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Grobskizziert – Schwedt: Versunkene Spuren, lohnendes Warten und das Blau in den Auen

Da ist er endlich – dieser Zeitpunkt im Jahr, wo gleichermaßen scheinbar und tatsächlich ein Schalter umgelegt wird, der Tagesrhythmus und Licht verändert, mehr und mehr die Gesichter aller Passanten öffnet und Aufbruch in verschiedensten Dingen mit sich bringt. Ein schöner Moment, der meist dicht nach den Winterferien kommt und ab dem man nun wirklich keine Weihnachtsbeleuchtung mehr sehen möchte.

Am Rand von Schwedt

Da sämtliche Wochen des laufenden Jahres sich eher ausgewählten Schattierungen von Grau hingaben, anscheinend ohne Widerstand und stark durchfeuchtet, war er dann besonders schön – der erste sonnig-blaue Tag mit kalter Luft und warmer Sonne. Auch die Vögel haben sofort den Schalldruck erhöht, sodass selbst Frischluftvermeider mitbekommen müssen, dass sich etwas tut da draußen.

Oderdeich zwischen Fluss und Aue

Auf einen freien Tag mit solchem Wetter hatten wir lange gewartet, denn ein voradventlicher Besuch in Schwedt hatte eine Erkenntnis beschert, daraufhin große Neugier geweckt und baldiges Wiederkehren ganz oben auf den Zettel gesetzt – zwingend im positiven Sinne. Der Wetterprophet behielt Recht, und so ließ sich vor Ort das Spektakel stundenlang genießen.

Südlicher Polder bei Schwedt

Schwedter Oderpolder

Entlang der Oder gibt es, nach niederländischem Vorbild, ausgedehnte Flächen, die vollständig von Deichen umgeben sind. Die sogenannten Polder dienen vorrangig dem Hochwasserschutz der flussnahen Ortschaften, da sie sich bei Hochwasser über Öffnungen in den Deichen vollständig fluten lassen und somit eine Menge Wasser auffangen können. Nebenher sorgt das Umleiten der Oderfluten für die Düngung der weiten Flächen, reinigt das Flusswasser und schafft Lebensräume für verschiedenste Pflanzen und Tiere, vor allem natürlich für solche mit Flügeln. Die sind zwar temporär, doch die Tiere kennen das Spiel schon lange und wissen es sehr gut zu nutzen, wie die Erfahrung zeigt.

Blick übers flache Wasser nach Schwedt

Wer sich die Poldergebiete auf der Karte anschaut, sieht bereits auf den ersten Blick, dass Wasser schon von Hause aus eine flächige Rolle spielt, die endlosen Wiesen und Weiden westlich der Oder von Wasserzügen und Feuchtland durchzogen sind. Im Sommer kann man sich direkt durch dieses faszinierende Landschaftsbild hindurchbewegen und trifft trockenen Fußes auf spiegelglatt liegende Weiher, vom Wind gekräuselte Altarme oder krukelig-krumme Wassergebilde, welche durchaus die Phantasie anregen.

Blick in die südliche Oderaue

Dazwischen schaut hier und dort ein prächtiger Baum heraus, meist in der Hochzeit seiner Jahre, manchmal auch als rindenlose Baumruine, gebleicht und streichelglatt von Sonne und Wetter. An vielen Stellen gibt es weite Schilffelder, bei denen nicht klar ist, bis wohin sie reichen, ebenso wenig, ob da Wasser ist und wo. Hinreißende Wege führen mittenhindurch, die dringend einladen und häufig belohnen. Manchmal jedoch enden sie im Nichts oder an einem kleinen Oderstrand, vereinzelt auch am Weidezaun vor einer kaum bewegten Viehherde, die man besser in diesem Zustand belässt.

Versinkender Weg im verleiteten Oderwasser

Insbesondere nach Hochwasserzeiten kann auch stehendes Wasser das Ende der Schritte bedeuten, sei es nun konkret sichtbar mit Spiegel oder erst ein paar Meter später anhand Geräusch und nasser Schuhe zu bemerken, wenn der Untergrund noch stark durchtränkt ist. Doch der Versuch ist eigentlich immer lohnend, ganz gleich wie weit man kommt – schlimmstenfalls geht man auf demselben Weg zurück und entdeckt mit neuem Blickwinkel wieder andere Details.

Schwedter Oderpolder im Winter und Frühjahr

Im Winter sieht die Lage ganz anders aus und jeder, der hier Ausflüge plant, sollte sich an Wege halten, die etwas erhöht auf Deichen oder Dämmen verlaufen. Das schränkt die Auswahl an gangbaren Tagestouren gehörig ein, doch dafür sieht es hier noch dreimal mehr nach dem vollmundigen Wort Nationalpark aus wie ansonsten schon. Und klingt auch so, denn jeder Augenblick wird von verschiedensten Vogelrufen begleitet.

Farbfrohe Grenzbrücke zwischen Zoll und Schaschlik

Jeweils an einem Stichtag im November werden die Lücken im Oderdeich geöffnet. Das Wasser des ruhig dahinfließenden Stromes drückt sich mit Kraft durch die sogenannten Auslassbauwerke und lässt Seitentriebe ins weite Auenland austreiben, die beständig wachsen. Das Wasser sucht sich im Krabbeltempo seinen Weg durchs flache Gelände, welches nach Westen hin über ein hauchzartes Gefälle verfügt.

Oderdeich mit beidseitigem Wasser

Nach einer Woche ist davon fast nichts zu sehen und die meisten Wege liegen noch trocken. Wer sich jedoch um die Weihnachtszeit herum auf den Weg nach Schwedt macht, dürfte schon ins Staunen kommen angesichts der Wasserflächen, die sich teilweise kilometerweit aufspannen. Erfahrungsgemäß gibt es jedoch in diesen Wochen selten klares Wetter und das Licht ist ohnehin so knapp wie es nur sein kann. Wer also noch etwas Geduld aufbringt oder sich durch den mehrtägigen Festschmaus eher noch als Kriechtier empfindet, kann im Januar oder Februar bei zurückgekehrter Grundkondition das Ganze unter vollem Licht oder sogar mit Eisgang erleben.

Gefüllte Oderauen

Oben drüber ist immer etwas los am Himmel, erst für die Ohren, dann nach dem Kopfheben auch für die Augen. Dementsprechend sieht man häufig Leute mit gewaltigen Objektiven oder Spektiven samt Stativen herumpilgern. Die ganze Welt der großen Zug- und Wasservögel zeigt sich hier mit einigem Schaueffekt, schlägt Lärm, schimpft oder bezirzt, wirft sich in Schale oder macht sich im Balzritual zum Affen.

Trubel auf dem Oderdeich

Zwischen all den Großkalibern gibt es auch so manche Kleinere, die zwar für Laien nicht zuordenbar, doch nichtsdestotrotz sehr schön sind. Die Vielfalt der Geräusche ist so breit, dass man im sanften Freudentaumel selbst mit dem Grundbesteck durcheinanderkommen kann und das charakteristische Fluggeräusch der Schwäne schon mal anderweitig einordnet.

Blick übers Wasser nach Schwedt

Es lohnt sich, auf solche Tage mit guten Kontrasten zu warten, denn erst an diesen lassen sich sämtliche Feinheiten wahrnehmen, welche die Landschaft im Allgemeinen und die Wassersituation im Speziellen auffahren. Da stehen ausgewachsene Alleen mitten im Wasser, ein paar Minuten weiter verlieren altgediente Plattenwege ein paar Zentimeter an Höhe und versinken im Wasser, während die Grasnarbe noch zwei Steinwürfe länger den Wegverlauf anzeigt.

Landspitze zwischen Fluss und Kanal

Endlose Schilfflächen lassen im Unklaren, aus welcher Kategorie von Entfernung das ausgelassene Geschnatter der Enten herkommt. Gebogene Schilfgürtel mit begleitenden Bäumen lassen vermuten, dass links davon das Wasser bis zum Knie und rechts wohl eher bis zum Scheitel reichen dürfte. Während die markantesten Gebäude von Schwedt sich ansonsten hinter weitem Grün erheben, tun sie dies nun jenseits weiten Blaus oder über einem silbrig durchbrochenen Spiegel, für den der wasserkräuselnde Wind sorgt.

Eins der Auslasstore im Deich

Die Durchlaufzeit der Polder währt bis Mitte April. Dann werden die Tore entlang der fließenden Oder geschlossen und das Wasser kann in den folgenden Wochen über jene am Kanal ablaufen, hier und dort helfen noch einige potente Pumpanlagen mit. Irgendwann ist alles fließende Wasser draußen und das Verbliebene entspricht wieder weitgehend dem, was die topographische Karte zeigt. Danach beginnt die landwirtschaftliche Nutzung, die später im Jahr so manchem Storch ein gutes Auskommen sichert.

Kanalufer nördlich der Innenstadt

Wem nun vor lauter Landschaftseindrücken der Kopf überläuft, der kann sich jeweils an den Rändern kleine Pausen gönnen. Im ersten polnischen Dorf gleich an der Oderbrücke gibt es zum Beispiel Deftiges vom Grill, das manchmal etwas Wartezeit verlangt, weil nicht auf Vorrat vorgegrillt wird sondern frisch und solches eben seine Zeit braucht. Die Warteminuten lassen sich gut bei einem Rundgang durch die Welt der Zigaretten und Vogelhäuschen oder bei einem vorbereitenden Uferpäuschen auf der bequemen Mauer unterhalb der Brücke vertreiben.

In der Schwedter Innenstadt

Drüben in Schwedt kann man den Rückweg zur Stadt auf der Festlandseite entlang der Schlosswiesen nehmen, wo von der Schleuse an der Schwedter Querfahrt ein Pfad auf der Deichkrone verläuft, der die Stadt voraus sehr schön in Szene setzt. Später schließt die Uferpromenade an, die mit kleiner Unterbrechung bis zur Freilichtbühne des Theaters bei den herrlichen Freitreppen führt. Über die besuchenswerte Innenstadt mit ihrer gut verteilten Kunst im Stadtbild und den zeichnerischen Überraschungsmomenten an verschiedenen Fassaden muss ja hier nichts mehr geschrieben werden!

















Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
Regionalbahn nach Schwedt (1,5-1,75 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): Autobahn bis Ausfahrt Angermünde, dann Landstraße (ca. 1,5-2 Std.)

Länge der Tour: ca. 15,5 km (Abkürzungen zwischen Mitte November und Frühsommer nicht möglich)

Hinweis: Manchmal kündigen Schilder eine Sackgasse oder einen nicht möglichen Durchgang an – nicht immer eindeutig, was Motorlose betrifft. Ursache sind meist Instandhaltungsarbeiten an den Deichwehren. Am besten erkundigen Sie sich im Vorfeld bei der Tourist-Information. Empfehlenswerter, weil tagesaktuell ist es, vor Ort nach entgegenkommenden Fußgängern oder Radfahrern zu schauen und direkt diese zu befragen. Im schlimmsten Falle ist auf dem Weg zurückzugehen, auf dem man kam.

Links:

Die Polder im Unteren Odertal

Schwedt-Tourismus

Faltblatt zum Poldersystem (PDF)

Einkehr: div. Möglichkeiten in Schwedt, Imbiss in Polen an der Grenzbrücke (z. B. Schaschlik)

Alt-Temmen: Holzschindeln, die Frühlingsliste und das nahe ferne Dommeln

Er ist endlich da, nun wirklich, wie es scheint – der Frühling. In einen einzigen Tag kurz nach der Mitte des April steckt so viel von ihm, dass es in der Langzeitempfindung die ganzen zurückliegenden Wochen mit Dauerfrösteln und Novemberszenerien nahezu ausgleicht. Es ist so herrlich, Jackenknöpfe zu öffnen oder die Mütze in die Tasche zu stecken, und je nach Windrichtung kann das schon mal ein genüssliches Stündchen andauern. Der Reißverschluss darf endlich Zähne zeigen.

Bei Temmen

Die freigelegten Ohren werden weit geöffnet, damit der Wind ganz ungehindert durch den Kopf rauschen kann, dabei alle lästigen Gedankendauerschleifen auseinanderbläst. Und den Weg frei macht für alles und nicht mehr als das, was Nase, Ohren, Haut und Augen an die Denkzentrale kabeln. Ganz davon abgesehen sammelt dieser Tag ein selten erlebtes Konzentrat von Frühlingssymbolik – erste Störche und Marienkäfer, klamme Zitronenfalter, flauschige Lämmchen und Saft in den Birken. Zur Abenddämmerung ist wieder so ein Weg geboren, den man alle Jahre einmal brauchen wird.

Hügelweg im Walde

Alt-Temmen

Temmen liegt eingeschmiegt zwischen der Ringenwalder und der Poratzer Moränenlandschaft und macht aus seiner Eiszeit-Vergangenheit kein Geheimnis. Das hügelige Land bedient in seiner Mischung von Seen und weiten Wäldern, gebogenen Talgründen und archaischen Buckelpisten viele Uckermark-Klischees, die nicht nur beruhigend und schön, sondern allesamt richtig und wahr sind. Das Dörfchen mit seinem schönen Gutshof liegt dementsprechend zwischen drei Seen, die zum Teil auch Badestellen anbieten.

Gedenkkreuz am Kloster St. Georg, Göttschendorf

Die kleinen Straßen zu den Nachbardörfern Neu-Temmen oder Hohenwalde gehen von Schönheit, Unterhaltungswert und Verkehrsarmut glatt als Wanderwege durch, so dass sich schon im näheren Umkreis ein schöner Tag verbringen ließe. Doch wir wollen heute viel von all dem. Bekommen werden wir noch weit mehr, inklusive einer Überraschung etwa auf der Mitte.

Klosterkinder ODER Yin und Yang nach Feierabend

Angesagt war ein trüber Tag, doch bereits in Temmen zeigen sich erste blaue Fetzen am Himmel. Der Hofladen der weiten Gutsanlage hat leider schon zu, doch beim Blick fällt dieser auf den ersten selbstgesehenen Storch dieses Jahres, der auf einem meterhohen Horst hockt und seinen Schnabel auf der plustrigen Brust abgelegt hat, wie das am besten Enten können.

Leuchten am Waldboden

Von dort oben dürfte der Ausblick über den Düstersee noch besser sein, der bereits vom Ufer weit bis zu den jenseitigen Waldeshöhen reicht. Das Schilf ist noch fahl, die Wiese noch platt von allen letzten Wettern, und auch alle Baumwipfel stehen so kahl da wie schon seit November. Es ist immer wieder erstaunlich, wie spät es wirklich losgeht mit dem grünen Laub im großen Stil.

Hinter Hohenwalde

Am Dorfausgang steht neben einigen Kühen im gewohnten Format ein enormer Bulle mit Türsteherstatur, von dem man nicht missverstanden sein will. Beim Passieren gibt er über mehrere Sekunden so einen fast elektronisch klingenden Blechdosentiefton aus, den man eher als Welle spürt als dass man ihn hört. Blick und Stirn bleiben dabei unbeweglich und wir stehlen uns mit dem angemessen Respekt vorbei. Denn zwei dünne Drähtchen sind eben nur zwei dünne Drähtchen und Logik auch nur Logik.

Lindenallee nach Hohenwalde

Auf der anderen Seite des Weges steht auf einem Hügel sein Pendant als Baum – ein knorriger Kern mit großen und kleinen Blässuren, umgeben von lebhaftem Nachwuchsgeäst, das jeweils selbst schon als Baum durchgehen würde. Einzwei Blitze könnte er schon überstanden haben, und Standort und Statur sollten Stoff für ein paar schaurige Dorfmären hergeben. In denen sicherlich der Vollmond eine Rolle spielt, vielleicht auch ein unnatürlich großer Rappe mit glänzendem Fell.

Schon an der folgenden Gabelung wird es wieder unbeschwerter im Gemüt. Links unten werden Pferde von geeignetem Personal bewegt, direkt in der Gabel steht ein geräumiger Rastpavillon. Dahinter liegen im Karree unzählige Findlinge in allen Korngrößen zwischen Kinderfaust und Pferdehintern. Etwas weiter nördlich in Skandinavien würde man bei sowas gleich an eine vorgeschichtliche Stätte denken. Ein bisschen tut man das auch hier, denn Form und Ausmaß sind durchaus charakteristisch.

Klarer See, Alt-Temmen

Bevor noch die Gedanken sich dem verspielten Wegeverlauf hingeben und der Kopf auf Durchgang schalten kann, hüpft das Herz vor Freude angesichts der ersten gesichteten weißen Buschwindröschen, durchmischt mit den gelben Glanzsternen des Scharbockskrautes. Eine unschlagbare Mischung am nachwinterfahlen Waldboden. Hier und da kontrastieren dazwischen ein paar sattviolette Veilchen.

Guter Platz überm Gutshof, Alt-Temmen

Gleich danach wird es wieder nichts mit dem sinkenden Puls, denn voraus auf einem spillrigen Strommast sitzt hoch oben ein großes Nest, das durch einen aufsitzenden Vogelumriss bald als Horst erkannt wird. Die spätere Vergrößerung bestätigt wahrhaftig den Weißkopfseeadler, maßgeblich anhand der typischen Statur und des Weißes in Kopf und Heckpartie.

Alter Kämpe am Dorfrand, Alt-Temmen

Im Uferbereich des Klaren Sees entdecken wir am Boden des trockenen Bruchwaldes mehr und mehr Blütensternchen – je länger man den Blick fixiert, desto mehr werden es. Das ist jetzt eine gute Einleitung für den Ruhemodus. Herrliche Kurven schlägt der Weg in der nächsten halben Stunde, umrundet Wäldchen und Hügel, nimmt schilfige Senken, verschwiegene Weiher und weite Wiesengründe mit. Links die Weite, rechts die bewegten Grasmatten mit bereits saftigem Grün. Dazwischen zieht sich der Bild gewordene Autopilot in Form des Weges, dessen Wiesennarbe mal filigran ist, dann wieder dominant. Immer gegenwärtig sind die dicken Steinbrocken, als vom Gletscher rundgeschmirgelte Riesenmurmeln oder als gratkantige Quader, die eher nach Steinbruch aussehen.

Weniger alter Kämpe am Dorfrand, Alt-Temmen

In den Wipfeln einer Birkengruppe hängen gelangweilt dicke Mistelballone und planen vermutlich irgendwelchen Unfug oder Schabernack mit den Passanten. Wir sind durch den Ochsentypen noch sensibilisiert und weichen dem aus, indem wir am Waldrand rechts über die Wiese abkürzen. Am Ende der noch ruhenden Weide beginnt eine längere Partie durch den Wald, der alle paar Minuten sein Gesicht ändert.

Beim Klaren See

So gut wie nie gibt es hier den lichten Brandenburger Kiefernwald, dafür weite Hallen aus hochgewachsenen Buchen, die ein paar Wochen noch nach oben offen sind. Dazwischen immer wieder größere Fichtenwäldchen, teils kontrastierend benachbart zu weißen Birkenstämmen. Die nun prahlen schon mit dem allerersten Laubgrün des Waldes, das eher noch flirrender Eindruck ist als konkrete Farbe. Zu Füßen der Fichten liegen im Dustern dieselben Steinbrocken wie gegenüber bei den Buchen oder Birken, doch sind sie hier von dickem Moos überzogen und lassen zum Teil offen, ob ein Ameisenhügel, ein alter Baumstumpf oder eben einen Stein verhüllt ist. Eine stets angenehme und recht verbindliche Antwort gibt nur der Drucktest mit Hand, Knie oder Nase. Überhaupt scheint hier der gesamte Waldboden von dickem Moos bedeckt zu sein.

Arnimswalder Wald

Ein liegender Stamm bietet einen schönen Pausenplatz, wo nun der hoffentlich letzte Unterwegstee dieses Frühjahrs dampfen wird. Zwischen linkem und rechtem Schuh spielt sich derweil im aufgewühlten Laub eine weitere Frühlingsszene ab. Eine Blattwanze, die weitaus schöner und prächtiger aussieht als ihr Name annehmen lässt, hat sich aus dem kühlen Waldboden gegraben und zwei kruschlige Buchenblätter erklettert, die eine Art Grat als Abflugplatz bilden.

Huflattich an der Ecke

Der Panzer des Käfers hat die feierliche Form eines Wappenschildes und wird später vermutlich ein kunstvolles Muster tragen. Noch ist er komplett grün und vermutlich butterweich. Der Sechsbeiner bewegt sich wie nach einer durchzechten Nacht – vielleicht ein ähnliches Gefühl wie ein im Waldboden verbrachter Winter. Steife Glieder, kraftlos und desorientiert, labbriger Pulli und kein Bock. Dann beschert die Gunst der Stunde ein paar Sonnenminuten, der Pulli gewinnt an Fasson und der Laufstil wird bestimmter. Ehe wir noch groß beobachten und staunen können, macht er den Abflug.

Hügelweg im Walde

Parallel zu diesem Vorgang flattert weiter hinten ein Zitronenfalter vor den dunklen Nadelbäumen entlang, tingelt allmählich in unser offenes Waldstück. Setzt sich einmal kurz auf die Teekanne, fliegt eine Ehrenrunde um unsere Köpfe und ist auf einmal zu zweit. Und wieder weg. Nachdem der Käfer weg ist, sind die drei gelben Flatterer wieder da und kurz darauf zu viert. Nee, zu fünft. Dann wieder weg und wenig später ganz woanders am Tun. Wie schon gesagt, der Frühling inszeniert mit Nachdruck.

Rastplatz am Radweg

Nach dem ersten Abbiegen seit langem sind wir mit einem Mal im Mittelgebirge gelandet. Aus dem Nichts taucht voraus ein VW-Bus mit orangefreiem Hirschlogo auf, der von einer tiefen Wegesenke komplett verschluckt war und auf der Suche ist nach irgendwas. Einige Male in Folge geht es tief hinab und gleich wieder hoch, so dass allein diese Viertelstunde für den Großteil der heutigen Höhenmeter sorgt. Passend zu den überraschenden Kapriolen des Reliefs wird der Weg von dichtem Fichtenwald begleitet, der aussieht wie beschrieben.

