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Zwei Türme, ein Gürtel und die ganz große Runde

Am Sonntag nach Frühlingsanfang wird Berlin um eine Idee reicher sein, wobei die Zahlenfolge 2-4-3 nicht nur im Datum eine Rolle spielt.

Dafür wurde in den letzten Jahren mancher Tag mit der Suche nach einem schönen Weg zugebracht, der mit regelmäßigen Blicken auf den Fernsehturm aus verschiedensten Himmelsrichtungen aufwarten kann und dabei manche Endstation der S-Bahn mitnimmt.

Hauptkriterien für die Wegfindung waren Abwechslung, Schönheit und eine gewisse Nähe zur Berliner Außenkante, quasi dem Gürtel der Stadt.

Eine bebilderte Beschreibung zwischen Buchdeckeln ist beim BeBra Verlag bereits in Arbeit.

Mehr ab 24.3. unter www.berliner-gürtellinie.de

Stellt schon mal Schuhe und Fernglas bereit!






Beerfelde – Pfade im Hang, Tau im Bild und der gelochte Pfad

Nass kam es daher, das Frühjahr, und auch kalt ­ – bis zum ersten Wochenende im Mai. Dann endlich war es soweit, dass man sich trauen konnte, die Heizperiode endgültig für beendet zu erklären oder zumindest so zu tun. Der Natur hat es in mehreren Hinsichten gut getan mit manchem Regen und herausgezögerter Sommerhitze, und so hat sich der Mai von Woche zu Woche zu mehr Üppigkeit entwickelt, im Schlepptau all die kräftigen und aromatischen Düfte, die in schönsten Mischungen zu inhalieren waren.

Doppelallee nach Trebus

Erst wurde es grün und grüner noch, in unzähligen Schattierungen, dann kamen all die Farben hinzu, und so fühlt man sich schon regelrecht angekommen im Sommer. Treue Langzeitbegleiter wie Lärchen, Nachtigallen und Kuckucke sind alle noch zu hören, die Mauersegler und auch die ähnlich konstruierten Schwalben wecken mit ihren ganz verschiedenen Tönen weltweit gültige Sommer-Assoziationen. Die erste Hitzewelle ist geschafft, und so ist man schon ein wenig gewappnet für die nächsten Phasen jenseits der Dreißig-Grad-Marke.

Hangstufen in Trebus

Dennoch ist an jedem neuen Draußentag unklar, ob man sich eherfür Frühling oder Sommer bekleiden sollte. Am besten packt man eine Mischung ein, justiert vor Ort nach und hat eben einzwei Pfund mehr im Rucksack, über die man sich in der zweiten Tageshälfte womöglich wieder freut. Denn so recht berechenbar ist das Wetter noch lange nicht.

Badestelle am Ostufer des Trebuser Sees

Was in diesem Jahr vom Mai in den Juni gerutscht ist, zumindest in vielen Landstrichen Brandenburgs, sind die bunten Kornränder mit der erhofften Farbkombi aus Mohn, Kornblume und etwas Weißem. Das kommt in diesem Jahr verstärkt und gern auch flächig solo in Form großköpfiger Margeriten, die hier und dort ganze Wiesen eindecken. Naja, und dann noch die ganzen anderen Akzente aus dem Blau-Lila-Bereich, die Auge und Blick ganz wunderbar verwöhnen. Die Linden fangen an zu duften, ebenso die Robinien, und darunter mischt sich der mal süße, mal herbe Geruch des Korns, das nass oder trocken auch noch anders riecht.

Lupinenfeld vor Beerfelde

So seltsam die Pandemiezeit war, soweit vergessen und zurückliegend erscheint sie für jene, die nicht oder nur leicht betroffen waren, und so reicht es nur noch für ein verwundertes Kopfschütteln, wenn man am Schaufenster eines leergeräumten Testzentrums vorbeiläuft und sich kurz erinnert, dass es das mal gab und dass es mal sehr relevant war. Zu spüren sind die Nachwehen dieser Zeit schmerzlich für die von den Jahren ohnehin gebeutelte Gastronomie vor allem auf dem Lande, die jetzt wieder richtig loslegen könnte und auch gern würde – doch durch die Personalsituation massiv oder bis zum Stillstand ausgebremst wird und immer wieder Kundschaft wegschicken muss. Man wird sich dauerhaft daran gewöhnen müssen, nach Möglichkeit im Vorfeld anzurufen und zu reservieren.

Dorfteich in Beerfelde

Beerfelde

Beerfelde ist ein schönes Angerdorf mit leicht erhöht gelegener Kirche, zwei schönen Teichen auf dem Anger und dazu passend einer Handvoll Parkpfaden, zwischen denen sich Bänke, baumschattige Wiesen und rundbunte Bienenweiden finden. Auch eine kleine Eisdiele gibt es, einen Dorfladen und einen Friseur, nicht zuletzt am Ortsrand noch ein großzügiges Freizeitgelände mit buchtigem Weiher anbei.

Bunte Weide für Sechsbeinige, auf dem Beerfelder Anger

Die Dorfteiche sind gut gefüllt, was wohl dem regenreichen Frühjahr zu verdanken ist, und die im Böschungsgras eingesunkenen Enten guter Dinge. Auf den kreisrunden Bienenweiden, deren schreitende Umrundung um die dreißig Sekunden in Anspruch nimmt, ist wenig Betrieb. Das erklärt sich durch die vielen Linden am Anger, in denen sich der Schallpegel zahlloser Flügelpaare umso mehr summiert.

Wäldchen hinter Beerfelde

Auch im Klärteich am Freizeitgelände sind ein paar Enten unterwegs, vom Gelände selbst kommt gerade jemand mit einem Handwagen voller Angelruten und sieht stark nach Feierabend aus. Kurz darauf entlässt uns der Weg aufs freie Feld und verschenkt erste Weitsichten. Die Landschaft liegt in leichten Wellen, Felder in verschiedenen Reifestadien leuchten in Grünschattierungen, dazwischen pausieren braune Flächen mit blanker Ackerscholle oder abgeerntete Stoppelfelder.

Doppelweg nach Trebus

Das erste Wäldchen verströmt beim Eintritt einen intensiv würzigen Waldduft, der Aromen von Laub- und Nadelbäumen mit regengesättigter Erde und nassem Bodengrün mischt. Man atmet tief und wünscht sich mehr Lungenvolumen. Am folgenden Waldrand wachsen vereinzelte Kronenkiefern, die meisten noch nicht höher als eine Straßenlaterne. Zwischen den langen Nadeln stecken froschgrüne Kiefernzapfen, die aus der Nähe fast etwas exotisch aussehen und kurz die Frage anreißen, wann man zuletzt einer Ananas zu Leibe gerückt ist.

Mittelhistorisches in Trebus

Einen leicht verwachsenen Weg und ein Feld weiter steht der Raps mannshoch mit knackig-prallgefüllten Trauben – man meint, beim Daraufdrücken würde direkt das goldene Öl herausspritzen. Doch so einfach ist es ja dann doch nicht … Gleich gegenüber gibt es nun den sehnlich erwarteten Kornfeldrand mit reichlich Mohnblumen, die in den letzten Wochen kürzer kamen als erhofft.

Mediterrane Hangstufen am Seeblick

Ein kleines Phänomen ist der schnurgerade Weg zwischen Jänickendorf und Trebus, der klar nach ehemaliger Bahntrasse aussieht, doch wohl keine war. Für Leute auf Drahteseln gibt es ein makelloses Asphaltband, nach Osten hin oft windgeschützt durch verschiedene hohe Büschungen. Ein paar Meter parallel dazu läuft als Alleegasse, später lose begleitet von kräftigen Obstbäumen, großen Rosenbüschen und betagten Holundern eine alte Straße, die immer wieder ihr unversehrtes Pflaster durchscheinen lässt. In Sichtweite von Trebus öffnet sich der Blick.

Waldrand hoch überm See

Zwischen beiden Wegen liegt ein breiter Streifen, wild wiesenbewachsen, auf dem in regelmäßigen Abständen kräftige Stämme abgelegt wurden. Die liegen dort schon länger oder noch viel länger und bieten allerhand Tieren und Organismen ein gutes Zuhause. Ein paar sind schon auf dem Weg zum Mehl, andere noch im selbststützenden Mulm und ein paar lassen noch ein festes und resonantes Klopfen auf Holz zu. Jeder von ihnen taugt als Fotomotiv und adelt das ohnehin bemerkenswerte Spurenpaar.

Badebucht am Trebuser See

Trebus

Trebus ist ein kleines Phänomen – hier und da im Dorf und rund herum hat man das Gefühl, in einem Urlaubsörtchen zu sein, kann sich das rege Treiben zu vergangenen Zeiten gut vorstellen, vielleicht vergleichbar der Atmosphäre im Dörferpaar Alt Zeschdorf/Hohenjesar, das nicht weit von Frankfurt/Oder liegt. Bei Trebus heißt die nahe Stadt Fürstenwalde/Spree. Das Schloss gibt es hier zwar schon lange nicht mehr, Teile seiner Bausubstanz bestehen jedoch in manchem Wohnhaus fort. Auf dem ehemaligen Gutsgelände gab es in der Nachkriegszeit groß angelegte landwirtschaftliche Nutzungen in Formen von Maschinen-Traktoren-Stationen und sachverwandten Einrichtungen.

Buchen an der Südspitze des Sees

Heute ist dort ein Verein untergebracht, der auf reichlich Fläche Fahrzeuge, schwer verrückbare Kunst-im-Stadtraum-Objekte sowie DDR-Gebrauchsgegenstände sammelt, auch eine alte Tankstelle und ein gelber Zeitungskiosk gehören dazu. Ein goldener Lenin, schwer wie ein Mopped, steht gegenüber einem ungoldenen, der noch einiges schwerer sein dürfte.

Dort übrigens, wo einmal hoch über dem See das Schloss stand, wurde nur wenige Jahre nach Kriegsende eines der ersten Kulturhäuser der DDR errichtet, das mit seiner breiten Glasfassade zum See hin als sehr gelungen galt.

Trebuser Graben in voller Breite

Auch das Restaurant, welches heute das Gebäude nutzt, gibt einen besonderen Ort ab, nicht nur des schönen Ausblicks und der erhabenen Lage wegen. Mit dazu bei tragen auch große Geländestufen, deren Flanken kunstvoll aus Flachgestein gemauert wurden und von unten gesehen äußerst mediterran wirken. Ganz oben, gleich neben dem vorderen Biergarten, thront ein Pavillon, der uns nun vor dem angekündigten Regen schützt, der pünktlich um zwei ansetzt. In dieser fürstlichen Lage versorgen wir uns aus dem Rucksack, da im Restaurant ohne Reservierung leider wirklich nichts zu machen ist – die Bude ist rammelvoll und die paar Leute vom freundlichen Personal kommen kaum hinterher. Naja, es ist auch Wochenende und Mittagszeit …

Betonpfad am Trebuser Graben

Besonders ist die Topographie von Ort und See, die man von ihrer Gestalt her eher ins Ruppiner Land packen würde. Nahe der Spree dürfte es sowas wohl nicht noch einmal geben. Der wunderschöne, leicht gewundene Trebuser See versinkt tief in der Landschaft, ruht in einer ausgeprägten Rinne und verhilft vielen Grundstücken im Ort zu einer leicht spektakulären Hanglage, die von den Eignern mittels angelegter Terrassen und steiler Stiegen genussvoll ausgelebt wird. Eine Horde von Radfahrern flüchtet sich zu uns unter den Pavillon, plant wortreich den weiteren Weg bis ins Spreetal und verpackt minutenlang dieselbe Information in immer wieder neuen Sätzen.

Talgrund gen Fürstenwalde

Beim Abstieg über die gediegene Treppe, die am Seeufer endet, fallen die letzten Tropfen, vielleicht ist es auch nur das Nachregnen von den Bäumen. Der Zimtschneckenzucker lässt sich mit einem beherzten Wuscheln durch den nächsten Busch von den Händen waschen und unten können die Schirme dann gleich wieder weggepackt werden, fürs Erste zumindest. Ein kurzes Stück geben wir uns dem urigen und sehr romantischen Uferpfad hin, der nah am Wasser durch den dichten Laubwald buckelt. Rechts erhebt sich steil die Flanke und lädt mit immer wieder neuen Pfaden und Stufen zum Aufsteigen ein.

Badesteg am Ostufer

Auch diese unzähligen Pfade und Querwege sind es, die an den Urlaubsort denken lassen und an eigene Episoden aus der Kindheit, die in ähnlichen Kulissen spielten. Ein Phänomen am Trebuser See sind die vielen Stege und Badestellen, von denen nur die allerwenigsten in der Nähe eines Parkplatzes liegen. Nirgends gibt es Verbotsschilder, und eine Stelle ist schöner als die andere, das Wasser klar, der Boden darunter sympathisch und einladend und der Spiegel des Sees mal blau, mal klar oder auch türkis.

Uferhöhenweg mit dicken Bäumen

Es ist nichts einzuwenden gegen den unteren Weg, doch zum einen wollen wir später am Gegenufer nah am Wasser bleiben, zum anderen verwöhnt auch der obere Weg, der zwischen Waldrand und Kornfeld verläuft, großzügig mit Reizen. Die Kombination aus drohendem Gewitterhimmel und fast platinblondem Korn haben wir so noch nicht gesehen, die Duftschwaden vom blattnassen Hangwald und dem leise säuselnden Korn vermischen sich in immer wieder neuen Varianten. Wo der Wald dem Feldrand Schatten spendet, sind die Ähren saftig grün, jenseits davon dann so leuchtend hell wie beschrieben.

See nach dem letzten Schauer

Der Weg taucht schließlich in den Wald ein, durch das dichte Grün ergibt sich das Gefühl einer Hohlgasse, aus der es an allen Ecken tropft. Die Badestellen locken, doch irgendwie fehlt noch eine Kleinigkeit an Sommer, dem auch nachzugeben. Wie es sich auch am Ostufer fortsetzen wird, verfügen die meisten Reingehstellen über ein romantisierendes Element in Form eines gestürzten, rindenkahlen Baumes mit oder ohne große Bogengeste. Manchmal ist es auch eine kleine Steilkante, ein buchtumschmeichelndes Schilfarrangement oder ein reglos im Bild hängendes Tau mit fettem Knoten. Ein paar Enten steuern gelassen gen Seemitte und zeichnen makellose Pfeile auf den Wasserspiegel.

Uferhöhenweg am Ostufer

Am Südende des Sees folgt der nächste Regenschauer, und wieder steht ein großer Pavillon bereit, mit Bänken, die so breit sind, dass man hier halbwegs bequem ein Mittagsschläfchen machen könnte. Mal abgesehen von den Mücken, die heute trotz drückenden Wetters und reichlich flachem Wasser kaum präsent sind, erstaunlicherweise. Im Schilf der Nordbucht sind viele kräftige Vogeltöne zu hören, aus dem Uferboden wachsen kräftige Stämme von Buchen, die ja bei Gewitter als gute Gesellschaft gelten.

Großer Badestrand an der Nordspitze

Trebuser Graben

Das Rinnsal des Trebuser Grabens, der in zeitweiliger Verbindung zur nahen Spree steht, quert unter einem Steglein den Pfad, der hier kurioserweise in ostzonale Lochplatten gefasst ist. Nach rechts öffnet sich ein weiter Wiesengrund, der unter dem Dunst des frischen Regens dampft.

Kurz danach beginnt nun der östliche Uferweg, welcher ebenso schön ist wie sein Gegenüber. Auch hier gibt es also schöne Badebuchten mit gestaltendem Element, auch hier zahlreiche Stege ohne Verbotsschilder, und auch hier zieht sich mancher Pfad den nicht ganz so steil ausfallenden Hang hinauf, als gäbe es oben am Waldrand irgendwelche Weganbindung. Ein Angler folgt der Spitze seiner Rute, die ihn womöglich zum nächsten guten Fanggrund wünschelt.

Hohlweg am Feldrand

Im Unterschied zum Gegenufer verläuft der Weg bald als reizvoller Höhenpfad, der trotz dichten Blätterkleides immer wieder schöne Blicke auf den See erlaubt. Begleitet wird er von teils kräftigen Baumstämmen, einer von ihnen ist frisch umgestürzt, liegt quer über den Weg und fordert einen ausladenden Schritt über den moosbedeckten Stamm ein. Ein massives Metallgeländer begrenzt eine mit Planken befestigte Stelle, ohne ersichtlichen Grund.

Von einer der Badestellen lässt sich über den Wasserspiegel weit nach Süden schauen, und auch der See liegt jetzt leicht unter Dampf. Gegen Ende sind am jenseitigen Ufer die großen Stufen mit ihren Mauern zu sehen, darüber der Pavillon mit seinem kleinen Findlingsfeld davor. Hatten wir vorhin gar nicht wahrgenommen.

Waldrandweg gen Friedhof

Trebus

Am großen Badestrand steht unweit einiger Wildgänse mit Brillen um die Augen ein Mann im besten Alter, der in einem altmodisch wirkenden Badeanzug dem See entstiegen ist und so aussieht, als wäre er einer Schwarzweiß-Fotografie mit gezackeltem Rand entwichen. Die Abtrockenphase wirkt rituell und durchdacht, der Blick wird dabei nicht vom See gewandt.

Zwischen den Feldern

Jenseits der Straße beginnt der Weg unterhalb einer der erwähnten Bungalow-Siedlungen, deren Grundstücke in mehreren Stufen über den Hang verteilt sind und Blick auf den stillen Wiesengrund des Trebuser Grabens haben, der sich hier und da mittels eines Stegleins überwinden lässt. Die Anlage der Grundstücke sowie die Hütte darauf sind meistenteils schön und besonders, und fast immer gibt es auf jeder Hangstufe einen besonders einladenden Ort zum Sitzen. Ein waldiger Pfad führt halbwegs steil hinauf und endet oben bei den Plattenbauten, die irgendwie zu jedem DDR-Dorf mit landwirtschaftlicher Zentralfunktion gehören.

Fernes Kornfeld

Der Weg durch das Wäldchen am Ortsrand endet wieder in Hohlgassenanmutung und zeichnet nun abermals zwischen dichtem Laubwald und hoch stehendem Korn den Waldrand nach. Hinten braut sich das nächste Gewitter zusammen, dann und wann leise grollend. Am Friedhof kühlen wir uns am Wasserhahn kurz die Hände und retten einige der frisch in den Bottich gefallenen Bienen vom Wasser ins Gras.

Robinen-Pflasterweg

Nach einem Stück Landstraße beginnt rechts ein Fahrweg, der nach und nach wiesiger wird. Die Landschaft ist auch hier leicht gewellt, dadurch sehr anmutig, dazu gesellt sich die Farbenpracht der übersichtlich verteilten Blüten und das Gelb des Rapses vor dunkelblauem Himmel. Im Norden wogen gelbe Kornfelder vor grünen und auf dem Weg zum nächsten Wäldchen reichen manche der Pfützen quer über den Weg. Vorbei an einem Lupinenfeld mit eingestreuter Kamille kommen wir zu einer von früher bekannten Baumgasse aus Robinien. Auch hier sind die Bienen in den Wipfeln klar zu hören.

Kopfweiden vor Beerfelde

Draußen vom Feld steigt ein Raubvogel hoch, auf den ersten Blick sowas wie ein Adler, nach Größe, Körper- und Schwanzform dann doch eher etwas kleineres. Mit einem Mal sind es zwei, dann drei und zuletzt sechs von ihnen, die sich hier wohl eine größere Mahlzeit teilen.

Allee ins Nachbardorf

Auch dieser klassische Verbindungsweg von Dorf zu Dorf ist kopfsteingepflastert, was nur in Gefällepassagen sichtbar wird. Der Robinienschatten mit seinem besonderen Licht ist herrlich, der Boden dicht bedeckt mit Blütenlaub, das der Regen heruntergewaschen hat. Am Ende der Robinien wird der Blick nun offener, den Weg begleiten jetzt vereinzelte Kopfweiden, deren Stammumfang abzumessen es bei manchen die Armspannen einer Großfamilie bräuchte. Auch hier liegen große Pfützen auf dem Weg. Zuletzt stehen noch ein paar betagte Apfelbäume am Rand, gerade nah genug am Dorf, um zur Erntezeit von den Hiesigen besucht zu werden.

Beerfelder Kirche

Beerfelde

Am Rand von Beerfelde steht noch einmal roter Mohn vor der mitteljungen Lindenallee nach Schönfelde und gibt ein schönes Kalenderfoto ab. Im Dorf herrscht einiges Hin und Her, Ankommen und Auspacken, auch am Spielplatz bei der Kirche ist noch gut Bewegung. Beim quattrofunktioalen Salon Landfein hingegen liegen die Scheren und Feilen nun bis Montag still. Doch drüben beim Eiscafé, das noch bis weit nach sechs geöffnet hat, da sind noch einige Augen am Leuchten.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
Mo-Fr Regionalbahn bis Fürstenwalde/Spree, dann mit dem Bus; alternativ Mo-Fr Regionalbahn bis Müncheberg, dann mit Bussen (1,5 Std.); am Wochenende keine Verbindungen

Anfahrt Pkw (von Berlin): auf der B1 bis Müncheberg, dort rechts Richtung Fürstenwalde/Spree (1,25-1,5 Std.)

Länge der Tour: ca. 17 km (Abkürzungen mehrfach möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Informationen zu Beerfelde

Verein der IFA-Freunde Trebus (historisch-nostalgische Sammlung großer und kleiner Dinge)

Badestelle am Trebuser See

Einkehr: Eiscafé Lewerenz (gegenüber auch der Dorfladen), Beerfelde
Seeblick, Trebus (z. Zt. unbedingt rechtzeitig vorher reservieren)

Wernsdorf – Schlafende Pilze, der alte Arm und ein Gruß aus Sachsen

Es ist kaum zu fassen, wie lange jetzt schon der Frühling mit dem Winter rangelt, letzterer schon ganz quarkblass und entkräftet wirkt, doch wie der längst abgemurkste Unhold in gängigen Filmen immer nochmal aufsteht und aus dem Off angestakst kommt.

Brücklein am Oder-Spree-Kanal
Brücklein am Oder-Spree-Kanal

Der Frühling pariert die Stänkereien souverän, so als würde er mit der einen Hand beiläufig das Florett führen und mit der anderen gleichzeitig eine flache Tasse Tee trinken, mit leicht gehobenen Augenbrauen. Und erficht so manchen einzelnen Tag von großer Schönheit, mit bühnenreifen Himmeln und ergreifenden Lichtstimmungen.

Dennoch bleibt die klamm-graue Jahreszeit dominant, und so wurden schon etliche Male hochflorige Mützen und Handschuhe in den Schrank gestopft und bald darauf kleinlaut wieder herausgefingert. Die Vorfreude aufs nicht mehr Frieren ist schon lange unbändig, langsam schlägt sie nun auf die allgemeine Laune durch, was vielfältig zu beobachten ist.

Dorfblick Neu Zittau über die Spreewiesen

Unbeeindruckt davon sind neben vielem Geblüm auch die allerersten Lerchen, die schon vor Mitte März ihre Botschaft fröhlich in die Luft krakeelten, mit scheinbar grenzenloser Ausdauer. Einen Monat später sind endlich erste grüne Schimmer im Holz von Büschen und Sträuchern wahrzunehmen – wenn man etwas guten Willen mitbringt und die Gewächse gegen das Licht betrachtet. Die Ahornblüten täuschen wie jedes Jahr kronenfüllendes Laub vor und lassen es schon etwas heller werden im wintergebeutelten Herzen. Dank des immer wiederkehrenden Regens leuchtet in manch dunklem Wald der Boden grün vom gesättigten Moosteppich.

Am Bruch nördlicher Wernsdorfer See

Trotzdem – manche Frühlingstouren hätte man schon gehen wollen, die von blühenden Bäumen, Wäldern voller Bodenblüher oder schönen Lichtstimmungen leben und sehnsuchtsvoll erwartet in diese Zeit des Jahres gehören. Doch die einen konnte es nicht geben, weil die Blüten vor lauter Kälte in ihren Knospen blieben, die anderen, weil Licht eindeutig Knauserware war an allen Tagen, wo man hätte ausschwärmen können ins Ländchen, ganz gleich in welche Richtung. Vieles hat sich also aufgeschoben oder wurde aufgehoben, in der Hoffnung, dass der Zeitverzug manches später stattfinden lässt und irgendwann dann Sonne, Wolken und Himmel in ihrer schönsten Mischung ins Spiel kommen. Doch denkste. Daraus wurde auch Mitte April nichts.

