker Clemens Brentano, Johann Ludwig Tieck und Achim von Arnim lustwandelten – sicherlich mal scharfsinnig aktiv, dann wieder weinselig entspannt und viellelicht sogar herumalbernd.

Schattiger Waldpfad nahe des Schlosses

Hier gibt es nun schon einen leisen Vorgeschmack auf 2021 als ergiebiges Mückenjahr. Tröstlich dabei ist nicht allein die Tatsache, dass die lieben Vögel reichlich Futter finden für all die krakeelenden Nachwuchsschnäbel, sondern zudem die Beobachtung, dass die frische Generation der Plagegeister noch unerfahren oder eben nicht allzu helle ist und daher nicht sofort nach dem Landen zusticht. Diese Unentschlossenheit erlaubt häufig die Vermeidung des Zugriffs, mit oder ohne harte Konsequenzen.

Das Schloss ganz hinten

Landschaftspark Alt Madlitz

Jenseits der Reviere der sirrenden Sauger gewinnt der Schlosspark an Konkretheit, vorher gab es schon einzelne Wegweiser, die einen Rundweg erwähnen. Bald öffnet sich der Wald nach links und stellt am Ende einer langen Wiese einen hübschen Pavillon ins Bild, auf winzigem Hügel. Bald folgt noch mehr Offenheit mit einer kunstvollen Riesenwurzel in Weiß, und tatsächlich zeigt sich kurz darauf eine distanzierte Schlossfassade von schlichter Eleganz.

Wiesenpfad am Ausgang zur Dorfstraße

Die Distanziertheit wird zur Tatsache, als Durchgangsschilder und grollende Hunde im Zwinger folgen, also wenden wir und verschwinden in einer einladenden Pfadgasse, die bei einer anmutigen Bank beginnt. Durch üppige Natur schlängelt sich der Pfad, zu Füßen hoher Stämme und in Tuchfühlung mit ausgeuferten Büschen voller Blüten. Jetzt wird auch die Duftmischung ganz bewusst, die bereits den ganzen Tag begleitet. Robinien und Linden, Jasmin und Holunder und immer wieder die wilden Rosen, dazu die Gräser und das Korn – ganz gleich ob man im Wald ist oder im Park, zwischen Wiesen oder am offenen Feldrand, dieser Juni-Tag ist ein absoluter Tag der Düfte.

Kirche Alt Madlitz, von Blühbüschen gerahmt

Kurz vor den ersten Häusern weist ein hölzernes Schild nach links zum Ausgang des Rundwegs und leitet zauberhafte Minuten der Landlust ein. Ein Wiesenpfad reiht Kurve an Kurve, umrundet dabei ein lose abgegrenztes Gärtchen, das an eine gemütliche Feldsteinfassade grenzt. Kindshohe Wiesen voll wogender Dolden und Rispen werden von einem Weidezaun notdürftig im Zaume gehalten, bis der Weg schließlich in drei nostalgischen Stufen an der stillen Dorfstraße endet.

Rastbank am Weg zur Seenkette

Alt Madlitz

Gleich gegenüber stehen hübsche Fassaden, links zeigt sich das schmiedeeiserne Tor zur Schlossanlage, hoch genug, um Löwen abzuhalten. Gleich daneben schlüpft übrigens der Rundweg durch den Park in einen lauschigen Pfad und liefert das letzte Puzzleteil für den Zusammenhang der angedachten Wegelenkung. Das Schlosscafé liegt noch im Schlaf, nicht ersichtlich ob dauerhaft oder bis hin zur endgültigen Öffnung auch gastronomischer Innenräume. Ein Stück die Straße runter steht auf einer sanft erhöhten Wieseninsel die putzgraue Kirche, oben am Turm leuchten farbkräftig die Ziffernblätter, während die Haupttür von Rosenbüschen eingerahmt wird. Hier finden wir nun die erhoffte freistehende Rastbank im Winde.

Bienenweide mit Elfentanz

Während die Beine ausgestreckt werden und der Rucksack leichter wird, spielt sich ein Großteil des Tagesverkehrs ab. Mit einem Mal strömen von überall kleine Herden von Radfahrern und kurbeln in Hühnermanier kopflos umher, bis die Richtung klar scheint. Ein Bursche mit weit überhängendem Rucksack läuft erst hin, dann her und wieder hin, bevor ihn ein aufgepumpter Pickup mit synthetisch getuntem Motorklang schließlich einsackt. Und nachdem eine klassische Oma in Kittelschürze ihr Rad mit dem typischen Lenkerwackeln gen Norden gelenkt hat, zweitakten wirklich noch zwei Stück Dorfjugend auf der Schwalbe vorbei. Weiter hinten kommt der Handwerkerbulli von der Arbeit und parkt rückwärts in den wohlverdienten Feierabend.

Schankterrasse am Gut Klostermühle

Wir lassen all den Trubel hinter uns und schlurfen in Richtung der erwähnten Seenkette aus dem Dorf. Rechts zwischen den Büschen leuchtet mit einem Mal das ersehnte Mohnrot hindurch, bei einer kleinen Bank gibt es schließlich einen Durchschlupf und die Kameras werden verzückt gezückt. Extra bunt ist diese Wiese, die wohl zu jenen zählt, welche immer öfter den Bienen zu Diensten angelegt werden. Über weißen Margeriten und dem blassvioletten Bienenfreund tanzen die zarten roten Laken der entknüllten Mohnblüten ihren Elfenreigen und trotzen in Anbetracht dieses dünnen langen Stängels jeder Vorstellung von physikalisch Möglichem. Es ist jedes Jahr aufs Neue ein kleines großes Schauspiel.

Klostermühle mit fallfrischem Regenwasser im Mühlbach

Am Friedhöfchen nutzen wir die Wasserhähne, um nach der kleinen Sause die Hände abzuspülen. Das hätten wir uns sparen können, denn unvermittelt bricht der Himmel auf und lässt uns erst die Schirme öffnen, dann umständlich die Regenpelle überziehen. Noch zwei Minuten vorher hatten uns zwei beschwingte Dam- und Herrschaften späteren Alters nach der korrekten Richtung und den verbleibenden Gehminuten bis nach Alt Madlitz befragt, beide sahen eher nach unterhaltsamen Schnurren, geistreichen Bonmots und Sommerspaziergang aus als nach Regenschutzvorsorgemaßnahmen und Praktischem. Gut, dass der Tag kein allzu kalter ist und ein teurer Panama-Hut auch rasch wieder getrocknet ist.

Madlitzer See

Madlitzer Mühle

Auch wenn der Schauer keine zwanzig Minuten dauert, kommt doch einiges runter und sammelt auf der abschüssigen Asphaltspur kleine Bäche, auf denen selbstgeschnitzte Borkenboote gut in Fahrt kommen könnten. Der Wald sorgt für Windschutz von der Seite und verhindert komplett nasse Hosen. Dennoch sehen wir stilistisch eher fragwürdig als nach Vier-Sterne-Gastronomie aus, als wir am tiefsten Punkt die Gebäude der Madlitzer Mühle erreichen. Auf der halbnassen Außenterrasse am See sitzen jedoch schon ein paar andere unserer Kategorie, so dass wir uns für ein Tässchen Heißen dort niederlassen.

Im Park des Gutes Klostermühle

Das stattliche Preisniveau rechtfertigt sich nicht nur durch Art und Qualität der Anlage, den Charme der Baulichkeiten und natürlich die oberschnieke Lage direkt an der Seebucht, sondern auch durch die zauberhafte Umgebung, die vieldimensional an das nördliche Südschweden denken lässt. Zum weitläufigen Gelände der Gastlichkeiten mit seinen kleidsamen Höhenunterschieden gehören zwischen allerlei Liegewiesen auch ein langer Steg in den See sowie eine der schönstgelegenen Tischtennisplatten zwischen dem 14. und 15. Längengrad. Nicht zuletzt schafft auch das lebhaft fließende Wasser am bemoosten Mühlrad einen Platz von Poesie.

Östlicher Uferweg am Madlitzer See

Madlitzer See

So richtig exklusiv für Leute mit Lust am Draußensein ist jedoch der überschaubar lange Rundweg um den fjordisch gewundenen See, der vermutlich vom Hotel initiiert und umgesetzt wurde. Denn dieser oftmals pfadschmale Uferweg ist, selbst für märkische Verhältnisse, wirklich besonders und verschlägt einen etwa auf der Mitte des Madlitzer Sees vom Skandinavischen an die Schwelle zwischen Mittel- und Hochgebirge. Das Gefühl eines Bergsees dürfte maßgeblich durch den steilen, teils gerodeten Hang oberhalb des Weges entstehen, doch auch durch die Ruhe, mit der das Wasser tief in seiner Eiszeitrinne liegt.

Wegspur durch den Bruchwald

Wie zum Unterstreichen kauert über dem jenseitigen Ufer weithin sichtbar ein einsames Holzhäuschen mit Boot und Steg, das gleichermaßen als schwedische Stuga oder gipfelnahes Berghüttlein durchgehen könnte. Das Boot hat auf der Genießer-Rückbank eine Extralehne, die zu romantischen Ruderpartien einfach dazugehört. Vielleicht ist all das gar nicht echt, wurde nur für den Katalog dort hinprojiziert und ist dann einfach geblieben.

Entscheidende Querungsmöglichkeit nördlich des Madlitzer Sees

Am Nordende des Sees übernimmt ein breiter Waldstreifen, der komplett durchfeuchtet ist. Immer schmaler wird die Wegspur durch das dichte Grün der Jahreszeit, immer dichter rückt das spiegelnde Wasser an den Weg und befindet sich schließlich auf Sohlenhöhe. Dennoch geht es noch etwas tiefer, getränkte Holzbohlen halten den schmatzenden Pfad im Zaum und enden an der entscheidenden kleinen Brücke, die zur anderen Seite des sumpfigen Bruchwaldes übersetzen lässt.

Stilles Wasser im Bruchwald

Genau hier ist eine dieser besonderen Wasserwelten, die absolute Ruhe ausstrahlen, tiefste Natur und wenig Eingriff. Die Stämme streben direkt zum Himmel, das Wasser ist weithin bedeckt von matter, leicht fluoreszierender Grütze. Einen Stockwurf entfernt reguliert ein kunstvoll geflochtener Biberdamm den Wasserspiegel.

Westlicher Uferweg am Madlitzer See

Schwelgerisches Verweilen wäre jetzt angemessen, ist jedoch leider keine Option. Die Mücken sind zwar nicht sehr aufgeweckt, doch dafür reichlich und somit statistisch hin und wieder erfolgreich. Das macht unentspannt und fuchtelnd, und letztlich könnte irgendwas oder man selbst im Nassen landen. Also schnell genossen, hastig einige Eindrücke in Nullen und Einsen gegossen und daheim noch mal in Ruhe angeschaut.

Madlitzer See

Ein stiefelbreiter Pfad führt zurück zum Seeufer und wir sehen gegenüber nochmal die steil ansteigende Hangflanke. Der nadelige Weg verläuft kurz über Uferhöhe und dürfte an warmen Tagen zum Baden locken. Einzelne kräftige Baumäste ragen weit in Richtung Seemitte.

Im Wald zwischen See und Schlosspark

Am Katalog-Hüttchen verlassen wir den See und steigen kurz hinauf in den dichten Wald. Viele Wege gibt es, einige sind vom hohen Gras verwachsen. Der mit dem höchsten Gras ist unserer. In jedem Halm hängen Hunderte Tropfen, und so sind die Schuhe bald mit grünen Samenkörnchen übersät und quatschen bei jedem Schritt vor Nässe. Bald besteht die Option für einen Weg am Waldrand, doch der ist mittlerweile übergepflügt. Auch hier gibt es einen Blühstreifen für Insekten, an dessen Rand wir weglos zum nächsten Anschlussweg gelangen. Der ist jetzt gut gangbar.

Blick vom Dorfrand zur Alt Madlitzer Kirchturmspitze

Kurz hinter dem Sträßchen zwischen Alt Madlitz und Vorwerk Madlitz erreichen wir den östlichen Einschlupf ins Wegesystem des Schlossparks, nach links ragt die Kirchturmspitze über die Wiese. Doch der Waldrand rechts ist jetzt willkommen, offen im Wind und mit lockendem Mohnblumenrot. Ein Reh steht im rehhohen Gras, wird durchs Ohrenspitzen sichtbar und ist mit einem Sprung im Erlenwald verschwunden.

Waldrandweg nach Waldhof

Rechts der Wald ist dunkelgrün, links die bunte Wiese eher hell, und darüber türmt sich mehr und mehr ein düsterer Himmel auf, der den nächsten großen Guss in Aussicht stellt. Der Weg knickt in Richtung Westen ab und führt in mehreren Bodenwellen durch eine mittelalte Allee von Apfelbäumen, die so dicht in Reihe stehen, dass sie ineinander verzahnt fast schon eine Hecke ergeben. Gut für uns, denn als der Regen losbricht, haben wir fürs Erste etwas Schutz von der Seite.

Apfelallee vor Waldhof

Und dann saut es richtig los, von oben, von der Seite, mit Verwirbelungen und teils auch von unten. Mit verzahnten Schirmen und schützenden Bäumen sitzen wir in einem Gehölz die zehn Minuten aus, ohne größere Einweichungen. Von dem kleinen Wasserreich eines ringförmigen Weihers bekommen wir aufgrund der verhangenen Sicht nichts mit.

Nasse Trockenwiesen vor Wilmersdorf

Waldhof

Den Weg voller Pfützen sind bald die Häuser von Waldhof erreicht, wo es einen schweigenden schwarzen Hund zum raschen Weitergehen und einen kleinen Skulpturengarten zum kurzen Verweilen gibt. Dahinter öffnet sich die Landschaft und über den von Erdtönen bunten nassen Trockenrasen ist schon die Kirche von Wilmersdorf zu sehen. Die Aussicht auf Stärkung und Behaglichkeit geht absolut in Ordnung. Wir drosseln die Schrittfrequenz, genießen klamm und mückenfrei die letzte Viertelstunde. Mit dabei ist noch immer der sagenhafte Duft des Tages.