Weg nach Göttschendorf

Mit leisem Schnaufen beenden wir den letzten der Aufstiege und erreichen beim einstigen Großen Karutzsee einen ruhigeren Weg mit angenehmem Abwärtstrend. Hier folgt nun das nächste Kapitel der Waldblümchen. Eingeleitet wird es von einer ganzen Herde Huflattichköpfe, die alle in eine andere Richtung schauen, als liefe eine angeregte Diskussion quer übern Marktplatz. Davon unbeeinflusst hat sich ein klammer Zitronenfalter am mittigen Kissen einer Blüte angedockt und wartet dort auf etwas Sonnenwärme. Fällt kraftlos ins Buchenlaub und arbeitet sich wieder genau zur selben Stelle. Die Beharrlichkeit wird belohnt, denn die Sonne schiebt sich kurz zwischen den Wolken hervor und zeigt umgehend ihre Kraft. Keine Minute später sitzt der Schmetterling aufrechter und flattert bald davon.

Station des Mythengartens, Göttschendorf

Die Forststraße wird zu einer dieser rumpligen Pflasterstraßen, die so gut in diese Landschaft passen, und steuert geradewegs auf drei Rastraufen zu, die zu einem großen Pausenareal gehören. Hier sollte sich ganz wunderbar eine kleine Waldweihnacht feiern lassen. Ein paar Minuten später endet das große Waldgebiet, voraus liegt ein leicht gewundener Alleeweg, der sanft nach Götschendorf hin abfällt. Wo ansonsten meist eine Lerche pro Acker zu hören ist, jubelt es hier gleich von drei Richtungen aus der Höhe. Zu sehen ist wie immer keins der Vögelchen.

Klosterkirche, Göttschendorf

Götschendorf

Am Rand von Götschendorf liegt der kleine Friedhof, kurz danach steht am Wegabzweig ein mannshoher Stein des Uckermärkischen Mythengartens, dessen Logo sich auch als Mosaik an den Flanken findet. Die in Edelstahl geprägte Sage handelt vom Hecht mit dem Goldzahn und dem Rucksack, was unbestritten Neugier erzeugt. Weiter unten zeigt eine Karte weitere Standorte solcher Steine.

Klosterküche

Weiter hinten im Dorf gibt es laut Karte eine Kirche, also schieben wir einen kleinen Abstecher ein. Der lohnt sich wirklich, denn aus der Kirch-Signatur auf der Karte wird eine besondere kleine Stunde. Ein Zwiebelturm, gedeckt mit Holzschindeln und gekrönt von einem goldenem Kreuz, bestätigt die teils in russisch gehaltenen Plakate am schwarzen Brett des Dorfes. Zur Turmknolle gehört ein ungewöhnliches Kirchgebäude jüngeren Baujahres, ein baufälliges Schloss sowie ein weitläufiges Gelände, auf dem es viel zu gucken und zu entdecken gibt.

In der Klosterkirche

Russisch-orthodoxes Kloster St. Georg

Kurz vor dem Gotteshaus steht ein Schild an der Straße und kündigt eine geöffnete Küche an. Das würde gut passen, Einkehr am Wege und ausreichend Zeit hinterher, alles ein bisschen zu verteilen. Wärmebedarf spielt bei der Energieaufnahme keine große Rolle mehr, denn mittlerweile sind die Jacken offen, die ersten Arme liegen frei und Mützen wechseln zwischen Kopf und Tasche.

Arnimsches Gutshaus

Noch vor dem Tor zeigt sich das gesamte Ensemble und ergibt insgesamt eine kuriose Zusammenstellung. Zur Straße hin steht eine Gulaschkanone, aus der es dampft und duftet, etwas eingerückt auf dem Grundstück die Fassade des Schlosses. Auf der Wiese davor gibt es zwischen vereinzelten Bäumen ein prächtiges goldenes Kreuz, groß wie ein Denkmal, zur Kirche hin einen ausgelagerten Glockenstuhl mit zwei Handvoll Glocken mit Kalibern von kirchturmtauglich bis Schiffsglocke. Dazwischen verteilt ein paar Pavillons, wo in normalen Zeiten das verschmaust werden kann, was die Küche so bietet.

Hinterm Gutshaus bei den Beeten

Besonders schön und selten erlebt sind die freilaufenden Schafe und Ziegen. Auch hier gibt es verschiedenste Größen, die Schafe haben Schulterhöhen von Dreirad bis Motorroller – so große Schafe hat man wirklich selten gesehen. Die hochbeinigen Ziegen sind eher groß und klettern auf den umgestürzten Bäumen im unteren Uferwald herum.

Klosterschafe in zahlreichen Ausfertigungen

Hintern Schloss kommen zielstrebig zwei größere Schafe angelaufen und prüfen, was es zu holen gibt. Gibt aber nix. Dem Anstand geschuldet warten sie noch ein paar Sekunden in der Nähe und zerstreuen sich dann wieder, soweit das bei zwei Schafen möglich ist. Zu Füßen der Schlossterrassen gibt es ein kleineres Gatter, das komplett mit Stroh ausgelegt ist. Das Tor steht offen in Richtung zweier großer Strohquader, die auf die Größe eines Speisesaals auseinandergelatscht wurden.

Bootshaus am See

In den Flanken der einstigen Quader und dazwischen im bauschigen Stroh oder an Elternteile gekuschelt liegen verschlafen winzige Lämmer, die so frisch sein müssen, dass selbst das Liegen noch zu lernen ist. Schwarze gibt es und weiße, kohlrabenschwarze, graumelierte und auch ein weißes mit schwarzem Kopf. Je tiefer man den Blick ins Strohgeschehen gräbt, desto mehr Lämmer werden es. Die Schafe dazwischen, sämtlich noch im Winterpelz, sind alle verschieden hoch und reichen von braun über grau bis weiß. Schwarze sind keine zu finden.

Vergnügte Klosterziegen

Zwischen den Orten des Geschehens schlendert ein tiefenentspannter Hund und schaut beiläufig nach dem Rechten. Auf der Rückbank eines staubigen Autos sitzt ein noch tiefentspannterer und lässt die träge Schnauze und ein Ohr aus dem offenen Fenster hängen.

Unten am See schließlich gibt es noch ein kleines Bootshaus mit Steg und zwei rustikalen Terrassenöfen Marke Eigenbau. Vom Steg fällt der Blick weit über den langgestreckten Kölpinsee, der bis ins nahe Milmersdorf reicht. Einige Ruderboote sind unterwegs – oben am Eingang waren Bootsverleih und Sauna angeboten, und Bootsverleih ist ja auch derzeit möglich.

Externes Geläut

Die Klosterkirche selbst ist samt aller Rundungen komplett mit Holzschindeln gedeckt, die weißen Wände sind mit Ziegelsteinen verkleidet. Der Innenraum überrascht mit enormer Deckenhöhe und einer prächtig ausgemalten Halbkuppel über dem Altarraum, auf einem Tisch liegen Bücher und Ikonen kleineren Formats zum Kauf. Während die Wände noch das blanke Baumaterial zeigen und dicke Kabel auf ihre Schächte warten, ist der Boden lückenlos mit riesigen schweren Teppichen ausgekleidet, Verstärkung liegt noch zusammengefaltet am Rande. Jeder Schritt wird gedämpft, und ebenso gedämpft ist das Staunen darüber, einer Kirche beim Werden zuschauen zu können. Wie zur Bestätigung spielt der lebhafte Wind gelegentlich mit der provisorischen Pforte und jammert ein wenig in den Ritzen.

Bei Gotts See

So faszinierend kontrastreich und leicht verrätselt wie das Kircheninnere und dazu noch ziemlich abgefahren ist auch die Geschichte, die sich in mehreren Kapiteln an bekannten Namen aus verschiedensten Ecken entlanghangelt. Vor dem Zweiten Weltkrieg diente das einst arnim’sche Gutshaus einem der Allerobersten der Nazizeit als Jagdhaus, einiges danach nutzten es Volksarmee und Staatssicherheit für Urlaubszeiten. Wie viele vergleichbare Objekte stand es nach der Wende leer und begann zu verfallen, ein Prozess, der bis heute andauert.

Waldsauerklee am Ochsenbruch

Wie die flüchtigen Quellen des Netzes berichten, stieß ein Herr Kuchinke, einstiger Spiegel-Journalist und Russland-Experte mit besonderem Interesse für orthodoxe Kirchengesänge, vor fünfzehn Jahren auf die vergehende Anlage und fand, dass hier ein guter Platz für ein Kloster sein könnte, ein russisch-orthodoxes. Ließ die Gedanken fließen und spann die junge Idee noch ein wenig weiter, bis hin zu einem Lebensmittelladen, einer Bibliothek und einer Gastwirtschaft mit russischer Küche. Und sah vor sich einen besonderen Ort für bedeutsame Treffen, gern auch auf höheren Ebenen.

Uckermärkische Basismöblierung in der Ringenwalder Moränenlandschaft

Nun musste zuerst das Wohlwollen der Dorfbewohner her, dann noch ein großer Haufen Geld. Bei ersterem half neben vorgeführten Filmen über diese Religion maßgeblich ein Pfarrer Kasner. Der stand im nahen Templin lange Zeit im Dienst der Kirche und hatte eine heute fast vierundsechzigjährige Tochter, die seit längerem Bundeskanzlerin ist.

Das Wohlwollen wurde erlangt und die ganze Anlage ging für den symbolischen Euro über den Tisch, mit der Bedingung, dass binnen fünfzehn Jahren drei Millionen in den ihren Ausbau zu stecken waren. Am sichtbarsten sind die geflossenen Mittel an der Kirche, die im nordrussischen Stil neu erbaut wurde. 2013 erfolgte die Weihe des kuppelkrönenden Kreuzes durch einen Erzbischof.

April im Buchenwald

Was die Millionen betrifft, war es nützlich, dass Herr Kuchinke in Russland recht bekannt war, ein bisschen wie ein bunter Hund. So ergab sich ein Besuch in der Datscha von Präsident Putin, der wiederum Herrn Kuchinke bereits aus seinem Lieblingsfilm kannte, wo dieser Anfang der Siebziger einen dänischen Professor gespielt hatte. Kuchinke kommentierte die Sache geistreich, der Humor gefiel dem Präsidenten und die Idee des Klosters bei Berlin konnte überzeugen. Telefonate wurden geführt, und bald darauf wies eine russische Bank einen siebenstelligen Betrag an. 2007 wurde das Kloster gegründet, das in seiner Art einzigartig ist in Westeuropa, vier Jahre später bezogen die ersten Mönche ihre Kammern und widmeten sich dem Motto „Bete und arbeite – ora et labora“. Die Arbeit dürfte so schnell nicht ausgehen.

Urige Lindenallee nach Hohenwalde

Was von all dem jetzt Legende ist und was nicht, ist eigentlich egal, denn selbst diese lückenhafte Kurzform zeigt schon die kuriose Abfolge von Ereignissen und ihre unterhaltsamen Kurvenausschläge. Und wer braucht schon zuviel Wahrheit, wenn eine Geschichte gut ausgedacht und schnurrig erzählt ist? Die Vision des Herrn Kuchinke jedenfalls, Vorbehalte abzubauen und verschiedenste Köpfe an gemeinsame Teetafeln zu bringen, ist nicht mehr nur eine Vision. Und neben kulturellen Traditionen und geistlichem Austausch wird es am Tisch wohl auch mal ganz schlicht um Piroggen gehen und um Getränke in kleinen dickwandigen Gläsern.

Hohenwalder Entree

Apropos Gaumenfreuden: aus den Kesseln der Kloster-Feldküche, die noch von den Vornutzern stammen könnte, gibt es gut bestückten Borschtsch, kräftige Soljanka und anderes, dazu passen gut die Piroggen mit drei verschiedenen Füllungen. Einmal über die Straße liegt eine kleine Wiesenböschung, zu der wir das Tablett mitnehmen dürfen, als Tischschmuck gibt es ungepflückte Veilchen. Zu uns gesellen sich einige Ameisen, die zielgerichtet den Piroggen zustreben, insgesamt aber friedlich sind. Mit spannender Vorderpartie verlassen wir diesen besonderen Ort, an dem wir kein einziges Verbotsschild finden konnten.

Kunsthaus Hohenwalde

Am Mythenstein verlassen wir das Dorf, wieder hinein in die Stille des Waldes. Gleich um die Ecke liegt Gotts See, in direkter Nachbarschaft zum Ochsenbruch. Beide ruhen in einer Stimmung, die sich schon ein bisschen nach Abendsonne anfühlt. Doch das ist noch eine Weile hin, gut so, denn der Tag soll nicht so schnell zu Ende gehen.

Wurzel am Dorfrand, Hohenwalde

Nach und nach wird es wieder hügeliger und wir stoßen auf Parallelen einer Tour, die jetzt fünf Jahre zurückliegt und eher in der Zeit der allerersten Frühblüher spielte. Nach und nach übernimmt der Buchenwald, mittlerweile sonnenlichtdurchflutet, und dementsprechend geht es jetzt richtig los mit Buschwindröschen, die so anmutig im leisesten Windhauch wackeln können. Sogar mitten auf dem Weg wachsen sie, durchmischt mit den erwähnten gelben. Auch die extrasmarten zarten Blüten des Waldsauerklees, die stets ganz stark nach Jugendstil aussehen und deren grasgrüne Laubblätter bisweilen eine perfekte Herzform ergeben, finden wir hier. Wenn irgendein Waldblümchen besonders liebenswert ist, dann wohl dieses.

Weg zum Düstersee

Immer mehr wird es und immer dichter mit den Blütenteppichen, die sich nicht davon stören lassen, dass viele der umgebenden Brüche und Sümpfe schon länger trocken liegen. Auch direkt neben der Landstraße breitet sich bei den Bootsschuppen am Proweskesee hin noch so ein herrlicher Blütenmeer aus. Nach dem Queren eines zaghaften Vorkommens frühester Ucker, die hier dem Großen Krinertsee entgegenrinnt, beginnt eine der urigsten Pflasterstraßen der Uckermark, gesäumt von uralten und teils dramatisch geborstenen Lindenbäumen. Da sind sie wieder, die Höhenmeter, wenn auch sensationell verpackt. Die halbe Stunde Pflaster unter der winterfaulen Sohle wird sich am nächsten Tag noch in Erinnerung rufen.

Marie auf Leder

Hohenwalde

Kurz vor der Ortsmitte, die im Wesentlichen ein Buswarte-Kabuff mit dem Feuerlöschteich bildet, senkt sich die Straße etwas ab, vorbei an blühenden Obstbäumen und einer Fachwerkfassade. Irgendwo im Ort soll auch eine Pfarrerstochter ihre Datsche haben. Im Kabuff liegt vergessen eine oft gelesene Kitschschwarte, gegenüber hat man im Künstlerhof Freude an Farbe und Gestaltung. Am Teich steht auf bdeutender Tafel ein Hinweis auf den Fernreit- und Kutschweg Berlin-Usedom, der eher Legende ist als Realität. Nach Süden setzt sich, bereits bekannt, eine weitere der besonderen Lindenalleen in Gang, die das Dorf im leichten Anstieg in Richtung Ringenwalde verlässt. Doch heute kommt noch einmal Neuland – ein oft schon angepeilter Weg, aus dem dann nie etwas wurde.

Herbstgruß gleich daneben

Wie von einem Burghügel senkt sich die staubige Fahrspur hinter den letzten Feldsteinscheunen langsam ab in den grünen Grund, der voraus schon zu sehen ist. Rechts am Rand liegt ein enormer Wurzelstubben. Er ist so groß wie zwei der Bullen von vorhin, die meisten Wurzeläste sind ähnlich dick wie die nicht mehr junge Eiche gleich daneben. Der freiliegende Stumpf wirft einige Fragen auf. Falls er nicht von hier kommt, sondern hergebracht wurde, hätte es dazu mindestens vier solcher Bullen gebraucht, dazu einen sehr stabilen Ochsenkarren. Und irgendeinen guten Grund.

Weg nach Alt-Temmen

Für die letzte Pause, die nicht der Notwendigkeit, sondern einer feinen Leckerei vom Bäcker geschuldet ist, findet sich ein sanfter Wiesenhang unter einer Birke mit kunstvoll gewundenen Ästen, die vom aufkommenden Wind ins Schaukeln gebracht werden. Von hinten wärmt die Sonne den Pelz, nach vorn heraus liegt eine malenswerte Szene, und der erste Marienkäfer legt auf der Schuhspitze eine Pause ein. Unten vom See her ist zweimal laut und deutlich der Basston einer Rohrdommel zu hören, einem Vogeltier von imponierender Größe. Das ist kein alltägliches Erlebnis, doch Zweifel bleibt keiner, denn der Ton ist äußerst charakteristisch.

Uferwiesen am Großen Krinertsee

Mehrmals verschieben wir den Aufbruch, im Wissen, dass es gerade zum Abend hin immer schwerer wird, wieder in Gang zu kommen, wenn man grad so herrlich sitzt. Es ist einfach so schön, so vollkommen. Nichts treibt uns, genügend Licht ist auch noch übrig. Und Geschenke wollen erkannt sein.

Weidenopas am Düstersee

Zeit also fürs Zusammensuchen der ganzen Frühlingssachen der letzten Stunden: Birkensaft und erwachende Käfer, Meere von Frühblühern und hinreißende Lämmchen, der erste Pirol und der werbende Rohrdommler, nicht zu vergessen den dösenden Storch und den torkelnden Marienkäfer. Und dann gab es ja auch noch das Rudel erwachender Zitronenfalter und weit mehr Lerchen als üblich. Dickes Ding.

Blick übern See nach Alt-Temmen

Der vorausliegende Weg ist zauberhaft, also siegt irgendwann die Neugier. Wieder durchzieht er launig die Landschaft, wie zu Beginn der Tour, streift Wäldchen, Hügel und quert Bächlein. Versteckt hinter einer Baumreihe liegt zum See hin ein feuchter Wiesenstreifen, der abermals dicht bedeckt ist mit Blüten, die zum Abend hin verstärkt ihren Duft verströmen. Noch nie probiert, doch jetzt wird sich gebückt trotz müder Beine, und hat sich gelohnt. Sanft und aromatisch, und tausende Blüten vom Wind zusammengefasst sind ein genüssliches Erlebnis.

Auf dem Weizberg Ostgipfel, Alt-Temmen

Kurz ist zu sehen, dass es zwischen dem Großen Krinertsee und dem Düstersee hindurchgeht. Auch am kleinen Badestrand gibt es nochmal Blüten, ebenso am Ufer des Düstersees. Bereits mit Blick auf die Dächer von Temmen wird der krumme Weg von wuchtigen Weiden flankiert, die nahezu in die Waagerechte geborsten sind und schon im vollen Saft stehen.

Direkt vor dem Dorf liegt der Weizberg mit zwei Gipfeln. Die steile Flanek hin zum See erstrahlt im Abendlicht vor unzähligen Blüten – wir müssen einfach noch mal hoch. Es ist kaum zu fassen. Und gut zu wissen für Leute, denen tausend Schritte und fünf Höhenmeter völlig reichen.












Anfahrt ÖPNV (von Berlin):
Regionalbahn über Angermünde nach Wilmersdorf, dann weiter mit dem Bus; Regionalbahn über Eberswalde nach Milmersdorf, dann weiter mit dem Bus (jeweils ca. 2-2,5 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): wahlweise über Landstraße (über Milmersdorf) oder Autobahn (über Joachimsthal)(ca. 1,25-1,5 Std.)

Länge der Tour: ca. 18.5 km (Abkürzungen möglich)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Information zu Alt-Temmen

Hofladen Gut Temmen

Kloster Göttschendorf

Artikel über Herrn Kuchinke

Kunsthaus Hohenwalde

Kutsch- und Reitweg Berlin-Usedom

Einkehr: (Bauernstübchen, Alt-Temmen)
Klosterküche, Göttschendorf

Schwedt: Liebessohlen, Auenblicke und die verborgene Dimension

Nachdem sich der Juli von seinen frischkühlen Einstand nach und nach zu sommerlichen Temperaturen hochgeschaukelt hat, soll nun wieder die 30-Grad-Marke erreicht werden. Die Flucht in einen der kühleren Winkel des Landes lässt sich hervorragend mit der etwas weiteren Anreise in den hohen Nordosten Brandenburgs verbinden, die gelb markiert und unterstrichen auf dem Zettel für diese Jahreszeit stand. Dort, im immer wieder besonderen Unteren Odertal, hat kürzlich die Kanu-Saison begonnen, alles Getier sollte also ausgebrütet und grundlegend aufgezogen sein und wenig empfindlich gegen die behutsamen Störungen des sanften Tourismus.

Abend in den Oderauen

Im Hinterkopf scheint diese Gegend immer weit weg zu sein und kommt daher über die Jahre nur selten vor, doch tatsächlich braucht der Zug vom Alex nur gute neunzig Minuten nach Schwedt, und auch auf der Straße dauert das unter freundlichen Bedingungen nicht viel länger. Noch immer ist das Wort Schwedt selbst bei regelmäßigen Brandenburg-Reisenden eher mit Industrie, abgehalftert und spröde assoziiert als mit Altstadtgassen, Ufer-Promenade und Naturnähe, und so kann jeder, der sich darauf einlässt, gern etwas staunen über diese kleine große Stadt am Oderwasser.