In der Heide Paschenfeld

Um trotzdem einen schönen Tag zu haben, waren also besondere Wege und Landschaften gefragt, dazu ein gut Teil Wald, damit Wind und Regen uns nicht schon innerhalb der ersten Stunde durchweichen. Von den östlichen Wäldern rutschte der Finger auf de Karte immer mehr in Richtung Stadtgrenze. Ganz kurz davor kam er schließlich mit kleinem Ruck zum Stillstand, zumal sich gleich noch die Erledigung einer pragmatischen Angelegenheit einbauen ließ.

Schmöckwitzwerder

Wo sich die Wasser von Dahme und Spree so nahe kommen wie selten sonst, liegt die Insel Schmöckwitzwerder zwischen drei Seen und einem Kanal. Nur zwei Straßenbrücken und einen stattlichen Fußgängersteg gibt es, auf denen man die Insel erreichen oder verlassen kann. Dazu viel Wald, herrliche Uferpassagen und ganz im Süden die Siedlung Rauchfangswerder, die selbst fast wie eine eigene Insel wirkt. Die Fähre nach Zeuthen ist leider seit Jahren Geschichte – zumindest die Fährallee erinnert mit ihrem Namen noch an sie. Eine Neuauflage als Linienbetrieb zwischen Schmöckwitz und Königs Wusterhausen wird derzeit konkreter, und man darf gespannt sein, ob Berlin bald eine Fähre mehr statt einer weniger im Fahrplan aufführen darf.

Alte Linde an der Wernsdorfer Kirche

Wernsdorf

Ganz im Nordosten der Insel liegt nach deren Verlassen Wernsdorf. Ein hübsches Dorf entlang einer gekrümmten Dorfstraße, das neben etwas Fischerkietzigkeit mit einem einladenden Dorfplatz sowie ebenso ansehnlichen gelben Dorfkirche aufwarten kann. Ein kleiner Pfad führt dicht an deren Turmseite vorbei und zwingt Passanten zum kurzen Knicks vor den tief gebeugten Ästen einer sagenhaften Linde, deren Krone dank ausgefuchster Prothetik eine größere Fläche überdacht. Ein ehrfürchtig stimmender Anblick von Kraft und Anmut und etwas Ewigkeit.

Liebevolle Erhalts-Maßnahme am Kanal

Die Brücke von Wernsdorf hinüber zum Schmöckwitzerwerder ist so ein Platz, wo man gut einzwei Stunden am Geländer lehnen und einfach nur aufs Wasser und das Geschehen darauf gaffen könnte. Unten am Ufer liegt ein größerer Dampfer vertäut, mit einem halben Dutzend Schirmen auf dem Oberdeck, die nur darauf warten, am ersten sonnigen Tag vom Stiel zum Pilz zu werden. Im Dauerniesel wirken sie etwas verzagt, doch bald wird es soweit sein.

Neue Fußgängerbrücke über den Oder-Spree-Kanal

Auf direktem Weg und im fußweichen Bogen durch den satt getränkten Wald steht man bald am breiten Oder-Spree-Kanal, wo zwischen transportierenden Kähnen flanierende Bötchen noch die Ausnahme sind. Der scharfe Kiel des Patrouillenbootes der Wasserpolizei sorgt am Kanalrand bald für etwas schicke Brandung, sonst liegt das Wasser ruhig zwischen den Ufern.

Voraus liegt unübersehbar die neue Fußgänger- und Radfahrerbrücke, die Ende März erst eingeweiht wurde. Die alte Brücke wirkte ihrerzeit schon gewaltig, jetzt schwebt nur der enttreppte Mittelteil überm Wasser und wirkt neben dem wuchtigen Beton-Bauwerk regelrecht gebrechlich. Die neue Brücke macht es nun für alle mit Rädern unterm Hintern erheblich leichter. Dort an der Tafel mit der Wanderkarte hat jemand liebevoll einen wettergegerbten Wegesammler-Aufkleber wiederbefestigt, etwas in dieser Art haben wir noch nicht gesehen. Herzlichen Dank an die helfende Hand!

Wernsdorfer Schleuse in Wernsdorf

Gleich am Fuß der Brücke beginnt ein Pfad der Sonderklasse, über knapp einen Kilometer. Der wiesige Uferweg brückt bei den letzten Gärtchen über einen verträumten Wasserarm und geht dann in einen Dammpfad über, auf dem man sich bald wie mitten auf dem See fühlen kann. Nach Norden erstreckt sich weit der schilfumkränzte Wernsdorfer See, der nach Norden hin immer urwüchsiger und undurchdringlicher wird, so dass selbst mit dem leichtesten Kajak ein Anlanden problematisch sein kann.

Nördlicher Dammweg am Kanal

Entlang des Kanals reichen die Blicke hier tunnelartig bis zum Seddinsee, einem breiten Bauch der Dahme, dort zur recht eindrucksvollen Wernsdorfer Schleuse mit ihrem mittigen Breitband fallenden Wassers. Gen Süden öffnet sich mit dem Alten Wernsdorfer See ein herrliches Wasserreich mit unegalen Uferlinien, das manche an Skandinavien erinnern wird. Im Hintergrund ist bei der Durchfahrt zum großen Krossinsee nochmal der Dampfer mit seinen wartenden Schirmen zu sehen.

Blick zum jenseitigen Dammufer

In der Mitte des Dammes laden einige Stellen zum Sprung ins Wasser ein, nicht heute, jedoch meistens, und ganz in der Mitte schließt ein hochbeiniges Brücklein die Verbindung, die es am Damm gegenüber nicht gibt, und gestattet besegelten Kajaks die Durchfahrt ohne Masteinholen.

Am Bruch nördlicher Wernsdorfer See

Kurz vor der Schleusenbrücke geht hinter einer Handvoll Häuser ein gemütlicher Weg los, zwischen klatschnassen Wiesenlichtungen, dahinterliegendem Bruchwald und einem ganz anständigen kleinen Höhenrücken, der rechts seine bemooste Flanke steil ansteigen lässt. Überall zeigt sich, dass es in den letzten Wochen immer wieder Regen gab, wie auch heute den ganzen Tag. Der Plan mit dem Wald geht auf, der Regen erwischt uns vor allem oben und die Schirme können ohne Gezerre ihren Job machen.

Flanke der renaturierten Halde

Unerwartet beginnt ein massiver Zaun, hinter dem sich ein überdimensionierter Deich erhebt. Beim Blick auf die Karte entpuppt sich der großflächige Wiesenhang als begraste Deponie. Über fünfzig Jahre wurde hier Berliner Hausmüll aufgetürmt, bis 2005 damit Schluss war und der entstandene Berg nach und nach renaturiert wurde. Einige weit verstreute Zeugen waren bereits auf dem Kanalpfad zu sehen, und auch wenn die Margarinedeckel und Konservendosen mit EVP-Preisen von gewissem historischen Wert sind, ist es doch um so erfreulicher, dass es lokal ein Häuflein Leute gibt, die den ganzen Mist nach und nach aus der Natur sammeln. Auch hier ein herzliches Dankeschön!

Pfad am Fließ der Gosener Hauswiesen

Gosener Hauswiesen

Die grüne, doch sachliche Szenerie währt nur ein paar Minuten. Schon kurz nach dem Abzweig des Rundweges nach Gosen lockt links ein kleiner Pfad, der urig und auch wurzlig zwischen Waldrand und einem kleinen Wasserlauf mit reichlich Schilf verläuft. Links erscheinen die weiten Gosener Hauswiesen wie ein verlandeter See. Hier und da steht eine Insel aus hochgewachsenem Gebüsch, auf den Wiesen steht flächig das Wasser.

Die Wiesen hier sind nur eine kleine Außenstelle der weitläufigen Gosener Hauswiesen, die sich nördlich von Neu Zittau bis hin zur Spree ausdehnen, zum Großteil weglos und daher bei Wasservögeln sehr beliebt. Mit im Spiel sind in den benachbarten Schmöckwitzer Bruchwiesen der geradlinige Gosener Kanal, der schon krummere Gosener Graben und der kleine und äußerst kringlige Große Strom. Mittendrin liegen die Fischerei Kaniswall und das Freilandlabor mit dem gleichen Namen, letzteres ein grüner Lernort mit schönen Außenanlagen.

Ortsmitte Neu Zittau

Neu Zittau

Wir bleiben im südlichen Teil und biegen bald ab in einen schönen Pfad, der direkt im Örtchen Neu Zittau endet, einem ausgewachsenen Straßendorf. Nach einem Bogen durchs Wohnviertel gibt es fast am selben Fleck drei empfehlenswerte Möglichkeiten sich zu stärken. Einen schönen Kirchblick, eine Ampel und ein paar Abbiegungen später landet man auf dem Ablageweg direkt an der Spree, wo ein ufernaher, teils pfadschmaler Weg losgeht. Hier zeigt sich wieder einmal die Schönheit dieses kleinen Flusses, der an so vielen Stellen etwas wild und zugleich sanft wirkt. Und dieser Tage gut Wasser führt, was sich teils auch hier bemerkbar macht.

Spreeufer bei Neu Zittau

An herrlichen Badestellen geht es vorbei und durch kleine Waldstücken, über ein Brücklein und entlang der Wochenendhäuschen am Wurgel, wo hier und da ein Ruderkahn vertäut liegt. Über die Wiesen ergeben sich erste schöne Rückblicke auf die Kulisse von Neu Zittau, die vom Kirchturm bestimmt wird und tatsächlich ein wenig an die Oberlausitz denken lässt, wo man das ursprüngliche Zittau findet. Und wo es auch viele langgezogene Straßendörfer gibt. Selbst den leicht angezwiebelten Kirchturm würde man eher in Sachsen verorten als in Brandenburg, kurz vor Berlin.

Pfad am Altarm der Spree

Bis zur Reitanlage ließe sich diesem herrlichen Weg am Fluss noch treu bleiben, doch das Abbiegen auf Höhe eines abgekoppelten Altarms lohnt sich. Ein zauberhaftes Pfadstück beginnt hier, das sich zwischen struppig-büscheligen Feuchtwiesen und der eigenen Welt des alten Spreebogens hindurchquetscht und manche Verbiegung des Oberkörpers einfordert. Die Pfeiler für den Weidezaun stellen alte Eisenbahnschwellen aus Holz, deren zweite Haupteigenschaft ja die langfristige Wetterfestigkeit ist.

Spreewiesen mit teils bekleideten Pferden

Am Ende übernimmt ein gemütlicher Wiesenweg zwischen saftig grünen Wiesen und Weiden, führt in Kurven vorbei an verschmitzten Pferden, die halbverborgen im Unterholz ausharren und dem Regen die nasse Schulter zeigen. Wuchsfreudige Weidenreihen ziehen geradlinig über die Grasflächen. Bei einem Grundstück, das nur so strotzt vor Phantasie in Anlage, Bau und Ausführung von Garten und Behausungen, wird schließlich der Blick frei und macht nun das sächsische gefärbte Panorama rund – hinter einen Wiesensenke Neu Zittau mit Kirche am sanften Hang. Wir geben uns dem gerne hin..

Runder Wiesengrund in Neu Zittau

Gerade als der Regen dichter wird, liegt am Weg eine verspielte Rasthütte mit akkuratem Wetterschutz von drei Seiten und schönem Blick auf den grünen Grund. Der heiße Tee ist jetzt genau richtig, um für die letzte Stunde der Tour noch bei guter Laune zu bleiben. Der anschließende Weg unterhalb der Gärten hätte diesen Job selbst ohne Tee gut erledigt, es ist nun schon die dritte Zufallsentdeckung extraschöner Pfade an diesem Tag. Mehr und mehr geht der Plan des Tages auf.

Heimat-Museum an der Kirche

Neu Zittau Kirche

Vorbei an der Kirche, die auf einem winzigen Rondelltellerchen und gegenüber des ebenso winzigen Heimatmuseum und weiteren Dorfkaten steht, beginnt nun der Aufstieg in den Höhenzug des Kesselberges, der sich in mehreren Phasen vollzieht und keineswegs belächelt werden sollte. Die erste Höhenstufe ist am Friedhof erklommen und führt direkt hinter dessen Außenmauer entlang. Die ist leicht geneigt, doch noch gerade so, dass man ohne Sorgen ihrer Linie folgt.

Im Forst am Kesselberg

Heidefläche Paschenfeld

Nach diversen Abbiegungen im neonmoosgrünen Wald, weiteren Höhenstufen und einem im Sinne des Wortes liegengebliebenen Radfahrer endet der Wald an einer halboffenen Heide, die sicherlich mal Militärgelände war. Jetzt ist der sandige Boden von Weißmoos, Heidekraut und anspruchslosem Grünzeug bedeckt, Kieferchen versuchen sich am Großwerden und unzählige Wege laufen kreuz und quer. So grau der Tag, so erstaunlich grün ist es hier. Der Radfahrer hockt wieder im Sattel und fährt nun dort, wo er zu Fuß vermutlich schneller wäre.

Kronenkiefer in der Heide Paschenfeld

Einen absoluten Mehrwert schenkt uns der anschwellende Regen des Tages schließlich über Bande. Im ersten Teil der Tour war die Schießbahn des hiesigen Schützenclubs sehr präsent, wenn auch hintergründig, und irgendwann tatsächlich nervend. Seit dem Wiedereintauchen in deren akustischen Einzugsbereich ist jedoch Ruhe im Wald, was der nassen Witterung geschuldet sein könnte – ganz gleich, ob nun die Schützen, die Flinten oder die Projektile nicht so gern nass werden oder schlichtweg die Sicht zwischen Korn und Ziel bei stäubendem Niederschlag zu dürftig ist.

Oberes Hafenbecken vor der Wernsdorfer Schleuse

An einer kurzstämmigen Kiefer mit makellos runder Krone wird dann die Historie anhand von gefassten Schützengräben und dem eingezäunten Areal der Schießanlage greifbarer, was die umgebende Natur mit einem milden Lächeln quittiert und sich überhaupt nicht in ihrem Langzeitvorhaben stören lässt. Dementsprechend weiter verbuscht, überwächst und mit Nadeln bedeckt, was da zu bedecken ist.

Schleuse Wernsdorf

Der ausstehende Abstieg zum Oder-Spree-Kanal ist kurz und erfordert durchaus etwas Federn in den Knien, auch wenn der Waldboden schon gutgehend dämpft. Zwischen Weg und Kanal liegen Pferdeweiden, Gärten und kleine Gehöfte, einige tapfere Obstbäume halten ihre leuchtend weißen Blüten ins fahle Nachmittagslicht und die Pfützen auf dem Weg empfehlen uns manchmal an dessen äußersten Rand.

Alte Dorfstraße in Wernsdorf

Die Bucht vor der Schleuse wird im eleganten Bogen von einer gut befestigten Uferkante aus grobem Schotterbruch eingefasst. Direkt an der Schleuse ruft ein vergehendes Wirtshaus vergangene Zeiten wach, und in Verbindung mit dem Rauschen des Wasserfalls flammt kurz so etwas wie Hafenflair auf. Mit ein wenig Zickzacklauf lässt sich jenseits der Brücke der alten Dorfstraße nachspazieren, die teils noch unbefestigt ist und zuletzt direkt am schönen Dorfplatz endet. Gegenüber zieht das halbe Dorf zum örtlichen Krug, der hell erleuchtet ist, und wird wohl bis weit in die Nacht Tante Hannelores Achtzigsten feiern. Die passende Musik dringt schon gedämpft durch die Fenster und bringt drinnen die ersten beblusten Oberkörper ins Schwingen.








Anfahrt ÖPNV (von Berlin): mit Bahn bis Schönefeld oder Königs Wusterhausen, dann Bus (ca. 1-1,25 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): übers normale Straßennetz (ca. 1 Std.)

Länge der Tour: ca. 15 km (Abkürzungen vielfach möglich)


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Gosener Hauswiesen (PFD)

Informationen zu Neu Zittau

Neubrück: Laute Schirme, leuchtendes Moos und die Spree in Eile

Nach mehreren nassen Tagen ist auch für heute Regen angesagt, und zwar von früh bis spät und dann noch weiter. Das Wetterradar zeigt fast nur drohend dunkles Blau. Kein Tag also, an dem man unbedingt rausgehen möchte.

Wasserwanderrastplatz, Neubrück an der Spree

Die Vorboten des Vorvorfrühlings zeigen sich hingegen zustimmend, nehmen die Durchtränkung des oberen Bodens dankend an und senden in den mildesten Momenten des Tages schon mal duftende Hoffnungsschimmer für alle Wintermüden aus. Ein kleiner Duft von allererstem Wachstum und aufgebrochenem Erdreich, freigelegt durch einen kurzen Sonnenstrahl. Oder die Senke eines winzigen Bachsals, dessen im Tiefen hängende Frischluft kurz aufgewirbelt wird.

Im Walde südlich von Neuhaus

So grau der Tag ist, betont er umso mehr jede Schattierung von Grün. Das gilt schon für die weiten Wiesen zwischen den Waldstücken, im Wald dann noch mehr für das gründunkle Nadelwerk oder von Flechten bedeckte Ästeleien. Die weiten Moosteppiche schließlich sind vom tagelangen Niederschlag aufgeladen und quietschen ihr kräftiges Grün regelrecht heraus, leuchtend und intensiv wie eine Neonreklame. Obendrüber sind immer wieder all die großen Vögel zu hören, welche der Landstrich bietet. Das ist in dieser Ausfertigung eher ungewöhnlich für die Spree – doch zur Oder ist es ja nicht weit. Doch von wo eigentlich?

Die volle Spree unweit des Wehres, Neuhaus

Nördlich von Beeskow kommt die Spree ins ausladende Mäandern, schlägt große Bögen von einem Waldrand zum anderen und sorgt so für weite Wiesen, die als Auwiesen durchgehen sollten. Leicht hügelig ist das Gelände, und so ergibt sich ein liebliches und einladendes Landschaftsbild, wo es an jeder zweiten Wegscheidung schwerfällt, sich für einen der Wege zu entscheiden. Bevor der Fluss von Nord auf West dreht und den Oder-Spree-Kanal ein ganzes Weilchen unterbricht, passiert er Neubrück, später noch Drahendorf, beides hübsche Dörfer.

Aufgemoppelter Saalbau nahe der Schleuse, Neuhaus

Neubrück

Wobei Neubrück schon deutlich Niederlausitz atmet. Die ist zwar noch eine Ecke entfernt, doch manches an diesem Dorf erinnert an verschiedene Stellen dort. Neubrück hat zwei Kerne, deren östlicher Neuhaus heißt. Dort liegt mit der hübschen kleinen Zugbrücke die Schleuse, in deren Süden der Wergensee. Vom Ortsausgang führt ein Sträßchen auf direktem Wege nach Müllrose. Einmal der schnurgeraden Dorfstraße in die Gegenrichtun gefolgt landet man im eigentlichen Ortskern mit der Spreebrücke und dem direkt benachbarten Café. Bushaltestellen haben beide Ortsteile.

Plausch an der Schleuse, Neuhaus

Eine der eigenen Erfahrungen, die an die Niederlausitz denken lassen, sind die ganzen Frühblüher, die es hier Mitte Februar schon zu sehen gibt. Neben den gelben Winterlingen, den weißen Schneeglöckchen und den zumeist violetten Krokussen finden sich sogar schon ein paar allererste Märzenbecher, die von Bauform und Design her so formvollendet und anmutig sind, dass es sie eigentlich in Wirklichkeit gar nicht geben kann. Wer noch nie mit so ein Blümchen auf Augenhöhe war, dem kann ich dieses in die Knie gehen nur empfehlen.

Neuhaus

Die Schleuse liegt still unter dem kaum vernehmbaren Rauschen des Niesels, kein Mensch ist zu sehen und die Vorstellung eines ausgedehnten Plausches übern Gartenzaun gerade noch weit weg. Mit etwas Phantasie kann man sich das kleine, bunte Treiben vorstellen, das Klappern von Paddeln auf Bootsleibern, auch das Grün und die Farben der nahenden Monate.

Kurz hinter der Schleuse steht ein halbwegs eleganter Saalbau, der vor gut zehn Jahren noch eine Baustelle hinter staubigen Scheiben war. Heute sind Fassade und Fenster hergerichtet, der Raum ist durchaus mondän zu nennen. Mit Durchblick in den Garten durch hohe Bogenfenster, über der sparsamen und ausgesuchten Möblierung ein Emporengang, der über elegante Wendelstufen zu erreichen ist. Ein schöner Ort, der hier zum Leben erweckt wurde.

Eilige Spree zwischen Neuhaus und Neubrück

Die Straße Zum Wehr strebt direkt zur Spree, die gleich hinter dem Wergensee fließt und mit diesem das Wasser teilt. Voraus sind Gänse zu hören, die über dem Fluss ihre Bögen ziehen, auch viele Enten sind in kleinen Trupps in der Luft unterwegs. Die Spree führt gut Wasser, rauscht nur wenige Zentimeter unterhalb eines Betonsteges entlang und ist zügig unterwegs, wie sich am besten auf der Flussmitte erkennen lässt. Gelandete Enten finden sich gleich ein paar Meter weiter wieder, ihr mitteilsames Schnattern klingt dementsprechend empört. Gegenüber im zerrupften Winterschilf steht ungerührt ein Seidenreiher im Profil, bleibt unbewegt und erhebt sich eine Minute später ohne Vorwarnung und ohne Anlauf in die Höhe.

Die Spreeufer sehen auf beiden Seiten zerzaust aus, hier und dort setzt sich das Wasser über die eigentliche Uferkante hinweg und tränkt knöcheltief den Rand des buckeligen Weidestreifens, der übersät ist von gewagten Maulwurfshaufen. Ein einzelner Baum mit charismatischer Schieflage betont noch das wilde Erscheinungsbild des Flusses. Der Weg entlang des Weidezauns ist untergepflügt oder derzeit nicht erkennbar, doch etwas weiter im Inneren gibt es noch eine Alternative.

Eiscafé im Februar

Neubrück

So oder so landet man am Rand von Neubrück und kommt bald beim weitläufigen Wasserwander-Rastplatz heraus, der auch gut als Festplatz taugen dürfte. Zwei Pavillons sind passend wie selten und verschieben die erste Pause des Tages etwas nach vorn – so eine Gelegenheit sollte man an diesem nassen Tag nicht verstreichen lassen.

Eiscafé im Mai

Die Wiese der Uferböschung ist der Tummelplatz einer kleinen Horde von Hühnern, die einigen Jux mit ihrem Gockel treiben, neugierig ausbüchsen oder konspirativ die Köpfe zusammenstecken, wenn er gerade den Blick woanders hat. Er versucht die Lage durch planfernes Herumstelzen zu regulieren, doch letztlich bleibt es dabei, dass er sein Mühen hat und die Mädels ihren Spaß.

Deichweg bei Neubdrück

Vom Rastplatz sind es nur ein paar Schritte zur urigen Terrasse des Eiscafés, das es hier schon eine ganze Weile gibt. Die grobhölzerne Stallage vermittelt eine Prise Südstaatencharme. Direkt unterhalb liegt ein kleiner Anleger, ideal für Kajaks und Kanus. Heute trommelt der Regen aufs Terrassendach, doch die kreidebeschriebene Karte hängt verheißungsvoll draußen und ist bereit dafür, dass bei passendem Wetter und Gastaufkommen sofort geöffnet werden könnte. Pfirsicheisbecher – heute noch wenig interessant, doch schon bald ein gängiges Ziel der Begierde. Heute wäre das eher ein heißer Kakao, gern auf der Terrasse.

Wiesengrund des Langgrabens

Von der Brücke bieten sich erhebende Blicke auf die Kurven der Spree und einiger Nebengewässer, deren Flächen ebenso dunkelsilbrig spiegeln. Direkt nach der Brücke lässt sich abbiegen auf einen reizvollen Deichweg. Der umrundet eine weite Wiesenbucht, die einiges vor der Jahrtausendwende auch noch geflutet war. Heute liegt sie als Wiesensenke, die man besser nicht ohne Gummistiefel queren sollte.

Blick in den Wiesengrund des Langgrabens

Wohltuend farbkräftig ist es nach all dem Fahlen und Blassen im nächsten Wald. Fast überall am Boden ist es grün, das meiste davon das erwähnte Moos, welches saftig, farbgesättigt und fast schon aufgeplustert all die kleinen Buckel zwischen den Kiefernstämmen bedeckt. Die wiederum sind kräftig braun, ähnlich die beiden Wegespuren, und alles zusammen ergibt im augenschmeichelnden Kontrast und gemeinsam mit der nadeligen Waldluft etwas ungemein Wohltuendes für die gesammelte Wahrnehmung.