Sinistre Gestalt am Wegrand

Zurück in Wilmersdorf sind noch ein paar besondere Häuser zu bestaunen, die ans Baltikum denken lassen, dabei ein äußerst pittoresker Bauerngarten. Am wespentaillierten Dorfteich werfen wir der Kirche einen verdienten Blick zu, überschreiten an der Schmalstelle das blumengeschmückte Brücklein und gönnen den Schuhen in der Uferwiese noch ein wenig Bodennässe, denn wer braucht schon halbe Sachen. Der aktuelle Sommer gilt nun als getauft.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
Regionalbahn bis Berkenbrück, dann weiter mit dem Bus (Mo-Fr regelmäßig bis Nachmittag, Sa/So keine Verbindung)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über Land B1/B5 (ca. 1,25 Std.)

Länge der Tour: ca. 12,5 km (Abkürzungen gut möglich)(Darstellung ist von Problemwegen bereinigt)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Information zu Wilmersdorf

Schlossgut Alt Madlitz (mit Kurzvideos)

Informationen Alt Madlitz

Informationen Gut Klostermühle

Einkehr: Parkcafé im Schlossgut Madlitz
Gut Klostermühle, Madlitzer Mühle (gehobene Gastronomie)

Alt-Temmen: Holzschindeln, die Frühlingsliste und das nahe ferne Dommeln

Er ist endlich da, nun wirklich, wie es scheint – der Frühling. In einen einzigen Tag kurz nach der Mitte des April steckt so viel von ihm, dass es in der Langzeitempfindung die ganzen zurückliegenden Wochen mit Dauerfrösteln und Novemberszenerien nahezu ausgleicht. Es ist so herrlich, Jackenknöpfe zu öffnen oder die Mütze in die Tasche zu stecken, und je nach Windrichtung kann das schon mal ein genüssliches Stündchen andauern. Der Reißverschluss darf endlich Zähne zeigen.

Bei Temmen

Die freigelegten Ohren werden weit geöffnet, damit der Wind ganz ungehindert durch den Kopf rauschen kann, dabei alle lästigen Gedankendauerschleifen auseinanderbläst. Und den Weg frei macht für alles und nicht mehr als das, was Nase, Ohren, Haut und Augen an die Denkzentrale kabeln. Ganz davon abgesehen sammelt dieser Tag ein selten erlebtes Konzentrat von Frühlingssymbolik – erste Störche und Marienkäfer, klamme Zitronenfalter, flauschige Lämmchen und Saft in den Birken. Zur Abenddämmerung ist wieder so ein Weg geboren, den man alle Jahre einmal brauchen wird.

Hügelweg im Walde

Alt-Temmen

Temmen liegt eingeschmiegt zwischen der Ringenwalder und der Poratzer Moränenlandschaft und macht aus seiner Eiszeit-Vergangenheit kein Geheimnis. Das hügelige Land bedient in seiner Mischung von Seen und weiten Wäldern, gebogenen Talgründen und archaischen Buckelpisten viele Uckermark-Klischees, die nicht nur beruhigend und schön, sondern allesamt richtig und wahr sind. Das Dörfchen mit seinem schönen Gutshof liegt dementsprechend zwischen drei Seen, die zum Teil auch Badestellen anbieten.

Gedenkkreuz am Kloster St. Georg, Göttschendorf

Die kleinen Straßen zu den Nachbardörfern Neu-Temmen oder Hohenwalde gehen von Schönheit, Unterhaltungswert und Verkehrsarmut glatt als Wanderwege durch, so dass sich schon im näheren Umkreis ein schöner Tag verbringen ließe. Doch wir wollen heute viel von all dem. Bekommen werden wir noch weit mehr, inklusive einer Überraschung etwa auf der Mitte.

Klosterkinder ODER Yin und Yang nach Feierabend

Angesagt war ein trüber Tag, doch bereits in Temmen zeigen sich erste blaue Fetzen am Himmel. Der Hofladen der weiten Gutsanlage hat leider schon zu, doch beim Blick fällt dieser auf den ersten selbstgesehenen Storch dieses Jahres, der auf einem meterhohen Horst hockt und seinen Schnabel auf der plustrigen Brust abgelegt hat, wie das am besten Enten können.

Leuchten am Waldboden

Von dort oben dürfte der Ausblick über den Düstersee noch besser sein, der bereits vom Ufer weit bis zu den jenseitigen Waldeshöhen reicht. Das Schilf ist noch fahl, die Wiese noch platt von allen letzten Wettern, und auch alle Baumwipfel stehen so kahl da wie schon seit November. Es ist immer wieder erstaunlich, wie spät es wirklich losgeht mit dem grünen Laub im großen Stil.

Hinter Hohenwalde

Am Dorfausgang steht neben einigen Kühen im gewohnten Format ein enormer Bulle mit Türsteherstatur, von dem man nicht missverstanden sein will. Beim Passieren gibt er über mehrere Sekunden so einen fast elektronisch klingenden Blechdosentiefton aus, den man eher als Welle spürt als dass man ihn hört. Blick und Stirn bleiben dabei unbeweglich und wir stehlen uns mit dem angemessen Respekt vorbei. Denn zwei dünne Drähtchen sind eben nur zwei dünne Drähtchen und Logik auch nur Logik.

Lindenallee nach Hohenwalde

Auf der anderen Seite des Weges steht auf einem Hügel sein Pendant als Baum – ein knorriger Kern mit großen und kleinen Blässuren, umgeben von lebhaftem Nachwuchsgeäst, das jeweils selbst schon als Baum durchgehen würde. Einzwei Blitze könnte er schon überstanden haben, und Standort und Statur sollten Stoff für ein paar schaurige Dorfmären hergeben. In denen sicherlich der Vollmond eine Rolle spielt, vielleicht auch ein unnatürlich großer Rappe mit glänzendem Fell.

Schon an der folgenden Gabelung wird es wieder unbeschwerter im Gemüt. Links unten werden Pferde von geeignetem Personal bewegt, direkt in der Gabel steht ein geräumiger Rastpavillon. Dahinter liegen im Karree unzählige Findlinge in allen Korngrößen zwischen Kinderfaust und Pferdehintern. Etwas weiter nördlich in Skandinavien würde man bei sowas gleich an eine vorgeschichtliche Stätte denken. Ein bisschen tut man das auch hier, denn Form und Ausmaß sind durchaus charakteristisch.

Klarer See, Alt-Temmen

Bevor noch die Gedanken sich dem verspielten Wegeverlauf hingeben und der Kopf auf Durchgang schalten kann, hüpft das Herz vor Freude angesichts der ersten gesichteten weißen Buschwindröschen, durchmischt mit den gelben Glanzsternen des Scharbockskrautes. Eine unschlagbare Mischung am nachwinterfahlen Waldboden. Hier und da kontrastieren dazwischen ein paar sattviolette Veilchen.

Guter Platz überm Gutshof, Alt-Temmen

Gleich danach wird es wieder nichts mit dem sinkenden Puls, denn voraus auf einem spillrigen Strommast sitzt hoch oben ein großes Nest, das durch einen aufsitzenden Vogelumriss bald als Horst erkannt wird. Die spätere Vergrößerung bestätigt wahrhaftig den Weißkopfseeadler, maßgeblich anhand der typischen Statur und des Weißes in Kopf und Heckpartie.

Alter Kämpe am Dorfrand, Alt-Temmen

Im Uferbereich des Klaren Sees entdecken wir am Boden des trockenen Bruchwaldes mehr und mehr Blütensternchen – je länger man den Blick fixiert, desto mehr werden es. Das ist jetzt eine gute Einleitung für den Ruhemodus. Herrliche Kurven schlägt der Weg in der nächsten halben Stunde, umrundet Wäldchen und Hügel, nimmt schilfige Senken, verschwiegene Weiher und weite Wiesengründe mit. Links die Weite, rechts die bewegten Grasmatten mit bereits saftigem Grün. Dazwischen zieht sich der Bild gewordene Autopilot in Form des Weges, dessen Wiesennarbe mal filigran ist, dann wieder dominant. Immer gegenwärtig sind die dicken Steinbrocken, als vom Gletscher rundgeschmirgelte Riesenmurmeln oder als gratkantige Quader, die eher nach Steinbruch aussehen.

Weniger alter Kämpe am Dorfrand, Alt-Temmen

In den Wipfeln einer Birkengruppe hängen gelangweilt dicke Mistelballone und planen vermutlich irgendwelchen Unfug oder Schabernack mit den Passanten. Wir sind durch den Ochsentypen noch sensibilisiert und weichen dem aus, indem wir am Waldrand rechts über die Wiese abkürzen. Am Ende der noch ruhenden Weide beginnt eine längere Partie durch den Wald, der alle paar Minuten sein Gesicht ändert.

Beim Klaren See

So gut wie nie gibt es hier den lichten Brandenburger Kiefernwald, dafür weite Hallen aus hochgewachsenen Buchen, die ein paar Wochen noch nach oben offen sind. Dazwischen immer wieder größere Fichtenwäldchen, teils kontrastierend benachbart zu weißen Birkenstämmen. Die nun prahlen schon mit dem allerersten Laubgrün des Waldes, das eher noch flirrender Eindruck ist als konkrete Farbe. Zu Füßen der Fichten liegen im Dustern dieselben Steinbrocken wie gegenüber bei den Buchen oder Birken, doch sind sie hier von dickem Moos überzogen und lassen zum Teil offen, ob ein Ameisenhügel, ein alter Baumstumpf oder eben einen Stein verhüllt ist. Eine stets angenehme und recht verbindliche Antwort gibt nur der Drucktest mit Hand, Knie oder Nase. Überhaupt scheint hier der gesamte Waldboden von dickem Moos bedeckt zu sein.

Arnimswalder Wald

Ein liegender Stamm bietet einen schönen Pausenplatz, wo nun der hoffentlich letzte Unterwegstee dieses Frühjahrs dampfen wird. Zwischen linkem und rechtem Schuh spielt sich derweil im aufgewühlten Laub eine weitere Frühlingsszene ab. Eine Blattwanze, die weitaus schöner und prächtiger aussieht als ihr Name annehmen lässt, hat sich aus dem kühlen Waldboden gegraben und zwei kruschlige Buchenblätter erklettert, die eine Art Grat als Abflugplatz bilden.

Huflattich an der Ecke

Der Panzer des Käfers hat die feierliche Form eines Wappenschildes und wird später vermutlich ein kunstvolles Muster tragen. Noch ist er komplett grün und vermutlich butterweich. Der Sechsbeiner bewegt sich wie nach einer durchzechten Nacht – vielleicht ein ähnliches Gefühl wie ein im Waldboden verbrachter Winter. Steife Glieder, kraftlos und desorientiert, labbriger Pulli und kein Bock. Dann beschert die Gunst der Stunde ein paar Sonnenminuten, der Pulli gewinnt an Fasson und der Laufstil wird bestimmter. Ehe wir noch groß beobachten und staunen können, macht er den Abflug.

Hügelweg im Walde

Parallel zu diesem Vorgang flattert weiter hinten ein Zitronenfalter vor den dunklen Nadelbäumen entlang, tingelt allmählich in unser offenes Waldstück. Setzt sich einmal kurz auf die Teekanne, fliegt eine Ehrenrunde um unsere Köpfe und ist auf einmal zu zweit. Und wieder weg. Nachdem der Käfer weg ist, sind die drei gelben Flatterer wieder da und kurz darauf zu viert. Nee, zu fünft. Dann wieder weg und wenig später ganz woanders am Tun. Wie schon gesagt, der Frühling inszeniert mit Nachdruck.

Rastplatz am Radweg

Nach dem ersten Abbiegen seit langem sind wir mit einem Mal im Mittelgebirge gelandet. Aus dem Nichts taucht voraus ein VW-Bus mit orangefreiem Hirschlogo auf, der von einer tiefen Wegesenke komplett verschluckt war und auf der Suche ist nach irgendwas. Einige Male in Folge geht es tief hinab und gleich wieder hoch, so dass allein diese Viertelstunde für den Großteil der heutigen Höhenmeter sorgt. Passend zu den überraschenden Kapriolen des Reliefs wird der Weg von dichtem Fichtenwald begleitet, der aussieht wie beschrieben.

Weg nach Göttschendorf

Mit leisem Schnaufen beenden wir den letzten der Aufstiege und erreichen beim einstigen Großen Karutzsee einen ruhigeren Weg mit angenehmem Abwärtstrend. Hier folgt nun das nächste Kapitel der Waldblümchen. Eingeleitet wird es von einer ganzen Herde Huflattichköpfe, die alle in eine andere Richtung schauen, als liefe eine angeregte Diskussion quer übern Marktplatz. Davon unbeeinflusst hat sich ein klammer Zitronenfalter am mittigen Kissen einer Blüte angedockt und wartet dort auf etwas Sonnenwärme. Fällt kraftlos ins Buchenlaub und arbeitet sich wieder genau zur selben Stelle. Die Beharrlichkeit wird belohnt, denn die Sonne schiebt sich kurz zwischen den Wolken hervor und zeigt umgehend ihre Kraft. Keine Minute später sitzt der Schmetterling aufrechter und flattert bald davon.

Station des Mythengartens, Göttschendorf

Die Forststraße wird zu einer dieser rumpligen Pflasterstraßen, die so gut in diese Landschaft passen, und steuert geradewegs auf drei Rastraufen zu, die zu einem großen Pausenareal gehören. Hier sollte sich ganz wunderbar eine kleine Waldweihnacht feiern lassen. Ein paar Minuten später endet das große Waldgebiet, voraus liegt ein leicht gewundener Alleeweg, der sanft nach Götschendorf hin abfällt. Wo ansonsten meist eine Lerche pro Acker zu hören ist, jubelt es hier gleich von drei Richtungen aus der Höhe. Zu sehen ist wie immer keins der Vögelchen.

Klosterkirche, Göttschendorf

Götschendorf

Am Rand von Götschendorf liegt der kleine Friedhof, kurz danach steht am Wegabzweig ein mannshoher Stein des Uckermärkischen Mythengartens, dessen Logo sich auch als Mosaik an den Flanken findet. Die in Edelstahl geprägte Sage handelt vom Hecht mit dem Goldzahn und dem Rucksack, was unbestritten Neugier erzeugt. Weiter unten zeigt eine Karte weitere Standorte solcher Steine.