Schwedt

Teichpaar im Tal der Liebe

Eine besondere Spezialität ist neben den im Stadtgebiet verteilten Plastiken die großflächige Fassadenmalerei, welche die eigene Optik an der Nase herumführt und Neugierige zum wiederholten Hin- und Hergehen oder schrittweisen Annähern verleitet. Immer wieder erhebend ist zudem die großzügig angelegte Lindenallee, die zum einen ihrem Namen alle Ehre macht, zum anderen direkt auf das weithin bekannte Theater zuführt, dessen ausgelagerte Freiluft-Bühne über der Oder schwebt.

In den Gärten von Zaton Dolna

Gleich dahinter öffnet sich, ähnlich imposant wie beim Mühlendamm in Brandenburg mit der Havel, die große Weite und grüne Wildnis der Oderauen, die bis zum Horizont reichen. Darüber vergisst man glatt, dass sich etwas im Hinterland eine der größten Industrieanlagen weit und breit ausstreckt, ohne die in Berlin und Brandenburg kaum etwas rollen oder laufen würde. Der Betrieb auf dem vier Kilometer langen Gelände der Erdölraffinerie läuft ohne Unterbrechung seit fünfeinhalb Jahrzehnten, hier am westlichen Ende der bislang längsten Pipeline der Welt. Das andere Ende liegt einige Hundert Kilometer hinter dem Ural, bereits in Asien.

Das Wasser direkt am Stadtrand und in den zahllosen Armen der breiten Aue stellen der Finowkanal und die Alte Oder, die bei Hohensaaten der breiten Oder sehr nahe kommt. In Richtung Norden entfernt es sich als Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße jedoch erheblich vom Grenzfluss, so dass zwischen Schwedt und dem Übergang nach Polen schon ein paar Kilometer liegen. Dahinter beginnt eine andere Kultur, eine andere Sprache und in manchen Belangen auch eine kleine Zeitreise.

Liebende in Schwedt

Noch während der ersten Schritte, beim Betreten der ersten von mehreren Brücken, reißt am zarten Frauenfuß neben mir ein Riemen der Sandale, der zwar keine Hauptverantwortung trägt, jedoch nach einigen Probemetern dennoch entscheidet, dass diese tüchtige Sohle nach zehn Jahren für immer aus dem Spiel ist. Die Geschäfte am Stadtrand haben zwar geöffnet, doch als zweite Option stehen im Kofferraum die ebenfalls erfahrenen Gummistiefel bereit. An einem Hochsommertag wie heute und mit viel Sonne im Herzen so eine Sache, doch gut laufen lässt sich darin auf jeden Fall. Und eine gewisse Einmaligkeit ist damit auch gegeben, auch wenn die Botten farblich nicht zum Kleid passen. So kommt es dann.

Also ein zweites Mal über die erste Brücke, die sofort einen weiten Blick auf die seenbreite Ausbuchtung des Wasserstromes freigibt. Daneben fällt der Blick auf das die Baumwipfel überragende Theatergebäude, neben dessen gläserner Dachkonstruktion in jeweils eigenen Nischen detailreiche Figuren stehen, lebensgroß. Hinten der Horizont ist ewig weit weg, vorn am Ufer lockt an den weiten Terrassen mit ihren Freitreppen der Eiswagen. Doch heute soll es polnisch schmecken unterm Gaumen, also weiter.

Breite Wasserstraße am Rand von Schwedt

Gleich am anderen Ufer, der Radweg zieht magisch in die grünen Auen, beginnen die Düfte der wachsenden oder gemähten Wiesen, der umschilften Wasserformen und der ersten Früchte an den Bäumen, dazu gibt es diverse Vogeltöne und unter all dem einen breiten Teppich von zirpenden Grillen, der nur manchmal kurz auf Zimmerlautstärke abschwillt. Am Himmel ziehen gemächlich wie eine Karawane große Wolkengebilde, und von Osten scheint sich ganz langsam das verkündete Gewitter zu nähern, das so gegen Sonnenuntergang zur Sache gehen soll.

Links der Straße läuft treu ein meterbreiter Streifen für Unmotorisierte, rechts rauscht in regelmäßigen Schwüngen der Verkehr vorbei. Zu verdanken ist diese verträgliche Dosierung einer Ampel an der Oderbrücke. Vom parallel verlaufenden breiten Wasser des Dammgrabens ist nichts mitzubekommen, doch nach links öffnen sich an den Brücken über breitere Wasser immer wieder gut gewässerte Sichtfenster, die den Blick zum Schweifen einladen. Aus beiden Richtungen naht hin und wieder ein Radfahrer, im kleinen Grenzverkehr und eher nicht touristisch. Zwischen all diesen Eindrücken sind die drei Kilometer bald geschafft und die blau-orange Brücke ins östliche Nachbarland liegt vor uns.

Nach dem Aufstieg, Krajnik Gorny

Krajnik Dolny

Drüben hocken ein paar kleinere Läden, wo es die üblichen Zigaretten, Getränke und Vogeltränken gibt sowie noch dies und das. Der Verkehr ist übersichtlich. Draußen vor einem der Läden sitzt ein Mann und hat vor sich auf dem Grill üppig bestückte Schaschlik-Spieße zu liegen, die verführerisch aussehen und auch duften. Doch wir bleiben stark, wollen ja nach der Bergtour unsere Kräfte auffrischen, gemütlich und im Sitzen, und mit diesen Spießen wären wir lange Zeit satt. Schade ist es schon – vielleicht ja auf dem Rückweg und dann morgen schön Tomatenreis dazu.

Blick von den Feldern auf die Anlagen von Schwedt

Schon häufig war von Brandenburger Seite her diese bergige Kante über dem polnischen Ufer zu sehen, und jedes Mal stand die Frage, warum dieses Ufer so gänzlich anders beschaffen ist und wie es da wohl aussieht, wie steil die Flanke ist und wie genial der Ausblick, wenn man oben steht. Heute nun ist es soweit, angeschubst durch einen mütterlichen Tipp vor Jahren. Ziel ist Dolina Miłości, das „Tal der Liebe“, eine vor mehreren Jahren aus langem Schlaf erweckte, höhenmeterreiche Parklandschaft von ganz eigenem Charakter. Ursprünglich war dieser naturalistische Park von einer Anna für einen Carl angelegt worden, was mittlerweile zwei Menschenleben zurück liegt. Ein ausführlicher, durchaus spannender Geschichtsabriss findet sich auf der polnischen Internetpräsenz.

In Krajnik Dolny verlassen wir die Landstraße nach rechts, hinein in einen Weg, der eher nach privater Grundstücksauffahrt aussieht. Vorbei an einem noblen Anwesen mit viel Platz verschwindet er bald in einem bachlosen Waldtal, wo zum ersten Mal der intensive Duft großer Mengen gefallener und hängender Pfläumchen die Luft erfüllt. Natürlich öffnet die Klischeemaschine sofort und ungefragt das sinnenkräftige Wort Sliwowitz im Hinterkopf, obwohl dieser Schnaps, einer der knackigsten weltweit, ja nicht hauptsächlich in Polen zu verorten ist. Der Aufstieg beginnt moderat, der Wald wird dichter, und kurz vor dem Austritt wird es für ein paar Meter sehr steil. Oben, auf freiem Feld, liegt nun im Rückblick die erste weite Aussicht in die ebene Landschaft hinter der Oder. Voraus sind die ersten Häuser des oberen Dorfes zu sehen.

Höhenpfad im Tal der Liebe

Krajnik Gorny

Alles hier strahlt Ruhe aus. Etwas eiliger rumpelt nur ein drahtiger Trekker durchs Dorf, denn nur noch ein paar Stunden kann das Stroh trocken vom Acker geholt werden. Würzige Düfte, archaische Gartenbilder und eine reiche Flora ziehen sich durch alles, und am Dorfausgang ist er wieder da, der Duft der kleinen Pflaumen. Wir zweigen bald auf einen Weg ab, der durch Einsparung einiger hundert Meter den ohnehin langen Weg nicht noch länger machen sollte, doch das geht gehörig nach hinten los. Die angedachte Spur ist mittlerweile zugewachsen, doch zunächst lässt sich auf den abgeerntenen Stoppelacker ausweichen. Während wir die freie Panorama-Sicht mit unzähligen Schornsteinen und dem ewigen Flämmchen des Kombinats betrachten, beginnt die Sonne nun richtig zu drücken, heizt es wärmer noch in den Gummistiefeln und unter den Hüten, wird der erhoffte Schatten nun zum dringenden Bedürfnis. Das versuchsweise Umkrempeln der Gummistiefel bringt etwas Linderung.

Gedenkenberg über dem Tal der Liebe

Doch dreihundert Meter vor dem angestrebten Waldrand, am Ende der Stoppeln, steht schulterhoch der Raps, erntereif, fast hölzern struppig und voller streitlustiger Widerhaken. Das macht es erstaunlicherweise sogar dem aufgeschreckten Rehbock schwer, das Weite zu suchen. Eine kaum sichtbare Fahrspur erspart uns den Stillstand oder die reumütige Rückkehr zur letzten Abzweigung und gestattet mit nur wenigen Blessuren den Anschluss zum rettenden Waldrand.

Teiche von Adam und Eva

Hier gibt es nun wieder ein kompetentes Wegesystem, welches das Tal der Liebe durchzieht. Umgehend taucht man ein in eine teils dramatisch ausgeformte Gebirgslandschaft mit schmalen Pfaden, steil abfallenden Hängen und dichtem, wildem Wald. Kleine Quellbäche bahnen sich unter romantischen Brücklein ihren Weg durch die vermeintliche Wildnis und bilden auf Stufen vorzügliche Wildschweinsuhlen aus. Dementsprechend steigt der Puls, als es hier und dann etwas weiter und bald wieder dort raschelt und nach größerem Gewicht klingt, als es ein putziger Eichkater oder ein Fuchs auf die Waage brächten. Kurz darauf knackt es weit unten, wo wir zur Erleichterung ein kleines Reh entdecken. Das guckt uns genauso an wie wir wohl schauen, bevor es nach weit mehr als drei Momenten langsam von dannen stakst.

Bastei über dem Oderstrom, Zaton Dolny

Dolina Miłości (Tal der Liebe)

Danach wird es symbolträchtig im Tal der Liebe, als ich uns, befeuert durch die Leidenschaft zum Wegesammeln, mit viel Bücken und Verbiegen tief in eine strauchige Sackgasse führe und auch das GPS-Gerät im ausgeprägten, dicht bewachsenen Relief an seine Grenzen stößt. Die Gummistiefel erweisen sich jetzt als Segen für den zarten Frauenfuß, währenddessen ich mich mit einer wegwischenden Geste im Geiste nach Herzenslust zerkratzen und zerpieken lasse und in den steilen, wegarmen Flanken auf losen Sohlen rumrutsche. Auf meinen dackeligen Blick hin kommt ein griffiger Vorschlag mit Blick und Handzeig nach oben, der uns nach ein paar Höhenmetern im Unterholz zum bequemen Wegesystem zurückbringt. Die entsprechende Auslegung der Metaphern auf den Pfad der Liebe überlasse ich jedem selbst, die resultierenden Erkenntnisse ebenso. Doch sie werden alle wahr sein.

Café Bei Beata, Zaton Dolna

Im Folgenden halten wir uns nun bei Gabelungen ganz pragmatisch an Wege mit Mindestbreite und genießen zugleich die Romantik dieser wilden Parkanlage, über die an vielen Stellen gut lesbare Tafeln informieren. Einer der schönsten Aussichtspunkte im nördlichen Bereich lässt an Hochküsten auf verschiedenen Ostsee-Inseln denken. Neben einem Pavillon stehen hier drei Kiefern in großer Geste, dazwischen liegen Findlinge, zu denen es ein paar Meter weiter eine Geschichte zu lesen gibt. Der Ausblick ist enorm und kommt unerwartet.

Durch dichten Laubwald fällt der Weg ab in ein vergleichsweise offenes Tal, wo sich unterhalb einer Quelle mit kleinem Bachlauf zwei Weiher eine Lichtung teilen. Hier treffen wir auf erste Menschen. In den „Teichen Adam und Eva“ steht jeweils eine der Figuren in der Wassermitte, beide heißen eigentlich Apollo und Diana und können scheinbar zueinander nicht kommen – was an ein anderes bekanntes Paar denken lässt. Rund um die Teiche sieht es nun richtig nach Park und Gärtnerhand aus, mit einer Pergola, angelegten Wegen und den beiden Teichen.

An der Kirche von Zaton Dolna

Zaton Dolna

Von hier lässt sich nun wahlweise gleich zur Oder absteigen oder der reizvolle Weg über die Anhöhe der Bastei nehmen, von der eine steile Holzstiege alten Stils hinabklettert zum Haupteingang des Parks. Hier steht neben einem Pavillon und einer großen Karte mit dem Wegenetz nun auch der relevante Hinweis auf das Café Wiejski Kocur, zu deutsch Dorfkater. Der ist mir sofort sympathisch, und nachdrücklich zieht nun der leere Magen und die vergangene Kraft nach all dem durchstandenen Strupp der Liebe und den starken Eindrücken zum Ort des Besteckes und der polnischen Küche.

Gasthaus Dorfkater, Zaton Dolna

Schon am Ortseingang lockt eine herrlich über der Oder gelegene Terrasse hinauf ins Café „U Beaty“ und nutzt damit mangelnde Orts- und Sprachkenntnis und ihren Standortvorteil auf das Beste. Der Kater vom Schild vorhin ist dann leicht adaptiert auf dem Garten-Kamin zu entdecken, die Dame des Hauses spricht allerhand Deutsch und bietet nicht nur Kaffee, Kuchen und Getränke, sondern auch zwei herzhafte Gerichte der polnischen Küche an. Die Luft und die Sonne drücken noch immer, doch hier oben geht ein sanfter Wind durch die Talflanke, und so lässt sich sehr gut zu einer ausufernden Pause ausholen, die gewissermaßen einmal die Karte abgrast. In der Bilanz sind wir froh, dass wir den Schaschliks vorhin widerstanden haben, denn der Aufenthalt bei bereits sinkender Sonne verläuft herzlich, unterhaltsam und genießerisch. Da der Rucksack ohnehin sehr schwer ist, nehmen wir noch eins von vier großen Gläsern Honig mit, die neben der Schüssel für ausgediente Kronkorken auf der Bank stehen. Knapp drei Pfund Lindenhonig sichern für die nächsten Monate eine gesunde Energiequelle und regelmäßig aufgefrischte Erinnerungen an diesen Ort.

Am Oderufer, Zaton Dolna

Während der Öffnungszeit lässt sich der Garten von Frau Beata durch eine von hohen Stockrosen gesäumte urige Hinterpforte direkt in Richtung Kirche verlassen, von dort kamen vorhin schon ein paar Stammgäste hergeschlurft. Zur Kirche geht es nochmal ordentlich hinauf. Drei junge Leute machen das kleine Gotteshaus über dem Fluss schön für den morgigen Gottesdienst, wozu unter anderem frische Blumen und Besenschwingen gehören. Auf dem grasigen Kirchhof steht eine Marien-Statue in sanften Blautönen, dahinter öffnet sich über den Wipfeln ein Blick auf die Oder und ihre Auen. In der Kirche ist es angenehm kühl.

Brücke zwischen den Ländern, Krajnik Dolny

Auf der Runde durchs kleine Dorf kommen wir dann schließlich am einladenden Dorfkater vorbei, der hinterm großen Scheunengebäude vermutlich einen schönen Gastgarten anbietet und das nächste Mal besucht wird. Und dann liegt sie vor uns, die Oder, gegenüber ist bereits das Eishaus am Sperrwerk zu sehen, das wir im Falle der längsten Option nachher direkt passieren werden.

Meister A. D. Bahr zwischen den vegetarischen Lunchpaketen

Direkt über dem Oderufer folgen wir nun dem schmalen Fahrweg unterhalb des steil ansteigenden Hanges mit seinem vielfältigen Wald, immer wieder gibt es Einschlüpfe und Anschlüsse an die Wege im gebirgigen Tal der Liebe – allein die Topographie gibt ja schon herrliche Symboltracht her. Das hindernislose Sträßlein läuft sich von selbst, wir rollen regelrecht und kommen unbeabsichtigt auf Tempo. Etwas weiter hinten schlendern erstaunlich stramm zwei junge Mädels auf dem Weg zur Nacht der Nächte, im Rucksack einen Lautsprecher. Der bezieht vom mobilen Endgerät handelsüblichen Vocodergesang mit Musik, deren Bassbereiche den Lautsprecher klar überfordern. Die vokalen Passagen scheinen per Zufallsgenerator erzeugt, die Stimme klingt weinerlich und alle Tracks nutzen denselben sparsamen Ideenpool. Da treu das ganze Album abgespielt wird und die Mädels rasch aufholen, geben wir uns respektvoll geschlagen und lassen sie im vorgeblichen Rahmen einer Trinkpause vorbeiziehen, städterisch dürstend nach abendlicher Stille und dezenten Vogeltönen.

Zaton Dolna vom anderen Ufer aus gesehen

Die weit entfernte Brücke ist also schnell nähergekommen, das Geländerrot wird zum eigentlichen Orange vom Hinweg und die Entscheidung für die längste der drei Varianten ist gefallen, nicht zuletzt wegen langem Oderauen-Entzug. Drum kaufen wir in einem der kleinen Läden in Krajnik Dolny noch eine köstliche Mischung aus drei Pfund Wasser, viel Zitrone und wenig Zucker, was sich schon bald als goldrichtig herausstellt.

Weg in die Oderauen

Was wir vor der Brücke als polnischen Rückenwind hatten, gibt es jetzt am anderen Ufer als erfrischende Brise von vorn, die viele Düfte des Sommers in sich vereinigt und dabei aus dem Oderwasser, den Deichwiesen und den saftigen Auen schöpft. Am anderen Ufer erhebt sich der steile Waldhang, unten am Ufer steht ein blatt- und rindenloser Baum, dessen Silhouette gleichmäßig belaubt ist mit kleinen Vögeln. Der Deich ist frisch gemäht, einige schnelle Blümchen haben ihre kleinen Sonnen schon wieder herausgearbeitet. Hinten zwischen den Heurollen stakst ein satter Storch umher, gerade ohne Konkurrenz und etwas unmotiviert. Weit oben kreist tiefenentspannt und unbewegt ein Raubvogel mit großer Spannweite und kurzem Heck.

Kontrastreicher Blick nach Schwedt

Bald sehen wir Zaton Dolna und die Terrasse der Genüsse und staunen aufs Neue, wie weit oben die Kirche über allem steht. Kurz darauf ist das funktionale Fachwerkgebäude Eishaus erreicht, und am Rastplatz dahinter geht es nun endlich in die weiten Oderauen. Ein klassischer Plattenweg läuft mit bunten Wiesenrändern durch das üppige Grün aus Weiden, Wiesen und ungenutzten Flächen, schlägt hübsche Bögen und weite Biegen und lässt dabei nur selten eine der unzähligen Wasserflächen sehen, die überall die Auen durchziehen.

Alter Oderarm bei Schwedt

So wie auf dem Hinweg der Dammgraben, begleitet nun der Alte Oderstrom von hier bis an den Rand von Schwedt den Verlauf des Weges und wird in Richtung Norden immer breiter. Andere Gewässer heißen Kuhlen Dümpel, Lubitz Rehne oder Ribbe und lassen die Antwort darauf offen. Wege zweigen ab nach Criewen, Zützen oder Meyenburg, dazwischen grasen Kühe in verschiedenen Farbtönen, die uns teils verständnislos anstarren. Im Hintergrund flitzen behende riesige Traktoren über die Äcker und verwandeln abgelagertes Heu in diese kleidsamen Rollen, denen der späte Sonnenstand zu baumeslangen Schatten verhilft. Abends in den Oderauen – das hatten wir noch nie, und so kommen die müden Beine und der lustbetonte Genuss dieser spätsommerlichen Stimmung voll kleiner Sensationen miteinander ins Gerangel, welches Tempo nun das rechte sei. Eine Einigung wird nicht erzielt.

Visuelles Spielwerk in der Altstadt, Schwedt

Langsam prägen sich die fernen Dächer von Schwedt zu Einzelheiten aus, lassen sich Gebäude erkennen und Beziehungen zuordnen. Der Wasserturm, der spitze Kirchturm und die gläserne Kuppel des Theaters werden immer konkreter, bis schließlich der Deich oberhalb der Wasserstraße erreicht ist, die Stadt jetzt direkt gegenüber liegt. Ein tüchtiger Traktor mit Heurollen-Erzeuger eilt zu seinem letzten Einsatz, bevor das nahende Gewitter den verdienten Feierabend vorschreibt.

Altstadt Schwedt

An der letzten Brücke dürfen die Kräfte nun endlich nachlassen. Wir werfen Gepäck ab und flanieren mit leichten Schultern durch die schöne kleine Altstadt zur Neustadt, staunen über die erwähnten haushohen Wandbilder und manches andere, bevor die Magistrale direkt zu den Uckermärkischen Bühnen zieht, hinter denen ein kleiner Biergarten wartet. Beim Vorbeigehen zeigt sich, dass sowohl die Glaskuppel auf dem Dach als auch die lebengroßen Figuren in den Nischen aufgemalt und nicht dreidimensional sind, das ist eindrucksvoll.

An der Uferpromenade in Schwedt

Im Biergarten bekommen wir nun den erhofften Nachschub an Mineralien, sonstigen Salzen und Flüssigkeit. Dazu gibt es die Geräuschkulisse des himmelfrei aufgeführten Musicals um einen grünen Oger, und schließlich gehen noch die ersten Laternen an und die Lichter der Statuen, passend zum Sinken der Sonne. Gut eine Stunde später zucken über dem finsteren Berlin die Wetterleuchten auf, jedes breiter als die ganze Stadt, schenken dem Fernsehturm die ganz große Bühne und überlassen bald den Fluten ihren Platz, die in großen Tropfen allen Boden tränken. Dieser Tag ist bereits jetzt Legende.