Farbgesättigter Wald vor Raßmanndorf

Ein Wäldchen weiter quert ein Wasserlauf den Weg, schmal und kaum im Fluss, doch durchaus unterwegs, und zwar in Richtung Spree. Schnurgerade über die weite Wiese kommt er, verweilt kurz in einem von Gras-Köpfen besiedelten Tümpel und setzt sich im Wald mit ganz neuem Charakter fort – leicht dramatisch, in kleiner Schlucht und von gestürztem Astwerk verwühlt. So klein das Wässerchen ist, gestaltet es doch die ganze weite Wiese, fast bis hin zur Straße.

Wäldchen mit Weißmooseppich

Raßmannsdorf

Der gerade Waldweg führt vorbei an einer dicht bestandenen Schonung, deren Boden lückenlos von Weißmoos bedeckt ist. Es scheint regelrecht hindurch in all dem Grün und Braun. Kurz hinter dem winzigen Friedhof beginnt Raßmannsdorf, ein beschauliches Straßendorf. Beim Dorfausgang gibt es eine kleine Pension mit hübscher Außenanlage, die laut Aushang offen haben soll.

Wahrhaftig ist auf den zweiten Blick Licht zu sehen, sogar ein junges Pärchen, das im Kaminzimmer sitzt, und nach kurzem Gedankenschluckauf sitzen auch wir dort, warm und trocken. Ist es doch ähnlich erstaunlich, dass an einem solchen Tag jemand sein Café offen hat und an einem solchen Tag auch Spaziergänger des Wegs kommen. Das verdient Respekt in beide Richtungen.

Die regennasse Spree im Februar, Spreebrücke Raßmannsdorf

Auch wenn nichts brennt und knastert, ist es sehr gemütlich jetzt in dem formvollendet möblierten Raum. Der Herr hinterm Tresen ist behende und ebenso elegant wie die stilvolle Einrichtung und sollte hier als Accessoire niemals fehlen. Ergänzt wird er durch eine herzlich brandenburgernde Dame, die eher von hier stammen dürfte als er.

Ein betagter Mops liegt viel lieber auf dem Fußabtreter als auf seiner Decke, fordert von jedem neuen Besucher einen Ausfallschritt und inspiziert dann jeweils hinterm Tresen die Bestände. Das erneute Hinlegen braucht ein paar Sekunden, bis schließlich alles passt und kurz über den kinnstützenden Pfoten die Augen mopstypisch gelangweilt verdreht werden.

Paddler im Frühsommer, Spreebrücke Raßmannsdorf

Von der zweiten Spreebrücke sieht der Fluss gleich noch etwas breiter aus, die Ufer sind von Bäumen bestanden und die Tropfen treffen jetzt dichter auf die Wasseroberfläche. Überall hier gibt es noch Altarme oder Reste davon, die auf der Karte sichtbar machen, wie es mal war oder werden könnte. Weite Auwiesen erstrecken sich, oft beiderseits der Spree, die hier Kraft ihrer Breite ein wenig ruhiger strömt. Der Regen wird nun immer stärker, umso schöner, dass eben etwas Zwischentrocknung möglich war.

Trocken und warm im Café, Raßmannsdorf

Dank der historischen Flusskurven fällt der Blick sogar dann auf Wasser, wenn die Spree weit hinten fließt. Die erste Abkürzoption wird verworfen, nicht zuletzt, da ein herrlicher Deichweg lockt, der leicht oberhalb der Spreewiesen seinen Bogen zieht. Mal geht es durch älteren Wald, dann wieder durch Heidelandschaft, die lose von niedrigen Kronenkiefern durchstreut ist, welche mit ihren tiefsten Ästen den sandigen Boden nadelfrei gefegt haben. Überall wächst struppiges Gras, oft auch Heidekraut, und so lässt sich vor der geistigen Nase gerade gut der Duft anderer Jahreszeiten vorstellen. Bald säumen altgewachsene Kiefern den Weg, zum Teil in bizarrer Gestalt.

Waldheide am Rand der Spreeauen

Vor dem Schwarzberg nutzen wir dann die zweite Abkürzoption, denn der Regen wird nicht weniger, außerdem ist der Weg entlang des weitgehend trockenen Bruchwaldes sehr einladend. Hier und da stehen meterdicke Eichen, dann und wann auch mal eine Gruppe wohlgewachsener Fichten.

Weg zum Schwarzberg

An einer Wegekreuzung kommt von links ein Wiesenweg vom Gipfel des Schwarzberges. Wenig später öffnet sich am nächsten Altarm eine wildwüchsige Wasserwelt voller Erlen, in deren dunklem Gewirr von Braun- und Grautönen ein einzelner Schwan den eindrucksvollsten Lichtpunkt des Tages setzt. Von drei verschiedenen Seiten ist kurz nacheinander ein Specht zu hören, diesmal mit diesem verklingenden Einzelton.

Am Fuß des Schwarzberges

Eine altbekannte Alternative zum geraden Hauptweg ist zugewachsen, doch kurz darauf lockt ein neu entstandener Nadelweg mit breiter Wiesennarbe unwiderstehlich in den flussnahen Wald. Ein kurzes, bezauberndes Stück erschaffen hohe Fichten und ein Paar Wegschlenker den schönsten Märchenwald, das Moos am Boden tut das übrige.

Bald beginnt ein kleiner Deich, der den Wald abgrenzt hin zu einer feuchten und undurchdringlichen Halbinsel, welche ein Paradies für eine Menge von Tieren sein dürfte. Der Blick auf die Karte zeigt, dass sich beiderseits der Spree, gemeinsam mit den Auwiesen und Altarmen und ebendieser Halbinsel am Wergensee, eine große, fast unzugängliche Fläche aufspannt. So erklärt sich zum Ende der Tour die große Zahl und Vielfalt von Wasservögeln am Anfang des Tages.

Stiller Altarm der Spree

Dank Regenklamotten und leichtem Schirm, nicht zuletzt auch dank der trockenen Kaffeepause zur Halbzeit hat die Laune den Tag über kaum gelitten. Im Märchenwald vorhin kam in einer Regenpause sogar kurz ein verhaltener Sonnenstrahl durch bis zum Boden und fachte die Vorfreude auf mehr davon an.

Märchenwald vor Neuhaus

Auf den letzten Metern wird das jetzt rabiat korrigiert, als bei der sandigen Badestelle kurz vor Neuhaus der Wind in Rage gerät und so auf den See haut, dass selbst am Ufer noch das Wasser spritzt. Die Idee vom Tässchen Tee auf der Strandbank ist sofort wieder vom Tisch und auch der Blick über den aufgewühlten See fällt kurz aus, denn die Schirme knattern jetzt bedrohlich. Noch lauter als dieses ganze Spektakel sind nur zwei Gänse, die weit oben über den See ziehen und Lärm für zwölf machen.










Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
über Fürstenwalde, Müllrose, Jacobsdorf oder Grunow, dann weiter mit Bus (ca. 2,5-3 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): Autobahn bis Fürstenwalde Ost, dann Landstraße (ca. 1,5-2 Std.)

Länge der Tour: ca. 13 km (Abkürzungen möglich)


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Informationen zu Neubrück

Einkehr: Eiscafé an der Spreebrücke, Neubrück
Café Pension Alwine, Raßmannsdorf

Ferch: Bunte Buden, die starke Palme und Prozente in den Treppen

Das neue Jahr schien froh darüber, dass das alte mit den vielen Zweien im Namen nun endlich den Ausgang gefunden hatte, vom Hof und wirklich außer Sichtweite war. Vor lauter Erleichterung kam es mit Frühlingsgefühlen daher – verständlich irgendwie, doch ebenso fehlplatziert. Mild ging es zu und die Amsel sang sich schon früh am Morgen die Seele aus dem Leib – doch eigentlich liegt der Großteil des Winters ja noch voraus.

Treppe zum Ufer am Rand von Ferch

Der liebe schwarze Singvogel, den man mit solch rührenden Melodien für gewöhnlich erst im März hört, kennt das nun schon ein zwei Jahrzehnte, verfügt im Genpool zudem über epochenalte Erfahrung. Nicht zuletzt haben Amseln noch die Tageslänge als Zweitkriterium für die Jahreszeit und fügen sich somit nur dem ganz normalen Wahnsinn evolutionären Geschehens.

Beim Strandbad Ferch

Beim weltweiten Krisengeschehen haben sich die Regler der Wahrnehmung und infolge die Gewichtung im Vergleich zum letzten Januar markant verschoben, auch jetzt scheint irgendeine Form von Aufatmen wieder auszufallen. Vieles Gewohnte ist Geschichte, vom Großen bis ins Kleinste, und manch Ritual im Jahreskreis wird in diesem Jahr Veränderung erfahren oder Ersatz oder Verkleinerung.

Blick auf den Schwielowsee vom Aussichtsturm Wietkikenberg

Die Gewöhnung erfolgte auch in der Hinsicht, dass man sich an ein paar Grad weniger in den Aufenthaltsräumen des Tages besser als gedacht gewöhnt hat, der Griff zum zweiten Pulli oder der Daunenweste schnell verinnerlicht war. Als Nebeneffekt lässt sich beobachten, dass bei denselben paar Grad weniger die Winterhaut in dieser unterkühlten Heizperiode weniger cremende Zuwendung fordert.

Alte Eichen am Abstiegsweg

In der Mitte hat der Januar dann zu seinen altbewährten Qualitäten zurückgefunden, wegen denen er für viele Leute gut verzichtbar wäre – grau, klamm, auch krauchkalt und scheinbar endlos. Auf der anderen Seite lässt sich nun von Tag zu Tag zu beobachten, wie es immer länger hell bleibt, ferner gibt es an lichten Tagen dieses besondere Licht, das nur in den ersten Wochen des Jahres zu sehen ist. Gut dran ist, wer an einem solchen Tage frei hat und ausschwärmen kann, ganz gleich ob durch die Stadt oder raus aufs Land.

Fällt der freie Tag auf einen durchschnittlich blassen Januartag, an dem kein vernünftiger Mensch freiwillig das Haus verlassen würde, kann es nicht schaden, etwas Ablenkung und pittoreske Szenerien ins Spiel zu bringen, vielleicht auch ein klassisches Touristenziel.

Aufstiegspfad vom Strandbad Ferch

Schwielowsee

Eine der weithin bekannten Ausbuchtungen der Havel ist der Schwielowsee südlich von Potsdam, an dessen Ufer brandenburgmäßig gesehen nur Orte der Sonderklasse liegen, die allesamt etwas von Urlaubsort verströmen. Petzow mit dem Schloss, dem schönen Lenné-Park und seiner Lage zwischen zwei Seen, den Sanddornbau und den schnurgeraden Weg zum Fähranleger nicht zu vergessen. Oder Baumgartenbrück mit dem rustikalen Gasthaus, gelegen unterm Uferhang.

Treppe hinab zum Strandbad Ferch

Vor allem aber sind es Caputh und Ferch, die reich sind an bildlustigen Szenerien und Orten, gleichermaßen sind hier Natur und Kultur im Spiel. Das Hübsche, Anmutige zieht sich nicht lückenlos durch die Ortschaften, tritt mal vereinzelt, mal gehäuft auf, doch selten durchgängig. Und macht das Gesamtbild gerade sympathisch, eben weil es lebensecht ist. Erstaunlich sind auch so einige Anstiege, teils mitten im Ort und zumeist über lange Treppen mit Blickeslohn am oberen Ende.

Inspirations-Kanzel, Ferch

Ferch

Während im Fährort Caputh mit seiner langen Uferpromenade dank des schön gelegenen Strandbades auch etwas sympathische Club-Kultur mitwirkt, strahlt Ferch mit dem historisch verbürgten Alleinstellungsmerkmal als Havelländische Malerkolonie – was viel Klang hat. Es ist nicht durch und durch Künstlerort wie Worpswede, Ahrenshoop oder Murnau, das ganz normale Leben überwiegt hier klar. Auch kunstschufen die Maler am Südende des Schwielowsees weniger als Interessenverband denn jeder nach seinen Vorlieben. Wer seiner Neugier freien Lauf lässt und einfach durch den Ort streift, kann an vielen Stellen auf die Sprengsel dieser Zeit treffen, deren Bezüge bis ins heute reichen – noch immer wird hier gemalt und ausgestellt.

Schwielowsee im Januarlicht, Ferch

Wie es so ist mit hübschen Künstler- oder Urlaubsorten, steht ihnen der Sommer am besten, wenn die Üppigkeit der Natur ihren Höchststand erreicht hat. Dann ist von allem reichlich da – Farben, Formen, Wahrnehmungen – und luftig flatternde Kleidchen oder leicht schräg sitzende Strohhüte, die exemplarisch für allen Zierrat der Kleidung stehen sollen, machen einen jeden Menschen zum brauchbaren Beiwerk eines Bildes.

Promenade in Ferch

Kommt man im Jahreskreis gesehen diametral entgegengesetzt im Monat Januar, sieht es grundlegend anders aus. Der Ort liegt im Winterschlaf, nicht leblos, doch ruhend, und die augenfälligsten Farbakzente kommen von Straßenabsperrungen oder Flatterbändern. Der weite Schwielow schiebt seine eisigen Wogen auf den Strand, die Stege sind fast leergeräumt und der störrische Wind treibt sein Spiel mit den Abdeckplanen. Der große Dampferanleger wird gerade für die Saison ertüchtigt und ist bis dahin tabu für jegliche Passanten.

Plankenweg durch die Fercher Wiesen

Die paar Leute, die sich rausgetraut haben, eilen nach vorn gebeugt oder geduckt, sind vornehmlich praktisch und meist im Spektrum zwischen Dunkelbeige, blaugrau und schwarz gekleidet. Und sehen zu, dass sie schnellstens die nächste Gemütlichkeit aufspüren und das verhuschte Tageslicht hinter schützendem Panoramaglas betrachten. Keine Kioske und Eisbuden sind offen, keine weißen Segel auf dem See und kein Getümmel an den Stegen und auf den Promenaden. Keine Oberarme, Unterschenkel oder lackierten Fußnägel nirgends.

Uferweg nach Mittelbusch

Mit etwas Jagdeifer und gutem Willen kann man sich jetzt drängelfrei durch Wege und Gassen treiben lassen und mit jeder Minute mehr und mehr Farbkleckse im Ortsbild aufspüren. Der Ort am Hang lebt in mehreren Etagen, und zwischen den untersten Häusern mit ihren kuschlig verwunschenen Gärten und einigen neuzeitlichen Geldwürfeln mit viel Glas und rechten Winkeln hocken hier und da im Hang kleine, hinreißende Bungalows mit entsprechenden Gärtchen voller Seele.

Stege in Mittelbusch

Bleibt man vor so einer Bude stehen und lässt die Phantasie frei, kann man sich bestens die Malerin in ihrem beklecksten Kittel vorstellen, wie sie früh am Morgen auf dem Bänkchen an der Hauswand schnell noch einen heißen Kaffee schlürft, in Gedanken schon den Pinsel in der Hand, und noch vor der Sichtung des Tassenbodens loslegt, nichts vom besonderen Licht dieser Tageszeit umkommen lässt. Wer umherstreift, findet ungewöhnliche Dachformen oder Häuser, die komplett in wonnigen Farbtönen gestrichen wurden, entdeckt sehenswerten Zierrat in den Fensterkästen oder nordisch anmutende Gassenschluchten hinab zum See.

Gruß aus dem Süden 1, Mittelbusch

Caputh

Wer mit der Bahn anreist, ohnehin in Caputh-Schwielowsee in den Bus umsteigen möchte und reichlich Zeit und Tageslicht im Plan hat, könnte zur Einstimmung einen Zwischenhalt in Caputh einlegen. Direkt vom Bahnhof ist man in ein paar Minuten an der Uferpromenade und geht entweder links zur Aussichtsplattform oder rechts etwas weiter bis zum schönen Kiosk. Nochmal fünf Minuten sind es bis zum Fähranleger, wo man herrlich sitzen und gucken kann.

Waldrücken bei der Alten Dorfstelle

Auch am etwas oberhalb der Fähre gelegenen Café gibt es einen Stehtisch, von dem das Fährgeschehen sichtbar bleibt, an allen übrigen Tischen lassen sich aber auch einfach so schöne Augenblicke verbringen. Die Stunde zwischen Zug und übernächstem Bus kann ausreichen, wenn man das will, auch zwei Stunden ließen sich gut mit genießerischem Müßiggang dieser Art vertrödeln.

Zurück nach Ferch: ließe sich also in den grünen Monaten mit den langen Tagen auch locker ein Tag allein im überschaubaren Ortsgebiet verbringen, indem man sich erst hier hinsetzt und auf den See schaut, dann da die Fischerkirche besucht, sich danach dort hinsetzt zum Leute gucken und später dann dem Japanischen Bonsaigarten oder dem Museum einen Besuch abstattet, würde das im Januar keinen allzu runden Tag abgeben. Auch die Option auf einen Sprung ins Wasser wird dieser Tage nur die Wenigsten reizen.

Quellgrund an der Alten Dorfstelle

Doch die Landschaft rund um das Fischerdorf gibt mit dem See und seinen Uferwegen, den umliegenden Wäldern und einigen steilen Höhen auch einigen Unterhaltungswert her, was zugleich dafür sorgt, dass der Körper regelmäßig auf Betriebstemperatur kommt. Eine erste Möglichkeit bietet gleich gegenüber des Strandbades der Terrassenweg. Am Ende der langen Treppe steht man zwanzig Meter über dem See und hat je nach Jahreszeit mehr oder weniger Aussicht auf seine Süd-Nord-Ausdehnung.

Steilpfad durch die Siedlung Alte Dorfstelle

Unten spielt derweil der Fercher Uferweg, der vom Strandbad entlang zahlreicher Bootsstege zum Dampferanleger und weiter bis zum Ortsrand führt, mit verschiedenen Arten von Ortsbild, wozu maßgeblich der steile Hang, der von Lattenzäunen gesäumte Weg sowie der Uferstreifen beitragen, der sich hier fast als Küstenstreifen empfinden lässt.

Finaler Anstieg zum Wietkikenberg

Der Seeweg endet am feuchten Wald der Fercher Wiesen, die ein paar Rinnsale zum Schwielow entsenden, auch ein größerer Bach aus den südlichen Wäldern nutzt die Wiesen als Transitstrecke. Zum trocken bleibenden Fuß verhilft ein ansehnlicher Plankenweg, der seinen Bogen durch den Bruchwald schlägt.

Mittelbusch

Danach setzt sich der Uferweg unterhalb des ausgeprägten Hanges fort, bald mit ersten Rückblicken zum Dorf. Wer die nördliche Siedlung Mittelbusch abkürzen will, kann gleich am Ende der Planken links dem Wegweiser folgen. Wer hingegen noch Lust auf ein paar Stege, etwas Uferpromenade und ein bayrisch geschminktes Haus hat, schlägt den kleinen Extrabogen.

Aussichtsturm auf dem Wietkikenberg

Neue Scheune

Nach einem Haken um die Siedlung Neue Scheune sind die Schritte im Wald nun lautlos und der Charakter des Geländes kündigt sich im sanften Auf und Ab an. Die Wege werden nach und nach schmaler und erklimmen schließlich kleine Höhen, die hoch genug für schöne Blicke hinab zum Talgrund und der nächsten Waldsiedlung sind.

Rundumblick vom Wietkikenberg

Oben im Wald wiegt der Wind die kahlen Wipfel hin und her, lässt die Stämme vereinzelt zusammenschlagen oder gnietschend aneinander reiben. Keine Geräuschkulisse für die späte Dämmerung, doch die Sonne steht noch hoch, auch wenn man das nur weiß. Das Rauschen da oben lässt an Küstenwald denken.

Alte Dorfstelle

Unten breitet sich ein weites Schilf- und Wiesenland aus. Hier liegt mit diffuser Koordinate der Ursprung des Baches, der vorhin am Rand von Ferch den Bruchwald querte. Der kleine Abstieg von eben war nichts im Vergleich zum unvermittelten Anstieg durch die Gärten, der ab der zweiten Hälfte richtig knackig ist. Ganz schön dann, als es vom höchsten Punkt gänzlich eben weitergeht. Zumindest kurz.

Fichtenwald im Abstieg

Denn schon nach der nächsten kleinen Siedlung und dem Queren der Landstraße beginnt sanft, doch beständig der nächste Anstieg, der nun zunächst die 100er-Marke anpeilt. Durch lichten Wald mit grasigem Boden windet sich der Weg und legt schließlich auf der Zielgeraden noch ein paar Steigungsprozente drauf. Zum Lohn sind die letzten Minuten zum Gipfel fast steigungsfrei und stellen das Objekt der touristischen Begierde direkt in den Blick.

Wietkikenberg

Der niederdeutsch benamste Gipfel stützt die nordischen Empfindungen dieses Tages und ist mit seinen fast 125 Metern Höhe für brandenburgische Relationen schon ein ordentliches Kaliber. Ein einstiger Feuerwachturm wurde vor zehn Jahren von einem Antennenmast abgelöst, um dessen untere Hälfte eine metallene Treppe gewickelt ist. Die überdachte Plattform liegt oberhalb der Baumwipfel und zeigt sich nebenher informativ. Erstaunlich wie immer auf solchen Türmen ist die Weite des Waldmeeres, eindrucksvoll auch die Dimension des Schwielowsees und der benachbarten Havelbecken.

Talscharte kurz vorm Schwielowsee

Zum und vom Gipfel führen eine Menge Wege. Jeder von ihnen wirft in den Minuten während unserer Pause einzwei Leute aus, und so ist es für hiesige Verhältnisse und in Mischung mit dem trüben Wetter fast schon trubelig in der Waldeinsamkeit.

Dank der vielen Möglichkeiten kann man die Höhe fast Luftlinie nach Ferch verlassen, wahlweise auch im weiten Bogen oder im noch viel weiteren Bogen, der einige Reize zu bieten hat. Darunter ein kleiner Abschnitt mit mittelgebirgig anmutendem Fichtenwald, ferner ein kleiner Talgrund auf der Höhe und zuletzt der herrliche Pfad durch eine Geländescharte, die ausgeprägt ist wie ein Bachtal und bedeckt wird von einem lückenlosen Laubteppich. Ein paar Bäume liegen quer vom letzten Sturmwind und halten den Muskelapparat bei Laune.

Gruß aus dem Süden 2 am Strandbad Ferch

Der Tag hatte anfangs ein paar helle Momente, hat sich jedoch von Stunde zu Stunde mehr eingeschmollt und hockt jetzt grau überm See. Auch der Wind hat zugelegt, sorgt für einzelne Schaumkronen auf dem See. Beim Anblick des fahlen Strandes hilft jetzt auch starke Phantasie nicht für die Vorstellung heiteren Badegetümmels mit der Mischung von Sonnencreme und Zigaretten in der Luft oder abgestürzten Eiskugeln auf dem Sandalenfuß. Auch die unverzagte Palme am Strandpavillon kann da nichts ausrichten.

Kurze Gasse im Fischerdorf Ferch

Alles zieht uns jetzt in die gemütlichen vier Wände im Ort gleich unterhalb des Dorfbackofens, die auch in der Sauregurkenzeit die Fahne hoch halten und den Herd bei Hitze. Hunger ist längst da, bei der Kälte und dem vielen Rauf und Runter. Durch Glas schauen wir versonnen aufs unwirtliche Geschehen da auf dem See, während oben auf dem Glasdach kleine Äste herumtanzen und wie Regentropfen klopfen, bis schließlich der echte Regen übernimmt.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
Regionalbahn über Potsdam oder Werder, zuletzt Bus (1,25-1,5 Std.), optional über Caputh (Regionalbahn oder Bus ab Potsdam)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über B1 (via Potsdam) oder über Autobahn (ca. 1-1,5 Std.)

Länge der Tour: ca. 11 km (Abkürzungen möglich)


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Informationen zu Ferch

Aussichtsturm auf dem Wietkikenberg

Havelländische Malerkolonie

Strandbad Ferch

Einkehr: Bootsklause (auch im Winter geöffnet) sowie div. weitere Betriebe in Ferch
Haus am See, Mittelbusch
Wildschweinbäckerei (etwas südlich außerhalb, etwas teurer)

Strausberg: Olle Kamellen, verdeckte Esel und die Libelle auf der Stirn

Irgendwem ist beim virtuos dargebotenen Mischen der Monatskarten wohl der ganze Stapel aus der überforderten Hand geflogen und unkontrolliert flatternd in sieben Ecken geschnibbt – nachdem man im September schon mal wochenlang fürs Frösteln üben konnte, hat der Oktober permanente Wonnebäckchen aufgelegt und dafür gesorgt, dass Freibäder länger geöffnet bleiben und wohlschmeckende Eiskugeln weiterhin hoch im Kurs standen.