Klosterküche

Weiter hinten im Dorf gibt es laut Karte eine Kirche, also schieben wir einen kleinen Abstecher ein. Der lohnt sich wirklich, denn aus der Kirch-Signatur auf der Karte wird eine besondere kleine Stunde. Ein Zwiebelturm, gedeckt mit Holzschindeln und gekrönt von einem goldenem Kreuz, bestätigt die teils in russisch gehaltenen Plakate am schwarzen Brett des Dorfes. Zur Turmknolle gehört ein ungewöhnliches Kirchgebäude jüngeren Baujahres, ein baufälliges Schloss sowie ein weitläufiges Gelände, auf dem es viel zu gucken und zu entdecken gibt.

In der Klosterkirche

Russisch-orthodoxes Kloster St. Georg

Kurz vor dem Gotteshaus steht ein Schild an der Straße und kündigt eine geöffnete Küche an. Das würde gut passen, Einkehr am Wege und ausreichend Zeit hinterher, alles ein bisschen zu verteilen. Wärmebedarf spielt bei der Energieaufnahme keine große Rolle mehr, denn mittlerweile sind die Jacken offen, die ersten Arme liegen frei und Mützen wechseln zwischen Kopf und Tasche.

Arnimsches Gutshaus

Noch vor dem Tor zeigt sich das gesamte Ensemble und ergibt insgesamt eine kuriose Zusammenstellung. Zur Straße hin steht eine Gulaschkanone, aus der es dampft und duftet, etwas eingerückt auf dem Grundstück die Fassade des Schlosses. Auf der Wiese davor gibt es zwischen vereinzelten Bäumen ein prächtiges goldenes Kreuz, groß wie ein Denkmal, zur Kirche hin einen ausgelagerten Glockenstuhl mit zwei Handvoll Glocken mit Kalibern von kirchturmtauglich bis Schiffsglocke. Dazwischen verteilt ein paar Pavillons, wo in normalen Zeiten das verschmaust werden kann, was die Küche so bietet.

Hinterm Gutshaus bei den Beeten

Besonders schön und selten erlebt sind die freilaufenden Schafe und Ziegen. Auch hier gibt es verschiedenste Größen, die Schafe haben Schulterhöhen von Dreirad bis Motorroller – so große Schafe hat man wirklich selten gesehen. Die hochbeinigen Ziegen sind eher groß und klettern auf den umgestürzten Bäumen im unteren Uferwald herum.

Klosterschafe in zahlreichen Ausfertigungen

Hintern Schloss kommen zielstrebig zwei größere Schafe angelaufen und prüfen, was es zu holen gibt. Gibt aber nix. Dem Anstand geschuldet warten sie noch ein paar Sekunden in der Nähe und zerstreuen sich dann wieder, soweit das bei zwei Schafen möglich ist. Zu Füßen der Schlossterrassen gibt es ein kleineres Gatter, das komplett mit Stroh ausgelegt ist. Das Tor steht offen in Richtung zweier großer Strohquader, die auf die Größe eines Speisesaals auseinandergelatscht wurden.

Bootshaus am See

In den Flanken der einstigen Quader und dazwischen im bauschigen Stroh oder an Elternteile gekuschelt liegen verschlafen winzige Lämmer, die so frisch sein müssen, dass selbst das Liegen noch zu lernen ist. Schwarze gibt es und weiße, kohlrabenschwarze, graumelierte und auch ein weißes mit schwarzem Kopf. Je tiefer man den Blick ins Strohgeschehen gräbt, desto mehr Lämmer werden es. Die Schafe dazwischen, sämtlich noch im Winterpelz, sind alle verschieden hoch und reichen von braun über grau bis weiß. Schwarze sind keine zu finden.

Vergnügte Klosterziegen

Zwischen den Orten des Geschehens schlendert ein tiefenentspannter Hund und schaut beiläufig nach dem Rechten. Auf der Rückbank eines staubigen Autos sitzt ein noch tiefentspannterer und lässt die träge Schnauze und ein Ohr aus dem offenen Fenster hängen.

Unten am See schließlich gibt es noch ein kleines Bootshaus mit Steg und zwei rustikalen Terrassenöfen Marke Eigenbau. Vom Steg fällt der Blick weit über den langgestreckten Kölpinsee, der bis ins nahe Milmersdorf reicht. Einige Ruderboote sind unterwegs – oben am Eingang waren Bootsverleih und Sauna angeboten, und Bootsverleih ist ja auch derzeit möglich.

Externes Geläut

Die Klosterkirche selbst ist samt aller Rundungen komplett mit Holzschindeln gedeckt, die weißen Wände sind mit Ziegelsteinen verkleidet. Der Innenraum überrascht mit enormer Deckenhöhe und einer prächtig ausgemalten Halbkuppel über dem Altarraum, auf einem Tisch liegen Bücher und Ikonen kleineren Formats zum Kauf. Während die Wände noch das blanke Baumaterial zeigen und dicke Kabel auf ihre Schächte warten, ist der Boden lückenlos mit riesigen schweren Teppichen ausgekleidet, Verstärkung liegt noch zusammengefaltet am Rande. Jeder Schritt wird gedämpft, und ebenso gedämpft ist das Staunen darüber, einer Kirche beim Werden zuschauen zu können. Wie zur Bestätigung spielt der lebhafte Wind gelegentlich mit der provisorischen Pforte und jammert ein wenig in den Ritzen.

Bei Gotts See

So faszinierend kontrastreich und leicht verrätselt wie das Kircheninnere und dazu noch ziemlich abgefahren ist auch die Geschichte, die sich in mehreren Kapiteln an bekannten Namen aus verschiedensten Ecken entlanghangelt. Vor dem Zweiten Weltkrieg diente das einst arnim’sche Gutshaus einem der Allerobersten der Nazizeit als Jagdhaus, einiges danach nutzten es Volksarmee und Staatssicherheit für Urlaubszeiten. Wie viele vergleichbare Objekte stand es nach der Wende leer und begann zu verfallen, ein Prozess, der bis heute andauert.

Waldsauerklee am Ochsenbruch

Wie die flüchtigen Quellen des Netzes berichten, stieß ein Herr Kuchinke, einstiger Spiegel-Journalist und Russland-Experte mit besonderem Interesse für orthodoxe Kirchengesänge, vor fünfzehn Jahren auf die vergehende Anlage und fand, dass hier ein guter Platz für ein Kloster sein könnte, ein russisch-orthodoxes. Ließ die Gedanken fließen und spann die junge Idee noch ein wenig weiter, bis hin zu einem Lebensmittelladen, einer Bibliothek und einer Gastwirtschaft mit russischer Küche. Und sah vor sich einen besonderen Ort für bedeutsame Treffen, gern auch auf höheren Ebenen.

Uckermärkische Basismöblierung in der Ringenwalder Moränenlandschaft

Nun musste zuerst das Wohlwollen der Dorfbewohner her, dann noch ein großer Haufen Geld. Bei ersterem half neben vorgeführten Filmen über diese Religion maßgeblich ein Pfarrer Kasner. Der stand im nahen Templin lange Zeit im Dienst der Kirche und hatte eine heute fast vierundsechzigjährige Tochter, die seit längerem Bundeskanzlerin ist.

Das Wohlwollen wurde erlangt und die ganze Anlage ging für den symbolischen Euro über den Tisch, mit der Bedingung, dass binnen fünfzehn Jahren drei Millionen in den ihren Ausbau zu stecken waren. Am sichtbarsten sind die geflossenen Mittel an der Kirche, die im nordrussischen Stil neu erbaut wurde. 2013 erfolgte die Weihe des kuppelkrönenden Kreuzes durch einen Erzbischof.

April im Buchenwald

Was die Millionen betrifft, war es nützlich, dass Herr Kuchinke in Russland recht bekannt war, ein bisschen wie ein bunter Hund. So ergab sich ein Besuch in der Datscha von Präsident Putin, der wiederum Herrn Kuchinke bereits aus seinem Lieblingsfilm kannte, wo dieser Anfang der Siebziger einen dänischen Professor gespielt hatte. Kuchinke kommentierte die Sache geistreich, der Humor gefiel dem Präsidenten und die Idee des Klosters bei Berlin konnte überzeugen. Telefonate wurden geführt, und bald darauf wies eine russische Bank einen siebenstelligen Betrag an. 2007 wurde das Kloster gegründet, das in seiner Art einzigartig ist in Westeuropa, vier Jahre später bezogen die ersten Mönche ihre Kammern und widmeten sich dem Motto „Bete und arbeite – ora et labora“. Die Arbeit dürfte so schnell nicht ausgehen.

Urige Lindenallee nach Hohenwalde

Was von all dem jetzt Legende ist und was nicht, ist eigentlich egal, denn selbst diese lückenhafte Kurzform zeigt schon die kuriose Abfolge von Ereignissen und ihre unterhaltsamen Kurvenausschläge. Und wer braucht schon zuviel Wahrheit, wenn eine Geschichte gut ausgedacht und schnurrig erzählt ist? Die Vision des Herrn Kuchinke jedenfalls, Vorbehalte abzubauen und verschiedenste Köpfe an gemeinsame Teetafeln zu bringen, ist nicht mehr nur eine Vision. Und neben kulturellen Traditionen und geistlichem Austausch wird es am Tisch wohl auch mal ganz schlicht um Piroggen gehen und um Getränke in kleinen dickwandigen Gläsern.

Hohenwalder Entree

Apropos Gaumenfreuden: aus den Kesseln der Kloster-Feldküche, die noch von den Vornutzern stammen könnte, gibt es gut bestückten Borschtsch, kräftige Soljanka und anderes, dazu passen gut die Piroggen mit drei verschiedenen Füllungen. Einmal über die Straße liegt eine kleine Wiesenböschung, zu der wir das Tablett mitnehmen dürfen, als Tischschmuck gibt es ungepflückte Veilchen. Zu uns gesellen sich einige Ameisen, die zielgerichtet den Piroggen zustreben, insgesamt aber friedlich sind. Mit spannender Vorderpartie verlassen wir diesen besonderen Ort, an dem wir kein einziges Verbotsschild finden konnten.

Kunsthaus Hohenwalde

Am Mythenstein verlassen wir das Dorf, wieder hinein in die Stille des Waldes. Gleich um die Ecke liegt Gotts See, in direkter Nachbarschaft zum Ochsenbruch. Beide ruhen in einer Stimmung, die sich schon ein bisschen nach Abendsonne anfühlt. Doch das ist noch eine Weile hin, gut so, denn der Tag soll nicht so schnell zu Ende gehen.

Wurzel am Dorfrand, Hohenwalde

Nach und nach wird es wieder hügeliger und wir stoßen auf Parallelen einer Tour, die jetzt fünf Jahre zurückliegt und eher in der Zeit der allerersten Frühblüher spielte. Nach und nach übernimmt der Buchenwald, mittlerweile sonnenlichtdurchflutet, und dementsprechend geht es jetzt richtig los mit Buschwindröschen, die so anmutig im leisesten Windhauch wackeln können. Sogar mitten auf dem Weg wachsen sie, durchmischt mit den erwähnten gelben. Auch die extrasmarten zarten Blüten des Waldsauerklees, die stets ganz stark nach Jugendstil aussehen und deren grasgrüne Laubblätter bisweilen eine perfekte Herzform ergeben, finden wir hier. Wenn irgendein Waldblümchen besonders liebenswert ist, dann wohl dieses.

Weg zum Düstersee

Immer mehr wird es und immer dichter mit den Blütenteppichen, die sich nicht davon stören lassen, dass viele der umgebenden Brüche und Sümpfe schon länger trocken liegen. Auch direkt neben der Landstraße breitet sich bei den Bootsschuppen am Proweskesee hin noch so ein herrlicher Blütenmeer aus. Nach dem Queren eines zaghaften Vorkommens frühester Ucker, die hier dem Großen Krinertsee entgegenrinnt, beginnt eine der urigsten Pflasterstraßen der Uckermark, gesäumt von uralten und teils dramatisch geborstenen Lindenbäumen. Da sind sie wieder, die Höhenmeter, wenn auch sensationell verpackt. Die halbe Stunde Pflaster unter der winterfaulen Sohle wird sich am nächsten Tag noch in Erinnerung rufen.

Marie auf Leder

Hohenwalde

Kurz vor der Ortsmitte, die im Wesentlichen ein Buswarte-Kabuff mit dem Feuerlöschteich bildet, senkt sich die Straße etwas ab, vorbei an blühenden Obstbäumen und einer Fachwerkfassade. Irgendwo im Ort soll auch eine Pfarrerstochter ihre Datsche haben. Im Kabuff liegt vergessen eine oft gelesene Kitschschwarte, gegenüber hat man im Künstlerhof Freude an Farbe und Gestaltung. Am Teich steht auf bdeutender Tafel ein Hinweis auf den Fernreit- und Kutschweg Berlin-Usedom, der eher Legende ist als Realität. Nach Süden setzt sich, bereits bekannt, eine weitere der besonderen Lindenalleen in Gang, die das Dorf im leichten Anstieg in Richtung Ringenwalde verlässt. Doch heute kommt noch einmal Neuland – ein oft schon angepeilter Weg, aus dem dann nie etwas wurde.

Herbstgruß gleich daneben

Wie von einem Burghügel senkt sich die staubige Fahrspur hinter den letzten Feldsteinscheunen langsam ab in den grünen Grund, der voraus schon zu sehen ist. Rechts am Rand liegt ein enormer Wurzelstubben. Er ist so groß wie zwei der Bullen von vorhin, die meisten Wurzeläste sind ähnlich dick wie die nicht mehr junge Eiche gleich daneben. Der freiliegende Stumpf wirft einige Fragen auf. Falls er nicht von hier kommt, sondern hergebracht wurde, hätte es dazu mindestens vier solcher Bullen gebraucht, dazu einen sehr stabilen Ochsenkarren. Und irgendeinen guten Grund.

Weg nach Alt-Temmen

Für die letzte Pause, die nicht der Notwendigkeit, sondern einer feinen Leckerei vom Bäcker geschuldet ist, findet sich ein sanfter Wiesenhang unter einer Birke mit kunstvoll gewundenen Ästen, die vom aufkommenden Wind ins Schaukeln gebracht werden. Von hinten wärmt die Sonne den Pelz, nach vorn heraus liegt eine malenswerte Szene, und der erste Marienkäfer legt auf der Schuhspitze eine Pause ein. Unten vom See her ist zweimal laut und deutlich der Basston einer Rohrdommel zu hören, einem Vogeltier von imponierender Größe. Das ist kein alltägliches Erlebnis, doch Zweifel bleibt keiner, denn der Ton ist äußerst charakteristisch.