Anfahrt ÖPNV (von Berlin): von Berlin-Hbf. durchgehender Regionalexpress nach Schwedt, jede 2. Stunde nur mit Umstieg in Angermünde (jeweils gut 1,5 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): Autobahn bis Ausfahrt Joachimsthal, dann über Angermünde nach Schwedt (ca. 1,5 Std.)(wesentlich reizvoller ist die Landstraße über Biesenthal, Eberswalde und Chorin, Fahrzeit ca. 20 Min. länger)

Länge der Tour: 26 Kilometer (Abkürzungen vielfach möglich)(Wegpunkte und Kartendarstellung sind auf gangbare Wege bereinigt)


Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Internetpräsenz von Schwedt

Polnische Seite zum Tal der Liebe (mit Geschichtsabriss)

Informationen zum Tal der Liebe mit Flyer

MOZ-Artikel zum Tal der Liebe von 2011

Artikel zum Tal der Liebe

Einkehr: in Schwedt div. Möglichkeiten, ebenso in Krajnik Dolny
Café U Beaty (Bei Beata), Zaton Dolna (herzlich, gute Küche)
Wiejski kocur (Dorfkater), Zaton Dolna

Gerswalde: Entfesselte Mäher, zerfallene Mauern und der weiße Duft von Brandenburg


Den halben März lang hat der April vor der Pforte mit den Hufen gescharrt, Richtung Klinke ausgeschlagen und Einlass begehrt, krakeelend und beharrlich. Nicht ohne Erfolg, denn immer wieder gab es Tage, die so launisch und galoppierend wechselhaft waren, als wären sie direkt beim April in die Lehre gegangen. Viele von ihnen brachten gleichmäßigem Regen mit, was gut ist für den gebeutelten Wasserhaushalt, und die Temperaturen reichten in ein paar Nächten sogar noch aus für Nachtfröste. Bei all dem Grau und Nass und Kühl also gute Voraussetzungen, um sich allmählich auf die Euphorie und den Farbenrausch des Frühlings zu freuen, mit jeder Woche etwas mehr, bis hin zum Herbeisehnen.

Wasserburg Gerswalde

Während sich Augen und Ohren schon seit Anfang Februar mit allerlei kleinen Blütenköpfen, zarten Trieben und einer gleichmäßig zunehmenden Vielfalt des Wipfel-Gepiepes auf das Frühjahr einstellen konnten, wurde die Nase erst seit dem Datum bedient, das den Meteorologen als Frühlingsanfang gilt. Jetzt ist also alles beisammen, und jetzt soll er bitte auch kommen, der Lenz. Und bleiben.

Blick vom Aussichtsturm über den Oberuckersee nach Warnitz

Es gibt einen schneeweiß blühenden Busch mit einem dichten Werk aus kleinen Blüten, dessen Duft ein Inbegriff des Frühlings im Land Brandenburg ist. Er steht fast überall in den märkischen Landschaften, ist einer der ersten mit voller Blütenkrone und daher schon weithin zu sehen. Bei Frühlingsungeduld kann es helfen, diesen visuellen Reiz in einer üppigen Dosis zu verabreichen. Begünstigend dafür ist eine offene Landschaft mit weitem Blickhorizont. Ganz flach zum Beispiel und ungemein kontrastierend im Oderbruch mit seinen schokoladenschwarzen Ackerschollen, oder in grenzenlosen Hügelländern, wie sie am gekonntesten die Uckermark anbietet.

Rückblick zur Kaakstedter Kirche

Gerswalde

Zwischen Templin, Angermünde und Prenzlau gibt es kaum größere Ortschaften. Ein Ort, der jedoch mehr nach Stadt als nach Dorf aussieht, ist Gerswalde, das einmal an einer Handelsstraße lag. Dass der Ort eine gewisse Bedeutung hatte, lässt sich noch an einigen Gebäuden ablesen, die aus jetzigem Blickwinkel eine Nummer zu groß wirken für Gerswalde. Und auch heute gibt es hier noch vieles, was in anderen Dörfern die Ausnahme sein dürfte und den städtischen Eindruck stärkt. Darunter eine Reihe von Ärzten und auch eine Apotheke, ferner eine Grundschule und einen Kindergarten sowie auch eine Sparkasse und eine Tourist-Information mit Bibliothek.

Schloss Gerswalde mit Burgmauern

Unbedingt zu erwähnen ist auch der Landmarkt, der hier so manchen Weg erspart und gerade auch betagteren Menschen das Leben erheblich erleichtern dürfte. Insgesamt also ein sympathisches Bild von einem Ort, der sich nicht unterkriegen lässt von all der Landflucht und zudem Durchreisende und Besucher auf vielfache Weise willkommen heißt. Entsprechend altersgemischt ist auch das Bild der Leute, die auf der Straße zu sehen sind.

Tourist-Information Gerswalde und Kirchturm

Neben dieser Grundausstattung gibt es noch die mittelalterliche Ruine einer Wasserburg in bestem Zustand, die umgeben ist von einem verspielten und hügeligen Gelände voll schöner Plätze und ein jüngeres arnim’sches Schloss zum Nachbarn hat. Dieses wird von einem Jugendheim genutzt, bietet aber auch Zimmer für Urlauber an. Die Kulisse der Burg beherbergt Museen und wird gern auch für Veranstaltungen wie Mittelalterfeste und Konzerte aller Art genutzt – sicherlich eine bleibende Erinnerung. Unterhalb der Burgmauern liegt ein kleiner Haussee mit Insel, dessen quellenreiches Wiesenumland für einen munter sprudelnden Abfluss sorgt.

Weg nach Norden

Da Gerswalde in das lebhafte Relief der uckermärkischen Landschaft eingebettet liegt, kann man dieses Städtchen in fast alle Richtungen auf reizvollen Wegen verlassen, die meistenteils auch ausgewiesene Wanderwege sind. Wer neben schönen Wegen und freiem Blick gern noch ein konkretes Ziel hätte und begierig ist auf reichlich Auslauf, kann zum Beispiel Fergitz mit seinem Aussichtsturm anpeilen, dessen Blick über den nordisch weiten Oberuckersee reicht.

Apfelallee nach Weiler

Die große Gerswalder Feldsteinkirche steht mitten im Ort auf ihrem eigenen Hügel. Die Wehrkirche musste in der Vergangenheit öfters Unwettern standhalten, wohl auch deswegen ist ihr wuchtiger Turm stilistisch unentschlossen. Die Aussicht von dort oben muss gewaltig sein. Die Wiese rundherum scheint wie geschaffen für schöne Feste, und auch der Marktplatz zu Füßen des Turms wirkt einladend und kompetent. Etwas oberhalb öffnet sich ein kleiner Platz mit langen Bänken, der kurz an Boitzenburg denken lässt, und hier drängt nun eine ganze Schar von Wanderwegen nach Norden, hinaus auf die welligen Wiesenhöhen über dem Ort.

Wiesenweg am Weiher hinter Weiler

Hinterm Friedhof beginnt eins von diesen urgemütlichen Pflastersträßchen, gerade breit genug für zwei Pferdefuhrwerke und begleitet von gestandenen Alleebäumen und allerhand Buschwerk, dass schon bald voll Laub und duftender Blüten sein wird. Im Rückblick ist der Kirchturm bereits fern und nun auf Augenhöhe. Links des Weges erheben sich augenschmeichelnd diese weichen Wiesenhänge, die man hier unbedingt sehen möchte. Eingestreut und wohlgefällig liegen darin Findlinge verschiedenster Korngröße und machen das Bild fast ein bisschen skandinavisch. Nach Osten hingegen stößt der Blick kaum an Grenzen und reicht gefühlt bis hin zum Odertal. In der Tat ist es eher das Tal der Ucker, die sich dort nach ein paar Dutzend Fließkilometern das erste Mal so richtig breit macht. Ein weiterer Kirchturm rückt ins Bild, wird das tagesbegleitend beibehalten und es zuletzt sogar perfektionieren.

Im zauberhaften Bachgrund der Großen Helle

Dicht am Weg, ein paar Steinwürfe entfernt oder ganz weit da hinten auf den Hügeln, überall stehen die weiß blühenden Büsche, die später im Jahr vermutlich Schlehbeeren tragen werden, und sind erkennbar noch auf Kilometer. Über den Äckern schreien die Lerchen ihre aufrechte Freude heraus, ohne jemals Luft holen zu müssen, und im ersten zarten Laubansatz der Bäume jagen verschiedenste Vögel umher, deren Unterhaltung mal ganz schlicht klingt und mal virtuos, in jedem Falle aber freudig. Mindestens einmal in der Viertelstunde eröffnen nahe oder ferne Kraniche ihren urtümlichen Dialog, den Lautstärke-Regler auf Anschlag. Auch ein erster Storch hat ein Dorf weiter schon sein tonnenschweres Nest bezogen, auf der bedenkenlos belastbaren Giebelspitze einer betagten Kirchenmauer.

Aufgestautes Wasser der Großen Helle

Weiler

Während in den weit aufgeplüschten Weidenblüten am Wegesrand ein koordiniertes Gedrängel winziger Wildbienchen herrscht, haben sich weiter unten am kramigen Waldboden zarte Veilchen ans Licht gearbeitet, durch Strupp und altes Laub und losen Kies. Von rechts her müffeln drei Biogaszylinder dazwischen, die erst nach dem Erreichen der windabgewandten Seite wieder Ruhe geben. Ein Sträßchen führt entlang wackerer Apfelbäumchen hinüber zu den Häusern von Weiler, die in ländlicher Stille rund um die Kreuzung mit der Bushaltestelle verteilt liegen. Hier ist die Wahl zu treffen zwischen geradem breitem Schotterweg mit weiter Sicht oder lieblichem Wiesenweg, idyllischem Wald und naturromantischem Bachtal, die jetzt hoffentlich leichter fällt.

Eine ganze Herde Huflattich beim Sonnenanbeten

In der Tat war es eine gute Entscheidung für diesen Tag, was einen guten Monat später, zur Zeit der bunten Kornfeldränder, schon ganz anders aussehen kann. Der herrliche Wiesenweg wird begleitet von wogenden Kornfeldern, auf denen die erste Saat schon zartgrün die Ackerkrume verdeckt. Mitten im grünen Teppich liegt, von blassem Schilf umgeben, ein versenkter Weiher, auf dem Blesshühner zu hören und Schwäne zu sehen sind.

Kurz vor dem Wrietzensee

Unterhalb einer lichten Flanke mit jungem Robinienwald steht ein Hochstand, daran vorbei fällt der Blick auf tiefen Fichtenwald, der ein romantisches kleines Waldtal eröffnet. Von rechts stößt bald ein Rinnsal hinzu, das sich zaghaft vorwärts tastet und dabei das Licht der Sonne flimmern lässt. Das Bachbett liegt voll Altholz verschiedener Kaliber, und am Hang gegenüber stehen blanke Buchenstämme über ihrem Laubteppich. Wenn irgendwo am Weg ein Buschwindröschen stehen sollte, dann wohl hier, und so ist es in der Tat. Zwei der kleinen weißen Blüten haben sich schon durchs dicke Altlaub gedrängelt und wackeln selbstbewusst im Wind, der hier unten noch übrigblieb.

Zwischen Wrietzensee und Geländekante

Vor einer Wegkurve hat sich das Wasser zu einem Weiher aufgestaut, an dessen unterem Ende sich eine ganze Schar von Huflattich-Blüten zusammengefunden hat, die ihrerseits das Sonnenlicht zurückwerfen. Hinter einem Schilffeld öffnet sich der Talgrund zur Spielwiese und endet an einem hölzernen Balken, hinter dem es nun wieder über die Felder geht. Vorbei an schilfigen Senken buckelt der sandige Weg zum Ufer des Wrietzensees. Zwischen Weg und Wasserkante siedeln uralte Kopfweiden mit unglaublichen Umfängen, die zum Teil schon mehrfach auseinanderbrachen und sich immer wieder neu erfunden haben. Nach links steigt eine Talflanke an, wie man sie häufig an der Oder hat, mit Feld, Wiesenmatten und lose verstreuten Waldinseln, dazwischen liegt ab und an ein dicker Brocken aus Skandinavien.

Fergitzer Kirche

Fergitz

Der schnurgerade Weg nach Fergitz behält die Kirche fest im Blick, und auch deren Zaun besteht solchen Brocken. Gerade tollen zwei Kinder mit ihren Rädern durchs Dorf, während hinten im Gut einige Urlauber eintreffen, die beseelt Ihr Ferienhaus mit Seeblick beziehen, mit erfüllten Erwartungen. Nach einem Haken vorbei am Gutsgelände sinkt der Weg hinab zum Ufer des Oberuckersees, noch vorher steht links in der Wiese ein hölzerner Aussichtsturm mit großzügigen Plattformen auf zwei Etagen, sodass auch Höhenängstliche nicht draußen bleiben müssen.

Naturbeobachtungsturm Fergitz über dem Oberuckersee

Auf dem Oberdeck wird ein stattlicher Seeblick geboten. Der tiefblaue See wirkt riesig, der Eindruck wird noch verstärkt durch die Schilfbucht und die Insel auf seiner Mitte, vor allem aber durch die Winzigkeit des weißen Bootes, das mit drei Mann Besatzung auf dem Weg ans andere Ufer ist. Dort liegt das langgestreckte Dorf Warnitz, dessen Namen auch ein Bahnhof und eine Autobahnabfahrt tragen. Vorbei am Turm trödeln zwei Damen in Richtung Badestelle, vermutlich in der Hoffnung, dass der Turm auf dem Rückweg wieder verwaist ist. Ihr Gang wird stetig von entdeckenden Blicken zum Wegesrand unterbrochen, und auch der durch die Luft getragene Grundton ihrer Plauderei zeugt von Freizeit und entspannt herabhängenden Schultern.

Gestalten auf der Wiese

Da eine Bank am Fuß des Turmes fehlt, ziehen wir zurück zur Kirche und verlassen das Dorf Richtung Suckow. Beim Einschwenken zum Wrietzensee kommt nun der Wind erstmals von vorn, und die morgendliche Entscheidung für die wärmere Jacke erweist sich doch noch als die richtige. Im nächsten Waldstück geht der Wind durch die Kiefern und lässt ihre Stämme im Bereich von zwei Oktaven ächzen. Begleitet werden sie sporadisch von einigen Krähen, die ihre Jahreszeit ablaufen sehen und widerstrebend den Singvögeln das Feld räumen.

Der Stierngraben an der ehemaligen Fergitzer Mühle

Nach Süden liegt weit die Landschaft vor uns, durchzogen von einigen Wasserläufen. Über ihren Ufern lagern grasige Kumpane, die im Sonnenschein harmlos und lustig aussehen. Zur Dämmerung hingegen würde man ihnen durchaus etwas Beweglichkeit zutrauen, wenn noch dazu vielleicht die Kiefern quietschen und ein Käuzchen ruft. Für weniger mysthische Gedanken sorgen die allerersten Schlüsselblumen, die sich noch zugeknöpft im Unterholz versteckt haben und erstmal allen Wachstum in die Stengel stecken, um das Licht nicht zu verlieren.

Frisches Quellwasser aus den Talflanken des Stierngrabens

Fergitzer Mühle

Unerwartet erreichen wir einen zauberhaften Ort, vorbereitet nur durch ein zunehmendes Rauschen. Dieses kommt also nicht aus den bewegten Wipfeln, sondern von einem kleinem Bachlauf, der noch vor gut einer Generation eine Mühle antrieb und gerade hier ein paar Höhenzentimeter verliert. An der Wegkurve über die Brücke ahnt man noch die Grundmauern des Mühlengebäudes, eine Informationstafel hilft der Vorstellung auf die Sprünge. Nachdem hier viele Jahrhunderte eine Mühle stand, war sie noch bis 1980 funktionstüchtig und fiel nur wenige Jahre danach in sich zusammen. Angetrieben wurde sie vom Stierngraben, dem man das so gar nicht zutrauen würde.

Alte Allee aus dem Grund des Stierngrabens

Ebenso eindrucksvoll wie die alten Gemäuer und die Geschichte darum sind die zahlreichen Quellen, die rund um die Mühle aus dem Hang gedrückt werden und dem Stierngraben auf wenigen Metern zu mehreren Zuflüssen verhelfen. Das dürfte hier in ein paar Wochen auch ein Fest sein, was die letzten unter den Frühblühern im Walde betrifft. Jetzt glitzert zwischen dem flächigen Quellwasser schon das reflektierfreudige Laub des Scharbockskrauts, das hier bald für viel lackglänzendes Gelb am Waldboden sorgen wird.

Motorloser Weg entlang der Landstraße

Eine knorrig-alte Allee steigt in weiter Kurve aus dem Tal, und da man gerade so entrückt war, so fern der Welt, ist es kaum zu glauben, dass hier ganz profan und praktisch eine Straße quert. Doch das macht gar nichts, denn sie wird von einem schön geführten Radweg begleitet, der genügend Abstand hält und einige erhaben liegende Rastbänke anbietet. Von vorn kommt an einem schönen Gefälle ein Familienverbund auf Rollschuhen und Fahrrädern und genießt gut hörbar die sanfte Abfahrt. Kurz darauf führt eine relativ neue Brücke hoch über den Stierngraben, der etwas bachabwärts in das sanfte Tal der Mühle abtaucht und bereits hier von Quellwasser verstärkt wird.

Uriger Weg von Kaakstedt nach Gerswalde

Kaakstedt

Nach dem letzten Zwischenhügel liegt Kaakstedt voraus, dessen Kirchturm es also war, um den die ganze Tour sich dreht. Die Gaststätte an der Ecke hat zu, dafür wird jetzt ein Konzert von Aufsitzmähern geboten, die heute für die erste große Ausfahrt nach dem Winter von der Kette gelassen wurden. Gesteuert werden sie von Leuten im Alter zwischen Dreirad, Moped und Trike. Dementsprechend unbeachtet fühlt sich ein Hund, der uns am Zaun unaufgefordert sein Leid klagt und sich dabei häufig wiederholt. Um so kostbarer ist die Stille nach dem Verlassen des Dorfes.

Weiter Blick Richtung Uckertal

Sofort hinter dem letzten Zaunpfosten des letzten Grundstückes beginnt ein Weg, der so unfassbar schön ist, dass man bei jedem Schritt befürchtet, er könnte gleich vorbei sein, gesperrt oder verboten. Zur Üppigkeit der Natur und der vollkommenen Komposition kommt zu Beginn noch der herrliche Blick zurück zur Kirche, später dann die Vielfalt seiner Spielarten. Erst ein saftiger Wiesengrund mit quellfrischem Bach, dann eine weiche Wegespur zwischen Weidenruinen hindurch. Danach ein eingeschnittener, schattiger Hohlweg und am Ende seines Anstiegs ein Blick, gebettet auf Landschaftswellen und von so großer Weite, dass er diesmal wirklich bis zur Oder reichen sollte. Schließlich noch ein knorriger Robinienwald am steilen Hang und Anemonenbüschel zu Füßen und zuletzt ein runder Wiesengrund im warmen Abendlicht, wo wir ein letztes Mal den plätschernden Stierngraben überqueren.

All das uckermärkische Auf und Ab, das zunächst unbemerkt manchen Höhenmeter sammelt, zeigt sich mit einem Mal in müden Beinen und schweren Schultern, auch der Magen hängt langsam Richtung Knie. Beim letzten Anstieg hinauf zum hübschen Haus des Wasserwerks bietet sich in Richtung Fernsicht eine kuriose Almkulisse mit weißen Kühen zwischen felsgesprenkelten Wiesen. Die Ablenkung hält nur kurz an, und ab jetzt wird jeder abkürzbare Meter abgekürzt. Nach der wirklich allerletzten Querung des ganz jungen Stierngrabens können wir auf Autopilot schalten, denn die kleine Straße, ein Traum für Radfahrer, führt absolut direkt ans Ziel. Kleine Zwischenanstiege werden mit sanftem Galgenhumor genommen, und auch die Kirche zeigt sich erst, als wir fast schon vor ihr stehen.

Almkulisse am Wasserwerk Gerswalde

Auf den Wiesen des Baches, der aus dem Haussee kommt, gibt es ganz zuletzt noch etwas für Herz und Seele – eine ganze große Wiese voll blütenweißer Buschwindröschen. Daneben rauscht das Wasser Richtung Uckerseen, vom höchsten Baum im Schlosspark singt die Abendamsel und auf dem Haussee sammeln sich die Enten und erörtern, was für April so auf dem Zettel steht.








Anfahrt ÖPNV (von Berlin): nicht praktikabel möglich

Anfahrt Pkw (von Berlin): über Autobahn Richtung Prenzlau (ca. 1,25 Std.) oder wahlweise Landstraße B 109 (ca. 1,5 Std.)

Länge der Tour: 21 km (Abkürzungen vielfach möglich)



Download der Wegpunkte
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Links:

Internetauftritt Amt Gerswalde

Tourismus Gerswalde

Informationen Fergitz

Einkehr: Zum Schwarzen Adler, Gerswalde
Bistro an der Wasserburg, Gerswalde (in der Saison)



Ahrensdorf: Frischer Seewind, stille Gleise und die Waldeseile

Es ist gerademal die Mitte zwischen kalendarischem und meteorologischem Sommeranfang, doch dem Gefühl nach ist der Sommer schon ewig da. Fast überlegt man, ob in einer fernen Warteschleife bereits das irritierte Tappen des Herbstes zu vernehmen ist. Die berauschende Vielfalt der Düfte hat schon lange nichts mehr mit Frühling zu tun, und auch alle Töne, die tagesbegleitend und flächendeckend auftreten, sind ganz klar Sommertöne. In den Blütenkronen der unzähligen Linden in Stadt und Land nimmt das Summen von Hummeln und Bienen mit jeder Viertelminute des lauschenden Verweilens immer noch zu, und eins tiefer zirpen die Grillen auf den trockenen Wiesen so nachdrücklich, als ginge die wärmste der Jahreszeiten in Wochenfrist ins Vorfinale. Hier und da halten sich noch tapfer ein paar Jasminblümchen in der sengenden Hitze, und wer endlich mal wieder Holunderblüten-Eierkuchen brutzeln wollte, kann mit Fleiß, Geduld und etwas Glück noch ein paar der weißen Blüten finden.