An der Nordspitze des Stienitzsees

Dicht anliegende Pellen wie Schals, Handschuhe oder Mützen verschwanden wieder in ihrem Fach, die dicke Jacke, nun schon mal draußen, bekommt noch etwas Aufschub. Trotzdem beginnt jetzt die Zeit, in der man thermomäßig selten sinnvoll bekleidet ist, daher öfter mal friert oder vorübergehend in Hitze gerät. Im Wesentlichen begann das am 1. Oktober und endete am letzten des Monats mit einem kleinen, doch zäsurhaften Temperaturrutsch.

Uferweg bei Hennickendorf

Der November ist nun da. Grau, trüb und schmuddlig ist er noch nicht, beginnt eher als freigiebiger Schöngeist im oktoberschen Sinne mit reichlichen Resten leuchtbunten Laubes und den dazugehörigen Düften und Tönen. Auch die fernreisenden Vogelscharen zeigen sich noch unentschlossen zwischen Bleiben, duldsamem Aussitzen oder die Flatter machen. Entschlossen hingegen ist die schnell hereinbrechende Dunkelheit, und zwar schon vollumfänglich zur Zeit des Fünf-Uhr-Tees.

Auch wenn in diesem Winter jeder frostlose Tage gern gesehen ist, sehnt man sich doch nach trüben, einsamen Weiten in still ruhenden Landschaften, die nur in Erdtönen arrangiert wurden. Dass in den Zeiten früher Abenddämmerung, insbesondere nach der Zeitumstellung draußen weniger Leute unterwegs sind, ist hier ein Fakt, der noch mehr Stille beschert – sowohl fürs Auge als auch fürs Ohr. Wer also die Einsamkeit im Sinne von wenigen Begegnungen mit Artgenossen sucht, hat jetzt beste Bedingungen.

Entlang der Langen Dammwieen

Unteres Annatal

So betrachtet darf man so mutig sein, allseits bekannte Ausflugsziele und Spazier-Reviere aufzusuchen, denn viele Menschen geben in diesen Monaten an freien Tagen ihren oder irgendwelchen anderen vier Wänden klar den Vorzug. Ein berlinnaher Klassiker, den wohl jeder kennt, der hin und wieder ins Umland ausschwärmt, ist das Annatal bei Strausberg. Dessen Reiz, Schönheit und Besonderheit werden sich wohl niemals abspielen, einen vielmehr bei jedem Besuch mit derselben Kraft und Wirkung erwischen. Die Anna heißt mit bürgerlichem Namen Rüdersdorfer Mühlenfließ, Anna an sich oder Annafließ ist eher ein Kosename, freilich ein sehr schöner.

Aufstieg zum Wachtelkamm, Hennickendorf Nord

Die meisten Leute, die für einen Ausflug ins Annatal fahren, meinen vermutlich die Langen Dammwiesen, mit denen der Lauf der kleinen Anna südlich der Regionalbahntrasse dicht verknüppert ist. Für eine wohlige und abwechslungsreiche kleine Runde bietet sich die Umrundung dieser wasserreichen Wiesen an, die landschaftlich an sich und auch an jeder neuen Ecke unerhört schön sind.

Waldweg an der östlichen Flanke der Dammwiesen

Strausberg

Unweit vom Bahnhof Strausberg, dem südlichsten der vier Strausberger S-Bahnhöfe, ist es nicht weit zum Bahnübergang, an dem einer der schönsten Einschlüpfe ins Naturschutzgebiet liegt. Vom Gefühl her sind die Schranken an 34 von 60 Minuten unten, was rechnerisch durchaus hinkommt. Die S-Bahn fährt alle zwanzig Minuten, also für beide Richtungen sechs Züge, dazu kommt noch die Regionalbahn in Richtung Küstrin, macht nochmal zwei Züge pro Stunde. Die Schranke ist großzügige vier Minuten unten, mal acht ergibt 32. Also gar nicht so schlecht geschätzt und dabei noch keine Güter- und sonstigen Züge berücksichtigt. Doch man steht hier ganz gut, es gibt bequeme Geländer, an die man sich lässig zurücklehnen kann. Und meistens irgendwas zu kieken oder notfalls auch zu tratschen, wenn’s mal deutlich länger dauern sollte.

Umso schöner ist der Lohn, wenn man direkt hinter der Schranke abbiegt und sofort in schönste Landschaft eintaucht. Links ist die laubbedeckte Böschung mit ihren Bäumen so hoch, dass sie als Bahndamm umgehend vergessen ist, rechts flankiert der rustikale Lattenzaun einer kleinen Waldweide die blätterbedeckte Pfadspur. Man ist sofort drin, Strausberg, so schön es ist, erstmal vergessen.

Einstieg vom Bahnübergang

Bei der Alten Walkmühle setzt sich gleich das Mühlenfließ in Szene, kommt durch eine gemauerte Halbrundröhre aus dem Dustern herbeigetrödelt, leise plätschernd. Direkt dahinter wartet der erste Anstieg der Tour, kurz und knackig und irgendwie typisch für die Gegend. Ein mittiges Geländer leistet willkommene Hilfe, auf der einen Seite lugen Oberkanten von knüppeligen Holzstufen aus dem goldbraunen Laub, auf der anderen Seite auch. Auf die Weise müssen sich Auf- und Absteigende nicht in die Quere kommen.

Geteilte Stiege hinauf in den Wald

Oben erstreckt sich eine kleine Hochebene, dem Laub nach bedeckt von Buchen und Ahornbäumen – ich gebe zu, ich habe eher auf den Weg als in die Wipfel geschaut, um nicht zu straucheln beim lautstarken Schlurfen durchs knöchelhohe Laub. Bereits hier, mit dem dichten Laubteppich durchaus eine Herausforderung und im geschlossenen Wald eher ungewöhnlich, streicht uns eine schmale, geschmeidige Katze um die Beine, ist unbemerkt im Wald verschwunden und dann doch wieder neben uns, ein Stück des Wegs gemeinsam zu verbringen. Mal links, mal rechts, dann wieder springend durch die Wiese oder mit unsteter Pfote in einer Wiesenpfütze nach ihrem schwarz-weiß gescheckten Spiegelbild fischend. Vielleicht duftet ja was aus unserem Rucksack, denn sie scheint noch unbefrühstückt, die Miez.

Wo man ja im Walde mit all seinen unvergleichlichen Qualitäten oftmals die Stille sucht, ist dieses Laubrascheln jetzt ein wirklich schöner Lärm, den es ja auch nur eine begrenzte Zahl von Wochen zu genießen gibt. Also wird es ausgekostet, pflügen die Schuhe tief und bodennah durch all die trockenharten Blätter in ihren zahllosen Schattierungen zwischen gelb, gold und braun.

Austritt zu den Langen Dammwiesen

Lange Dammwiesen

Der Abstieg zur grasigen Weite der Dammwiesen geschieht fast unbemerkt, doch bald wird der Wald verlassen und der Blick galoppiert sofort los durch die grüne Kulisse, die von zahllosen Landschafts-Accessoires raumteilerisch gestaltet wird. Hier eine Baumgruppe und dort eine Schilfinsel, ein bisschen weiter dann kohlpechrabenschwarze Hornochsen oder in der Ferne auf der anderen Talseite birnenblütenweiße und milchkaffeebraune Pferde. Die einen stehen wuchtig rum, die anderen voller Anmut da.

Blick quer über die Dammwiesen

Ackerbraune Wildschweinarenen gibt es auch noch und undurchdringliche Büschungen, dazwischen ganz für sich stehend ausdrucksvolle Solitärbäume, an deren filigranem Geäst kein einziges Blatt mehr sitzt. Viel zu gucken also, besonders bei dem spätherbstlich flachen Licht dieses Tages, das gekonnt mit der Malerpalette herumwerkelt.

Die Försterin schleicht in ihrem Jeep den Weg entlang und schickt ein diagonales Grinsen raus. Kurz danach kommen uns zweimal ein paar Leute entgegen, die man naturgegeben später ein zweites Mal treffen wird. Aus einer Dreiergruppe stehender Wanderer hält eine Teilnehmerin geduldig ihr mobiles Endgerät hin zum Wipfel einer Kiefer, so ausdauernd und unbeweglich, als wolle sie deren Wachstum filmen.

Der Himmel über Torfhaus

Torfhaus

Kurz nach den Rollbergen, die an etwas Hangflanke zu erkennen sind, endet der Weg in Torfhaus, einer winzigen Siedlung in schönster Lage. Über den Häusern ist der Himmel jetzt strahlend blau und mit blassem Gewölk zart wattiert. Gegenüber setzt sich der bunte Wald fort, der jetzt nach und nach feuchter und durchtränkter wird. Die Katze von vorhin, die gerade eine Runde um die Bushaltestelle gedreht hatte, zeigt sich mal wieder und verschwindet dann länger im Wald.

Edle Badestelle bei Hennickendorf

Stienitzsee

Wie zu erwarten wird es jetzt etwas voller, denn zum einen verläuft hier der abwechslungsreiche Rundweg um den Stienitzsee, zum anderen endet ein illustrer kleiner Zuweg vom nächsten Dorf an der schönen Uferstelle, wo auch heute im November kurz der Gedanke an einen Sprung ins Wasser aufblitzt. Erleichtert darf man sich selbst vom kühnen Vorhaben abwinken, denn ständig kommen neue Leute, lassen einem trockenen Hund zu einem nassen Hund werden oder filmen ausdauernd einen Schwan, der im großen Bogen in die Bucht einläuft.

Plankenweg am Stienitzufer

So in der Hocke verliert die betreffende Dame im nassen Ufersand kurz das Gleichgewicht, versucht das per feschem Knickgelenk gehaltene Gerät vorm Wassern zu retten und sieht sich unversehens auf Augenhöhe mit dem fauchenden Schwan, der erstaunlich schnell an Ort und Stelle war. Trollt sich schnellstens und kommt mit einem klammen Hintern sowie einem unerwarteten Twist im Plot des Gefilmten davon. Der sollte sich später am Cafétisch vor den Freundinnen gut ausschmücken lassen. Stößchen!

Blick von der Strangrabenbrücke zum Stienitzsee

Bald waren alle gucken, die gucken wollten, und so kann die Pause nun tumultfrei genossen werden und wird angemessen ausgedehnt. Voraus die Szenerie ist fast unwirklich schön, wie eins der schönsten Bilder aus einem Tourismus-Prospekt mit hohem Budget. Die kleine Sandbucht eingerahmt von leicht säuselndem Schilf, bis zum jenseitigen Ufer ein makelloses Spiegelbild, dazu der Himmel blauweiß gesteppt und dann noch ein paar rustikale Stubben direkt am Ufer, tiefdurchtränkt und rundgewaschen von den Jahren. Als Rastbank dient ein dickes Stück Baumstamm, gerade lang genug für zwei und notfalls noch zwei Hintern, und schon bald dampft der Tee aus den Tassen, der Crémant der kühlen Stunden unter freiem Himmel.

Uferweg vor Hennickendorf

Allein bleiben wir dann doch nicht, denn eine große rote Libelle findet Interesse an Rucksackriemen, Brotdosen und Tüten, auch an Stirnen und Knierundungen. Holt dann, da reichlich von all dem da ist, noch die ganze Verwandtschaft nach, die flügelknisternd ihre engen Kreise um die Pausengesellschaft ziehen und bei allzu direkter Tuchfühlung für einzelne Gänsehaut-Momente sorgen, ich sage nur Nase oder Handrücken. Von links kommen ausrufende Laute von Enten nach und nach näher, gegenüber lässt sich kurz der Graureiher sehen und weit oben am Himmel senden sechs Gänse lieb gewonnene Töne.

Schill-Finsel im See

Die natürliche Promenade zwischen dem Seeufer und den Bruchwäldern, die das Mühlenfließ, der Stranggraben und die Teufelsquelle geschaffen haben, ist eines dieser besonders pittoresken Stücke Weges, die sich in Brandenburg finden lassen. Naturnah gehalten, zu beiden Seiten vom Element Wasser bestimmt und bei jedem Kopfdreh ein neuer Blickfang, begleitet sie niemals gänzlich gerade das Seeufer und wird zwischendurch immer wieder über Plankenwege und kleine Brücklein geführt.

Dichter Bruchwald des Stranggrabens

An mehreren Stellen wird sichtbar, wie das Wasser aus dem Wald dem See zuströmt, mal klar gebündelt, mal diffus und beim Stranggraben auch direkt unter einem Brücklein. Von diesem lässt sich tief in den Bruchwald schauen oder hinaus auf den See, hindurch zwischen einer kleinen Landnase und einem theatralisch gen Wasser gekrümmten Baumgebilde. Wenig später ankert einen Steinwurf vor dem Ufer eine Schilfinsel, etwa so groß wie ein altmodischer Ausflugsdampfer.

Hennickendorf

Mit der zunehmenden Geradlinigkeit des Weges rücken die Häuser von Hennickendorf ins Bild. Kurz vor dem Sportplatz lockt links ein winziger Pfad hinauf zur Ortshöhe, auf der die kleinen Parkeulen nisten, rechts zur kleinen Kurpromenade am Seeufer, die letztlich stärker zieht. Ein paar Stege und in den See hineinragende Baumkruken sorgen für etwas gemütliche Hafenatmosphäre, die später beim Stichkanal mit den schönstgelegenen Kleingärten skandinavös auf die Spitze getrieben wird.

Landnase nahe der Uferpromenade, Hennickendorf

Gleich am Beginn des kleinen Laufsteges steht gerade eine kurzärmelige Dame mit großem Badelaken, rosiger Haut und trockenen Hochsteckhaaren. Ihr Gesicht sieht mehr als ausgeglichen aus, und auf Nachfrage verrät sie, dass sie gerade eine halbe Stunde in der hübschen Bucht umhergeschwommen ist, so wie jeden Tag des Jahres, und das Wasser wohl um die elf Grad hat.

Der Gipfel mit den Parkeulen will jetzt erklommen sein, was im Wesentlichen über Stufen geschieht. Auf halber Höhe sitzen auf der kleinen Mauer des Zwischendecks mit Aussicht auf die Parkbühne zwei Teenager, wischen unter freiem Himmel gelangweilt auf ihren Touchscreens herum und haben nebenher irgendwas auf dem Einmal-Grill, wobei dem Geruch nach nicht vollends klar ist, ob die Einpackfolie wirklich entfernt wurde.

Aufstieg zur Eulenhöhe, Hennickendorf

Bei den Parkeulen übrigens handelt es sich um Kita-Kinder. Vor zwei Jahren, im ersten Jahr der ungewöhnlichen Bedingungen, als vieles Selbstverständliche nicht selbstverständlich war, hatten viele von ihnen rundliche Steine mit Bildern und guten Wünschen bemalt und in einer langen Reihe vor dem Zaun aufgereiht. Viele davon liegen noch immer dort, die Hälfte ist vom großen Laub bedeckt, bei den meisten haben Regen und Wetter der Jahre die Farbe abgespült und den blanken Stein zurückgelassen. Was ja in seiner Symbolik irgendwie angemessen scheint.

Der Abstieg ist vergleichsweise moderat bzw. kaum zu bemerken und endet unten an der Stelle, wo zwei größere Straßen aufeinandertreffen. Der Bäcker hat noch offen, die Eisdiele am Kreisverkehr noch zu. Hinter der Kirche liegt die gassenartige Bahnhofstraße, deren Name aus heutiger Sicht Rätsel aufgibt. Ein Trupp Bauarbeiter macht mit Hilfe eines kleinen Baggers den Gehweg hübsch, weiter hinten schließt gerade der Laden mit dem schönen Wort „Zweiradfahrzeuge“ im Schaufenster, der neuerdings und nebenher auch die Angelegenheiten der Post schmeißt.

Serpentinenabstieg vom Wachtelkamm, Hennickendorf Nord

Wachtelberg

Der nächste Anstieg liegt voraus. Eine urige Stiege führt vom Wanderparkplatz hinauf zum Kamm der länglichen Höhe mit den besseren Wohnlagen – nach Osten Blick auf den Kleinen Stienitzsee, nach Westen über die Langen Dammwiesen. Am Ende der Stufen zieht es den Blick hoch zum Haupt des Aussichtsturmes, der dank des örtlichen Heimatvereins an manchen Tagen bemannt ist und also bestiegen werden kann. In diesem Jahr lief das bis zum kürzlichen Saisonende nur auf Voranfrage, sicherlich den allgemeinen Umständen geschuldet. Heute also kein Rundumblick vom Wachtelturm, doch das nächste Mal wird es klappen.

Esel gegenüber der Mühle, Hennickendorf Nord

Der Kamm lässt sich über eine schöne alte Stiege verlassen, die in Kehren hinab führt. Die Geländer zeugen davon, dass es diesen Abstieg schon lange gibt. Unterhalb des Hanges ist bald eine Weide erreicht, wo man in der Regel Esel antreffen kann. Auch heute sind sie da, erweisen sich jedoch als Meister der Tarnung. Und werden trotzdem entdeckt, ganz weit hinten zwischen eselfarbenem, trockenem Geäst und Gestämm. Weiter vorn finden sich dann noch zwei etwas dunklere, die das Verstecken drum gar nicht erst versucht haben. Die Rückseiten all der langen Eselsohren sehen unendlich weich aus.

Mühle Lemke

Bei der Mühle wir heute erstmals Glück, erwischen noch die Öffnungszeit und können endlich mal einen Blick in den Hofladen werfen. Erwartet hatte ich einen kleinen Raum mit Verkaufstheke, höchstens so groß wie zwei Buswartehäuschen. Doch in der Mühle haben sie viel Platz, und so gehen nicht nur beim Betreten des ersten Raumes die Augen über, sondern es gibt noch einen und dann noch einen Raum, jeder noch ein bisschen größer.

Im Hofladen der Mühle Lemke

Der erste sieht ein bisschen aus wie ein Museum, alte Bilder hängen über den bunt bestückten Regalen, in denen Honig und Dutzende Sorten Senf und allerhand Aufstriche und Marmeladen stehen, auch Tees, Nudeln und natürlich hochwertige Öle. Große Backofenklappen lassen riesige Röhrschlunde dahinter vermuten, betagte Gerätschaften sorgen für kleine Jauchzer bei Älteren und auch Jüngeren. In der Kühltheke lagern dicht an dicht feine Käses und anderes, draußen vor dem Laden ist frisches Obst zu finden, das keine weite Reise hinter sicht hat. Und große Brote mit tiefer Kruste kann man auch bekommen. Hier dürfte wohl bei jedem Besucher irgendetwas in der Tüte landen.

Tagesbegleiterin im Ruhemodus

An der Kasse ist vor uns an der Reihe eine Dame aus der Gegend und hat gerade umfassend eingekauft, noch einen kleinen regionalen Schwatz angehängt. Schon abdrehend im Schlusswort bemerkt sie, dass man hier auch eine Gans fürs Fest vorbestellen kann, in diesem Jahr ja eine durchaus unwägbare Angelegenheit. Die Nachfrage wird zur Anfrage und dann zum Vorgang, der in mehreren Phasen erblüht und in Sorgfalt ausgeführt wird. Zahlen und Daten wechseln über den Kassentisch, Gewichte und Tage werden vermerkt, Telefon-Nummern erhoben und leserliche Quittungen verfasst. All das trägt in sich ein Stück Romantik oder Nostalgie vergangener Zeiten.

Am Kleinen Stienitzsee

Als wir schließlich nach dem Zahlen wieder draußen stehen, streicht da noch einmal die Katze von vorhin herum, begleitet uns erneut ein Stück. Vielleicht ist es auch eine andere aus demselben Wurf, der schlicht pragmatisch über benachbarte Dörfer verteilt wurde – denn wer kann schon die eine Schwarzweißgescheckte von ihren Miezengeschwistern unterscheiden? Und doch scheint’s vom Verhalten her, als wäre es genau dieselbe, als wären wir uns gut bekannt. Und eigentlich gleicht sie ihr doch sehr, wirkt die Zeichnung an der Schulter fast schon unverwechselbar.

Quellpromenade am Kleinen Stienitzsee

Kleiner Stienitzsee

An der Stirnwand der Mühle dreht sich das große Mühlrad und erweckt den Eindruck, dass es das nicht nur für die Ausflügler tut. Ein schöner Fußweg begleitet das Mühlenfließ bis zu seinem Ursprung, der im bzw. am Kleinen Stienitzsee liegt. Der Weg geht direkt in einen hübschen Promenadenpfad über, mit schönen Blicken über den gar nicht so kleinen, sonnenglänzenden See und weiter vorbei an uralten Kastanien zu einem Plätzchen am Ufer, wo zwei Quellen sprudeln.

Alte Kastanie am Uferweg

Bis vor Kurzem ragte hier nur ein gakeliges olles Rohr aus dem Boden, aus welchem Wasser in eine hölzerne Rinne floss oder manchmal auch nur tröpfelte. Mittlerweile sind die wasserspendenden Rohre mit Holzstubben umkleidet, die Rinnen etwas erweitert. Das kleine Plateau dazwischen wurde schnuckelig zurechtgemacht, mit Findlingen und Bank und dicken Balancier-Palisaden, und wird sicherlich gern und oft von Hiesigen und Dasigen besucht. Der Uferpfad erhielt noch den schönen Namen Quellpromenade. Sie haben diesen schönen Platz verdient, die Quellen am Kleinen Stienitzsee.

Quelldoppel in neuer Fassung

Hinterm Ort wird es nun wieder ruhiger, die Schritte finden zurück ins wohltemperierte Gleichmaß. Während die Augen über die anmutige Weite wandern, schwenkt der Blick hinüber zum anderen Talrand, in etwa zu der Stelle, wo vorhin der leuchtende Wald verlassen wurde. Die Wiese ist saftig grün, hier und da liegen abgebrochene Äste größeren Kalibers auf der Weide, vielleicht zum Schubbern für das Vieh. Das hat sich in Gestalt von Pferden weit in Richtung Talmitte zurückgezogen, wo man sich zwischen Büschen und Schilf gut verstecken kann, und lässt nur hin und wieder das Gegenwindfragment eines Wieherns vernehmen.

Blick zu den Dammwiesen, Hennickendorf Nordrand

Umgekehrt zu vorhin wird jetzt die offene Landschaft in den Wald hinein verlassen, der nun ein paar Nadelbäume im Bestand hat. Obwohl auch hier vor allem Laubbäume stehen, liegt so gut wie kein Laub am Boden, schon gar kein leuchtendes. Das sieht hier eher nach Robinien aus, der Weg liegt völlig frei, jede Querwurzel ist zu erkennen.

Waldpfad oberhalb der Ostflanke der Dammwiesen

Auch diese Pfadpassage am Ostrand des Talgrundes ist eine besonders reizvolle. Der Weg verläuft oberhalb eines Hanges und ist grundsätzlich am Schlängeln. Manchmal sind links kleine Quelltöpfe mit anschließendem Rinnsal erkennbar, die sich unten mit anderen zusammentun und zaghaft Wasserflächen ansammeln. Manchmal wird auch eine der ausgeprägten Talscharten gequert, einmal auch formvollendet mit Geländer, Stufen und kleinem Steg für Zeiten mit fließend Wasser.

Alter Bahndamm der Herzfelde-Strausberger Eisenbahn

Nach dem Erreichen des Radweges locken zweimal Abzweige zu Verlängerungen des Tages, doch diesem ist heute nichts mehr hinzuzufügen. Also geben wir uns dem weiten Linksbogen des Weges hin, dessen gleichmäßiger Radius samt anschließendem Damm nahelegt, dass hier mal Bahngleise lagen. Der Damm verläuft weit über dem Tal, unten ist glitzernd der bewegte Lauf eines zufließenden Bächleins zu sehen.

Dünenhang zwischen den Bahntrassen

Dicht am Bahndamm verläuft bald der Weg, der erst zum Pfad wird, dann breiter werdend hinter einer Dünenböschung verschwindet und zuletzt wieder den bunten Wald vom Anfang erreicht. Eine vierköpfige Familie in pastellfarbenen Anoraks pflügt im genießerischen Schlendergang durchs raschelnde Laub und plauscht dabei in einer der slawischen Sprachen. Nachdem wir sie erst überholt haben, nutzen wir dann gemeinsam die Stiege mit dem Mittelgeländer, die im Abstieg völlig anders aussieht als vorhin.