Uferwiesen am Großen Krinertsee

Mehrmals verschieben wir den Aufbruch, im Wissen, dass es gerade zum Abend hin immer schwerer wird, wieder in Gang zu kommen, wenn man grad so herrlich sitzt. Es ist einfach so schön, so vollkommen. Nichts treibt uns, genügend Licht ist auch noch übrig. Und Geschenke wollen erkannt sein.

Weidenopas am Düstersee

Zeit also fürs Zusammensuchen der ganzen Frühlingssachen der letzten Stunden: Birkensaft und erwachende Käfer, Meere von Frühblühern und hinreißende Lämmchen, der erste Pirol und der werbende Rohrdommler, nicht zu vergessen den dösenden Storch und den torkelnden Marienkäfer. Und dann gab es ja auch noch das Rudel erwachender Zitronenfalter und weit mehr Lerchen als üblich. Dickes Ding.

Blick übern See nach Alt-Temmen

Der vorausliegende Weg ist zauberhaft, also siegt irgendwann die Neugier. Wieder durchzieht er launig die Landschaft, wie zu Beginn der Tour, streift Wäldchen, Hügel und quert Bächlein. Versteckt hinter einer Baumreihe liegt zum See hin ein feuchter Wiesenstreifen, der abermals dicht bedeckt ist mit Blüten, die zum Abend hin verstärkt ihren Duft verströmen. Noch nie probiert, doch jetzt wird sich gebückt trotz müder Beine, und hat sich gelohnt. Sanft und aromatisch, und tausende Blüten vom Wind zusammengefasst sind ein genüssliches Erlebnis.

Auf dem Weizberg Ostgipfel, Alt-Temmen

Kurz ist zu sehen, dass es zwischen dem Großen Krinertsee und dem Düstersee hindurchgeht. Auch am kleinen Badestrand gibt es nochmal Blüten, ebenso am Ufer des Düstersees. Bereits mit Blick auf die Dächer von Temmen wird der krumme Weg von wuchtigen Weiden flankiert, die nahezu in die Waagerechte geborsten sind und schon im vollen Saft stehen.

Direkt vor dem Dorf liegt der Weizberg mit zwei Gipfeln. Die steile Flanek hin zum See erstrahlt im Abendlicht vor unzähligen Blüten – wir müssen einfach noch mal hoch. Es ist kaum zu fassen. Und gut zu wissen für Leute, denen tausend Schritte und fünf Höhenmeter völlig reichen.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
Regionalbahn über Angermünde nach Wilmersdorf, dann weiter mit dem Bus; Regionalbahn über Eberswalde nach Milmersdorf, dann weiter mit dem Bus (jeweils ca. 2-2,5 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): wahlweise über Landstraße (über Milmersdorf) oder Autobahn (über Joachimsthal)(ca. 1,25-1,5 Std.)

Länge der Tour: ca. 18.5 km (Abkürzungen möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Information zu Alt-Temmen

Hofladen Gut Temmen

Kloster Göttschendorf

Artikel über Herrn Kuchinke

Kunsthaus Hohenwalde

Kutsch- und Reitweg Berlin-Usedom

Einkehr: (Bauernstübchen, Alt-Temmen)
Klosterküche, Göttschendorf

Treplin: Der Mühlenpool, die Hundertwundertüte und Tante Magdas Luke

Den schönsten Schneewinter seit langem hat dieser Februar serviert und dann gegen Ende unerwartet eine Konfettibombe dicken Vorfrühlings platzen lassen, die alle Leute auf der Straße für eine knappe Woche hellere Gesichter tragen ließ. Gefühlt waren die fünf Tage zwei Wochen lang und der Frühling also längst schon angekommen.

Im Tal des Mühlenfließes bei Treplin

Alles strömte nach draußen, Leichtigkeit und ein vorübergehendes Vergessen der Situation wurden zelebriert, mit kurzen Hosen, Strohhüten und beschwingtem Schritt. Ein Spaziergang galt nicht mehr als piefig, vielmehr als gelebte Freiheit, und alle Sorten von Menschen begegneten sich außer Haus beim Schritte setzen. Die plötzliche Mützenlosigkeit offenbarte ein regelrechtes Panoptikum notdürftig gezähmter Haarschöpfe nach den langen Zeiten ohne das Friseurhandwerk.

Kastanienallee vor Hohenjesar

In seinen allerletzten Tagen besann sich der Februar, straffte die Gesichtszüge und gab der Realität des Spätwinters die Hauptrolle zurück – auch wenn der März vor der Tür schon leise mit den Füßen trappelte und dies durch tausend Vogelkehlen bekräftigt wurde. Nach unerwartetem Bibbern wurden nochmal dicken Jacken und Handschuhe hervorgeholt, anstelle von Resignation jedoch der Kopf in den Nacken geworfen bei der baldigen Aussicht aufs nächste Kalenderblatt.

Russische Kapelle hinter der Kirche von Hohenjesar

Bei der Planung der passenden Tour für einen Tag zwischen den letzten Frösten und den ersten Bienen rief es auf der Karte von verschiedensten Ecken „Kommt doch zu miiiir!“. Irgendwann hatte sich das Gemüt dann auf die Gegend um Alt Rosenthal und Worin eingependelt. Und rutschte doch immer weiter nach Osten ab, bis schließlich kurz vor der Oder bei Frankfurt alles richtig schien.

Uferpfad am Hohenjesarschen See

Als die Tour schließlich stand und zumindest auf der Karte sehr verheißungsvoll aussah, fiel auf, dass bislang kein Meter davon begangen wurde. Komplettes Neuland ist mit den Jahren selten geworden, so ein reinweißer Fleck durchaus überraschend, und große Neugier war die Folge. Verraten werden darf: es wurde eine exklusive Wundertüte voller schöner Dinge, ganz klar mit dem Zeug zum Klassiker und einem Ruf nach Besuchen zu den anderen Jahreszeiten. Da trifft es sich gut, dass dieser ganz besondere Tag den hundertsten Beitrag hier füllen soll – auf so ein glückliches Zusammentreffen hatte ich leise gehofft, auch wenn die laufende Nummer mit der ersten Doppelnull nur eine Zahl wie alle anderen ist.

Altes Mühlengemäuer unterhalb von Treplin

Treplin

Treplin liegt Luftlinie zehn Kilometer vom Oderstrom entfernt im Lebuser Land, am seitlichen Ausleger eines Seensystems, dass sich zwischen Seelow und der Drahendorfer Spree erstreckt. Diesen Ausleger sieht nur, wer ihn auch sehen will, denn eine nasse Verbindung gibt es in der Tat nicht. Dafür plätschert direkt im Dorf ein richtiger kleiner Dorfbach, wie er häufiger im Sächsischen anzutreffen ist oder dort, wo es eben etwas hügeliger ist. Der hat zwei Ursprünge, schlängelt sich nach dem Zusammentreffen beider Arme nach Herzenslust zwischen den Gärten und Wiesen hindurch und ist mit zunehmendem Gefälle unterwegs ins nächste Tal.

Dorfbach in Treplin

Weiter südlich im Dorf steht die Kirche mit ihrem vergleichsweise neuen Dach auf einer sanften Anhöhe, über ihr lassen große Wolkengebilde nur wenig blau durchscheinen. Auf dem Wirtschaftshof dahinter wartet ein beerenförmiger Erdbeerkiosk mit geschlossenen Augenlidern auf die nahende Saison. Am anderen Ende von Treplin geht es nach dem ersten Bachkontakt und ein paar Minuten Straße bald schon in den Wald, vorbei am Forsthaus sanft hinab ins Tal des Mühlenfließes. Ein paar Forstleute bestücken gut gelaunt die Pritsche ihres kleinen Fahrzeuges. Verwitterte Wegweiser machen neugierig auf Rundwege um den Trepliner See oder zur Mühle.

Kirche von Treplin

Beständig fällt der Weg sanft ab, landet schließlich in einer laubbedeckten Landschaftskerbe. Hier liegt einiges quer, abgestürzte Äste oder ganze dicke Stämme, und ein gewisses Maß Gymnastik ist zu leisten, das gut und gern als Ausdruckstanz durchgehen würde. Unten angekommen liegt in gewisser Breite eine stille Wasserwelt, rechts tönt vom stattlichen Biberdamm ein leises Gurgeln herüber.

Grüner Grund am Dorfrand von Trepllin

Die Grenze zwischen Bruchwald und mäanderndem Bach ist undeutlich, obwohl in dieser Jahreszeit rein gar nichts die Sicht versperrt. Das Wasser liegt mal breit und ruhig, mal kräuselt es in Eile durch eine Enge aus Holz und Steinen, dann wieder gibt es sich verspielt, wählt mehrere Wege zugleich und nutzt die ganze Talsohle aus. Laub und Stämme sind eher noch fahl als klar einer Farbrichtung zuzuordnen. Das unaufgeräumte Waldtal in Verbindung mit den Sonnenstrahlen, die es bis hierher schaffen, lässt an Aufbruch denken, an schöne jahreszeitliche Stimmungen der vorausliegenden Wochen. Bunte Punkte finden sich noch keine am Waldboden, doch das Laub des glänzend lackierten Scharbockskrauts verspricht einen breiten Blütenteppich in absehbarer Zeit. Die letzte Spur der Morgenkälte zwickt ein wenig in den Wangen.

Hohlweg hinab ins Tal des Mühlenfließes

Herrenmühle

Bald erstreckt sich rechts des Weges nasses Grasland, komplett durchtränkt, gleich riesigen Pfützen. Alte Eichen halten in flehender Geste ihre langen Äste darüber, kräftige Stämme liegen weich gebettet und rindenlos und warten auf die nächste Phase ihrer Morschung. Irgendwann reißt der Blickkontakt zum glitzernden Wasser ab, der Bach verkrümelt sich in schilfiges Feuchtland und landet bald schon im Mühlteich der Herrenmühle. Der Weg läuft weiter am Fuße des Hangs entlang, dessen Flanke zum Teil steil aufsteigt, an einer Stelle an einen überwachsenen Burgwall denken lässt.

Mäanderndes Mühlenfließ bei Treplin

Die erste Spur der Nutzung als Mühle ist ein Wehr, das eher zu hören als zu sehen ist. Ein überwachsener Damm lässt einen Pfad durch zu den anderen Teichen, das Wasser fällt vom großen zum kleineren Teich einen knappen halben Meter. Beide liegen noch halb unter Eis. Auch das Hofensemble der Mühle ist zunächst eher zu hören als zu sehen, da ein Hund anschlägt und die nächsten Minuten nicht verstummt. Kein Grund, an den Tafeln des kleinen Lehrpfades vorbeizulaufen, die teils Spannendes über Wasserlauf und Mühle zu berichten haben. Ein genießerischer Blick auf die Hofanlagen ist dann doch nicht drin, da sich die Stimme des Tieres jetzt überschlägt, was man auch von seinem Hin- und Hergerenne sagen könnte. Die Aufgabe wird ganz klar übererfüllt und lässt mit schwerem Schlucken an linderndes Krügerol denken. Schön jedenfalls, als es wieder leise ist im Tal.

Schilder diverse

Ein frischer Wanderwegweiser zeigt nach Lebus, das keine zehn Kilometer entfernt ist. Auch ein Jakobsweg schlägt hier eine Extraschleife, um diese schöne Landschaft mitzunehmen. Kurz darauf kündigt sich voraus ein Landschaftswechsel an, der mit freier Sicht verbunden ist. Erst öffnet sich das Tal nach rechts und geht gehörig in die Breite, großzügig grundiert mit dichtem, winterblondem Schilf. Darüber ist der Himmel nun erheblich blauer, die Sonne trifft öfter die Gesichtshaut und kurbelt damit manches an.

Bruchwald im Talgrund bei der Herrenmühle

Noch bevor auch die Hangflanke zur Linken wiesenoffen wird und sanfter, beginnt eine prachtvolle Allee von Kastanien, die bis ins nächste Dorf reicht, fast einen ganzen Kilometer. Große Bäume und kräftige Stämme mit den typischen Charakterfurchen, und der Weg so ganz leicht mit einem im Tee, nie ganz gerade, einfach zauberhaft. Das muss ein Schauspiel sein im Mai, ein Duft und ein Gesumme.

Mühlteiche der Herrenmühle

Hohenjesar

Der Salomonweg steigt sanft hinauf nach Hohenjesar, das an einigen Stellen nicht ganz klar von Alt Zeschdorf abzugrenzen ist, dem Gegenstück am anderen Ufer dreier Seen. Die Vorgärten liegen so aufgeräumt, wie das für diese Jahreszeit typisch ist, bereit für Rabatten und Blüten und Grünzeug dazwischen. Chrysanthemen und Stiefmütterchen und auch Alium, diesen leicht sphärischen Bommeln am langen Stengel. Auf einer Ecke hält ein betages Häuslein mit letzter Kraft seine Mauern beisammen. Zumindest das Fundament ist für die Ewigkeit gebaut, aus gespaltenen Findlingen und größeren Feldsteinen mit einer lückenlosen Reihe Ziegelsteinen darüber.

Südliches Ende der Kastanienallee

Auf der Wiese direkt davor spielt sich im Stillen ein kleines Spektakel der Sonderklasse ab. Die ganze Wiese ist so voll von Krokussen, dass vom Gras kaum etwas zu sehen ist. Die Krokusse eher so klein wie wilde und trotz Sonne kaum geöffnet, so dass die zeitigen Bienen hier ihre erste Herausforderung finden. So winzig ist die Öffnung ganz an der Spitze, dass es selbst bei den kleinen Wildbienen quietschen dürfte, wenn sie sich da reindrängeln, um beste grüne Energie abzuziehen.

Kastanienallee bei Hohenjesar

Voraus ist die Kirche mit ihren hochliegenden Fenstern zu sehen, eher Lichtscharten. Sie wird sich später als Schlosskirche entpuppen, was auch einige stattliche Pfosten an einer langen Auffahrt erklärt. Auf den ersten Blick scheint das Kirchenschiff nach oben offen, doch in der Tat wurde pragmatisch und wirksam ein pfiffiges Flachdach aus Wellprofilen aufgesetzt, das seine grundlegende Funktion erfüllen sollte. Eine Treppe führt hinauf zum Kirchhof, und die sollte man keinesfalls links liegen lassen.