Badestelle mit Postheimer Strand gegenüber

Nach einer glutheißen Mai-Woche jenseits der dreißig brachte der Juni Erlösung mittels ergiebiger Wolkenbrüche und lustvoll säbelrasselnder Gewitter, die endlich auch mal Taten folgen ließen. Darauffolgend rollt nun die nächste Hitzewelle durch das Land und verteilt die Niederschläge wie schon so oft sehr ungleichmäßig. Hier im Norden bleibt es eher heiß und trocken, und so steht am freien Tag der Sinn nach schattigen Wegen und kühlen Seen.

Feierabendrad am Zaarsee, Ahrensdorf Nord

Rund um Templin gibt es mehr als eine Handvoll kilometerlanger Seen, und wenn die hübsche Stadt selbst schon eine Reise wert ist, verhelfen die Seen mit ihren skandinavisch gekrümmten Uferlinien zu schönen Optionen für Kontrastprogramme. Das ganze Wassersystem ist derzeit auf sich gestellt, da es durch die Schließung der baufälligen Kannenburger Schleuse von der Havel abgekoppelt ist. Das ist tragisch für die meisten Betriebe, die mit Tourismus zu tun haben und damit auch für die Stadt an sich. Ein Grund mehr, trotzdem hinzufahren und die Seen von innen aufzurollen – von Berlin-Gesundbrunnen ist es mit der Bahn nur eine Spielfilmlänge, eine durchgelesene Zeitung oder eine ausgiebige Döserei bis zur Entscheidung zwischen einem Stadtbesuch, dem Strand am Lübbesee oder jenem am Templiner See.

Engelsburg bei Ahrensdorf

Ahrensdorf Nord

Wer zwischen dem Eintauchen etwas Landschaft sehen möchte und sich das Privileg herausnimmt, nicht zweimal in denselben See zu steigen, kann einmal im großen Bogen um das Dörfchen Ahrensdorf spazieren und dabei ganz verschiedene Wege und Pfade unter die Sohlen nehmen. Für den nächsten Tag ist etwas Muskelkater einzuplanen, nicht wegen Steigungen oder schlechten Wegen, sondern wegen beschleunigtem Gehen und Armfuchteln in den Bereichen der Bruchwälder. Doch das ist verkraftbar, denn der Gegenwert stimmt.

In Ahrensdorf gibt es am Zaarsee gleich die erste Badestelle, um sich nach der langen Anfahrt zu erfrischen. Die ist durchaus schön genug, um wahlweise gleich hier die Decke auszubreiten und den ganzen Tag zu bleiben oder nur die kleine Runde zur Engelsburg zu gehen, denn es gibt eine große Wiese mit einigem Schatten, einen leicht erhöhten Pavillon mit Bänken und eben den kleinen Strand. Den Picknickkorb sollte man jedoch selbst dabei haben, mit Füllung ganz nach Belieben.

Gehöft bei Engelsburg

Ein Radweg führt in angenehmem Abstand zur Straße aus dem Ort, an dessen Ende die Namen Ahrensnest und Engelsburg die Neugier kitzeln. Wer ohne Neugier ist und den Extrabogen lieber auslässt, biegt einfach hier schon rechts ab und strebt relativ direkt zum nächsten See.

Engelsburg

Das Kopfsteinpflaster windet sich hinter Ahrensnest vorbei an einem lichten Bruchwald, dessen Mücken und Bremsen wohl noch morgenträge sind – was wir zu schätzen wissen. Vorbei an schattensuchenden Kühen vieler Farben betreten wir durch torlose Pfosten das weitläufige Gelände von Engelsburg, einer integrativen Wohnstätte für Menschen, die das Leben in eine Sackgasse getrieben hat. Alles hier wirkt offen, keine Verbotsschilder hindern am Durchspazieren und die besonderen Häuser vermitteln den Eindruck, plötzlich in einer anderen Region des Landes zu sein. Nach etwas Wald öffnet sich hinter einem Gehöft die uckermärkische Weite mit ihren gewellten Kornfeldern und vielfältigen Trockenrasen. Zwei einzelstehende Kronenkiefern verhelfen dem Blick nach vorn entlang des schlendernden Weges zum Charakter eines Gemäldes.

Weg zur Landstraße, bei Ahrensdorf

Vorn an der Straße wurde ein massiver Rastplatz errichtet, durch den der milde Nordwind streicht, zusammen mit dem Dachschatten ein perfekter Platz für eine Pause. Während wir uns auf dem Tisch ausbreiten, legt ein kleiner Juni-Käfer dort eine Zwischenlandung ein, inspiziert uninteressiert das Ausgepackte und fliegt dann auch bald weiter. Vielleicht ja nur ein Fingerzeig, dass die Sommerzeit gerade erst begonnen hat …

Vorbei an feuchten Wiesen kommen wir zurück nach Ahrensdorf und verlassen die Straße am bekannten Abzweig. Der Weg schlägt einen eleganten Bogen vorbei an alten Birken, die einladende Schattenplätze schaffen. Unwirklich und sehr rot-weiß erscheint das Andreaskreuz, das mitten in den Feldern einen Bahnübergang ankündigt. In der Tat ist es fast unmöglich, hier auf rollende Waggons zu treffen, denn der Personenverkehr zwischen Joachimsthal und Templin ist seit über zehn Jahren Geschichte. Ein paar Dutzend Holztransporte sorgen für etwas Restglanz auf der Oberseite der Schienen, die ansonsten von einer staubdünnen Rostschicht umhüllt sind. Ob die Lücke jemals wieder geschlossen wird, hängt nicht nur an möglichen Visionären, denn viele sachliche Faktoren stören die Attraktivität eines solchen Vorhabens. Doch hoffen sollte man trotzdem, und ganz aktuell bahnt sich Konkretes an.

Bahnübergang im Felde

Zwei schlanke Fischadler kreisen weit oben und fordern lautstark nach unserer Abwesenheit, so dass wir uns nach etwas Fernglasneugier rasch vom Acker machen. Ihren Horst haben sie auf einer filigranen Konstruktion, die jemand Schwindelfreies asymmetrisch weit oben auf einem übriggebliebenen Mast installiert hat. Fixiert wird sie durch robuste Gewindestangen und vertrauenswürdige Muttern. Die Küken sind noch so klein, dass kein Büschel ihres Flaums über den Nestrand ragt.

Weg am Alten Kanal, Ahrensdorf Süd

Am Gleis fallen die Blicke nach links und rechts also etwas salopper aus, als es die Schilder gebieten, denn interessanter sind vielmehr die nach vorn und hinten, die der ansprechenden Linie der gegangenen und kommenden Schritte folgen. Kurz darauf lockt eine Wiesenspur nach rechts, doch das kann nur mit nassen Füßen enden, also weiter geradeaus. Am Waldrand biegt noch vor unserem Weg ein beschilderter und zuwachsender Reitweg ab, auf dem Reiter unbedingt Helm und Schutzbrille tragen sollten. Der Halbschatten am Waldrand ist entspannend für die Augen, von links erfrischt der Wind und aus dem Wald duften limonenfrisch die Douglasien.

Kleine Badestelle am Lübbesee, Ahrensdorf

Ahrensdorf Süd

Ein Sträßchen kreuzt und bringt uns auf direktem Weg zum südlichen Ende von Ahrensdorf und entlang eines Bachlaufes ans Ufer des langen Lübbesees, der mit seinen vielen Windungen von Templin bis nach Ahlimbsmühle reicht. Was die zahlreichen Uferbruchwälder in den See entwässern, stürzt zunächst über eine zentimeterhohe Stufe und fließt dann im Alten Kanal den anderen Templiner Seen zu und letztlich in die Havel. Wo das Wasser den See verlässt, bietet sich sofort eine Badestelle. Zwei Meter später beginnt, markiert als Wanderweg, ein zauberhafter Pfad zwischen den Terrassengärten mit ihren kleinen und großen Seeblickhäuschen und den zugehörigen Stegen. Geht immer wieder auf Tuchfühlung mit Fuß und Taille, teils sogar mit den Wangenknochen, so hoch stehen Gräser oder Schilf. Dabei ist der Pfad manchmal so schmal, dass selbst ein Hütchen mit schmalster Krempe vom Kopf gefegt werden würde.

Pfad zwischen Gärten und Stegen, Ahrensdorf Süd

Zwischen kleinen Paradiesen, herrlichen Seeblicken und maßlos übertriebenen Brandenburg-Klischees spaziert man also einfach so hindurch, bis kurz hinter dem letzten Grundstück die große Badewiese erreicht ist. Es ist erstaunlich leer hier und wir sind schnell im herrlich duftenden und klaren Wasser. Den Seegrund bedeckt dünn eine helle Schlammschicht, die kurz aufwirbelt und sich bald wieder beruhigt. Wer möchte und über die Kondition verfügt, kann von hier nonstop sieben Kilometer bis Ahlimbsmühle schwimmen, wahlweise eine gute Seemeile bis zum Strand am Gegenufer oder einfach nur ein bisschen hin und her, so lange Lust und Kräfte reichen. Während des Bades vervierfacht sich die Zahl der Badegäste, von denen jeder zweite mit einem kleinen Laut höchsten Wohlbefindens im frischen Seewasser untertaucht und jeder dritte auf Badesachen verzichtet.

Dichter Weg im Uferbruchwald, Lübbesee

In die nähere Zukunft gedacht dient das Bad auch gut als vorbeugende Maßnahme, um den mittlerweile putzmunteren Mücken ihr Tagewerk ein wenig zu erschweren. Viel nützt es nicht, denn die hiesigen Stämme wirken spezialisiert, und so wird die naturnahe Passage durch den dichten Bruchwald am Ufer zu einem Genuss mit Vorspultaste, zu einem Rennen gegen den Saugrüssel, der in Scharen und gut vorbereitet wartet. Nicht nur viele sind es, sondern auch besonders große, also hilft nur Tempo ergo Fahrtwind. Ein trockener Waldstreifen bietet kurz Erholung, doch der nächste Bruchwald kommt schon bald, mit hübschen Brücklein.

Es zeigt sich, dass die Badestellen dünn gesät sind, der Schilfgürtel nur selten eine Lücke zulässt. Direkt gegenüber vom langen Strand bei Postheim kommt die letzte an diesem Ufer, klein und fein. Einmal übern See sind es sechshundert Meter, was wohl fast jeden zweiten guten Schwimmer locken dürfte, drüben kurz die Füße in den heißen Sand zu krallen. Zwei stimmkräftige Damen kommen gerade von drüben und unterhalten sich sehr deutlich und ohne jeden Mangel an Puste über etwas Relevantes, während ihre gleichmäßíge Bugwelle ihnen respektvoll folgt.

Obere Wolfsschlucht

Morgenland

Bei den Häusern von Morgenland verlassen wir den See und nehmen mit dem Fährsee nun den zweiten großen ins Visier. Nach dem erneuten Queren der stillen Bahnstrecke weist ein antiker Wegweiser zur Wolfsschlucht. Der Weg ist erkennbar, doch selten begangen und wächst langsam zu. Maßgeblich mit Brennesseln, doch das ist kein Problem, da der durchblutungsfördernde brennende Schmerz gut vom blutraubenden juckenden der Mückenstiche ablenkt und im direkten Vergleich selbstgewählt und naturheilkundlich, zuträglich und sinnvoll erscheint.

An einer fraglichen Stelle muss man sich links halten und kommt zum zaghaften Ende der Wolfsschlucht, die in einen dichten Laubteppich eingebettet liegt. Die hier noch überspringbare Rinne prägt sich mit jeder Minute stärker aus und ist zuletzt so tief und markant, wie man es von der Märkischen Schweiz kennt oder den tiefen Geländerinnen im Hohen Fläming. Ein kurzer Abstieg endet schließlich in der Bucht am Fährkrug mit Blick auf den Fährsee und der Aussicht auf das nächste Bad.

Breiter Waldweg am Fährsee

Direkt nach den letzten Wohnwagen gibt es eine schöne Badestelle, doch die wird aufwändig beansprucht von einem Pensionärs-Pärchen, das zu einem Gummiboot gehört. Ein herrlicher Wind weht vom See zur schattigen Pausenbank, also nutzen wir die Chance und probieren, die Sache auszusitzen. Irgendwann machen sich die beiden daran, mit zahlreichem Umrunden und Hineinpurzeln sowie ungelenker Akrobatik das Boot zu entern, doch dabei bleibt es dann. Erst kurz nach unserem Aufbrechen macht er seinen ersten Ruderschlag – und denkt: gewonnen. Recht hat er.

Durch schönen Wald mit hohen Laubbäumen und abermals duftenden Douglasien führt der gediegene Weg nun unterhalb des steilen Hanges durch den Waldschatten. Vom See her drückt der Wind nach wie vor kräftig in den Wald und jagt die Mücken hier am Ufersumpf ins Bockshorn. Wir bleiben ungeschoren, abgesehen von etwas Fuchteln. Ein kurzer Abstecher zu einer herrlichen Badestelle lässt uns lächeln über den ersten Ruderschlag von eben, und schon bald tauchen wir ein. Zwei Bäume weiter hat ein Zweierkajak angelegt, die Besatzung schwimmt schon weiter draußen, dort wo Sonne hinfällt. Vom klassischen weichen Ufersand märkischer Seen geht es schnell tiefer, und wie vorhin jagen sich die warmen und kalten Strömungen kurz unter der Wasseroberfläche, der Wind darüber ist erfüllt von herrlichen Sommerdüften. Eine blaue Libelle von der Länge einer Filterzigarette setzt sich direkt vor meine Nase, fixiert mich drei Sekunden und dreht dann scharf und winklig ab. Manchmal ist es ganz angenehm, uninteressant zu sein.

Badestelle mit Paddelboot

Mit der frischem Haut nach dem Bade und etwas abgekühlt schlurfen wir weiter und schütteln dann und wann ein Stückchen Wald aus der Sandale oder etwas Wasser aus dem Ohr. Ein unerwarteter Anstieg endet an einem Hochuferweg, so dass man durch die Baumwipfel den blauen See sieht, der seinen frischen Wind durch ebendiese Wipfel schickt. Ein ungewöhnlicher Ort für diese Art von Wasserluft, gemischt mit Kien und etwas Wiesenwürze. Kurz darauf verlässt der Weg den Wald auf eine weite Wiesenfläche, daher der Duft. Die Sonne brettert und es drückt, als wär noch ein Gewitter fällig. Voraus ragt ein kleiner Kirchturm aus den anderen Häusern, der zum einstigen Schul- und Bethaus gehört und dem Dorfbild sehr gut steht.

Ahrensdorf Nord voraus

Seehof

Ein letzter Bogen beginnt direkt hinter den Häusern von Seehof und führt abendromantisch entlang einer langen Trockenwiese. Der fußschmale Pfad folgt dicht dem Waldrand, noch immer einiges über dem See, der manchmal kurz durchlugt. Über der Wiese kreisen wie vorhin zwei Greife, doch diesmal ohne Not und eher an Mäusen interessiert. Die Blütenpracht der Wiese ist zart und ausgewählt, und ebenso sind die vielen Schmetterlinge, die sich aus den wiegenden Blütenköpfen den Nektar saugen und dabei die Balance behalten, mühelos. Hier und da huscht eine Eidechse, die grad beim Sonnenbaden war.

Pfad zwischen Hochwaldkante und Trockenwiese

Am Zaarsee fällt der Pfad schnell ab und verschwindet umgehend im schmalen Uferwald. Ihn zu begehen erfordert eine Art von Ausdruckstanz, denn der Körper muss unter den tiefhängenden Zweigen der Eichen und zwischen den Büschen, Schilfhalmen und Gräsern hindurch gewunden werden. Nach einigen hundert Metern übernimmt eine fein gemähte Wiesenspur, die sich erklärt durch eine Reihe putziger Bootsstege. Rechts in den Wiesenhang locken kleine Stufen, im hohen Gras parkt halb stehend, halb liegend ein Rad, das viel aussagt über die Qualität des freien Tages.

Stege am Zaarsee, Ahrensdorf Nord

Zum vierten Mal erreichen wir nun Ahrensdorf und haben doch kaum etwas gesehen vom eigentlichen Ort, der sich zwischen dem Friedhof am Kirchtürmchen und dem Alten Kanal am Lübbesee weit mehr als einen Kilometer lang erstreckt, schnurgerade und mit Gaststätte und Einkaufsladen. Also setzen wir uns wenigstens hier am Badeplatz nochmal ans Wasser, schauen beiläufig dem friedlichen Treiben aller Altersklassen zu und drehen das Gesicht zum letzten Male in den frischen Seewind.

 

 

 

 

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): Regionalbahn nach Wilmersdorf, dann Bus(se) nach Ahrensdorf (ca. 2 Std.)(nur wochentags, nur wenige Verbindungen)
stündl. Regionalbahn nach Templin (Umstieg in Löwenberg)(ca. 1,5 Std.)(ca. 3 km Zuweg über Postheim erforderlich, Markierung roter Punkt)

Anfahrt Pkw (von Berlin): Landstraße über Groß Schönebeck und Milmersdorf oder über Liebenwalde, Zehdenick und Templin (ca. 1,25-1,5 Std.)

Länge der Tour: ca. 16 km, Abkürzungen mehrfach möglich

 

Download der Wegpunkte
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Links:

Förderverein Ahrensdorf (allerlei Nützliches)

Engelsburg bei Ahrensdorf

Aktuelles zur Bahnstrecke Templin-Joachimsthal

 

Einkehr:
Gaststätte Anco, Ahrensdorf

 

Groß Dölln: Kalter Wind, warme Halme und der Tanz mit dem Döllnfließ

Der zurückliegende Februar hat gute Chancen, auf irgendwelchen Bestenlisten ganz oben zu stehen. Der niederschlagloseste war er zum Beispiel, dazu noch der sonnigste überhaupt und zudem der mit der kältesten letzten Woche. Alle Blümchen, die sich schon Ende Januar vorschnell und besonders beflissen zu Wort gemeldet und damit Frühlingshoffnungen geschürt hatten, wurden über Nacht in ihrer aktuellen Pose eingefrostet und klappten dann bei irgendeinem Stoß des eisigen Ostwinds um.

Im Talgrund des Döllnfließes bei Groß Dölln

Entsprechend kühl und reserviert fiel der kalendarische Frühlingsanfang aus, der auf gefrorenem Boden über die Bühne ging – da half auch die kräftigste Frühjahrssonne nichts. Bevor in der nächsten Woche die ganz dicken Handschuhe erstmal wieder im Schrank verschwinden können, sind jedoch noch ein paar Bibbertage durchzustehen.

Wer trotz allem unbedingt raus will, sollte auf zwei simple Dinge achten: die Sonne und den Wind. Möglichst wenig sonnenabgewandte Wege, möglichst keine offenen Schneisen in Ost-West-Richtung. Also am besten ein flacher Bachgrund im Walde, der unregelmäßig von kleinen Gehölzen durchbrochen ist. Dann stehen auch die Chancen gut für entspannte und fröstellose Pausen mit Sonne im Gesicht.

Im Herzen von Groß Dölln

So etwas gibt es zum Beispiel westlich von Joachimsthal oder noch etwas weiter westlich in der den weiten Wäldern der Schorfheide nördlich von Groß Schönebeck, im Tal des Döllnfließes. Wem jetzt bei Schorfheide nur hochstämmiger Kiefernwald, ein rechtwinkliges Wegenetz und wenig Abwechslung einfallen, vielleicht noch seltsame alte Männer mit Jagdwaffen, der liegt damit nicht unbedingt falsch. Doch geht man etwas ins Detail, etwas näher an die Karte, finden sich gleichmäßig verstreut bezaubernde Durchbrüche dieser meditativen Einförmigkeit, die immer mehr werden, je länger man sich treiben lässt. Verwunschene Sumpfländer, stille Seen und lebhafte Fließe findet man in diesen tiefen Wäldern ebenso wie wirklich hübsche Dörfer und weite, weiche Wiesen, auf denen man am liebsten sofort die Schuhe ausziehen möchte, ganz gleich was das Thermometer geschlagen hat.

Flößers Ruh am Döllnfließ, Groß Dölln

Das kleine Döllnfließ entspringt, zumindest theoretisch, irgendwie und manchmal aus dem großen Döllnsee und versucht eigentlich von Anfang an, den Wald abzuschütteln. Das gelingt dem Bächlein nach und nach, quasi mit bockigen Charme. Die anfangs regelrecht rodeoartigen Windungen bleiben dabei weitgehend erfolglos, während es dann im Mittellauf mittels breitem Feuchtgürtel die Baumstämme schon einmal in die Schranken weist und kurz darauf bei Kappe endgültig ins offene Land tritt. Nach einigen braven Kilometern neben dem breiten Vosskanal landet das Döllnfließ dann im leisen Rauschen einer angelegten Schnelle im havelverwandten Kanalwasser.

Groß Dölln

Die Landschaft um die ersten Fließkilometer ist wie geschaffen für diesen Tag mit kaltem Nordost und kräftiger Sonne, ein wirklich schöner Ausgangspunkt ist Groß Dölln. An der Kirche steht neben einer neu gepflanzten Eiche von einigen Metern Höhe ihre Vorgängerin, gekürzt auf eine ähnliche Höhe und bestückt mit mehreren Abteilen von Büchern. Die Fächer sind fachmännisch in den Baum gefräst, der hier und da noch Lebenszeichen zeigt, die Buchauswahl ist bunt gemischt. Die langgezogene Dorfstraße ist gesäumt von vielen schönen und bunten Häusern, und ihre leichten Kurven geben dem Charme des Dorfes einen letzten Schliff.