Nach der Verschnaufpause am Bahnübergang gibt es den Anfangsweg nun in umgekehrter Richtung, und so entdecken wir an einem Zaun ein gemaltes Fahrrad. So ein schönes altes mit Stahlfelgen und geschwungenem Lenker, großer Lampe und einem passenden roten Accessoire anbei. So eins, was sich erdverbundene Kunstschaffende aus dem vorangegangenen Jahrhundert gern unter den Hintern klemmen, um im gemächlichen Tritt immer wieder die wohltuende Reduziertheit auf das Wesentliche zu genießen. Ein paar Schritte später überqueren wir das Gleis der Strausberger Straßenbahn.

Annafließ in eigener Röhre

Schön wäre es natürlich zur Abrundung gewesen, wenn noch eine der Überlandstraßenbahnen ihr breites Bett entlanggerumpelt wäre, doch die ist wohl gerade durch und wird sich darum einfach vorgestellt. Nachdem das Rumpeln in der Phantasie verklungen ist, raschelt es im kleinen Wäldchen gegenüber ein paar Mal nacheinander und irgendwas in Schwarz und Weiß huscht weg. Es ist vermutlich höchste Zeit, nun etwas Richtiges zu essen.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
S-Bahn oder Regionalbahn von Ostkreuz/Lichtenberg (ca. 30 Min.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): auf der B1 nach Osten, dann hinter dem Autobahn-Ring links nach Strausberg (0,75-1 Std.)

Länge der Tour: ca. 12 km (Abkürzungen möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Informationen zum Naturschutzgebiet

Hofladen der Mühle in Hennickendorf

Strausberg-Herzfelder Eisenbahn

Einkehr: div. Imbiss-Optionen am S-Bhf. Strausberg
Hennigs Backstube (kleines Imbiss-Angebot), Hennickendorf
Hofladen Mühle Lemke mit kleinem Imbissangebot

Kablow: Herbstsummen, Uferbänke und die korblosen Sucher

Die zweiunddreißig Grad von vor einem Monat sind scheinbar ewig her. Nach einem abrupten Temperatursturz in jenen Tagen hat sich der späte Sommer bei etwas unter zwanzig Grad eingependelt, ganz zuletzt dann allen Leuten regelrecht kühles Herbstwetter um die sonnenverwöhnten Ohren gehauen. Ein milder Altweibersommer blieb aus, wird möglicherweise für den Oktober aufgehoben. Davon abgesehen sind schon große Formationen von Gänsen in den ersten Zügen, wissen mehr als wir und üben mit dem üblichen Krakeel für den Stichtag.

Anger im Dorf, Kablow

Doch das Licht stimmt schon, auch die Düfte und die Farben, und so ist es ausreichend bekleidet ein wahres Vergnügen für die Sinne, draußen herumzustreifen. Den September als solchen gab es dieses Jahr vom ersten Tage an, und so wurde mancher Spätsommertag unter leisem Bibbern verbracht, da man moralisch noch nicht recht bereit ist, die gefütterte Jacke aus dem Schrank zu bergen.

An der Seetaille zwischen Kablow und Zernsdorf

Das sieht hingegen jeder ein bisschen anders, und so laufen Leute im T-Shirt neben solchen in dieser Art von Daunenjacke, die das Volumen des Trägers scheinbar verdoppelt, zumindest oberhalb der Oberschenkel. An den Füßen hört man knirschend warme Stiefel neben luftig flappenden Badelatschen, Köpfe bleiben gänzlich unverpackt oder in ohreneinschließende Mützen gehüllt.

Uferweg am Zernsdorfer Lankensee

Weil es so normal ist, vergisst man als Berliner und auch als Brandenburger immer mal wieder, was für spektakuläre Wasserlandschaften es nicht nur im Stadtgebiet, sondern auch etwas außerhalb gibt. So zum Beispiel das herrliche Seen- und Flussgewirr, das die Dahme hinter Königs Wusterhausen bis hin nach Prieros spektakelt und das gewissermaßen die Seen rund um Storkow und Groß Köris mit einschließt. Viele alte Klassiker für spazierende Ausflügler gibt es hier, doch auch manche Ecke, die beständig übersehen wird.

Rastbank am Seeufer, Zernsdorf Nord

Kablow

Kablow ist ein Dorf, das wie sein Kirchanger etwas abseits der üblichen Routen und Straßenverbindungen liegt und wohin einen eher ein schöner Zufall führt. Wenn man zum Beispiel mit der Bahn nach Storkow fährt, was in den vergangenen Monaten sicherlich mehr Leute als üblich getan haben, bleibt diese eine Stelle hängen, wo das Züglein auf einem schmalen Damm zwischen zwei Seen hindurcheilt und sich kurz ein Gefühl von Skandinavien einstellt – zu beiden Seiten Wasser mit bewaldeten Ufern und ausgeprägten Buchten, kleine Häuschen am Wasser und gemächlicher Freizeit-Bootsverkehr.

An der nördlichen Seespitze in Kablow Ziegelei

Der Abstecher zur Kirche dauert keine fünf Minuten und ist durchaus zu empfehlen, denn er verläuft entlang einer urigen Lindenreihe bis zum Anger mit seinen gemütlichen Häusern und der Kirche mit den gut erhaltenen Stufengiebeln. Weiter braucht man nicht zu gehen, denn einen Wasserzugang wird man hier nicht finden. Das macht jedoch nichts, denn eine der schönsten Uferstellen weit und breit ist nur eine Viertelstunde entfernt.

Auf der Fontanestraße kann man sich ruhig dem Krüpelsee-Rundweg anvertrauen, der hier auch das Wohnviertel mitnimmt. Das ist zum größten Teil altgewachsen, sodass es schöne Häuser zu sehen gibt, deren Grundstücke zudem immer wieder den Blick aufs Wasser gestatten. Schon an der ersten Kreuzung geht es links zum erwähnten Uferplatz, wo es einen kleinen Strand gibt, vor allem aber einen langen Steg mit großzügiger Eckbank am Ende.

Kablower Dorfanger bei der Kirche

Und das ist so ein Ort, wo man bei mildem Wind gut und gern ein paar Stunden rumsitzen könnte, neben sich vielleicht ein schönes Buch, das möglicherweise erst abends im heimischen Sessel aufgeschlagen wird. Ein ziellos gondelnder Schwan sucht den Augenkontakt und sorgt so für etwas beiläufiges Leben, während weiter hinten die frisch ausgeliehenen Hausboote eine Synchronisation mit der virtuellen Linie der Fahrrinne suchen. Da der Posten hinterm Steuer jeglichen Führerschein besetzt werden darf, geschieht dieser Vorgang sehr gemächlich, wirkt beruhigend auf äußere Betrachter.

Im Dorf, Kablow

Dazwischen saust hier und da ein gepflegtes Holzboot alter Schule vorbei und lässt hinter sich kleine Serien unverbundener Auspuff-Wölkchen, wie man sie eher im gezeichneten Cartoon erwarten würde. Trotz eines halben Kilometers Entfernung glänzt der gewienerte Bootslack bis hier und lässt eine salopp übergeworfene Frackweste hinterm messingverzierten Steuerrad vermuten.

Badestelle in Kablow

Der Wind ist gerade woanders, und so dringt mit einem Mal gänzlich ungedämmt die Summe aller Kehlen einer ganzen Gänsereihe an unsere Ohren. Beim Blick nach oben wird klar, dass noch kein Flug in den Süden ansteht, denn es herrscht eher noch Durcheinander a la Krähenschwarm. So ist wohl noch manche Übungseinheit nötig, bis das mit der Formation der Gänse-Eins funktioniert. Denn das muss es, wenn möglichst viele heil ankommen sollen.

Steg in den Krüpelsee, Kablow

Wiegesagt, der ganze Bogen durchs Wohngebiet lohnt. An seinem Ende beginnt dann jener Damm, der Kablow mit Zernsdorf verbindet und der gerade breit genug ist für die Bahntrasse, eine Straße und den Bürgersteig. Erstaunlich, dass das eigentliche Dammstück wirklich nur gut zweihundert Meter lang ist, dem Erinnern nach war das viel länger. Von der Brücke über die Verbindung zwischen Kröpelsee und Zernsdorfer Lankensee lässt sich ein Blick hinab ins klare Wasser werfen, auch hinüber zu den kleinen Bootsstegen in der Bucht. Nach Südenwesten reicht der Blick übers Wasser mehrere Kilometer weit, nach Norden hin lässt sich dieselbe Länge der krummen Uferlinie wegen nur erahnen.

Blick auf den Krüpelsee vom Damm

Zernsdorf

Von der Brücke bis zum Einstieg in den Uferweg bedarf es eines kleinen Hakens über den Bahnübergang und den zuletzt stark eingeschnittenen Einsiedelweg mit seiner markanten Kronenkiefer, doch dann geht es sofort in die Vollen, bis zuletzt unerwartet. Das urige Ufer ist üppig begrünt von der Uferkante bis in die hohen Wipfel. Viele Stämme haben ihren dunklen Rindenteint unter dichtem Efeu verborgen, der speziell in dieser Zeit auch deutlich zu hören ist – unzählige Bienen fliegen zwischen den grüngelben Blüten umher, die im späten September ihre Hochzeit haben und perfekt eine potentielle Versorgungslücke füllen, und summieren ihr Brummen zu einem sanften, hintergründigen Klangteppich.

Pflasterweg hinab zum See, Zernsdorf

Überall gibt es Stege, schöne Uferstellen mit Bänken für Pausenlustige und farbkräftig getünchte Uferlauben, liegen kleine Ruder- und Segelboote. Durch den fjordkrummen Seeverlauf ist voraus immer ein gutes Stück der Uferlinie zu sehen, wo sich auch schon der bunte Fortschritt in den frühherbstlichen Baumwipfeln sehen lässt – das Spektrum geht bereits jetzt erstaunlich in die Breite und zeigt zwischen dem noch vorherrschenden Grün schon viel Gelb, Rot und Orangebraun.

Uferweg am Zernsdorfer Lankensee

Ein Stichkanal führt zu einem verschwiegenen Pfuhl mit Insel, wo jetzt die Mücke erfreulicherweise keine Rolle mehr spielt. Mal verläuft der Weg durch einen dichten Waldstreifen, dann wieder licht zwischen Kiefernstämmen hindurch. Manchmal steigt der Hang steil an und wird von unverschämt schön gelegenen Häusern gekrönt, mal fällt die Böschung eher sanft aus und erinnert lose an ein Stück Kurpark. An jedem zweiten Steg ist jemand bei der Arbeit, Boot leerschöpfen oder für den Winter ausräumen, fegen oder schleifen, eine rauchen, auf der Bank von rechts nach links rücken oder auch eine Flasche öffnen und folgerichtig handeln. Alles schön analog, alles ohne künstliche Eile, alles ohne angestrengtes Stirnrunzeln.

Schöner Pausenplatz

Am Badestrand schwenkt der Weg nun weg vom Seeufer, und bei den folgenden Metern merkt man, wie weit unten doch der See liegt. Passenderweise heißt das Stückchen Ufer hier auch Spitzer Berg. Nach einem Stück Friedrich-Engels-Straße ermöglicht ein wiederum steil abfallender Fußweg die Rückkehr zum unterbrochenen Uferweg, der kurz darauf das Gelände des Campingplatzes durchquert, was für Fußgänger dank einer und noch einer Zaunlücke dauerhaft möglich ist.

Kiefernstelle am Uferweg

Campingplatz am Lankensee

Nach dem Umschiffen einer unverrückbaren Gruppe palavernder Herren um die vierzig samt zweier Damen im besten Alter ist schon der große Strand in Sicht, an dessen großzügig mit Sand bedecktem Hang ein draller Bengel mitten im tiefen Sand den Kopfstand probt, was irgendwie eine eigenartige Idee ist. So gesehen auch wieder nicht, da das zwingend zu erwartende wiederholte Umplumpsen im tiefen Sand kaum schmerzhaft ist. Andererseits wird es wohl noch Tage später in der Scheitellinie und um die Augenbrauen knirschen, das muss man auch wollen. Nach dem aktuellen Umfallen rollt er sich zurecht, rappelt sich auf und blinzelt uns freundlich an, quittiert das respektvolle Mikronicken mit einer Gesichtsmimik, die in etwa „aba janz jenau“ ausdrückt.

Blick über den Zernsdorfer Lankensee

Der Sand ist so tief, dass man mit mehr Aufwand vom Fleck kommt als am Ostseestrand. Weiter hinten gibt es eine ähnliche Gruppe palavernder Herren, nur älter und im Sitzen, dafür weniger näselnd und mit fest sitzender, wenn auch nicht lauterer Stimme. So über die Schulter beobachtet steuern wir souverän die erhoffte zweite Zaunlücke an und sind froh, als sie auch da ist und uns gewähren lässt. Bei all dem Tumult haben wir ganz vergessen, mal danach zu fragen, ob oben vielleicht der Imbiss offen hat.

An der Nordspitze des Sees in Kablow Ziegelei

Nach einem Stück Wald, das besonders tief zu sein scheint, endet die schöne und äußerst vielgestaltige Uferpassage an der nächsten Siedlungsstraße, wo stellenweise sichtbares Wasser zu beiden Seiten liegt. Die äußerste Nordspitze des Sees hat etwas sehr kuschliges und bietet neben der Buswendeschleife noch zwei schöne Rastbänke, die auch gut für Blei im Hintern sorgen können.

Herbstlicher Weg nach Dannenreich

Ein breiterer Bachlauf setzt sich von hier zum Uckleysee fort, der im Grunde eine absolute Sackgasse ist, doch über winzige Wasserläufe mit den Dahmeseen am Schmöckwitzer Werder in nasser Verbindung steht. Die kuschlige Bucht liegt voller Boote, von denen keines auch nur im Ansatz einem anderen gleicht. Im Schilf gegenüber raschelt es in unregelmäßigen Abständen und klingt am ehesten nach einer im Trüben fischenden Katze, die entweder ihr Vorhaben bald abbrechen oder unter kläglichen Lauten ins Wasser fallen wird. Das Geräusch bleibt aus, dafür plappt es oben von der Straße, denn die Wendeschleife ist so eng bemessen, dass der Bus beim Drehen irgendwas mitgenommen hat.

Zarte Farbkontrast im Walde

Kablow-Ziegelei

Jenseits der Brücke erinnert das Dorfbild hier und dort daran, dass es nicht mehr ganz so weit zum Spreewald ist. Der Ortsteil hier heißt Kablow Ziegelei und passend zum Eindruck von eben gibt es dafür auch den sorbischen Namen Kobłow-Cyglownja. Wer auf die Suche geht und nicht gleich aufgibt, wird hier und da noch Spuren der Ziegelei-Wirtschaft finden, die vor knapp dreihundert Jahren ihren Anfang nahm.

Fingerzeig zum späteren Herbst

Am östlichen Rand des Dorfes beginnt nun eine ausgedehnte Passage durch den Wald, der in Ausstattung, Dichte und Höhe immer wieder wechselt und dabei ungeheuer beruhigend wirkt. Auch hier sind die bunten Farben schon präsenter. Am Wegesrand ergeben sich spätsommerliche Bilder wie ein kleines Feld noch unzerzauster Goldrute vor grün belaubtem, jungen Birkenwald oder hochherbstliche wie das fast schon neonrote Laub des wilden Weines, welches sich auf dem liegenden Stamm eines kräftigen Baumes inszeniert und dabei klaffende Rindenschollen und bauchige Baumpilze einbezieht. Der Weg ist nie ganz gerade und überrascht daher immer wieder mit dem nächstfolgenden unspektakulären Bühnenbild.

Kegelbahn auf dem Dorfplatz, Dannenreich

Jenseits der Landstraße wird es kurzzeitig voll, da nach den Regenfällen der letzten Woche die schon lange vertrösteten Pilzsammler ihr Glück versuchen, viele von ihnen ohne Korb und demnach knapp an Zuversicht. Boviste haben wir gesehen, so groß wie im Pilzbuch und auch von Kohlkopfgröße, und außerhalb des Waldes immer wieder Schirmpilze von der Größe einer Bratpfanne. Ansonsten diese rötlichen, die bei Laien eher wenig Vertrauen erwecken.

Dannenreich

Ein Schwenk führt zurück zur Landstraße und hinein nach Dannenreich. An der Hauptkreuzung steht ein großzügiger Pavillon mit verschiedenen Karten und Informationen zur Umgebung, und hier finde ich tatsächlich eine Information, die für eine fragliche Stelle später hilfreich ist. Ein Schild verweist auf den örtlichen Krug mit dem schönen Namen Zur Friedenseiche. Den gibt es und er sieht sehr einladend aus, doch leider hat er regulär nur freitags und sonntags am Nachmittag geöffnet, jetzt also nicht. Schade.

Unweit des Skabyer Torfgrabens

Unabhängig von den Öffnungszeiten lässt sich gleich gegenüber ein seltenes Phänomen bewundern. Auf dem schönen Dorfplatz mit seinen Spielgeräten und Bänken, Tummelwiesen und auch einem Denkmal für die Kriegsgefallenen gibt es eine überdachte Kegelbahn mit allem, was dazugehört. Die Kugel rollt auf einer wetterfesten Gummibahn, was Kegelprofis für Gelegenheitskegler ein wenig mehr zu Gegnern auf Augenhöhe macht, und auch die Rücklaufschiene für die Kugeln ist aus robustem Metall, das allen Wassern trotzen kann. Eskortiert und scheinbar auch stabilisiert wird die Überdachung der Bahn von kräftigen Eichen. Ein abgefahrenes Gebilde!

Direkt am Skabyer Torfgraben

Hinterm Dorf ist die Landschaft nun offen, der Blick kann weit schweifen über saftige Wiesen und Weiden, die von diversen Wasserläufen durchzogen werden. Bevor der Weg zum Hof Dudel schwenkt, geht es rechts in einen krautigen Fahrweg entlang eines feuchten Streifens, für den der Skabyer Torfgraben mitverantwortlich ist. Der kommt vom Rittergut Schloss Skaby her, das mitten im Wald unweit der Swatzke- und Skabyberge gelegen ist. Ist mir noch nie untergekommen, ist aber auch nicht ausgedacht oder von irgendeinem Märchenbuch abgeschrieben. Das Schloss hat von Friedrich dem Großen bis zur NVA eine äußerst wechselvolle Nutzungshistorie hinter sich und steht seit gut dreißig Jahren nur so im Wald herum – bis es kurz vor dem Auseinanderfallen hoffentlich jemand wachküsst.

Gemütlicher Weg in Richtung Friedersdorf

Der breite Wasserlauf ist vollständig von glänzender Entengrütze bedeckt, die trotz bedeckten Himmels fast ein leuchtendes Band zwischen den Ufern erzeugt. Bald beginnt ein wunderschöner Alleeweg, der jetzt eine Stunde so weitergehen könnte. Die Ränder sind lose von Bäumen und Buschwerk verschiedener Höhe bestanden, auch vom blassem Holz abgestürzter Äste. Im Unterholz gedeihen zwischen hohen Gräsern prächtige Exemplare von Schirmpilzen, wie vorhin erwähnt in den Größen üblicher Teller für die gängigen Mahlzeiten des Tages.

Charakterköpfe am Wegesrand

Hauptmahlzeiten und gleichzeitig Vorratshaltung für längere Zeiträume finden auch die Mistkäfer in den großen platten Fladen, die der Regen aus Haufen von Pferdeäpfeln modelliert hat. Die glanzlackierten Krabbler stapfen fein kontrastierend in dem heubraunen Gestrüpp herum, wühlen sich hinein oder ruhen einfach einen Augenblick in diesem weichen, warmen Diwan. Einer fühlt sich beobachtet, spannt zögerfrei das metallicblaue Tragwerk auf und schwirrt ab.

Späte Erika

Etwas später steht endlich auch das erhoffte Heidekraut am Wegesrand, nicht viel, doch in schönster Blüte, denn schließlich ist ja noch September. Danach folgt das Wegestück mit dem großen Fragezeichen, welches sich netterweise in Wohlgefallen auflöst – der ungewisse Weg setzt sich als Pfad entlang der Bahnstrecke fort, der zum Überspringen zu breite Torfgraben kann per Bahnbrücke überquert werden und kurz darauf diese selbst per Bahnübergang. So dürfte es ruhig öfter sein mit kleinen und größeren Problemen!

Mit Kurs auf Kablow

Das folgende Wegstück läuft auf dem asphaltierten Radweg direkt parallel zur Bahnstrecke, dazu noch geradeaus und könnte gut und gern etwas langweilig sein. Doch der Wald ist schön, manche Eichel will unter der Sohle zerknackt werden und dann gibt es da noch Schautafeln zur germanischen Siedlung Kablow, die mit ihrem vielen Text zunächst nicht groß verlocken. Doch wer stehenbleibt, guckt sich sofort fest, denn die Mischung aus gelungenen Zeichnungen, Übersichten und anderem ist gerade richtig, macht neugierig und Vorfreude auf die nächste Tafel.

Ab und an will ein Auto vorbei oder ein Rudel Radfahrer, doch insgesamt geht es recht ruhig zu. Jetzt kommen auch wieder überall Leute aus dem Wald, erst welche ohne Korb und ohne Pilz, dann zwei Burschen mit Pils a la Wegebier im losen Griff der rechten Hand, wenn auch nicht selbstgefunden, doch immerhin.

Gärtchen am Rand von Kablow

Links des Weges erstrecken sich in sattem Grün die Buschwiesen, hinter denen schon die Dächer von Kablow zu sehen sind. Vom Ortsrand führt ein hübscher Weg durch die Kleingärten, in denen es von der klassischen Laube über den Bauwagen bis hin zum umgebauten Uralt-Benz-Truck alle möglichen Entwürfe gibt. Hier wird unterm Vordach mit reichlich Text das Feierabendbier genossen, drüben buddeln junge Stadtflüchter bis in die frühe Dämmerung im Erdreich und ein Beet weiter bergen hüfthohe Kinder Kartoffeln aus der Erde und strahlen mit jedem neuen Fund.

Friedhofskapelle in Kablow

Nach der nächsten Biege steht noch der letzte Kulturbeitrag für diese Runde bereit, in Form einer ungewöhnlichen Friedhofskapelle mit vielen großen Fenstern, einem winzigen Glockentürmchen sowie einem kühlen Untergeschoss. Über dem Feldsteinsockel ist das Mauerwerk vom guten alten Rauputz bedeckt, das Dach mit Dachpappziegeln. Das Schicksal der Kapelle ist ungewiss, da einiges gemacht werden müsste, doch noch steht sie da.

Der Tag ist noch jung, die Sonne noch relativ hoch und man möchte diesen Tag nur ungern loslassen. Eine gute Möglichkeit zur Verlängerung bietet sich eine Bahnstation weiter in Zernsdorf, wo es direkt am Krüpelsee überm Hausboot-Hafen eine schöne Eisdiele mit Seeblick gibt. Vor dem Hafen drehen gerade die kleinen Boote eines Segelkurses ihre Runden, derweil am Steg Urlaubswillige mit Hilfe großer Handwagen ihr gemietetes Hausboot beziehen. Während die Wellen eines längst vorbeigesausten Motorboots den kleinen Strand erreichen, werden sechs Eisschiffchen an drei Tischen serviert.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
S-Bahn oder Regionalbahn bis Königs Wusterhausen, dann Regionalbahn Richtung Frankfurt/Oder (ca. 0,75 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über Autobahn (Ausfahrt Niederlehme) oder Landstraße (ca. 0,75-1 Std.)

Länge der Tour: ca. 15 km (Abkürzungen mehrfach möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Webseite zu Kablow

Webseite zu Kablow-Ziegelei

Einkehr: Zur Friedenseiche, Dannenreich (am Weg)

Ristorante Bel Sapore, Zernsdorf (dicht an der Route)

Paulines Hafencafé, Zernsdorf (fern der Route)



Altglietzen: Reifes Korn, ein mehrfaches Dorf und Duette in den Wiesen

Nach einem mild durchwachsenen Mai hat auch in diesem Jahr der Juni schnellstens das Sommerkleidchen übergeworfen und verwöhnt alle Kältegeplagten mit Sommertagen, wie sie im Bilderbuch stehen. Selbst an heißen bis rekordverdächtigen Tagen wird stets ein angenehmer Wind mitgeliefert, sodass es sich mit passender Kleidung draußen gut aushalten lässt. Blonde Mädels in den Achtzigern treten ihren alljährlichen Inselmonat an, andere sitzen vorm weit geöffneten französischen Fenster und zeichnen detailverliebte Spielkarten aufs Papier und wieder andere trinken Tee im Atelier und entdecken per Interview ihren liebsten Menschen aus einem neuartigen Blickwinkel.