Krokuswiese vor dem Haus

Wer es bis zum Kirchturm geschafft hat, entdeckt von dort nämlich eine kleine Kapelle, die einem Märchenbuch entsprungen scheint und irgendwie nach Slawen oder Balten aussieht. In der Tat ist ihre Entstehung wenig blumig, doch was sie ein Jahrhundert später ausstrahlt, ist es um so mehr. Hier waren Könner ihres Fachs am Werk. Dem Anschein nach wurden weder ein Nagel noch eine Schraube verwendet, allein Balken und Holzdübel und handwerkliches Können.

Schlosskirche in Hohenjesar

Wer die Umgebindehäuser aus der Oberlausitz und den benachbarten Regionen Tschechiens und Polens kennt, wird sicherlich kurz daran denken. Durch das farbige Fensterglas lässt sich auf Zehenspitzen ein Blick in den Innenraum erhaschen, mit Zitaten an die zurückliegenden Jahreszeiten – Korngarbe und Adventskranz. Draußen beeindruckt das blassgraue Holz, das seit den zurückliegenden Zwanzigern allen Winden und Wettern ausgesetzt war. Wer sich die Zeit nimmt, hat auch am Dach und der Giebelwand so einiges zu kieken.

Russische Kapelle auf dem Kirchhof

Das waren jetzt schon drei große Kaliber – das naturromantische Bachtal mit der Mühle, die herrliche Kastanienallee und die russische Kapelle hinter der Kirche. Für gewöhnlich ist man froh, wenn sich auf einer Tagestour drei solcher sehenswerten Orte aus den Bereichen Natur, Kultur und Wegeschönheit verbinden lassen. Es fällt also beim Verfassen dieses Textes durchaus schwer, den Fuß auf der verbalen Bremse zu lassen.

Bunte Fenster und zurückliegende Jahreszeiten

Von der Kirche führt eine anmutige Straßenkehre hinab auf die Ebene der Seen. Noch ehe die Wasserhöhe erreicht ist, lässt sich über eine urige Stiege direkt zum Ufer abkürzen. Auch diese weite Wasserfläche liegt noch größtenteils unter Eis, das freilich niemanden mehr tragen dürfte, allenfalls besonders zierliche Enten. Zwischen einem breiten Schilfgürtel und dem flachen Wiesenhang beginnt nun ein Uferweg, der nach und nach Fahrt aufnimmt hinsichtlich seiner besonderen Gestalt.

Halbgefrorener Hohenjesarscher See

Zunächst läuft er als leise Trampelspur am Schilf entlang und lässt noch Zweifel offen, ob es überhaupt weitergeht. Eine Weide steht schon unter Saft und konkurriert mit ihrem wogenden Silberschopf gegen das vom Gegenlicht vergoldete Schilf. Nach und nach wird die kleine Flanke steiler und der ufernahe Pfad zu einer Allee, die sich zwischen hochgewachsenen Erlen und auch Pappeln hindurchquetscht. Verengt sich zwischen alten Bäumen zum Slalomkurs und muss Wurzelbuckel übersteigen. Viele der dicken Stämme mit ihrer tief gefurchten Rinde wurden vom Efeu erobert, dessen Stämme teils so dick sind, dass sich darum keine Hand mehr schließen lässt. Trotz Schattenlage fasst sich so ein Stamm warm an, wohl des struppigen Pelzes wegen.

Lichtspiele und Frisuren

Dieser Weg ist kaum länger als eine Drittelstunde, doch allein seinetwegen würde sich die weite Anreise lohnen. Am anderen Ufer ist unter nordischem Wolkenbild Alt Zeschdorf zu sehen, schräg gegenüber die Brücke über den schmalen Damm zwischen den Seeteilen. Im Norden fällt der Blick auf die hanggelegenen Wochenendhäuser und den Zeltplatz. Zwei Enten posieren und poussieren auf dem glitzernden Wasserspiegel – der Frühling ist nah.

Uferpfad bei Hohenjesar

Wer die Abwechslung auch im Kleinen mag, schlägt einen kurzen Bogen durch die Gärten und überwindet dabei ein paar Höhenmeter, der Abstieg kann über eine steile Stiege erfolgen. Zwischen dem Hohenjesarschen See und dem ähnlich großen Aalkasten dürfen Motorlose übers Mühlenfließ, das sich vom Aalkasten bald Richtung Oder wendet und dort auf seinen allerletzten Kilometern noch die Landschaft unterhalb der Lebuser Adonishänge veredelt.

Uferpfad gegenüber von Alt Zeschdorf

An den Wochenendgärten ist noch kaum Betrieb, vielleicht der nachgereichten Kälte wegen. Am Zeltplatz steht beim Seecamp eine Tafel draußen, aufgekreidet stehen Pfannkuchen und Kaffee, doch es sieht nicht aus, als wenn geöffnet wäre. Da die zweite Pause nur ein paar Minuten zurückliegt, gehen wir vernünftig weiter und bereuen es kurz darauf ein bisschen – zum einen wegen des versäumten Genusses, zum anderen wegen der verpassten Chance, etwas Geld hier zu lassen. Beide Probleme haben sich kurz darauf in Luft aufgelöst.

Und nochmal Uferpfad, kurz vor den Hanggärten

Alt Zeschdorf

Im Ort sind nun schon ein paar mehr Bienen unterwegs, vermutlich dank der warmen Hauswände, die auf die Schneeglöckchen und Krokusse in den Vorgärten abstrahlen. Drüben sägt wer was, weiter hinten wird etwas verbrannt. Ein paar Meter voraus sprintet ein Eichhörnchen über die Straße, verschwindet in einem grünen Weg und macht uns neugierig. Leicht abwärts geht es hier zur Badestelle, wo es neben einer großen Wiese auch einen kleinen Strand gibt. Ein breiter Steg ragt in den See hinein und gestattet Blicke übers Wasser und hinüber nach Hohenjesar.

Am Verbinder zum Aalkasten

Auf halber Hanghöhe steht eine Bretterbude, davor plaudern ein paar Leute, wirken eher privat. Doch es gibt ein kleines Kommen und Gehen, und so werden wir wieder neugierig. Beim Näherkommen ist zwischen den Menschen eine Luke zu sehen, drin sitzt eine Frau mit freundlichem Gesicht – und erneut sieht es nach Kinderbuchillustration aus. Wahrhaftig hat hier Tante Magdas Imbiss offen, und das schon den ganzen Winter über, so gut wie jeden Tag. Selbst bei minus sechzehn Grad. Die Kundschaft freut es sehr. Und uns nicht minder, denn eine Einkehr am Weg ist immer am schönsten.

Am Badeplatz in Alt Zeschdorf

Tante Magdas Imbiss

Nach kurzem Plausch mit einem Stammkunden aus dem Dorf wird schnell klar, dass hinter der Scheibe eine gute Seele des Dorfes werkelt. Nach diversen Bestellungen und etwas Geplauder mit der Dame selbst weiß ich, dass sie vom Südrand Polens kommt und hier mit kleiner, feiner Karte eine ansprechende internationale Mischung auf die Teller bringt – polnische Piroggen und Gemüsesuppe, ungarisches Goulasch, dazu Knödelscheiben als Gruß aus Böhmen. Gar nicht zu reden von den süßen Sachen, doch die müssen bis zum nächsten Mal warten. Die Frage, ob wir nach der Suppe wirklich jeder noch eine ganze Portion Goulasch wollen, war nicht unberechtigt. So bleibt für Feines zum Kaffee am Ende wirklich kein Platz mehr.

Frisch geworfenes Lämmchen

Nach mehreren Pendelgängen zwischen Kiosk und Strandbank reißen wir uns los und sind froher also sonst, dass noch ein gutes Stück Weg übrig ist, um schon mal erste Energieeinheiten abzubauen. Von Alt Zeschdorf hinüber nach Hohenjesar führt ebenfalls ein schmaler Damm, der die zwei Teile des Hohenjesarschen Sees ansprechend tailliert. Links am Hang stehen Schafe, dazwischen liegt noch etwas wacklig ein blütenweißes, wolliges Lämmchen, das gerade so alt sein wird, dass die Wolle nicht mehr pappt und die luftgefüllten Locken wärmen können.

Damm zwischen den Seen und den Dörfern

Im kleinen Park werden gerade die Bäume von morschem Geäst befreit, gegenüber sind allerhand Pferde unterwegs. Ein Pfad verlockt in den Rundweg um den Schlosssee, eröffnet wird mit einer enorm dicken Buche. Gleich daneben ist nun endgültig erkennbar, dass der Doppelort ein beliebtes Urlaubsziel sein dürfte, den alle Welt vielleicht längst kennt. Hinter einer Reithalle erstrecken sich elegant in blau gehaltene Stallungen und Arkaden an der Stelle, wo vormals wohl ein Schloss stand. Hier erklärt sich jetzt auch die Auffahrt mit den Pfosten von vorhin, welche das Areal der Hufe direkt mit dem der Kirche verbindet.

Rückblick auf Hohenjesar

Direkt an die Stallungen grenzt ein einladendes Ausflugslokal, gegenüber liegt ein Strändchen. Kurz hinter der Kirche drehen wir ab zum westlichen Dorfrand, von dem sich nochmals ein schönes Dorfbild mit Kirche bietet. Der restliche Weg verlangt nur wenig Konzentration und verläuft anfangs oberhalb der schönen Kastanienallee. Doch erst müssen wir noch einer grölenden Horde Drachen entkommen, die ein weitläufiges Areal von Viehställen bewachen.

Die Wipfel der Kastanienallee vom oberen Weg aus gesehen

Sie kommen in Gestalt dreier muskelbepackter Riesenköter daher, bei denen auf jegliche Art von Fell verzichtet wurde, teils auch auf Farbe, und die äußerlich restlos frei sind von Lieblichkeit. Die einzige Grenze zwischen der Drachenmeute und uns ist ein zweidrahtiger Weidezaun unter Strom, nicht höher als die Stirn des kleinsten der Fabelwesen und nicht dicker als ein Streichholz. Also eher eine sehr theoretische Barriere. Bestärkt von rationalen Argumenten, die wir uns in gedämpftem Tonfall glaubhaft zuraunen, stehlen wir uns im größtmöglichen Abstand an der lärmenden Horde vorbei. Und bleiben ungeschoren. Selten war eingekehrte Ruhe so schön.

Buschiger Weg gen Wald und Mühltal

Um so wohltuender ist nun der meditative Weg zwischen Busch- und Baumwerk, der ganz leicht abwärts führt, die Schritte von selbst geschehen lässt. Kurz nach dem verlockenden Abzweig zur Herrenmühle lässt sich vor dem Waldstück auf die Wiese abzweigen, zuletzt über ein paar bucklige Meter Pfad zum Hohlweg hinab ins Bachtal queren. Gen Norden werden die Reststoppeln der abgemähten Kornfelder von der tiefen Sonne nahezu plüschig beleuchtet.

Kurz vor dem Abstieg in den Wald

Nach etwas Fichtenwald erreichen wir den Talgrund und sehen, wie sich das Wasser im nassen Stoppelland breitmacht. Das späte Licht lässt die prall gefüllten Pollen-Würmchen der Birken erglühen. Kurz vor Schluss wird jetzt noch ein weiterer besonderer Ort hinzugefügt, als wir die zerfallenen Gemäuer der Mühle erreichen, die deren Grundriss anschaulich wiedergeben.

Gekämmte Stoppelfelder

Das Wasser flutet nach einem meterhohen Sturz einen der einstigen Mühlenräume zum steingefassten Schwimmbecken und liegt kurz darauf schon wieder spiegelglatt, als wäre nichts gewesen. Das zottige Gras der Ufer reicht hoch bis zum Rastpavillon und wird gegen Ende der Dämmerung sicherlich ein Eigenleben entwickeln. Hochromantisch ist es hier und etwas mystisch, ein flüchtiger Gedanke an Caspar, David und auch Friedrich flackert auf. Das ist jetzt so eine Situation zum Zeiteinfrieren, zum Festhalten des Moments, damit der Tag nur nicht zu Ende geht.

Am alten Mühlgemäuer bei Treplin

Doch mit einem Mal wird es belebt hier unten. Es ist ja auch eine zauberhafte Zeit, wenn der Tag ausatmet, die Luft im Tal spürbar kühler wird und das letzte Licht in den Baumwipfeln immer höher wandert. Einige Vater-Kind-Gespanne nutzen die Zeit nach dem Abendbrot zum kurzen Ausschwärmen vor der Gutenachtgeschichte, ein Pferd wird nochmal ruhig durchbewegt und zwei verhuschte Radfahrer erreichen ihr Ziel wohl später als gedacht.

Der Trepliner Dorfbach auf dem Weg ins Mühltal

Den Weg hinauf ins Dorf begleiten die verspielten Windungen des Dorfbaches, mal erdig in einer Furche, mal flach in der Wiese oder hübsch steinig inszeniert in einem Garten. Eine eilige Katze sieht zu, dass sie noch einen warmen Ofenplatz abfasst, denn es wird schneller kühl jetzt, auch hier oben. Die Abendamsel empfängt uns mit dem schönsten Lied des Frühlings, die Kirche legt fünf ruhige Schläge dahinter. Auch dieser Tag, er ist schon jetzt Legende.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
Regionalbahn nach Frankfurt/Oder, von dort mit dem Bus (ca. 1,25-1,45 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über Land auf B1/B5 (ca.1,5-1,75 Std.)

Länge der Tour: ca. 16 km (Abkürzunge vielfach möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Information zu Treplin

Information Hohenjesar/Alt Zeschdorf

MOZ-Artikel zur Russischen Kapelle

Zeitungsartikel zu Tante Magdas Imbiss

Einkehrmöglichkeiten: Tante Magdas Imbiss, an der Badewiese in Alt Zeschdorf
Seecamp am Oderbruch, am Zeltplatz nördlich von Alt Zeschdorf
Gaststätte Am Seeberg, Hohenjesar
Gaststätte Glück auf, Treplin

Grobskizziert – Menz: Holzlaufbahnen, ein Fjord in Weiß und die beweglichen Antworten

Seit Ende Januar schon laufen Erlebniswochen, wie es im Marketing heißen würde – ein richtiger Winter liegt über dem Land, mit viel weißem Schnee und ohne böse Extreme, mal abgesehen von den üblichen Gewöhnungsproblemen für alle Verkehrsteilnehmer und moderne Fahrzeuge mit viel sensibler Elektronik.