Blick über den Talgrund auf Groß Dölln

Der flache und teils breite Talgrund des Döllnfließes macht es nicht leicht, sich für eine Seite zu entscheiden, und so ist es wohl am besten, möglichst oft zwischen beiden zu wechseln. Gleich bei der ersten Überquerung am Dorfrand lädt Flößers Ruh mit einer sonnigen Bank zur ersten Pause, kaum dass man losgegangen ist. Ein Kerl kommt aus einem der letzten Häuser und geht vor uns her zur Brücke, dann hinab zum meterbreiten Fließ, wohl um zu prüfen, wie der Eisgang ist. Der ist komplett, soweit das Auge blickt, doch drunter ahnt man leises Gurgeln.

Frostiger Südrand am Wald

Alles im Tal liegt in der Unschärfe leichten Frostes, zumindest solange die Sonne noch nicht höher steht. Ein herrlicher Weg beginnt und führt direkt am duftenden Waldrand hinein in diesen langen Grund. Wer sich Wegesammler nennt, wird abends mit reicher Beute heimkehren, denn neben der besonderen Landschaft und den zahlreichen Abwechslungen im Kleinen ist heute nahezu jeder Weg besonders schön. Immer wieder wird tief eingeatmet zu einem kleinen Seufzer der Begeisterung. Dazu kommt noch, dass so gut wie all diese Wege auch unbesohlt Spaß machen dürften – es gibt kaum Schotter oder groben Asphalt. Wem es nichts ausmacht, mal auf einen Kienappel oder ein Zweiglein zu treten, kann hier seinen Füßen etwas richtig Gutes tun, kilometerlang, den ganzen Tag. Viel Wiese ist dabei und viele weiche Waldwege, was selbst für die langen geraden unter ihnen zutrifft.

Richtig Spaß macht es auf den ersten Kilometern, wie sich der Kirchturm von Groß Dölln zu immer neuen pittoresken Dorfbildern in Pose stellt, so lang es geht zu sehen bleibt. Nur dreieinhalbmal werden wir das Döllnfließ überqueren, und doch fühlt sich der Tag an wie an Tanz mit diesem Wasserläufchen. Die nächste Querung auf weichem Wiesenboden findet noch beim Dorfe statt und zeigt nun der kleinen Anhöhe den Rücken, welche die Sonne hier besonders lange aussperrt. Dass die im restlichen Tal schon länger auf den Beinen ist, beweist der würzige Kräuter- und Heuduft, der den ganzen Grund erfüllt und mit Nachdruck Frühlingszeit verheißt.

Im Walde kurz vor dem Waldweiher

Nach einem Kilometer auf diesen Wiesenwegen lassen wir uns an einem windstillen Plätzchen einfach fallen zur ersten Pause. Beim Abstützen auf dem blondstruppigen Gras wird unerwartet klar, dass die Sitzkissen im Rucksack bleiben dürfen – an diesem Tag mit sechs Grad unter Null. Das ist faszinierend, und immer wieder spreizt man die Hand auf dem Halmteppich aus, krallt die Fingerspitzen ein und staunt aufs Neue. Also Jacke auf, Mütze ab, Tee in die Tassen und als einziges Problem voraus, sich später wieder loszureißen von diesem Vorgeschmack auf Kommendes.

Der Weg nach Osten ist ein steter Wechsel aus schönen Wiesenwegen, kleinen und großen Waldstücken. Jedes von ihnen ist in verschiedener Mischung bestückt, mit dem Gewicht auf Nadeln, und in Regelmäßigkeit öffnen sich lichte Durchblicke zum krummen Lauf des Wassers, der meist etwas offenes Land um sich hat. Zum Genuss dieses Wechsels zählt nicht nur der für die Augen, sondern auch der für die Nase, denn die Sonne setzt gleichermaßen im Wald und auf den Wiesen ganz verschiedene Düfte frei.

Blick in den Talgrund am Rarang-See

Am Weg liegt neben einer Anlage mit exklusiv gelegenen Kleingärten auch ein Weiher mit schönem Uferpfad und einem herrlichen Lagerplatz rund um vier exaltiert gestellte Kiefern, die scheinbar wieder vom Absinth genascht haben. Drüben vom Weiher kommen mehr spür- als hörbar die dumpf schluckenden Töne, die unterm geschlossenen Eis gefangen sind und unbedingt nach draußen wollen. Nichts, was man zur Dämmerstunde gerne hören würde, hier tief im Wald, und wenn man noch so sicher die ganz vernünftige Erklärung für dieses glucksende Klagen kennt.

Vor dem erheblich größeren Kleindöllner See kommt uns der Weg abhanden, die beinhebende Suche nach dem Anschluss endet im dichten Kraut vor einem überzeugenden Tor. Auch der See gluckst ratlos von unten, also staksen wir zurück zum letzten großen Weg und umgehen das große umzäunte Areal der Siedlung Döllner Heide. Das ist ganz gut so, denn so bringt uns der Zufall noch ein paar mehr von den besonders schönen Wegen.

Waldweg zum Groß Döllner See

Rarangsee

Hinter der Landstraße steht die Auswahl zwischen zwei gleichermaßen einladenden Wegen um den feuchten Grund des Rarangsees. Der nördliche ist kürzer und macht den Umweg von eben wieder wett. Er zeigt sich zudem als gute Entscheidung, denn es bieten sich zunächst durch hohe Birken schöne Blicke auf den vereisten See und das Schilfland dahinter, und etwas später findet sich erneut ein Rastplatz, so schön und so geschützt und wiederum im blonden langen Gras.

Die Hochstände ringsum treiben sonderbare Blüten, teilweise sind sie aufwändig mit Lattenzaun eingehegt, teilweise so hoch gestelzt, dass der Zustieg eine Zwischenplattform braucht. Dann wird es wohl zur Dämmerung hier alles andere als ruhig zugehen, was das Treffen der heimischen Tierwelt betrifft. Auch mitten durch unser Plätzchen hier führt ein ausgelatschter Tierpfad hin zur Tränke.

Eisläufer auf dem Groß Döllner See

Dölln Krug

Nach einem Stückchen Märchenwald liegt dann vor uns der fast fünf Kilometer lange Großdöllner See, der ähnlich wie das Fließ ein wenig in seinen Wald eingebockt scheint. Die geschlossene weiße Fläche und die Schlittschuhläufer am anderen Ufer verleiten uns zu ein paar tastenden Schritten hinaus aufs Eis, dessen Uferschilf fast platinblond zu sein scheint. Die dicke Eisdecke ist mal milchig stumpf, mal fast schon transparent. Gerade als wir den weiten Blick genießen und den Hintern entspannen, fährt ein entfernter Peitschenhieb durchs Eis und ist umgehend bei uns. Sicher ganz normal und ungefährlich, doch wir tappeln hastig zurück ans feste Land. Die Schlittschuhläufer sind schon fast hier und achten ebenfalls auf Ufernähe.

Tunnelgasse nach Groß Väter

Groß Väter

Nun folgt ein sympathisches Zickzack nach Groß Väter, einem charmanten Dörfchen tief im Wald. Die Wege sind lang und gerade, doch keineswegs ermüdend, denn auch hier behält der Wald den steten Wechsel bei. Am Ende liegt wie hinter einem Tunnel aus Bäumen Groß Väter, das zweigeteilt ist in ein schönes Ferienlager und das eigentliche Dorf nördlich des Sees. Der tiefe Sonnenstand ist schon zu spüren, der Wind gewinnt die Macht zurück und alles fühlt sich nun erheblich kälter an. Nach einer Runde durch das Feriendorf queren wir vorbei an einer norddeutschen Impression zum Dorf. Am eigenartig vierbeinigen Glockenturm des Friedhofs beginnt die lange Dorfstraße, und auch hier stehen wieder sehr verschiedene und sehr schöne Häuser, viele davon mit Seeblick. Drüben wird gerade professionell getrommelt, die Wesen unterm Eis steuern das ihre dazu bei. Die Pause am kleinen Badestrand fällt kurz aus, denn der Abend kriecht jetzt unter alle Schichten, die man schon an hat.

Nordische Impression bei Groß Väter

Lang und gerade ging es her, und ebenso geht es weiter. Auch die Stämme im Wald sind lang, und so schafft es die Sonne, noch etwas Licht bis zum Boden zu schicken, so dass Moos und Blaubeerkraut am Boden ihre kurzen Schatten werfen. Am Eingang nach Groß Dölln ergeben sich ein paar Blicke in den Anfang des Tages, hinab zu den breiten Talwiesen. In der Tat ist jetzt der südliche Waldrand warm beschienen, so hoch hat es die Sonne schon geschafft an diesem Märzentag. Das stimmt doch mehr als zuversichtlich.

 

 

 

 

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): wenig praktikabel (in der Woche ca. 3 Std. mit zahlreichen Umstiegen; am Wochenende so gut wie keine sinnvolle Verbindung)

Anfahrt Pkw (von Berlin): über Autobahn oder Landstraße (ca. 1-1,2 Std.)

Länge der Tour: ca. 18 km (Abkürzungen sehr gut möglich)

 

Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

 

Links:

Informationen zum Döllnfließ

Seite von Groß Dölln

Feriendorf Groß Väter See

Seite der Schorfheide

 

Einkehr:
Hotel Döllnsee, liegt fast am Weg (gehobene Preisklasse)
Zur Neuen Schorheide, Groß Schönebeck

Röddelin: Drei Gipfel, zwei Esel und der Besuch bei Tante Erika

Der letzte eigentliche Sommermonat geht in sein Finale, begleitet von so manchen dickbäuchigen, ausdauernden Schwalben und ein paar zeitlich verirrten Meisen, die hier und da irritiert ein Frühlingstönchen rauspiepsen. Souveräner agieren da schon die Krähen, die kühldunstige Morgenluft wittern und von Woche zu Woche mehr Präsenz zeigen über den Äckern und in den Wipfeln. Dass die Schwalben so korpulent sind, liegt wohl am Überangebot draller Mückenleiber, und dass sie überhaupt noch hier sind wohl daran, dass sie für den anstehenden Interkontinentalflug schlichtweg abspecken müssen, damit nötige Reserven und Fluggewicht sinnvoll die Waage finden. Die ersten Gänseschwärme jedenfalls üben schon für langstreckentaugliche Formationen, fürs erste in beliebigen Himmelsrichtungen.

Tief in der südlichen Kleinem Schorfheide

Auf dem Terminplaner für kleine und große Naturereignisse sollte dieser Tage die Erinnerung an die Heideblüte aufploppen. Die hat in diesem Jahr mehr als pünktlich begonnen – anscheinend gab all das Himmelswasser auch diesem Trockenspezialisten mehr Kraft und Tempo. Wer ansonsten in Brandenburg auf Nummer sicher gehen will, wartet in der Regel bis in den September, doch dieses Jahr darf es etwas früher sein.

Was die gepanzerten Heere des Ostblocks in vielen Regionen hinterlassen haben, ist nach mehreren Jahrzehnten und aufwändigen Beräumungsmaßnahmen zu Naturparadiesen ganz besonderer Art gewachsen. Während die Lüneburger Heide eine Art natürliche Kulturlandschaft ist, die unter dem großen Appetit vieler Weidetiere entstand, wurden Gebiete wie diese per Maschinenkraft weitgehend kahlrasiert und plattgemacht, damit ein freies Schussfeld gegeben war. Nach dem Ende von vielzylindrigem Motorengebrüll und verschossener Munition jeglicher Größenordnung blieb erst einmal wüste Weite, viel Schutt und Schrott – und eine große Ruhe. Nur die Anspruchslosesten konnten im narbigen Gelände Fuß fassen und es schließlich zurückerobern, der Landschaft wieder zu einem Gesicht verhelfen. Zu ihnen gehört neben genügsamen Kiefern und schnellwachsenden Birken eben das robuste Heidekraut.

Zustieg zum Gipfel bei Hohenfelde

Da es eine ganze Reihe solcher Flächen gab, ist die Auswahl groß und die Richtung der Anreise frei wählbar. Besonders weitläufig und dadurch eindrucksvoll ist die ferne Reicherskreuzer Heide unweit von Neuzelle, besonders stadtnah und vielfältig die Schönower Heide, die über Bernau per S-Bahn zu erreichen ist und allerlei Tiere beherbergt. Wer in diesem Sinne immer schon mal die Sielmann-Naturlandschaft Döberitzer Heide erkunden wollte, kommt dorthin recht bequem mit der Regionalbahn. Auch der passende Bahnhof Dallgow-Döberitz liegt noch im C-Bereich. Große Vorkommen von Erika hat auch die havelnahe Himmelpforter Heide mit der Kleinen Schorfheide. Letztere lässt sich über das schöne Städtchen Templin erreichen.

Templin

Die relativ übersichtliche, dennoch ausgedehnte Heidelandschaft zwischen dem Großen Beutelsee, der Havel und der havelstrebigen Templiner Seenkette ist zudem eine schöne Gelegenheit, dem zauberhaften Templin einen oder zwei Besuche abzustatten – wahlweise vor oder nach der Tour oder beides. Wer die Stadt noch nicht kennt, hat eine ganz besonders schöne Entdeckung vor sich. Innerhalb der gut erhaltenen Stadtmauer mit ihren Toren lässt sich Templin mit Pflaster unter den Schuhen einmal komplett umrunden – ein Genuss von circa einer halben Stunde. Und wer bisher nur innerhalb dieser Mauern unterwegs war, kann auch jenseits des betagten Walls viel Schönes finden, zum Beispiel auf dem Spazierweg entlang des Templiner Kanals zum Bahnhof.

Über den Dächern von Röddelin

Röddelin

Von Templin ist es nicht weit nach Röddelin, auf dem Märkischen Landweg etwa eine Stunde, mit dem Auto nur ein paar Minuten. Ein schönes, aufgeräumt wirkendes Dorf, in dem ein halbjahrhundertalter zweisprachiger Wegweiser noch an Zeiten erinnert, als die russische Sprache hier eine Rolle spielte. Davon unbeeindruckt steht die kleine Kirche auf dem Wiesenanger. Jede ihrer Türen wurde vor Kurzem frisch gestrichen, und so vermischt sich dieser durchaus angenehme Geruch mit dem typischen Duft alter Feldsteinkirchen, für den wohl grobe Steinböden, betagtes Gebälk und alte Kirchenbänke verantwortlich sind. Der Innenraum ist fast quadratisch und wie die Türen in zarten Blautönen gehalten, unter den Himmel duckt sich eine winzig kleine Orgel. Sie duckt sich wirklich. Trotz eines offenstehenden Fenster es ist so still, wie es nur in solchen Kirchenräumen sein kann.

Ganz am Ende der Straße locken die Seeterrassen zur ersten Pause, doch die Lust auf Landschaft und der Bewegungsdrang sind stärker. Mit Blick über die Dächer geht es schön hinab ins Dorf, wo der Blick in herrlichen Vorgärten hängenbleibt. Jemand hat seiner Familie und sich und sicher auch dem Kind in sich ein farbenfreudiges Domizil geschaffen, das sämtlichen wildromantischen Traumbildern vom wonnigen Landleben gerecht wird, mit Herz und noch mehr Seele. Da fehlt auch nicht der krumme Lattenzaun oder das Baumhaus hoch im Wipfel mit Hängebrücke in den nächsten. Ein Ferienkind aus der Stadt trödelt mit seiner entsicherten Angelrute über die Dorfstraße hin zum kleinen Bach, und ein Papa fährt mit seinem Steppke eine Runde auf dem Chopper, nicht langsam und nicht schnell und selbstverständlich ohne Helm. Vom Sozius strahlt es.

Zwei Esel im Bild, Schleuse Kannenburg

Hohenfelde

Vom Dorfrand führt ein gemütlicher Sandweg hinauf zu den Häusern von Hohenfelde, die nah am höchsten Punkt einer Art Insel liegen. Um von oben die Insellage zu erkennen, sind die Grüngürtel der umgebenden Seen hoch, doch allein das Wissen ist charmant und verhilft zu einem besonderen Gefühl. Wer eine Karte dabei hat, kann es noch verstärken. Eine alte Lindenallee führt von Hohenfelde zurück zum Hauptweg, der auf Höhe einer schönen Uferstelle die Insel verlässt. Ein paar Autos stehen hier, natürlich auch der obligatorische, untermotorisierte VW-Bus sowie zwei Zelte. Dahinter wechselt jetzt die Landschaft, die durchzogen ist von beschilderten Wanderwegen.

Wer es gar nicht erwarten kann, die ersten violett blühenden Rispen unter die Augen zu bekommen, kann auf den nächsten Parallelweg wechseln, der dem Rand des Truppenübungsplatzes folgt. Hier sieht es aus, wie es aussehen soll und eben so aussieht an solchen Plätzen. Ein sandiger Weg mit etwas struppig trockenem Narbengras, drumherum kleine Kiefern aller Größen und auch ein paar Birken, und schließlich hier und da ein Büschel Heidekraut, das selbst unterm Wolkenschatten etwas leuchtet. Von Steinwurf zu Steinwurf nimmt die Zahl und schließlich auch die Dichte dieser Büschel zu – und Heidesucher-Herzen fangen an zu traben.

Gepflegter Schweineacker mit Verschiedenaltrigen, Schleuse Kannenburg

Schleuse Kannenburg

Wieder im Wald und zurück auf dem Hauptweg verlockt bald der Abzweig zur Schleuse Kannenburg. Dort erhoffen wir ein windiges Rastbänkchen am Wasser, vielleicht mit Blick auf das Geschehen an der Schleuse. Stattdessen liegt da unten ein belebter Platz voller Wonne, mit entspannter Atmosphäre und der Option auf Ausschank und ein Mittagsmahl am Wasser. Die Schleuse mit ihrem weiten Wiesenareal taugt ganz allein als Ausflugsziel, wo sich problemlos Zeit verbringen lässt, viel Zeit. Gern auch ganz wörtlich und quasi maßlos in dem exklusiven Ferienhaus mit dem allereinzigsten Ausblick auf den Kleinen Lankensee. Gegenüber des ausgedehnten Schankgartens ruht ein wohlduftender und kühler Bruchwald, der für stetig frischen Mückennachschub sorgen sollte, doch davon ist die erste halbe Stunde nichts zu merken, danach auch nur ein wenig. Ist eben gut besucht, der Garten, so dass die Last verteilt wird.

Grüne Riviera, Schleuse Kannenburg

Mitten durch die vielen Tische, die teils weiß betucht zwischen mächtigen Erlenstämmen am Ufer stehen, spazieren zwei tiefenentspannte Eselchen, die am Grase zupfen hier und da und darauf achten, den anderen stets im Blick zu haben. Auch ein schwarzweißer Lumpi gehört zum Hof, scheint auch ohne Grasen genauso entspannt und streift zügig zwischen allen Tischen herum, ohne jemanden zu berühren. Etwas weiter hinten, gegenüber vom Biwakplatz und dem Spielplatz mit seinem bunten Fuhrpark, wird hinter groben Brettern ausgiebig rumgeferkelt. Auf einem gepflegten Schweineacker tummeln sich hier und da große und kleine Schweine in einem geordnetem Chaos. Dabei sind die Dimensionen der verschiedenen Tiere so unterschiedlich, dass vielfach unklar bleibt, wer Nachwuchs und wer Elternteil ist. Einzig der fordernde Zitzenandrang gestattet klare Unterscheidung.

Geschleust wird hier im reinen Handbetrieb von zwei kernigen Burschen mit leisem Humor, hinauf von Havel- auf Templin-Niveau oder umgekehrt. Ins Becken passt alles, was die märkische Freizeitschifffahrt so zu bieten hat – vom kleinen Faltboot oder Kajak über Motorbötchen bis hin zu großen Motorjachten oder den korpulenten Hausbooten, die ein kleiner Außenborder über den See schiebt. Die Uferseite lässt sich zu den Betriebszeiten der Schleuse wechseln, was von April bis November tagsüber der Fall ist.

Blick vom Aussichtspunkt auf dem alten Bunker, nahe der Havelkurve

Vom Wegekreuz oberhalb der Schleuse besteht die Option, dem Wanderweg zu folgen, man kann aber auch noch etwas oberhalb des Seeufers weiterspazieren. So oder so zeigen sich jetzt öfter und öfter Überreste aus der Zeit des Geschützdonners, sei es nun in Form verrottender Gemäuer oder geborstener Metallrohre. Das stört nicht groß, da die Natur schon weit damit ist, sich all das einzuverleiben. Wieder kommt breiteres Wasser in Sicht, jetzt wirklich die Havel, der wohl vielfältigste Fluss im Land Brandenburg, der mit den unterschiedlichsten Gestalten. Hier fließt sie still durch üppiges Grün und vermeidet über lange Passagen den direkten Weg.

Schleuse Schorfheide

Einige Zeit nach der Schleuse Schorfheide, die nach der Kannenburger regelrecht zurückhaltend wirkt, steht hoch über der Havel eine kleine Aussichtsbank, die es sogar schon ins Fernsehen geschafft hat. Derzeit lässt sich hier nur unentspannt rasten, da ein Stamm winziger Ameisen entschlossen sein Revier verteidigt. Besser ist da die halbzerfallene Bank auf der Betonglatze eines Bunkergewölbes oder der Rastplatz gleich unterhalb. Von oben bietet sich der wohl eindrucksvollste Ausblick über diese Heide.

Üppiger Heideweg in der südlichen Kleinen Schorfheide

Von der nächsten Bank fällt ein letzter Blick auf die Havel, die sich hier in einer noblen Kurve verabschiedet, und jetzt geht es in die Vollen. Die folgenden 500 Meter haben es wirklich in sich, besonders in diesem Jahr. Beidseitig des Weges mit seinen dicken Holzgeländern steht hier die Erika fast flächendeckend, teils bis auf Hüfthöhe. Links hat sich manche Kiefer durchgekämpft, doch rechts des Weges erstreckt sich eine violett-blaue Weite, die nur durch einzelnstehende alte Laubbäume oder schnelle Birklein unterbrochen wird.