Aussichtshöhen zwischen Altglietzen und Gabow

Im Fahrwasser des plötzlichen Urlaubswetters hört man mehr und mehr Badelatschen übers Gehwegpflaster flappen. Quarkblasse Extremitäten ragen aus kurzen Ärmeln oder Hosenbeinen und hoffen auf erste Vorbräune ohne vorherigen Rotbrand. Das tradierte Bauch-frei-Phänomen hat in diesem Jahr die piefigen Kriterien von Geschlecht und Altersklasse über Bord geworfen, so dass dargebotene Nabel-Umländer von konkav über konvex bis komplex zu erleben sind. Von makellosem Pfirsichsamt bis hin zur fussligen Plauze wird alles ausgestellt, was die Palette zu bieten hat.

Schmetterlingspfad auf der Höhe, gen Gabow

Auch auffällig ist in diesem Jahr die Freude an ausgefallenen Brillengestellen in Sachen Sonnenschutz, gern in Verbindung mit stöffernen Anglerhüten. Nicht immer bleibt zweifelsfrei, ob Selbstironie im Spiel ist oder ob eine beinharte Attitüde performt wird.

Davon abgesehen läuft gerade eine dreimonatige Periode, in der es zum Preis einer städtischen Tageskarte ein Monatsticket gibt, mit dem man überall in Deutschland spontan in den nächsten Bus oder die nächsten Straßenbahn steigen kann, auch alle Arten von Regionalbahn sind eingeschlossen. Das ist eine durchaus reizvolle Idee, und ob man nun will oder nicht, werden einige der eigenen Gedankengänge leicht veränderte oder gar neue Wege nehmen.

Innere Oder-Aue bei Gabow

Ob eine ursprüngliche Absicht am Ende erreicht wird, sei dahingestellt, doch nach Ablauf des Zeitraums werden weit mehr Menschen als bisher mit den gängigen Prozessen vertraut sein, die eine Bahnfahrt mit sich bringt, werden dabei sone und solche Erfahrungen verbuchen können. Einiges davon wird bestimmt hängenbleiben und sollte sich längerfristig sinnvoll auswirken.

Stille Oder bei Gabow

Altglietzen (Oderinsel)

Nachdem das Frühjahr beste Reifebedingungen für den Mückennachwuchs bot, ist beim Heraussuchen schöner Wege derzeit Wald zu vermeiden, ganz gleich ob sumpfig, ufernah oder knochentrocken – von verschiedenen Seiten war schon zu hören, wie sich der beschauliche Waldspaziergang zum Fluchtgeschehen wandeln kann, wie wissenswerte Wortbeiträge des Begleiters liebevoll abgewürgt werden, weil mehrere Runstrüssel gleichzeitig ansetzen und einen schnellen Ortswechsel empfehlen.

Blick auf Neutornow vom Uder der Stillen Ofer

Eine gute Mischung aus hinreißend schöner Landschaft, sanft-spektakulärem Relief und wogenden Sommerwiesen lässt sich zwischen altem und neuem Oderwasser finden, wo dieses rund um Neuenhagen eine größere Insel erschafft. Die ist landschaftlich sehr vielfältig und immerhin so groß, dass man für eine Umrundung einen gemütlichen langen Tag bräuchte.

Im stattlichen Hochland findet sich ein verschlungenes Netz von Wegen aller Größenklassen, zur Stillen und Alten Oder hin erhebt sich in wechselnder Gestalt eine fotogene Flanke, die durchaus an die wiesenstruppigen Hügelländer gängiger Ostseeinseln erinnert. Immer wieder gibt es besondere Aussichtspunkte, wo die Landschaft ins volle Panorama geht und wo man gern verweilen möchte. Mal führen winzige Bergpfade dorthin, mal geht es über eine lange Reihe steiler Stufen und mal ganz moderat auf einem sandigen Weg, gerade so breit wie ein Pferdehintern.

Dünenhügel zwischen Gabow und Altglietzen

Bis auf Neuenhagen liegen alle Orte in der Peripherie der Insel, somit nicht auf der Höhe und gern sehr pittoresk am Fuß der Hangflanke. Ein Mittelding dabei ist Altglietzen, denn hier ist das Insel-Relief gen Grenz-Oder schon sanft ausgelaufen. Dennoch sind vom unteren Weg ins Dorf eine Handvoll Höhenmeter zu überwinden, die in Hochwasserzeiten entscheidend sein dürften. Rund um das Wegedreieck nahe der Kirche heißen alle Straßen Altglietzener Dorfstraße, was bei einem Straßenschilderbaum mit drei Ästen amüsant aussieht.

Von hier ist es nicht weit zum westlichen Dorfrand, wo hinter einer kleinen Wendeschleife ein schattiger Waldweg einsetzt, mit ihm ein sommerlicher Duft nach Kiefernkram. Gemächlich gewinnt er an Höhe und gibt bald die Sicht frei auf die erste blonde Gräserfläche, die kontinuierlich vom sanften Wind gezaust wird. Oben überm Horizont sind unentschlossen die Wolkenschleier ineinander verfangen und lassen kaum etwas vom Himmelsblau hindurch. Doch den Regenpropheten wollen sie auch nicht geben, obwohl es hier und da in weiter Ferne grollt.

Rundbank am Dorfplatz, Altglietzen

Die bunten Kornränder, die man ein paar Ecken weiter in der Uckermark in schönster Ausfertigung findet, gibt es hier nicht. Alles spielt sich im grünen Bereich ab, der extrabreit aufgestellt ist und vom schwarzdunklen Grün der Fichten bis hin zum strohgelben, ja fast weißen der rispenden Gräser reicht. Die knapp wegbreite Grasnarbe schluckt hin und wieder eine der beiden Spuren und lenkt den Spaziergänger ganz von selbst auf den verbleibenden, schenkelkitzelnden Pfad. Während links das Feld schon abgeerntet ist, stehen rechts die kräftigen Ähren an kurzen Halmen und dürften auch bald fällig sein. Im schweifenden Fernblick verhelfen sie den Kurven der Landschaft zu noch mehr Weichheit.

Am Rand von Altglietzen

Bald schon kommt einer der markantesten Dünengipfel in Sicht, der etwa auf der Hälfte zwischen dem Dorf und dem bewaldeten Granitberg liegt. Schon die allererste Ansicht wäre ein Gemälde wert. Der Weg zum Gipfel biegt im rechten Winkel ab und peilt geradewegs einen ausdrucksstarken Baum an. Der Aufstieg verläuft sandig entlang raschelnder Trockenrasen, deren knapp ausgestattete und farbkräftige Blüten gut von den Bienen besucht sind.

Im Zustieg bei Altglietzen

Eine windschiefe Bank, die alle Wetter kennt, hält sich schon seit Jahren hier an diesem ausgesetzten Ort und empfiehlt Kraft ihrer Lehne den Blick auf die Hochebene des Inselinneren. Der ist in der Tat schön, doch wer erstmal hier oben steht, wird noch ein paar Meter weiter gezogen, hin zum banklosen Nebengipfel. Der liegt auf selber Höhe und kredenzt die ganze Breite sowie einiges an Länge des platten Oderbruchs. An Tagen mit makellosen Sichtbedingungen dürfte rein mathematisch gesehen und per Fernglas der Reitweiner Sporn erahnbar sein. Die Erdkrümmung mal außer Acht gelassen …

Reife Felder bei Altglietzen

Die einzig lerchenverzierte Stille dieses Ortes wird plötzlich durchbrochen von einem Mopped, das nach versäumtem Schalten versucht, im falschen Gang den sandigen Hang zu bewältigen. Da Publikum da ist, will sich der Pilot keine Blöße geben und versucht es weiter, doch die Simmi bockt verständlicherweise und sorgt bald selbst für Stille. Danach greift der Notfallplan der schlüssigen Handlung, also etwas zurückrollen, starten und im ersten gemäß der verfügbaren Pferdestärken den Hang erklimmen. Und dann nix wie weg. Was bleibt, ist das typische Aroma von zwei Takten in der Luft, das hier zu Hause ist und niemals allzu schnell verweht.

Bildschöne Aussichtshöhe zwischen den Dörfern

Bezaubernde Wege kurven nun durch die Wiesen und machen Lust aufs Barfußgehen. Immer wieder schwenkt der Blick nach links und auch nach rechts, denn die Weite gibt mit jeder neuen Minute bestaunenswerte Bilder her, von mehrdimensionalen Weiten bis hin zu terrassierten Wiesenhängen mit eingestreuten Einzelbäumen. Auch dabei ist eine erste groß angelegte Scharte hinab zum Flussniveau, die man als Riese ständig würde streicheln wollen.

Aufstieg zum Gipfel mit Aussichtsplateau

Im Knick des Fahrweges beginnt nun ein fußbreiter Pfad, doch ehe das nächste Waldstück erreicht ist, gibt es einige Gründe zum Stehenbleiben, Bücken, wieder aufstehen, dann nach vorne beugen, wieder bücken, auf die Knie gehen oder auf den Hosenboden. Auf Kniehöhe werden einzigartige Duette von kleinen, reich bemusterten Schmetterlingen mit den dazugehörigen Blütlein gezeigt. Die Falter sind mal schwarzweiß oder leuchtend neonorange, mal ähneln sie den Klassikern wie Admiral oder Tagpfauenauge, sind es jedoch nicht. Jeweils ist eine Sorte an einer bestimmten Blume zu finden, und einige sind erstaunlich geduldig im Stillhalten oder dem kurzen medienwirksamen Aufklappen á la Snapchat.

Weiter Blick ins Oderbruch

An der nächsten Waldlichtung mit ihrer üppigen Wiese gibt es wieder ganz andere Schmetterlinge und rings umher hochgewachsene Nadelbäume aller Art, in der Summe einen Hauch von Mittelgebirge. Dazu passend setzt sich der Weg nach dem nächsten Abbiegen in einen versteckten Hohlweg fort, dessen Scharte sich immer tiefer einschneidet. Kurz nach einer sandigen Lichtung voller Kienäppel steht das erste Haus von Gabow. Von der anderen Seite kommend würde man hier nicht unbedingt einen gangbaren Weg vermuten.

Hügelflanken vor Gabow

Gabow I

Da nicht allzu viele Dörfer am Weg liegen, Dörfer am Weg jedoch dazugehören und immer eine willkommene Abwechslung sind, werden wir Gabow einfach mehrfach verwenden, jeweils aus einer anderen Richtung kommend. Das sollte hinhauen und jeweils als neues Dorf durchgehen.

Der Abstieg von der Höhe des Granitberges, dessen Gipfelpfad heute der Wärme wegen ausgeklammert wurde, endet an der Dorfstraße, die unweit des Altglietzener Hauptgrabens und der Stillen Oder verläuft. Dementsprechend saftig sehen die Auen aus, die sich am hinteren Rand der Grundstücke entlangziehen.

Tänzchen am Wegesrand

In der Dorfmitte gibt es dieselbe schöne Rundbank um einen kräftigen Stamm wie auch in Neuglietzen, gegenüber ein winziges Backsteingebäude unbekannter Funktion und mit ihm im Ensemble ein ansehnliches Fachwerkhaus, das seine Fassade selbstbewusst ins Bild hält. Nicht weit davon finden sich noch die Karten für Radfahrer und Spaziergänger sowie die Bushaltestelle, wo auch prompt ein Bus hält. Könnte man jetzt einsteigen und sich durch die schöne Landschaft kutschieren lassen, einfach so. Und nach einer Runde dann hier weitergehen. Oder unterwegs am nächsten Biergarten aussteigen und was pietschen, dann erst zurück und danach weitergehen. Oder noch ganz anders.

Waldlichtung bei Gabow

Über unverwitterbare Feldsteinmauern fällt der Blick in die Obstgärten und die dahinter anschließende Landschaft der Flussaue, und schon bald biegt ein Weg genau dorthin ab. Der erhoffte Wind für eine Pause ist dort nicht zu finden, doch ein paar Schritte weiter bietet sich eine schöne Uferstelle an, mit idealer Böschung, die einen nicht ins Wasser rutschen lässt, dennoch bequem Platz für die Beine bietet. Gratis dazu gibt es einen der schönsten Blicke auf das Dorf mit der Kirche im Berg, auch der für ein Gemälde gut.

Hohlpfad hinab nach Gabow

Gegenüber im Ried tönen in bestem Stereoton zwei Teichrohrsänger, die erzählfreudigen Humoristen der schilfigen Uferkanten. Hin und wieder sorgt ein fetter Fisch für Lärm, Blasen und konzentrische Kreise, fast regelmäßig fangen große Libellen mit ihren abrupten Flugmanövern den Blick ein. Wie zu erwarten schaut eine penetrante Bremse vorbei, doch hat die scheinbar von der Demse auch schon eine weiche Birne und lässt sich beim ersten Versuch k.o. schlagen. Eine Vertretung bleibt aus.

Dorfplatz in Gabow

Das folgende Stück Landstraße lässt von der Verkehrsdichte her an Westernszenen denken, die um die Mittagszeit spielen. Nur ein einziges Auto stört die paar Minuten, das vorher von flirrender Hitze verzerrt und scheinbar ewig lange nahte und doch nicht näher kam. Mit Blick nach links ist die Anhöhe von vorhin zu sehen, die mit dem Baum und dem Moppet. Beim Abbiegen auf den nächsten Feldweg erweist sich als gute Entscheidung, am Rand von Altglietzen nicht den Verlockungen der weiten Ebene erlegen zu sein.

Blick übern Zaun in Gabow

Den einzigen Schatten am Weg wirft ein Stapel aus Strohrollen, etwa so groß wie eins der vielen Kolonistenhäuser in Gabow I. Und den dann auch noch in die falsche Richtung. Gut, wenn man den Schatten zum Mitnehmen dabei hat, sei es in Form eines breitkrempigen Hutes oder besser noch eines Schirmes mit weißer oder silbriger Außenhaut, der auch bei größter Knallsonne ein gut erträgliches Mikroklima schafft. So auch jetzt.

Blick über den Altglietzener Hauptgraben nach Neutornow

Die letzte Pause war zwar gerade erst, doch erstens sollte man an allzu warmen Tagen öfter pausen, zum anderen ist der nächste Platz am Oderufer so schön, dass man da einfach nicht vorbeigehen kann. Ein vergangener Steg im glasklaren Wasser sorgt für etwas Archaisches, die dicht bewachsenen Ufer für unmittelbare Naturpracht, und nach links ist über dutzende Seerosenteppiche das Dorf mit der Kirche im Hang zu sehen. Hier hätte man wohl auch Tom Sawyer drehen können.

Gabow II

Unterhalb einer Rastraufe sitzt ein junges Pärchen, er kümmert sich um die Angel, sie hält mit dem Fernglas Ausschau nach Ausschauenswertem, beide scheinen stillvergnügt. Kurz darauf überqueren wir am eindrucksvollen Schöpfwerk Neutornow, seit Kurzem einer der Kulturerbe-Orte des Oderbruchs, die Stille Oder und stellen anhand des Erklär-Schildes fest, dass die Kirche ja gar nicht zu Gabow gehört sondern zu Neutornow. Na umso besser!

Stille Oder bei Neutornow

Neutornow

Die schön gelegene Kirche ist ganz klar blickbestimmend. Schließlich überrascht sie uns noch mit einem der schönsten Stiegenwege weit und breit. Der schattige Friedhof verteilt sich über den sanften Hang. Zwei freundliche Damen frischen gerade im großen Stil die Blumen auf den Gräbern auf, dazu stehen mehrere Eimer prall gefüllt mit knackigen gelben Schnittblumen auf dem Weg.

Stiegen hinauf zur Kirche im Hang, Neutornow

Die flach ansteigenden Stufen sind derart bemessen, dass man nicht zu große Schritte macht, automatisch einen anmutigen Gang erhält und die Kirche keinesfalls außer Puste erreicht. Die dicht stehenden Bäume beiderseits der Stufen sind teils von Efeu umrankt, die ganze Kulisse ist sehr romantisch im Sinne eines Caspar David Friedrich. Der war ja ein Zeitgenosse von Theos Vater Louis Henri Fontane, welcher ein Dorf weiter den letzten Abschnitt seines Lebens verbrachte. Begraben wurde er an hervorgehobener Stelle hinter der Kirche hier.

Ausblick von der Bank hinter der Kirche, Neutornow

Nur ein paar Schritte von der großen Grabplatte steht eine Bank mit schönem Blick auf die weite Ebene, der man sich kaum entziehen kann. Unten aus einer Garage tönt ein leierndes Gebumbel, das sich nach und nach als Michael Jackson Billie Jean entpuppt. Das Leiern war wohl dem launischen Wind geschuldet, und die Nummer hat bis heute nichts, aber auch gar nichts verloren. Gedanken an zwei Klassiker der Weltkultur am selben Ort …

Pfad hinauf zur Bergkolonie

Bergkolonie

Der Friedhof lässt sich durch ein Hintertor gegenüber des Kirchturmes verlassen, wo direkt ein schattiger Weg den Anstieg fortsetzt. Der wird bald zum Pfad und verläuft oberhalb einer tief eingeschnittenen Hangscharte. Wieder im Licht führt ein Sträßchen zwischen grasigen Hängen und Streuobstgärten entlang zur Bergkolonie, in deren Vorgärten eine markante und scheinbar ortstypische Art von Ziehbrunnen zu beobachten ist.

Abgeerntete Felder bei der Bergkolonie

Hinter dem letzten Haus biegt der offizielle Dorfrundweg rechts ab, wir mit ihm, und lenkt die Schritte über einen stoppeligen Wiesenweg, zwischen sanften Höhen entlang. Die Felder sind frisch abgeerntet und die Optik lädt zum Rumkugeln ein, doch das dürfte ganz schön pieksig sein, selbst für Wettergegerbte. Über der Landschaft zeigen sich die Wolken nun bereitwilliger zu etwas Aktion. Von Südosten kommen noch plüschige Haufen in Weiß daher, doch weiter links macht sich eine abgedunkelte Wand zum Aufbau bereit, bestätigt von fernem Grollen.

Am Rand von Gabow

In einer kurzen Hohlgasse geht es schwül dampfend zwischen Rosenbüschen und Holunder hindurch, eine letzte blütenweiße Dolde hält zwischen den ersten hartgrünen Stadien der werdenden Beeren die Stellung. Die Schwirrenden zeigen sich aufsässig in diesen wenigen Metern der Windstille und scheinen auch das Wetter zu erwarten.

Gabow II, die zweite

Nach einem Bogen und einem unerwarteten Weg zwischen zwei Zäunen empfängt uns das erste Haus des nächsten Dorfes. Eins der Nachbarhäuser lässt in Grundgestalt und Neuinterpretation durchaus ans Mediterrane denken, ein kleines gekonntes Kunstwerk in der Disziplin der Landlust. Von hier geht es jetzt nur noch bergab, unten dann vorbei am Dorfplatz von vorhin. Kurz nach Ende der bekannten Passage endet Gabow mit einem Schnitt in Sachen Landschaft, denn umgehend öffnet sich ein rahmenloses Fenster auf die Höhen von vorhin, die von unten nun nicht weniger anziehend sind.

Ausgangsstellung kurz vor dem Performen des Moonwalks, Gabow

Ein Mann hat gerade drei Pferde am Wickel und ruft einer vorbeiradelnden Dame einen knappen Satz mit blassem Fragezeichen zu, der sie zum Anhalten samt obligatorischem Wortwechsel animiert. Hinaus über wie geht’s muss ja folgen noch konkretere Fragen und er erfährt, dass sie ins übernächste Dorf fährt, da ist Dorffest, da will sie Kuchen holen fürs Kaffeetrinken, die Ingrid und die Dörte, die backen doch so legendär. Naja, er muss ja noch die Pferde und wird mal sehen, wie spät dann is.

Unterer Weg nach Altglietzen

Der stille Radweg mit seiner hellen Pflasterung könnte definitiv irgendwo an der See zwei Dörfer verbinden. Die zahllosen Bilder der Sonderklasse sorgen für viel Entzücken und viel zu viele Auslösevorgänge. Links reihen sich Hügel und Hänge mit ihren bewegten Wiesenmatten aneinander, hier und da öffnet sich eine Kehle oder ein Zwischental.

An mehreren Stellen verlocken Pfade von schöner Gestalt zum kurzen Ausflug in die bekannte Höhe, die Wolken tragen das ihre dazu bei. Wieder nehmen wir dieselben Bilder wie beim letzten Besuch hier, und wieder darf keines davon fehlen. Es ist ein so unfassbar schönes Stück Weg, links die Wiesenflanke der Dünenberge, rechts die grüne Weite mit ihren versprengten Dörfern.

Dünenhang mit verdecktem Pfad

Zuletzt geht es angenehm schattig durch eine Gasse aus Büschen und Bäumen, bis ein letzter dicker Poller ohne rechte Funktion Altglietzen ankündigt. Jetzt noch die erwähnten Meter hoch zum Dorfplatz mit der Rundbank und den nahen Bushaltestellen, es drückt nun zum ersten Mal am Tag so richtig. Gut zu wissen, dass die Einkehrmöglichkeit am Rande des Dorfes einen schattigen Biergarten hat!

Doch alle Anzeichen waren wieder nur leere Versprechungen, zumindest für den Augenblick bleiben die Wolken zugeknöpft, und so wäre ein Eis schön, vielleicht im nächsten Städtchen. Ohne Suchen führt uns der Weg zur östlichen Bad Freienwalder Vorstadt, und schon von Weitem verrät eine kleine Schlange den gesuchten Ort.

Pfad hinauf zur Höhe, unweit Altglietzen

Was wir hier finden, ist aber nicht einfach nur eine Eisdiele, sondern gemäß Beschriftung und durchaus überzeugend auch Eis- und Cocktail-Treff mit Pizzeria, wobei die Betonung deutlich auf Treff und dem namentlich unerwähnten Bier liegen sollte. Ein einladender Ort für jung und alt zum Kurzbesuchen oder zum Verweilen, drinnen urig, draußen mit kleinen Sitzterrassen und einer extralangen Eisleckbank. Eine pinke Schar eigenartiger Geister klappert im Zickzack die Straße ab, vor sich einen fahrenden Bauchladen, ist bald verschwunden und doch nie ganz weg.

Als sich die Eis-Schlange zerstreut hat, treffen wir unsere Wahl und werden darin vom zapferfahrenen Mann an der Eiszange bestätigt – die Damen nehmen meistens Waldbeere-Joghurt, die Männers fast immer Zitrone zur Schokokugel. Im Genuss verschmelzen die Kühlung unterm Gaumen und die eigens für uns bestimmte, schöne Wahrheit miteinander. Die mittsommerliche Sonne steht hoch über allem und denkt noch lange nicht ans Sinken.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
S-Bahn oder Regionalbahn bis Strausberg Nord, dann weiter mit Bussen (über Bad Freienwalde) (ca. 2 Std.); wahlweise auch per Regionalbahn nach Eberswalde, dort umsteigen nach Bad Freienwalde, dann weiter mit dem Bus (ca. 2,25 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über Landstraße (B 158) nach Bad Freienwalde (Sommer 2022: derzeit großräumige Umleitung über Prötzel und Wriezen) und weiter nach Altglietzen (ca. 1,25-1,5 Std.)

Länge der Tour: ca. 12 km (Abkürzungen gut möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Altglietzen (knappe Information)

Internet-Auftritt der Oderinsel Neuenhagen

Kulturerbe Oderbruch (mit kurzem Film)

Einkehr: Zur Satteltasche, Altglietzen
Zur Oderbrücke, Altglietzen
(mit 1 km Abstecher nach Schiffmühle: Fontanehaus mit Café)

Blankensee: Sand im Kamm, der Bunte Markt und die Doppel-Bärchen

Mit einem Mal ist es so, als wär’s nie anders gewesen – am Boden, im Buschwerk und in den Baumkronen ist es füllig grün, Gräser wogen im Wind und überall wo Platz ist zirpen die Grillen. Das Grün ist dieses ganz frisch gewachsene, welches in seiner Anfangsphase das Licht im Wald ein wenig flirren lässt, die Gräser waren vor ein paar Tagen noch nicht mal zu erahnen und die Grillen agieren schon derart souverän, als ginge nächsten Montag der Sommer in die Spur.

Ausdruckstanz auf dem Kamm der Glauer Berge

Eine Farbe der Maientage ist ganz klar das Gelb, das sich mit den großzügig verstreuten Butterblumen dotterkräftig ins saftige Gras mischt oder licht und flächig mit den Rapsflächen das Blickfeld ausfüllt und dabei nahezu unfotografierbar ist. Der etwas neonspröde und zugleich tiefgesättigte Gelbton scheint auch fortgeschrittene Sensoren auszutricksen und möchte am liebsten im Original und also unter freiem Himmel bestaunt werden.