Talgrund östlich von Menz

Pünktlich zum Vorabend der Winterferien begann mit bedächtig herabsinkenden Flocken dieses prächtige Schauspiel und verteilte behutsam Balsam auf den wunden Seelen der meisten Leute. Wieder sah man Familien bei gemeinsamen, fast komplett analogen Aktivitäten wie Schneemannbau, Schlittenfahren oder schlichtweg gemeinsamer Winterspazier. Die unschuldige Schönheit und auch die Seltenheit lang währenden, reinweißen Schnees ist Anreiz genug für solche stille Übereinkunft der Altersgruppen, gemeinsame Freude unter freiem Himmel eine Zeitlang aller Peinlichkeit beraubt.

Friedensplatz in Menz

Endlich können auch die richtig dicken Wintersachen aus selten besuchten Schranktiefen geborgen werden, und so sehen viele Leute aus wie Schlafsäcke mit Beinen oder Inuit auf dem Weg zum Walfang und geben dieser ganz eigenen Art des Laufstegs einen letzten Schliff, bei dem ein schlankes Erscheinungsbild keinerlei Rolle spielt. Selbst der kindlich-liebenswerte Fäustling, sonst in den Innenstadtlagen eher belächelt, wird selbstbewusst an alle Größen von Händen gesteckt und darf gern auch besonders bunt sein.

Brücklein über den Wentowkanal

Noch immer sollen die eigenen vier Wände nur aus gutem Grund und mit Gesichtsmaske im Gepäck verlassen werden, in der Entfernung zum Wohnort gibt es hingegen keine Einschränkung mehr. Wer also die Menschenleere beim Bewegen unter freiem Himmel sucht, tut das in besonders einsamer Gegend und kann gut damit leben, dass es nicht ganz so spektakulär zugeht.

Roofenhütte

Wer hingegen endlich wieder ein klassisches Touristenziel vom Kaliber Spreewald, Rheinsberg oder Stechlinsee besuchen möchte, sollte etwas Entlegenes mit eher verschachtelter Anreise wählen bzw. etwas, das in der Peripherie eines der großen Klassiker liegt und ähnlich viel zu bieten hat.

Badestelle am Roofensee

Im Spreewald könnte das der weitläufige Unterspreewald sein oder die Region zwischen Burg und Vetschau, bei Rheinsberg das zauberhafte Lindow oder vielleicht die seenreiche Gegend um Zechliner Hütte. Beim Stechlin ist es eigentlich recht einfach, denn auf dem Weg dorthin kommt man in den meisten Fällen durch das Dörfchen Menz, dessen Ortsbild ähnlich reizvoll ist wie das von Neuglobsow. Auch hat der fjordartig gewundene Roofensee einige Uferpassagen zu bieten, von denen der Stechlin nur träumen kann, und wenn er noch so schön und einzigartig und besungen ist.

Plankenweg Grubitzwisch

Menz

Das Dorf liegt auf einem flachen Buckel zwischen dem Ostende des Roofensees und einem hinreißend schönen Talgrund, den ein Bachlauf prägte. In der Mitte plätschert dessen Wasser in Richtung Havel, die unweit des Ziegeleiparks Mildenberg erreicht wird. Vom anderen Dorfrand schon zu sehen und in wenigen Minuten erreicht ist die großzügig angelegte Badestelle am See. Das glasklare Wasser kann mit dem des Stechlin gut mithalten, auch wenn der Roofensee lange nicht so tief ist wie sein berühmter Nachbar.

Zugefrorener Roofensee

Wenn man jedoch seine schmale Linie bedenkt und sich die Fortsetzung der steilen Uferhänge unter Wasser vorstellt, ergibt sich eine beachtliche Tiefe, welche wohl die allerwenigsten Wald- und Wiesentaucher entspannt erreichen dürften. Rechts des Strandes erhebt sich durchaus wahrnehmbar der bewaldete Hausberg mit einem überwachsenen Ringwall und bietet unterhalb seiner Flanke die Option, zum und vom Strand nicht denselben Weg nehmen zu müssen.

An der Schleusenwiese

Um den offenen Dorfplatz, von dem man bereits die Kirche sehen kann, reihen sich allerhand schöne Häuser, oft mit Fachwerk. Darunter ist auch das Naturparkhaus Stechlin. Hier wird allerlei Zeitvertreib angeboten, sei es zum Aufwärmen, nach der Tour oder als Schlechtwetteroption. In normalen Zeiten gibt es auch Gastronomie im Menz, und so ist die weite Anreise an und für sich schon lohnend, selbst wenn man das Ortsgebiet nicht nennenswert verlassen möchte.

Am Nordufer des Roofensees

Themenrundweg „Von Moor zu Moor“

Ein sehr einnehmender Teil des Naturparkhauses, der nicht im staketumzäunten Areal liegt, ist der bezaubernde Rundweg „Von Moor zu Moor“, der im Prinzip den klassischen Rundweg um den Roofensee kunstvoll und mit gutem Gespür für das rechte Maß aufbohrt. Zwar ist absolut nichts einzuwenden gegen den beliebten ufernahen Zweistünder um den See, er zählt mit seinen steilen Waldflanken und dem verspielten und teils sehr schmalen Pfad am südlichen Ufer ganz klar zu den besonderen Seerunden in Brandenburg.

Stiege hinab zum Kesselmoor

Doch wenn ein Thema – in diesem Fall das Moor – so liebevoll umgesetzt wird und sich tatsächlich an mehr als zwei Ecken der Tour wiederfindet, dann macht das wirklich Spaß und belohnt für manches Geschnaufe beim häufigen Rauf und Runter zwischen den Stationen. Charmant ist neben dem gelungenen Logo übrigens auch die Wegweisung mit dem roten Dreieck, das in immer wieder neuen Varianten erscheint.

Am Großen Barschsee

Manchmal führt es auch in eine kleine Sackgasse, wo eine weitere Station oder ein schöner Rastplatz warten. Doch aus kleinen Verlaufereien erwachsen ja oft die schönsten Entdeckungen, und der Weg zurück ist niemals länger als zwei Minuten. Am Ende der Tour weiß man dann, wie die Wegweisung zu handhaben ist – um es bis zum nächsten Mal wieder zu vergessen.

Der überfrorene Wentowkanal

Bei dieser Tour gibt es also zwischen den Wegen und Pfaden aller Größenordnungen, die teils von skandinavischem Gepräge sind, gut verteilt immer wieder Bruchwälder oder –wiesen und natürlich eine ganze Reihe kleiner bis kleinster Moore, die jeweils mit einem Stück Plankensteg und robuster interaktiver Informationsmechanik bedacht wurden. Und so ein Stückchen Bretterweg zwischendurch ist immer ansprechend. Keines der Moore gleicht dem anderen, sei es nun von der Erscheinungsform oder der umgebenden Topographie.

Plattform an der Schleusenwiese

Bei der Umsetzung der einzelnen Stationen hatten Zimmerleute und Metallbauer, Naturkenner und Touristiker Spaß und in diesem Zusammenhang wohl auch ein angemessenes Budget zur Verfügung, so dass alles Verbaute nicht nur visuell und haptisch ansprechend, sondern auch von großer Haltbarkeit ist. Erfolgreich wird neugierig gemacht, und wer was wissen will, muss zumindest die Hände aus den Taschen nehmen und etwas in Bewegung setzen, um eine Antwort zu erhalten.

Brücklein über den Wentowkanal

Wer Lust auf ein Stündchen mehr hat und der Besuchermenge an Wochenendtagen etwas ausweichen möchte, kann vorher noch einen Bogen nach Westen schlagen, sich durch den Wald zum erwähnten Talgrund treiben lassen und dann an dessen südlichem Rand zurück nach Menz spazieren. Beim Erreichen des ersten Hauses fällt dann die leicht erhöhte Lage des Dorfes auf. Ganz im Osten des Bogens ist übrigens etwas Interpretationsbereitschaft gefragt, denn einige der Wege sind ein wenig zugefallen.

Am Südufer des Roofensees

Zur Wahl stünde für Familien übrigens auch ein knapp einstündiges Minimalprogramm mit Bergumrundung, -besteigung und –überquerung sowie anschließendem Strandbesuch, das auch für kurze Beine gut passen sollte. Auf dem Gipfel des Wallberges gibt es eine Rasthütte, an der Badestelle flaches Einstiegswasser und unterwegs viel zu entdecken.

Wallberg bei Menz

Wem auch das noch zu aufreibend klingt, der geht vom Friedensplatz in Richtung Wallberg, überquert die Seestraße und setzt sich achtzig Meter später links auf die Bank, von der sich all das schön aus naher Ferne betrachten lässt. Und lauscht dort ganz in Ruhe dem, was die Jahreszeit gerade so zu bieten hat.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
von Berlin-Gesundbrunnen über Gransee nach Menz (ca. 1,5-1,75 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über Land (verschiedene Varianten)(ca. 1,5-1,75 Std.)

Länge der Tour: ca. 18 km (blau, Abkürzungen vielfach möglich; zur Vermeidung verwachsener Wege von Wegpunkt 7 direkt zu 12);
Berg-Strand-Tour für kurze Beine (grün, ca. 2 km)


Download der Wegpunkte
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Links:

Naturparkhaus Stechlin in Menz

Faltblatt „Von Moor zu Moor“ (PDF)

Rundweg Wallberg

Einkehr:

Künstlerhof Roofensee (Berliner Str., schräg ggbr. der Kirche)

Grobskizziert – Werbellin: Stille Burg, Ochsenkarren und die Schöpfung in Schwarzweiß

Der Dezember hat sich wie in jedem Jahr wieder die Adventskleider übergeworfen. Doch in diesem Jahr wollen Sie nicht recht passen, auch wenn alle Beteiligten wirklich ihr Bestes geben und möglich machen, was eben geht. Dazu zählen füchsische Listen, ferner die Spielweiten der Interpretation von Vorgegebenem sowie das maximale Eindampfen von weihnachtlichem Marktgeschehen auf Minibude, Becher und Pappe, was dankbar angenommen wird.

Weg über der Buckowseerinne

In der Großstadt wird solches naturgemäß schnell überreizt und erledigt sich damit selbst, auf dem Lande hingegen macht es winzige Episoden echter Adventsstimmung möglich, die herzwärmend aufzeigen, wie wenig eigentlich nötig ist. Davon abgesehen ergeben sich in vielen Treppenhäusern der Großstadt, wo sonst kaum einer den anderen kennt, kleine Begebenheiten echter Weihnachtlichkeit, die man nur wahrnehmen muss.

Bei Margarethenhof

Ansonsten wissen sich viele Menschen selbst zu helfen und vertagen Glühwein und Heißes vom Grill in den eigenen Garten, sodass das würzige Getränk eine Zeitlang die Begehrenskategorie von Nudeln und Klopapier erlangt und mancher Feuerkorb noch mal aus der Winterruhe gerissen wird. Jeder macht irgendwie das Beste draus, und manche alte Gewohnheit muss in diesem Jahr komplett umgekrempelt werden. Womöglich wird das nachwirken und in einem guten Sinn Auswirkungen auf weihnachtliche Reisegeschehen künftiger Jahre haben.

Hinter Werbellin

Ansonsten gelten ähnliche Regeln wie im Frühling, die jedoch entgegen der Erwartung keinesfalls leichter von der Hand gehen – wo man sie doch schon kennt. Vielleicht hat das in gewissem Maße mit der Jahreszeit zu tun, die ja im Frühling für viele Menschen ein Aufatmen bedeutet, im Winter dagegen eher ein Kopfsenken. Zum Regularium zählt also auch wieder, die eigene Höhle nur mit gutem Grund zu verlassen. Bewegung im Freien zählt dazu, sodass zum Ausschwärmen nach Brandenburg keine spitzfindige Grauzone betreten werden muss, wenn man denn betont einsame Gegenden durchstreift. Und die gibt es in fast allen Winkeln von Brandenburg, was kein Geheimnis ist.

Zwischen Autobahn und Margarethenhof

Werbellin

Zwischen Eberswalde und Joachimsthal fährt ein Bus, der etwa auf der Mitte auch in Werbellin hält, einem hübschen Dörfchen, zu dem das Dauerrauschen der Autobahn gehört. Dieses wird vom Wind mal betont, mal lässt es sich fast vergessen. Entsprechend der naheliegenden Vermutung ist es von hier nicht weit zum allseits bekannten Werbellinsee, dessen Uferlinie in einer guten halben Stunde erreicht ist, der schöne Seeort Altenhof nur wenig später.

Landschaft bei Margarethenhof

Ein wahres Kleinod unter den märkischen Landschaften liegt jenseits der Autobahn und blieb vielleicht eben deswegen weitgehend unbekannt – für viele Ausflügler ist die Nähe der dauerlauten Piste ein Ausschlusskriterium. In der naturgeschützten Buckowseerinne liegen zwei der schönsten Wegekilometer, die das Bundesland zu bieten hat. Große Worte, dessen bin ich mir bewusst. Und würde sie sofort wieder schreiben, ohne den kleinsten Gewissenszwack.

Schaukel-Eiche bei Margarethenhof

NSG Buckowseerinne

Was die Eiszeit hier modelliert hat, ist so anmutig und zugleich leicht archaisch, bezaubernd und von wildem Relief, hat fast etwas Nostalgisches. Wenn die Landschaft auf einmal schwarzweiß oder sepiagetönt wäre und einem behäbige Fuhrwerke mit vorgespannten Ochsen entgegenkämen oder Schnitter mit gewaltigen Garben frischen Strohs auf dem Rücken, so richtig staunen müsste man nicht.

Weg über der Buckowseerinne

Die Landschaft mit ihren vielen Weihern ist blickesweit leicht geschwungen, was man schon zu Beginn in den Waden spürt – es kommen viele kleine Päckchen von Höhenmetern zusammen, ganz egal, ob man nun die dreistündige Rundwanderung nimmt, die unten zu sehende Vollversion oder den zweistündigen Schöpfungspfad, der trotz seiner Kürze keine von den feinsten Pralinen dieser Landschaft weglässt.