Wolle und Kraut, Kleine Schorfheide

Wie auf Wunsch mischt sich unter das Blütenleuchten wolliges Weiß. Hunderte Schafe stehen weiter hinten und sind so beschäftigt mit ihrer Aufgabe, dass nicht ein Blöken oder Mähen zu vernehmen ist. Lauscht man genau hin, summiert sich hingegen das Geräusch des Rupfens. Und ist ähnlich laut wie die Summe der Flügelschläge aller sechsbeinigen Nektarsammlerinnen im Revier. Eine recht besondere Mischung – und eine still-vergnügte Art von rein tierischem Lärm.

Aussichtsbank auf dem dritten Gipfel, Kleine Schorfheide

Wer ab hier den markierten Wegen treu bleibt, hat keine unliebsamen Überraschungen zu befürchten. Von kreuz und querem Streifen durch die vorausliegende Heidefläche ist hingegen abzuraten, denn tiefenberäumt sind nur die Wanderwege. Abseits davon bleibt ein explosives Restrisiko. Nach einem ausladenden Bogen hin zum Großen Beutelsee gibt es von einer überdachten Hügelbank den zweiten Aussichtspunkt über die Weite. Nicht zu vergleichen mit der Aussicht von vorhin, dafür zum Sitzen weitaus schöner. Von hier führt der Weg durch vielfältigen Wald, hinter dem sich weite Wiesen öffnen. Große Müllcontainer stehen am Wegesrand, scheinbar mitten im Nichts, und weisen als einzige auf die Wochenendhäuser im Hintergrund hin.

Uferpfad mit Doppeltreppe hinauf zur Straße

Nach dem nächsten Waldstück zweigt ein winziger Pfad zum Ufer des Großen Mahlgastsees ab. Kein Weg für Sumo-Ringer, denn Breitbeinigkeit lässt diese zauberhaft verlaufende Trittspur nicht zu. Der Weg bleibt immer dicht am Ufer mit seinem breiten Schilfgürtel. Einige Stellen erlauben es, die Hände in das glasklare, weiche Seewasser zu tauchen und den Blick über den Wasserspiegel ans andere Ufer zu schicken.

Uferstelle am Großen Mahlgastsee

Vorbei an einer großzügigen Doppeltreppe wird es langsam lichter, bis man hinter einem Wiesenhang eine offene Uferstelle erreicht. An der nächsten Badestelle hat ein altes Paar gerade sein Abendbad beendet, so eins, das man eigentlich täglich nehmen müsste, wenn man nahe wohnt an einem solchen See. Ab hier ist der Weg wieder breit und nimmt noch ein abendlich ausatmendes Bruchwäldchen mit, während uns die beiden auf ihren Rädern überholen, mit der weichen glatten Haut, die so ein Badevorgang einbringt.

Ende des Uferpfades in Röddelin

Kurz vor Röddelin übernimmt wieder ein Pfad, mit Blick über das Dorf und einem hübschen Finale hinauf zur Dorfstraße. Wer nichts Besseres vorhat, sollte oben die Bank nutzen und den Tag mit Blick auf den Haussee ausklingen lassen. Eine bewirtschaftete Alternative gibt es am anderen Ende des Dorfes. Auf der Terrasse vor der baudenartigen Fassade ist es kein Problem, bei einem Getränk die Zeit ein wenig zu vergessen. Einen Sonnenuntergang wird man hier nie sehen, doch das übersichtliche Treiben auf dem gewundenen Röddelinsee mit dem kleinen Hafen gegenüber ist Zerstreuung zur Genüge, wenn man erstmal sitzt. Wer schon in Schweden paddelte, wird hier auf Gedanken-Parallelen stoßen, und je nach Wind schallt noch das Treiben einer Westernstadt über den See und lässt weiten Raum für vielfältige Bilder. Die Kunst wird sein, sich irgendwann zu lösen.

 

 

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): Regionalbahn von Berlin-Gesundbrunnen nach Templin (ca. 2 Std.), von Templin zu Fuß/mit Taxi/wochentags mit Bus

Anfahrt Pkw (von Berlin): über die Landstraße (ca. 1,25-1,5 Std.)

Länge der Tour: ca. 17 km (Abkürzungen möglich)

Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken/Speichern unter …)

Links:

Tourismusseite von Templin

Informationen zu Röddelin

Schleuse Kannenburg

Faltblatt „Kleine Schorfheide“ (PDF)

Einkehr: Kannenburger Schleuse (gute Küche, freundlich, großer Außenbereich am Wasser)

Pension Seeblick, Röddelin (schöner Blick von der Terrasse)

AKTUELLE INFORMATION (JANUAR 2018):

Die Schleuse Kannenburg ist für mindestens zwei Jahre geschlossen worden, da sie dringend saniert werden muss. Aus heutigem Blickwinkel ist es fraglich, ob das in absehbarer Zeit stattfinden wird. Bis dahin sind die Templiner Gewässer von der Havel abgeschnitten (siehe auch im Ticker).

Grobskizziert – Groß Fredenwalde: Uckermärkische Schwärmerei

Die Landschaft der Uckermark ist viel und oft besungen worden, und selbst mit gutem Willen lässt sich eigentlich kein Argument finden, das dagegen spricht. Schon auf der topographischen Karte versprühen die Höhenlinien eine wahre Euphorie, knäueln sich hier dicht zusammen, tanzen da umeinander herum und bilden dort regelrecht expressionistische Formen aus. Dieses Spiel der braunen Linien begeistert vielleicht sogar Leute, die sonst mit topographischen Karten nicht viel am Hut haben.

Geschwungener Pflasterweg zwischen Willmime und Arnimswalde

Löst man vor Ort den Blick vom Kartenwerk und lässt ihn mit gehobenem Haupt panoramisch über die Landschaft streifen, zu der Städte zählen wie Templin und Angermünde oder Prenzlau, wirkt schon der bloße Anblick wie eine visuelle Symphonie. Doch das allein ist es nicht, auch wenn es ausreichend wäre. Es sind darüber hinaus die Düfte und der oft präsente Wind, der lustvoll an den Wipfeln zieht, ganze Kornfelder zum Wogen bringt und immer schon ein bisschen nach Küste schmeckt. Dazu kommen noch die energischen Lichtspiele der Wolkenbänder, die von allen märkischen Landschaften hier am verlässlichsten anzutreffen sind und die mit ihrem breiten Schattenpinsel permanent das Landschaftsbild retuschieren.

Topf-Brunnen am Dorfplatz in Groß Fredenwalde

Hügelig ist es überall und teilweise von so steiler Flanke, dass man sich fragen muss, wie solcherart gerundete Felder zu bewirtschaften sind. Viele der resultierenden Senken sind mit Wasser gefüllt, das rein theoretisch noch geschmolzenes Eis sein könnte. Die windgekräuselten Wasserflächen liegen nicht unnahbar, doch meist weitab der Wege und  sorgen dort für unzählige Glitzerpunkte, während des Weihers andere Hälfte völlig glatt liegen kann, dunkel und scheinbar bodenlos. Drin baden werden wohl nur Unerschrockene.

Weiter Blick vom Weinberg bei Groß Fredenwalde

Jedem Maler, der von einem Dorf zum anderen geht, muss das Werkzeug in der Tasche zucken oder in der Hand, zumal ein und dieselbe Stelle vielleicht schon zwanzig Schritte später ein neues Bild abgibt. Dementsprechend kann so ein Weg für ekzessive Nutzer ihrer Sinne fast schon rauschhaft werden. In der langfristigen Folge wird ein wohliges Verlangen dafür sorgen, dass man immer wieder zurückkehren will in dieses sanft gewellte Reich der weiten Blicke, in diese Uckermark.

Unterhalb der Hügel nach Willmine

Von der Jahreszeit her lässt sich nicht viel falsch machen – irgendwelche Trümpfe werden immer ausgespielt. Neben den ganzjährig verfügbaren Lichtstimmungen sind es im Herbst die Farbspiele in den alten Alleebäumen und nicht zuletzt auch in den großen Buchenwäldern, die ihresgleichen suchen weit und breit. Im Winter schafft das monochrome Spiel von kahlen Bäumen und erdbraunen Hügeln eine dramatische Stille, deren einzige Laute gelegentlich von schwarzgekleideten Vögeln herausgekrächzt werden und wie automatisierte Klagen klingen.

Imkes Gedenksekunde

In den Wochen hingegen, wo es noch Frühling und schon Sommer ist, gibt es kaum woanders in Brandenburg eine größere Garantie für rotblauweiße Kornfeldränder oder ganze Weiten voller Mohn, an denen man sich nur schwer sattsehen kann. Die Bienen hingegen interessieren viel mehr die blauen und geräumigen Kelche des dickstammigen Natternkopfes, die neben ihrem Nektar mit einer gewissen Wohnlichkeit locken, wie so ein Sessel aus den Sechzigern.

Alle Blüten haben jetzt kräftige und eindeutige Farben, blasse oder zurückgenommene Schattierungen sind die Ausnahme. Zwischendurch weht an einzelnen Stellen der Duft von frischer Kamille vorbei, die kleine weiße Inseln schafft inmitten all der bunten Pracht und mit ihrem Aroma die Atemwege streichelt.

Innenstadt von Willmine

Zwischen vielen der Dörfer liegen unberührt alte Feldstein-Straßen, buckelige Pisten, wie es sie so auch auf Rügen gibt. Bucklig in sich durch ihr rundliches Gestein, das jede Art von Fortbewegung etwas poltrig macht, dazu oft schwingend im Verlauf durch die Wellen in der Landschaft. Autos trauen sich kaum hierher, eben deswegen, und selbst auf dem Fahrrad muss man etwas hart gesotten sein oder eben weich gefedert. In diesem Zusammenhang passt es gut, dass an einigen Stellen noch Schilder eines Kutschfernweges hängen, der bis zur Ostseeküste führt und jedes Jahr ein bisschen mehr an Wirklichkeit verliert.

Wilde Rosen und Holunder am Weg zwischen Willmine und Arnimswalde

Abgeschirmt werden die alten und archaisch wirkenden Verbindungswege meist durch dichtes Buschwerk, oft wilde Rosenbüsche und Holunder, sowie alte Bäume, gern auch solche, an denen später süße Früchte hängen. Birnen kann man dann genießen und auch Äpfel sowie Pflaumen, Kirschen oder eben den Holunder. Der steht gerade jetzt in bester Blüte und ist damit in bester Verfassung, um in Eierkuchenteig verbraten zu werden.

Durstig machender Ausblick vom Spitzberg bei Willmine

Das Gehen oder Schlendern auf solchen Straßen ist allein durch ihren Anblick pulssenkend und zugleich doch anregend, da jeder Schritt bedacht und gut gesetzt sein will. Reizvoll ist der Gedanke, dass viele der Pflastersteine nur ein paar Meter zu bewegen waren, bevor sie vom Hindernis für den Ackerbauer zum Komfortmerkmal für den Kutschenreisenden wurden. Auch in den Hausfassaden ist das lokale Gestein allgegenwärtig und sorgt für schöne Dörfer und ewige Mauern. Ob es hier immer schon so farbenfroh zuging, was Fensterläden und Türen betrifft sowie alles, was verspielt im Garten herumsteht?

Talgraben zu den Feldsteinwällen

Von Groß Fredenwalde lassen sich Touren bis Willmine, Klein Fredenwalde oder Arnimswalde aufspannen, die jede für sich eine runde Sache sind. Alle Varianten verlaufen zu einem Teil auf Straßen, doch das macht überhaupt nichts, da kaum Autos unterwegs sind und jede diese Straßen wunderschön verläuft – eher wie ein zu breit geratener Wanderweg.

Wer übrigens an den betagten Buckelpisten seine wahre Freude hat, kann das besonders zwischen Willmine und Arnimswalde auskosten und sollte auch nicht versäumen, Klein Fredenwalde östlich zu verlassen, der Weg ist ausgewiesen.

Steinwälle unter Eichen südlich von Klein Fredenwalde

Beim Prüfen der Optionen ist nur eine einzige Querverbindung mit Vorsicht zu genießen – der Weg, der sich Klein Fredenwalde von Südwesten nähert, beginnt unweit des Spitzbergs entlang des kleinen Grabens und gibt sich in der Vegetationsphase kaum zu erkennen, verlangt dann also Storchengang und etwas Orientierungssinn. Dort, wo er dann auf eine ausgeprägte Fahrspur trifft, lohnt ein kleiner Abstecher nach links, hin zu eindrucksvollen, breiten Feldsteinwällen, die als stromlose Vorgänger des heutigen Weidezauns gelten können. Darüber spannen große Kastanien ihre Kronen auf und sorgen für eine wohlige Stimmung.

Dorfplatz mit Lehmbackofen in Klein Fredenwalde

Auch der Wunsch nach Wald lässt sich erfüllen. Der hochgewachsene Arnimswalder Forst zeigt schon beim kurzen Eintauchen eine Art Werkschau des Baumbestands im Lande – selbst wenn man nur den kleinen Schlenker gleich bei Arnimswalde nimmt. Im Sommer bleibt zum entspannten Betrachten wenig Zeit, da der Wald durchfeuchtet ist, die regionale Mückenzucht auf Hochtour läuft.

Mit dem Weinberg und dem Spitzberg liegen zwei lohnende Gipfelbesteigungen am Weg, die man nicht belächeln sollte. Die Spitzkehren im waldigen Osthang des Weinbergs bei Groß Fredenwalde enden mit ein paar nostalgischen Stiegen auf einer weiten Wiese. Die steht voll mit wogenden Gräsern und öffnet nach Nordwesten eine herrlich weite Sicht.

Eingang in den Arnimswalder Forst

Hinauf zum Spitzberg bei Willmine führt unter freiem Himmel ein allerliebster Wiesenpfad, der von filigran-blauen Libellen umschwärmt wird und oben an einer perfekt platzierten Aussichtsbank endet. Das morsche Sitzmöbel gestattet fast einen Rundumblick, weit nach Süden, scheinbar unendlich in Richtung Norden. Der anziehende Blick über den Sabinensee und seine allernächste Verwandtschaft erinnert irgendwie an Kinowerbung für schäumendes Getreidebräu und macht augenblicklich durstig.

Pflasterstraße hinter Arnimswalde

Eventueller Durst oder Hunger lassen sich leider nicht direkt am Wege stillen, doch ein nördlicher Bogen im Rahmen der Rückfahrt bietet in Gerswalde, Kaakstedt und vor allem Flieth schöne Optionen. Und verstärkt auf der Passage das Verlangen, bald wieder hier zu sein und neue Wege zu entdecken.

 

 

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): leider nur wenige, umstiegsreiche Verbindungen, daher kaum praktikabel (2,5-3 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): Autobahn Richtung Prenzlau bis Ausfahrt Pfingstberg, dann ein Stück Landstraße; reizvoller ist, über Joachimsthal und dann über kleine Landstraßen zu fahren

Länge der Tour: ca. 14 km, diverse Abkürzungen sehr gut möglich (zw. WP 8 und 20, zw. WP 11 und 19, zw. WP 13 und 16)

 

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Links:

Informationen über Groß Fredenwalde

Tourismus im Amt Gerswalde

 

Einkehr: im näheren Umkreis der Tour nichts
Zum Kastanienhof, Flieth (gemütlich, gute Küche, schattiger Biergarten im Hof)
(weitere Möglichkeiten in Gerswalde und Kaakstedt)

 

Grobskizziert – Wolfshagen: Schlummernde Schönheit ganz am Rand

Weit im Norden Brandenburgs, ganz hart an der Grenze zum Mecklenburgischen, liegt wie in einem verstaubten Regal im hintersten Winkel eines riesigen Dachbodens eine kleine Schatztruhe. Ein Dorf, in dem man gleich morgen einen Märchenfilm drehen könnte, ohne viel verändern, kaschieren oder abbauen zu müssen. Die Zutaten sind reichlich, darunter auf den ersten Blick sichtbar ein buchtenreicher See, über seinem Ufer eine Burgruine und direkt gegenüber ein Park mit einer Brücke, deren allererste Aufgabe es ist, schön zu sein, das Auge zu erfreuen.

Obelisk in Wolfshagen

Wer länger hinschaut, entdeckt noch interessant gescheitelte Feldsteinhäuser ganz besonderer Bauart und eine elegante Kirche á la Schinkel, darüber hinaus einen kleinen Rosengarten und einen großen Obelisken. Nimmt man sich Zeit und das ganze Dorf in Ruhe unter die Lupe, kommt man auf den rekordverdächtigen Wert von knapp vierzig Baudenkmälern. In einem Dorf, in dem nur ein paar Hundert Leute leben.

Der kleine Rosengarten im Vorfrühling

Die ganze Uferlinie von Wolfshagen ist in einen Park eingebunden, der reich an wirklich alten Bäumen ist und an den vermutlich schlaflosen Gartenbaumeister Lenné denken lässt. Und wahrhaftig hatte er auch hier seine Finger im Spiel. Wo dieser Mann in nur 77 Lebensjahren überall tätig war, und das zu einer Zeit, wo allein das Hin und Her weit mehr Zeit beanspruchte als heute, bleibt schon rein logistisch ein Rätsel.

Blick über den Haussee zur Ruine der Blankenburg

Von der gestalterischen Qualität und der Üppigkeit der Ausstattung her würde Wolfshagen durchaus in die Umgebung von Potsdam und Babelsberg passen. In der Tat liegt es jedoch weit abgeschlagen und so weit im Norden, dass sich kaum jemand hierher verirrt. Auch die Zahl der Durchreisenden dürfte übersichtlich bleiben, seit die Autobahn eine Alternative zur B 198 bietet.

Brücke am Uferstreifen

Umso bezaubernder ist ein Spaziergang durch dieses besondere Dorf, in dem man alle paar Minuten erstaunt stehen bleibt, einen Betrachter-Schritt zurücktritt oder die Perspektive wechselt, um einer vergilbten oder aufgefrischten Sichtachse des Gesamtkonzepts auf die Schliche zu kommen.

Beginn des Uferweges

Auch außerhalb des Dorfes umgibt sich der See mit Reizvollem. Selbst ist er verspielt und von gebogener Uferlinie, kann euphorisch glitzern oder einfach schwarz oder tiefblau daliegen, wenn der frische Wind des Nordens und die uckermärkischen Wolkenbilder für schnelle Stimmungswechsel sorgen. Am Ortsrand steht auf einem Hügel ein Denkmal, ähnlich der abgebissenen Kirchturmspitze auf dem Berliner Kreuzberg. Hier beginnt an der Sitzbank unter einem gewaltigen dreigeteilten Bergahorn ein idyllischer und keinesfalls eintöniger Weg rund um den See, gleich oberhalb des kleinen Badestrandes. Am Ostufer läuft er direkt unter einer kleinen steilen Flanke, während er am bereits mecklenburgischen Westufer in gut gelaunten Bögen durch flachen und blickweiten Laubwald schlendert.

Wald voll weißer Anemonen

Im April sind sowohl die Uferhänge als auch die krautigen Waldböden bedeckt vom weißen Zauber der Buschwindröschen, hier und da ist auch eine Schüsselblume zu finden, deren Name sich dem sofort erklärt, der schon einmal einen alten Kirchtür-Schlüssel in der Hand halten durfte. An vielen Stellen stehen vereinzelt betagte Baumriesen, darunter Eichen, Buchen und Platanen. Drei davon gruppieren sich am Ende der kleinen Runde als Burgwächter gegenüber des Turms der Blankenburg, ihrem einzigen, doch völlig ausreichenden Rest. Dass dessen Mauern mehrere Meter stark sind, steht nicht nur auf einer Tafel, es lässt sich auch persönlich überprüfen. Von der schmiedeeisernen Gitterpforte am kleinen Burgplateau schaute man zu früheren Zeiten über den See auf ein passables Schloss, jetzt bildet die erwähnte Brücke den Haupt-Blickfang.

Blick von der Burg übern See

Der breiteste der vielen Frischwasserspender für den Haussee kommt auf direktem Weg von einem ausgedehnten Bruchwald her und beschert gleich zwei Zuflüsse – einen im Wald nördlich des Burgturms, einen im Park, der ufernah das ganze Dorf durchzieht. Sicher gibt es noch allerhand zu sehen in Wolfshagen, doch das darf gerne warten – die nächste Rückfahrt von der Ostsee kommt bestimmt!

 

 

 

 

 

Anfahrt ÖPNV (von Berlin): nur sehr aufwändig mit mehreren Umstiegen (ca. 3-4 Std.)

Anfahrt Pkw (von Berlin): Autobahn bis Prenzlau, von dort B 198 bis zur Landesgrenze (ca. 1,5-2 Std.)

Länge der Tour: ca. 6 km

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Links:

Artikel aus der ZEIT zu Wolfshagen

Informationen auf der Gemeindeseite

Informationen zum Park Wolfshagen

Was vom Jahre übrig blieb – Sechzehner Spätlese

Wenn das Jahr auf die markanten und mit buntem Schwarzpulver-Radau verbundenen Initialen 3112 zusteuert, stellt sich dieser ewige Widerspruch ein: einerseits sind die Monate und Jahreszeiten mitsamt den verlinkten Ritualen vorbeigerauscht wie ein Regional-Express an einer parallel fahrenden S-Bahn, die eben noch beschleunigte und in Sichtweite zum nächsten Bahnhof schon wieder an Fahrt verliert. Andererseits scheinen einzelne Tage bereits ewig her zu sein, eher schon so, dass das Wort „damals“ mitschwingen möchte.