Rastplatz auf dem Fuchsberg

Während Nase und Auge mit dem Wahrnehmen kaum hinterherkommen, gibt es auch für die Ohren schon erhoffte Neuzugänge, die alle klingen, als wären sie gesegnet mit Humor. Der Kuckuck, wohl der Vogel mit dem unverhandelbarsten Wiedererkennungswert, bringt allein durch seine beharrliche Variantenfreiheit die Mundwinkel etwas nach oben oder lässt für einen Augenblick an unbeschwerte Kindertage denken. Ist eben noch hier, gleich darauf dort und tönt einem fünf Sekunden später direkt vom nächsten Baum ins Ohr.

Lindenhof in der Friedensstadt Weißenberg

Zu den regelrechten Spaßvögeln und Plaudertaschen gehört hoch im Wipfelwald der gelbe Pirol mit seinem Gedudel aus schnell gespielten Versatzstücken des Freejazz. Drunten im Schilfgürtel märkischer Seen findet er einen Partner auf narrativer Augenhöhe mit dem Drosselrohrsänger, der auf verschmitzte Weise plaudert, schimpft und berichtet und für den Zuhörer meist mit dem Duft von offenem Wasser und Schilfgeraschel verbunden sein wird. Die Schwalben sind zwar schon eine Weile da, verhalten sich fürs Erste aber noch still. Und die Mauersegler lassen auf sich warten.

Pfad am Wildgehege Glauer Tal

Davon abgesehen ist Anfang Mai für viele Menschen eine Zeit fürs Gedenken, das Gedenken an die Toten, die in einem unfassbaren Krieg umkamen. Ein Krieg, so unvorstellbar, dass er selbst durch die vielen vorhandenen Bild- und Filmdokumente für Nachkriegsgenerationen nicht an Abstraktheit verliert. Hierzulande fand er an einem 8. Mai sein amtliches Ende.

Weitgehend losgelöst von den Nationalitäten der Gefallenen, Ermordeten und Umgekommenen besuchen in diesen Tagen traditionell viele Menschen verschiedenste Orte und Stätten, die an diese Ereignisse erinnern. In diesem Jahr ist das mit Spannungen unberechenbarer Art verbunden, Gedenken und Ruhe werden nur bedingt zusammen gehen.

Achtbeiner am Naturparkzentrum Glauer Tal

Wer sich trotzdem nicht völlig rausnehmen möchte, kann rund um Berlin oder auch in der Stadt selbst verschiedenste Orte finden, die klein und entlegen sind und dieselbe Art von Gedenken ermöglichen. Einer davon ist die Friedensstadt am Fuß der Glauer Berge, die vor gut 100 Jahren gebaut wurde, bereits nach 15 Jahren in missbräuchliche Nutzung geriet und deren Bild dann fast sechzig Jahre von militärischen Uniformen bestimmt wurde. Erst Mitte der Neunziger Jahre ließ sich wieder an die ursprünglichen Ideen des Gründers anknüpfen.

Friedensstadt Weißenberg

Das Ortsbild versteckt keine der Riefen der Geschichte. An den vielen Stellen, wo sicherlich jedem zweiten Besucher eine Frage erwächst, steht meist ein paar Meter weiter eine kleine Schautafel, die informativ, anschaulich und ohne schlauen Zeigefinder die geraffte Antwort liefert. Auf den ersten Blick oder bei bloßer Durchfahrt wirkt die Siedlung spröde und abweisend, doch ein Rundgang ist lohnend. An fast jeder nächsten Ecke ergibt sich ein neuer Kontrast, viele Orte strahlen Friedlichkeit aus. Werdendes steht neben Vergehendem, staubige Brachen grenzen an hübsch gestaltete Parkstreifen oder fantasievoll bunte, zaunlose Hintergärten.

Dorfmitte von Blankensee

Davon losgelöst kann man auch den Mai als Monat feiern, insbesondere nach den sechs Monaten mehr oder weniger Kälte und Frieren, und so lässt sich der Besuch der besonderen Siedlung in eine besondere Runde einbinden. Vier Orte liegen auf dieser Tour, die jeder einzeln schon als Ausflugsziel taugen würden und allesamt grundverschieden sind. Mit dabei sind einige Höhenmeter samt Bergkamm und Gipfelkreuz sowie eine ganze Reihe zauberhafter Pfade, die uns zum Teil der Zufall in die Karten spielte.

Nieplitz im Schlosspark Blankensee

Blankensee

Der sagenhafte Dorfladen wurde schon in einem früheren Dezember besungen, und er hätte es auch heute wieder verdient. Wer hier sitzt, fühlt sich wie im Urlaub. Kreuzung, Häuser und Geschehen wirken ein wenig wie in einem Dorf im Hinterland der Ostseeküste. Blankensee als Dorf scheint zusammengebaut aus einem gut bestückten Premium-Dörfer-Baukasten, der Grundriss ist unregelmäßig und keine Ecke gleicht einer anderen. Es gibt verschiedene Gastronomie, einen Feuerwehrturm mit Besuchertoilette und einen Imkerladen mit schickem Automaten. Hier kann man sich auch nach Ladenschluss verschiedenste Sorten Honig oder auch eine Tüte Honig-Doppelbärchen ziehen, die in ausgewogener Mischung fruchtig und nach Honig duften.

Aufstieg zum Kamm der Glauer Berge

Der Dorfladen ist legendär, das Café Fritz gehört dazu. Vorn an der Ladentür geht es zwischen spontanen Ruhephasen hoch her, Einheimische wechseln mit trödeligen Spaziergängern oder Radlern verschiedener Tempo-Klassen. Während auf den umgebenden Straßen die maierwachten Biker ihre Ringmuskulatur auf dem Tank ablegen und ihren urigen Gasthof im Walde ansteuern, haben hier weitaus ältere Radsport-Herren ihre drahtigen Gliedmaßen in synthetische Pellen verpackt, deren Farbkombinationen teils sehr laut fürs Auge sind. Unklar bleibt oftmals auch, was jetzt eingesetztes Polster ist und was nicht.

Kammpfad mit Flieder

Auf jeden Fall haben sich alle einen guten Appetit angeradelt und lassen den Füllstand der Theke rasch sinken – belegte Brötchen, Kuchenstücke und Schmalzstullen gehen gut weg. Manche Frohnatur spickt den Prozess mit einem originellen Spruch, den wohl jeder im Raum schon öfters gehört hat. Wem all das alles doch zu trubelig ist, der kann sich hinten in den Hof verkrümeln oder noch eine Pforte weiter in den idyllischen Wiesengarten, der saftig grün ist vom jüngsten Schauer.

Dünenrücken der Glauer Berge

Wir wollen nichts verpassen von dieser herrlichen Atmosphäre vor dem Laden und finden einen freien Tisch. Sitzen gut und plaudern, die Unterhaltung stimmt, und so verlängern wir um eine zweite Tasse. Vielleicht auch, weil der Aufstieg zum Bergkamm gleich bevorsteht. Holen noch ein Kuchenstück für die verdiente Rast am Gipfelkreuz, bevor endlich die Loslösung erfolgt, schweren Herzens. Und voller Neugier auf die ganzen kaum bekannten Stationen dieser Runde.

Am Anfang steht die Nieplitz, von deren Brücke sich eine pittoreske Vorschau auf den hochherrschaftlichen Abschluss der Runde ergibt – ein ansehnlicher weißer Parksteg, der sich mit noblem Spiegelbild über den Fluss krümmt. Im benachbarten Park steht ein Bauwerk von angenehmer Dekadenz, wohl nur dafür geschaffen, nach dem Erklimmen einer Stiege recht herrschaftlich von oben in den Park hinabschauen zu können.

Wiese auf den Glauer Bergen

Glauer Berge

Nach kurzem Verfransen in den bunten Nieplitzwiesen beginnt direkt an der Landstraße der Aufstieg, der nicht lange fackelt. Der Höhenrücken verleugnet nicht seine Dünenständigkeit, je weiter man an Höhe gewinnt, desto flächiger zeigt sich der Sandrücken. Immer schmaler wird der Weg, bis schließlich auf dem Kamm nur noch ein hinreißender Pfad übrig ist, der hakenschlagend und teils gitterhaft ausfransend seinen Weg nach Osten geht. Untypisch, erstaunlich und sehr passend für diese Woche im Jahr ist das reiche Vorkommen von Fliederbüschen hier auf der sandigen Höhe. Kleine gelbe Blütensterne kontrastieren schön dazu, dazwischen liegt der Weg.

Aussicht zum Blankensee

Der geht dann wieder in die Breite, in voller Sandigkeit und durchzogen von knorrigen Wurzelarmen, und streift eine größere Fläche offener Düne. Dahinter schwindet kurz die Klarheit, wo der Fontane-Weg nun geblieben ist, ungewollter bzw. verfrühter Höhenverlust droht. Doch bald ist die Markierung wieder da und ein späterer Zufallspfad erlaubt sogar eine sinnvolle Abkürzung, die einen in Kauf genommenen Höhenverlust vermeidet.

Aussichtsbank am Fuchsberg

Fuchsberg

So gelangen wir vorbei an markanten Geländescharten, die ähnlich prägnant ausfallen wie bachgeschaffene Nebentäler, fast direkt zum großen Wegweiser auf einer Trockenwiese, über der die Wolken mittlerweile sehr plastisch den blauen Himmel bevölkern. Gleich um die Ecke liegt nun ein herrlicher Aussichtspunkt, mit Rastraufe und Gipfelkreuz. Der Panoramablick reicht über den benachbarten Löwenberg, gut erkennbar am Aussichtsturm, über den glitzernden Blankensee bis weit ins Land und über die offenen und bewaldeten Weiten der Nuthe-Nieplitz-Niederung. Ganz im Westen ist bei guter Sicht eine ferne Höhe auszumachen.

Stüfchen unweit des großen Wegweiser, Glauer Berge

Friedensstadt Weißenberg

Der sanfte Abstieg verläuft über einen Wiesenweg, umrundet dann die Tier- und Pflanzenwarte und erreicht die Friedensstadt über eine abenteuerliche Treppe, die einst zum riesigen Terrassen-Café gehörte. Unten bei den Häusern herrscht buntes Treiben, aus einem Findlingsblock sprudelt Wasser, dicht drum herum hocken kommunikative Bänke. Über all dem steht am Giebel ein ausführliches Zitat von Herrn Weißenberg, dem visionären Initiator der Friedensstadt und Gründer der Johannischen Kirche, die sowohl hier als auch bei Blankensee eine Rolle spielt.

Tiergehege am Abstieg

Die Siedlung ist wie beschrieben eindrucksvoll uneinheitlich, hier und da sind noch gut die Grundstrukturen zu erkennen, insbesondere am angerähnlichen Lindenhof, der hier mit seinen Siedlungshäusern wie ein eigenes kleines Dorf wirkt. Viele bunt gemischte Kinder sind zu zweit oder in Trupps unterwegs beim Spielen und schlitternden Staubaufwirbeln, Wettrennen und Fangen oder beim gemeinsamen Bestimmen, wer das nächste Spiel bestimmt. Begegnen uns immer wieder, an den allen möglichen Ecken der vielfach verschränkten Siedlung, Wald, Wiese, Kieshaufen. Es ist hinreißend und echt, fast wie ein Bild aus der eigenen Kindheit, wo Strom keinerlei Rolle spielte oder man ihn allenfalls für die kleine Taschenlampe in der Hosentasche brauchte. Wo die Eltern derweil sind, klärt sich schon bald.

Vergehendes Terrassenlokal über der Friedensstadt Weißenberg

Der Staub wurde eben erwähnt, da ist es nicht weit zum Durst. Vorhin sahen wir einen schönen Pavillon mit Biergarten, die Läden hochgeklappt. Doch obwohl die Spülbecken gefüllt sind und die Gläser frisch tropfen, gibt es hier nichts für die Kehle, erst nächste Woche beginnt die Saison, für die gerade alles klargemacht wird. Doch wenigstens einen Hinweis, da lang, noch vorbei an der Ladenzeile, da is schon zu, und noch hinterm Café Tassé in der Markthalle, die is bis dreie offen, da könnse sich was rausholen. Markthalle, echt?

Giebelschrift am Frieda-Müller-Haus

Bunter Markt

Unterwegs treffen wir noch auf einen weiteren Trupp Kinder, die sich allesamt im ausladenden Unterrock einer riesigen Konifere ihre Höhle erfunden haben und einander Geflüstertes zuraunen. Hinter der nächsten Wiese steht schon die Markthalle, die wahrhaftig so heißt und noch weit mehr so ist, als wir uns hätten vorstellen können. Gut, dass der Kiosk noch nicht offen war, sonst wären wir hier womöglich vorbeigelaufen.

Siedlungshäuser am Lindenhof, Friedensstadt Weißenberg

Drinnen sind zich Stände aufgebaut, von Handwerk, Kunst und Handarbeit über Kitsch und Antikes bis zu schönstem Trödel, natürlich auch Verschiedenes zum Sattwerden und Durstlöschen. Die Atmosphäre ist herrlich, es ist gut gefüllt und Bunter Markt ist tatsächlich der passende Begriff. Beim Hinterausgang gibt es auch noch einen Grillstand und sogar kleine Livemusik. Einmal im Monat findet das hier statt, und wenn uns heute auch die Muße fehlt, ist einer der nächsten Termine gesetzt für den ausführlichen Besuch, der sicherlich mit zwei vollen Beuteln enden wird und die Sorge um herzige Weihnachtsgeschenke in Luft auflöst. Wer schon einmal den Weihnachtsmarkt der Johannischen Kirche in Blankensee besucht hat – so ähnlich kann man sich das vorstellen, nur eben ohne Schal und Handschuh.

Ladenzeile am Festplatz, Friedensstadt Weißenberg

Eine staubige Brache später folgt das nächste faszinierende Gebäude, weder Ruine noch verfallend, irgendwie zwischen allem. Vom etwas erhöhten Weg fällt der Blick hinab in die Niederung, wo eine kleine Tribüne über einen großen Sportplatz wacht. Es dürfte spannend sein, dieses Ort hin und wieder aufzusuchen und jeweils auf die Pirsch zu gehen nach Stellen, wo sich was verändert hat.

Parkweg zur Markthalle

Unterhalb des Hanges der Glauer Berge ist es vielleicht eine Viertelstunde bis zum Friedhof, der nicht nur seiner Fachwerk-Kapelle wegen eine besondere Wirkung ausstrahlt. Den Lehren der Johannischen Kirche folgend sieht hier jeder Grabstein aus wie der daneben, wie ein Ruhekissen in aufgeklopfter Echtgröße. Weiter hinten gibt es noch eine Wiese mit Holzkreuzen, unter denen vielleicht auch die polnischen Zwangsarbeiter ruhen, die hier in der NS-Zeit ihren Tod fanden. Auf dem Friedhof ist richtig Betrieb, überall wird gehackt und gefegt und gejätet, viele sitzen auch einfach gemeinsam auf dem Boden und erzählen miteinander.

Friedhof der Johanneschen Kirche bei Glau

Glau

Auf dem Weg nach Glau fallen die ersten Tropfen, das ist jetzt wohltuend und nimmt den Staub etwas aus der Luft. Rechts des Weges steht ein kleines Dreigestüf, um ohne Peinlichkeiten auf einen Pferderücken zu gelangen, links dahinter folgt ein winziger Friedhof mit ehrwürdigen Familiengräbern an der rechten Seite. Kurz darauf stehen wir vor der Dorfaue, die mit ihrem halben Rundling und den großen abgerundeten Toren daran erinnert, dass man im Fläming ist.

Dorfaue im Dorf Glau

Das Dorf liegt im Glauer Tal, aus dem es jetzt wieder einige Höhenmeter hinauf geht. Der Wald ist übervoll von Maigrün mit kleinen gelben Punkten links und rechts des Weges. Es duftet süß und aromatisch, auch wenn nirgendwo Waldmeister zu entdecken ist, dann noch lieblich, und bald zeigen sich kleine Felder blühender Maiglöckchen als Erklärung. Waldstücken wechseln mit Feldern und Wiesen, hier und dort liegen frischgefallene Pferdeäpfel, die hier unbedingt hingehören. Bald ist weiter vorn auch der passende Hintern zu sehen, bevor er im nächsten Wald verschwindet.

Glauer Tal am Ravensberg

Am Fuß des Ravensberges, dessen Gipfel wir umgangen haben, beginnt nun die flache Niederung des Glauer Tals, die sich entlang des Faulen Grabens bis nach Glau zieht. Eine andere Welt, mit weitem Blick zum betürmten Löwenberg und das Tal hinab in Richtung Blankensee. Entlang des Plattenweges gibt es einen Wassergraben, dahinter dichtes struppiges Buschgebäum, dessen Stämmchen dem Anschein nach alle im Wasser stehen.

Bald nach dem Einsetzen des nächsten Niesels verdichtet sich dieser zu einem richtigen Regen. Kiefern halten einiges ab, und so stellen wir uns ein Weilchen unter und holen die abhanden gekommene zweite Rast notdürftig im Stehen nach, während es draußen kühler wird und würzig duftet von überall her. Zwei Autos passieren derweil, ohne Staub aufzuwirbeln.

Birkenwald im Wildgehege

Wildgehege Glauer Tal

Hinter dem nächsten Wäldchen sind Kinderstimmen und zugehörige Familiengeräusche zu hören, kurz darauf sehen wir auch schon eine Rastraufe und den filigranen Zaun, der das große Wildgehege umgibt. Stattliche Hirsche in Rot und Dam soll es hier geben, auch Muffelwild, das ja durch die Schönower Heide als Großmeister im Verstecken bekannt ist. Damwild können wir später kurz sichten, darunter zwischen den Birkenstämmen auch eins in weiß, sodass bis zuletzt ein kleines Fragezeichen bleibt.

Nach dem ersten Zaunkontakt verfransen wir uns kurz, den alten Weg gibt es nicht mehr, doch wenn man vom Raufeblick einfach dem Zaun folgt, kommt man ohne ziepende Ästchen und eingezogenen Kopf auf einen der schönsten Pfade weit und breit. Die liegengebliebene Klappbrücke irgendeiner Armee reicht hier noch über ein austrocknendes Fließ, bevor dieses zauberhafte Stück Weges beginnt. Erst öffnet sich der Blick über eine saftige Wiese, die voll ist von pludrigen Butterblumen, dann geht es als Gasse durchs Buschwerk. Links begleitet den Weg eine lange Reihe von Bäumen.

Pfad zum Naturparkzentrum

Hinter dem feuchten Teil  der Wiese grasen Kühe auf viel Platz, weiter hinten stehen andere knöcheltief im Stroh oder haben ihren Kopf schon in eine Strohrolle hineingefuttert. Zwischen beiden Lagern rennt und karjohlt mit der Energie eines kleinen Kindes ein Kälbchen, im unregelmäßigen Hopserlauf und hochvergnügt. Ein Gleichaltriges versucht mitzuhalten und schafft es eine Weile, doch dreht irgendwann ab und holt sich etwas Kuhwärme von der Mutter.

Abendbrot unweit von Glau

Naturparkzentrum am Wildgehege Glauer Tal

Nach etwas Straße geht es am Parkplatz auf schönen Pfaden mit allerlei Stationen und Tafeln in ein verspieltes Gelände mit großen Wiesen, einem weiten Schafgatter sowie der schönsten Riesenspinne, die man je gesehen hat. Sie hockt über einem Netz zwischen den Hügeln der Spielplätze und sieht zwar eindrucksvoll, doch gar nicht angsteinflößend aus, sodass man ihr auch als Spinnenvermeider gern näherkommt.

Hinterm Schafgehege ist eine kleine Arena aus Strohrollen aufgebaut, in der man herrlich herumklettern, toben und springen kann, ohne dass sich irgendwer um irgendwas Sorgen machen muss. Das Stroh am Boden ist so dick, dass man weich einsinkt, doch nicht bis zum Boden kommt, ein herrliches Gefühl. Und damit verbunden die seltene Option, sich einfach mal an Ort und Stelle umplumpsen zu lassen.

Spielpark beim Naturparkzentrum Glauer Tal

Gerade noch freut sich ein Bengel über die Effekte selbst gepumpten Wassers in den Rinnen des Wasserspielplatzes und ruft seinen Kumpel zum Mitstaunen und schaumalwasichhierundso, da fängt es richtig an zu pladdern. Wir werfen noch einen kurzen Blick ins verglaste Naturparkzentrum, wo sich die Wärme des Tages gesammelt hat. Für den Nachmittagskaffee ist es leider zu spät. Auf frischem, hellen Holzmulch verlassen wir das Gelände durch wasserreichen, üppig grünen Wald.

Auf dem Weg zum Wildgehege haben sich Pfützen gebildet. Ein drittes Mal geht es über den Faulen Graben, bevor dann ein gemütlicher Alleeweg unterhalb des kaum wahrnehmbaren Mühlenberges auf Blankensee zuführt. Trotz des anhaltenden Regens ist dieser von der sinkenden Sonne warm durchleuchtet. Zu beiden Seiten steht das Korn schon fast kniehoch, das ging jetzt schnell. Vorhin gab es sogar schon den würzigen-kräuterigen Duft einer ersten Wiesenmahd.

Weg nach Blankensee

Blankensee

Einmal schräg über die Straße bietet sich überraschend ein kleiner Schleichweg an, der nun über Wiesen- und Waldpfade direkt zur Seepromenade verbindet. Rechts liegen unter schweren Wolken weite Wiesen, bis hin zum nächsten Schilfgürtel. Erwartungsgemäß wird es jetzt hier recht voll, denn selbst lauffaule Besucher von Blankensee werden den bekannten Holzsteg überm See aufsuchen, auch wenn der bald mal etwas Zuwendung bräuchte.

Blankensee mit Wetterwolken

Vorn auf der einzelstehenden Aussichtsbank am See haben sich zwei Mädels eingerichtet, genießen lose plaudernd das Schauspiel von ölig glitzerndem See unter dramatisch aufgebautem Wolkenhimmel, während unten Schwäne ihre aufwändigen Starts hinlegen, ganz oben die Kraniche mit der Thermik spielen und eine Ecke weiter scharenweise Gänse und Enten versuchen, die Sprachbarriere zu überwinden.

Auf dem Steg haben sich Vogelkieker versammelt, mit kleiner und größerer Optik. Die mit den ganz großen Rohren saßen heute zu Beginn des Tages beim Dorfladen am Nebentisch und plansimpelten über den Verlauf des Tages und die erhoffte Ausbeute, die sind hier schon längst durch und jetzt an irgendeinem wenig bekannten Platz mit vielen Vögeln und noch mehr Abendstimmung.

Uferweg an der Nieplitz zum Schlosspark

Dann gibt es noch die akademischen Betrachter mit hohen Brauen über beflissenen Augen, dabei den Kopf im selbstbestätigenden, weichen Nicken, natürlich auch die Heranwachsenden im schwierigen Alter, die mitmussten, auch wenn der Steg kein Welahn hat, und schließlich die geduldigen Genießer, die ein paar Minuten oder eine Viertelstunde auf ihre Bank gelauert haben und jetzt ihren verdienten Platz genießen. Die Stimmung ist friedlich, die Menschen nicht lauter als die Vögel auf dem See oder das Rauschen des Windes im griffnahen Schilf.

Brücklein im Schlosspark Blankensee

Noch vor der Brücke über die Nieplitz beginnt ein Uferpfad, der perfekt zur letzten Viertelstunde passt. Links eilt das gerade ein wenig hinabgestürzte Flüsschen vorbei, rechts liegen Teiche mit breiten Schilfgürteln, und über den Weg hängen wie gewachsene Vorhänge die Äste von Weiden. Wäre die Tageskraft nicht schon am Ende, würde man diesen Weg vermutlich noch ewig in die Länge ziehen. Links in den Wiesen sind große Teppiche schlohweißer Blümchen zu sehen.

Hinterm Bruch geht es nun links durch den Schlosspark, der klein, fein und verspielt ist. Auch wenn es vielleicht nur fünf Brücklein sind, scheinen bei jedem Blickschwenk immer neue hinzuzukommen. Ein herrschaftliches Portal entlässt aus dem Park. Direkt dahinter sollte man unbedingt ein paar Schritte nach links gehen, denn hier ist der erwähnte Bienenladen. Selbst wenn geschlossen ist – der Honig-Automat hat rund um die Uhr geöffnet, vermutlich sogar an jedem Tag des Dezembers.