Weiher der Buckowseerinne

Darüber hinaus wird der Schöpfungspfad von durchweg lesenswerten Tafeln begleitet, deren Zeilen insbesondere in diesem Jahr trostspendend und aufbauend sein können, ohne dabei spürbar zu frömmeln. Keine großen Textblöcke, sondern eher das gute Maß einer Minute. Und danach jeweils ein schönes Stück Stoff im Gedankenwerk für Plaudern oder Schweigen bis zur nächsten Tafel. Das Ganze ist wirklich sehr gelungen.

Treffen bei Tag und Nebel

Der Rahmen also lässt sich beliebig groß anlegen. Der Schöpfungspfad entfernt sich nicht nennenswert von der Buckowseerinne, der Rundwanderweg nimmt noch die Dörfchen Buckow und Werbellin dazu und auch ein Stück vom Großen Buckowsee. Die große Variante hier schlägt noch den Bogen über Lichterfelde und tingelt hinterm Dorf auf herrlich weiten Wiesenwegen zur nächsten Wohnsiedlung.

Diese nun zählt kurioserweise zur Stadt Eberswalde und wurde nach Clara Zetkin benannt ist, welche viele wohl eher vom vorvorletzten Zehn-Mark-Schein kennen denn als Frauenrechtlerin und Friedensaktivistin. In Sachen Wasser kommt dort noch der breite Oder-Havel-Kanal ins Spiel, der trotz seiner autobahnähnlichen Eigenschaften durchaus eindrücklich ist, zumal der ganze Tag schon fahl und etwas mystisch unter Frost und Nebel liegt und die lange Weite des Wasserbandes unscharf beschneidet.

Weg an der Buckowseerinne

Hinter den letzten Häusern von Karlshöhe geht es noch ein Stück höher, dann rasch hinab zum Großen Buckowsee, dessen steile Uferhänge von Buchen bestanden sind und damit an märkische Seenklassiker wie Wutzsee, Liepnitzsee oder das benachbarte Großkaliber des Werbellin denken lassen. Wo dieser von Sagen umwoben, ist der Große Buckowsee heute von Winternebel gedämpft und überdeckt, sodass sich der Autobahn-Rastplatz über dem jenseitigen Ufer nicht mal erahnen lässt. Die Enten treiben drüben ihre Schabernacke, ein Graureiher zieht in diesem elchganggleichen Flugstil übers Wasser, die Brust der Stirn stets leicht voraus. Die Krähen, welche klagend die Jahreszeit für sich beanspruchen, sind zu hören nur, doch nicht zu sehen.

Stiller Zaungast in Lichterfelde

An der Ostbucht umrundet ein Pfad historische Gemäuer einer Mühle mit ein paar eingekreisten Bungalows, bevor am Kanzelberg noch einmal die Landschaft von vorhin in die Wiesenhügel locken will. Was uns betrifft ist es dafür zu spät, denn die Sonne hat sich schon verabschiedet und die halbstündige Lichtreserve läuft heute trotz oder wegen des Nebels besonders schnell ab.

Hinterm Dorf, bei Lichterfelde

Nach der Autobahnunterführung liegt rechts das Irrenhaus, was mit lockerem Blickwinkel irgendwie gut zum Schöpfungspfad da drüben passt – gelten doch die sogenannten Irren oft als die einzigen Normalen. Hier jedoch handelt es sich um einen Ort, wo man durch und durch freiwillig einkehren, übernachten oder Feste begehen kann, wobei unter anderem Ritter, Schneiderscheren und Pferde eine Rolle spielen.

Oder-Havel-Kanal

Werbellin

Vorhin war von echten Weihnachtsmomenten im Treppenhaus die Rede. In Werbellin gab es dann auch noch so einen Moment, gänzlich unerwartet, mit voller Wucht und einem Bild fürs Langzeitgedächtnis. In der Mitte des Dorfes steht ein Kirchlein von ungewöhnlicher Form, was schon beim Grundriss anfängt und sich in der burgähnlichen Gestalt des hochkanten Gebäudes fortsetzt. Am kleinen Turm gibt es sogar einen holzverkleideten Rundgang, und in das Kirchenschiffchen geht man um drei Ecken.

Am Großen Buckowsee

Das Innere ist urig und fast wohnlich, mit viel Holz und Malerei, der Altarraum wurde erleuchtet von einem wunderbaren Weihnachtsbaum, der so warm schien, als stünden echte Kerzen drauf. Links war für den Heiligen Abend und die Weihnachtstage die Krippe vorbereitet, Schafe und Strohballen warteten in der Stille dieses Raumes auf den alljährlichen Einsatz vor kleinstem oder keinem Publikum. Ein Echo dieses Bildes gibt übrigens – an jedem Tages des Jahres – das Fenster direkt darüber: es zeigt das brotlaibgroße Jesuskind in seiner Krippe, umgeben von beiden Eltern.

Fingerübung zum Pulssenken, am Großen Buckowsee bei Werbellin

Dorfkirche Werbellin

Die Kirche im sogenannten Landstil ist als sogenannte Autobahnkirche tagsüber offen. Und auch wenn sie neben dieser nüchternen Bezeichnung noch einen richtigen Namen verdient hätte, vielleicht St. Brausius, wird einem dadurch doch die zugleich kuriose und sinnvolle Bedeutung solcher Kirchen gegenwärtig, die ja insbesondere diesem Jahr innewohnt, wenn auch zwangsweise: mal das Tempo rausnehmen, wenigstens kurz. Einen Augenblick analog und nur vor Ort sein, nichts beweisen und darstellen müssen. Einfach in die Bank sinken, die Schultern folgen lassen und in der Stille auf den Puls horchen, bis dessen Frequenz der des Atmens entgegenkommt. Es kann eine kleine Kur sein, ganz gleich ob man sich als religiös oder als strenggläubigen Atheisten sieht.

In der Kirche Werbellin

Wer dann hinaustritt, atmet tiefer durch, sieht vielleicht ein wenig klarer und hört sogar die weit entfernten Scharen der Zugvögel, die noch immer abwägen zwischen Aufbruch oder Bleiben.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
Bahn bis Eberswalde, dann Bus in Richtung Joachimsthal (1,75-2 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über Autobahn oder Landstraße (0,75-1 Std.)

Länge der Tour: 18 km (Abkürzungen mehrfach möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Rundwanderung NSG Buckowseerinne

Infomation zum Schöpfungspfad

Autobahnkirche Werbellin

Einkehr: Irrenhaus, Werbellin
Omas Speisekammer, Lichterfeld

Stadtrandtour Wannsee – Blattgoldrausch, Inselkapellen und ein Raum für Sehnsucht

Wenn dieses verquaste Jahr irgendetwas besonders gut kann, dann ist es Herbst. Für gute Laune reicht das nicht bei jedem, dennoch zieht es viele Menschen ins Freie, mehr als sonst üblich. Und in der Tat geht es besonders golden zu, sei es nun auf dem Lande oder mitten in der Stadt oder auch dazwischen. Novemberwetter gab es diesmal eher im Oktober, und das reichliche Gold im November lässt einen Tauschhandel vermuten, der vielleicht taktisch ausgeklügelter ist als man meinen sollte. Denn es gilt, die allgemeine Trübnesse etwas aufzuhellen.

Goldener Teppich am Griebnitzsee

Trüb ist dieser November also weniger vom Wetter her, vielmehr ist er trüb für alle Häuser, bei denen eine Bühne oder eine Küche im Zentrum steht. Die Türen müssen zu bleiben und Optionen zur Vermeidung des völligen Stillstands verlangen nicht nur Phantasie, sondern auch noch irgendetwas in der Hinterhand. Und am besten etwas Platz unter freiem Himmel. Wer also noch entsprechende Reserven hat, etwas aus dem Ärmel zu zaubern oder aus dem Boden zu stampfen, kann meistenteils auf dankbare Gesichter und etwas weiter geöffnete Portemonnaies hoffen. Passend dazu hat die zentrale Tourismusstelle des Landes Brandenburg eine Webseite auf die Beine gestellt, wo sich herausfinden lässt, wer zum Beispiel Essen zum Mitnehmen anbietet.

Ungewöhnlicher Potsdam-Blick vom Berliner Gipfel

Ganz unabhängig von all dem macht das Tageslicht sein Ding und bietet der Natur damit eine verlässliche Größe. Grün wird zu bunt, herabgefallen dann zu leuchtend. Farbakzente liefert nur der Zufall hier und da. Es duftet nach Eicheln, nach Pappellaub und Pilzen, nach werdender und währender Erde. Pilzsammler kamen überraschend, weil später als gewohnt auf ihre Kosten und konnten schließlich noch gut gefüllte Körbe durchs Unterholz schleppen. Etwas höher im Wald wird es immer stiller, obwohl zwischen dem Gekrächze der schwarzen Einsilbigen nach wie vor dieses niedliche Finkengezwitscher zu vernehmen ist, manchmal auch schon ein paar frühe Wintermeisen.

Versammelte Sehnsuchten

Wannsee

Rund um Potsdam lassen sich, das ist nichts Neues, herrliche und besondere Tage verbringen. Viel Wasser und lebhafte Uferverläufe gibt es hier, Hügelländer voller Wald und dazwischen unzählige Accessoires für Historienfilme, so dicht gesät wie selten irgendwo im Lande. Noch dazu sind diese großen und kleineren Bauwerke meist in herrschaftliche Parkanlagen gefasst, die jeweils für sich schon als Tagesziel taugen.

Abendliche Wannsee-Ausfahrt

Wem nun selbst Potsdam zu weit weg ist, der findet all das bereits auf einer großen Insel, noch auf Berliner Stadtgebiet. Der Inselwerdung wurde einst von Menschenhand etwas nachgeholfen, nichtsdestotrotz gibt es nur eine Handvoll Brücken, auf denen sich die Insel Wannsee trockenen Fußes verlassen lässt.

Pergola-Gang an der Bismarckstraße in Wannsee

Der Uferweg vom Wannseer Hafen vorbei an der Pfaueninsel zur Glienicker Brücke ist quasi ein Klassiker, nicht zuletzt deswegen, weil sich die Tour an mehreren Stellen per Bus verkürzen lässt. Falls der Bus gerade weg ist, geht man einfach ins jeweilige Wirtshaus und lässt dort vielleicht gleich noch den nächsten Bus fahren.

Auch recht bekannt ist das bezaubernde Wege-Pendant am Südufer. Auch wenn hier die Ausflugsziele nicht Schlag auf Schlag folgen, sorgen die verspielte Uferlinie und der Verlauf dicht am Ufer für gutgehend Betrieb, nicht nur an sonnigen Tagen. Neonbunte Laufschuhe wollen amortisiert sein, Hunde ausgeleert oder Gedanken freigelassen. Will man nun die Insel einen ganzen Tag durchstreifen und trotzdem nicht zu viele Menschen treffen, ist auch das möglich – dank einem dichten Wege- und Pfadenetz.

Taille vom Kleinen Wannsee zum Pohlesee

Bhf. Wannsee

Vom Bahnhof ist es nur ein Katzensprung zum Gasthaus und Biergarten Loretta mit einem der schönsten Blicke auf den Wannsee. Auf der anderen Seite der Königsstraße kommt man durch einen kleinen Park zur Bismarckstraße, ein paar Minuten später schon zum ersten Kulturbeitrag am Weg: in einem kleinen Stückchen Grün oberhalb des Kleinen Wannsees steht das Kleistgrab mit seinem korpulenten Stein. Hier liegt der Dramatiker neben seiner Freundin Henriette Vogel, mutmaßlich an der Stelle, wo sich beide gemeinsam und wohlüberlegt von dieser Welt verabschiedeten.

Uferweg am Griebnitz-Kanal

Entlang der kleinen Pflasterstraße gibt es teure Anwesen, auch schöne und geschmackvolle, jeweils entsprechend die Gärten. Manche sind zugeknöpft, andere wirken historisch wertvoll und einige sind regelrecht verspielt. Im Gedächtnis bleibt ein langer Pergola-Gang aus rotem Gebälk, auf dem sich ein dichtes Dach aus Glyzinien räkelt. Hier und da blitzt unten die Wasserfläche durch.

Blick auf die Marina am Pohlesee und Turm auf dem Schäferberg

Unvermittelt endet die Straße am Wald und lässt die Auswahl zwischen zwei Wegen. Wer Muße hat oder ans Wasser will, geht rechts und kommt durch leuchtendgelben Laubwald bald zur Seentaille, wo der Kleine Wannsee zum Pohlesee wird. Neben vielen kleinen Stränden gibt es schöne Blicke hinüber zur Marina, edlen Bootshaus-Ensembles oder den Türmen auf dem Schäferberg. Die Topographie des Uferwaldes erinnert durchaus an namhafte Seekaliber wie den Wutzsee bei Lindow oder das schöne Geschwisterpaar von Liepnitz- und Hellsee.

Am Stölpchensee

Vor der Brücke zum Stölpchensee wird der Weg zum Kanal hin schmaler, dahinter steigt er etwas höher übers Ufer und gibt den Blick frei auf einen markanten Kirchturm. Der sieht irgendwie nach Schinkel oder Schülerschaft aus, der fehlende Turmspitz lässt sich von vier kleinen Eckzacken vertreten. Der Wald wird jünger und dichter, der Laubteppich zunehmend lückenlos. Bald darauf wiederholt sich am Ende des Sees die Geschichte mit dem Kanal und der Brücke, und jetzt endlich wechseln wir hinüber auf die Insel, die den restlichen Tag superb gestalten wird.

Am Ufer des Griebnitzsees

Hubertusbrücke

Drüben liegt unterhalb der Brücke ein herrlicher Biergarten, darin sehr einladend die hölzerne Hubertusbaude. Dass hier keinerlei Bewegung ist, liegt nicht an der Virenproblematik – die Anlage ist seit einigen Jahren geschlossen und sucht einen neuen Besitzer. Der sich hoffentlich finden wird, für diesen schönen Ort direkt am Griebnitzkanal.