Kurzes Männergespräch zwischen Dirk und Gonzo, Falknerei Rabenstein

Unergründbar ist in dieser Hinsicht, warum eine ärmellose Berlin-Tour vom Sommer erheblich länger her scheint als das frostige Zerpenschleuser Kanalufer mit seinem metallisch blauen Eisvogel, der Anfang Januar im Ufergebüsch saß. Die Jahreszeiten sollten eigentlich bei der Zuordnung helfen, doch die Ärmellosigkeit wird zeitlich ganz einfach einen Sommer zuvor verankert.

Eine ganze Reihe von Empfehlungen wären gern ausgesprochen worden, landeten jedoch im Nähkästchen. Eine Handvoll hole ich nochmal heraus, wenigstens für ein paar Worte.

Gemütlicher Marktplatz mit Schmalspurgleisen, Cottbus

Cottbus

Cottbus hat mit Berlin unter anderem gemeinsam, dass es kurvenreich von der Spree durchflossen wird. Zudem gibt es ein Stück Stadtmauer, das Aug in Aug mit der Klosterkirche steht. Und auch hier sorgt der Fluss für eine Museumsinsel, welche direkt an die Altstadt grenzt. Im Unterschied zu Berlin steht auf der Insel jedoch nur ein Museum, während sich das andere halbe Dutzend über die Altstadt verteilt, gemeinsam mit dem Schloss, dem weithin bekannten Staatstheater und diversen anderen Spielstätten.

Branitzer Park im späten Winter, Cottbus

Ein ganz entscheidender Unterschied zu Berlin ist der, dass man ziemlich schnell ins Grüne kommt, wenn man das möchte. In Richtung Spreequelle führen schöne Parkwege und allerlei Brücklein vorbei am durchaus eindrucksvollen Stadion der Freundschaft, hin zu den ausgedehnten Parklandschaften von Spreeauenpark und Branitzer Park. Dieser ist natürlich am schönsten, wenn alle Bäume eingekleidet sind und auf dem Boden die Blümchen sprießen. Doch das weitläufige und verspielte Gelände mit seinen durchdachten Sichtachsen ist selbst im November oder Februar charmant, wenn man hier fast alleine ist und die Enten auf dem Wasser eher zusammenrücken.

Nach dem Herumstreifen im Park ist es um so schöner, zurück zum Markt zu streben, sich reinzusetzen irgendwo und zu genießen. Ganz gleich ob herzhaft oder süß.

Eine der Pyramiden im Branitzer Park, Cottbus

Wer anstatt der gefälligen Parklandschaften oder einer gemütlichen Einkehr lieber noch mehr vom Lauf der Spree und etwas zahme Wildnis sehen möchte, kann sich bei den Parks einfach dem Europaweg E 10 anvertrauen und noch um zwei drei Stunden bis nach Neuhausen verlängern, wo jede Stunde ein Zug zurück nach Cottbus fährt.

Kleiner Park zwischen Hafen und Kirche, Wustrau

Wustrau-Altfriesack

Wustrau und Altfriesack liegen am selben See wie Alt- und Neuruppin, nur am anderen Ende. Zwischen dem flächigen und gediegenen Wustrau und dem von Wasser durchzogenen Altfriesack liegt eine Halbinsel, die von zwei Armen des Rhins geschaffen wird. Der Wustrauer Rhin ist ohne viele Umschweife unterwegs in Richtung Fehrbellin, wo er besonders lieblich dem Rhinkanal zufließt. In Wustrau selbst ist er am schönsten an der alten Wassermühle zu erleben. Der Bützrhin hingegen, der bald schon Alter Rhin heißt, schlägt einen weit ausholenden Bogen zum selben Ziel und nimmt dabei das Linumer Teichland und die Hakenberger Schleuse mit, mitsamt ihren wunderbaren Landschaften. Unterwegs kommt ihm noch der Kremmener Rhin abhanden und macht den Wasserarmsalat perfekt.

Antiquitäten-Mühle am Tag der offenen Mühle, Wustrau

Sowohl das überaus pittoreske Wustrau als auch Altfriesack mit seinem kleinen „Rhindelta“ und der schönen Zugbrücke zählen zu den Brandenburger Orten, die etwas Einzigartiges haben. Verbunden sind beide nicht nur durch einen Bindestrich, sondern auch durch einen Wanderweg, der den Wald der erwähnten Halbinsel quert. Auch hier ist das – wie eben schon bei Cottbus – der E 10, was ein ganz klein wenig kurios ist und von seiner Vielfalt zeugt.

Alte Allee nach Süden ins Luch, Wustrau

Wer nicht gern denselben Weg zurückgeht, kann von Altfriesack auf dem verlängerten Triftweg einen südlichen Bogen zurück nach Wustrau schlagen. Und wer vielleicht in Altfriesack bei einer der zwei Fischerhütten eingekehrt ist und bereits am letzten Loch im Gürtel angelangt, hat die Option, diesen Bogen nach Belieben in die blickoffenen Weiten des Wustrauer Luchs zu verlängern und dann über Langen und Buskow den Weg zurück anzutreten, oft unter dem Schatten prächtiger Alleen. Das sind zwar teilweise öffentliche Straßen, doch sind die Autos zählbar. Und speziell die letzte Allee zur Südspitze des Ruppiner Sees ist eine Offenbarung der Gemütlichkeit.

Gemütliche Allee nach Wustrau-Nord

Die zwanzig grünen Hauptwege von Berlin: Nr. 3 – Heiligenseer Weg

Wer hier und da zu Fuß durch das Stadtgebiet von Berlin streift, trifft in Grünanlagen und auch dazwischen auf Wandermarkierungen, die aus einem blauen Balken und einer Zahl bestehen. Ist beim Erst- und Zweitkontakt vielleicht überrascht, hier im dicht bebauten Dörferverbund von Berlin, aus dem die Stadt gewachsen ist. Dahinter steckt Methode, und der erste Gedanke dafür ist erstaunlicherweise schon mehr als hundert Jahre alt.

Diese Wege können einem nahezu überall in der Stadt begegnen, denn legt man alle zwanzig als Linien über eine Karte von Berlin, sieht das aus wie ein voll bepacktes Einkaufsnetz mit recht gleichmäßiger Maschenverteilung. Wer jetzt keine Vorstellung davon hat, was ein Einkaufsnetz ist und wie es aussieht, fragt beim nächsten Familienfest einfach mal die erste Tante oder Oma, die einem über den Weg läuft. Und darf je nachdem mit ausholenden Beschreibungen und Anekdoten rechnen, was für beide Seiten sehr schön sein kann.

Gemütliches Alt-Tegel, am U-Bahn-Ausgang

Dass Berlin immer noch vielfältiger ist, als man ohnehin schon denkt, ist nichts Neues. Doch das Phänomen, dass man auf vielen Hundert Kilometern grüner Wege durch die Stein- und Asphaltwelten spazieren kann und die Stadt immer wieder von neuen Seiten entdecken, ist bei jedem dieser Wege aufs Neue markant.

Binnenhafen mit Wal, Tegel

Die von offensichtlichen Berlin-Kennern gefundenen und konzipierten Wege tragen so schöne Namen wie Humboldt-Spur oder Nord-Süd-Weg, Lindenberger Korridor oder Barnimer Dörferweg. Sie verlieren selten den Kontakt zum Grün und zur Natur in jedweder Ausprägung, was in vielen Fällen auch mit reichlich Wasser einhergeht. Optional lässt sich etwas Würze hinzufügen, wenn man stellenweise ausbüchst und Abstecher oder Ausflüge in spezielle Viertel oder charakteristische Stadtlandschaften macht, nach denen es dann umso schöner ist, wieder ins Grüne einzutauchen.

Mondäne Platanen-Allee der Uferpromende mit Gänsen, Tegeler See

Einige Wege führen bis an die Stadtgrenze – und keinen Meter weiter. Viele von ihnen hatten wir schon unter den Sohlen, quer durch die Jahreszeiten. Jeder hätte einen eigenen Text verdient, wirklich.

In diesem Sommer war auf einem Stück des Heiligenseer Weges viel Neuland dabei. Steigt man in Tegel zu, bietet sich vorher noch ein Abstecher zum Tegeler Schloss an, von dem ich bis dahin nicht einmal wusste, dass es existiert. Die längliche Anlage gibt sich etwas zugeknöpft und belohnt den Beharrlichen mit einer sagenhaft schönen Lindenallee und der letzten Ruhestätte der Brüder Humboldt. Dahinter liegt urwüchsiger Wald mit schönen Pfaden, die man besser Pfade sein lässt, denn dort leben extrem sportliche Wildschweine. Zum See gibt es – entgegen einzelnen Legenden – ohnehin keinen Durchgang.

Am Rand des Flughafensees, nahe des Flughafens Tegel

Vom Stadthafen Tegel mit seinem stählernen Walfisch lässt es sich herrlich die Uferpromenade entlangtrödeln, bis vor zur roten Brücke an den Häfen, wo gleichermaßen kleine Ruderboote und baumeslange Ausflugsdampfer angeknotet liegen. Wer einen luftigen Hochsommertag erwischt, kann ohne viel Zutun glauben, er säße irgendwo am Tegernsee anstatt an einer ausgeprägten Bucht der Havel, die so ähnlich heißt. An solchen Tagen drückt der Wind vom Wasser her wie echter Seewind und schmeißt schonmal die Torte auf dem Teller um, auch wenn das Stück rechte breite Schultern hat. Die turbulenten Wellen und die gut vertäuten weißen Dampfer an der gediegenen Platanen-Promenade machen es sehr leicht, Voralpenzüge hinter sich zu wähnen und sich ein wenig mondän zu fühlen dabei.

In den Rehbergen, Wedding

Wer es hier nicht schafft sich loszureißen, zeigt in keiner Weise Schwäche, sondern trifft vielmehr eine sinnvolle Entscheidung mit Augenmaß, denn hier lässt sich gut ein ganzer Nachmittag vertrödeln. Wen hingegen doch die Neugier umtreibt, der wird belohnt mit einem städtischen Kontrastprogramm von außen nach innen. Im Flughafensee lässt sich wunderbar ein Bad einschieben. Möchte man danach die Locken trocken haben, braucht man sich nur etwas weiter in die Tegeler Einflugschneise zu stellen, wo alle paar Minuten ein Turbinenwind passiert, ganz frisch gepresst und scheitelnah.

Alternativmündung der Panke beim Invaliden-Friedhof, Berlin Mitte

Nur etwas später in den schattenreichen Rehbergen gibt es Berge, Rehe und auch andere Tiere sowie am Plötzensee die nächste Möglichkeit zum Baden. Noch etwas weiter liegt in sich ruhend und unter Kastanien ein Biergarten á la Bayern, der den Faden aufnimmt von vorhin, mit Leberkäs und Weißbier. Hier trifft der Weg auf ein Ufer, das nun verschiedenen Kanälen folgt, bis hin zur Pankemündung. Und noch weiter bis zum Hauptbahnhof, wo man sich an einer der Uferbars ganz herrlich in einen Liegestuhl hängen kann.

Rotweißer Einheits-Dampfer auf der Spree am Hauptbahnhof

Burg Rabenstein im Hohen Fläming

Für luftige Sommertage, doch auch für andere Jahreszeiten gut geeignet ist ein Ausflug zur Burg Rabenstein im Hohen Fläming, wohl der klassischsten Märchenburg auf dem Gebiet Brandenburgs. Einsam im Wald, auf einem Sporn und mit hohem Rapunzelturm. Dabei überschaubar groß und richtig schön mittelalterlich. Wer diese kleine Höhenburg als Filmkulisse nutzen will, muss nicht allzu viel umbauen, kaschieren oder abschrauben, bevor die erste Klappe fallen kann.

Zugegeben – die Anfahrt ist weit. Doch sie lohnt sich. Insbesondere auch für Familien mit Kindern beliebigen Alters, die hier einen runden Tag verleben können. Schon unten im Dorf wird es schwer, in die Gänge zu kommen, denn sobald man den Burgenbus oder das Auto verlassen hat, übt ein geräumiger Spielplatz seine ganze Anziehungskraft aus, nicht nur auf Kinder und direkt gegenüber des Naturparkzentrums. Dieses unmittelbare Gegenüber ist ein schönes Angebot für eine halbstündige Aufteilung von Groß und Klein, bevor es an den Aufstieg gehen soll.

Sibirischer Uhu Fussel in seinen Gemächern, Fläming-Falknerei Rabenstein

Der gibt den Auftakt zu einem kleinen, allerliebsten Rundweg. Führt vom Spielplatz hoch zur Burg, von dort über endlose Stiegen und hügelige Pfade wieder talwärts und ist dabei kompatibel auch für die kürzesten Beinchen. Auf nicht einmal zwei Kilometern lassen sich hier gemeinsam Abenteuerwelten entdecken, und wem das Talent des Geschichten-Ausdenkens geschenkt wurde, der kann mit ein paar Gedankenstupsern die Phantasie aller anwesenden Kinder befeuern und dafür sorgen, dass der Tag allein deswegen niemals das Gedächtnis der jüngsten Verwandtschaft verlassen wird.

Seeadler Graf Luckner, Fläming-Falknerei Rabenstein

Die Burg spricht am besten für sich selbst, lässt sich gut umstreifen und entdecken. In ihrem unmittelbaren Umfeld gibt es gleich noch zwei Erlebnisspender ganz unterschiedlicher Natur. Wer nach dem minutenlangen Aufstieg zu neuen Kräften finden muss, wird gern noch die vier Stufen zum brotduftenden Innenraum des Backhauses erklimmen, wo es am Wochenende neben köstlichen Schmalzstullen auch Kuchen, kalte Getränke und Bockwurst gibt. Jeglicher Kauf erfolgt angesichts der großen Ofentür des Holzbackofens, hinter der die verlockenden Duftschwaden entstehen. Frisches Brot ohne Geheimnisse. Und ein Backofen, genügend groß für ein ganzes Dutzend großer Brotlaibe.

Gänsegeier im Tiefflug, Fläming-Falknerei Rabenstein

Das zweite Erlebnis wartet nur hundert Meter weiter, zu Füßen des denkbar unromantischen Pendants zum Burgturm. Hier befindet sich mit der Fläming-Falknerei eine der wenigen Falknereien Brandenburgs. Zu Füßen des wuchtigen Betongebildes gibt es in den Monaten der Sommerzeit jeden Nachmittag um halb drei eine Flugvorführung, nur montags nicht.

Vielleicht besteht die Frage, warum man einem und noch einem Vogel und noch anderen dabei zusehen soll, wie sie fliegen. Ähnlich wie bei der Burg lässt sich das am besten vor Ort herausfinden. Der hiesige Falkner stellt in einer Dreiviertelstunde eine ganze Reihe eigenwilliger Charaktere vor, die man in einer Entfernung von wenigen Metern erleben darf. Begleitet wird das von einer charmanten und unterhaltsamen Moderation, die über eine diskret platzierte und hervorragende Tonanlage erfolgt und die Zeit recht schnell vergessen lässt.

Gänsegeier Gonzo in der allerersten Reihe, Flugvorführung Falknerei Rabenstein

Danach ist man ein ganz klein wenig bekannt mit dem Steppenadler Xena, der ebenso gern zu Fuß unterwegs ist wie er fliegt. Und Gonzo, dem sympathischen Gänsegeier, der allen Leuten den Kopf geraderückt, die Geier bislang unsympathisch fanden. Sich freut wie drei kleine Kinder zusammen, wenn er merkt, dass er gleich dran ist und dann majestätisch mit voller Spannweite kurz über dem Boden entlanggleitet. Oder mit Fussel, dem sibirischen Uhu mit den unwiderstehlichen Bernsteinaugen, der eigentlich gar nichts machen muss und trotzdem schwer zu vergessen ist. Einprägsam sind auch die kleineren Kaliber, die Milane, Falken und Habichte, die schnell und wendig sind und Flugmanöver hinlegen, die nur mit wachen Augen zu verfolgen sind.

Falkner Grabow mit Fussel, Fläming-Falknerei Rabenstein

Dabei kann es schon mal vorkommen, dass einem einer der Vögel kurz auf den Fuß tritt, wenn er sich in seiner Neugier in den Reihen des Publikums verfranst hat. Oder man den unmittelbaren Windzug einer ausholenden Schwinge auf der eigenen Haut fühlt. Der Eindruck, den das Ganze beim Einzelnen hinterlässt, wird von Mensch zu Mensch verschieden sein, doch vergessen wird man diese knappe Stunde sicherlich nicht. Und künftig ein wenig anders in die Lüfte stieren, wenn von ganz oben ein pfeifender Laut kommt und ebendort jemand ohne viel Flügelschlag seine Kreise dreht oder in der Luft an einer Stelle verharrt, ein potentielles Mäuschen im Visier.

Wer Raben besucht und vordergründig auf lange Spaziergänge aus ist, kann den speziellen Zauber des idyllischen und flachen Plane-Tals mit den unvermittelt antretenden Höhen des kernigen Miniatur-Gebirgszuges verbinden, auf dessen Mittelpunkt die alte Feste hockt. Der Besuch der Burg lässt sich damit bestens verbinden, dasselbe gilt für die Flugvorführung – wenn man unterwegs die Uhr etwas im Auge behält. Und übrigens: der Wappenvogel Brandenburgs ist hier selbstverständlich auch vertreten. Fragen Sie bei Interesse Ihren Falkner!

Blumberger Mühle

Wer Kinder hat und mit ihnen mehrmals im Jahr ins Land jenseits der Stadtgrenze aufbricht, weiß mit Sicherheit, wie schön es an der Blumberger Mühle ist, was für runde, stressfreie und unvergessliche Tage sich hier verleben lassen. Das gilt gleichermaßen für die weitflächige Teichlandschaft als auch für das an ihrem Rande gelegene Informationszentrum, das einer Kombination aus riesiger Bienenwabe und slawischer Burganlage gleicht. Hier gibt es die schönsten Angebote, um das zu entdecken, was unter freiem Himmel so geboten wird von der guten alten Natur, die sich hier gleichermaßen als Erzählerin und Zauberin zeigt.

Weg zwischen den Fischteichen der Blumberger Mühle, bei Angermünde

Am Südrand der Teichlandschaft liegt die eigentliche Blumberger Mühle. Ein Mühlrad ist hier nicht zu finden, doch ein Gefälle zwischen zwei Teichen ist bei den Gebäuden durchaus erkennbar. Direkt dahinter beginnt ein schnurgerade Weg, der mitten durch den glänzenden Flickenteppich führt, der insgesamt doch immerhin so groß ist wie der Mündesee beim Städtchen um die Ecke. Für Wassernachschub sorgt die Welse, die von Süden wildromantisch daherkommt.

Mit der Blumberger Mühle ist es ähnlich wie mit der Burg Rabenstein – man kann sich bestens auf das Gebiet beim Informationszentrum beschränken, wobei sowohl Bewegung als auch Erlebnisse nicht zu kurz kommen werden. Die Natur kann hier in großer Vielfalt erlebt werden, was mit Sicherheit pädagogisch wertvoll ist und mit ebenso großer Sicherheit gewaltigen Spaß macht. Falls den Kindern die Energie dabei partout nicht ausgehen will, können sich die lieben Erwachsenen für einen Augenblick ins Innere der Wabe zurückziehen und dort stärken – das Essen ist hervorragend, der Kuchen selbstgebacken und die Kakaotassen groß.

Tiefschwarze Angus-Rinder auf der winterlichen Weide, Blumberger Mühle

Ausschwärmen lässt sich von der slawischen Info-Wabe wahlweise ein bisschen oder eben etwas mehr. Für wen „ein bisschen“ reizvoller klingt, der ist mit einem Spaziergang zur eigentlichen Blumberger Mühle und dem Damm zwischen den Teichen gut bedient. Falls gerade der Sommer läuft, ist es von dort durch den Wald nur eine gute halbe Stunde bis zum Strandbad am Wolletzsee – die Schilder zum Campingplatz weisen den Weg.

Und wer noch etwas mehr Bewegungsdrang verspürt oder unterwegs von der Landschaft überredet wird, kann von diesem Strand ein paar Kilometer dem Uckermärkischen Landweg gen Angermünde folgen. Zurück zum Ausgangspunkt besteht die Auswahl zwischen einem zauberhaft uckermärkischen Hügelweg oder der wiesigen Spur, die entlang der Bahn verläuft. Rechnen Sie auf der benachbarten Weide mit tiefschwarzen Rindviechern, deren Rasse nach einem australischen Gitarristen benannt wurde, sowie auf allen Wegen mit plötzlich aufstiebenden, farbenfrohen Fasanen!

Download der Wegpunkte
(mit rechter Maustaste anklicken, dann „Speichern unter…“)

Cottbus (optional Verlängerung auf dem E 11 nach Neuhausen)

Wustrau-Altfriesack (optional Verlängerung ins Luch)

Heiligenseer Weg (Tegel-Hbf.)

Burg Rabenstein

Blumberger Mühle (optional Verlängerungen Wolletzsee etc.)

Links:

Cottbus

Informationen zum Branitzer Park

Tourismus-Informationen Cottbus

Wanderweg E 10

Wustrau-Altfriesack

Ortsinformationen zu Wustrau

Wassermühle Wustrau

Ortsinformationen zu Altfriesack

Von Alt-Tegel zum Berliner Hauptbahnhof

Informationen zum Grünen Hauptweg Nr. 3 „Heiligenseer Weg“

Familien-Information zur Promenade am Tegeler See

Flughafensee am Flughafen Tegel

Invaliden-Friedhof Berlin-Mitte

Burg Rabenstein

(das Backhaus vor der Burg gibt es leider nicht mehr)

Fläming-Falknerei nahe der Burg

Naturpark-Zentrum Hoher Fläming in Raben

Blumberger Mühle

Naturerlebniszentrum Blumberger Mühle

Fischteiche Blumberger Mühle

Biberbus zur Blumberger Mühle