Imkerladen mit Allzeit-Automat

Sollte man also wirklich einmal in eine Honig-Not geraten, ganz gleich ob un- oder verschuldet, und keinerlei Aufwand scheuen wollen, finden sich hier zu jeder Zeit Lösungen. Die Doppel-Bärchen übrigens, die man hier auch bekommt, sind immer Hand in Hand bzw. Tatz in Tatz und taugen damit gut als Botschafter des Friedens. Vielleicht sollte man sie einmal pauschal in alle Hauptstädte der Erde verschicken.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
Regionalbahn von Berlin-Hbf. oder -Südkreuz nach Trebbin, dann Rufbus Kranich Express (ca. 0,75-1 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): B 101 über Berlin-Marienfelde und Trebbin (ca. 1-1,5 Std.)

Länge der Tour: ca. 17,5 km (Abkürzungen gut möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Informationen zu Blankensee

Faltblatt Glauer Berge (PDF)

Friedensstadt Weißenberg

Glauer Tal – Wildgehege

Naturparkzentrum Glauer Tal

Einkehr: div. Möglichkeiten in Blankensee
div. (Imbiss-)Möglichkeiten in der Friedensstadt
Kleines Café im Naturparkzentrum

Lichtenow: Brunnenstaub, die schöne Dammscharte und das Meer in Blau

Der Winter hat sich längst vom Hof gemacht, doch die Kälte ist geblieben und macht fast ein halbes Jahr ohne nennenswerte Unterbrechungen voll. Wegsortierte dicke Jacken, Mützen und sogar Handschuhe wurden wieder hervorgeholt, die Heizsaison notgedrungen fortgesetzt. Die Infektionsthematik ist unterdessen zur lebensbegleitenden Gewohnheit eingelaufen und wurde in ihrer medialen Relevanz nochmals eingedampft durch ein Individuum, das mit seinen Handlungen die halbe Welt aus den Angeln gehoben hat.

Alter Bahndamm in Lichtenow

Dagegen scheint kein Trost- oder gar Gegenkraut gewachsen. Allenfalls Solidarität hilft ein wenig und jeder tut in diesem Rahmen, was er so tun kann. Dass nun endlich der Frühling sichtbar wird, ist keine direkte Hilfe, doch mehr Tageslicht, weniger Kälte und die erwachende Natur sind rein praktisch und auch für das allgemeine Seelenleben sehr willkommen.

Kagel im Rückblick

Während die letzten Frostnächte es bis in die Mitte des Aprils geschafft haben, kommt jetzt dieser Zeitpunkt, wo von einem Tag auf den übernächsten jeder Park von punktuellem Grün auf flächigeres überblendet, das Laubvolumen täglich wächst und der Duft der Natur auch ohne nächtlichen Regen präsent ist. Alles wird durchwirkt von Düften, Würze und Licht, Sonne und Wind, von Farbkraft und Vielfalt in allen Dingen. Der Frühling ist da und verstreicht einigen Balsam auf allem, was es so gibt.

Stiege im Alten Bahndamm, Lichtenow

Was die knappe Wegesammelei in den Monaten seit Spätsommer betrifft, sammelten sich in einer verwandten Dimension die Worte über Sinne durch die Luft in den Kopf durch die Finger auf das Blatt und dann raus in den Druck – und liegen jetzt als griffiger Schinken in den Theken. Zu Recherchezwecken ging es in diesem Rahmen wochenlang recht wild zu, im Sinne von hohem Gras, naturnaher Abgeschiedenheit und intensivem Erleben von Tier- und Pflanzenwelt. Mittlerweile hat sich die Lage normalisiert und in den Berichten wieder die Mischung eingestellt, wie man sie von dieser Seite kennt – hier ein Dörfchen, da ein Städtchen und dazwischen viel Natur.

Improvisierter Steg über den Stöbberbach

Lichtenow

Von Fangschleuse bei Erkner bis zum hübschen Dörfchen Hoppegarten erstreckt sich eine längere Kette aus Seen, von deren Mitte es nicht weit ist nach Lichtenow. Das ursprüngliche Dorf liegt etwas abseits, verfügt über einen festerprobten Anger sowie über den Zickenberg, auf dem schon manch illustres Mannschaftsspiel ausgetragen wurde, gern auch ausgestattet mit Schank und Grillständen. Manche Bestellung gegen Ende des Spielgeschehens wurde mit weichgezeichneten Konsonanten und reich an gedehnten Vokalen zur gelallten Formulierung gebracht, dann nach einer gedämmerten Kunstpause noch leise und eher an sich selbst gerichtet um ssweykümmalinge erweitert.

Verkappte Anemone in blau oder Leberblümchen

Was die meisten Leute von Lichtenow sehen, sicherlich meist aus dem Auto, ist die Ortslage entlang der Schnellstraße – Tanke, Ampel, Blitzer. Doch aussteigen lohnt sich, denn neben dem weithin sichtbaren und leicht zu entdeckenden Ringofen mit seinem gut gepflegten musealen Mobiliar gibt es noch einen schönen Dorfrundgang sowie ein paar Badeweiher mit Rundpfaden zu entdecken, auch der Fließweg über die Wiesen ins alte Dorf und die schöne Lindenallee auf dem Rückweg bieten dem Auge einiges Schöne.

Rund um die Kreuzung, die ihren bestimmten Artikel ganz zu Recht trägt, gibt es in Lichtenow eine Art Kiez, der die meiste Zeit über von einem gewissen Leben erfüllt wird. Direkt an die Tanke grenzen eine im Rahmen der Virusjahre stilvoll aufgedonnerte Dönerbude, die jetzt auch Döner-Tempel oder Dön Royál oder Dö|N|A heißen könnte, sowie ein Blumenladen, dessen Name hohe Erwartungen weckt und auch erfüllt.

Mühlenfließ nördlich von Lichtenow

Direkt auf der Ecke gibt es noch das indische Mehrzweck-Lokal, dessen Namen beim schnellen Lesen ohne Brille kurz das Bild umgehängter Blumenketten aufblitzen lässt. Direkt gegenüber liegt ein leicht zu übersehender Park mit schöner Eisleckbank, diagonal gegenüber die große Wiese mit dem Ringofen, bei deren ampelgebremsten Erreichen das Eis jedoch schon tropfen könnte.

Alte Schule bei Lichtenow

Unweit der Kreuzung beginnt der Fließweg und bietet einen Extrabogen für all jene an, die das Lichtenower Mühlenfließ binnen einer guten Stunde so oft wie möglich queren wollen. Beim ersten Mal öffnet sich nach Norden ein weiter Blick, oft mit fernen Kühen und immer mit vereinzelten Kronenbäumen, die dem Kirchblick zum Dorf gut stehen.

Wiesen gen Lichtenow Dorf

Entlang des Fließes wurzeln hochgewachsene Erlen, im Wasser selbst tummeln sich manchmal die eher hochkanten Laufenten beim Bade und sind dann kaum von Watschelenten zu unterscheiden. Gleich dahinter wurde ein Landlust-Traum verwirklicht. Garten und Haus der Alten Schule, jetzt ein Mehrgenerationenhaus, lassen den schweifenden Blick alle paar Meter irgendwo hängenbleiben und bieten Rustikales und Schönes und Naturromantik in Vollkommenheit.

Alleeweg von Lichtenow zum Dorf

Dahinter beginnt links des Weges ein Heckenstreifen, der noch relativ frisch ist und trotzdem seiner Funktion schon gerecht wird. Ein Abstecher ins Dorf passt heute nicht, und so bleiben wir am flüssigen Thema und schwenken zu einer der schönsten Bürgersteig-Passagen weit und breit. Nicht die Straße ist hier die Allee, vielmehr stehen die alten Linden beiderseits des schmalen Asphaltbandes für die Motorlosen.

Goldenes Lamm

Die Querung der Landstraße braucht ein bisschen Geduld. Auf dem Weg zur nächsten Bachbrücke lockt rechts der Gasthof mit seinen Angeboten in Kreideschrift, und obwohl viele noch beim Frühstück sitzen dürften, gestehen wir uns den Hungerast der Nachosterzeit ein und ziehen die Einkehr deutlich vor. Sind ja auch schon mehr als eine Viertelstunde unterwegs. Ein Tisch ist frei, das Interieur steht klar im Zeichen des Schafes.

Schafe im Wiesengrund des Lichtenower Mühlenfließes, Lichtenow

Nach dem Herumsitzen im Rahmen der Energie- und Mineraliengabe sind wir nun erst richtig träge, doch die ersten Ablenkungen gibt es schon nach wenigen Metern in Form der nächsten Bachquerung und der sehr ansehnlich verteilten Schafe, die an diesem sonnigen Tag wahrhaftig schon auf Schattensuche sind. Verständlich, denn noch sind vollständig eingestrickt und können nicht wie unsereins die Jacke etwas lüpfen oder sanftrebellisch die Mütze vom Kopf ziehen. Der Bachlauf zieht schmal durch eine sanfte Wiesenfurche und lässt nichts davon ahnen, wie es an der nächsten Querung aussieht.

Auf dem Alten Bahndamm in Lichtenow

Alter Bahndamm

Nach dem Verlassen der großen Straße wird es schnell still und Pferde bestimmen die Wahrnehmung. An einer der Tafeln des Dorfrundganges wird eine Gedankennotiz in die Tat umgesetzt, der Weg hatte vor zwei Jahren schon mit aller Kraft gelockt. Auf einem alten Bahndamm führt er oberhalb von Pferdeweiden entlang, voraus erhebt sich die eindrucksvolle Ruine eines Speichers, rechts und links werden Pferde bewegt oder bewegen sich selbst.

Bachscharte im Bahndamm mit Stiegen

Im Fuß des Dammes wurzelt eine lange Reihe stattlicher Eichen, die den Weg mit ihren kräftigen Auslegern teils komplett bedachen. Gleich wird die nächste Gedankennotiz abgelegt, für die Zeit mit vollem Laub am Baum, es muss bezaubernd sein. Wo das Mühlenfließ einst eine Bahnbrücke erforderlich machte, ist jetzt eine Art Taldurchbruch entstanden, der diesem kraftvollen Ort mühelos Ehre macht.

Ein knorriges Geländer begleitet ein paar Stufen, während gegenüber schon das pittoreske Pendant zu sehen ist. Ein überaus fotogenes Plätzchen, wie man es wirklich nicht erwartet hätte im platten Hinterland des guten alten Lichtenow. Der Blick von drüben auf die erste Treppe legt dann noch zwei Schippen drauf, wird die Szenerie doch um eine hangständige Doppeleiche ergänzt, die dem Ganzen wirklich Wucht verleiht.

Dammkiefer in großer Geste, Lichtenow

Auf dem nächsten Abschnitt gibt es nun als Dammausstattung auch Buschwerk und eine theatralische Kiefer, bevor die nächste Tafel des Dorfweges den Verdacht auf Bahndamm bestätigt. Das Gleis verband die Lichtenower Ziegelei mit dem weiterführenden Bahnnetz bei Herzfelde.

Gebirgsstiege zum Alten Bahndamm

Nach dem Abbiegen beginnt als schöner Kontrast eine wohltuende Waldpassage, die nach dem Regen der letzten Tage diese Düfte freisetzt, die mit dem Aufblättern des ersten zarten Laubes einhergeht. Noch sind sie selten, die Bienen und die Hummeln. Doch einige trotzen dem kühlen Windhauch, und so summt manchmal schon ein dicker Brummer dicht am Ohr vorbei und lässt schon ganz kurz an den Sommer denken, wo das so ein typisches Geräusch beim dämmrigen Fläzen in der Wiese ist.

Liegendes Sturmholz im Wald

Viele Holzstapel liegen im Wald, die meisten ziemlich frisch, vom Reinemachen nach dem letzten Sturmgeschehen. Manche Stapel duften ätherisch und sind dabei gern klebrig, die Harthölzer hingegen riechen eher nach neugekauften Vollholzmöbeln oder nach gar nichts, und die Robinienstämme zeigen ihren ganz eigenen Duft, wenn man tief und lange einzieht durch die Nase. Hier und da weht eine Brise Waldmeister durch den Wald, woanders sorgen Balsampappeln für vergleichbare Frische und Aromen.

Wiesengrund am Weg nach Kagel

Wegen querliegender Bäume ist der nächste Weg fürs Erste auf das nahe Stoppelfeld verschoben worden, kurz vor dem Mühlenfließ führt er dann wieder zurück. Das hübsche Steinbogenbrücklein mitten im Walde wird derzeit grundlegend erneuert und dürfte noch in diesem Jahr fertig werden. Wer zu Fuß ist, kommt dank einiger Planken trotzdem mit trockenen Schuhen ans andere Ufer.

Gemischter Wald am Mühlenfließ

Diese letzte Querung des Tages ist zugleich auch die letzte mögliche, denn ein paar Bachwindungen weiter landet das von Ruhlsdorf daherkommende Bächlein im Elsensee. Das Wasser wird ein paar Seen weiter an die Löcknitz weitergereicht und landet schließlich in der schönen Spree.

Lichtenower Mühlenfließ im Walde

Nach dem nächsten Waldstück quert eine breite Schneise, die weitgehend von mannshohen Ginsterbüschen ausgefüllt wird. Das muss prächtig aussehen zur Ginsterblüte, und so wird ein weiteres Lesezeichen hinters Ohr geklemmt.

Brücke übers Mühlenfließ

Kagel

Hinter dem nächsten Waldstück folgt, gekleidet in erwachendes Grün, ein verzweigtes Stück Bruchwald, und kurz darauf rückt in greifbarer Ferne der Kirchturm von Kagel in den Blick. Ein schlingernder Pfad, den keine Karte kennt, lockt auf gut Glück quer über die weiten Wiesen, oben drüber haben sich im Laufe des Tages weiße Wolkenberge am blauen Himmel gesammelt. Beides zusammen sorgt dafür, dass man tief atmet, breit grinst und für diesen Augenblick kurz abkoppelt von allem, was da sonst so läuft.

Schneise mit hohem Ginster

Der Pfad funktioniert bis zu den letzten entscheidenden Metern, auf denen im breiten Schilfgürtel ein Wasserlauf gequert wird. Hinter einigen Gärten sind ein Ziegenbock und Schafe über ein verspieltes Gelände voller Holz verteilt, und je länger man dem Blick Zeit lässt, desto mehr Schafe werden es.

Eins von ihnen scheint den Presserummel zu kennen und stellt sich beim Erkennen der Kameralinse umgehend in die entsprechende Pose, wie man es gut von Z-Promis, medialen Selbstvermarktern und kleinen Kindern kennt. Die frontale Halbgrimasse wird über eine halbe Minute stabil gehalten. Ob es auch sein Maul spitzt, ist dem schwarzen Kopf geschuldet nicht zu erkennen. Die weiße Ziege im Hintergrund schüttelt nur augenrollend den Kopf und gibt sich dann weiter dem Schattenbade hin.

Am Bruch vor Kagel

Auf dem Dorfplatz in Kagel gibt es eine Art Dorfgemeinschaftshaus mit schönen Außenanlagen, davor einen großzügigen Dorfplatz mit unzähligen schönen Sitzmöglichkeiten und einem Brunnen, der zur Zeit noch staubt. Das Café, was es hier einmal gab, fehlt ungemein, und so setzen nahezu alle Passanten ihren Weg fort – die ersten cruisenden Biker mit dem breiten Tank als Bauch- und Bartablage, das rege Rudel Radler mit dem nächsten Ziel im Blick, ebenso die ersten offenen Cabrioten mit Fahrtwind-Kaltwelle am Scheitel.

Wiesen vor Kagel mit Querpfad

Auch ein einzelner Vertreter der Dorfjugend fährt vor, lässt die blank gewienerte Simmi mit dem obligatorischen Aufheuler verstummen und wartet, ob aus eins gleich zwei wird oder drei – so wie der Bus manchmal an nie benutzten Endhaltestellen wartet, ob ausgerechnet heute doch ein Fahrgast kommt.

Eine kleine Familie auf der Durchreise hat den netten Spielplatz für sich entdeckt, der Papa fragt uns, ob es hier irgendwo eine Toilette gibt. Kirche, Gemeinschaftshaus – sicherlich, wenn eins davon offen ist. Naja, die Saison beginnt ja bald, doch für heute muss es noch der nächste Busch am Dorfrand tun. Die Simmi springt beim ersten Tritt an, sucht das Weite und hängt noch kurz als Zweitaktduft überm Platz. Obendrüber stellen die ersten Schwalben dieses Jahres nun endgültig sicher, wie es um den Frühling steht.

Holz und Wolle und allerleih rau

Der Weg aus dem Dorf führt über die Straße Am Winkel, die bald schon Am Dudel heißt. Rechts zeigt kurz der Spiegel des Bauernsees sein intensives Blau. Der Fahrweg wechselt von Kopfsteinpflaster auf märkischen Sand, wird begleitet von anspruchslosen gelben Blümchen und rundkronigen Bäumen in allen möglichen Stadien von Blüte und Laub. Das standardmäßig passierende Auto tut seinen Job und staubt in die richtige Richtung.

Weg oberhalb des Bauernsees, Kagel

Entlang eines länglichen Areals rätselhafter Kies- und Sandhaufen zieht sich ein kleiner Waldstreifen, begleitet von einem wonnigen Wiesenweg, der jetzt endlich zum Seeufer führt. Kurz davor macht ein kleiner Pfad neugierig, der vorbei an einem eigenartigen Bungalow hinab zum Seeufer führt.

Der verfallende Bau hat nach vorn eine große Fensteröffnung, darunter zwei ungewöhnliche Rundlöcher, durch die ein Medizinball passen dürfte. Da direkt gegenüber das weiträumige Ensemble der bis heute bedeutenden Sportstätte Kienbaum liegt, hatte es sicherlich damit zu tun. Vielleicht wurde zwischen hier und dort etwas quer über den See gespannt, was für den Bootssport nutzbar war.

Am Liebenberger See gegenüber Kienbaum

Zwischen einem umzäunten Heckenstreifen und der kleinen Steilküste schlängelt sich ein Pfad, der hier und da ein Winden des Oberkörpers oder Einziehen des Kopfes einfordert. Hin und wieder gibt es Stellen unten am Ufer, die im Sommer zum Einstieg taugen sollten. Eine in jeglicher Hinsicht bunt gemischte Traube Leute kommt uns entgegen mit schicken und normalen Angeln sowie klappernden Plastekoffern voller Zubehör. Ausgewichen wird wie auf Bergpfaden üblich, sodass der Absteigende den Vortritt lässt. Derweilen kräuselt der auffrischende Wind die Wasseroberfläche und lässt den Liebenberger See flächig funkeln.

Blick zur Sportstätte in Kienbaum

Jenseits der Landstraße wird es jetzt ein bisschen experimentell, denn es ist nicht gewiss, ob da ein Weg ist und falls ja, ob er gangbar ist. Doch es könnte sich lohnen. An der Schneise noch ist alles trocken, dann wird es schmaler, urwüchsiger und mehr und mehr morastig. Der zerlatschte Boden ist ein gutes Zeichen, die schwarz stehenden Pfützen hingegen verlangen nun kurze, spitze Schritte und etwas Toleranz beim Hinnehmen nasse Füße.

Notdürftiger Steg über den Stöbberbach

Stöbberbach

Ein erstes Rinnsal lässt sich dank ausgelegter Dickäste passabel queren. Kurz dahinter fließt der Stöbberbach auf dem letzten Kilometer seines südgewandten Laufes, kurz bevor er in die Löcknitz mündet. Von einem früheren Besuch ist bekannt, dass eine Querung per beherztem Sprung oder mit Hilfe eines kleinen Steges möglich sein sollte. Der Steg ist weg, sein Geländer jedoch noch da und eine Handvoll vertrauenswürdiger, armdicker Äste wurde quergelegt, so dass wir gut hinüber kommen. Drüben steht eine winzige Blechhütte, eher ein türloser Geräteschuppen, für den man bei starkem Regen sicherlich dankbar ist.

Zartes Blümlein blau

Drüben stoßen wir dann auf ein spätes Leberblümchen, wobei aus meiner Sicht der Name diesem süßen Blümlein nicht gerecht wird. Blaues Buschwindröschen passt da schon eher, auch wenn sich die Experten uneins sind, ob das in Ordnung geht. Na wie auch immer: während sich bevorzugt in Buchenwäldern weiße und seltener auch gelbe Buschwindröschen finden lassen, sind diese blauen Blüten weitaus seltener anzutreffen. Allen dreien gemein ist, dass sie hinreißend im Wind wackeln können und dass sie die Zeit zur Blüte nutzen, bevor sich das Laub die Baumkronen dichtmacht.

Im Wald östlich des Stöbberbaches

Manchmal trifft man auf ein paar mehr dieser zartblauen Sterne, doch was jetzt beginnt, hatten wir so noch nicht. Je länger man schaut, desto mehr werden es und desto dichter stehen sie. Es bleibt auch nicht bei dieser einen Stelle, sondern geht mehr als eine Viertelstunde so weiter, auch abseits vom Bachtal und in wechselnden Waldarten. Es ist wirklich bezaubernd, nicht zuletzt wegen des Kontrastes zwischen dem zarten Farbton und dem allgemeinen Erdton des vorjährigen Laubes.

Zuletzt stellt uns der Stöbberbach auf eine weitere Probe. In der offenen Internet-Karte war ein Querungssteg verzeichnet, doch nachdem der Weg jenseits der Schneise bis zur Unsichtbarkeit ausfranst, stehen wir vor dem munter fließenden Bach, dessen weiche Ufer ein Überspringen ausschließen. Zu unserem Glück hat der Sturm einen dicken Baumstamm so gelegt, dass man mit etwas Geschick ans andere Ufer kommt. Da das mit dem Geschick so eine Sache ist, dient ein kräftiger Ast als Stelze und Stütze, lässt ein trockenes Ende zu. Glück gehabt!

Wiesengrund gen Kagel

Nach ein paar Minuten an der Straße beginnt links eine Wiese, auf der sich gut gehen lässt. Links reicht der Blick weit, noch einmal zur Kirche von Kagel. Nach dem geduldigen Queren der stoßweise verkehrsreichen Bundesstraße beginnt nun ein breiter Alleeweg zwischen hohen Bäumen, der schnurgerade nach Zinndorf führt. Mit Laub in den Kronen ist er erheblich schöner, heute wirkt er noch etwas spröde.

Am Pferdehof bei Lichtenow

Vorbei an einigen Windrädern und mit dem Schlot des Ringofens im Blick ist bald der nächste Wald erreicht, an den sich ein gemütlicher Hof mit vielen verschiedenen Tieren schmiegt. Ein Pfad zweigt einladend in den Wald ab, doch ein Mädchen vom Hof ruft uns zu, dass der dort wieder rauskommt, wo wir herkommen. Ein später Osterhase stellt die Ohren auf, zögert kurz und haut dann in hohen Sätzen ab durch den verkramten Wald – eher wie ein Reh, das sich durchs hohe Korn gemächlich aus dem Staube macht.

Ringofen und Fledermaushotel in Lichtenow

Lichtenow

Etwas Aufmunterung wäre jetzt gut zu gebrauchen, am besten in Form von was Aufgebrühtem. Wir richten uns ein auf einem der Pritschenwagen der ausgestellten Lorenbahn, dessen schwarze Ladefläche die Sonne auf Wohlfühltemperatur gebracht hat. Nach dem Ausschwärmen zur Tanke gibt es nun einen kräftigen Schwarzen, dazu das erste Eis des Jahres unter freiem Himmel. Schräg gegenüber kommt vorabendliches Leben in den bunten Lichtenower Kiez. All das begleitet die Nachtigall vom Buscheck gegenüber, die manchen auf Krawall gekämmten Biketopf ohne Mühe übertönt.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
Regionalbahn oder S-Bahn bis Erkner, dann weiter mit dem Bus (nur Mo-Fr)(ca. 1 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): auf der B 1 (ca. 1 Std.)

Länge der Tour: 15 km (Abkürzungen möglich)(die Tour in der Karte und die Wegpunkte wurden angepasst, so dass Problemstellen vermieden werden und der Spannungsbogen stimmiger ist)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Information zu Lichtenow

Historischer Ringofen

Kleinbahn nach Lichtenow

Historischer Rundgang in Lichtenow

Information zu Kagel

Sportzentrum Kienbaum

Einkehr: Zum goldenen Lamm, Lichtenow
Indisches Restaurant Haweli, Lichtenow
weitere gastronomische Angebote an der Tankstelle
Imbiss im Straußenhof, etwas nördlich von Kagel