Selten gesehenes Panorama über Potsdam

Am Ufer des gleichnamigen Sees kommt die Sonne heraus und adelt das Goldbraun, das Wege und Hänge bedeckt. So lückenlos ist der waldweite Teppich, dass der kleine Pfad kaum zu erkennen ist, der den Aufstieg auf den Moritzberg einläutet. Rutschig ist das Laub, sodass die ersten steilen Meter nicht nur auf den Füßen zurückgelegt werden. Schließlich greifen die Sohlen wieder, der Gang bleibt aufrecht. Das passt gut, denn wir renken uns die Blicke aus nach den fünfzig Kranichen, die direkt über uns sein müssen und doch nicht zu sehen sind.

Rennsteig-Impression auf der Deponie Wannsee

Moritzberg

Nach etwas Wegewirrwarr und einigen querenden Joggern und Mountainbikern geht der Aufstieg erneut zur Sache, nun breit und knirschend. Auf dem Gipfel suchen wir vergebens nach einem Pausenplätzchen oder einer Aussicht irgendwohin, finden jedoch anhängliches Dornengestrüpp und verworrene Wildpfade. Etwas unterhalb dann schließlich ein Holzschild, das einen Moritzberg benennt. Nur ein paar Schritte weiter kann das Auge über die entlaubten Zweige weit in die Landschaft schauen, nach Südwesten hin zu den Hochhäusern der Potsdamer Waldstadt und dem fernen Turm auf dem Ravensberg dahinter. Direkt nach Süden reicht der Blick weit ins Brandenburgische.

An der Waldmüllerstraße, Klein Glienicke

Abseits des Weges hören wir etwas rechts vergnügtes Geschnatter, ein Pfad führt dort hin und beides zusammen macht neugierig. Zwei Damen kommen uns entgegen und geben kichernd einen Aussichtsplatz der Sonderklasse frei, insofern, dass Potsdam von dort betrachtet aussieht, als läge es irgendwo ins Thüringische Bergland einschmiegt. Das Stadtpanorama reicht vom Rand der Waldstadt und dem Telegraphenberg bis zur markanten Kuppel der Nikolai-Kirche, davor St. Smafo resp. Heilig Geist. Und noch weiter bis zur vergleichsweise nahen Sternwarte Babelsberg.

In Klein Glienicke

Der seltene Blickwinkel macht klar, dass die Stadt nicht nur von der Havel durchzogen ist, sondern auch von zahlreichen Höhenzügen umgeben. Die sind zwar insgesamt nicht allzu hoch, doch eben einiges höher als die Wasserflächen und zumeist bewaldet. Alles zusammen ergibt diesen Eindruck, der noch den ganzen Tag nachhallt.

Beim Schloss Klein Glienicke

Der Thüringer Gedanke wird vom bald folgenden Kammweg weitergesponnen, der prompt ein wenig an den Rennsteig denken lässt. Ein steiler Abstieg bringt wieder die Sohlen auf dem glatten Laub ins Rutschen, bis am idyllischen und gut bevölkerten Uferweg am Griebnitzsee die Bergepisode ihr Ende findet. Dennoch ist der letzte Höhenmeter noch lange nicht gesammelt … Unten am Ufer sitzt in sich versunken ein Angler, oben im Hang turnt ein Junge zwischen den liegenden Stämmen herum. Müde sein werden sie am Abend beide.

Oft gesehene Brücke zwischen den Ländern Brandenburg und Berlin

Klein Glienicke

Schon die ersten Häuser von Klein Glienicke strahlen Mondänes aus, prompt fühlt man sich ganz woanders. So ganz falsch ist das nicht, denn der nächste Kilometer wird im Land Brandenburg verbracht. Passend dazu fachsimpeln gerade zwei Herren in aufwändiger Garderobe um ein weißes Mercedes-Cabrio aus den Fünfzigern herum. Der Motor läuft, schnurrt sonor und entlässt hinten nostalgisch aromatische Abgase. Es wird eingestiegen, fünfzig Meter gefahren, wieder ausgestiegen und erneut um das Auto herumgelaufen. Das wiederholt sich noch einmal, bis schließlich die passende Kulisse der geräumigen Waldmüllerstraße erreicht ist, die auch geeignetes Publikum bereithält fürs Verlassen der Szenerie.

Im Volkspark Klein-Glienicke

Neben der Straße liegt still ein kleiner Wasserlauf, begleitet von einem winzigen Graspfad, von dem sich schön die besonderen Holzhäuser am anderen Ufer bestaunen lassen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wird eine kleine Hoffnung wahr: das Eiscafé hat eine Luke offen, draußen einen kleinen Grillstand eingerichtet, und wir können uns was Kleines zu naschen rausholen. Außer den Schlangestehenden bleiben alle Gäste auf dem zugehörigen Gelände stets leicht in Bewegung, damit nicht der Verdacht des Aufhaltens entsteht. Drumherum ist ordentlich Betrieb, kein Wunder, denn hier ist die Hauptschnittstelle zum Park Babelsberg, zudem kreuzen sich hier zahlreiche Rad- und Wanderwege.

Vollblütige Live-Musik in Abstandszeiten, Gasthaus Moorlake

Nur ein paar Minuten sind es zum Schlosspark Klein Glienicke, der nun wieder in Berlin liegt oder doch so absolut nach Potsdam aussieht. Auf dem Weg dorthin liegen ein süßes Kirchlein und der Friedhof in einer eigenartigen Nische des Grenzverlaufes, die sicherlich genau damit zu tun hat. Das direkt benachbarte Jagdschloss ist seinerseits von einem Ausleger der Berliner Grenzlinie umschlungen.

Höhenweg unweit der Moorlake

Der weitläufige Park ist zur Straße hin abgesperrt, was sich in der Trockenheit der letzten Sommer begründet und dem Bestreben, dass keinem Parkbesucher etwas zu Großes auf den Kopf fällt. Die Absperrungen setzen sich in Richtung Moorlake noch fort. Stellenweise bleibt Interpretations-Spielraum offen, welcher Weg zu benutzen ist und welcher nicht. Und zuletzt gibt es ja auch noch den gesunden Menschenverstand.

Blick von der Terrasse am Blockhaus Nikolskoe

Das ist insgesamt wenig tragisch, denn reizvoll sind beide Varianten. Der Hochuferweg sammelt dabei unter alten Laubbäumen so einige Höhenmeter und verwöhnt mit überraschenden Aussichtsfenstern auf die Glienicker Brücke, die Heilandskirche am anderen Ufer oder das markante Bauwerk auf der Pfaueninsel, zwischendurch öffnen sich immer wieder die weiten Wasserflächen der Havel. Begleitet wird der Weg von dicken Holzgeländern, die an Hochuferwege auf Rügen oder Usedom denken lassen, welche sich ähnlich auf und ab gebärden. Unten der Uferweg hingegen gibt sich ruhig und gleichmäßig, und der Besucherverkehr hält sich gerade auch in Grenzen, so dass man keinen Ausweich-Slalom laufen muss.

Blockhaus Nikolskoe

Moorlake

Die Bucht der Moorlake wird in einem langen Rechtsbogen erreicht, und so gleicht es zunächst eher einer Erscheinung, wird erst nach Minutenfrist deutlich und schließlich zur Gewissheit, dass vom Herzen der Bucht Musik erklingt, direkt vom Instrument. Das ist in diesem Jahr auf seine Weise besonderes schön und leitet eine ausgedehnte Viertelstunde ein, die so anmutig wird, dass man gern die Zeit anhalten würde. Auch hier wurden ein paar Ladentische rausgestellt und man bekommt Süßes zum Kaffee oder Herzhaftes zum Sattwerden.

Kirche am Blockhaus Nikolskoe

Die zwei virtuosen Musiker spielen sich beiläufig und ohne Theatralik die Seele aus dem Leib und laden die Luft mit Emotionen auf, was die Kombi aus Fidel, Quetschkommode und herzergreifenden Zigeunerweisen ja sehr gut drauf hat. Zwischendurch gibt es ein paar sauber servierte Gassenhauer der ernsten Musik, die jeder wiedererkennt. Alles in allem sorgt dafür, dass jeder gern was von Gewicht in die Mütze fallen lässt und am Abend das verdiente Feierabendbier kein nennenswertes Loch in die Kasse reißen wird. Ein perfekter Platz, gute Wahl der Instrumente und ein Vorgang, von dem alle Beteiligten am Ende viel mit nach Hause nehmen dürfen.

Fähre zur Pfaueninsel

Blockhaus Nikolskoe

Kurz hinter Moorlake darf nun ganz legal der Höhenweg erklommen werden. Lange Stufen führen hinauf in den Küstenwald und spinnen im Reich der Goldnuancen den Ostsee-Faden fort. Nach der nächsten Abbiegung wähnt man sich dann auf einmal einiges südlicher, oberhalb des Elbtals da irgendwo bei Dresden, und am Ende der nächsten Treppe ist man wieder völlig woanders, eher so direkt im Baltikum. Das tiefschwarze Blockhaus Nikolskoe bietet zwar keine russische Küche an, doch die Optik und die benachbarte Kirche mit ihrer kleinen Zwiebel entführen kurz in den fremden Kulturkreis. Den großen Havel-Blick und Gelegenheit zur Rast bieten beide.

Essenausgabe am Gasthaus Pfaueninsel

Fähranleger Pfaueninsel

Ein sanfter Abstieg endet kurz vor dem Fähranleger zur Pfaueninsel. Auch hier stehen zwei kleine Stände vor dem Gasthaus, auf der Karte neben dem Imbissangebot auch Waffeln. Eine frischgebackene Waffel an der Fähre – allein das ist schon ein kleiner Urlaub. Etwas Wartezeit haben wir dabei, denn das grazile Waffeleisen ziert sich ein bisschen. Der Duft von Bratwurst und Kaffee, Glühwein und Waffeln tröstet ein bisschen über die Adventsmärkte hinweg, die es in diesem Jahr vielleicht nicht geben wird.

Spiegelschnitt vor der Pfaueninsel

Zum Kommen und Gehen der Fährpassagiere gesellen sich noch palavernde Enten, ein paar Ruderer und die erste Ankündigung der tiefstehenden Sonne, die bereits jetzt für nordische Lichtstimmungen auf dem Wasser sorgt. Wasserfläche und Insel, Paddler und Bootshäuser – in der Tat landen die Gedanken kurz in Skandinavien und wir müssen uns ein weiteres Mal bewusst machen, dass sich dieser ganze Tag in Berlin abspielt, bis auf den erwähnten Kilometer.

Versammelte Sehnsuchten

Vom Uferweg wirft sich nun die Insel in Positur, im edlen Abendlicht. Eine zügige Dame paddelt ihr pfeilschmales Kajak so ruhig, dass der Wasserspiegel kaum gestört wird. Weit oben am Himmel strebt eine Gänse-Eins gen Süden, vielleicht zum nassen Land bei Blankensee oder auch zu den Nuthe-Wiesen. Kurz darauf wechseln wir wieder auf den hohen Pfad und können zugleich einer stehenden Wolke von schwerem Duftwasser ausweichen, die schon seit Minuten den ganzen Weg ausfüllt, auf voller Breite.

Sehnsuchts-Beratungsstelle zwischen Birkenstämmen

Nur per Zufall nehmen wir rechts im Wald eine Rasthütte wahr, die nicht direkt einladend aussieht. Doch es lohnt sich, befindet sich doch hier die einzige Sehnsuchtsberatungsstelle weit und breit. Wir nehmen einen kurzfristigen Termin wahr, müssen uns dann jedoch beschränken, da das Licht allmählich knapp wird und noch eine halbe Stunde Wald vorausliegt.

Blick auf das glimmende Strandbad Wannsee

Das Licht wird in der Tat schnell knapp, schon sind an den anderen Ufern die Lichter deutlich heller als alles andere. Doch der Spiegel der Havel verdoppelt das vorhandene Dämmerlicht und schenkt uns damit die verlorenen Minuten zurück. An einer breiten Strandstelle sehen wir gegenüber das Strandbad Wannsee mit seinem endlosen Strand rot erglühen und nehmen erst jetzt wahr, dass der Tag mit dem schönsten Abendrot ausklingt, das der November zu bieten hat. Nach der nächsten Kurve dreht der Weg nach Süden, und nun sehen wir über der Böschung den ganzen Wald in fahlem Rot. Viele Leute sind noch mit uns und sehen zu, dass sie die nächste Straßenlaterne erreichen.

Flensburger Löwe über dem Wannsee

Flensburger Löwe

Wer uns dort empfängt, ist der wohl größte Löwe von Berlin. Der steht auf einer Aussichtsterrasse am Ende der Uferpromenade, von der sich die ganze Uferlinie des Wannsees bis hin zum hell erleuchteten Hafen sehen lässt. Um ihn herum herrscht fröhliches Treiben, nicht zuletzt dank der warm erleuchteten Imbiss-Bude mit ihrem breit gefächerten Angebot. Noch einmal kleiner Budenzaubertrost. Es braucht ja gar nicht viel dafür.

Abend am Hafen Wannsee

Auf dem laternenbeleuchteten Weg vorbei am Haus der Wannsee-Konferenz, der Liebermann-Villa und zahlreichen Boots-Clubs werden jetzt mit einem Mal die Beine bleischwer, kurz vor dem Ziel. Es war so viel in diesem Tag, so viel Neues entlang der bekannten Wege, so viel Besonderes und Schönes.

Als wir endlich den Hafen erreichen, entfernt sich gerade ein kleiner Dampfer, hell erleuchtet, wie eine Traumvision in diesen Zeiten. Zu leise denken wir, um echt zu sein und drehen uns nochmal um, nach dem Erklimmen der allerletzten Treppe. Das stille Licht ist fern, doch noch zu sehen.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
mit der S-Bahn oder Regionalbahn zum S-Bhf. Wannsee (0,5-0,75 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): nicht praktikabel (falls doch: B 1 nach Wannsee (0,75-1,25 Std.))

Länge der Tour: ca. 20 km, Abkürzungen vielfach möglich (auch per ÖPNV)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Insel Wannsee

Ehemalige Deponie Wannsee 

Einkehr (Auswahl): Hubertusbaude, am Stölpchenweg/Hubertusbrücke
Wartmanns Eiscafé, Klein Glienicke
Forsthaus Moorlake, Moorlakeweg
Blockhaus Nikolskoe, Nikolskoer Weg
Wirtshaus Zur Pfaueninsel, Pfaueninselchausee
Imbiss am Flensburger Löwen, Tiefhornweg
Bolles Bootshaus, Tiefhornweg